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Die menschliche Perspektive im
Naturschutz und Wildtiermanagement:
Eine Einführung indie „Human
Dimensions ofWildlife“
TanjaM.Straka, MargreetDrijfhout, SophiaKochalski,
Eickvon Ruschkowski undClaudiaGruenewald
Inhaltsverzeichnis
11.1 Einleitung 273
11.2 Konzeptionelle Ansätze der Human Dimensions of Wildlife 275
11.3 Mensch-Wildtier-Konikte in Deutschland und Europa 278
11.4 Abschließende Bemerkungen 284
Literatur 284
11.1 Einleitung
Wölfe und Bären kehren nach Deutschland zurück, Biber verändern Landschaften,
Gänse verursachen Ernteausfälle, Singvögel und Eichhörnchen bevölkern Gärten
und Hinterhöfe, Fledermäuse und Waschbären lassen sich im Dachgeschoss nieder.
T. M. Straka (*)
Technische Universität Berlin, Institut für Ökologie, Berlin, Deutschland
E-Mail: tanja.straka@tu-berlin.de
M. Drijfhout
School of Technology, Environments and Design, University of Tasmania,
Hobart, TAS, Australien
E-Mail: Margreet.Drijfhout@utas.edu.au
S. Kochalski
Cross-disciplinary Research Center in Environmental Technologies (CRETUS), Institut für
Angewandte Wirtschaftswissenschaften, Universität Santiago de Compostela,
Santiago de Compostela, Spanien
E-Mail: sophia.kochalski@usc.es
E. von Ruschkowski
Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz, Hof Möhr, Schneverdingen, Deutschland
E-Mail: Eick.vonRuschkowski@nna.niedersachsen.de
C. Gruenewald
Unabhängige Wissenschaftlerin, Mainz, Deutschland
© Der/die Autor(en) 2023
C. C. Voigt (Hrsg.), Evidenzbasiertes Wildtiermanagement,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-65745-4_11
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Ob auf dem Land oder in der Stadt– Menschen und wildlebende Tierarten treffen
regelmäßig aufeinander. So entstehen Interaktionen, die beim Menschen für viel-
fältige Emotionen und Gedanken sorgen, die von positiven über neutrale bis hin zu
negativen Assoziationen reichen (Frank etal. 2019). Während die Sichtung eines
Wolfs bei einer Waldwanderung oder der nächtliche Flug einer Fledermaus Freude
oder Faszination auslösen kann, führen der Verlust von Schafen durch Wölfe oder
der Einzug von Fledermäusen in das eigene Haus hingegen meist zu Frustration,
Wut, Sorgen oder Ängsten. Angesichts vielfältiger menschlicher Aktivitäten und
intensiver Raumnutzung in Deutschland rücken Lebensräume von Menschen und
Wildtieren immer näher zusammen. Dadurch entstehen zunehmend Mensch-
Wildtier- Konikte, mit einer wachsenden Anzahl verschiedener Beteiligter. Men-
schen und ihre Beziehung zu Wildtieren zu verstehen wird immer wichtiger, um
einerseits Arten wirksam zu schützen und andererseits Konikte bzw. Konikt-
potenziale zu minimieren. Die Ansichten zu wildlebenden Tierarten und deren Ma-
nagement können stark auseinandergehen, sowohl auf der individuellen Ebene als
auch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen („Stakeholder“,
Manfredo 2008; Decker etal. 2012). In vielen Fällen gehen die Konikte dabei über
den Sachzusammenhang (Mensch-Wildtier) hinaus und nden tatsächlich– aber
nicht immer sichtbar– auf der menschlichen Beziehungsebene statt: d.h., obwohl
verschiedene Interessengruppen vordergründig über Artenschutzfragen diskutieren,
stehen tieferliegende Koniktursachen wie z.B. unterschiedliche Werte und Ein-
stellungen hinter diesen Auseinandersetzungen (Manfredo etal. 2017; Skogen etal.
2017; Harrison etal. 2019). In derartigen Fällen werden die sogenannten „Human
Dimensions of Wildlife“ (HDW), die menschlichen Aspekte in Bezug auf Natur und
Wildtiere, relevant.
Die Zielsetzung und die damit verbundenen Ergebnisse der HDW-Forschung las-
sen sich wie folgt beschreiben: HDW versucht, menschliches Denken, Fühlen und
Handeln in Bezug auf Natur und Wildtiere als auch deren Management zu ver-
stehen. Damit leistet diese Forschungsdisziplin im Idealfall nicht nur einen Beitrag
zu einem besseren Verständnis der Rolle des Menschen im Naturschutz, sondern
trägt auch zu effektiven, gesellschaftlich unterstützten und somit nachhaltigen Ent-
scheidungen und Lösungen bei und verbessert dadurch Naturschutz und Wildtier-
management (Manfredo 2008; Decker etal. 2012). Zum Beispiel kann HDW posi-
tive und negative gesellschaftliche Auswirkungen von Naturschutzmaßnahmen
aufzeigen und den Zugang zum Wissen und den Perspektiven unterschiedlicher
Personengruppen erleichtern. Dies wiederum trägt zu einem besseren gegenseitigen
Verständnis für unterschiedliche Sichtweisen bei (Manfredo 2008). Ein weiteres
Ziel von HDW ist es, die Akzeptanz von Wildtiermanagementmaßnahmen zu er-
fassen oder Entscheidungsndungsprozesse aufzuzeigen sowie Gründe für
Zustimmung oder Ablehnung zu identizieren. Ergebnisse der HDW-Forschung
bilden außerdem eine Grundlage für eine effektivere Kommunikation und Zu-
sammenarbeit, indem Maßnahmen und Lösungen auf bestimmte Personengruppen
zugeschnitten, ihre Erfahrungen und Wünsche einbezogen oder, falls nötig, Wissens-
lücken geschlossen und falsche Überzeugungen ausgeräumt werden (Decker etal.
2012; Frank etal. 2015a). Mit HDW sind Erfolge und Lösungsndungen im Natur-
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schutz und Wildtiermanagement möglich, die durch Naturwissenschaften und tech-
nische Lösungen allein nicht erreicht werden können. Deshalb gilt ein interdiszipli-
närer Ansatz, d. h. die Integration von Natur- und Sozialwissenschaften, als
wesentliches Element zur langfristigen Lösung von Mensch- Wildtier- Konikten
(Manfredo 2008; Madden und McQuinn 2014; Bennett etal. 2017).
Vor diesem Hintergrund– und auch, weil im deutschsprachigen Kontext die ge-
sellschaftlichen Dimensionen des Naturschutzes in der Praxis noch zu selten eine
Rolle spielen (Ruschkowski 2010)– geben wir in diesem Kapitel eine kurze Ein-
führung in die Forschungsdisziplin der „Human Dimensions of Wildlife“ und stel-
len einige gängige sozialwissenschaftlichen Ansätze und Theorien dieser Disziplin
vor. Außerdem zeigen wir auf, wie diese Ansätze im Wildtiermanagement eingesetzt
werden können, indem wir Beispiele aus einer Reihe aktueller HDW-Studien vor-
stellen. Im zweiten Teil des Kapitels beschreiben wir exemplarisch Wildtierkonikte
in Deutschland und stellen eine Auswahl an Fallstudien (Abb.11.3, 11.4, 11.5 und
11.6) vor, die verdeutlichen, wie HDW in Koniktsituationen wirkungsvoll und
hilfreich angewendet werden kann. Im Kapitel wird eine genderneutrale Schreib-
weise gewählt, es soll jedoch die gesamte Gender-Bandbreite angesprochen werden.
11.2 Konzeptionelle Ansätze der Human Dimensions
ofWildlife
„Human Dimensions of Wildlife“ wird heute meist als Teildisziplin den sogenannten
Naturschutzsozialwissenschaften (Conservation Social Sciences) zugeordnet (Ben-
nett etal. 2017) und wendet konzeptionelle Ansätze und Theorien z. B. aus der
Soziologie und Sozialpsychologie im Kontext von Wildtiermanagement, Arten- und
Naturschutz an (Manfredo 2008; Decker etal. 2012; Manfredo etal. 2017). HDW
ist in Nordamerika entstanden und zielt somit primär auf Schlüsselkonzepte aus
dem angelsächsischen Sprachraum ab, die aber im deutschsprachigen Raum An-
klang gefunden haben. So stellt z.B. die Theorie der kognitiven Hierarchie („Cog-
nitive Hierarchy“) ein Schlüsselkonzept für die HDW dar; diese Theorie beschreibt
die enge Verknüpfung von Werten, Überzeugungen, Einstellungen und Normen
(Fulton et al. 1996; Manfredo 2008; Manfredo et al. 2017; Jacobs et al. 2018;
Abb.11.1). Dabei bauen die einzelnen Konzepte ähnlich einer umgekehrten Pyra-
mide aufeinander auf und beeinussen sich gegenseitig, wobei einige wenige zen-
trale Werte das Fundament bilden und ganz oben zahlreiche Verhaltensweisen ste-
hen, die situationsspezisch sind und sich schnell ändern können (Fulton et al.
1996; Abb.11.1). Neben diesen kognitiven Konzepten (d.h. was Menschen denken)
verweisen viele Forschungsarbeiten zusätzlich auf die Relevanz von Emotionen in
Bezug auf Wildtiere und deren Management (z.B.Manfredo 2008; Jacobs etal.
2014a; Johansson etal. 2016; Jacobs und Vaske 2019). Im Folgenden veranschau-
lichen wir, wie sich die genannten sozialpsychologischen Konzepte in der Forsch-
ungspraxis bewährt haben und ins Wildtiermanagement integrieren lassen.
11 Die menschliche Perspektive im Naturschutz und Wildtiermanagement: Eine …
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Abb. 11.1 Kognitive Hierarchie menschlichen Verhaltens (nach Fulton etal. 1996). Konzepte auf
den unteren Stufen beeinussen die darüber liegenden Ebenen
Werte („values“) beeinussen, wie Menschen oder soziale Gruppen die Welt
beurteilen und welche Entscheidungen sie treffen (Ives und Kendal 2014). Werte
sind relativ stabile Leitprinzipien im Leben (z.B. soziale Gleichheit, die Erde res-
pektieren; Rokeach 1973), die über Überzeugungen und Einstellungen eines Men-
schen sein Verhalten beeinussen (siehe Fulton etal. 1996), aber sich auch direkt
auf das Verhalten auswirken können. Hrubes etal. (2001) zeigen zum Beispiel, dass
Werte in Bezug auf Wildtiere und zum Leben allgemein sich darauf auswirken kön-
nen, wie häug zur Jagd gegangen wird. Abhängig von der Forschungsfrage können
menschliche Werte mit unterschiedlichen (quantitativen) Instrumenten gemessen
werden, z.B. anhand der Wertedimensionen nach Schwartz (Schwartz 1992) oder
mittels auf Umwelt oder Tiere bezogene Skalen für Wertesysteme (z.B.Drijfhout
etal. 2020; Riepe etal. 2021).
Überzeugungen („beliefs“) füllen Werte mit subjektiver und individueller Be-
deutung (Fishbein und Raven 1962; Fulton et al. 1996; Fishbein 2009). Über-
zeugungen können deniert werden als „Fakten, wie sie ein Individuum wahrnimmt“
(Dietz etal. 2005). Sie können die Einstellungen gegenüber Wildtieren oder Akzep-
tanz von Managementstrategien erklären, wie es z.B. für die Rückkehr von Wölfen
und Wisenten (Überzeugungen, dass Menschen Wildtieren überlegen sind, führen zu
einer nur geringen Unterstützung der Ansiedlung von Wisenten bei deutschen Schü-
lern (Hermann etal. 2013; Hermann und Menzel 2013)) sowie für nicht-heimische
Arten gezeigt wurde (Überzeugungen, dass diese Arten schädlich sind, führen eher
zur Unterstützung von Managementmaßnahmen (Fischer etal. 2014)). Eine Möglich-
keit, solche Überzeugungen zu messen, stellen die sogenannten wildtierbezogenen
Wertorientierungen dar („wildlife value orientations“, WVO; Fulton et al. 1996;
Manfredo et al. 2009). Das Konzept der wildtierbezogenen Wertorientierungen
wurde ebenfalls primär im nordamerikanischen Kontext entwickelt. Bisher liegen
nur wenige Einzelstudien vor, welche zeigen, dass das Konzept auch in anderen
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kulturellen Kontexten tragfähig zu sein scheint (Hermann etal. 2013; Jacobs etal.
2014b; Gamborg und Jensen 2016; Zainal Abidin und Jacobs 2016) jedoch auch
kulturelle Unterschiede der wildtierbezogenen Werteorientierungen aufzeigen kann
(Jacobs etal. 2022). Derzeit ist jedoch eine größere, auf über 30 Länder angelegte
Studie in Vorbereitung (pers. Kommentar von Ruschkowski).
Einstellungen („attitudes“) umfassen die positive oder negative Bewertung
eines Objekts oder einer Handlung (z.B.Zustimmung oder Ablehnung) und können
durch Wissen und vorherige Erfahrung beeinusst werden (Eagly und Chaiken
1993; Manfredo 2008). Einstellungen können auf vielfältige Weise gemessen wer-
den und sind Teil vieler Theorien jenseits der kognitiven Hierarchie (z.B. „Theorie
des geplanten Verhaltens“ (Ajzen 1991)). Einstellungen gehen dem Verhalten vo-
raus und können es beeinussen, sodass Verhaltensweisen unter anderem aufgrund
von Einstellungen (z.B. positive Einstellung gegenüber dem Naturschutz) prognos-
tiziert werden können. Dieser unmittelbare Zusammenhang zum Verhalten und die
relativ einfache Messbarkeit erklären, warum HDW-Forschung sich meist mit Ein-
stellungen befasst. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass menschliches Verhalten
komplex ist und von vielen Faktoren beeinusst wird (Gifford und Nilsson 2014),
sodass eine Veränderung der Einstellung nicht unbedingt eine entsprechende Ver-
haltensänderung hervorruft. Dennoch ist es oft hilfreich, Einstellungen zu messen,
um Interessenvertreter in ihren Bewertungen von Wildtieren und deren Manage-
ment zu verstehen (Manfredo 2008). Dazu gehört zum Beispiel, ob Richtlinien und
Maßnahmen zum Wildschadenmanagement unterstützt oder abgelehnt werden
(Reiter etal. 1999).
Verhaltensabsichten („behavioural intentions“) werden oft anstelle von Ver-
halten gemessen, da sie über Umfragen einfach messbar sind und bewusste Ver-
haltensweisen in der Regel mit einer Absicht beginnen (Jacobs und Harms 2014).
Obwohl Verhaltensabsichten mit Verhaltensweisen korreliert sein können, zeigt die
Datenlage jedoch auch, dass gerade bei unbequemen Handlungen und komplexen
Themen Verhaltensabsichten zu großen Teilen nicht in Verhalten umgewandelt wer-
den (Kollmuss und Agyeman 2002).
Normen („norms“) beziehen sich darauf, welche Verhaltensregeln in einer
Gruppe oder Gesellschaft als angemessen oder erlaubt wahrgenommen werden. Es
wurde vielfach gezeigt, dass Normen einen starken Einuss auf das Verhalten haben
(z.B.Fishbein 1967; Cialdini und Trost 1998), und es gibt immer mehr Belege, dass
dies auch für umweltfreundliches Verhalten gilt (Farrow etal. 2017). Im Wildtier-
management-Kontext haben allerdings bisher nur wenige Studien die Bedeutung
sozialer Normen untersucht (z.B.Niemiec etal. 2016).
Emotionen („emotions“) sind die Bandbreite der Gefühle (positiv bis negativ,
einfach bis komplex), die Menschen erleben, wenn sie mit persönlich bedeutsamen
Dingen und Ereignissen umgehen. Es wird angenommen, dass Emotionen die
menschliche Reaktion auf Wildtiere direkt beeinussen (Jacobs etal. 2014a; Man-
fredo 2008). Bei Emotionen werden diskrete Kategorien und Dimensionen unter-
schieden (Jacobs und Vaske 2019). Zu den diskreten Kategorien gehören ver-
schiedene Emotionen wie Angst, Freude oder Traurigkeit. Bei den Dimensionen
wird zwischen Valenz (Wertigkeit, positiv oder negativ) und dem Aktivierungs-
11 Die menschliche Perspektive im Naturschutz und Wildtiermanagement: Eine …
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niveau (Erregung, von niedrig bis hoch) differenziert. Zur quantitativen Messung
dieser Parameter werden Umfrageteilnehmer zumeist gebeten, auf einer Skala an-
zugeben, wie ängstlich, freudig oder traurig bzw. wie positiv oder negativ, aktiviert
oder entspannt sie sich fühlen, wenn sie an bestimmte Wildtiere oder damit einher-
gehende Situationen denken. Emotionen können alleine oder im Zusammenspiel
mit den anderen Konzepten der kognitiven Hierarchie betrachtet werden (Manfredo
2008). Zum Beispiel zeigen Straka etal. (2019), dass Emotionen gegenüber Wölfen
die Akzeptanz von Wolfsmanagementmaßnahmen stärker beeinussen als wildtier-
bezogene Werteorientierungen. Decker etal. (2010) zeigen, dass Menschen, die aus
Angst einen Wald mit Wisent-Vorkommen nicht betreten würden, auch gegen deren
Wiederansiedlung in Deutschland sind– in Folge dieser Studie wurde daher an
Orten mit geringer Unterstützung der Anwohner von diesem Vorhaben abgesehen.
Bei Wölfen können nicht nur Angst, sondern auch Abscheu oder Freude sowie ethi-
sche Emotionen (z.B.Aufgebrachtheit aufgrund eines möglichen Versagens beim
Erhalt von Wolfspopulationen (Hermann und Menzel 2013; Jacobs etal. 2014a))
die Akzeptanz von Managementmaßnahmen beeinussen.
Betrachtungsebenen
Werte, Überzeugungen, Normen, Einstellungen und Emotionen können innerhalb
einer Gruppe oder Gesellschaft ähnlich oder unterschiedlich ausgeprägt sein. Mit-
glieder sozialer Gruppen (Abb.11.2) sowie kulturelle Einheiten teilen zumeist ähn-
liche Werte (Inglehart und Welzel 2005; Manfredo et al. 2017). Dennoch haben
Einzelpersonen innerhalb einer Interessengruppe (Abb.11.2) auch eigene Über-
zeugungen, Emotionen etc., die sich von anderen in der Gruppe oder von der of-
ziellen Selbstdarstellung der Gruppe unterscheiden können. Folglich hängt es von
der Fragestellung ab, auf welcher Ebene, z.B.Individuum oder Gruppe, Unter-
suchungen zu HDW-Konzepten durchgeführt werden (Decker etal. 2012). Darüber
hinaus sind in der HDW-Forschung oft mehrere Interessenvertreter an einer Situa-
tion bzw. einem Konikt beteiligt. Im Fall der Rückkehr von Wölfen nach Europa
gehören beispielsweise Nutztierhalter, Jäger und Naturschützer zum zentralen Kern
dieses Interessenvertreternetzwerkes, aber auch die Medien, Politiker, Anwohner,
der Tourismus, Ministerien/Behörden, Förster und Wissenschaftler sind relevante
Interessenvertreter (Grossmann etal; 2020, Abb.11.2). Für ein effektives Wildtier-
management ist das Verständnis der Individual- als auch der Gruppenebene sowie
der Beziehungen unterschiedlicher Interessengruppen zueinander unerlässlich.
11.3 Mensch-Wildtier-Konflikte inDeutschland und Europa
Obwohl Mensch-Wildtier-Interaktionen auch positiv oder neutral sein können
(Frank etal. 2019), beschreiben wir im Folgenden vorrangig Konikte, da diese
meist aktives Handeln im Wildtiermanagement erfordern. In Deutschland treten
z.B. zahlreiche Konikt-Szenarien mit verschiedenen Säugetierarten (große Beute-
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Abb. 11.2 Beispielhafte Konstellation von Interessengruppen im Mensch-Wildtier-Kontext.
Konzepte (im orangen Kreis) können sowohl für Einzelpersonen als auch auf Gruppenebene unter-
sucht werden (mit freundlicher Genehmigung Exner Deluxe Design, ©Rawpixel.com/Adobe
Stock, ©jan stopka/Adobe Stock)
greifer, Huftiere und Fledermäuse) als auch mit Arten an und in Gewässern und mit
Vögeln auf. Anhand ausgewählter Studien zeigen wir auf, wo und wie HDW zur
Unterstützung und Verbesserung von Arten- und Naturschutz angewendet wer-
den kann.
11 Die menschliche Perspektive im Naturschutz und Wildtiermanagement: Eine …
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11.3.1 Große Beutegreifer
Seit über zwei Jahrzehnten kehren große Beutegreifer wie Luchs (Lynx lynx), Bär
(Ursus arctos) und Wolf (Canis lupus) in viele europäische Länder zurück –
hauptsächlich aufgrund von sozial-politischen Veränderungen und durch das In-
krafttreten der Europäischen Naturschutzgesetzgebung zu Beginn der 1990er-
Jahre, aber auch durch verbesserte Lebensraumbedingungen und einen aus gezeichneten
Beutetierbestand. Daran entfachen sich seitdem immer wieder Mensch-Wildtier-
Konikte (Chapron etal. 2014; Linnell etal. 2017), und die wachsende Wolfs-
population in Deutschland bildet dabei keine Ausnahme. Während laut Umfragen
die Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit Wölfe wertschätzt (NABU 2015, 2018,
2021), wird dies von anderen Interessengruppen nicht unbedingt geteilt. Dabei
handelt es sich zumeist um Gruppen aus der Jäger- oder Landwirtschaft– aller-
dings können Stakeholdernetzwerke lokal-regional unterschiedlich ausgeprägt
sein und so z.B. auch Anwohner in Wolfsgebieten oder Behörden einschließen
(z.B.Grossmann etal. 2020). Oft stehen hier dann Sorgen und Probleme rund um
ökonomische und materielle Auswirkungen, wie etwa durch Nutztierrisse oder
Konkurrenz um Jagdwild, im Vordergrund. Ängste, Haus- und Nutztiere oder die
eigene Sicherheit betreffend, spielen ebenfalls eine Rolle, zumal sie zusätzlich
geschürt werden durch ein reichhaltiges Kulturerbe an Märchen und Mythen mit
meist negativen Assoziationen zum Wolf (Hunziker etal. 2001; Roskraft etal.
2007; Chapron etal. 2014; Dressel etal. 2015; Frank etal. 2015b; Linnell etal.
2017; Abb.11.3).
11.3.2 Huftiere
Neben großen Beutegreifern sind große Panzenfresser bzw. wildlebende Huftiere
häug Teil von Mensch-Wildtier-Konikten (Glikman und Frank 2011; Linnell
etal. 2020). Zumeist drehen sich entstehende Konikte um land- und forstwirt-
schaftliche Schäden, Verkehrsunfälle durch Kollision oder wechselseitig zwischen
Menschen und Tieren übertragbare Krankheiten (Zoonosen). In erster Linie sind
land- und forstwirtschaftliche, aber auch jagdliche Interessen betroffen (z.B.Frank
etal. 2015a; Linnell etal. 2020). In Europa bietet großächige Landnutzung durch
den Menschen in Kombination mit oft historischen Höchstständen wildlebender
Huftiere Anlass für Konikte. In Deutschland vorkommende, potenzielle Konikt-
arten sind das Reh (Capreolus capreolus), der Rothirsch (Cervus elaphus), das
Wildschwein (Sus scrofa) und, zu einem geringeren Anteil, auch das Wisent (Bison
bonasus; Decker et al. 2010; Reimoser und Putman 2011; Linnell et al. 2020;
Abb.11.4).
T. M. Straka et al.
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NaturschutzfragenzugroßenBeutegreifern, insbesondere Wö lfen,sindsehrumstrien undumfassennicht nurökologische undöko nomische,
sondernpsychologische, soziokulturelleund polischeDimensionen(z.B. Chapronetal. 2014;Linnell et al. 2017; Skogen et al. 2017). Eine
europaweite Metastudie (Dresseletal. 2015) zeigt, dass Einstellungengegenüber Wölfen im VergleichzuBären negaver sind,sichmit derZeit
nichtunbedingt (zum Posiven)verändern undprimär in der Jäger-und Landwirtscha, aber wenigerder Öffentlichkeit aureten.Die Autoren
empfehlenparallelzum Wolfsmonitoringeinekonnuierlich eBeobachtung derEinstellungen verschiedenerInteressengruppen.Hierbei sollten
Einstellungeneherals Indikatoren(z.B. alsEvaluaonsgrößenadapvenManagements)dennals Zielvorgaben (z.B.zur Einstellungsänderung)
dienen (Majić undBath 2010;Dresseletal. 2015).EinigeStudien erachten dasalleinige Erfassenvon Einstellungenjedochals nicht
ausreichend, weil efergehende Faktoren unerkanntbleiben:SoverdeutlichteineSchweizer Studie zu großen Beutegreifern, dass allgemeine
Werte(„tradionell“ vs.„postmodern“) und grundlegende Überzeugungenzur Natur(„Partner“oder„Feind“)wichge Einflussgrößensind,
wenn es um dieUnterstützung oder AblehnungdieserWilderegeht(Hunziker et al. 2001). Auch in denNiederlandensindWolfswahrnehmung
und -managementmit demNaturbild verknüp (van Heel et al.2017).Hierzeigteder Bezugzur Naturverantwortung einenmöglichen
Ansatzpunktfür Dialog undKonfliktlösung zwischen denInteressengruppen.ObwohlEmoonenmehrals nurAngst bedeuten (z.B.Freude;
Jacobs et al. 2014 a),bleibtAngst eine wichgeEinflussvariable im Wolfsmanagement(z.B. Frank, J. et al. 2015), da vonAngst Betroffene
wenigerbereitsind, Kosten zu tragen,die im Zusammenhang mitgroßenBeutegreifern entstehenund Angstzudem ko mplexverwobenscheint
miteiner Negav-Einschätzungvon Wö lfen (z.B.als unberechenbar, gefährlich) undVertrauensverlusten in Entscheidungsträgeroderöffent liche
Einrichtungen(Johanssonetal.2012 a, b).KonflikteumWölfe sind folglich äußerstvielschichg, efverwurzeltund veranschaulichenwie kaum
eine andere Situaon Mensch-Menschodergar Stellvertreter-Konflikte -eingebeetinund beeinflusst durchbestehendegesellschaliche
Spannungsfelder(z.B. Skogen et al. 2017).
Wolf
Abb. 11.3 Fallbeispiel Wolf (mit freundlicher Genehmigung Exner Deluxe Design, ©jan stopka/
Adobe Stock)
Mensch-Wilder-KonflikteumWildschweinesind meist durchderen Fressverhalten verursacht,dadie Nahrungssuche unddabei
aufgewühltes Erdreich zunehmende Schädigungen landwirtschalicher und naturräumlicherFlächen verursachen(Schley undRoper 2003;
Franketal. 2015).EineStudie, diezum VerständnismenschlicherodergesellschalicherDimensionen solcherKonfliktebeiträgt, istvon
Franketal. (2015): In quantavenBefragungen habendie WissenschalerEinstellungen italienischerLandwirte,der Jägerscha und
Ortsansässiger zuvierverschiedenen Managementansätzen erfasst, indemsie Zusmmungs-oderAblehnungsniveaus erfragten. Zusätzlich
kameninder Studie qualitaveInterviewszum Einsatz,umeferliegende Gründe fürZusmmungs- oder Ablehnungseinstellungendieser
Gruppenzuverstehen.Interviewswechseltensichabmit Wo rkshopsund darauffolgenden Treffen,umZugangzuden verschiedenen
Personengruppenzuermöglichen.Managementansätze, diesichdirektauf Wildschweinpopulaonen bzw. derenZahlenauswirken,wie
EinfangenoderAbschuss, fanden diegeringste Zusmmung und botendas höchsteKonfliktpotenzialinnerhalb undzwischen
Interessengruppen.Die Interviewdaten idenfizierten Misstrauen gegenüberParkbehördenund mangelndeTransparenz bei
Kontrollmaßnahmen als Hauptgründefür negaveEinstellungen bzw. Widerständeinder Jägerscha, da sich dadurchdie Unsicherheiten in
ihrenJagdausübungsmöglichkeiten erhöhten.Landwirte waren frustriert über dieKompensaonszahlungen,die alswenig übersichtlich,
schwer zugänglich und nichtunbedingt nützlich wahrgenommen wurden.ÜberJahre wurden dieseProblemake nnie adressiert und der
Konfliktkonnteweitereskalieren.Öffentliche Deba¤en und vielschichgeKonflikte vers chiedenerBeteiligter rund um dieafrikanische
Schweinepest in Deutschlandstellenein aktuellesBeispieldar.AuchhierließensichKonfliktehöchstwahrscheinlichbesserbewälgen,wenn
auch diemenschliche bzw. gesellschaliche Perspekve in Form vonStudienergebnissenindieMaßnahmen integriertwürde.
Wildschwein
Abb. 11.4 Fallbeispiel Wildschwein. mit freundlicher Genehmigung Exner Deluxe Design, ©jan
stopka/Adobe Stock)
11 Die menschliche Perspektive im Naturschutz und Wildtiermanagement: Eine …
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11.3.3 Tierarten inund anGewässern
Küstengebiete und Binnengewässer werden von Menschen und Tieren intensiv ge-
nutzt, was unweigerlich zu Konikten führt. In Mitteleuropa handelt es sich vor
allem um Konikte an der Küste mit Robben (Seehund, Phoca vitulina, und Kegel-
robbe, Halichoerus grypus) sowie um Konikte an Binnengewässern mit dem Eu-
rasischen Biber (Castor ber), dem Fischotter (Lutra lutra) sowie schfressenden
Vögeln (Kormoran, Phalacrocorax carbo, und Graureiher, Ardea cinerea). Die Be-
stände dieser Arten gingen im 19. und 20. Jahrhundert stark zurück. Durch die
Wiederherstellung ihrer Lebensräume, Wiederansiedlungsmaßnahmen und Ein-
stellung der Jagd haben ihre Verbreitung und Bestände wieder zugenommen und
auch die damit verbundenen Mensch-Tier-Konikte (Klenke etal. 2013; Marzano
etal. 2013). Hauptursache für die Konikte ist für die meisten Arten ein Konkurrenz-
verhältnis mit der Fischerei (Kloskowski 2011; Tixier etal. 2021), aber auch mit
anderen menschlichen Aktivitäten wie dem Ausbau der Offshore-Windenergie oder
mit der Landwirtschaft, wenn beispielsweise Biberbauten Felder überuten. Bei
Arten, die in und am Gewässer leben, zeigt sich besonders deutlich, dass Konikte
nicht nur daraus entstehen, wie Menschen fühlen oder über eine Tierart denken
(z.B. als „Teufel, Engel oder Tiere“ (Goedeke 2005)), sondern dass es wichtig ist,
die Vorlieben von Anwohnern, Touristen und Interessengruppen für „vermeintlich
natürlich“ (Harrison etal. 2019) oder „neu“ gebaute Landschaften zu verstehen, wie
sie z.B. beim Biber als „Landschaftsarchitekten“ entstehen (Abb.11.5).
DerBiber istein Beispiel fürerfolgreicheNaturschutzbemühungen,bei denenesaberauchzuKonfliktenkommt.Gezielte Umsiedlungen
undandere Schutzmaßnahmen habeninsbesondereinSüd-und Ostdeutschland zu stab ilen Biberpopulaonen geführt(Halley et al. 2021).
Biberbautenund -dämme habenjedochAuswirkungen aufWälder, Weiden undStraßen.AußerdemernährensichBiber vonFeldfrüchten
undfällenBäu me,was zu finanziellenVerlusten führtund zum ÄrgernisvielerLandwirte wird.Mehrere Autorenschlagenvor,dassdas
grundlegende Problemfür denKonflikt zwischen Mensch undBiber aber darinbesteht,dassviele Europäer vergessen haben, wie
„natürliche“Gewässerlandschaen aussehen,und sich dasdirektauf ihre Einstellunggegenüber Bibern auswirkt (Czech undLisle 2003;
Schwab undSchmidbauer 2003; Coz und Young 2020).Gleichzeig generieren Biberauchposive Effekte fürMenschund Natur, denn sie
tragen zurWasserreinigung,einer höherenBiodiversität undder Minderungvon Hochwasserspitzenbei (Thompsonetal. 2020). Diese
posiven Aspektekönnenfinanzielle Verluste aufwiegen(Czech und Lisle 2003),sie entstehenaberauf regionaler oder naonalerEbene,
wohingegen dieSchäden hauptsächlichMenschenvor Ortbetreffen(Brazieretal. 2021). Umfragen zeigen außerdem, dass dienegaven
Auswirkungen vonBiberntendenziell höhereingeschätztwerdenals dieposivenAspekte (z.B.Ulicsni et al. 2020). DieToleranzgegenüber
Bibern kann demnach erhöht werden,indem manihreposive ökologischeRolle hervorhebt (Parkerund Rosell 2003). Zudemhab en HDW-
Studienzur Wiederansiedlung vonBiberninEngland undScho£land gezeigt, dass Konflikte durchfolgende Maßnahmen reduziertund
verhindert werden können:(1) proakvesEngagement, (2)guteBeziehungen zwischen denBeteiligten,(3) angemessene Kommunikaon,
(4)gemeinsameEntscheidungsfindung,(5) Ve rantwortungsgefühl vermi£eln, dass Menschen Teil vonMensch-Tier- Konfliktensindund (6)
einmöglichst klares Bild davon, wiedas Lebenmit einerneu bzw. wieder eingeführten Artaussehenkönnte(Auster et al.2020; Cozund
Young 2020).
Biber
Abb. 11.5 Fallbeispiel Biber. Graphik mit freundlicher Genehmigung Exner Deluxe Design,
©jan stopka/Adobe Stock)
T. M. Straka et al.
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11.3.4 Fledermäuse
Von den weltweit mehr als 1420 beschriebenen Fledermausarten (Simmons und
Cirranello 2020) kommen 25 Fledermausarten in Deutschland vor. Aufgrund ihres
nächtlichen Verhaltens sind Fledermäuse für das menschliche Auge oft nicht sicht-
bar und daher als potenzielle Koniktarten wenig präsent, von Ärgernissen wie Fle-
dermauskot auf dem Dachboden abgesehen. Angesichts ihres hohen Schutzstatus in
Deutschland (Anhang II und IV der EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) kann ihre
Anwesenheit in Gebäuden jedoch zu Einschränkungen bei Sanierungsvorhaben,
langwierigen Genehmigungsverfahren und anderen unvorhergesehenen Kosten füh-
ren, was die Wahrnehmung der Menschen von Fledermäuse beeinussen könnte.
Die gleiche Problematik entsteht bei Infrastrukturanlagen wie Windparks, die für
Fledermäuse ein hohes Risiko für Kollisionen oder ein sogenanntes Barotrauma
(Zerplatzen innerer Organe durch große Luftdruckänderungen nahe der Rotor-
blätter) darstellen (Voigt etal. 2015). Dieses Konikt-Szenario ist sogar noch heik-
ler, da es für die Beteiligten einen Balanceakt zwischen zwei Naturschutzzielen
impliziert – erneuerbare Energien versus Artenschutz (Voigt et al. 2019; Straka
etal. 2020). Der vermutete Ursprung der Stammform von SARS-CoV-2in Fleder-
mäusen hat die Tiere außerdem kurzfristig in den Fokus der Medien und der öffent-
lichen Diskussion gerückt (Lu etal. 2021; Sasse und Gramzar 2021), was zu einer
Besorgnis unter Fledermausexperten weltweit geführt hat (Straka und Voigt 2022).
Allerdings sind die langfristigen Auswirkungen dieser Diskussionen auf den
Fledermausschutz noch nicht bekannt. Die Literatur zum Thema Mensch-Fleder-
maus-Konikt ist, insbesondere für Deutschland, spärlich (Abb.11.6).
TrotzvielerAkonen vonNaturschutzorganisaonen, wie"FledermausfreundlichesHaus" oder diejährliche„EuropeanBat Night“ wissen
wirnochwenig über dieBeziehungen zwischen Mensch undFledermausinDeutschland.HDW-Studien zu Fledermäusen sind jedoch auch
weltweit noch seltenwie eine jüngst veröffentlichteStudiezeigte(Straka et al.2021).Viele dieser Studienkonzent riertensichüberwiegend
aufZoonosenund dokumeneren dasWissenund dieWahrnehmung desRisikos vonKrankheitsübertragungen durchFledermäuse.
Andere spezifische Konflikte,die in HDW- StudienüberFledermäuse –allerdingsaußerhalb Europas –behandelt werd en,sinddie Jagd auf
Fledermäuseund Konflikte mitObstbauern, da FledermäuseihreLebensgrundlage bedrohen können.Eineinden USAdurchgeführte
Studie befasste sich mitder Wahrnehmungder Menschen vonFledermäuseninGebäudenund stelltefest,dass dieMehrheitder befragten
Personen FledermäuseinGebäudenunterstützen. Gründe fürdiese Unterstützungwaren posiveEinst ellungen gegenüber Fledermäusen
undeineAnerkennung derGefahren, denenFledermäuse ausgesetzt sind (Fagan et al.2018).InteressanterweisezeigenBruckermann et al.
(2022) in einerDelphi- Umfragemit Fledermausexperten, dass sich diedeutscheÖffent lichkeitüberwiegend Informaonen über
Fledermäusewünscht, dieeng mitihrem persönlichen Lebenverbunden sind,wie z.B. "Was macheich,wennich eine Fledermaus finde?“.
Fürden Schutz vonFledermäusenkönntediesbedeuten, Menschen einerseits mitpra kschenInformaonenüberFledermäuse zu
versorgen. Zumanderen könnenallerdingsauchentsprechende Smuli (z.B.Bilder), Emoonenund Einstellungen vonMenschen
gegenüber Fledermäusen und derenSchutzbeeinflussen (Strakaetal. 2020). Demnachzeigengeradejüngste HDW- Studienzu
Fledermäusen wieeineKombinaonvon Informaonen undentsprechendenSmuliMen scheninBezug aufFledermäuse undderen
Schutz effekv erreichenkönnen(Boso et al. 2021).
Fledermaus
Abb. 11.6 Fallbeispiel Fledermaus. mit freundlicher Genehmigung Exner Deluxe Design, ©jan
stopka/Adobe Stock)
11 Die menschliche Perspektive im Naturschutz und Wildtiermanagement: Eine …
284
11.4 Abschließende Bemerkungen
HDW kann mit seinen primär in der Sozialpsychologie verankerten Theorien
wichtige Beiträge und neue Impulse zur Lösung koniktträchtiger Fragen im
Naturschutz liefern. Der kurze Überblick in diesem Kapitel zeigt gleichermaßen
das Koniktpotenzial und die Vielzahl der möglichen Lösungen auf. Dabei ist ein
disziplinübergreifender Ansatz eine Mindestvoraussetzung für die erfolgreiche
Arbeit im HDW-Feld (Bennett et al. 2017). In der Praxis sind die Konikt-
situationen zudem meist sehr komplex, sodass weitere sozialpsychologische Fak-
toren und Konzepte bei der Forschungsarbeit berücksichtigt werden sollten. Hierzu
gehören beispielsweise (öffentliches) Vertrauen (z. B. Sjölander-Lindqvist etal.
2015; Marino etal. 2016; Straka etal. 2020), Wissen/Kenntnisse (z.B.Glikman
etal. 2012), Framing (z.B.Vitali 2014), soziale Identität (z.B. van Eeden etal.
2019) und die symbolische oder Stellvertreterfunktionen von Wildtieren (z. B.
Madden und McQuinn 2014; Skogen etal. 2017). Im deutschsprachigen Raum
fällt auf, dass wissenschaftliche Studien zu menschlichen Dimensionen im Natur-
und Artenschutz relativ selten sind, gerade im Vergleich zu anderen Regionen wie
Skandinavien (z. B. Johansson et al. 2016; Prager et al. 2018) oder den USA
(z.B.Manfredo 2008; Bruskotter etal. 2009). Abgesehen von wenigen Ausnahmen
bleiben systematische Ansätze, die über sozialwissenschaftliche Methoden Ver-
besserungen im angewandten Natur- und Artenschutz herbeiführen, selten. Selbst
wenn es entsprechende empirische Vorarbeiten gibt (z.B.Brendle 1999), bleiben
diese bislang in der Praxis weitestgehend unbeachtet. Insofern lassen sich mehrere
Bedarfslücken konstatieren: Zum tieferen Verständnis von gesellschaftlichen As-
pekten im Naturschutz und Wildtiermanagement ist eine bessere Einbindung von
HDW-Fachwissen erforderlich– bestehende Wissensdezite müssen abgebaut und
gleichzeitig die empirischen Datengrundlagen verbessert werden. Darüber hinaus
ist es aber genauso wichtig, den Transfer von Wissen in naturschutzrelevante
Planungsverfahren und Managementabläufe zu stärken, beispielsweise durch zu-
sätzliche Fort- und Weiterbildungsangebote und die Förderung inter- und trans-
disziplinärer Untersuchungsansätze.
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