Fragestellung
Sind Unterschiede zwischen den deutschen und den türkischstämmigen Frauen hinsichtlich der psychischen Befindlichkeit bei Klinikaufnahme nachweisbar? Ergibt sich ein differenziertes Bild innerhalb der Gruppe der türkischen Migrantinnen in Abhängigkeit von der Migrationsgeneration oder dem Akkulturationsgrad?
Patientinnen und Methodik
Im Rahmen eines Public Health-Projekts zur Analyse der Versorgungssituation gynäkologisch erkrankter deutscher und türkischer Frauen im Krankenhaus wurden u. a. soziodemographische Faktoren, Angaben zu Migration und Akkulturation, Gesundheitswissen und -verhalten, subjektiver Krankheitstheorie und Lebenszufriedenheit erfasst. Die subjektive Beeinträchtigung der befragten Patientinnen durch körperliche und psychische Symptome wurde mit dem psychometrischen Fragebogen SCL-90-R (neun Skalen: Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit, Depressivität, Ängstlichkeit, Feindseligkeit, phobische Angst, paranoides Denken, Psychotizismus) untersucht. Im Untersuchungszeitraum 3/97 bis 10/98 konnten 320 Patientinnen deutscher und 262 türkischer Herkunft mittels in deutscher und türkischer Sprache vorliegender mehrteiliger Fragebogensets am Beginn des stationären Aufenthalts auf den gynäkologischen Stationen des Virchow-Klinikums/Berlin befragt werden.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
In die Auswertung des SCL-90-R einbezogen werden konnten 230 türkische und 264 deutsche Frauen (Rücklaufquote 88 bzw. 83 %). Nach Bildung von sechs sozio-demographisch ähnlich zusammengesetzten Subgruppen zeigte sich im Vergleich zu den Werten im deutschen Kollektiv bei den türkischstämmigen Migrantinnen in den meisten Einzelskalen des SCL-90-R als auch global eine höhere psychische Symptombelastung am Aufnahmetag in die Klinik. Wesentliche Unterschiede in der psychischen Belastung zwischen „mehr“ oder „weniger“ akkulturierten türkischstämmigen Frauen ließen sich nicht nachweisen. Frauen der zweiten Migrationsgeneration, für die eine am wenigsten unmittelbare Migrationserfahrung anzunehmen ist, fühlten sich gegenüber Frauen der ersten Generation bzw. den nachgezogenen Ehefrauen stärker durch die mit SCL-90-R gemessenen psychischen Symptome belastet.