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Kurzfassung Die Ukraine ist reich an Rohstoffen, vor allem in der Donbas-Region. Dazu gehören Rohstoffe wie Eisenerz und Kohle, die für die erste industrielle Revolution wichtig waren. Der Reichtum umfasst aber auch Nichteisenmetalle und batteriebezogene Mineralien, insbesondere Lithium, das für die moderne und speziell eine grüne Wirtschaft von herausragender Bedeutung ist. Nach einer Einführung in die allgemeine ökonomische Entwicklung des Landes analysiert der Artikel die ukrainische Industrie-, Energie- und Ressourcenbasis, um sich dann auf die Potenziale jener Ressourcen zu konzentrieren, die im Zuge der Dekarbonisierung der westlichen Industriestaaten eine signifikante Rolle spielen werden. Der Artikel gelangt zu dem Schluss, dass Russlands Überfall auf die Ukraine auch von wirtschaftlichen Interessen geleitet war. Russland konnte bislang als Lieferant von fossilen Energieträgern Einfluss ausüben. Angesichts der potenziell großen Lithium-Vorkommen in der Ukraine scheint es sich nun Zugriff auf Stoffe verschaffen zu wollen, die für die Dekarbonisierung der westlichen Länder unverzichtbar sind.
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SIRIUS 2023; 7(3): 257–276
Aufsatz
Ulrich Blum*/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische
Bedeutung– eine geopolitische Analyse
https://doi.org/10.1515/sirius-2023-3006
Kurzfassung: Die Ukraine ist reich an Rohstoffen, vor allem
in der Donbas-Region. Dazu gehören Rohstoffe wie Eisenerz
und Kohle, die für die erste industrielle Revolution wichtig
waren. Der Reichtum umfasst aber auch Nichteisenmetalle
und batteriebezogene Mineralien, insbesondere Lithium,
das für die moderne und speziell eine grüne Wirtschaft von
herausragender Bedeutung ist. Nach einer Einführung in
die allgemeine ökonomische Entwicklung des Landes ana-
lysiert der Artikel die ukrainische Industrie-, Energie- und
Ressourcenbasis, um sich dann auf die Potenziale jener Res-
sourcen zu konzentrieren, die im Zuge der Dekarbonisie-
rung der westlichen Industriestaaten eine signifikante Rolle
spielen werden. Der Artikel gelangt zu dem Schluss, dass
Russlands Überfall auf die Ukraine auch von wirtschaftli-
chen Interessen geleitet war. Russland konnte bislang als
Lieferant von fossilen Energieträgern Einfluss ausüben.
Angesichts der potenziell großen Lithium-Vorkommen in
der Ukraine scheint es sich nun Zugriff auf Stoffe verschaf-
fen zu wollen, die für die Dekarbonisierung der westlichen
Länder unverzichtbar sind.
Stichworte: Ukraine, Rohstoffsicherheit, wirtschaftliche Po-
tentiale, russische Kriegsziele
Abstract: Ukraine is rich in raw materials, not only those
that were relevant for the first industrial revolution, i.e.,
iron ore and coal, especially in the Donbas region, but also
in non-ferrous metals and, in battery-related minerals, par-
ticularly lithium, which is of outstanding importance for
the modern economy, especially a green economy. After
an introduction into the general economic development of
Ukraine, the article analyses the Ukrainian industry, energy,
and resource base in general and then focusses on the eco-
nomic potentials of these “green” resources that will be im-
portant for the decarbonization of Western industrialized
countries. The article concludes that Russia’s invasion of
Ukraine was also driven by economic interests. Russia has
so far been able to exert influence through its position as a
supplier of fossil fuels. Given the potentially large lithium
deposits in Ukraine, Russia’s goal seems to be to gain access
to materials that are of great importance for the decarbon-
ization of Western countries
Keywords: Ukraine, raw materials security, economic po-
tential, Russian war-aims
1Einleitung
2005 bezeichnete der russische Präsident Wladimir Putin
den Zerfall der Sowjetunion als die größte Katastrophe des
20.Jahrhunderts. Aus russischer Sicht war seine Aussage
nicht ganz unbegründet. Der Kollaps war nicht nur dem
imperial overstretch der Sowjetunion geschuldet, sondern
auch den niedrigen Ölpreisen nach der zweiten Ölkrise von
1980. Diese Baisse hielt Ende der 1990er-Jahre an und trug
1998/99 zum Einbruch der sowjetischen Wirtschaft und
der massiven Abwertung des Rubels bei. Das Geschäfts-
modell der sowjetischen und später der russischen Wirt-
schaft basierte weitgehend auf fossilen Rohstoffen, die für
Einnahmen sorgten, die sich in militärische Machtmittel
umsetzen ließen und das Land gegenüber wirtschaftlicher
Kriegsführung „robust“ machten. Sie waren auch ein In-
strument, um Einfluss in Europa und anderen Teilen der
Welt zu nehmen. Mit dem Kyoto-Protokoll von 1997 und spä-
testens dem Pariser Klimaabkommen von 2015 begriff auch
der Kreml, dass das Ende dieses Geschäftsmodells naht.
Das nährt die Vermutung, dass die russische Führung die
*Kontakt: Prof. em. Dr.Dr.h.c. Ulrich Blum, Geschäftsführer ITEL–
Deutsches Lithiuminstitut, Halle (Saale),
E-Mail: ulrich.blum@lithiuminstitut.de
Professor em. Dr.Gregor Borg, Institut für Geowissenschaften und
Geographie der Universität Halle-Wittenberg und ITEL– Deutsches
Lithiuminstitut, Halle (Saale), E-Mail: gregor.borg@lithiuminstitut.de
Nico Kropp, Doktorand, Institut für Geowissenschaften und Geo-
graphie der Universität Martin-Luther-Halle-Wittenberg und ITEL– Deut-
sches Lithiuminstitut, Halle (Saale), E-Mail: nico.kropp@lithiuminstitut.de
Dr. Hanna Liventseva; Geociencias Barcelona, stv. Vorsitzende der
Ukrainischen Vereinigung der Geologen und Editor-in-chief des Journals
Ukrainian Geologist, E-Mail: hliventseva@geo3bcn.csic.es
Ievgeniia Rozhkova, Institut für Geowissenschaften und Geographie
der Universität Halle und ITEL– Deutsches Lithiuminstitut, Halle (Saale),
E-Mail: jane.rozhkova@yahoo.com
Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
Die Rohstoe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse
Open Access. © 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
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258 Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
wirtschaftlich dominierende Funktion als Rohstofflieferant
auf Materialien ausdehnen will, die Treiber der „grünen“
Revolution (also der anstehenden Dekarbonisierung der
Industriestaaten) sind.
Nach Ansicht des Kremls dürfte das wirtschaftliche
Überleben Russlands in hohem Maß von der Kontrolle
über Bodenschätze abhängen, die im Land reichlich vor-
handen und auf die viele andere Nationen angewiesen
sind. Letzteres betrifft besonders die Staaten der west-
lichen Gemeinschaften und China. Unter den Bedingungen
der globalen Energiewende, speziell der Dekarbonisierung,
muss aus Russlands Sicht der Wert seiner fossilen Ressour-
cen zwangsläufig erodieren. Daher ist davon auszugehen,
dass sein Überfall auf die Ukraine nicht nur machtpolitisch
motiviert war, sondern auf den Zugang zu ukrainischen
Rohstoffen und Materialien zielt, die Russland im Zeitalter
einer dekarbonisierten Wirtschaft wieder eine dominante
Position als Rohstofflieferant sichern könnten. Ein solches
Vorgehen hat durchaus Tradition, denn im russischen Nar-
rativ gilt vor allem der Osten der Ukraine– der Donbas
seit langem als zentral für die Entwicklung und das Über-
leben der russischen Wirtschaft.
2Die Rolle des Donbas für die
Ökonomie und Ressourcenwirt-
schaft Russlands
Der Sowjetunion war der Wert des Donbas von Anbeginn
bekannt. Die Region galt als das Herzstück der Industrie,
das im Zuge der forcierten Industrialisierung den Lebens-
saft, d.h. die Ressourcen, in die Wirtschaft pumpt. Sie war
nicht nur „Vorzeigeregion des Sozialismus“, sondern auch
Experimentierfeld für die Zwangsindustrialisierung unter
Stalin. Ein Plakat aus dem Jahr 1921 vermittelt eine Vorstel-
lung von diesem fast mythischen Verständnis des Donbas
als dem wirtschaftlichen Herz der Sowjetunion. Ein russi-
scher Artikel aus dem Jahr 2014 zeigt, dass diese Tradition
weiterlebt. Er führt aus, dass Russland die Provinzen des
Donbas (Donezk und Luhansk) nicht aufgeben dürfe, das
Konzept einer einheitlichen Ukraine an der ideologischen
Durchdringung des Westens gescheitert sei und die Men-
schen in Donezk und Luhansk ein Vorposten der russkij
mir– der russischen Welt– seien.
3Die Entwicklung der wirtschaft-
lichen Lage in Russland und der
Ukraine nach dem Zerfall der
Sowjetunion
Mit der Auflösung der Sowjetunion zum Jahreswechsel
1991/92 zerfiel das ehemals russische Reich. Nach russi-
scher Sichtweise verlor man 23,8Prozent des Territoriums,
48,5Prozent der Bevölkerung, 41Prozent der Wirtschafts-
leistung, 39,4Prozent der Industrie und 44,6Prozent des
militärischen Potenzials. Als die Ukraine vor mehr als
30 Jahren gegründet wurde, war sie bevölkerungsmäßig
und wirtschaftlich gesehen der nach der Russischen Föde-
ration (RSFSR) wichtigste Nachfolgestaat der UdSSR und ein
Kraftzentrum der Industrieproduktion. Dieser Tatbestand
spiegelte sich jedoch nicht im Wohlstand der Ukraine wider.
Wie Abbildung2 illustriert, verfügte die Ukraine 1991 über
ein Nationaleinkommen von etwa 13Prozent des russischen
Einkommens, während ihre Bevölkerung 34Prozent derje-
nigen Russlands ausmachte. Russland war damals mehr als
doppelt so reich wie die Ukraine.
In der Tat war die Ukraine eine der ärmsten ehe-
maligen Sowjetrepubliken nach Aserbaidschan, Georgien,
Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan. Ihre indus-
trielle Produktion schrumpfte in den 1990er-Jahren weit
mehr als die anderer Republiken. Ab 1992 verzeichnete sie
eine fortschreitende Deindustrialisierung, was die Wirt-
schaft auf einen Tiefpunkt brachte. Hightech-Industrien
und Maschinenbau fielen stark zurück, besser standen
metallurgische, chemische und andere energieintensive
Industrien da.
1Fadeyev/Leybin 2014.
2Fritsch 2020, 35.
Abbildung 1: Der Donbas als Herz Russlands, Plakat aus dem Jahr 1921
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse 259
In der sozialistischen Wirtschaft folgten die indus-
triellen Wertschöpfungsketten nicht unbedingt den kom-
parativen Vorteilen der Industriestandorttheorie und damit
marktwirtschaftlichen Leitlinien. Vielmehr bevorzugte
man explizit eine Verteilung der Industrien, die es erlaubte,
auch in peripheren Regionen Wirtschaftswachstum zu ge-
nerieren. Dass diese Industriestrukturen in der Regel öko-
nomisch nicht tragfähig waren, zeigte sich daran, dass sie
nach der Einführung marktwirtschaftlicher Bedingungen
unter Druck gerieten und oft völlig einbrachen. Die Auf-
lösung der Sowjetunion bewirkte eine Erosion der beste-
henden Wertschöpfungsketten. Sie erklärt auch den wirt-
schaftlichen Niedergang der Russischen Föderation, der
1998 zum Staatsbankrott führte.
Nach 1992 kam die wirtschaftliche Interaktion zwischen
der Ukraine und Russland zum Erliegen. Bis in die 2000er-
Jahre stieg der Handel langsam wieder an, auch weil an alte
Lieferverbindungen aus der Sowjetära angeknüpft wurde.
Infolge der politischen Instabilität in der Ukraine nahm er
ab 2011 erneut ab und blieb nach Russlands Besetzung von
Abbildung2: Wirtschaftliche Entwicklung Russlands und der Ukraine gemessen in BIP seit 1989
Quelle: eigene Zusammenstellung und Berechnungen mit Daten der World Bank 2022
Abbildung3: Der Handel zwischen Russland und der Ukraine
Quelle: eigene Zusammenstellung und Berechnungen aufgrund der Daten von World Bank: World Development Indicators, https://databank.
worldbank.org/source/world-development-indica-tors, Zugriff am 15.01.2023.
0
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Russland konstante 2015 US$
(Milliarden)
Ukraine konstante 2015 US$
(Milliarden)
Ukraine Russland
260 Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
Teilen der Ostukraine und Krim-Annexion auf einem nied-
rigen Niveau.
Eine dynamische Entwicklung der Wirtschaftsstruk-
turen fand in Russland nicht statt. Denn mit der Privati-
sierung entstand ein oligarchischer Machtraum, der auch
die Staatsgewalt herausforderte. Insbesondere mittelstän-
dische Strukturen konnten sich lange Zeit nicht entwickeln.
In der Ukraine verlief die wirtschaftliche Entwicklung
noch schlechter. Zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs der
UdSSR war die Ukrainische SSR eine der am weitesten ent-
wickelten Unionsrepubliken. Dies bezog sich auf die wissen-
schaftliche und industrielle Position, schlug sich aber nicht
im Einkommen ihrer Bewohner nieder. Besonders hoch
entwickelt und leistungsfähig war der militärisch-indus-
trielle Bereich, mitsamt Produktion von Raketenwaffen,
schweren Transportflugzeugen und Panzern. Trotz dieser
günstigen Ausgangsbedingungen ging es wirtschaftlich mit
der Ukraine eher bergab. Ein Auslöser war Russlands Be-
streben, die bis dato subventionierten Energiepreise für
die Ukraine auf „Weltmarktniveau“ anzuheben. Das re-
duzierte die implizite Subventionierung der ukrainischen
Wirtschaft, die zu Sowjetzeiten unter einer gemeinsamen
Währung entstanden war. Die Dimensionen dieses Vor-
gehens begreift man, wenn man sich vor Augen führt, dass
das Anheben der Vorzugspreise für Öl, Gas und andere
aus Russland importierte Rohstoffe auf Weltmarktniveau
3Für detaillierte Information vgl. Brzezinski 2005, 288, und D.Ban-
dow,    (Ukrainian missile defense),
2000 Weekly, 19.9.2008; https://web.archive.org/web/20080921235536/
http:/www.2000.net.ua/a/59538.
einen Transfer von etwa 30 Prozent des ukrainischen
Bruttoinlandsprodukts (BIP) nach Russland bedeutete. In
dem Maß, in dem Moskau diese Politik umsetzte, kam es
in der Ukraine zu einem Anstieg der Kosten für Industrie
und Haushalte und damit zu massiven Verlusten an Wohl-
stand und Wettbewerbsfähigkeit– eine Entwicklung, die
das Bestreben der Ukraine, der Europäischen Union (EU)
und NATO beizutreten, beförderte.
Ab diesem Zeitpunkt entwickelten sich die wirtschaft-
lichen Pfade Russlands und der Ukraine unterschiedlich.
Russland erwirtschaftete mit hohen Rohstoffpreisen erheb-
liche Überschüsse und konnte so einen Devisen- und Gold-
schatz anhäufen und vor allem seine nach der Finanzkrise
1998/99 angesammelten Schulden tilgen. Abbildung4 zeigt
die Entwicklung der weltweiten Ölpreise und erfasst die
wichtigsten geopolitischen Ereignisse ab 1970. Der Rück-
gang der Ölpreise von Anfang der 1980er- bis Anfang der
2000er-Jahre belastete die Sowjetunion und die neu ent-
standene Russische Föderation. Der neuerliche Verfall der
Ölpreise, der zunächst mit der weltweiten Finanzkrise und
dann Mitte der 2010er-Jahre mit der Kommerzialisierung
von Fracking zur Gewinnung von unkonventionellem Öl
und Gas einsetzte, belastete den russischen Staatshaushalt
abermals erheblich.
Im Gegensatz dazu war der ukrainische Staatshaushalt
fast immer defizitär, auch weil die Wirtschaftsleistung stetig
abnahm. Der Krieg im Jahr 2022 hätte ohne westliche Un-
terstützung zum fiskalischen Zusammenbruch des Staats
4Dabrowski 1994.
Abbildung4: Die Entwicklung der Ölpreise, 1970–2022
Quelle: eigene Berechnungen mit Daten von Stooq.com für 2019 und Finanzportal Onvista.de für 2023
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse 261
geführt. Das ukrainische Haushaltsdefizit dürfte 50Prozent
überschreiten, würde es nicht durch fiskalische und mate-
rielle Transfers aufgefangen. Abbildung5 stellt diese Ent-
wicklungen dar.
Allerdings waren nicht allein die erhöhten Erdgas-
und Erdölpreise verantwortlich für den wirtschaftlichen
Niedergang der Ukraine, sondern auch politische Weichen-
stellungen. Der zweite Präsident, Leonid Kuchma richtete
seinen wirtschaftspolitischen Kurs darauf aus, anstelle
des Mittelstands (Spielzeugunternehmer, wie er zu sagen
pflegte) nationale Großkapitalien zu schaffen, die den in-
dustriellen Aufschwung steuern sollten. Diese neuen Global
Player waren jedoch nicht stark genug, um eine integrierte
Entwicklung des Landes herbeizuführen. Laut Einkom-
mensstatistiken aus dem Jahr 2013, also vor Russlands
erster Aggression, war die Wirtschaft rund um das Dnipro-
Tal und östlich davon etwa 50 Prozent leistungsfähiger
als im Westen und auf der Krim. Die Region Donezk wies
ein doppelt so hohes Einkommen auf wie die Regionen in
der Nähe zu Polen. Diese Polarisierung ging teilweise mit
einer ethnischen und religiösen Kluft einher, die auch die
russischen imperialen Bestrebungen in der Donbas-Region
begünstigte.
Unter diesen Bedingungen bildeten sich in der Ukraine
mindestens drei Wirtschaftsregionen heraus, die starke
interne Konvergenzmerkmale aufwiesen– auch was Armut
betraf– und dennoch extrem divergierten:
Rostgürtelregionen im Zentrum und im Osten: Die
Auflösung der interregionalen Arbeitsteilung nach
Zerfall der Sowjetunion 1991 führte zu einem deutli-
chen Rückgang der Industrieproduktion im Donbas,
insbesondere im Bereich der Schwerindustrie und
des verarbeitenden Gewerbes. Die Durchschnitts-
löhne sanken im Vergleich zu 1990 um 80Prozent und
die Bergarbeiter im Donbas traten wiederholt in den
Streik.
Dienstleistungsregionen: In Kyjiw und in Charkiw ent-
wickelte sich ein hoher Anteil an modernen Finanz-
und digitalen Dienstleistungen sowie Transport- und
Verkehrsdienstleistungen im Süden am Dnipro und
Schwarzen Meer bis nach Sewastopol auf der Halbinsel
Krim.
Agrarregionen: Dies sind die industriell vergleichs-
weise unterentwickelten, im Zentrum gelegenen Teile
der Ukraine mit einem dominierenden Agrarsektor.
Seine gescheiterte integrative Wirtschaftsentwicklung
machte den ukrainischen Staat immer abhängiger von
Einnahmen aus weniger entwickelten, vor allem landwirt-
schaftlich geprägten Regionen. Dies schränkte seine Ka-
pazitäten ein und erhöhte seinen Kreditbedarf. Bei Handel,
Erdgas und finanzieller Unterstützung war das Land zuneh-
mend angewiesen auf Russland. Während der Orangenen
Revolution von 2004/5 und im Euromaidan von 2013/14 ent-
stand das Bild einer Ukraine, die zwischen Russland und
Europa hin- und hergerissen war. Diese Phase endete erst
mit Russlands Annexion der Krim und seiner hybriden
Aggression im Donbas sowie dem Entstehen der beiden se-
paratistischen Regionen Donezk und Luhansk. Seither ist
die Entschlossenheit der Ukraine nicht zu übersehen, sich
Abbildung5: Haushaltssalden Russlands und der Ukraine, 1992–2022
Quelle: eigene Berechnungen mit Daten des IMF und von Odling-Smee 2004
-25
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Prozent des Bruttoinlandsprodukts
Russland Ukraine
-50%
262 Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
aus allen Abhängigkeiten von Russland zu lösen. Doch die
wirtschaftlichen Grundbedingungen sind unverändert. Die
Auflösung einer integrierten Wirtschaft nach dem Ende
der Sowjetunion, die russische Wirtschaftsdepression der
1990er-Jahre, die politische Instabilität in den östlichen Pro-
vinzen der Ukraine und die Aggression Russlands ab 2014–
all dies hat in der Ukraine eine ökonomische Basis zerstört,
die eigentlich große Zukunftschancen bietet, auch für eine
grüne Wirtschaft. Um das zu verdeutlichen, wird im Folgen-
den das wirtschaftliche Potenzial der Ukraine aufgezeigt.
4Das wirtschaftliche Potenzial
der Ukraine und die verhängnis-
vollen Folgen der Konkurrenz mit
Russland
Die Ukraine ist ein äußerst reiches Land, sowohl was die
nachgewiesenen Reserven als auch die wirtschaftlich nutz-
baren Energieressourcen und Bodenschätze angeht. Zu
Sowjetzeiten waren die Verfügbarkeit von Kohle und Ei-
senerz sowie die bestehende Infrastruktur ein sehr starker
Motor für die Industrialisierung. Damals stand der Donbas
im Zentrum der Entwicklung. Darüber hinaus bot und bietet
der Bestand an breiten Flüssen wie dem Dnipro Transport-
und Wasserkraftmöglichkeiten sowie Effizienzgewinne für
alle Arten von Stromversorgungsunternehmen, die große
Kühlkapazitäten benötigen.
Tabelle 1 zeigt den Rang der Ukraine bei den Reser-
ven an Rohstoffen und fossilen Energieträgern gemessen
an Europa und der Welt auf. Insbesondere bei Uran und
Titan spielte die Ukraine schon zu Sowjetzeiten eine wich-
tige strategische Rolle. Die Mangan- und Eisenerzreserven
gehören immer noch zu den größten der Welt, ebenso die
von Quecksilbererzen. Um von Importen aus Russland un-
abhängig zu werden, ist auch Schiefergas bedeutend, vor
allem als Übergangstechnologie sowie für künftige Spezial-
anwendungen wie Düngemittelproduktion.
Die Bedeutung von Titan ist besonders hervorzuheben:
Derzeit ist die Ukraine eines von fünf Ländern weltweit,
die Titanerzmineralkonzentrate (Ilmenit und Rutil)
produzieren. Mehr als 30 Titanvorkommen, teilweise in
Produktion und teilweise im Detail exploriert, befinden
sich auf dem Staatsgebiet der Ukraine. Nach ukrai-
5Titan kommt regelmäßig in Verbindungen vor, beispielsweise als
Ilmenit (FeTiO3).
6Rutil ist ein Titanoxid (TiO2).
7UAEITI/EY 2023.
nischer Gesetzgebung sind Informationen über Reserven
von Titanerzen Staatsgeheimnis. Der geologische Dienst
der USA vermutet Reserven in Höhe von 8,4 Millionen
Tonnen, darunter Ilmenit mit 5,9Millionen und Rutil mit
2,5Millionen Tonnen. Dies wären 1,12Prozent der Welt-
reserven. Das ukrainische Unternehmen UMCC Titanum,
einer der größten Titanhersteller der Welt, geht davon aus,
dass die Ukraine über etwa 20Prozent der verzeichneten
Weltbestände von Titanerzen verfügt– rund 40,2Millionen
Kubikmeter. Nach Informationen des ukrainischen Unter-
nehmens Metallurgprom ist die größte Titanlagerstätte in
der Ukraine der Selischansky-Block (1.857 Hektar) in der
Region Schytomyr mit Ilmenitanteilen von 50–70kg/m3. Die
wichtigsten Hersteller sind ZTMC für die Titanschwamm-
produktion, Pat Sumychimprom für Titandioxid und Velta
für Ilmenitkonzentrat. Hier sei auch auf die Titanproduk-
tionsdaten in Tabelle 4 verwiesen.
Was das landwirtschaftliche Potenzial betrifft, so war
und ist die Ukraine eines der reichsten Länder der Welt
und zählt in so gut wie allen Sektoren zu den führenden
Erzeugern und Exporteuren. Tabelle 2 gibt einen Überblick
über den Rang der Ukraine bei den wichtigsten landwirt-
8Yuriy Grigorenko: Ukrainian titanium: the export of titanium ores
from Ukraine decreased by 42% in 2022, GMK-Centre, 2.2.2023; https://
gmk.center/en/posts/ukrainian-titanium-the-export-of-titanium-ores-
from-ukraine-decreased-by-42-y-y-in-2022/.
9Kerivnik-ogkh-vladislav-itkin-bilshe-zhodnoji-vorozhoji-raketi-ne-
bude-zrobleno-z-ukrajinskoji-sirovin, Unian-Webseite, 15.12.2022; https://
www.unian.ua/society/kerivnik-ogkh-vladislav-itkin-bilshe-zhodnoji-
vorozhoji-raketi-ne-bude-zrobleno-z-ukrajinskoji-sirovini-12079440.
html.
10US Geological Survey 2022, 177.
Tabelle 1: Rang der Ukraine bei ausgewählten Reserven von Rohstoffen
und fossilen Energieträgern, 2021
Reserven Rang
Europa Welt
Uranerze  a
Titanerze  
Manganerze (, Milliarden Tonnen oder %
der globalen Reserven)
 
Eisenerze ( Milliarden Tonnen);  
Quecksilbererze  
Schiefergasreserve ( Billionen Kubikmeter)  
Kohle (, Milliarden Tonnen) b
Quelle: Homeland Security Today: Why Ukraine matters, Webseite der
US-Homeland-Security-Behörde, ..; https://www.hstoday.us/subject-
matter-areas/border-security/why-ukraine-matters/, Statista.com;
(a):https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_uranium_reserves;
(b)https://www.mining-technology.com/features/feature-the-worlds-
biggest-coal-reserves-by-country/; Zugriffe am ...
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse 263
schaftlichen Ressourcen und erklärt damit auch, warum die
infolge des Ukraine-Kriegs verhängte Sperrung der Häfen
so starken Einfluss auf die Welternährungssituation hat.
Tabelle 2: Rang der landwirtschaftlichen Ressourcen, Produktion und
Exporte der Ukraine, 2021
Landwirtschaftliche Nutzflächen und
Erzeugnisse
Rang
Europa Welt
Landwirtschaftlich nutzbares Land  a
Schwarzerdenflächen (% der globalen Flächen) b
Sonnenblumen und Sonnenblumenöl  
Gerste  
Mais (anderen Angaben zufolge weltweit
viertgrößter Exporteur)
c
Kartoffeln  
Roggen  
Honig (, Tonnen)  
Weizen  
Hühnereier  
Quelle: Homeland Security Today: Why Ukraine matters, Webseite der
US-Homeland-Security Behörde, ..; https://www.hstoday.us/
subject-matter-areas/border-security/why-ukraine-matters/ (a):https://
en.wikipedia.org/wiki/Arable_land; (b)https://data.worldbank.org/
indicator/AG.LND.ARBL.ZS– diese Quelle zeigt für  den dritten Platz
in der Welt, aber den zweiten Platz in Europa (nach Dänemark), siehe
auch https://www.fao.org//ccen/ccen.pdf; (c):https://oec.
world/en/profile/hs/corn; Diese Ressource zeigt, dass die Ukraine 
auf dem vierten Platz in der Welt war; alle Zugriffe am ...
Tabelle 3 gibt weitere Einblicke in das industrielle Potenzial.
In der Ukraine gibt es eine Vielzahl Spezialindustrien, z.B.
für Raketentriebwerke und Hochleistungsturbinen. Diese
Industrien waren ein wesentlicher Bestandteil der sowje-
tischen Wirtschaft und konnten in die neue Ära gerettet
werden. Als Stahlproduzent ist die Ukraine ein wichtiger
Player; neben dem bekannten, inzwischen von Russland
zerstörten Azow-Stahlwerk in Mariupol sind vor allem fol-
gende Standorte zu nennen: Iljitsch Eisen- und Stahlwerke
(Mariupol, Region Donezk), Zaporizhstal (Region Sapo-
rischschja), Kryvorіzhstal (Region Dnipropetrowsk), Dne-
prospetsstal (Region Dnipro), Khartsyzsk Pipe Plant (Region
Donezk), Dnipropetrowsk Metallwerk (Region Dnipro), Yen-
akiieve Metallurgisches Werk (Region Donezk), Makiivka
Metallurgisches Werk (Region Donezk), Nikopol Röhren-
werk LLC (Region Dnipropetrovsk), Avdiiv Coke Chemie-
werk (Region Donezk) und Dnipropetrovsk Metallurgisches
Kombinat (Region Dnipro).
Tabelle 3: Positionen der Ukraine bei Infrastruktur, Ressourcen und
Produktion, 2021
Infrastruktur, Ressourcen und Industrie Rang
Europa Welt
Dichte des Erdgasnetzes  
Kapazität der Kernkraftwerke  
Länge des Schienennetzes (.km)  
Stahlexport  
Export von Turbinen für Kernkraftwerke a
Raketen-Abschussvorrichtungen b
Export von Tonerden  
Export von Titan  /c
Export von Erzen und Konzentraten  /d
Rüstungsexporte  /e
Stahlproduktion (,Millionen Tonnen)  
Quelle: Homeland Security Today: Why Ukraine matters, Webseite der
US-Homeland-Security-Behörde, ..; https://www.hstoday.us/subject-
matter-areas/border-security/why-ukraine-matters/; (a)https://oec.
world/en/profile/hs/parts-of-nuclear-reactors; (b)https://armedforces.
eu/land_forces/ranking_rocket_artillery; (c)https://wits.worldbank.org/
trade/comtrade/en/country/ALL/year//tradeflow/Exports/partner/
WLD/product/; (d):ibid.; (e)https://www.statista.com/statistics/
/market-share-of-the-leadings-exporters-of-conventional-
weapons/, alle Zugriffe am ...
Einen Überblick über die Position der Ukraine bei Vorkom-
men ausgewählter Mineralien vermittelt Tabelle 4, aus der
auch hervorgeht, dass die Ukraine einer der wichtigsten
Standorte für die weltweite Versorgung mit Mineralien ist.
Eine unabhängige Ukraine könnte ein gewichtiger Konkur-
rent Russlands auf dem Markt für Rohstoffe und Mineralien
werden. Eine zur EU gehörende Ukraine wäre in der Lage,
sich zu einem strategischen Netzwerkpartner innerhalb der
westlichen Volkswirtschaften zu entwickeln. Magnesium
kommt hier eine wichtige Rolle zu: China fördert derzeit
weltweit über 80Prozent der Vorkommen an Magnesium,
einem bedeutenden Legierungselement für Aluminium.
Würde Magnesium wegen eines Konflikts nicht mehr gelie-
fert, käme binnen kurzer Zeit ein Großteil der Aluminium-
industrie– und damit auch der Fahrzeugindustrie– zum
Erliegen. Russlands Förderkapazitäten liegen zwar auf
Platz2, die Verarbeitungskapazitäten sind aber niedriger
und überschreiten nur knapp die der Ukraine.
Die weiter unten abgebildeten Standortkarten in Ab-
bildungen 8, 10 und 11 zeigen, dass in den besetzten bzw.
annektierten Gebieten Vorkommen zu finden sind, die
Russland zu einem Marktmonopol verhelfen könnten, sollte
es sich diese Gebiete einverleiben.
Die Ukraine verfügt über eines der bestentwickelten
Gasnetze der Welt, eine wichtige Voraussetzung für die Zu-
kunftsperspektiven ihres Energiesektors. Aufgrund seines
264 Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
Potenzials für saubere Energie bietet sich Wasserstoff der
ukrainischen Energiewirtschaft als vielversprechendes
Element an. Er kann als universeller Kraftstoff für Fahr-
zeuge gelten, da er umweltfreundlich ist und Gas, Benzin,
Diesel, Öl und Kohle ersetzen kann. In der Ukraine befindet
sich die Wasserstoffstrategie noch in der Entwicklungs-
phase, aber sie eröffnet einen soliden strategischen Rahmen
für eine Politik, die den Ausbau erneuerbarer Energiequel-
len im Verkehrswesen auf Grundlage von Biokraftstoffen,
Strom und Wasserstoff anstrebt. Die Ukraine will bis zum
Jahr 2060 Klimaneutralität erreichen. Die gut ausgebaute
Pipeline-Infrastruktur könnte sich künftig auch für die
Lieferung von Wasserstoff an Kunden in der Ukraine und
der EU nutzen lassen. Darüber hinaus ist das ukrainische
Stromnetz, weil Hauptstromlieferant in Sowjetzeiten, sehr
stark integriert und verfügt über redundante Kapazitäten,
die im Fall russischer Angriffe Umgehungsmöglichkeiten
für zerstörte Verbindungen schaffen helfen.
Auf der Angebotsseite hat die Ukraine aus der Sowjet-
zeit ein leistungsfähiges Energiesystem mit Kernkraftwer-
ken, Wärmekraftwerken und Wasserkraftwerken geerbt,
letztere hauptsächlich an den Flüssen Dnipro und Dnister.
Die meisten der bestehenden Energieanlagen müssen
derzeit modernisiert werden. Abbildung6 gibt Aufschluss
über die Erzeugungskapazitäten für Strom und Prozess-
wärme (einschließlich für den Wohnungsbau). Etwa ein
Drittel der Gesamtkapazität von 63 GW ist Strom.
Bei den vier Kernkraftwerken handelt es sich um
Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart, die von OKB
Gidropress, einem Konstruktionsbüro südlich von Moskau,
entwickelt wurden. Sie befinden sich an vier Standorten:
(i), Rivne (Bruttokapazität von 2.835 MWe– die vier Blöcke
wurden 1980, 1981, 1986 und 2004 in Betrieb genommen);
(ii), Khmelnitsk (Bruttokapazität von 2.000 MWe – die
beiden Blöcke gingen 1987 und 2004 in Betrieb); (iii), Süd-
ukraine (Bruttokapazität von 3.000 MWe– die drei Blöcke
wurden 1982, 1985 und 1989 hochgefahren, die Fertig-
stellung des vierten Blocks wurde aufgegeben); (iv), Sapo-
rischschja (Bruttokapazität von 6.000 MWe – die sechs
Blöcke starteten 1984, 1985, 1986, 1987, 1989 und 1995 den
Betrieb). Von den insgesamt 15.835 MWe sind 3.000 MWe ab-
zuziehen, da drei Blöcke abgeschaltet wurden. Kernkraft
liefert etwa die Hälfte der Elektrizität und 17Prozent der
gesamten Energieversorgung.
Die Wärmekraftwerke werden mit Kohle, Gas und Öl
gespeist; es gibt 66 Blöcke an 13 Standorten, die zwischen
1941 (Kurakhivska) und 1982 (Zuevska) ihren Betrieb auf-
nahmen. Wasserkraftwerke spielen eine wichtige Rolle
entlang der großen Flüsse, insbesondere des Dnister und
des Dnipro. Die 30 Anlagen liefern 14 Prozent der elek-
trischen Energie der Ukraine; sie starteten zwischen 1932
(Dniprovska) und 2009 (Dnistrovska) ihren Betrieb. Dni-
provska ist berühmt, seit im Zweiten Weltkrieg sowjetische
Truppen den Damm als Schutzmaßnahme sprengten; im
Jahr 2022 sollte er von den russischen Streitkräften erneut
als „Wasserwaffe“ gegen die Ukraine eingesetzt werden. Die
potenziellen Onshore- und Offshore-Windenergiekapazitä-
ten werden auf etwa 435 GW geschätzt und gelten als sehr
rentabel, während sich die Photovoltaikpotenziale nur auf
durchschnittlichem Niveau bewegen.
11Für detaillierte Information vgl. Papaefthymiou/Osthues/Nguyen/
Korol 2019.
12Nicht enthalten sind die infolge von Kriegshandlungen immer wie-
der abgeschalteten Blöcke von Saporischschja.
13Für detaillierte Information vgl. Black Sea Offshore Wind; Dee-
presource webseite, 18.4.2021 und Solare Energy Potential and Utiliza-
tion, E-Education Webseite; https://www.e-education.psu.edu/earth104/
node/950.
Tabelle 4: Rangliste der Rohstoffe und Spezialmineralienproduzenten,
2017
Spezielle Mineralien (Ukrainische Anteile
der globalen Erzeugung); Anwendungen
Globaler Rang
Ukraine Russland
Gallium (%); medizinische Diagnostik, Militär  
Rutil (,%); Herstellung von Titandioxyd und
Extraktion anderer Mineralien
 
Titanschwamm (,%); Titan, Luftfahrtindustrie  
Graphite (,%); Elektroden, insbesondere
Batterieanoden
 
Brom (,%); Verbundwerkstoffe, Desinfektions-
mittel,

Eisenerz (,%); Roheisen, Stahlindustrie mit
nachgelagerten Industrien
 
Manganerz (,%); Veredeln von Metallen  
Kaolin/Tonkugeln (,%); Bauindustrie,
Sanitärprodukte
 
Magnesiummetall (,%); Reduktion anderer
Nichteisenmetalle wie Nickel, Kupfer, Uran,
‚Aluminiumlegierungen
 
Ilmenit (,%); Herstellung von Titandioxyd
und Extraktion anderer Mineralien
 
Roheisen (,%); Stahlindustrie mit nachgela-
gerten Industrien
 
Bentonit (,%); pharmazeutische und kosmeti-
sche Industrie, keramische Industrie, Bauindustrie
 
Torf (,%); Gartenbau  
Rohstahl (,%); alle nachgelagerten Industrien  
Quelle: The Mineral Industry of Ukraine, – (XLSX) Tables-Only
Release, zu finden auf der Webseite des US Geological Services; https://
www.usgs.gov/media/files/mineral-industry-ukraine---xlsx-
tables-only-release, Zugriff am ...
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse 265
Damit die Ukraine ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen
kann, müssen Energieversorgung und Marktregulierungen
reformiert werden. Sie wird viel in den Wiederaufbau
und die Sanierung bestehender Kraftwerke oder sogar in
den Aufbau einer neuen Energieinfrastruktur investieren
müssen, denn heute erzeugen umweltschädliche Kohle-
kraftwerke mehr als ein Drittel des Stroms in der Ukraine.
Sonne und vor allem Wind gibt es im Land im Überfluss.
Ohne ausländische Investitionen wird die Ukraine jedoch
nicht in der Lage sein, genügend Sonnenkollektoren und
Windturbinen zu installieren.
Wichtige Onshore- und Offshore-Energiechancen bieten
sich in den Schwarzmeerregionen, dem Asowschen Meer
und für Photovoltaik in den weniger fruchtbaren Regionen
des Ostens. Angesichts der Notwendigkeit, grüne Lieferket-
ten aufzubauen und sich von Russland abzukoppeln, macht
eine Modernisierung von Gas- und Kohleanlagen langfris-
tig keinen Sinn. Das Potenzial der erneuerbaren Energien
wurde mit etwa 121Mio. MWh pro Jahr berechnet. Bei
einer angenommenen Auslastung von 2.000Stunden pro
Jahr sind das etwa 60,5 GW– rund 20 Prozent über der
derzeitigen konventionellen Versorgung (54 GW aus Ab-
bildung7).
Die Ukraine besitzt die weltweit größten Reserven an
kommerziell nutzbarem Eisenerz– 30 Milliarden Tonnen
oder etwa ein Fünftel der weltweiten Gesamtmenge. Das
Land verfügt über große Erdgas- und Erdölvorkommen, die
14Flanders Investment and Trade Market Survey 2018.
noch weitgehend unerschlossen sind, sowie über 4Prozent
der weltweiten Kohlereserven. Donbas steht für das Donezk-
Kohlebecken. Dort ermöglichten die riesigen Kohlereserven
das Wachstum des Kohlebergbaus, der Stahlherstellung und
der industriellen Produktion von Flugzeugen, Turbinen,
Lokomotiven und Traktoren. Ein weiteres historisches
Kohleabbaugebiet umfasste auch Gegenden in der Oblast
Dnipropetrowsk. Abbildung8 zeigt die für fossile Energie-
ressourcen wichtigsten Gebiete.
Der Wirtschaftsraum des Donbas verdient wegen
seiner Gefährdung durch die russische Aggression be-
sondere Aufmerksamkeit: Er steht in der Ukraine an erster
Stelle, was die industrielle Produktion und deren Konzen-
tration angeht. Die Industrie des Gebiets basierte historisch
auf dem Kohlebergbau. Der Donbas mit der Region Donezk,
seit dem späten 19. Jahrhundert das wichtigste Kohleab-
baugebiet auf dem Territorium der heutigen Ukrainischen
Republik, entwickelte sich zu einem Zentrum der Indus-
trie. Auf der Grundlage der Brennstoffproduktion bildete
sich ein mächtiger industrieller Kern auf Basis von Wärme-
kraftwerken. Die größten Kraftwerke sind Wugleghirska,
Zujiwska, Starobeschiwska, Kurachiwska und Luhansk.
In der Region Donezk gibt es eine Eisenmetallurgie, die
auf der Produktion von Kokskohle, Kalksteinen und im-
portierten Eisenerzen aus der Dnipro-Region (Mariupol,
Makiiwka, Luhansk, Donezk, Kramatorsk) beruht, sowie
eine Nichteisenmetallurgie mit der Produktion von Zink,
Blei (Kostyantyniwka) und Quecksilber (Horliwka). Der
Schwermaschinenbau spielt eine wichtige Rolle; er beliefert
den Bergbau und die Metallurgie (Kramatorsk, Horliwka,
Abbildung6: Die Energieversorgung der Ukraine (Stand vor dem 24.02.2022)
Quelle: Mahmoud 2022
266 Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
Donezk usw.). Die Produktion von Eisenbahnen und Kränen
befand sich in Luhansk, Mariupol, Kramatorsk und Donezk.
Daher verfügt die Region Donezk über eines der dichtesten
Transportwegenetze in der Ukraine. Der Donbas weist au-
ßerdem eine starke chemische Industrie auf, die u.a. Soda,
Färbemittel, Stickstoffdünger, Polymere und chemische
Reagenzien herstellt.
Die Ukraine ist dank ihrer Schwarzmeerhäfen, ihres
Straßen- und Eisenbahnnetzes sowie der Öl- und Gas-
pipelines ein wichtiges Transitland für Polen, Russland
und Belarus. Für Russlands internationalen Handel sind
Transitkanäle äußerst wichtig, und die Ukraine beherrscht
viele davon. Das macht die Ukraine eher zu einem Objekt
der wirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklung
anderer Nationen als zum Architekten oder Motor einer ei-
genständigen Entwicklung. Nirgendwo waren das Gesamt-
bild so klar und die Details so undurchsichtig wie beim
Gastransit. Nach Ansicht Russlands besaß die Ukraine auf-
grund ihrer Beinahe-Monopolstellung beim Gastransit nach
Europa eine übermäßige Verhandlungsmacht bei den Ver-
tragsverhandlungen über die Transitgebühren. Deswegen
wurden Pipelines gebaut, die die Ukraine als Transitstrecke
umgehen, darunter die Nord-Stream-Gaspipeline, die den
Weg von der Jamal-Halbinsel verkürzt und über die ein Teil
des Gases an die Endmärkte in Westeuropa geliefert wurde.
Damit drohte der Ukraine der Verlust von Transitgebühren
und teilweise auch ihrer Schlüsselrolle im eurasischen
Gasnetz. Um mit alternativen Routen konkurrenzfähig zu
bleiben, musste sie die Transporttarife für Gas senken.
Der Dnipro ist der viertlängste Fluss in Europa und
durchquert die drei Länder Russland, Belarus und die
Ukraine, ehe er in das Schwarze Meer mündet. Er ist für
den Verkehr und die Wirtschaft der Ukraine von großer
Bedeutung. Er ermöglicht Schiffen den Zugang zum Hafen
von Kyjiw, was einen hervorragenden Transportkorridor
für internationale Waren schafft, und erlaubt die Nutzung
von Schiffen und Fluss zu touristischen Zwecken. Über ihn
führen etwa 50 verschiedene Übergänge, darunter mehr als
20 Eisenbahnbrücken. Berühmt ist der Fluss auch für seine
Dämme, an denen Wasserkraftwerke und anschließend
eine Kaskade von Stauseen angelegt wurden. Neben den
großen Dnipro-Stauseen gibt es im Einzugsgebiet etwa 500
kleinere Stauseen, die 45Prozent der Fläche aller Stauseen
in der Ukraine ausmachen. Durch den Bau der Wasser-
kraftwerkskaskade wurde der Fluss zu einer Kette von Seen.
Dank der Wasserressourcen des Dnipro ließen sich
Probleme wie die Wasserversorgung und die Bewässerung
von Regionen leicht lösen. Der Fluss speist den Nord-Krim-
Kanal, der die Halbinsel zu etwa 85Prozent mit Süßwasser
versorgt. Nach Russlands Eroberung der Krim 2014 riegelte
die Ukraine die Wasserzufuhr durch eine Sperre ab, die rus-
sische Truppen in den ersten Kriegstagen des Jahres 2022
sprengten. Durch die Zerstörung des Kachowka-Damms im
Juni 2023 ist der Kanal dauerhaft trockengefallen. Die in-
tensive Nutzung des Dnipro brachte zahlreiche schwerwie-
15Khilchevsky/Grebin/Dubniak/Zabokrytska/Bolbot 2022.
Abbildung7: Potenziale für erneuerbare Energien in der Ukraine
Quelle: Flanders Investment and Trade Market Survey 2018.
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse 267
gende Umweltprobleme mit sich, industrielle und häusliche
Abwässer haben sein Wasser verschmutzt.
Die Seeverkehrsindustrie der Ukraine umfasst ein Netz
von Seehäfen sowie Verladeterminals und Komplexe ver-
schiedener Eigentumsformen. In der Ukraine gibt es 14
Häfen (einschließlich auf der von Russland annektierten
Krim), darunter fünf Tiefwasserhäfen: der Hafen Piwden-
nyi sowie die Häfen in Chornomorsk, Odessa und Myko-
lajiw. Etwa 60 Prozent des Güterverkehrs läuft über die
drei Haupthäfen in Odessa, Chornomorsk und Piwdennyi.
Ein großer Teil des Seeverkehrs entfällt auf den Export
von Öl, Ölprodukten, Getreide und anderen Produkten.
Die Schwarzmeerhäfen sind Endpunkte einer Reihe pan-
europäischer Verkehrskorridore, z.B. TRACECA (Verkehrs-
korridor Europa-Kaukasus-Asien).
Tiefsee-Gaspipelines wie Blue Stream und TurkStream
auf dem Grund des Schwarzen Meeres spielen eine weitere
wichtige Rolle. Sie verbinden Russland mit dem Balkan
Stream. Bedeutend ist die Schwarzmeerregion auch für
Industrie und Tourismus. Verschiedene Fischarten werden
kommerziell genutzt, und wegen seiner günstigen klima-
tischen Bedingungen hat sich das Schwarze Meer bis 2014
bzw. zum Kriegsbeginn zu einer beliebten Urlaubsregion
entwickelt. Der internationale Seeverkehr wird haupt-
sächlich über den Hafen von Odessa abgewickelt, von dem
aus regelmäßig Fähren nach Istanbul, Varna und Haifa
fahren. Darüber hinaus haben See- und Flusshäfen sowie
die Wasserinfrastruktur im Allgemeinen eine wesentliche
Bedeutung für den Handel zwischen der Ukraine und der
EU und für die künftigen Integrationsperspektiven.
5Das Potenzial der Ukraine für
grüne Technologien und ihre
regionale Verteilung
2001 hat die Ukraine im Rahmen der Modernisierung der
Wirtschaft begonnen, Lagerstätten von mineralischen Roh-
stoffen zu versteigern, ab dem Jahr 2020 auf einer elektro-
nischen Plattform. Aus strategischem Blickwinkel könnte
man argumentieren: Wären diese Versteigerungsverträge
Abbildung8: Karte der fossilen Energieressourcen der Ukraine
Quelle: eigene Darstellung nach Anthony Faiola/Dalton Bennett: In the Ukraine War, a Battle for the Nation’s Mineral and Energy Wealth, Washington
Post, 10.8.2022; die von russischer Seite okkupierten Gebiete geben den Stand vom Sommer 2022 wieder.
268 Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
geschlossen und die Bergbaulizenzen vor Kriegsbeginn ver-
geben worden, hätte Russland wegen seines Angriffs auf die
Ukraine massive Probleme mit internationalen Investoren
bekommen, insbesondere durch Schiedsverfahren. So hat
beispielsweise der Eigentümer der Azow-Stahlwerke, der
ukrainische Oligarch Rinat Achmetow, Russland auf Scha-
denersatz verklagt. Auch dies könnte ein kommerzielles
Motiv für den russischen Überfall auf die Ukraine gewesen
sein: sich die Mineral- und Energieressourcen der Ukraine
auf militärische Weise anzueignen, bevor eine größere
Runde internationaler Investitionen in deren Ausbeutung
einsteigt, und so späteren Schadensersatzforderung vor in-
ternationalen Schiedsgerichten vorzubeugen.
Was die Ressourcen für die Dekarbonisierung der
Industrien betrifft, so spielen besonders die Lithiumvor-
kommen eine wichtige Rolle für Elektromobilität, erneuer-
bare Energien und Energiespeicherung. Die in der Ukraine
bisher geringe Exploration von Lithiumvorkommen macht
es schwierig, diese Ressourcen im internationalen Ver-
gleich zu bewerten. Es sind jedoch in den Orten Kruta Balka
(Bezirk Zaporischschia), Dobra Block (Bezirk Kirowohrad)
und Schewtschenkiwske (Bezirk Donezk) Pegmatite, die
16Vgl. Besitzer von Asow-Stahlwerk und reichster Ukrainer will Russ-
land verklagen, Focus-Magazin online, 27.5.2022.
17Pegmatite sind grobkörnige magmatische Gesteine.
Spodumen führen, dokumentiert. In Dobra Block ist Petalit
das häufigste Lithium-Erzmineral und wird neben Spodu-
men von Lithiumphosphaten begleitet. Die Lithiumgehalte
variieren zwischen den einzelnen Pegmatitschwärmen im
Bereich von 0,25 bis 2,23Prozent Li2O, wie in Abbildung10
dargestellt. Der Gehalt und die Tonnage der gemeldeten
Lagerstätten sind geringer als bei Weltklasse-Lagerstätten
wie Greenbushes, Tanco oder Wodgina, aber das Niveau
der ukrainischen Exploration ist noch wenig erforscht und
könnte daher ein beträchtliches Potenzial bergen.
Neben Lithium sind beim Abbau von Pegmatitvor-
kommen strategische Elemente wie Niob, Tantal, Rubidium
und Cäsium sowie Feldspat und Quarz als Industriemine-
ralien von Interesse. Abseits von Lithium aus Pegmatiten
haben auch andere Batterierohstoffe Bedeutung. Dazu
gehören Graphit, Kupfer, Nickel, Kobalt und für den Auto-
mobilbau Eisen (Stahl), Aluminium und Titan. Wie aus
Abbildung 10 hervorgeht, ist die räumliche Verteilung
der Batterierohstoffe nicht auf ein einziges Gebiet in der
Ukraine beschränkt. Besonders interessant sind die Gebiete
von Schytomyr und Kirowohrad, aber auch im Donbas gibt
es Vorkommen. Damit besteht das Potenzial, viele der not-
18Spodumen ist ein Lithium enthaltendes Silikat.
19Petalit ist ein Lithium enthaltendes Aluminiumsilikat.
20Mykhailov/Hrinchenko/Malyuk 2020.
Abbildung9: Die ukrainischen Lithium-Pegmatite im Vergleich zu den weltweit führenden Lagerstätten
Quellen: Bowell/Lagos/de los Hoyos/Declercq 2020; Ukraineinvest 2021.
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse 269
wendigen Wertschöpfungsketten für die Elektromobilität
und die Förderung erneuerbarer Energien im Land selbst
zu halten. Es ist jedoch zu beachten, dass die notwendige
Infrastruktur, die Erschließung von Lagerstätten und die er-
forderliche Verarbeitung zu industriell benötigten Materia-
lien erst aufgebaut werden müssen, was vom Erschließen
bis zur Produktion auf internationalem Niveau etwa sieben
bis zehn Jahre dauert.
Gold ist eine wichtige Ressource, nicht nur für Luxus-
zwecke oder die Reserven der Zentralbanken, sondern
auch für die Elektronikindustrie, die etwa zehn Prozent der
Jahresproduktion absorbiert. Auch in diesem Bereich ist
Russland ein starker Wettbewerber. Abbildung11 zeigt die
entsprechende Ressourcenkarte.
6Strategische zukünftige Entwick-
lungen und die bevorstehende
industrielle Rivalität mit Russland
Die Aussichten auf einen erfolgreichen Aufschwung der
Ukraine hängen zusammen mit Erfindungen, Innovationen
und der Fortführung einer industriellen Tradition, die diese
Entwicklung begünstigt. Zudem ist nach allen Erfahrungen
der Regionalökonomie eine nachhaltige wirtschaftliche Ent-
wicklung nur dann erfolgreich, wenn es gelingt, in einen
neuen Innovationszyklus einzusteigen. Das Beispiel der
neuen deutschen Bundesländer belegt dieses Phänomen;
ihre Zentren der wirtschaftlichen Entwicklung befinden sich
dort, wo sich die modernsten Industrien an Standorten mit
entsprechender Tradition etablieren konnten, wie z.B. die
Mikroelektronik im Raum Dresden in Sachsen, Deutschland.
Daraus folgt, dass man aus den vorhandenen Ressour-
cen und weltweit verfügbaren Technologien einen einzig-
artigen Standortmix schaffen muss. Aus diesem Grund
sind die verfügbaren Rohstoffe der Ukraine von zentraler
Abbildung10: Ukrainische Eisenvorkommen und Batterierohstoffe für den Übergang zu grüner Energie
Quelle: eigene Darstellung nach Ukraineinvest 2021, Mykhailov/Hrinchenko/Malyuk 2020; Naumenko/Vasylenk 2022; die von russischer Seite
okkupierten Gebiete geben den Stand vom Sommer 2022 wieder.
270 Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
Bedeutung für die zukünftige Entwicklung des Landes.
Dies veranschaulicht auch die folgende Abbildung. Die Ver-
arbeitung von Lithium und die Produktion von Batterien
finden derzeit größtenteils in China statt, das die meisten
der benötigten Mineralien außerhalb seines Landes abbaut.
Abbildung12 zeigt die derzeitige Situation auf, aber auch
die Möglichkeiten, als europäischer Anbieter in diese
Märkte einzutreten. Die grundlegenden Rohstoffe kommen
zu einem wesentlichen Teil aus Russland. Gerade dieses Po-
tenzial soll als neuer Technologiekreislauf für die Ukraine
untersucht werden.
6.1Gegenwärtige Verwendung und Poten-
ziale von mineralischen Rohstoffen,
insbesondere Lithium
Gegenwärtig sind Elemente wie Lithium, Nickel, Kobalt und
Mangan für fast alle modernen Industrien von essenzieller
Bedeutung und nötig für die Herstellung von Hochleistungs-
batterien. Seltene Erden wie Dysprosium und Neodym sind
unverzichtbar für die Elektromobilität, d.h. für Magnete
im Antriebsstrang oder für elektrische Windgeneratoren.
Nach Angaben des ukrainischen Geoforschungsinstituts
hat die Ukraine das Potenzial, einer der größten Lithium-
produzenten auf dem Weltmarkt zu werden, da sie über
beträchtliche Reserven verfügt. Allerdings müssen die
Lithiumvorkommen und -lagerstätten noch untersucht
werden, um die Bohrdaten aus der Zeit der UdSSR durch
moderne Explorationsbewertung zu bestätigen. Das pri-
vatwirtschaftlich organisierte Explorationsumfeld in der
Ukraine, insbesondere bei Rohstoffen wie Lithium, steckt
noch in einem sehr frühen Stadium. Exploration und Abbau
geschehen in der Regel in getrennten Lizenzen, wobei letz-
tere für bis zu 20Jahre erteilt werden können. Die moderne
Erschließung der bekannten Lithiumvorkommen nach in-
ternational anerkannten Berichterstattungsstandards wie
dem australischen JORC oder dem kanadischen NI-43-101
wird einige Zeit in Anspruch nehmen, im Allgemeinen etwa
vier bis sechs Jahre. Planung und Bau von Bergbaubetrieben
21Liventseva 2022 und Liventseva/Heichenko/Mienasova/Falkovych
2022.
Abbildung11: Goldvorkommen in der Ukraine
Quelle: Ukraininvest; die unter russischer Kontrolle stehenden Gebiete geben den Stand vom Sommer 2022 wieder.
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse 271
sowie von Anlagen zur Gewinnung von Lithiummineralien
und zur chemischen Verarbeitung sind kapitalintensiv und
bewegen sich pro Mine mit Verarbeitungsanlage in der Grö-
ßenordnung von 0,8 bis 1,5Mrd. Euro. Dabei handelt es sich
jedoch um international vergleichbare Kapitalkosten, und
die künftigen ukrainischen Betriebskosten werden auf euro-
päischer oder globaler Ebene sehr wettbewerbsfähig sein.
Um den absehbaren Bedarf an wichtigen Mineralien zu
decken, müsste die Produktion stark ausgeweitet werden.
Der Produktionsprozess für kritische Rohstoffe steht aller-
dings vor mehreren Herausforderungen: Er ist äußerst
energieintensiv und hinterlässt einen erheblichen ökologi-
schen Fußabdruck. Darüber hinaus fallen große Mengen an
Abfallstoffen an, die eine aktive Lagerung und Bewirtschaf-
tung erfordern oder die Verwendung in anderen Wertschöp-
fungsketten und Produkten, also eine Nutzung als Neben-
produkte. Die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien für
Elektroautos könnte die Ukraine an die Spitze der Entwick-
lung der Elektromobilität in Europa bringen. Die Techno-
logie zur Herstellung von Lithium-Ionen-Akkumulatoren ist
jedoch so weit fortgeschritten, dass es für die Ukraine nicht
leicht sein wird, in diesen Markt einzudringen, vor allem
weil die Herstellung komplex ist und die Markteinführung
das Land sehr viel kosten wird. Ohne europäische Förder-
22Der Verfall der Lithiumpreise im Frühjahr 2023 könnte einen Vor-
geschmack auf einen Preiskampf geben, den China anzettelt, um das
programme kann die Ukraine daher nicht mit den Ländern
des „Lithium-Dreiecks“ konkurrieren. Dies könnte sich
allerdings schnell ändern, wenn erhöhte Umweltstandards
in Europa durchgesetzt und auf Lieferketten ins nichteuro-
päische Ausland angewendet würden.
Die drei Lithiumlagerstätten Schewtschenkiwske, Polo-
chiwske und der Standort Dobra erscheinen als die vielver-
sprechendsten für eine potenzielle wirtschaftliche Ausbeu-
tung. Die Lagerstätte Schewtschenkiwske befindet sich im
Bezirk Welykonowosilkiwskyj in der Region Donezk, Polo-
chiwske im Bezirk Malowyskijwskj in der Region Kirowoh-
rad und der Standort Dobra liegt im Bezirk Nowoukrainskyi
in der Region Kirowohrad. Haupterzmineral von Schewt-
schenkiwske ist Spodumen, in Polochiwske überwiegt
Petalit, am Standort Dobra findet sich eine gemischte Anrei-
cherung von Spodumen und Petalit. Die beiden Minerale un-
terscheiden sich unter anderem durch ihren Lithiumgehalt;
Spodumen ist mit bis zu 3,7Prozent Lithium wirtschaftlich
lukrativer als Petalit mit Gehalten von bis zu 2,3Prozent
Lithium. Alle drei Lagerstätten sind von einem dicken Deck-
Ansiedeln entsprechender Industrien in Drittländern zu verhindern;
der Vorgang erinnert fatal an Chinas Monopolisierungsstrategie bei
Seltenen Erden, die mit der Insolvenz der US-Mine Mountain Pass ihren
„Erfolg“ für knapp zwanzig Jahre feierte.
23Das Lithiumdreieck (spanisch: Triángulo del Litio) ist eine an Li-
thiumvorkommen reiche Region innerhalb der Staaten Argentinien,
Bolivien und Chile, siehe Wikipedia.
Abbildung12: Dominanz im E-Mobilitätsmarkt
Quelle: Benchmark Minerals Intelligence; https://www.benchmarkminerals.com/.
% 0 10 % 20 % 30 % % 40 % 50 % 60 % 70 80 % 90 % 100 %
Zellherstellung
Kathode
Anode
Produktion
Mangan
Lithium
Graphit
Kobalt
Nickel
Chemische Aufbereitung
China USA EU
272 Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
gebirge aus Sedimentgestein und einem bis zu 100m mächti-
gen Verwitterungshorizont bedeckt und befinden sich in der
Steppenzone mit überwiegend flacher Topografie. Entdeckt
wurden sie Ende des 20.Jahrhunderts durch großangelegte
regionale geologische Untersuchungen und Explorationen.
Die Lithiumvorkommen sind in unterschiedlichem
Maß geologisch erkundet; Explorationsbohrungen und
Bohrkerne sind nur in geringem Umfang vorhanden. Li-
thiumerzreserven und -ressourcen bis zu einer Tiefe von
500m von der Oberfläche werden derzeit nur für diese drei
Lagerstätten geschätzt und könnten eine vielversprechende
Grundlage für künftige „grüne Industrien“ bilden.
Die Exploration der Lagerstätte Polochiwske ist in Vor-
bereitung auf den Abbau am weitesten fortgeschritten und
befindet sich zurzeit in einer den Abbau vorbereitenden
Entwicklungsphase. Viele ukrainische Experten halten
diese Lithiumlagerstätte für eine der größten in Europa,
zumal gute Aussichten bestehen, dass der Umfang der Re-
serven mit zunehmender Tiefe zunimmt. Die Lagerstätte ist
recht kompakt und besteht aus gut definierten Erzkörpern,
deren Mächtigkeit im Durchschnitt 60m erreicht. Im Ge-
gensatz dazu bestehen die beiden anderen Vorkommen aus
vererzten Aderschwärmen, die einen relativ unkomplizier-
ten Untertageabbau ermöglichen.
Um die historischen Mineralressourcendaten zu be-
stätigen und die Explorationsdichte zu erhöhen, müssen
24Naumenko/Vasylenk 2022.
Tabelle 5: Eigenschaften der Lithiumvorkommen in der Ukraine
Schewtschenkiwske Lagerstätte Polochiwske Lagerstätte Dobra Lagerstätte
Standort Die Lagerstätte Schewtschenkiwske befindet
sich administrativ in der Region Donezk,
km nordöstlich des Dorfes Shevchenko,
km östlich der Verwaltungsgrenze zur
Region Saporischschja.
Die Lagerstätte Polochiwske befindet sich
im zentralen Teil der Ukraine in einem
Industriegebiet im Bezirk Novoukrainsky
der Region Kirowohrad, km nordöstlich
von Smolino.
Die Lithiumerzlagerstätte Dobra befindet
sich im selben Bezirk Novoukrainsky in der
Region Kirowohrad, km südwestlich der
Lagerstätte Polochiwske. Sie umfasst zwei
Erzvorkommen– Stankuwatsky (nördlich)
und Nadija (südlich)–, die übereinander
liegen.
Art der
Lagerstätte
Pegmatit Pegmatit Pegmatit
Erzmineralien Die Lithiummineralisierung der Schewt-
schenkiwske-Lagerstätte ist mit Pegmatiten
vom Albit-Spodumen-Typ verbunden.
Lithiumerz aus der Lagerstätte Polochiwske
besteht aus Metasomatiten mit einer
Mikroklin-Petalit-Albit-Zusammensetzung.
Die Lithiumerzmineralisierung des Stand-
orts Dobra besteht aus den Mineralien
Petalit, Spodumen und einem komplex
gemischten Erz aus Spodumen und Petalit.
Größe Die Lagerstätte Schewtschenkiwske ist
relativ klein (Erzfeldlänge m, Breite
m, besitzt sechs Pegmatitkörper und
kann in einer Mine abgebaut werden
In der Lagerstätte Polochiwske wurden
drei Erzkörper entdeckt. Die Länge des
größten Körpers beträgt m bei einer
durchschnittlichen Mächtigkeit von m.
Dieser Körper wurde bis in eine Tiefe von
m verfolgt. Der zweite Erzkörper mit
einer Mächtigkeit von  bis m wurde
auf einer Länge von m und einer Tiefe
von bis zu m verfolgt.b
Die Fundstelle Dobra ist eine linear lang-
gestreckte Struktur in submeridionaler
Richtung mit einer Länge von mehr als
km und einer Mächtigkeit von bis zu
m. Sie wird bis in eine Tiefe von m
verfolgt, aber die vererzten Zonen können
sich tiefer als der angegebene Horizont
fortsetzen.
Grad der
Explorationa
Die Lagerstätte ist untersucht, erkundet
und weist genehmigte Reserven auf, d.h.
Reserven, die für die Erschließung vor-
bereitet wurden. Nachgewiesene Reserven
von Lithiumerz sind in den Kategorien C
+ C (oder gemäß der UN International
Framework Classification von ), Codes
der Klassen  (explorierte Reserven) und
 (wahrscheinliche Mineralreserven) im
Verhältnis : .
Gemäß den Ergebnissen der Bohrarbeiten
wurden Lithiumerzreserven in den
Kategorien C + C (entsprechend den
Codes der Klassen  (nachgewiesene
Mineralreserven) und  (wahrschein-
liche Mineralreserven) im Verhältnis :
berechnet und genehmigt.
Die Erze am Standort Dobra sind komplex
(Ta, Nb, Rb, Cs, Be und Sn). Ressourcen, die
den Klassencodes  (wahrscheinliche
Mineralreserven),  (aussichtsreiche
Ressourcen) und  (prognostische
Ressourcen) entsprechen, wurden am
Standort Dobra untersucht und belaufen
sich jeweils auf %, % bzw. %.
Quelle: eigene Zusammenstellung basierend auf Syomka , Liventseva  und Heichenko/Falkovych/Mienasova/Liventseva ; (a)http://
mineraljournal.org.ua/en/node/; (b)http://visnyk-nanu.org.ua/ojs/index.php/v/article/view//; (b)http://mineraljournal.org.ua/en/
node/; alle Zugriffe am ...
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse 273
systematische Explorationsbohrungen mit geochemischen
Analysen durch international zertifizierte Labors und geo-
metallurgische Studien durchgeführt werden, um geeig-
nete Flussdiagramme für die Mineralaufbereitung zu ent-
wickeln. Weitere geologische Lithium-Anomalien wurden
in den Sedimentkomplexen der Ediacara bei Podillja und
des Karbons im Donbas festgestellt. Vielversprechend sind
auch die Seltenmetall-Pegmatite in der zentralen Dnipro-Re-
gion, der Krywyj Rih-Krementschuk-Zone (Zentralukraine)
und in der Region Wolyn (Nordwestukraine).
Die obige Tabelle 5 fasst die Daten der drei wichtigsten
Standorte zusammen.
Auf der Grundlage von Lithium als einem grund-
legenden Rohstoff der grünen Energiewende könnte eine
moderne ukrainische Industrie aufgebaut werden, wie in
Abbildung14 dargestellt. Zwei Cluster stehen im Zentrum:
Der Bergbau von der Lithiummine bis zur Anreicherung
und zu weiteren Verarbeitungsschritten sowie die indus-
trielle Produktion, hier vor allem die Konversion zu Lithi-
umhydroxyd als Ausgangspunkt für weitere Industrien, vor
allem für die Batterieherstellung sowie für die Nutzung der
Abfälle als Nebenprodukte.
Die Potenziale der Entwicklung einer Titanoxidindus-
trie infolge reicher Titanvorkommen seien hier noch
25Liventseva 2022 und Liventseva/Heichenko/Mienasova/Falkovych
2022.
einmal betont, auch weil die Ukraine zu den wichtigsten
fünf Ländern zählt, die Titanerzkonzentrate produzieren,
aber bisher nur teilweise weiterverarbeitet. Es wäre für
die Ukraine von Vorteil, eine Wertschöpfungskette für die
Titanindustrie zu schaffen: von der Gewinnung der Roh-
stoffe bis zur Herstellung von Titanfertigprodukten, bei-
spielsweise Weißpigment für die Farbenherstellung oder
Leichtmetall und Legierungen für den Leichtbau.
Europa hat in der Vergangenheit eine beträchtliche
Anzahl von Rohstoffen, über die auch die Ukraine verfügt,
aus Russland bezogen– neben Öl, Gas und Kohle sowie Eisen
und Stahl vor allem wichtige Nichteisenmetalle. Deutsch-
lands hohe Abhängigkeit als größter europäischer Indus-
triestandort von Russland bei metallischen Rohstoffen ist in
Abbildung13 dargestellt. Spezialgüter wie Eisenschwamm
aus der Direktreduktion spielen dabei ebenso eine Rolle
wie Kupfer als Kathodenmaterial für die Elektromobilität.
Verschärft wird diese Abhängigkeit dadurch, dass derzeit
68Prozent der Nickelverarbeitung in China stattfindet. Da
dies auch bei Lithium und Graphit der Fall ist, hängt die
wichtigste strategische Möglichkeit, grüne Energien voran-
zutreiben, im Grunde von autoritär regierten Ländern ab.
Genau hier könnte die Ukraine als positive Alternative ein-
springen.
Grundlage einer solchen „grünen“ Industrie ist die
Verfügbarkeit „grüner“ erneuerbarer Energie, die sowohl
Onshore- und Offshore-Standorte als auch die landwirt-
schaftlich weniger produktiven Gebiete des Ostens zur
Abbildung13: Anteil Russlands an Metallimporten Deutschlands, Februar 2022
Quelle: eigene Darstellung basierend auf Daten der Deutschen Rohstoffagentur (DRI: direct reduced iron)
274 Ulrich Blum/Gregor Borg/Nico Kropp/Hanna Liventseva/Ievgeniia Rozhkova
Erzeugung von Strom (Windenergie und Photovoltaik)
und von, als Energieträger der Zukunft, Wasserstoff nutzt.
Letzterer ist wichtig für verschiedene thermische Prozesse
in der Baustoffindustrie, vor allem aber interessant für den
Einsatz in Lithiumkonvertern.
Die Lithiumminen müssten von vornherein unter den
Regularien der künftigen ESG (Environmental Social Gover-
nance)-Regelungen gebaut und betrieben werden. Zum Bei-
spiel könnte man, wo möglich und wirtschaftlich vertret-
bar, Aufbereitungs- und Veredelungsanlagen unterirdisch
anlegen, um den ökologischen Fußabdruck (Lärm, Staub,
Landschaftsverbrauch) zu verringern.
Für die Versorgung der ukrainischen Pkw-Flotte mit
Batterierohstoffen wären zwei bis drei Lithiumkonverter
mit einer Jahresproduktion von jeweils rund 22 kt Lithium-
hydroxid erforderlich. Für eine europäische E-Fahrzeug-
Industrie bräuchte es allein zu diesem Zweck europaweit
etwa 20 Konverter. Zu diesem Lithiumbedarf kämen noch
Akkumulatorkapazitäten für LKW und für die stationäre
Energiespeicherung hinzu. Mögliche Nebenprodukte aus
der Gewinnung von Lithiumerzmineralkonzentraten wie
Gips oder Aluminiumsilikate ließen sich in der Baustoff-
industrie einsetzen. Der Aufbau von Konverterkapazitäten
in Dreierclustern würde einer Investition von rund 2Mrd.
Euro entsprechen und pro Cluster rund 1.000 Arbeitsplätze
sichern, was in etwa dem Beschäftigungsumfang einer her-
kömmlichen Erdölraffinerie entspricht, die durch die De-
karbonisierung entbehrlich wird. Dies könnte auch die so-
zioökonomischen Auswirkungen des Strukturwandels von
fossilen zu erneuerbaren Energiewirtschaften abfedern.
Da mit dem Ende der konventionellen Eisenoxidver-
hüttung und der Umstellung auf die Direktreduktion von Ei-
senerzen zu Eisen die Erzeugung von Hüttenschlacken und
granulierten Hochofenschlacken entfällt und ebenso mit
Abschaltung der Kohlemeiler der Gips aus der Rauchgasent-
schwefelung, bieten sich die Nebenprodukte der Lithium-
industrie als günstige Rohstoffe für die Gips-, Zement- und
Asphaltindustrie an. Solche Erweiterungen der Wertschöp-
fungsketten der Nebenprodukte könnten die Investitionen
des Clusters und die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze
leicht verdoppeln.
Ausgehend von der Produktion von Lithiumhydroxid
können sich Folgecluster in der Pharma- und Batterie-
industrie, die beide hochreines Lithium benötigen, sowie
in der Glas- und Keramik-, Sanitär-, Baustoff- und Öl-/
Schmierstoffindustrie entwickeln. Im Sinn von effizientem
Umweltschutz und Schonung der Umwelt könnte sich in
der Ukraine, wenn der Rückfluss von Schrottmaterial aus-
reichend groß ist, langfristig eine Recyclingindustrie ent-
wickeln.
Abbildung14: Strategische Industriecluster der Ukraine
Quelle: eigene Darstellung
Konversions-
Cluster
Bergbau-Cluster
Bergbau
Anreicherung
und
Verarbeitung
Grüne
Energie
LiOH-H2O
Neben-
produkt
1
Neben-
produkt
2
Grüne
Energie
Pharma
Batteri e
Keramik
Glas
Schmier-
stoffe
Bau
Multiple Manufacturing Clusters
Markt
Markt
Markt
Neben-
produkt
3
Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung– eine geopolitische Analyse 275
7Fazit: Strategischer Ressourcen-
wettbewerb Ukraine–Russland?
Seit Russland die Ukraine überfallen hat, ist viel über seine
strategischen Absichten spekuliert worden. In der Regel
werden machtpolitische Gründe genannt, insbesondere
das Bestreben der Machtvertikale um Putin, den Einfluss-
bereich der Sowjetunion wiederherzustellen und so den
Ost-West-Konflikt erneut aufleben zu lassen, um ihn zu
russischen Bedingungen zu beenden. Aber auch wirt-
schaftliche Motive fallen möglicherweise ins Gewicht. Sie
lassen sich in drei Kategorien unterteilen:
Zum einen ist für Russland die Ukraine wichtig, um
wieder einen Großmachtstatus zu erhalten, den es zur
Verfolgung seiner strategischen Ziele nutzen kann. Wenn
zu den 142Millionen Russen 40Millionen Ukrainer (plus
10 Millionen Weißrussen und eventuell weitere Ex-Sow-
jetrepubliken) treten, dann würde Russland bald mehr als
200Millionen Einwohner zählen und auch wirtschaftlich
erheblich an Macht gewinnen. Das würde Russlands in-
ternationale Position vor allem als Anbieter einer Reihe
von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten außer-
ordentlich stärken.
Zweitens muss angesichts des geradezu kriminellen
Charakters der Putinschen Machtvertikale (Kleptokratie)
davon ausgegangen werden, dass es auch private Interes-
sen von Mitgliedern dieses Clans gibt, sich am Ukraine-
Krieg zu beteiligen und zu bereichern. Das gilt für den Chef
der Söldnertruppe Wagner, Evgenij Prigoschin, der in erster
Linie ein Geschäftsmann ist, am Krieg bereits viel Geld ver-
dient hat und möglicherweise vor seiner „Entmachtung“
auch sein Auge auf Ressourcen in der Ukraine als „Beute-
gut“ geworfen hat. Andere mögen im Stillen ähnliche Ziele
verfolgen.
Drittens kann man zu Recht annehmen, dass wegen der
mutmaßlich großen Vorkommen in der Ukraine an Lithium
und anderen Mineralien, die unverzichtbare Voraussetzung
für die Dekarbonisierung des Straßen- und Bahnverkehrs
sowie der Industrien in den Industrieländern sind, ein
wichtiges Ziel Russlands darin besteht, durch exklusive
Kontrolle dieser Rohstoffe sein internationales Machtpoten-
zial zu erweitern. Schließlich ist hier die Importabhängig-
keit der westlichen Welt nur allzu bekannt.
Die Ukraine ist mit einem ungewöhnlichen Reichtum
an natürlichen Bodenschätzen sowie fossilen (Kohle, Öl und
Gas) und erneuerbaren (Wasser, Wind und Sonne) Energie-
ressourcen ausgestattet. Diesen Reichtum als historisch
26Adomeit/Krause 2022.
27Dawisha 2014.
„natürlichen“ oder neuen Besitz Russlands zu betrachten,
spiegelt Wladimir Putins falsche Vorstellung von den kul-
turellen, politischen und strategischen Realitäten auf
lokaler, regionaler und globaler Ebene wider. Offensicht-
lich ist die Umwandlung von der Sowjetunion zu freien
und unabhängigen Staaten (Russland eingeschlossen) mit
dem Recht, ihr Volk und Territorium souverän zu regieren,
von weiten Teilen der russischen politischen Führung nicht
verstanden worden. Wertvolle Bodenschätze nahe der
westlichen Grenzen Russlands haben Putins Wunsch ver-
stärkt, in ein friedliches Land einzumarschieren, das über
beträchtliche Ressourcen für die grüne Energie verfügt und
dessen wertvolle Vorkommen an Rohstoffen wie Lithium,
Kobalt, Nickel und seltenen Erden noch genau zu erfor-
schen sind. Die derzeit von Russland besetzten Gebiete der
Ukraine sind weit mehr als irgendein Prozentsatz der Lan-
desfläche: Sie sind integraler Bestandteil der Ukraine und
unersetzliche Basis für den industriellen und wirtschaftli-
chen Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg.
Die ukrainischen Rohstoffregionen bergen fast alle
Zutaten, die für das Management der Wertschöpfungsketten
und damit für den Übergang von Rohstoffen (Bergbau) zur
verarbeitenden Industrie unter Verwendung von grüner
Energie erforderlich sind. Sie könnten, vor allem aus dem
Ausland, große Investitionen in Logistik und Produktion
anlocken und nachhaltige Innovationsschübe auslösen.
Das würde nicht nur die ökonomische Unabhängigkeit be-
günstigen, sondern auch die wirtschaftlichen Beziehungen
zum übrigen Europa auf Augenhöhe anheben. Bedingung
für den Erfolg ist allerdings die Beseitigung der Korruption,
ein großes Hindernis für Wachstum und Integration in die
EU, und selbstverständlich zunächst das vollständige Ver-
treiben der russischen Invasoren.
Anmerkung des Autors: Dieser Beitrag wurde am 20.4.2023 eingereicht.
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Article
Full-text available
The paper presents a description of three lithium ore deposits — Shevchenkivske, Polokhivske and the Dobra site. They are the most promising among others in terms of the economic feasibility of their development. Each of them has its advantages and disadvantages. The Shevchenkivske deposit is located in Pryazovsky, and the other two — in the Ingulsk’s megablocks. On the first, the main ore mineral is spodumene, on the second — petalite, on the Dobra site the mixed type is spodumene-petalite. All three deposits are covered by a rather thick layer of sedimentary rocks and weathering crust (up to 100 m). They are located in the steppe zone with a predominantly flat topography. The deposits were discovered at the end of the twentieth century as a result of large-scale regional geological research. They have different degrees of geological study. A common drawback is the lack of core material. Lithium ore reserves and resources up to a depth of 500 m from the day surface are estimated at the specified deposits. Taking into account the constantly growing demand for lithium, investing in the development of these deposits in Ukraine is a promising business.
Article
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Zusammenfassung Mit der Veröffentlichung zweier Ultimaten an die USA und die NATO will Russland eine grundlegende Veränderung der sicherheitspolitischen Ordnung erzwingen und ist – wie der Überfall auf die Ukraine gezeigt hat – fest entschlossen, seine Vorstellungen auch mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Dieser bewaffnete Konflikt hat nicht nur eine spezifisch russisch-ukrainische Dimension: Er markiert den Beginn des zweiten Kalten Kriegs in Europa, und es ist nicht sicher, ob er dieses Mal „kalt“ bleiben wird. Die russische Führungsclique hat sich in ein Bild der Rolle Russlands in Europa hineingesteigert, das zwar aus der Zeit gefallen scheint, angesichts der russischen Militärpotenziale aber die westliche Staatengemeinschaft zwingt, sich mit der russischen Herausforderung auseinanderzusetzen. Noch sind die Konturen des kommenden Kalten Kriegs nicht klar erkennbar, doch es lassen sich bereits Faktoren und Dynamiken identifizieren, die ihn strukturieren werden.
Article
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The state of the mineral resource base of Ukraine for a number of the elements that are essential for the development of green power energy of Europe is analyzed. Four groups can be distinguished that differ in degree of geologic certainty, available reserves and stages of potential and/or commercial development: 1) iron, manganese, graphite - large-scale deposits that have been developed for a long period time in Ukraine and have almost unlimited resources/perspectives for further production; 2) lithium, rare-earth elements - deposits that are mostly explored and possess considerable reserves. These deposits are not under exploitation but can be brought into commercial production pending appropriate geologic and economic evaluation; 3) cobalt, nickel - deposits that are discovered but their reserves are rather small and some technological problems of ore beneficiation exist. These deposits can be developed only in case of additional confirmation of their economic feasibility by objective economic-geological evaluation; 4) aluminum, lead - small deposits and manifestations that are known but their reserves and ore grades are rather low. As a result, their exploitation is doubtful and perspectives for commercial output are not clear. Supplementary material at https://doi.org/10.6084/m9.figshare.c.5913018
Conference Paper
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Rare metals are an important component of Ukraine's resource base. According to preliminary estimates, the overall lithium resource potential in Ukraine is quite high. The main lithium deposits are associated with Proterozoic complexes (1,7-2,1 billion years) of alkaline rocks, carbonate and granite pegmatites. Significant lithium reserves have been discovered at the Shevchenkivske, Polokhivske, Stankuvatske deposits and Dobra, Kruta Balka promising areas. The estimation of lithium oxide reserves is close to 500,000 tons, but none of lithium deposits in Ukraine are not mining yet. Most of lithium deposits are complex that is why even medium and small deposits can be attractive for investment, having well-developed infrastructure and the presence of mining and processing enterprises within the Ukrainian Shield (US). The strategic resources such as coal, oil and uranium, which were demanded, are in the past. Nowadays lithium is on the first charts of demanded resources. Lithium has been known since the late 1940s. It was used for the ceramics and glass production, used in metallurgy, medicine and petrochemistry. However, only when mobile electronics has been invented and manufactures start to replace gasoline engines with electric demand for the lithium has raised. The projection of increasing demand for the lithium is up to 250 %, which equals 2,5 times. [6] Netherlands is planning to stop production of gasoline and diesel cars by the year of 2030. France and Germany plan to do so by the year of 2040, Britain, India and China have the same plans in the nearest future. [6].
Article
Full-text available
Open hyperinflation in Ukraine started in September 1993. Monetary and fiscal policies were never taken under effective control during the two years of Ukrainian independence. New Ukrainian currency - karbovanets - fell dramatically not only against western convertible currencies but also in relation to Russian ruble and other CIS soft currencies. Output has declined generally not less than in other post-Soviet countries (taking into consideration the uncertainty of the official statistics) and this phenomenon seems to accelerate in the second half of 1993. Progress in the area of institutional reforms and privatisation seems to be close to zero.
Article
There are three broad types of economic lithium deposit: 1) peralkaline and peraluminous pegmatite deposits and their associated metasomatic rocks; 2) Li-rich hectorite clays derived from volcanic deposits; 3) salar evaporites and geothermal deposits. Spodumene-bearing pegmatites are the most important and easily exploitable Li deposits, typically containing 0.5 Mt Li. Salar deposits hold the largest Li reserves, can reach up to 7 Mt Li, but are more difficult to exploit. Allowing for recycling, the current predicted demand up to the year 2100 is 20 Mt Li; world resources are currently estimated at more than 62 Mt Li. Thus, abundant resources exist, and no long-term shortage is predicted.
Article
This paper explains the IMF's impact on economic policies in Russia, focusing on where the IMF made a difference. The Russian economic and political leadership essentially determined economic policies. The IMF's influence was modest: it had a limited impact on overall fiscal policy and major structural reforms, but it had a positive impact on monetary policy. A tougher position on fiscal policy in 1996-98 might have produced a better outcome. The G-7's concerns weakened the IMF. However, the IMF played a major role in transferring knowledge about macroeconomic policymaking and implementation. Copyright 2006, International Monetary Fund
Putin’s Kleptocracy: Who Owns Russia
  • Karen Dawisha
Dawisha, Karen (2014): Putin's Kleptocracy: Who Owns Russia? New York: Simon & Schuster Fadeyev, V./Leybin, V. (2014): Donbass -Russkoye serdze (Das Herz Russlands), Expert, 903 (24), 9-14 Juni 2014, 14-20
Prospects for the Development of Lithium Production and Chemical Current Sources in Ukraine, Lithium-bearing pegmatites of the Ukrainian shield
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Syomka, V. (2022): Prospects for the Development of Lithium Production and Chemical Current Sources in Ukraine, Lithium-bearing pegmatites of the Ukrainian shield, Vìsnik Nacìonalʹnoï akademìï nauk Ukraïni, 7, 75-80