Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist die zentrale Vision für die Zukunft der Menschheit im 21. Jahrhundert. Ausgehend vom Brundtland-Report (WCED 1987) und dem Abkommen von Rio 1992 (Agenda 21) hat das Konzept der nachhaltigen Entwicklung inzwi- schen eine große internationale Bedeutung erhalten. Aus Verantwortung für die sozialen und materiellen Lebensumstände künftiger Generationen sollen danach bei gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen gleichermaßen ökonomische, ökologische und soziale Belange be- rücksichtigt werden. Der Landwirtschaft kommt im Rahmen einer globalen nachhaltigen Entwicklung eine herausragende Bedeutung zu. Die Sicherstellung der Nahrungsversorgung, der Erhalt der biologischen Vielfalt, sowie der Schutz natürlicher Ressourcen wie Boden, Wasser und Luft ist ohne entsprechende Berücksichtigung der Landwirtschaft undenkbar. Kein anderer Bereich der Volkswirtschaft ist so eng mit allen drei Teilaspekten der Nach- haltigkeit verbunden (CHRISTEN 1996, 1999).
Ein wesentlicher Beweggrund für die Beschäftigung mit der Frage der nachhaltigen Ent- wicklung liegt darin begründet, dass David Ricardos "unsichtbare Hand" des freien Marktes sämtliche Einflüsse auf die Umwelt unberücksichtigt läßt, obwohl natürliche Ökosysteme zweifellos Leistungen erbringen, die für alle Gesellschaften absolut notwendig sind. In eini- gen Teilbereichen läßt sich dies zwar korrigieren, indem freie Güter (Luft- und Wasser- qualität, Kohlenstoffbindung durch Vegetation usw.) mit Preisen belegt werden und so auch auf Märkten handelbar sind. Das Problem der Internalisierung externer Kosten liegt aber ein- deutig in Gütern, deren Veränderungen außerhalb des menschlichen Erfahrungshorizontes liegt. Hier ergeben sich bei streng ökonomischer Betrachtung durch die Vorgehensweise der Abzinsung aktuell extrem geringe Werte, so dass ein ökonomischer Reiz für die Veränderung von heutigen Handlungen nach ökonomischen Kriterien kaum noch zu begründen ist. Selbst bei einer moderaten Abzinsungsrate von nur 5 Prozent schrumpft beispielsweise ein Wert von 100 DM innerhalb eines Zeitrahmens von nur 100 Jahren auf eine aktuelle Größe von knapp 70 Pfennig. Da im Umweltbereich die relevanten Zeitspannen durchaus länger als 100 Jahre sein können, verdeutlicht dies klar die Grenzen eines ausschließlich ökonomischen ori- entierten Ansatzes in der Sicherstellung einer nachhaltigen Entwicklung (MARSH 1997, HEAL 1999, 2000, LUDWIG 2000, STARRETT 2000).
Die Diskussion über die verschiedenen Facetten einer nachhaltigen Entwicklung in der Land- wirtschaft hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Ausgangspunkt waren zuerst um- fangreiche Analysen und Situationsbeschreibungen, wobei meist Ressourcenschutz und Bio-
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diversität im Vordergrund standen. Daneben wurde intensiv über die vermeintlich beste De- finition einer nachhaltigen Landwirtschaft kontrovers diskutiert. Hinweise darauf, wie eine nachhaltige Entwicklung in der Landwirtschaft tatsächlich in der Praxis auszusehen hat, waren jedoch in den entsprechenden Publikationen kaum zu finden und Empfehlungen für eine konkrete Umsetzung beschränkten sich häufig auf Appelle an das ethisch-moralische Gewissen der beteiligten gesellschaftlichen Gruppen (LOWRANCE et al. 1986, HARWOOD 1990, KIRSCHMANN 1990, SENANAYAKE 1991, BLATZ 1994, HARTEL 1994, REID 1995, ROBERTS 1995, HÄRDTLEIN et al. 1998, STARRETT 2000).
Wenn Nachhaltigkeit mehr sein soll als ein ethisch anspruchsvolles jedoch praxisuntaugliches Konzept, müssen entsprechende Maßzahlen, sogenannte Indikatoren, zur Bewertung der unterschiedlichen Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung gefunden werden (BOSSHARD 2000). Die Auswahl von Indikatoren ist hierbei aus zweierlei Gründen von herausragender Bedeutung. Zum einen müssen entsprechende Maßeinheiten identifiziert werden, um eine nachhaltige Entwicklung im nationalen wie auch im internationalen Rahmen als Grundlage für Abkommen im Wirtschafts- aber auch im Umweltbereich vergleichen zu können. Zum anderen sind Indikatoren eine zwingend notwendige Voraussetzung, um eine nachhaltige Entwicklung auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene zu operationaliseren.
Es gab daher in den letzten Jahren eine Vielzahl von Anläufen, geeignete Parameter für die Beurteilung einer nachhaltigen Entwicklung für verschiedene wirtschaftliche oder soziale Zusammenhänge zu etablieren. Neben Publikationen in der wissenschaftlichen Literatur gibt es auf der Ebene der nationalen und internationalen Organisationen (UN, FAO, Commission of Sustainable Development, Umweltbundesamt usw.) eine Reihe von Vorschlägen für Ein- zelindikatoren oder umfassende Indikatorkonzepte, die Bezug zur Umweltqualität, zur land- wirtschaftlichen Produktion oder zur Landnutzung aufweisen.
Die vorliegende Studie hat daher folgende Zielstellungen:
• Dokumentation des aktuellen Diskussionsstandes zur Bewertung einer nachhaltigen
Entwicklung in der Landwirtschaft
• Kritische Bewertung der vorgeschlagenen Einzelindikatoren im Hinblick auf Rele-
vanz, methodische Absicherung, Möglichkeiten der Modellierung und Grenzwert-
fähigkeit
• Entwicklung eines Vorschlages zur Systematisierung und Verbesserung der Indikator-
konzepte