January 2025
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Das Gesundheitswesen
Zusammenfassung Public Health-Maßnahmen sollen oft den Menschen gesundheitsförderliche Verhaltensweisen erleichtern, z. B. indem die sozialen und materiellen Lebensbedingungen dafür verändert werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mit dem Konzept der „Behavioural and Cultural Insights“ (BCI, deutsch etwa „verhaltens- und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse“) einen Ansatz etabliert, der darauf abzielt, gesundheitsbezogene Verhaltensweisen besser zu verstehen und entsprechende Public Health-Interventionen gezielter entwickeln zu können. Im Zentrum steht dabei die systematische Erfassung individueller wie auch z. B. kultureller, sozialer und umgebungsbezogener Barrieren und Förderfaktoren von Gesundheitsverhalten. Der BCI-Ansatz soll helfen, präventive Maßnahmen stärker evidenzbasiert und bedarfsgerecht zu planen. Dazu werden einige Grundzüge von BCI skizziert, die berücksichtigt werden sollten, um das Konzept in ein zeitgemäßes „New Public Health“-Verständnis zu integrieren; dazu gehört, gesellschaftliche und individuelle Einflussfaktoren auf Gesundheit und Krankheitsentstehung und sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheit zu beachten. Im Artikel erfolgt zunächst eine Abgrenzung des BCI-Konzepts vom verhaltensökonomischen Ansatz (z. B. Nudging). Zur Illustration des Potenzials von BCI für Bevölkerungsgesundheit und Chancengleichheit wird herausgearbeitet, das auf BCI basierende Maßnahmen (a) Verhalten und Verhältnisse im Blick haben, (b) auf gesundheitliche Chancengleichheit abzielen, (c) partizipativ entwickelt und implementiert werden, und (d) in ihrer Logik dem sog. Public Health Action Cycle folgen. Dazu müssen Einflussfaktoren auf menschliches Verhalten systematisch erfasst werden. Verhaltens- und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse müssen zudem die Eigenschaften komplexer Interventionen berücksichtigen und auf lokale Gegebenheiten und die kulturelle Vielfalt bestimmter Bevölkerungsgruppen zugeschnitten werden. Der BCI-Ansatz hat viele Übereinstimmungen mit anderen Ansätzen qualitätsgesicherter und bedarfsorientierter Prävention. Der Fokus auf systematische Erfassung von Barrieren und Förderfaktoren bietet bei der Planung von Public Health-Maßnahmen einen wichtigen Mehrwert. Forschung zu verhaltens- und sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen und ihre Nutzung in der Prävention sollten in Deutschland ausgebaut werden.