January 2012
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Kultur — das ist die Welt des Menschen. Die Grundzüge dieser Welt und die Stellung des Menschen in ihr zu bestimmen, ist die Aufgabe der Philosophie als Kulturphilosophie. Bedenkt man, dass unser Wissen von der Natur, dem tradierten Gegenbegriff zur Kultur, selbst eine menschliche und also kulturelle Leistung ist, dann wundert es nicht, dass gerade in ihren Gründungsjahren — Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts —, Kulturphilosophie nicht als eine philosophische Disziplin unter anderen, sondern als philosophische Gesamtprogrammatik gedacht wurde. Diese Frontstellung des Kulturbegriffs und die Exposition der Philosophie als Kulturphilosophie hängen eng zusammen mit der Orientierungskrise, die bezüglich der Grundlagen der Kultur mit dem Ende des deutschen Idealismus aufbricht. Diese Orientierungskrise betrifft das Problem substantieller Orientierung in einem sogenannten nachmetaphysischen Zeitalter, in einem Zeitalter, in dem der Rekurs auf übersinnlich seiende Entitäten als Legitimationsquellen für das menschliche Denken, Tun und Lassen seine Überzeugungskraft weitgehend verloren hat. Einzelwissenschaftliche Deutungsperspektiven und die damit einhergehenden philosophischen Reduktionen jener Legitimationsquellen werden seit dem Ende des Idealismus maßgebend für das Selbst- und Weltverständnis des Menschen — sie sind es eingedenk gegenwärtiger Debatten etwa über die Evolutionsbiologie, die Hirnforschung oder das rational choice model der Wirtschaftswissenschaften als Erklärungsparadigmata menschlichen Verhaltens bis heute geblieben.