January 1967
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In der Rückschau scheint die Weimarer Republik nicht mehr als eine Episode zwischen dem autokratischen Kaiserreich und dem totalitären Dritten Reich gewesen zu sein. So jedenfalls kam es Kurt Schumacher und vielen anderen Beobachtern vor. Die erste deutsche Republik war das Ergebnis einer militärischen Niederlage, die für die meisten Deutschen vollkommen überraschend gekommen war. Daher fand die Legende, daß Juden, Sozialisten und andere Verräter den ungeschlagenen Armeen den Dolchstoß versetzt hätten, von Anfang an viele Anhänger. Das neue demokratische und republikanische politische System, das seinen Ursprung mehr dem Zufall als revolutionären Absichten verdankte, konnte daher nie wirksame Unterstützung für sich beanspruchen, weil die meisten Deutschen die Republik mit der Annahme und Erfüllung eines allgemein unbeliebten Friedensvertrages in Zusammenhang brachten, den die Gründer der Republik unterzeichnet hatten. Man erinnerte sich daher an die Weimarer Republik als ein politisches System, das stets zusammenzubrechen drohte, in eine Reihe größerer wirtschaftlicher Krisen verwickelt und nicht imstande war, die gegensätzlichen Forderungen der sich heftig bekämpf enden Interessengruppen aufeinander abzustimmen. Seine Regierungen schienen mit den Forderungen der ständig wachsenden Zahl von Angehörigen der wirtschaftlichen, militärischen und bürokratischen Elitegruppen nicht fertig werden zu können, die das demokratische System, das ihnen nicht zusagte und dem sie mißtrauten, spitzfindig unterminierten.