Jürgen Link’s scientific contributions

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Versuch über den Normalismus
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January 1997

·

24 Reads

·

486 Citations

Jürgen Link

Zu den wichtigsten „diskursiven Ereignissen“, die zu studieren die Diskurstheorie im Anschluß an Michel Foucault empfohlen hat, gehört das Auftauchen und Proliferieren diskurstragender Kategorien. Diskurstragende Kategorien sind solche, durch deren ‘Entfernung’ — wenn man sie sozusagen aus dem betreffenden Diskurs ‘herauszöge’ wie die Stahlteile aus einer Betonkonstruktion — der betreffende Diskurs nicht länger ‘halten’ könnte und in sich zusammenbräche wie ein Kartenhaus. Unter solchen Kategorien sind in der Regel nicht isolierte einzelne Wörter zu verstehen, sondern ganze semantische Komplexe einschließlich ihrer Praxisbezüge, wiederum vergleichbar mit kreuzweise angeordneten Stahlteilen in Beton. Eines der auffälligsten Beispiele der letzten Zeit ist der Komplex „normal“, „Normalität“, „normalisieren“, „Normalisierung“ usw. Zöge man diesen Komplex etwa aus dem Diskurs der deutschen mediopolitischen Klasse seit 1989 heraus, so könnte dieser Diskurs keinen Augenblick länger ‘tragen’. Besonders interessant sind nun Fälle — und dazu gehört der in der folgenden Untersuchung zu behandelnde Fall der „Normalität“ -, in denen der proliferierende Komplex zwar durchaus als „Reizwort“ wahrgenommen wird und allerlei polemischen Lärm auslöst, dabei aber gleichzeitig hartnäckig im toten Winkel der theoretischen Reflexion verharrt, als ob es entweder überflüssig oder riskant wäre, explizit die Frage zu stellen: Wie definieren Sie eigentlich Ihren Grundbegriff „Normalität“, ohne den Ihre Argumentation auf der Stelle kollabieren würde?

Citations (1)


... Sie stehen diametral den im Ich-Ideal wirkenden Wünschen und Ansprüchen entgegen und markieren so eine lebenslange Differenz. Dieser konstitutive Zusammenhang zwischen Scham und Sexualität/Körper wird darüber hinaus durch historisch variable Prozesse gesellschaftlicher Normierung überformt (Link 1997). Mit Körper-und Sexualnormen wird das Individuum einerseits früh im Rahmen der Interaktion mit nahen Bezugspersonen (Schuhrke 1999), andererseits im Rahmen sekundärer Sozialisationsprozesse konfrontiert. ...

Reference:

#seggs ohne Scham?: Eine objektiv-hermeneutische Fallanalyse von Schambewältigungsstrategien in Sexualaufklärungsvideos auf TikTok
Versuch über den Normalismus
  • Citing Chapter
  • January 1997