Große technologische Entwicklungen im 19. Jahrhun-dert haben in Deutschland sowohl das politische als auch gesellschaftliche Leben tief beeindruckt. Die im ideologischen Sinn auftauchende starke Polarität und die gesellschaftliche Bewegung wurden schrittweise zum Thema der Vormärzliteratur. Die Literatur die-ser Zeit war für alle Schriftsteller ein Mittel dazu, die Bevölkerung über die politische und gesellschaftliche Situation der Zeit aufzuklären. Die Werke des be-rühmten Dramatikers Georg Büchner waren deshalb ein Vorbild, weil er die armen, unwissenden und un-terdrückten Menschen als Thema gewählt hat. Des-halb nennt man "Woyzeck" das erste deutsche So-zialdrama (vgl. Beutin, 1994: 234). Auch das epische Theater, das lehrhafte Tendenzen in den Vordergrund stellt, tritt bei den neuen Darstellungstechniken, die davon ausgehen, mit Verfremdungseffekten die Ge-danken der Zuschauer zu lenken, diese stets wach-zuhalten und ihre dramatische Illusion zu zerstören, als eine Revolution hervor. 2 Woyzeck Woyzeck erlangt seine Bedeutung durch seine Sicht der Realität und die neuen dramatischen Ausdrucks-formen wie z.B. offene Bauform, spezifischer Sprach-stil und Verwendung von Leitmotiven. 1821 erstach der entlassene Soldat Johann Christian Woyzeck in Leipzig seine Geliebte Christiane Woost mit sieben Messerstichen. August Claurus hat über diese Tat zwei Gutachten geschrieben. Das zweite Gutachten schildert die sozialen Umstände und die Armut der Zeit. Es ist sicher, dass Büchner all die Motive in seinem Stück inspiriert von dem zweiten Gutachten von Claurus gestaltet hat (vgl. Dedner, 2002:116-117). Formal ist Woyzeck ein offenes Drama, in dem das Ganze in Ausschnitten vorkommt (vgl. Klotz, 1976:215). Es weist auch keinen Anfang und kein Ende der Handlung auf; die Szenen sind untereinan-der austauschbar. Es gibt im fragmentarischen Woyzeck keine Gliede-rung in Akte und Szenen. Aber durch einen besonde-ren Stil taucht eine formal unsichtbare, jedoch inhalt-lich übersichtliche Gliederung auf. Die Sprache ist unter den Personen unterschiedlich verteilt. Während das Volk dialektal spricht, spre-chen die Gebildeten meist die schichtenspezifische Hochsprache. Wiederholungen von Wörtern treten im Stück häufig auf; rot verbindet sich mit Blut, Mes-ser assoziiert den Tod. Furch heiß und kalt wird zwischen den Handlungen eine Opposition geschafft. Wortverdoppelungen wie immer zu, immer zu /stich, tot, tot, tot / stich, stich (S. 26), Das Weib ist heiß, heiß (S. 25), Bist du tot, tot, tot geben dem Stück einen be-sonderen Klang und Rhythmus (siehe dazu: Große 1988: 32f). In den meisten Stücken von Büchner treten Lieder auf, die die psychologische Situation der Figuren wi-derspiegeln den Szenen ein Moment der Volkstüm-lichkeit verleihen. Es ist im Stück ein Märchen zu se-hen, das das Motiv rot aufgreift und dies mit Tod ver-bindet. Woyzeck tritt als sozialkritische Anklage, als psycho-pathologische Studie und als Dokument der existen-ziellen Nöte Büchners (Rinsum 1991: 116) auf. Woyzeck, ein Vertreter der niedersten Gesellschafts-schicht, wird von seinem Vorgesetzten und von dem Arzt rücksichtslos und wie eine Sache bzw. als Ver-suchsperson (vgl. Kunze/Obländer 1987: 39) behan-delt.