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Leibniz Information Centre for Economics
Boss, Alfred
Article
Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen und
der Transfereinkommen in der Bundesrepublik
Deutschland
Die Weltwirtschaft
Provided in Cooperation with:
Kiel Institute for the World Economy (IfW)
Suggested Citation: Boss, Alfred (1993) : Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen und der
Transfereinkommen in der Bundesrepublik Deutschland, Die Weltwirtschaft, ISSN 0043-2652,
Iss. 3, pp. 311-330
This Version is available at:
http://hdl.handle.net/10419/1570
Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen und der
Transfereinkommen in der Bundesrepublik
Deutschland
Von Alfred Boss
Die Bundesregierung
hat am
11. August 1993 eine Reihe
von
Maßnahmen
beschlossen,
mit
denen
der
Anstieg
der
Sozialausgaben gedämpft werden soll
[BMF,
b; FAZ, 1993]. Hinter diesem Beschluß stand neben der akuten Finanznot
das Bestreben,
den
Abstand zwischen
den
Arbeitseinkommen
und
einzelnen
Arten
von
Sozialleistungen auszuweiten,
um auf
diese Weise
den
finanziellen
Anreiz
zur
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
zu
erhöhen.
In diesem Beitrag wird dargestellt, wie sich die Arbeits- und die Transferein-
kommen
in den
vergangenen 40 Jahren entwickelt haben
und
inwieweit
da-
durch die Leistungsanreize beeinflußt worden sind. Danach wird aufgezeigt, wie
sich die Arbeits- und die Transfereinkommen bis zur Mitte der neunziger Jahre
vermutlich entwickeln werden, wenn die Finanzpolitik
—
über die
im
Frühjahr
1993 beschlossenen Steuer-
und
ausgabenpolitischen Maßnahmen hinaus
—
die
geplanten Ausgabenkürzungen durchsetzt. Die Untersuchung konzentriert sich
auf die Verhältnisse
im
früheren Bundesgebiet;
an
einigen Stellen werden aber
die neuen Bundesländer einbezogen.
Arbeitslohn: Stagnation nach jahrzehntelanger Zunahme
Stieg
der
durchschnittliche Reallohn eines männlichen Facharbeiters
in der
Industrie, des
für
die Bundesrepublik Deutschland (über die Jahrzehnte hinweg)
typischen Beschäftigten,
in
den fünfziger und
in
den sechziger Jahren noch um
jahresdurchschnittlich etwa
5
vH, so sank die jahresdurchschnittliche Zuwachs-
rate
in
den siebziger Jahren auf reichlich
2
vH und
in
den achtziger Jahren
auf
knapp 1
vH
(Tabelle 1). Im Jahr 1993
ist der
Bruttoreallohn eines männlichen
Facharbeiters in der Industrie nicht höher als 1990. Ein ähnliches Bild ergibt sich
für die abhängig Beschäftigten insgesamt.1
Bemerkenswert
ist, daß
sich
die
Verminderung
der
Zuwachsrate
des
Real-
lohns nicht auf das Tempo der Arbeitszeitverkürzung ausgewirkt hat. Die jah-
resdurchschnittliche Abnahme
der
Arbeitszeit
für
Männer
und
Frauen zusam-
men belief sich
—
bei
geringen Schwankungen
im
Zeitablauf
—
auf
0,5
vH
(Anhangtabelle 2). Die Relation zwischen
der
prozentualen Arbeitszeitverkür-
1 Die langfristige Entwicklung des Lohnes
für die
Gesamtheit
der
abhängig Beschäftigten
war
nur wenig anders als die des Lohnes
für
die männlichen Facharbeiter
in der
Industrie, wenn
man
erstere
an der
Entwicklung
des
Durchschnittslohns
im
Sinne
der
Volkswirtschaftlichen
Ge-
samtrechnungen (Bruttolohn- und -gehaltsumme je abhängig Beschäftigten) mißt. Dieser Durch-
schnittslohn schließt bestimmte Lohnbestandteile (z.B. Zuschläge
für
Nachtarbeit, Fahrtkostenzu-
schüsse, Treueprämien)
ein, die im
Bruttowochen- bzw. Bruttomonatsverdienst eines Industrie-
312Alfred Boss
Tabelle
1 —
Zur Lohnentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland (frühe-
res Bundesgebiet) 1950-1993
Jahr
19504
1960
1970
1980
1990
1991
1992
1993
1950-1960
1960-1970
1970-1980
1980-1990
1990-1993
1 Wochenverdienst
schaftlichen Gesamt
- 4 Ohne Saarland
Durchschnittlicher Monats-
verdienst ' männlicher
Facharbeiter in der Industrie
nominalreal3
Bruttolohn- und -gehalt-
summe je abhängig
Beschäftigten 2
nominalreal3
Deflator für
den Privaten
Verbrauch
1985 = 100
DM
317 989 243 759 32,0
614 1590 512 1326 38,6
135l"
2 681
1153
2 288
50,4
2 746
3333 -
2 474
3002 82,4
3 880 3 613
3500
3 259
107,4
4071 , 3651 3710 3327 111,5
4 280 3 690 3910 3 371 116,0
4 367
3 618
4 000 3314 120,7
Jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH
6,8 4,9 7,7 5,7 1,9
8,2 5,4 8,5 5,6 2,7
7,3 2,2 7,9 2,8 5,0
3,5 0,8 3,5 0,8 2,6
4,0 0,0 4,6 0,6 4,0
auf Monatsbasis hochgerechnet (Faktor: 4,345).
—
2 Gemäß den Volkswirt-
rechnungen. - 3 Deflationiert mit dem Deflator für den Privaten Verbrauch,
and Berlin (West).
Quelle:
Statistisches Bundesamt [f; g; h]; Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung [1976;
1986;
1992]; eigene Berechnungen; eigene Prognose für 1993.
arbeiters nicht enthalten sind. Der Durchschnittslohn im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamt-
rechnungen ist daher ähnlich abgegrenzt wie der Lohn im Sinne der Bruttojahresverdiensterhebung
in der Industrie, im Handel, bei Kreditinstituten und im Versicherungsgewerbe (Anhang-
tabelle 1). Dieser umfaßt neben den regelmäßigen Zahlungen, die im Rahmen der laufenden
Verdiensterhebung in Industrie und Handel jeweils für den ersten Monat des Quartals erfragt
werden, auch die im Jahresverlauf
in
größeren zeitlichen Abständen regelmäßig und unregelmäßig
geleisteten Sonderzahlungen; dazu zählen insbesondere der
13.
Monatslohn, die Weihnachtsgratifi-
kation, das Urlaubsgeld, Erfolgsprämien, Abfindungen undjubiläumszuwendungen [Dresch, 1992].
Durch einen Vergleich der Ergebnisse der Jahresverdiensterhebung mit den (auf
das
Jahr umgerech-
neten) Ergebnissen der laufenden Verdiensterhebungen läßt sich das Ausmaß der Sonderzahlungen,
die im Rahmen der Bruttojahresverdiensterhebung nicht getrennt erfragt werden, abschätzen. Die
Sonderzahlungen beliefen sich 1991 bei den Arbeitern in der Industrie auf 9,9 vH des gesamten
Jahresverdienstes. Der Durchschnittslohn im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen
wird anders als der Lohn eines typischen Beschäftigten in der Industrie von der Struktur der
Beschäftigten beeinflußt; Struktureffekte sind insbesondere für die Entwicklung des Durchschnitts-
lohns im Zeitablauf von Bedeutung. Änderungen der Arbeitszeit beeinflussen beide Lohnreihen,
wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.
Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen und der Transfereinkommen313
Tabelle 2
—
Zur Abgabenbelastung in der Bundesrepublik Deutschland (frühe-
res Bundesgebiet) 1950—1993
—
Lohnsteuer und Sozialbeiträge in
vH des Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit1
JahrLohnsteuer
"4,0
5,5
10,1
13,0
13,2
14,6"
15,34
15,0
Arbeitneh-
merbeiträge
7,0
8,1
9,2
10,5
. 11,6
11,9
11,9
12,0
Zusammen
11,0
13,6
19,2
23,5
24,7
26,4
27,2
27,0
Arbeitgeber-
beiträge 2
12,7
13,7
14,6
17,9
18,8
18,8
18,8
19,0
Insgess
23,7
27,3
33,8
41,4
43,5
45,2
45,9
46,0
19503
1960
1970
1980
1990
1991
1992
1993
1 Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. - 2 Einschließlich unterstellte So-
zialbeiträge. - 3 Ohne Saarland und Berlin (West). - 4 Einschließlich 3,75 vH Solidaritätszu-
schlag; 7,5 vH für jeweils ein halbes Jahr.
Quelle: Statistisches Bundesamt [f; g; h]; eigene Berechnungen; eigene Prognose für 1993.
zung und der prozentualen Reallohnerhöhung ist somit kontinuierlich gestie-
gen. Die Verminderung des Bruttoreallohnanstiegs ist also auch darauf zurück-
zuführen, daß die Gewerkschaften zunehmend mehr Wert auf Arbeitszeitver-
kürzungen als auf Reallohnerhöhungen gelegt haben.
Lohnsteuer- und Sozialabgabenbelastung: Kräftiger Anstieg
Die Lohnsteuerbelastung der abhängig Beschäftigten ist Anfang der neunzi-
ger Jahre mit durchschnittlich 15 vH dreimal so hoch wie in den fünfziger
Jahren (Tabelle 2). Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß die
Lohnsteuerquote die Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren etwas über-
zeichnet.2 Die Beitragssätze zur Sozialversicherung sind immer wieder angeho-
ben worden; sie sind 1993 eineinhalbmal so hoch wie 1950.3 Die Löhne werden
2 Die Lohnsteuerquoten einzelner Jahre sind überhöht. So sind von 1975 bis 1982 die Familien
nicht über Kinderfreibeträge, sondern nur durch Kindergeldzahlungen gefördert worden. Auch ist
die Abgrenzung zwischen Lohnsteuer und veranlagter Einkommensteuer
—
notwendigerweise
—
unsauber; das Lohnsteueraufkommen wird überhöht ausgewiesen. Sobald ein bestimmtes Einkom-
men, die Veranlagungsgrenze, erreicht ist, kann ein Arbeitnehmer im Wege des Quellenabzugs
zuviel gezahlte Steuern nicht mehr im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichsverfahrens zu Lasten
des Lohnsteueraufkommens zurückerhalten, sondern nur im Rahmen einer Einkommensteuerver-
anlagung und damit zu Lasten des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer. Im Laufe der
Zeit hat die Zahl der Arbeitnehmer, für die dies zutrifft, wegen der nur unzureichend dynamisierten
Einkommensgrenzen für die Veranlagung immer mehr zugenommen; seit 1992 gibt es das Lohn-
steuerjahresausgleichsverfahren überhaupt nicht mehr.
3 Bezieht man die Sozialbeiträge auf den Bruttolohn (ausschließlich Arbeitgeberbeiträge), dann
beträgt die Belastung 1993 rund 37 vH.
314
Alfred Boss
Tabelle 3
—
Zur Nettolohnentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland
(früheres Bundesgebiet) 1950-1993
JahrDurchschnittlicher Netto-
verdienst
'
lediger männlicher
Facharbeiter
in der
Industrie
nominalreal3
Nettolohn-
und
-gehalt-
summe
je
abhängig
Beschäftigten
2
nominalreal3
Deflator
für
den Privaten
Verbrauch
1985
= 100
1950
1960
1970
1980
1990
1991
1992
1993
1950-1960
1960-1970
1970-1980
1980-1990
1990-1993
256
465
966
1772
2 500
2 559
2652
2732
800
1204
1916
2151
2 328
2 295
2286
2264
DM
213
431
894
1765
2430
2 500
2600
2665
666
1117
1774
2142
2 263
2 242
2 241
2 208
6,2
7,6
6,3
3,5
3,0
Jahresdurchschnittliche Veränderungen
in vH
4,2
7,3 5,3
4,8
7,6 4,7
1,2 7,0 1,9
0,8
3,2 0,6
-0,9
3,1 -0,8
32,0
38,6
50,4
82,4
107,4
111,5
116,0
120,7
1,9
2,7
5,0
2,6
4,0
1
Wochenverdienst
auf
Monatsbasis hochgerechnet. —
2
Gemäß
den
Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnungen.
—
3
Deflationiert
mit dem
Deflator
für den
Privaten Verbrauch.
—
4
Ohne
Saarland
und
Berlin (West).
Quelle:
Wie
Tabelle
1.
1993 durch Lohnsteuer und Sozialbeiträge mit 46 vH und damit fast doppelt so
stark belastet wie im Jahr 1950.
Sinkender Nettolohn:
Spiegelbild immer höherer Ansprüche des Staates
Infolge der stetig gestiegenen Abgabenbelastung war die Zunahme des Net-
tolohns in der Bundesrepublik Deutschland über längere Zeiträume hinweg
(Tabelle 3) regelmäßig niedriger als die des Bruttolohns.4 Dabei war der An-
stieg des Nettolohns in der Industrie für ledige Beschäftigte geringer als für
verheiratete Beschäftigte [Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung,
4 Die
Unterschiede zwischen
den
betreffenden Zuwachsraten
in den
Tabellen
1 und 3
mögen
angesichts
der
stark gestiegenen Abgabenbelastung
als
gering erscheinen.
Zu
bedenken
ist
aber,
daß
es sich
um
jahresdurchschnittliche Raten
für
lange Zeiträume handelt; relativ kleine Unterschiede
zwischen
den
Zuwachsraten bewirken somit große Niveaudifferenzen
im Zeitablauf.
Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen und der Transfereinkommen 315
1976;
1992]. Bei verheirateten Beschäftigten war die Entwicklung praktisch
unabhängig von der Kinderzahl.
Im
Jahr 1993 ist der Nettoreallohn der Fachar-
beiter in der Industrie ebenso wie der der abhängig Beschäftigten im Durch-
schnitt um rund 2 1/2 vH niedriger als 1990.
Leistungsanreize zunehmend beeinträchtigt
Will man beurteilen, inwieweit durch die veränderte Besteuerung die Lei-
stungsanreize für die Beschäftigten beeinträchtigt werden, so ist vor allem die
Grenzbelastung der Arbeitseinkommen aufzuzeigen. Sie gibt an, wie stark in
den einzelnen Jahren
—
ausgehend von einem bestimmten Lohn
—
ein zusätzli-
cher Lohn von beispielsweise 100 DM belastet worden wäre. Die Grenzbela-
stung hängt unter anderem vom Familienstand, von der Kinderzahl und von der
Einkommenshöhe
ab.
Sie ist beispielsweise für Ledige höher als für Verheiratete.
Die Entwicklung der Grenzbelastung für typische Arbeitnehmergruppen wird
im folgenden dargestellt.
Nach Berechnungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der ge-
samtwirtschaftlichen Entwicklung hat die Grenzbelastung5 für alle (vier) ausge-
wählten Haushaltstypen von 1950 bis 1979 deutlich zugenommen [Sachverstän-
digenrat, 1978]. Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen den
fünfziger und den siebziger Jahren. Die Grenzbelastung des Arbeitseinkommens
war in den fünfziger Jahren
—
bei begrenzten Schwankungen von Jahr zu Jahr
—
niedrig, bei zwei Haushaltstypen sogar rückläufig; zumindest seit Anfang der
siebziger Jahre ist sie deutlich gestiegen.
Analog berechnete Daten über die Grenzbelastung in den Jahren nach 1979
liegen nicht vor. Deshalb werden ähnlich abgegrenzte Zahlen für einzelne Jahre
des Zeitraums 1977 bis 1993 ermittelt. Diese Daten für die marginale Abgaben-
belastung beziehen sich auf vier typische Gruppen von Einkommensbeziehern;
dies sind ein lediger Arbeitnehmer mit etwa durchschnittlichem Bruttolohn, ein
lediger Arbeitnehmer, der etwa zwei Drittel des durchschnittlichen Bruttolohns
verdient, und verheiratete Einkommensbezieher mit zwei Kindern und einem
bzw. zwei durchschnittlichen Arbeitseinkommen [Boss, 1989]. Bei der Berech-
nung der marginalen Belastungen für die vier Gruppen ist unterstellt worden,
daß deren Bruttolöhne oder -gehälter 1993 rund 4500 DM bzw. knapp
3000 DM betragen haben6 und von 1977 bis 1993 genauso stark gestiegen sind
wie der Lohn im Durchschnitt aller Beschäftigten; im übrigen werden immer
die Standardregelungen zugrunde gelegt, die in die Abzugstabellen in Form von
Freibeträgen oder Pauschbeträgen eingearbeitet sind. Als „Bruttolohn", der
durch Abgaben belastet wird, wird der Bruttolohn im abgabenrechtlichen Sinne
einschließlich der Arbeitgeberbeiträge definiert; Die ökonomisch wenig aussa-
5 Die Grenzbelastung umfaßt die Lohnsteuer, die Sozialbeiträge und
—
mit negativem Vorzeichen
—
das Kindergeld. Dadurch, daß das Kindergeld als negative Steuer behandelt wird, wird die im
Zeitablauf unterschiedliche Struktur der Familienförderung zutreffend berücksichtigt. Erfaßt wer-
den auch zeitweilig erhobene Zusatzabgaben wie die Ergänzungsabgabe.
6 Vgl.Fußnoten zu Tabelle 4.
316Alfred Boss
Tabelle 4
—
Marginale Steuer- und Sozialabgabenbelastung der Löhne typi-
scher Arbeitnehmergruppen in der Bundesrepublik Deutschland
(früheres Bundesgebiet) 1977-1993 - vH des Bruttolohns ein-
schließlich Arbeitgeberbeiträge
Jahr
Lediger Arbeitnehmer
mit niedrigem
Lohn1mit hohem
Lohn2
Verheirateter Arbeitnehmer
mit
hohem Lohn2,
mit
zwei Kindern
und
mit erwerbstätigem
Ehegatten
mit
glei-
chem Bruttolohn
mit nicht
erwerbstätigem
Ehegatten
1977
1982
1986
1988
1990
1992
1993
1977
1982
1986
1988
1990
1992
1993
Lohnsteuer3
18,1
18,9
23,3
22,8
22,7
22,6
24,8
27,9
28,9
29,7
30,4
30,2
31,1
31,1
32,7
31,6
32,9
30,3
24,8
27,2
26,5
Sozialbeiträge
27,9
28,9
29,7
30,4
30,2
31,1
31,1
29,1
30,9
31,5
29,1
23,2
26,1
25,4
27,9
28,9
29,7
30,4
30,2
31,1
31,1
15,3
16,9
16,9
17,0
18,0
18,3
18,4
27,9
28,9
29,7
30,4
30,2
31,1
31,1
1 1993:
2 970 DM. - 2
1993:
4 450 DM. - 3 1992:
Einschließlich Solidaritätszuschlag
von 3,75 vH;
7,5 vH für ein
halbes Jahr.
Quelle: Boss [1989]; eigene Berechnungen anhand
der
Abzugstabellen.
gekräftige Unterscheidung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen zur
Sozialversicherung wird also aufgegeben.
In den achtziger Jahren hat sich die so berechnete Grenzbelastung der Löhne
durch die Lohnsteuer insgesamt nur wenig verändert. Im Jahr 1990 ist sie infolge
der Steuerreform für die meisten Gruppen gesunken (Tabelle 4). Im Gefolge der
deutschen Einigung hat sie aber wieder deutlich zugenommen. Die Belastung
durch Sozialbeiträge ist in den vergangenen 15 Jahren relativ stetig gestiegen.
Ein zusätzliches Arbeitseinkommen der untersuchten Arbeitnehmergruppen
wird im Jahr 1993 mit 50 bis 58 vH belastet. Die durchschnittliche Belastung
liegt zwischen 38 und 47 vH (Tabelle 5).
In den neuen Bundesländern sind die marginale und die durchschnittliche
Belastung
—
bei geringeren Einkommen im Durchschnitt
—
deutlich niedriger
[Heinlein, 1993], sie sind aber 1993 wesentlich höher als 1991.
Zur Entwicklung
der
Arbeitseinkommen
und der
Transfereinkommen317
Tabelle 5
—
Durchschnittliche Steuer- und Sozialabgabenbelastung der Löhne
typischer Arbeitnehmergruppen in der Bundesrepublik Deutsch-
land (früheres Bundesgebiet) 1977-1993 - vH des Bruttolohns
einschließlich Arbeitgeberbeiträge
Jahr
Lediger Arbeitnehmer
mit niedrigem
Lohn1mit hohem
Lohn2
Verheirateter Arbeitnehmer
mit
hohem Lohn2,
mit
zwei Kindern
und
mit erwerbstätigem
Ehegatten
mit
glei-
chem Bruttolohn
mit nicht
erwerbstätigem
Ehegatten
1977
1982
1986
1988
1990
1992
1993
1977
1982
1986
1988
1990
1992
1993
11,4
11,9
12,6
12,9
11,4
13,0
12,3
27,9
29,1
29,9
30,5
30,2
31,0
31,1
Lohnsteuer3
17.1
16,3
16,5
~ 15,8
17,9
15,9
17,4
15,7
15.2
13,7
16,8
14,8
16.3
14,3
Sozialbeiträge
27,9
29,1
29,9
30,5
30,2
31,0
31,1
27,9
29,1
29,9
30,5
30,2
31,0
31,1
10,8
10,3
8,8
9,1
7,0
7,6
7,2
27,9
29,1
29,9
30,5
30,2
31,0
31,1
1 1993:
2 970 DM. - 2
1993:
4 450 DM. - 3 1992:
Einschließlich Solidaritätszuschlag
von 3,75
vH;
7,5 vH für ein
halbes Jahr.
Quelle:
Wie
Tabelle
4.
Die Leistungsanreize werden infolge der hohen marginalen Abgabenbela-
stung auf verschiedene Weise beeinflußt. Der Anreiz zu Mehrarbeit in Form von
Überstunden wird ebenso gemindert wie der Anreiz zur beruflichen Weiterbil-
dung. Auch die Bereitschaft, einer Vollzeitbeschäftigung statt einer Teilzeitar-
beit nachzugehen, wird geschwächt. Quantitativ noch bedeutsamer dürfte sein,
daß es für einen potentiellen Zweitverdiener in einem Haushalt wegen der
hohen Belastung durch die Lohnsteuer und die Sozialbeiträge wenig Anreize
gibt, überhaupt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, dafür unbezahlte Arbeit
im eigenen Haushalt aufzugeben oder gar eine fremde Arbeitskraft für die
Arbeit im Haushalt einzustellen. Auch für Alleinstehende mag es in dieser
Hinsicht nur wenig attraktiv erscheinen, erwerbstätig zu werden. In dem indivi-
duellen Kalkül spielen neben der Steuer- und der Sozialabgabenbelastung die
staatlichen Transfers, auf die bei Nichterwerbstätigkeit
—
gegebenenfalls nur bei
318 Alfred Boss
Bedürftigkeit
—
Anspruch besteht, sowie die Erwerbsmöglichkeiten in der
Schattenwirtschaft eine erhebliche Rolle.
Unter Anreizaspekten ist auch zu berücksichtigen, daß die verschiedenen
Formen der Sozialtransfers kaum untereinander und vor allem unzureichend auf
die Vorschriften des Abgabenrechts abgestimmt sind. Zu extrem hohen Werten
und zu Sprüngen in der expliziten und der impliziten Besteuerung durch das
Zusammenspiel verschiedener Regelungen kommt es, wenn mit steigendem
Einkommen Transfers wie
z.
B.
das Wohngeld oder das Kindergeld sinken oder
wegfallen und die Steuer- und die Sozialabgabenbelastung steigen.7
Transfereinkommen: Unterschiedliche Entwicklung
der einzelnen Sozialleistungen
Die Sozialleistungen machen bei weiter Abgrenzung rund
31
vH des Brutto-
sozialprodukts aus [Scholz, 1993]. Sie sind meistens an die Entwicklung der
Löhne gekoppelt. Dies gilt
—
mehr oder weniger regelgebunden
—
für die
Altersrenten, die meisten Lohnersatzleistungen der Bundesanstalt für Arbeit und
das Krankengeld, es gilt de facto aber auch für das Wohngeld und
—
bei variie-
render Bedeutung der Darlehenskomponente
—
für die Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz [Bundesministerium für Arbeit und Sozial-
ordnung, 1976; 1992]. Einen Zusammenhang zwischen dem Arbeitslohn einer-
seits und den Sozialhilfeleistungen bzw. den Kindergeldzahlungen andererseits
gibt es dagegen nicht.
Trotz der „Lohnbezogenheit der Rente" ist die Standardrente, also die Alters-
rente eines Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestell-
ten mit durchschnittlichem Lohn während einer Versicherungszeit von
40
Jah-
ren, nach der Einführung der dynamischen Rente im Jahr 1957 insgesamt
schwächer gestiegen als der Durchschnittslohn eines Beschäftigten. Das soge-
nannte Rentenniveau (Standardrente in vH des Durchschnittslohns eines abhän-
gig Beschäftigten), das im Jahr 1957: 50,9 vH betrug, liegt im Jahr 1993 bei
43 1/2 vH. Maßgeblich dafür ist, daß die Rentenanpassung in einigen Jahren
diskretionär erfolgte und daß der Anpassungs-Lag verkürzt wurde,
als —
infolge
der vorangegangenen hohen Lohnsteigerungen
—
vergleichsweise hohe Rente-
nerhöhungen anstanden.
Das Netto-Rentenniveau beläuft sich
1993 —
wiederum bei 40 Versicherungs-
jahren
—
auf rund
61
vH; es war damit höher als 1957 (59,3 vH), allerdings nicht
mehr
so
hoch wie in den frühen achtziger Jahren. Dieses Niveau von rund
61
vH
(68 vH bei 45 Versicherungsjahren) wurde infolge der Rentenreformgesetzge-
bung von 1989 für die nächsten Jahrzehnte praktisch festgeschrieben.
In den neuen Bundesländern beträgt die Netto-Standardrente (nach der Erhö-
hung zum 01:07.1993) rund 73 vH der vergleichbaren Rente im früheren Bun-
desgebiet [VDR, 1993]. Der Abstand zum durchschnittlichen Nettolohn in den
7 Vgl. hierzu Zeppernick [1986] sowie Nierhaus [1988]. Ein anderes Beispiel betrifft die proviso-
rische Regelung zur Steuerbefreiung des Existenzminimums bei Beziehern niedriger Einkommen
[BMF,
a]; diese Regelung impliziert eine Grenzbelastung durch die Lohnsteuer von rund 60 vH.
Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen und der Transfereinkommen 319
neuen Bundesländern ist
—
prozentual gerechnet
—
etwa so groß wie im früheren
Bundesgebiet.
Das Arbeitslosengeld, das Arbeitslose im Durchschnitt beziehen, hat im Zeit-
ablauf im Verhältnis zum Nettoarbeitsentgelt etwas zugenommen. Belief es sich
bis 1952 auf
48
vH des zuvor bezogenen Nettolohns [Vaubel, 1990], so waren
es danach etwa 62,5 vH; hinzu kamen unter Umständen Familienzuschläge
[Schewe et al., 1975]. Zu Jahresbeginn 1975 wurde das Arbeitslosengeld auf
68 vH des Nettoarbeitsentgelts festgesetzt.8 Für Leistungsempfänger mit min-
destens einem Kind gilt diese Regelung immer noch. Anspruchsberechtigte
ohne Kinder erhalten seit Jahresbeginn 1983 nur noch 63 vH des Nettoarbeits-
entgelts. Ebenfalls mit Wirkung ab 01.01.1983 war der Satz der Arbeitslosen-
hilfe für Empfänger ohne Kinder von 58 auf 56 vH gesenkt worden. Der
Abstand zwischen Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe und potentiellem
Nettoarbeitslohn wurde also für Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfeemp-
fänger ohne Kinder mit Wirkung ab 1983 erhöht; er ist wieder etwa so hoch
wie im Zeitraum 1953 bis 1974.
Generelle Voraussetzung dafür, daß ein Anspruch auf Arbeitslosengeld vor-
liegt, ist eine Beschäftigung von einer bestimmten Mindestdauer in einem vor-
angegangenen Referenzzeitraum. Die Dauer der Beschäftigungszeit bestimmt
die Länge des Zeitraums, in dem Arbeitslosengeld bezogen werden kann. Die
maximale Bezugsdauer "belief sich bis zum Jahresende 1985 auf ein Jahr. Für
ältere Arbeitslose wurde diese Frist sukzessive verlängert (01.01.1985: maximale
Bezugsdauer von 18 statt 12 Monate für Arbeitslose im Alter von mindestens 49
Jahren; 01.01.1986: stärkere Staffelung der maximalen Bezugsdauer nach dem
Alter (z.B. 16 Monate für Arbeitslose ab vollendetem 44. Lebensjahr, 24 Mo-
nate für Arbeitlose ab vollendetem 54. Lebensjahr); 01.07.1987: Verlängerung
der (gestaffelten) maximalen Bezugsdauern (z.B. 18 Monate für Arbeitslose
ab vollendetem 42. Lebensjahr, 32 Monate für Arbeitslose ab vollendetem
54.
Lebensjahr)). Die Anreize, bei Arbeitslosigkeit einen neuen Arbeitsplatz zu
suchen, dürften durch die Verlängerung der Frist, in der maximal Arbeitslosen-
geld bezogen werden kann, geschwächt worden sein.
Nach den Beschlüssen der Bundesregierung soll die Arbeitslosenhilfe in vH
des Nettoarbeitsentgelts um 3 Prozentpunkte gesenkt und maximal für zwei
Jahre gezahlt werden; das Arbeitslosengeld soll mit der Dauer der Arbeitslosig-
keit stufenweise von 68 auf bis zu 64 vH (für Anspruchsberechtigte mit Kin-
dern) bzw. von 63 auf 59 vH (für Kinderlose) abnehmen [FAZ]. Mit diesen
Maßnahmen würde in etwa der Abstand zwischen Nettolohn und Arbeitslosen-
geld (für den Durchschnitt aller Empfänger) hergestellt, der bis zur Änderung
im Jahr 1975 bestanden hat; die im Jahr
1983
eingeführte Differenzierung bliebe
erhalten.
8 Hinzu kommt unter Umständen das Kindergeld, das die bis 1974 üblichen Familienzuschläge
ersetzt [Deutsche Bundesbank]; der Familienzuschlag für den Ehegatten entfiel.
320 Alfred Boss
Freiwillige Arbeitslosigkeit infolge attraktiver Sozialhilfeleistungen?
Die Sozialhilfe
hat im
Rahmen
des
Systems
der
sozialen Sicherung
die Auf-
gabe,
Menschen
zu
helfen,
die in Not
geraten sind, sich
aus
eigener Kraft nicht
helfen können
und
durch Angehörige oder durch sonstige staatliche Einrichtun-
gen nicht ausreichend oder überhaupt nicht unterstützt werden.
Das
Sozialhilfe-
recht zielt darauf
ab,
ein
„angemessenes Verhältnis" zwischen
dem
Fürsorgesatz
einerseits
und dem
Arbeitseinkommen erwerbstätiger Personen andererseits
zu
wahren.
Die
Transfers,
auf
die
bei
Bedürftigkeit Anspruch besteht, sollen unter
dem Lohn liegen,
der am
Markt erwirtschaftet werden kann.
Im
einzelnen
ist
bei
der
Festsetzung
der
Regelsätze „darauf Bedacht
zu
nehmen,
daß sie
zusam-
men
mit den
Durchschnittsbeträgen
für die
Kosten
der
Unterkunft unter
dem
im Geltungsbereich der jeweiligen Regelsätze erzielten durchschnittlichen
Net-
to-Arbeitsengelt unterer Lohngruppen zuzüglich Kindergeld
und
Wohngeld
bleiben, soweit nicht
die
Verpflichtung,
den
Lebensunterhalt durch
die
Regel-
sätze
im
notwendigen Umfang
zu
sichern,
bei
größeren Haushaltsgemeinschaf-
ten
dem
entgegensteht" (§ 22
Abs. 3
Satz
2
Bundessozialhilfegesetz (BSHG)).
Fraglich ist, inwieweit Leistungsanreize durch die Sozialhilfe-Regelungen beein-
trächtigt werden.
Die Barleistung
der
Sozialhilfe (Regelsatz),
auf die bei
Bedürftigkeit
ein
gesetzlicher Anspruch besteht, beträgt
im
früheren Bundesgebiet
im
Jahr
1993
jahresdurchschnittlich
für
eine Einzelperson
510 DM im
Monat.9
Die
Regel-
sätze
für
Haushaltsangehörige sind
—
altersabhängig
—
in vH
dieses Betrags
festgesetzt.
Die
Höhe
der
Regelsätze wird anhand
von
Warenkörben (Bedarfs-
mengenschemata) festgelegt.10
Für
bestimmte Personengruppen
—
wie z.B.
alleinerziehende Väter
und
Mütter oder ältere Menschen, aber auch
für
erwerbs-
tätige Leistungsempfänger
—
gibt
es
Mehrbedarfszuschläge. Hinzu kommen
generell Miet-
und
Heizkostenerstattungen (Erstattungen
der
Kosten
der
Unter-
kunft)
;
dabei werden
die im
Wohngeldgesetz gezogenen Mietobergrenzen
be-
rücksichtigt.
In
unregelmäßigen Abständen werden bestimmte einmalige
Lei-
stungen gezahlt, beispielsweise
für die
Beschaffung
und
Instandhaltung
von
Hausrat, Kleidung, Wäsche
und
Schuhen; regelmäßig werden seit einigen Jah-
ren „Weihnachtsbeihilfen" geleistet.
Daten über
die
—
neben
den
Regelsätzen
—
im
Durchschnitt
für
einzelne
Gruppen
von
Sozialhilfeempfängern aufgewendeten öffentlichen Mittel liegen
nicht vor. Schätzwerte
für
die Kosten
der
Unterkunft lassen sich aber anhand
der
Ergebnisse
der
Statistik
der
laufenden Wirtschaftsrechnungen ausgewählter
pri-
vater Haushalte [Reddies,
a; b;
Statistisches Bundesamt,
c; d; e;
Kaiser,
1992]
bzw.
der
Ergebnisse
der
Einkommens-
und
Verbrauchsstichproben gewinnen.
9
Rechnerischer (ungewogener) Durchschnittswert für das frühere Bundesgebiet unter der An-
nahme einer Erhöhung um 1 vH zum 01.07.1993 [Deutscher Verein, 1992;
1993].
Der Regelsatz
variiert im Westen geringfügig von Bundesland zu Bundesland. In den neuen Bundesländern sind
die Regelsätze geringfügig niedriger als im früheren Bundesgebiet (01.07.1992: 489 DM im Durch-
schnitt); der Abstand entspricht nicht den Lohnunterschieden.
10
Zu den Einzelheiten vgl. Deutscher Verein [1990;
1991],
Schellhorn [1990] und Statistisches
Bundesamt [a].
Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen und der Transfereinkommen 321
Hier werden die Ausgaben, die ein Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit
mittlerem Einkommen für die Wohnungsnutzung (einschließlich Energie) auf-
wendet, zugrundegelegt und auf die einzelnen Haushaltsgrößen umgerechnet.
Die einmaligen Leistungen werden häufig auf
15
bis 20 vH des Regelsatzes bzw.
- bei Mehr-Personen-Haushalten
—
der Regelsatzsumme geschätzt [Klein, 1989;
Deininger,
1981;
1984; Steffen, 1993; zu Ergebnissen einer Erhebung vgl. Bech-
told et al., 1993]; sie werden in den im folgenden dargestellten Modellrechnun-
gen nicht berücksichtigt.
Die gesamten Unterstützungszahlungen, die Einzelpersonen in Form der
Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen können, bleiben im allgemeinen deutlich
hinter den bei Erwerbstätigkeit erzielbaren Einkommen zurück. Sie belaufen
sich 1993 auf 869 DM bzw. rund 32 vH des Nettoverdienstes eines ledigen
männlichen Facharbeiters in der Industrie. Bei dem Vergleich sind die einmali-
gen Leistungen an Sozialhilfeempfänger mangels präziser Daten nicht einbezo-
gen worden. Die Relation ist aber gleichwohl aussagekräftig, weil die Nenner-
größe, der Nettoverdienst, bestimmte — insbesondere unregelmäßige —
Lohnzahlungen nicht enthält. Wenn die einmaligen Leistungen 15 bis 20 vH der
Regelsatzsumme ausmachen und wenn die zusätzlichen Lohnbestandteile rund
10 vH betragen, dann trifft die Relation die tatsächlichen Verhältnisse recht
genau.11 Bezieht man die möglichen Sozialhilfeleistungen auf den Nettover-
dienst unterer Lohngruppen, so ergeben sich für 1993 Relationen von rund
35 vH (Leistungsgruppe 2) und 38 vH (Leistungsgruppe 3); diese mögen in
vielen Fällen relevanter sein, weil der betreffende Leistungsempfänger üblicher-
weise nicht über eine Facharbeiterqualifikation verfügt.
Die Sozialhilfeleistungen, die Mehr-Personen-Haushalte erhalten können,
dürften nicht selten an die bei Erwerbstätigkeit möglichen Nettoeinkommen
heranreichen. Die laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, auf die
ein Drei-Personen-Haushalt (in einer bestimmten Zusammensetzung) bei Be-
dürftigkeit Anspruch hat, betragen 1993 im Bundesdurchschnitt rund 1250 DM
je Monat (Tabelle
6).
Zusätzlich werden die Kosten der Unterkunft erstattet. Die
tatsächlichen Miet- und Heizkosten eines typischen Drei-Personen-Haushalts
eines Sozialhilfeempfängers, die einen Anspruch auf Sozialhilfe oder Wohngeld
begründen, sind nicht bekannt. Sie sind im Durchschnitt vermutlich niedriger
als die des statistisch erfaßten durchschnittlichen Vier-Personen-Arbeitnehmer-
haushalts mit mittlerem Einkommen, aber höher als die entsprechenden Ausga-
ben der Zwei-Personen-Haushalte von Renten- und Sozialhilfeempfängern, für
die ebenfalls Daten der laufenden Wirtschaftsrechnungen vorliegen [Statisti-
sches Bundesamt, c; d; e]. In einer Modellrechnung werden die
—
um den
Unterschied in der Haushaltsgröße bereinigten
—
Ausgaben des Vier-Personen-
1' Die Sozialhilfeleistungen sind für Alleinstehende im Alter bis zu
25
Jahren in einigen Bundes-
ländern geringer als für jene im Alter von 25 Jahren oder mehr [Deutscher Verein, 1990; 1991;
1992];
der Abstand zum Lohn ist dann etwas größer, der negative Einfluß auf
die
Leistungsanreize
geringer. Umgekehrt verhält
es
sich bei Alleinstehenden mit Kindern, weil der Regelsatz dann höher
ist und weil unter Umständen ein Anspruch auf Erziehungsgeld besteht, wobei dieses nicht auf
die
Sozialhilfezahlung angerechnet wird.
322Alfred Boss
Tabelle 6
—
Sozialhilfeleistungen und potentielles Nettoarbeitsentgelt eines Ar-
beitnehmerhaushalts in der Bundesrepublik Deutschland (früheres
Bundesgebiet)
—
Modellrechnung für einen Drei-Personen-Haus-
halt 1989-1993 (DM pro Monat)
1989
419
335
272
1026
726
1752
1990
436
349
283
1068
769
1837
1991
461
369
300
1130
825
1955
1992
491
393
319
1203
862
2
066
1993
510
408
332
1250
902
2152
Barleistungen der Sozialhilfe
*
Haushaltsvorstand
Ehegatte (80 vH)
Kind, 8 Jahre (65 vH)
Insgesamt
Erstattung der Ausgaben für die
Wohnungsnutzung 2
Insgesamt
in vH des durchschnittlichen Netto-
verdienstes eines Facharbeiters
in der Industrie3 einschließlich
Kindergeld
Nachrichtlich:
Durchschnittlicher Nettoverdienst . . .
Kindergeld4
66,363,966,066,467,3
2592 2823 2911 3042 3129
50 50 50 70 70
1 Regelsatz für die Hilfe zum Lebensunterhalt; Bundesdurchschnitt. - 2 Geschätzt in Anlehnung
an die tatsächlichen Ausgaben für Miete, Elektrizität, Gas und Brennstoffe eines Haushalts des
Typs 2 der laufenden Wirtschaftsrechnungen (Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushalte mit
mittlerem Einkommen).
—
3 Schätzwert für das bei Erwerbstätigkeit mögliche Einkommen
(Arbeitseinkommen) nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben.
—
4 1 Kind; kein Wohngeld-
anspruch.
Quelle: Statistisches Bundesamt [a; c; d]; Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung [1992];
Deutscher Verein
[1991;
1992; 1993]; eigene Berechnungen; eigene Prognose für 1993.
Haushalts zugrundegelegt.12 Zusammen mit den laufenden Leistungen ergibt
sich dann ein Sozialhilfeanspruch von 2152 DM je Monat. Der durchschnitt-
liche Nettoverdienst eines verheirateten Facharbeiters mit einem Kind dürfte im
Jahr
1993:
3129 DM je Monat betragen (Tabelle 6); zu diesem kommen 70 DM
Kindergeld hinzu. Der Sozialhilfeanspruch des vergleichbaren Drei-Personen-
Haushalts erreicht demnach 67 vH des Nettoverdienstes (einschließlich Kinder-
geld).
Bei dem Vergleich sind wiederum die einmaligen Leistungen an Sozial-
hilfeempfänger ebensowenig einbezogen worden wie die zusätzlichen Lohnzah-
lungen, die Beschäftigte
z.
B.
in Form der Treueprämien oder der Zuschläge für
Mehr- oder Nachtarbeit erhalten.
12 Klein errechnet Schätzwerte für einen Vier-Personen-Haushalt. Dabei wird ein Basis wert für
die Miete, der auf den Ergebnissen der Wohnungsstichprobe beruht, mit einem Preisindex für
Wohnraum fortgeschrieben; für die Heizkosten wird ein Betrag in Höhe von 15 vH der Kaltmiete
unterstellt [Klein, 1989],
Zur Entwicklung der Arbeitseinkommen und der Transfereinkommen 323
In einem Sozialhilfeempfänger-Haushalt mit einem Kind läßt sich das Net-
toeinkommen durch Erwerbstätigkeit des Haushaltsvorstandes oder des Ehegat-
ten im Durchschnitt um knapp 50 vH über das Niveau der Sozialhilfeleistungen
steigern, wenn eine Facharbeiterqualifikation vorliegt.13 Eine analoge Berech-
nung für Fünf-Personen-Haushalte ergibt, daß der Abstand des Sozialhilfean-
spruchs zum Erwerbseinkommen wesentlich geringer ist. Das Einkommen läßt
sich dann durch Erwerbstätigkeit nur um 12 vH erhöhen. Tatsächlich sind diese
Prozentsätze bei Erwerbseinkommen in der Größenordnung potentieller Sozial-
hilfeansprüche etwas höher, weil im Falle der Erwerbstätigkeit ein Sozialhilfe-
anspruch in Höhe des Mehrbedarfszuschlags für Erwerbstätige (maximal: 50 vH
des Regelsatzes) besteht; auch werden bestimmte Werbungskosten wie z.B.
Fahrtkosten erstattet. Solange das Arbeitseinkommen (nach Abzug der zu be-
rücksichtigenden Werbungskosten) unter dem
—
um den Mehrbedarfszuschlag
erhöhten
—
Anspruch liegt, bedeutet jede zusätzliche DM Erwerbseinkommen,
daß
1
DM Sozialhilfe entfällt. Erst bei höheren Arbeitseinkommen kommt es
nicht mehr zu einer 100%igen „Besteuerung" des Mehreinkommens.
Bei dem Vergleich der Sozialhilfeleistungen mit dem potentiellen Nettoar-
beitsentgelt ist einerseits zu berücksichtigen, daß der durchschnittliche Netto-
verdienst eines Facharbeiters als Vergleichsbasis insofern zu niedrig sein kann, als
-je nach den Verhältnissen im Einzelfall
—
in Abhängigkeit von dem Familien-
einkommen ein Anspruch auf Wohngeld hinzukommen kann; auch sind die
Sonderzahlungen nicht im Nettoverdienst enthalten. Andererseits erscheint das
Vergleichseinkommen als hoch, weil es für einen Beschäftigten mit einer hohen
Qualifikation gilt, die ein Sozialhilfeempfänger im allgemeinen wohl nicht
aufweist. Gleichzeitig beinhaltet der Zähler der berechneten Relationen nicht die
einmaligen Leistungen. Insgesamt dürften die Relationen die tatsächtlichen Ver-
hältnisse wohl eher unterschätzen als überschätzen.
Aus diesen Überlegungen läßt sich schließen, daß die Leistungsanreize für
erwerbsfähige Personen, die in Mehr-Personen-Haushalten leben, nennenswert
beeinträchtigt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Sozialhilfeansprüche ande-
rer Haushaltsmitglieder wegfallen können, wenn ein Haushaltsmitglied eine
Erwerbstätigkeit aufnimmt. Dies bedeutet, daß das Arbeitseinkommen implizit
extrem hoch besteuert wird.14 Weil die Leistungsanreize für alle nicht minder-
jährigen Haushaltsmitglieder durch das gegenwärtige System verringert wer-
den, bewirkt die Sozialhilfe, die „die Kräfte der Familie zur Selbsthilfe anregen"
(§ 7 Bundessozialhilfegesetz) soll, daß Selbsthilfe weniger attraktiv wird.
Die Relation zwischen Sozialhilfeanspruch und potentiellem Erwerbsein-
kommen, die sich für die verschiedenen Haushaltstypen errechnen läßt, hat seit
13 Das Nettoerwerbseinkommen (Tabelle 6) darf nicht als das durchschnittliche Einkommen
eines Haushalts mit einem minderjährigen Kind interpretiert werden. In solchen Haushalten erzielen
nämlich häufig Ehemänner bzw. Ehefrauen ein eigenes zusätzliches Arbeitseinkommen; möglicher-
weise bezieht der Haushalt auch Kapitaleinkommen.
14 Dem wirkt in sehr begrenzter Weise entgegen, daß bei Erwerbstätigkeit Mehrbedarfszuschläge
berücksichtigt werden.
324
Schaubild 1
Alfred Boss
Sozialhilfeleistungen' zugunsten ausgewählter
Personengruppen
vH
100
75
50
1957
Fünf-Personen-Haushalt2
6065
- Drei-Personen-Haushalt
Ei
n-Personen-Haushalt
7075303590 93,
'Einschließlich der Erstattung der Kosten für die Unterkunft; vH des potentiellen Einkommens bei
Erwerbstätigkeit. - ^Ehepaar mit Kindern im Alter von 8j 10 und 16 Jahren. - ^Ehepaar mit einem
Kind im Alter von 8 Jahren.
der Einführung der Sozialhilfe in der heutigen Form im Jahr 196215
—
bei
gewissen konjunkturell bedingten Schwankungen
—
deutlich zugenommen. Be-
sonders ausgeprägt war die Zunahme in den siebziger Jahren und in der ersten
Hälfte der achtziger Jahre. Der Mitte der achtziger Jahre erreichte Abstand zum
potentiellen Erwerbseinkommen hat sich danach nur wenig verändert (Schau-
bild 1, Anhangtabelle
3).
Damit ist die Erwerbstätigkeit im Laufe der Jahrzehnte
finanziell immer weniger attraktiv geworden. Bei der Beurteilung der Entwick-
lung der Leistungsanreize ist freilich auch zu berücksichtigen, daß die durch-
schnittliche Arbeitszeit trendmäßig abgenommen hat; das bei Erwerbstätigkeit
mögliche Arbeitseinkommen läßt sich also bei mehr Freizeit als früher realisie-
ren.
Das relativ hohe Niveau der Sozialhilfe in der Bundesrepublik Deutschland
mag aus sozialpolitischen Gründen für wünschenswert gehalten werden. Es
birgt aber die Gefahr, daß die Anreize, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen,
15 Bis zur Einführung des Sozialhilfesystems wurden Bedürftige im Rahmen der öffentlichen
Fürsorge unterstützt.
16 Habermann [1985] hat aufgezeigt, welche eher grundsätzlichen Änderungen es bei den Sozial-
hilferegelungen im Laufe der Zeit gegeben hat.
Zur Entwicklung
der
Arbeitseinkommen
und der
Transfereinkommen
325
gemindert werden, denn die Relation zwischen „Markteinkommen" und „So-
zialleistung bei freiwilliger Arbeitslosigkeit" ist für das individuelle Entschei-
dungskalkül wichtig. In diesem Kalkül spielt auch eine Rolle, daß es Erwerbs-
möglichkeiten in der Schattenwirtschaft gibt. Die Leistungsbereitschaft wird
auch dadurch beeinträchtigt, daß zur Finanzierung der Sozialhilfeausgaben eine
vergleichsweise hohe Steuerbelastung erforderlich ist.
Zur künftigen Entwicklung
der
Arbeitseinkommen
und
der
Sozialleistungen:
Keine (reale) Zunahme
vor 1996
Der Bruttolohn je Beschäftigten wird im früheren Bundesgebiet in den
Jahren 1994 und 1995 nur wenig steigen, real wird er vermutlich sogar etwas
abnehmen. Die Steuer- und die Sozialabgabenbelastung werden kräftig zuneh-
men. So wird zum Jahresbeginn 1994 der Beitragssatz zur Rentenversicherung
von 17,5 vH auf mehr als 19 vH angehoben, gleichzeitig wird mit dem Einstieg
in die gesetzliche Pflegefallversicherung ein Beitragssatz von 1 vH wirksam.
Trotz der zu erwartenden
—
geringfügigen
—
Senkung des Beitragssatzes zur
Krankenversicherung wird die Gesamtbelastung durch die Sozialbeiträge deut-
lich zunehmen. Die Lohnsteuerbelastung steigt infolge der Steuerprogression,
wenn auch weniger als Anfang der neunziger Jahre. Im Jahr 1995 wird zudem
der Solidaritätszuschlag wieder eingeführt. Der Nettoreallohn dürfte sowohl
1994 als auch 1995 nennenswert abnehmen. Die marginale Belastung der Ar-
beitseinkommen durch die Lohnsteuer, die Sozialbeiträge und den Solidaritäts-
zuschlag wird sehr kräftig steigen; die Leistungsanreize werden also noch weit
mehr als bislang beeinträchtigt.
Bliebe es bei den Einsparmaßnahmen, die im Gesetz zur Umsetzung des
Föderalen Konsolidierungsprogramms [Bundesratsdrucksache, 1993] enthalten
sind, so würde der Regelsatz der Sozialhilfe in den Jahren 1994 um 2,5 vH und
1995 um knapp 4 vH zunehmen. Dies hätte zur Folge, daß der Abstand zu den
Nettolöhnen bei den untersuchten Haushaltstypen nochmals merklich verrin-
gert würde.17 Das Sparpaket der Bundesregierung vom 11.08.1993 [BMF, b]
sieht
—
wohl auch deshalb
—
vor, den Regelsatz zum 01.07.1994 nicht zu erhöhen
und die Anhebung zum 01.07.1995 auf maximal den Anstieg des durchschnittli-
chen Nettolohns zu begrenzen. Mit diesen Maßnahmen würde bei der absehba-
ren Nettolohnentwicklung vermutlich aber nicht erreicht, daß sich der im Jahr
1993 bestehende Abstand zwischen Sozialhilfeleistungen und Nettolohn nicht
weiter verringert.
17 Dies gilt
für
Haushalte,
die aus
vier oder mehr Personen
bestehen,
infolge einer Änderung
des
§
22 des
Bundessozialhifegesetzes
nur
eingeschränkt.
326Alfred Boss
Anhangtabelle
1 —
Bruttqjahresverdienst der Arbeiter in der Industrie* (frühe-
res Bundesgebiet) 1986-1991
Jahrvlänner
41999
43126
44
569
46433
48 837
51523
Fauen
DM
29 034
30000
31021
32113
33
819
35
848
Insgesan
39638
40784
42 205
43967
46265
48902
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1986-1989
1989-1991
Jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH
3,4 3,4 3,5
5,3 " 5,7 5,5
: Einschließlich Hoch- und Tiefbau, dieser einschließlich Handwerk.
Quelle: Hake [1988]; Wartenberg [1989]; Dresch [1990; 1992].
Anhangtabelle 2
—
Durchschnittlich bezahlte Wochenarbeitszeit in der Indu-
strie1
(früheres Bundesgebiet) 1950-1992
Jahr
änner
49,4
46,3
44,9
42,1
39,9
39,6
39,3
Fauen
Stunden
43,9 4
42,2
40,3
39,7
38,4
38,1
37,6
Insgesa
48,1
45,3
44,0
41,6
39,7
39,3
38,9
19502
I9603
1970 .
1980 .
1990 .
1991 .
1992 5
1950-1960
1960-1970
1970-1980
1980-1990
Jahresdurchschnittliche Veränderungen in vH
-0,6 -0,4 -0,6
-0,3 -0,5 -0,3
-0,6 -0,1 -0,6
-0,5 -0,3 -0,5
1 Einschließlich Hoch- und Tiefbau, dieser einschließlich Handwerk. - 2 Ohne Saarland und
Berlin (West).
—
3 Ohne Berlin (West).
—
4 Methodisch den folgenden Werten angeglichen.
—
5 Ohne Bremen.
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung [1976; 1992]; Heinlein [1993].
Anhangtabelle 3 — Sozialhilfeleistungen und potentielles Nettoarbeitsentgelt eines Arbeitnehmerhaushalts in der Bundesrepu-
blik Deutschland (früheres Bundesgebiet) —Modellrechnung für einen Drei-Personen-Haushalt 1960—1988
(DM pro Monat)
Jahr196019621964196619681970197219741976197819801982198419861988
Barleistungen der
Sozialhilfel
Haushaltsvorstand
Ehegatte
Kind, 8 Jahre
Insgesamt
Erstattung der Ausgaben
für die Wohnungs-
nutzung2
Ingesamt
75
58
54
187
80
267
92
71
67
230
94
324
110
85
80
275
110
385
124
96
90
310
128
438
131
102
95
328
154
482
147
114
107
368
182
550
196
157
127
480
237
190
154
581
270
216
176
662
290
232
189
711
310
248
202
760
338
270
220
828
351
281
228
860
389 407
311 326
253 265
953 998
222 278 339 371 464 526 594 652 709
702 859
1
001 1082 1224 1354 1454 1605 1707
in vH des durchschnitt-
lichen Nettoverdienstes
eines Facharbeiters in
der Industrie 3 einschließ-
lich Kindergeld
Nachrichtlich:
Durchschnittlicher Netto-
verdienst
Kindergeld4
52,6 54,3 56,0 54,9 58,0 52,9 58,1 61,4 62,5 59',5 60,3 62,9 64,6 66,5 66,7
508 597 687 798 831 1040 1208 1400 1552 1770 1981 2102 2200 2 364 2511
0 0 0 0 0 0 0 0 50 50 50 50 50 50 50
1 Regelsatz für die Hilfe zum Lebensunterhalt; im Bundesdurchschnitt; für 1960 und Januar bis Mai 1962 Fürsorgerichtsatz für den Haushaltsvorstand.
—
2 Geschätzt in Anlehnung an die tatsächlichen Ausgaben für Miete, Elektrizität, Gas und Brennstoffe eines Haushalts des Typs 2 der laufenden Wirtschafts-
rechnungen (Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushalte mit mittlerem Einkommen).
—
3 Schätzwert für das bei Erwerbstätigkeit mögliche Einkommen
(Arbeitseinkommen) nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben.
—
4 1 Kind; kein Wohngeldanspruch.
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung [1976; 1992]; Reddies [1965a; 1965b]; Sozialenquete-Kommission; Statistisches Bundesamt [a; b; d; e].U
to
328Alfred Boss
Anhangtabelle 4
—
Belastung eines ledigen männlichen Facharbeiters in der
Industrie durch Lohnsteuer und Sozialbeiträge (früheres
Bundesgebiet) 1950-1993 - vH des Bruttolohns einschließ-
lich Arbeitgeberbeiträge
JahrLohnsteuer
8,3
10,8
13,9
16j6
15,1
16,1
3
16,7 3
16,1
Arbeitneh-
merbeiträge
9,1
10,9
11,4
13,9
15,1
15,4
15,5
15,5
Zusammen
17,4
21,7
25,3
30,5
30,2
31,5
32,2
31,6
Arbeitgeber-
beiträge
9,1
10,9
11,4
13,9 '
15,1
15,4
15,5
15,5
Insgesa
26,5
32,5
36,7
44,5
45,3
46,8
47,6
47,2
1950'
I9602
.
1970
.
1980
.
1990
1991
1992
1993
1 Ohne Saarland und Berlin (West). - 2 Ohne Berlin. - 3 Einschließlich 3,75 vH Solidaritätszu-
schlag auf die Lohnsteuer; 7,5 vH für jeweils ein halbes Jahr.
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung [1976; 1992]; eigene Berechnungen;
eigene Prognose für 1993.
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