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Lernunterstützende Gespräche im Literaturunterricht – Zu drei Varianten der Klärungswürdigkeit

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Abstract

Unsere Perspektive auf die hier herangezogene Unterrichtsstunde zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf spezifische Qualitätsdimensionen des Lernunterstützenden Literaturgesprächs/des Instructive Dialogue on Literary Texts (Magirius et al., 2023b) fokussiert ist – und zwar die Dimensionen Klärungswürdigkeit sowie Support. Diese Aspekte halten wir für ausschlaggebend, um die Qualität von gesprächsförmigen Lehr-Lern-Interaktionen zu bestimmen (vgl. Abschnitt 2). Unsere normative Setzung, gerade diese Qualitätsdimensionen zu fokussieren, erklärt sich aus unseren konzeptionellen (vgl. Magirius et al., 2021, 2023b) und empirischen Arbeiten (vgl. Magirius et al., 2022, 2023a, 2024) zu Unterrichtsgesprächen, die als Lernmedium (vgl. Zabka, 2015) fungieren und demgemäß auf die Förderung von literarischen Rezeptionskompetenzen abzielen (vgl. Magirius et al., 2021, S. 2).
Marco Magirius, Daniel Scherf & Michael Steinmetz
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Marco Magirius, Daniel Scherf und Michael Steinmetz
Lernunterstützende Gespräche im
Literaturunterricht
Zu drei Varianten der Klärungswürdigkeit
1 | Gesamteinschätzug der Unterrichtsstunde
Unsere Perspektive auf die hier herangezogene Unterrichtsstunde zeichnet sich dadurch aus,
dass sie auf spezifische Qualitätsdimensionen des Lernunterstützenden Literaturgesprächs/des
Instructive Dialogue on Literary Texts (Magirius et al., 2023b) fokussiert ist und zwar die Di-
mensionen Klärungswürdigkeit sowie Support. Diese Aspekte halten wir für ausschlaggebend,
um die Qualität von gesprächsförmigen Lehr-Lern-Interaktionen zu bestimmen (vgl. Abschnitt
2). Unsere normative Setzung, gerade diese Qualitätsdimensionen zu fokussieren, erklärt sich
aus unseren konzeptionellen (vgl. Magirius et al., 2021, 2023b) und empirischen Arbeiten (vgl.
Magirius et al., 2022, 2023a, 2024) zu Unterrichtsgesprächen, die als Lernmedium (vgl. Zabka,
2015) fungieren und demgemäß auf die Förderung von literarischen Rezeptionskompetenzen
abzielen (vgl. Magirius et al., 2021, S. 2).
Lernunterstützende Literaturgespräche zeichnen sich stark verknappt dadurch aus, dass in
ihnen die Verhandlung klärungswürdiger Fragen einen breiten Raum einnimmt. Klärungswür-
dige Fragen regen zur intensiven Textarbeit an; idealerweise gehen sie von den Schüler:innen
aus und lassen mehrere mit dem literarischen Text vereinbare Antworten zu (vgl. Abschnitt 2).
Die Antizipation klärungswürdiger Fragen ist demgemäß aus unserer Sicht eine wichtige unter-
richtsvorbereitende Tätigkeit der Lehrkaft. Im Unterricht selbst kommt Lehrer:innen die Auf-
gabe zu, die Erörterung dieser Fragen zu fokussieren sowie angemessen zu unterstützen. Schü-
ler:innen können z. B. auf erörterungsrelevante Textteile hingewiesen oder durch die Bereit-
stellung von Wissensbeständen unterstützt werden.
Bei der Bewertung der zu betrachtenden Stunde anhand unserer Kategorien fällt zunächst po-
sitiv auf, dass die Schüler:innen gemeinsam mit ihrer Lehrerin über sehr lange Zeiträume klä-
rungswürdige Fragen verhandeln. In diesen Phasen erhalten die Schüler:innen außerdem häu-
fig Unterstützung durch die Lehrperson. Sie hilft, Klärungsprozesse zu initiieren und durch an-
gemessene Impulse erfolgreich zu vollziehen (vgl. Abschnitt. 3). Die Lehrperson schafft es folg-
lich aus unserer Sicht, lernförderliche Diskussionen anzustoßen und zu begleiten. Dass es hier-
bei stellenweise den Schüler:innen gelingt, Textelemente als Bezugsgröße für Klärungen in den
Vordergrund zu stellen z. B. bei der Korrektur oder der Konkretisierung von eigenen oder
Lernunterstützende Gespräche im Literaturunterricht
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fremden Deutungen könnte darüber hinaus darauf hinweisen, dass die Lerngruppe mit text-
bezogenen Klärungen vertraut ist.
Im Lichte unseres Konzepts des Lernunterstützenden Literaturgesprächs fallen auch Ge-
sprächshandlungen der Lehrkraft ins Auge, die aus unserer Sicht wenig(er) gelungen sind. Dazu
zählen in einigen Gesprächssequenzen z. B. Klärungsabbrüche was u. E. vor allem dort prob-
lematisch ist, wo ein deutlich geäußerter Klärungsbedarf auf Seite der Schüler:innen besteht
(vgl. z. B. Z. 201204) , daneben das bloße Sammeln von konkurrierenden Antworten auf klä-
rungswürdige Fragen, das keine textbasierte Prüfung nach sich zieht (vgl. z. B. Z. 365377). Mit
Blick auf den Stundenverlauf fällt nicht zuletzt die fehlende Integration von Arbeitschritten in
einen übergeordneten Klärungszusammenhang auf. In einen solchen ließen sich die in den Auf-
gaben angestrebten Textbeobachtungen und die in den Gesprächsphasen erzielten Erörte-
rungserträge durchaus integrieren. Im Folgenden erläutern wir anhand unserer Konzepte, wie
die eben dargebotene Gesamteinschätzung zustande kommt. Dazu beginnen wir damit, unsere
Konzepte vorzustellen.
2 | Methodischer Ansatz
Im Mittelpunkt unseres Konzepts Lernunterstützender Literaturgespräche steht die Verhand-
lung textbezogener Fragen, die als klärungswürdig qualifiziert werden können. Die Klärungs-
würdigkeit einer textbezogenen Frage hängt von drei Kriterien ab: Strittigkeit, Überprüfbarkeit
und Klärungsbedarf.
Strittigkeit liegt vor, wenn etwas nicht auf der Hand liegt, sondern mehrere Lesarten des litera-
rischen Textes nebeneinander existieren können. Erst dann ist ein Deuten oder Interpretieren
nötig. Hierzu muss man jedoch Unstrittiges von Strittigem unterscheiden. Unstrittig ist zum
Beispiel, dass es sich in der Kurzgeschichte Streuselschnecke bei dem zunächst erwähnten
„Mann” und der Person, auf die später mehrfach mit „er” verwiesen wird, um dieselbe Figur
handelt. Das folgt aus dem im Text Explizierten und der Funktion des Personalpronomens „er”.
Wer das nicht akzeptiert, hat den Text nicht verstanden. Strittiger wird es, wenn man sich zum
Beispiel fragt, warum die Erzählerin „eher Unbehagen” empfindet, als es zum Treffen kommt.
Um nachzuvollziehen, wie diese Frage beantwortet werden kann, ist eine Denkfigur hilfreich,
die sich als Abduktion im Sinne Charles Sanders Peirce beschreiben lässt. Bei einer Abduktion
schließt man von einer (Text-)Beobachtung und einer hinzugenommenen Regel auf eine Hypo-
these. Eine in Anschlag gebrachte (Alltags-)Regel wäre zum Beispiel: ‚Jemanden Fremden (un-
ter den Vorzeichen eines Dates) zu treffen, ist risikoreich und kann deshalb unangenehme Ge-
fühle hervorrufen‘. Eine Hypothese, die zu Textbeobachtung und ausgewählter Regel passt,
wäre demnach, dass es sich bei dem Treffen um eine Art Blind-Date handelt. Mit ihr können
wir die Textbeobachtung erklären, dass der Erzählerin vor dem Treffen unbehaglich zumute
wird. Dieser Lesart kann man verschiedentlich widersprechen. Man könnte die soeben verwen-
dete Regel als irrelevant ansehen, oder auch den Schluss auf die Hypothese anzweifeln, dass
die Situation eines Dates Unbehagen auslöst, weil textangemessenere Gründe für das Unbeha-
gen vorliegen. Aus dieser Vielfalt von Lesarten resultiert die Strittigkeit der genannten Frage.
Literaturdidaktisch ist zentral, dass es sich hierbei um einen kreativen und nicht logisch zwin-
genden Prozess handelt, der stark vorwissensabhängig ist.
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Beim Verstehen literarischer Texte kann sich Kreativität auch verselbstständigen und den Text
hinter sich lassen. Das führt uns zum zweiten Kriterium für die Klärungswürdigkeit textbezoge-
ner Fragen: Überprüfbarkeit. Eine Frage erfüllt dieses Kriterium, wenn im Text Indizien oder
Beweise gefunden werden können, die für oder gegen eine Antwort auf die Frage sprechen.
Bei literarischen Texten fungieren Textelemente meist lediglich als Indizien, weshalb man in
diesen Fällen auf überprüfbare Fragen keine endgültige Auskunft geben kann. Dennoch ist es
oft möglich, einzelne Lesarten zu falsifizieren (vgl. Eco, 1987/2008). Zum Beispiel sprechen zwar
für die Hypothese, es würde sich um ein Date handeln, die Textstellen: „Ich hatte mich ge-
schminkt”, „er führte mich ins Cafe Rohmer” und „wir gingen ins Kino”. Jedoch sprechen gegen
die Date-Hypothese der weitere Handlungsverlauf sowie der Schluss des Textes, da der zuerst
fremde Mann offenbar der „Vater” des Mädchens ist. Die Date-Hypothese kann am Schluss
also ausgeschlossen werden. Warum genau der Erzählerin vor dem ersten Treffen unbehaglich
ist, kann nicht eindeutig geklärt werden. Obschon wir schließlich im weiteren Handlungsverlauf
erfahren, dass es sich um ein Treffen mit dem bisher der Erzählerin unbekannten Vater handelt
eine emotional herausfordernde Situation , bleibt ungesagt, welcher Aspekt des anstehen-
den Treffens genau Ursache des unbehaglichen Empfindens der Erzählerin ist. Sie könnte z. B.
Unbehagen hinsichtlich der Frage haben, wie sie ihren Vater bei diesem Treffen wahrnimmt
oder wie sie von ihm wahrgenommen wird usf. Die Frage bleibt strittig.
Das dritte Kriterium Klärungsbedarf tritt in zwei Weisen auf. So sprechen wir von Klärungs-
bedarf im engeren Sinne, wenn Schüler:innen eine textbezogene Frage stellen und damit auf
eine Klärung drängen. Darüber hinaus kann es für ein grundlegendes Verstehen eines literari-
schen Textes notwendig sein, eine textbezogene Frage zu besprechen, die nicht von den Schü-
ler:innen formuliert wurde. Hier liegt Klärungsbedarf im weiten Sinne vor. Der „aus fachlicher
Sicht vorliegende Klärungsbedarf” muss dann „in einen tatsächlichen Klärungsbedarf der Ler-
nenden [...] transformier[t]” werden (Magirius et al., 2021, S. 7).
Lernunterstützende Gespräche im Literaturunterricht
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Wie die genannten drei Kriterien mit der Klärungswürdigkeit einer Frage zusammenhängen,
zeigt Abbildung 1.
Überprüfbarkeit ist das einzige notwendige Kriterium für Klärungswürdigkeit, während lediglich
mindestens eines der beiden anderen Klärungsbedarf oder Strittigkeit vorliegen muss, da-
mit wir von einer klärungswürdigen Frage sprechen können. Klärungswürdigkeit kann demnach
in drei Varianten auftreten, die wir mit KW1, KW2 und KW3 bezeichnen.
Unter KW1 subsumieren wir überprüfbare Fragen, die von den Schüler:innen ausgehen, aber
nicht strittig sind (hellgrün in Abbildung 2). KW2 umfasst überprüfbare Fragen, die strittig blei-
ben, ohne das Kriterium des Klärungsbedarfs im engeren Sinne zu erfüllen (orange). Unter KW3
fallen überprüfbare Fragen, die strittig bleiben und von den Schüler:innen ausgehen (dunkel-
grün).
Abbildung 1. Flowchart zur Bestimmung
klärungswürdiger Fragen
Abbildung 2. Venn-Diagramm mit Kriterien und Varianten
der Klärungswürdigkeit
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In Gesprächen, die als Medium fungieren, um literarisches Verstehen zu schulen, zielen wir auf
die Beantwortung von klärungswürdigen Fragen ab, damit der Text zum Erkenntnisgegenstand
werden kann. Damit grenzen wir unser Konzept von Ansätzen ab, in denen das Gespräch selbst
der zentrale Lerngegenstand ist und der literarische Text lediglich zum Gesprächsanlass wird.
Dass Lehrpersonen klärungswürdige Fragen fokussieren sollen, ist natürlich auch dann nicht
absolut zu setzen, wenn es sich um ein Gespräch als Lernmedium handelt. Klärungswürdigkeit
allein ist also kein Maß für gelungene Unterrichtsgespräche. Ein Unterricht, in dem zum Beispiel
ausschließlich überprüfbare und strittige und damit klärungswürdige Fragen verhandelt
werden und in dem nicht geklärt wird, was unstrittig ist, dürfte an den Notwendigkeiten vieler
Lerngruppen vorbeigehen. Stattdessen kann gerade die Klärung des Unstrittigen den Boden für
die Verhandlung strittiger Fragen bereiten.
Entsprechend unserer konzeptionellen Rahmung betrachten wir die folgenden Fragen mit Fo-
kus auf die Transkriptausschnitte Z. 1178 (Einstiegsphase) sowie Z. 464543 (Erarbeitungs-
phase zur Beziehung von Vater und Tochter): Welchen Anteil hat die Bearbeitung klärungswür-
diger Fragen in den Transkriptausschnitten? Welche Typen klärungswürdiger Fragen prägen zu
welchem Zeitpunkt die Unterrichtskommunikation? Wie sind die Aspekte von Klärungswürdig-
keit verteilt? Zur Beantwortung dieser Fragen gehen wir inhaltsanalytisch vor, indem wir mit-
hilfe von Kategorien, die den Kriterien und Varianten der Klärungswürdigkeit entsprechen, Äu-
ßerungen von Schüler:innen und Lehrer:innen codieren. Die Transkriptausschnitte haben wir
für die Analyse ausgewählt, da sie im Erstzugriff vermuten ließen, dass mit ihnen im Hinblick
auf unsere Fragestellungen fassbare Erkenntnisse generiert werden können.
Anhand von exemplarischen Detailanalysen illustrieren wir die Typen KW1KW3; hierbei zeigen
wir auch, wie die Lehrerin die Erörterung jener Fragen unterstützt. Darüber hinaus zeigen wir
anhand von Beispielen den Umgang der Lehrkraft mit nicht klärungswürdigen Fragen.
3 | Beispielanalyse
In beiden für die Beispielanalysen ausgewählten Transkriptstellen (Z. 1178, 464543) domi-
niert der Umgang mit klärungswürdigen Fragen. Allerdings tut er das auf unterschiedliche
Weise, wie das folgende Dokumentprofil auf Abbildung 3 zeigt.
Abbildung 3. Dokumentprofil der transkribierten Stunde. Jede Zeile des Transkripts
entspricht einem Quadrat. Die Transkriptzeilen 1178 und 464543, die im Mittel-
punkt der Analysen des vorliegenden Bandes stehen, sind schwarz umrandet. Nur in
diesen Abschnitten sind KW1, KW2 und KW3 farbig markiert. Die Farben entsprechen
jenen des Venn-Diagramms in Abbildung 2.
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3.1 | Einstiegsphase
Zunächst zur ersten Transkriptstelle (Z. 1–178): Auf Abbildung 4 ist abgebildet, wo und in wel-
chem Umfang in dieser Gesprächsphase die drei Kriterien, die unsere unterschiedlichen Vari-
anten von Klärungswürdigkeit konstituieren, erfüllt sind:
Was zeigen diese Grafiken? Etwa die Hälfte der markierten Transkriptstelle umfasst die Klärung
von Fragen, die von einem schüler:innenseitigen Klärungsbedarf ausgehen (hellblau). Die Leh-
rerin gibt in der Eröffnungsphase einen großen Raum für das Stellen und Bearbeiten von Fra-
gen, die von den Schüler:innen selbst kommen. Ausgenommen ist nur der Gesprächsbeginn, in
dem die Lehrerin ausgehend vom ersten Textfragment die Gefühlswelt der Protagonistin
fokussiert.1 Außerdem sind viele Fragen, die gestellt und bearbeitet werden, strittig (rot). Aus-
genommen sind nur die Stellen, in denen Schüler:innenfragen verhandelt werden, die den ein-
deutig rekonstruierbaren Plot betreffen. Und ebenso sind viele der Fragen, die gestellt und be-
arbeitet werden, überprüfbar (gelb). Ausgenommen sind nur die Phasen, in denen Fragen im
Mittelpunkt stehen, für deren Beantwortung der literarische Text keine inhaltlichen oder for-
mensprachlichen Hinweise bereithält.
Kombiniert man die Kriterien, ergeben sich, wie auf Abbildung 5 zu sehen, folgende Varianten
klärungswürdiger Fragen.
Unsere drei Varianten klärungswürdiger Fragen finden wir wie folgt wieder: Die Unterrichts-
stunde beginnt mit KW2, also der Bearbeitung einer Frage, die sowohl strittig als auch über-
prüfbar ist, aber nicht von den Schüler:innen ausgeht:
18 T1:
Was meint ihr? Wie wird jetzt das Mädchen sich fühlen, wenn es
19
zu diesem äh zu dieser Verabredung geht mit diesem Mann? Was
20
meint ihr? Mhm? Konrad.
Die Frage wird tatsächlich in ihrer Strittigkeit und Überprüfbarkeit diskutiert: Indem die Lehre-
rin einerseits eine Kontroverse initiiert und die kontroversen Antworten aufgreift („aufgeregt”
1 Gemeint sind die nicht markierten Zeilen 1836. Die anderen nicht markierten Textstellen (Z. 1–17 und Z. 66
115) entsprechen Unterrichtsphasen, in denen der literarische Text vorgelesen wird. Da es sich dort um keine
Gesprächsphasen im eigentlichen Sinne handelt, erfolgen dort keinerlei Codierungen.
Abbildung 4. Klärungsbedarf (hellblau), Strittigkeit (rot) und Überprüfbarkeit (gelb) im zu analysie-
renden Transkriptabschnitt Z. 1178
Abbildung 5. Die drei Varianten der Klärungswürdigkeit im Transkriptab-
schnitt Z. 1178. Die Farben entsprechen jenen des Venn-Diagramms in
Abbildung 2.
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versus „unwohl”, Z. 2123), nutzt sie die Strittigkeit als Ausgangspunkt für die Klärung. Indem
sie darüber hinaus bei der Klärung auf den literarischen Text als zentrale Begründungsinstanz
verweist („Was gibt uns der Text für Signale?”, Z. 2424), erhebt sie die textseitige Überprüf-
barkeit zur entscheidenden Voraussetzung des Klärungsprozesses.
Nach der entsprechenden Erörterung dieser Frage folgt eine Phase, in der Schüler:innenfragen
erst gesammelt (vgl. Z. 3758) und dann nach der Lektüre der gesamten Kurzgeschichte
bearbeitet werden (vgl. Z. 116178). Die Lehrerin leitet die Sammlung der Fragen wie folgt ein:
37
T1:
Ja! Gut ähm euch ist sicher aufgefallen, dass viele Dinge hier
38
am Anfang noch gar nicht so richtig geklärt sind.
[…]
42
Was wären das zum Beispiel für solche Fragen,
43
die wir uns stellen?
Alle Fragen, die von den Schüler:innen gestellt werden, sind gemäß der Logik dieser Antizipa-
tionsphase (noch) strittig und (noch) nicht überprüfbar. Das entspricht der didaktischen Funk-
tion, Informationen zu antizipieren, die der Text direkt oder indirekt an späterer Stelle preiszu-
geben verspricht.
44
S6:
Na wieso sie sich einfach mit einem fremden Mann trifft. Na/naja
45
{verlegenes Lachen}.
46
T1:
Genau! S14!
47
S14:
Wieso sie nicht bei ihren Eltern wohnt, sondern in Berlin?
48
T1:
Ja, äh S4.
49
S4:
Wo der Mann die Nummer herhat.
50
T1:
Ja!
51
Ss:
{lachen etwas}
52
T1:
Das stimmt. Ähm, S7!
53
S7:
Wer der Mann überhaupt ist?
Nach der sich anschließenden Präsentation des Gesamttextes erweisen sich einige der zuvor
aufgeworfenen Fragen als vollständig überprüfbar und nicht mehr strittig, entsprechen also
unserem Konzept KW1, z. B. „Wer der Mann überhaupt ist?“ (Z. 53). Die Lehrerin reagiert auf
diese nun eindeutig beantwortbaren Fragen, indem sie diese als „sicher” beantwortbar mar-
kiert und bei Bedarf deren Sicherung unterstützt, z. B.:
T1:
[…] Und wir wissen
jetzt, dass dieser fremde Mann der Vater ist. Ja, das steht ja
ähm genau am Ende... aber sind wir uns jetzt so völlig sicher?
S10:
Na ja, was den Vater angeht, schon.
T1:
Ja, was den Vater angeht, ja! […]
In manchen Fällen zeigt die Lehrerin auf wichtige Stellen im Text (fokussierender Support, vgl.
Steinmetz, 2020), um die Klärung abzusichern:
Lernunterstützende Gespräche im Literaturunterricht
64
163
S3:
Wusste sie jetzt schon, dass es ihr Vater ist oder nicht?
[…]
165
T1:
Was meint ihr? (Vor allem ähm) es steht ja „er nannte seinen
166
Namen.“
167
S3:
Na, aber dann wusste sie es wahrscheinlich. […]
Andere Fragen dagegen erweisen sich im Nachhinein zwar weiterhin als strittig, bleiben aber
auch im Licht des Gesamttextes nicht überprüfbar. Sie gelten unserer Operationalisierung nach
entsprechend als nicht klärungswürdig, z. B. „Wieso sie nicht bei ihren Eltern wohnt, sondern
in Berlin?“ (Z. 47) oder „Wo der Mann die Nummer herhat.“ (Z. 49).
Zwar lassen sich durchaus Textbelege finden, die für die Hypothesenbildung genutzt werden
können: So ließe sich die Information, dass sich die Eltern getrennt haben, nutzen, um die Hy-
pothese aufzustellen, dass die Erzählerin von zu Hause „abgehauen” (Z. 130) sei. Allerdings lässt
sich diese Hypothese (auf diesem Konkretionsniveau) mittels der inhaltlichen oder formen-
sprachlichen Bedeutungspotenziale des Textes weder überzeugend stützen noch widerlegen.
Auf derartige Antworten, für die der Text keine hinlänglichen Hinweise zur Klärung bereithält,
reagiert die Lehrerin z. B. mit dem Kommentar, es handle sich um „so Vermutungen”. Die Ant-
wort wird so als Spekulation markiert: „T1: Könnte sein, ja, also, ja, das sind so Vermutungen“
(Z. 131132).
Solche unserer Modellierung nach nicht klärungswürdigen Fragen greift die Lehrerin zwar auf,
problematisiert sie allerdings hinsichtlich ihrer textbezogenen Beantwortbarkeit. Offenbar ist
Überprüfbarkeit in dieser Phase ein wichtiges Kriterium für die Lehrerin.
Mindestens eine der Fragen, die von den Schüler:innen ausgehen, lässt sich auch nach der Ge-
samtlektüre als strittig und überprüfbar qualifizieren und entspricht damit der Variante KW3:
„S6: Na wieso sie sich einfach mit einem fremden Mann trifft. Na/naja {verlegenes Lachen}.“
(Z. 4445). Zwar ließe sich diese Frage durchaus verengen auf Fremdheit im Sinne von ‘sich
namentlich bekannt sein’ versus ‘sich namentlich nicht bekannt seingenau das passiert im
Unterrichtsgespräch (vgl. Z. 153169) weshalb es auch durchaus legitim ist, die Frage dem
Typ KW1 zuzuordnen. Schließlich liegt es sehr nahe, dass Vater und Tochter voneinander wis-
sen.
Die Fremdheit lässt sich aber auch weiter fassen und auf die Beziehung zwischen Vater und
Tochter beziehen (vgl. z. B.: „Zwei Jahre später, der Mann und ich waren uns immer noch etwas
fremd“). Die Frage, warum die Erzählerin sich „einfach” mit ihrem „fremden” Vater trifft, ist
interpretatorisch bedeutsam in Hinblick auf die Beziehungsentwicklung zwischen beiden. Für
die Entwicklung der Beziehung von einer gefühlten Fremdheit hin zu einer persönlichen Bin-
dung lassen sich verschiedene Textelemente ins Feld führen, wie unten zu sehen sein wird.
Insofern kann man die zitierte Frage des Schülers durchaus als strittig und überprüfbar erach-
ten. Allerdings nimmt die Lehrerin diese Spur an dieser Stelle (noch) nicht auf.
Insgesamt lässt sich das Gesprächsverhalten der Lehrerin wie folgt charakterisieren: Die Lehre-
rin ist sehr darauf bedacht, klärungswürdige Fragen zu verhandeln. Beinahe alle Fragen gehen
von den Schüler:innen aus, die Lehrerin animiert die Schüler:innen nachdrücklich, selbst Fragen
zu stellen. Schüler:innenseitiger Klärungsbedarf wird somit als wichtiger Wert herausgestellt.
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Während der Erörterung der Schüler:innenfragen achtet die Lehrerin darauf, dass die Antwor-
ten auch mithilfe des Textes verhandelt werden können (Überprüfbarkeit), entweder mit dem
Ziel einer endgültigen Klärung oder im Rahmen von Plausibilisierungen und Abwägungen
(KW1/KW3). Die einzige Frage, die nicht von den Schüler:innen ausgeht, hat Modellcharakter,
weil die Lehrerin an ihr veranschaulicht, was es heißt, unterschiedliche Antworten (gemäß der
Strittigkeit der Frage) im Lichte der Bedeutungspotenziale des Textes gegeneinander abzuwä-
gen (gemäß der Überprüfbarkeit der Frage) (KW2).
3.2 | Erarbeitungsphase
Kommen wir nun zur zweiten Transkriptstelle: Hier dominiert die gesamte Phase über eine
Frage unseres Typs KW3, wie das folgende komplett dunkelgrün gefärbte Dokumentenprofil
der Abbildung 6 zeigt:
Die Schüler:innen stellen in dieser Phase zunächst ihre Arbeitsergebnisse zur Beziehung zwi-
schen Vater und Tochter vor. Sie skizzieren die Entwicklung der Beziehung, indem sie ausfüh-
ren, dass zu Beginn eine eher „leichte Bindung” (Z. 478) und am Ende eine „relativ starke Bin-
dung” (Z. 487) bestehe.
Die Lehrerin nimmt die Charakterisierung der Beziehung als „relativ starke Bindung” zum An-
lass, um folgende klärungswürdige Fragen (KW3) zu stellen.
488
T1:
Mhm [ja/nein]? Was meinen die anderen? Habt ihr das auch so
489
gelesen? Also haben die sich dann so ganz zum Schluss/Ihr habt
490
ja gesagt, eine ganz starke Bindung/also kurz vor seinem Tod
491
eine relativ starke Bindung.
Inwiefern zählt diese Frage zu unserem Typ KW3? Zunächst beruht die Frage jedenfalls impli-
zit auf einem schülerseitigen Klärungsbedarf. Zwar wird die Frage, ob die Bindung stark sei,
von der Lehrerin selbst formuliert. Die Lehrerin greift damit jedoch eine Kontroverse auf, die
schon zuvor unter den Schüler:innen aufkam. Denn die Schüler:innen, die an früherer Stelle die
Ergebnisse einer Gruppenarbeit zum Vater präsentierten, stellten die Behauptung auf, dass der
Vater sich seiner Tochter gegenüber nicht öffne, „weshalb sie [der Vater und seine Tochter]
sich nach zwei Jahren [...] noch sehr fremd waren” (Z. 385386). Eine Schülerin zieht genau das
in Zweifel (vgl. Z. 410414). Dieses Anzweifeln ist kompatibel mit der Einschätzung, dass sich
die Entwicklung zwischen Tochter und Vater als Bewegung von ‘loser Bindung’ am Anfang hin
zu ‘starker Bindung’ am Ende vollzieht. Die Lehrerin merkt sich dieses Anzweifeln, was sich u. E.
daran zeigt, dass sie auf diesen Zweifel direkt reagiert und auf die spätere Gruppenpräsentation
verweist (vgl. Z. 418), in der dann die Beziehungsentwicklung skizziert werden soll. Die oben
zitierte Frage der Lehrerin („was meinen die anderen?”, Z. 488) scheint also so deuten wir es
jedenfalls genau auf dieses frühere Anzweifeln anzuspielen bzw. von diesem auszugehen.
Abbildung 6. Klärungswürdigkeit im
Transkriptabschnitt Z. 464543
Lernunterstützende Gespräche im Literaturunterricht
66
Die schon zuvor angelegte Kontroverse und die sich entwickelnde Diskussion machen deutlich,
dass es sich um eine strittige Frage handelt, weil konkurrierende Antworten möglich sind, die
sich nicht eindeutig als richtig oder falsch qualifizieren lassen. Die Lehrerin beschränkt sich im
Verlauf der Klärung auf steuernde Impulse, fordert zu Elaborationen auf und stellt Bezüge zwi-
schen Äußerungen der Lernenden her:
505
T1:
Und wie/wie kommst du darauf? Dass es eben nicht so/ihr habt
506
gesagt relativ stark. Du sagst nicht so stark.
Tatsächlich entwickelt sich so eine durchaus fruchtbare Diskussion über die Intensität der Bin-
dung von Vater und Tochter. Die Aufforderungen zur Elaboration der Lehrerin (z. B.: „Und
wie/wie kommst du darauf?”, Z. 505) nehmen die Schüler:innen zum Anlass, ihre Hypothesen
mithilfe des Textes zu stützen:
517
S10:
// Na ja, sie haben schon ein gutes Verhältnis (,) nur(,) ei-
518
gentlich wird es so ganz am Ende ein bisschen familiärer, sage
519
ich jetzt mal. Aber jetzt halt nicht so stark, also ja. {lä-
520
chelt}. Keine Ahnung, ich weiß jetzt nicht.
521
T1:
S12!
522
S12:
Also ich habe es so verstanden, dass das Verhältnis nicht so
523
vertraut war. Und er lag halt im Sterben und ähm ja, da wollte
524
sie ihm halt den letzten Wunsch erfüllen sozusagen. Damit sie
525
doch noch eine Familie sind am Ende.
Die Schüler:innen deuten die Aufforderungen zur Elaboration als Einladung zur textbezogenen
Prüfung; sie behandeln die zu erörternde Frage also wie eine überprüfbare Frage.
Am Ende greift die Lehrperson positiv bestärkend die Feststellung eines Schülers auf, dass
durch das Fehlen von dargestellten Emotionen eine Klärung jenseits von Spekulation kaum
möglich ist:
532
T1:
Mhm [ja]. Du hast was ganz Wichtiges gesagt. Diese Emotionen,
533
die fehlen hier in dem Text, äh deswegen sind das immer nur
534
alles so Vermutungen, was wir äh anstellen. […]
Damit schließt die Lehrerin die Diskussion ab und stellt überraschenderweise die Überprüfbar-
keit – im Sinne der Möglichkeit, auf der Grundlage von textseitigen Indizien unterschiedliche
Hypothesen abzuwägen infrage. Das ist insofern überraschend, als der Text anders als die
Lehrerin abschließend festhält sehr wohl Hinweise für die Intensität der Bindung liefert. Der
wohl auffälligste ist die Nennung des Wortes „Vater“ am Ende der Erzählung. Diese späte Nen-
nung sorgt nicht nur für einen Aha-Effekt (Im Sinne von: ‘Ach, der Mann ist ihr Vater!’), sondern
ist auch als Darstellungsstrategie erkennbar: Zuvor spricht die Erzählerin von „Der Mann“, spä-
ter referiert sie auf ihn vor allem mit dem Personalpronomen „er“ und erst am Ende nennt sie
ihn „Vater“. Vom Fremden und Unpersönlichen geht die Benennung über zu einer familiären
Beziehungsmarkierung.
Unser Konzept der Klärungswürdigkeit ist eng mit der Vorstellung verbunden, dass Fragen des
literarischen Unterrichtsgesprächs schon im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung bei der
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didaktischen Analyse aus den individuellen Verstehensanforderungen des Textes abgeleitet
werden sollten. Die Nennung des Vaters (erst) am Ende ist eine textseitige Auffälligkeit, die u. E.
bei der didaktischen Analyse ernstgenommen werden sollte. Im Unterrichtsgespräch wäre
dann ein fokussierender Support hilfreich, um die Schüler:innen zur Klärung der Frage, wie stark
die Bindung im Verhältnis zum Anfang des Textes ist, zu unterstützen. Dies bleibt leider aus.
Insgesamt lässt sich das Gesprächsverhalten der Lehrerin in dieser Phase wie folgt charakteri-
sieren: Die Lehrerin greift einen schüler:innenseitigen Klärungsbedarf auf, um unterschiedliche
Hypothesen zur Frage, wie sich die Beziehung zwischen Vater und Tochter am Ende darstellt,
zu provozieren. Sie fordert die Schüler:innen zu Elaborationen auf und stellt Bezüge zwischen
deren Äußerungen her. Alles in allem eröffnet sie so aktiv Diskussionsräume. Abschließend ver-
weist sie auf eingeschränkte textseitige Überprüfbarkeitspotenziale, was grundsätzlich begrü-
ßenswert ist, allerdings im Lichte der textseitigen Verstehensanforderungen und Deutungs-
möglichkeiten in diesem Fall zu kurz greift. Die abschließende Feststellung, „deswegen sind das
immer nur alles so Vermutungen, was wir äh angestellen” (Z. 534), erscheint uns hier zu pau-
schal.
4 | Reflexion
Wie deutlich geworden sein durfte, modellieren wir mit dem Lernunterstützenden Literaturge-
spräch (vgl. Abschnitt 2) einen Typus des Lehrgesprächs. Wir gehen davon aus, dass sich Ge-
spräche jenes Typs besonders für die Förderung literarischer Rezeptionskompetenzen eignen.
Wir folgen insofern klaren normativen Rahmungen. Diese haben wir mit Bezug zu empirischen
Erkenntnissen entworfen. Der Erwerb literarischer Rezeptionskompetenzen ist jedoch nicht die
einzig bedeutsame Zieldimension von Literaturunterricht. Folglich ist nicht jede Unterrichts-
stunde an dieser Zieldimension zu messen, um die Unterrichtsqualität einzuschätzen.
Die hier diskutierte Unterrichtsstunde passt erstaunlich gut zu den normativen Setzungen, die
mit unserem Konzept eines Lernunterstützenden Literaturgesprächs verknüpft sind. Wir konn-
ten erkennen, dass sich die Akteur:innen in der Stunde über sehr lange Zeiträume hinweg auf
die Verhandlung klärungswürdiger Fragen konzentrieren. Die Lehrerin schafft es darüber hin-
aus, durch ihre Fragen und Impulse deren Erörterung zu unterstützen. Beides konnten wir
mithilfe unseres ‚üblichen‘ Untersuchungsinventars deutlich zeigen. Dass der Text als Bezugs-
größe der Klärungen im Vordergrund steht, liegt aber nicht nur an den Impulsen und Fragen
der Lehrperson; die Lernenden bringen textbasierte Korrekturen, Einwände oder Konkretisie-
rungen in dieser Stunde häufig ohne lehrerinnenseitiges Zutun ein. Obwohl uns das durchaus
auffiel, eignet sich unser Inventar nur bedingt, um solche Facetten des Gesprächs zu erfassen:
Unsere Konzepte fokussieren die Handlungen der Lehrperson weit stärker als die der Schü-
ler:innen.
Typischerweise arbeiten wir inhaltsanalytisch quantifizierend und vergleichen so verschiedene
Unterrichtsstunden miteinander, in denen der gleiche literarische Text verhandelt wird. Wir
interessieren uns dann zum Beispiel für den Anteil klärungswürdiger Fragen an allen textbezo-
genen Fragen oder für den Anteil von unterstützenden Äußerungen im Gespräch an allen
Lehreräußerungen. Diese Perspektive setzen wir in unseren Studien in Beziehung zu Einschät-
zungen der Unterrichtsstunden von Schüler:innen, die wir mittels Fragebögen erheben (vgl.
Lernunterstützende Gespräche im Literaturunterricht
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Magirius et al., 2022, 2023b). Das war anhand der einzelnen Stunde zur Streuselschnecke nicht
möglich.
Wir fokussieren bei der Betrachtung von Unterrichtsvideografien und Gesprächstranskripten
insbesondere Fragen und Äußerungen der Lehrkräfte. Darüber hinaus erheben wir die Ein-
schätzung der Stundenwirkung aus Sicht der Schüler:innen mittels Fragebögen. Dies bringt es
mit sich, dass wir viele andere Aspekte kaum sehen (können): So haben wir den Verstehens-
fortschritt und weitere Aspekte der Nutzung der von uns untersuchten Lernangebote während
der Stunde nicht im Blick. Nicht zuletzt lässt sich durch unser codierendes Vorgehen nicht zei-
gen, wie Unterrichtsphasen ineinandergreifen. Damit lässt sich für uns auch schwer bestim-
men, inwiefern Fragen, die nicht in unserem Sinn klärungswürdig sind, fruchtbare Assoziatio-
nen und damit dem Text angemessene Verstehenswege ermöglichen.
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Article
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Abstract In our conceptual paper, we propose the framework Instructive Dialogues on Literary Texts. We describe how teachers can identify questions about the literary text which are worthy of clarification and central in such dialogues. The worthiness of questions depends on three criteria: A question worthy of clarifica- tion has to be testable based on the literary text and either disputable—i.e., it elicits multiple answers— or urgent—i.e., there is a students’ urge to clarify—or both. We are going to derive these concepts from the characteristics of literary texts, particularly from their ambiguity and polyvalence, and relate our framework to existing concepts of educational dialogue in literature classes. Moreover, we systematize teacher moves by applying notions of task research to whole-class dialogues. With these verbal moves, teachers can help their students to (collaboratively) interpret literary texts. Setting out our framework, we contribute to domain-specific concretizations of instructional quality and scaffolding. Furthermore, we propose a domain-specific definition of high-level comprehension. Key words: collaborative reasoning, constructive support, high-level comprehension, dialogic teaching URL: https://l1research.org/article/view/584
Article
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Gespräche gelten als das zentrale Medium der Auseinandersetzung mit Literatur in der Institution Schule und regen sowohl zur ästhetischen Erfahrung als auch zur literaturbezogenen Erkenntnis an. Offenere Formen des Gesprächs werden dabei vonseiten der Didaktik dem stärker gelenkten fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch als überlegen angesehen. Welche Rolle eine Lehrkraft idealerweise im gesprächsförmigen Literaturunterricht einnehmen sollte, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen, ist empirisch jedoch nicht geklärt. In unserem Beitrag stellen wir einige Resultate einer Studie vor, die zur Klärung dieser Frage beitragen. Anhand von vier Unterrichtsstunden zum Kurzprosatext Der blaue Falke (Jürg Schubiger) wurde untersucht, welche Komponenten einer authentischen – mithin weder künstlich arrangierten noch einer bestimmten didaktischen Konzeption eindeutig folgenden – Unterrichtskommunikation als spezifische Qualitätsaspekte gesprächsförmigen Literaturunterrichts eruiert werden können. Diese Qualitätsaspekte, die wir inhaltsanalytisch erfasst haben und mit denen wir an die literaturdidaktische Aufgabenforschung anknüpfen, setzen wir in Beziehung zu Fragebogendaten von Schüler*innen, die das Erleben sowie den Lernwert des Gesprächs betreffen.
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In diesem Beitrag skizzieren wir zunächst fachdidaktische Vorstellungen literarischen Lesens und Lernens. In der Folge präsentieren wir einige Erkenntnisse zum beobachtbaren unterrichtlichen Handeln mit literarischen Texten, die mit den literaturdidaktischen Vorstellungen verschiedentlich konfligieren. Aus unseren Betrachtungen erwächst die Vermutung, dass in den nicht-gymnasialen Schulformen Literaturunterricht selten ein Ort literarischen Lernens ist.
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Michael Steinmetz begründet theoretisch und empirisch die These, dass literarisches Textverstehen im Deutschunterricht verstärkt durch Aufgaben mit Support modelliert werden sollte. Mittels einer empirischen Studie (Zweigruppenplan mit Messwiederholung) zeigt der Autor, dass Aufgaben mit Support die Verstehensleistungen und das Lernerleben der Lernenden stärker begünstigen als offene Aufgaben. Ein aufgabenorientierter Literaturunterricht sollte demnach – so das Plädoyer des Autors – Verstehenssupport als einen Kernbestandteil des literaturbezogenen Lernens und Lehrens begreifen. Der Inhalt • Regulative Ideen und Aufgaben • Aufgaben und Verstehenssupport • Studie zur Wirkung von Aufgaben mit Support Die Zielgruppen • Dozierende und Studierende der Fachgebiete Lehramt Deutsch (aller Schulstufen), Literaturdidaktik, Germanistik • Forschende, Deutschlehrer und -lehrerinnen Der Autor Dr. phil. habil. Michael Steinmetz ist Vertretungsprofessor für Deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik an der PH Weingarten. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Theorie des literarischen Verstehens, Textkompetenzen, Bildungsstandards, Aufgabenforschung, Lesekompetenz.
Lernunterstützung. Modellierung und Erhebung eines Qualitätsaspekts von Lehrerhandeln im Literaturgespräch
  • M Magirius
  • D Scherf
  • M Steinmetz
Magirius, M., Scherf, D. & Steinmetz, M. (2021). Lernunterstützung. Modellierung und Erhebung eines Qualitätsaspekts von Lehrerhandeln im Literaturgespräch. In Leseräume. Zeitschrift für Literalität in Schule und Forschung, 7, 1-27.
Konversation oder Interpretation? Überlegungen zum Gespräch im Literaturunterricht
  • T Zabka
Zabka, T. (2015). Konversation oder Interpretation? Überlegungen zum Gespräch im Literaturunterricht. In Leseräume. Zeitschrift für Literalität in Schule und Forschung, 2, 169-187.