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Hoffart, Eva; Graewert, Laura; Thurm, Daniel
Die MatheWerkstatt an der Universität Siegen – Gemeinsam mathematisch
Handeln, Entdecken und Forschen
Stadler-Altmann, Ulrike [Hrsg.]; Herrmann, Franziska [Hrsg.]; Kihm, Pascal [Hrsg.]; Schulte-Buskase, Alina
[Hrsg.]: Atlas der Hochschullernwerkstätten. Ein (un-)vollständiges Kompendium. Bad Heilbrunn : Verlag
Julius Klinkhardt 2025, S. 575-585. - (Lernen und Studieren in Lernwerkstätten)
Quellenangabe/ Reference:
Hoffart, Eva; Graewert, Laura; Thurm, Daniel: Die MatheWerkstatt an der Universität Siegen –
Gemeinsam mathematisch Handeln, Entdecken und Forschen - In: Stadler-Altmann, Ulrike [Hrsg.];
Herrmann, Franziska [Hrsg.]; Kihm, Pascal [Hrsg.]; Schulte-Buskase, Alina [Hrsg.]: Atlas der
Hochschullernwerkstätten. Ein (un-)vollständiges Kompendium. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt
2025, S. 575-585 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-326799 - DOI: 10.25656/01:32679; 10.35468/6148-43
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0111-pedocs-326799
https://doi.org/10.25656/01:32679
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E-Mail: pedocs@dipf.de
Internet: www.pedocs.de
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Eva Hoart, Laura Graewert und Daniel urm
Die MatheWerkstatt an der Universität Siegen –
Gemeinsam mathematisch Handeln, Entdecken
und Forschen
1 Die MatheWerkstatt
Als Hochschullernwerkstatt der Didaktik der Mathematik an der Universität Siegen
wurde die MatheWerkstatt1 im Jahr 2012 initiiert und ist seit 2020 auf dem Cam-
pus Adolf-Reichwein-Straße, dem Hauptcampus der Universität Siegen, zu nden.
Diese zentrale Lage stärkt die interdisziplinäre Zusammenarbeit und fördert auf-
grund der guten Erreichbarkeit einen Austausch auch über die Universität hinaus.
Die MatheWerkstatt ist als Lern- und Forschungsraum an den Schnittstellen von
eorie und Praxis konzipiert. Das Kernelement der MatheWerkstatt ist die Zu-
sammenarbeit von Schüler*innen, Studierenden und Wissenschaftler*innen mit
dem Ziel gemeinsam mathematikdidaktisch zu handeln, zu diskutieren und zu
forschen. Einbezogen werden hier zudem verschiedene Partner*innen entlang der
Bildungskette und aller Ausbildungsphasen.
Das Team der MatheWerkstatt setzt sich gleichermaßen aus Mitarbeiter*innen
der Fachgruppe Didaktik der Mathematik als auch Mathematikstudierenden aller
Lehrämter zusammen. Als Leitungsteam arbeiten Jun. Prof. Dr. Daniel urm
und Dr. Eva Hoart eng zusammen. Unterstützt wird das Leitungsteam zudem
durch die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Laura Graewert2. Expertise und Er-
fahrung im Bereich der Mathematikdidaktik werden konstruktiv eingebracht, um
die MatheWerkstatt als einen Ort der Begegnung mit Mathematik kontinuier-
lich weiterzuentwickeln. Ebenso bedeutsam und prägend für die Ausrichtung der
MatheWerkstatt ist die Mitarbeit und Unterstützung eines Teams an studenti-
schen Hilfskräften, die gleichberechtigt an der konzeptionellen Gestaltung der
MatheWerkstatt beteiligt werden. Aufgrund dieser Zusammenarbeit hat sich die
MatheWerkstatt zu einem dynamischen Ort entwickelt, an dem nicht nur Stu-
dierende, sondern auch Schüler*innen, Lehrkräfte und Wissenschaftler*innen in
einem kreativen Umfeld zusammenkommen können.
1 https://www.uni-siegen.de/fb6/didaktik/mathewerkstatt/
2 An dieser Stelle danken wir unserer Kollegin Amelie Vogler, die bis Anfang 2024 die Arbeit im
Leitungsteam der MatheWerkstatt unterstützt hat.
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2012 SIEGENSIEGEN
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Abb. 1: Blick in die MatheWerkstatt (© MatheWerkstatt)
Abb. 2: Arbeitstische, Material- und Bücherschrank (© MatheWerkstatt)
Die MatheWerkstatt ist als Raum hell und modern gestaltet. Es gibt exible Ar-
beitsbereiche, die sowohl Gruppenarbeit als auch individuelles Lernen unterstüt-
zen. Eine große Fensterfront unterstützt die einladende Atmosphäre mit einem
weitläugen Blick in das Siegerland. Die Ausstattung der MatheWerkstatt mit
einer Vielzahl an analogen Arbeitsmaterialien sowie digitalen Medien und Werk-
zeugen unterstreicht die moderne und zukunftsorientierte Ausrichtung und die
damit verbundenen Möglichkeiten des mathematischen sowie mathematikdidak-
tischen Tätigseins.
Die MatheWerkstatt
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2 Die MatheWerkstatt im Detail
2.1 Gedanken zur Konzeption der MatheWerkstatt
Die MatheWerkstatt versteht sich aus pädagogischer Perspektive als materialrei-
cher Lernraum, in dessen Fokus ein eigenaktives Lehren und Lernen im Kontext
der Mathematik steht. Sie ist darauf ausgerichtet, eine Brücke zwischen eorie
und Praxis zu schlagen. Besonders im Fokus steht die Professionalisierung an-
gehender Mathematiklehrer*innen, wobei innovative Lernumgebungen und di-
gitale Medien genutzt werden, um auf aktuelle Bildungsherausforderungen wie
Digitalisierung und Inklusion einzugehen.
Zudem orientieren sich sowohl das dauerhaft zur Verfügung stehende Angebot als
auch die wechselnden Veranstaltungsformate an den (mathematik)didaktischen
Prinzipien der Handlungsorientierung (Warmeling et al., 2019), des Entdecken-
den Lernens (Leuders, 2020; Winter, 2016) sowie der Reexion (Hoart & Hel-
merich, 2018; Lengnink, 2020). Das bedeutet, die Studierenden werden aktiv in
ihren Lernprozess eingebunden, indem sie mathematische Konzepte und Inhalte
durch praktisches Handeln erfahren, explorativ Zusammenhänge erkunden und
dazu angeregt werden, ihre Denkweisen und Lösungsstrategien zu reektieren.
Aufgrund der exklusiven Nutzung der MatheWerkstatt für die Didaktik der Ma-
thematik ist ein Arbeiten auch außerhalb der universitätsweiten Zeitstruktur
möglich. Aufgrund dieser veränderten Rahmenbedingungen ergibt sich ein nicht
zu unterschätzendes Potential für die Initiierung unterschiedlicher Lehr-Lern-Ge-
legenheiten. Der intendierte Austausch universitätsinterner als auch universitäts-
externer Akteure wird so maßgeblich erleichtert.
Die MatheWerkstatt bietet verschiedensten
Akteuren „Raum“ für mathematisches und
mathematikdidaktisches Arbeiten. Hier-
bei werden die drei Perspektiven Lehre,
Forschung und Begegnung gleichermaßen
berücksichtigt. Je nach Angebot und Ver-
anstaltungsformat steht eine der Perspek-
tiven im Fokus oder es werden bewusst
vorhandene Schnittstellen in den Blick ge-
nommen. Konkrete Beispiele werden unter
Punkt 2.3 (Veranstaltungsformate und An-
gebote) erläutert.
2.2 Der Raum MatheWerkstatt
Die Räumlichkeiten der MatheWerkstatt an der Universität Siegen bieten neben
modernsten digitalen Technologien auch vielfältige analoge Lern- und Lehrmateria-
lien. Diese bewusste Kombination von digitalen und physischen Ressourcen schat
Abb. 3: Perspektiven der MatheWerkstatt
(© MatheWerkstatt)
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ein komplementäres Lehr- und Lernumfeld, das darauf abzielt, allen Akteuren um-
fassende und reektierte Erfahrungen im Kontext der mathematischen Bildung zu
bieten.
Die MatheWerkstatt ist mit einer umfangreichen Auswahl an aktuellen Schul-
büchern ausgestattet, die sowohl Studierenden als auch Lehrkräften als Referenz
und zur Vertiefung ihres Wissens dienen. Neben der Verfügbarkeit zahlreicher
Schulbuchreihen im Fach Mathematik inklusive Zusatzmaterialien (Lehrerhand-
reichungen, Kopiervorlagen etc.) über alle Schulstufen und -formen hinweg, steht
ein ausgewähltes Angebot fachdidaktischer Literatur zur Verfügung. Diese Biblio-
thek von Bildungsressourcen stellt sicher, dass die neuesten pädagogischen Er-
kenntnisse und mathematischen eorien zugänglich sind und unterstützt die
Forschung und das selbstständige Lernen.
Ebenso gehören verschiedene Diagnose- und Fördermaterialien zur Ausstattung
der MatheWerkstatt. Weiterhin wurde im Laufe der Zeit eine umfangreiche
Sammlung an mathematikdidaktischen Arbeitsmaterialien und Veranschauli-
chungen zu allen Inhaltsbereichen des Mathematikunterrichts angeschat, bei-
spielsweise Kantenmodelle geometrischer Körper, Geobretter, Dienes-Material
und vieles mehr. Vervollständigt wird das Materialangebot durch für das Mathe-
matiklernen einsetzbare Spiele. Die Materialien ermöglichen, dass mathematische
Konzepte auf greifbare und interaktive Weise erfahrbar werden. Mathematische
Phänomene und Ideen können durch praktische Anwendung erforscht und ver-
standen werden. Dieser Ansatz zielt darauf ab, ein vertieftes und reektiertes Ver-
ständnis zu entwickeln sowie Freude am mathematischen und mathematikdidak-
tischen Arbeiten zu erfahren.
Auch die digitale Ausstattung der MatheWerkstatt ist innovativ und zeitgemäß.
Neben der mittlerweile zum Standard gehörenden Ausstattung eines Beamers und
eines Smartboards steht zusätzlich ein Visualizer zur Verfügung. Mobilgeräte kön-
nen via Screenmirroring auf einer Projektionsäche präsentiert werden. In dem
zusätzlich eingerichteten DigiLab laden Tablets, 3D-Drucker oder VR-Brillen
mithilfe diverser Arbeitsimpulse zum Ausprobieren ein.
Die räumliche Gestaltung der MatheWerkstatt wird geprägt durch helle, trapez-
förmige Tische sowie leichte und farbige Holzstühle. Das Mobiliar kann also
schnell und exibel zu unterschiedlichen Sitzordnungen gestellt werden. Zudem
tragen die ausgewählten Möbel zu einer hellen und freundlichen Arbeitsatmo-
sphäre bei. Durch die variable Raumgestaltung wird sowohl individuelles Lernen
als auch die kollaborative Zusammenarbeit in Gruppen optimal unterstützt. Fle-
xible Arbeitsbereiche ermöglichen es den Studierenden und Lehrer*innen, den
Raum nach ihren spezischen Anforderungen zu kongurieren, sei es für Grup-
penarbeit, Seminare oder stilles Studium.
Insgesamt fördert die Raumgestaltung der MatheWerkstatt eine Lernkultur, die
sowohl individuelle als auch kollaborative Lernprozesse schätzt. Die Kombination
Die MatheWerkstatt
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aus digitalen und analogen Lernressourcen ermöglicht auf vielfältige Weise eine
reektierte Auseinandersetzung mit mathematischen Konzepten und bereitet so
auf die Herausforderungen des modernen Bildungswesens vor.
Je nach Angebot und Veranstaltungsformat bietet die MatheWerkstatt somit eine
optimale Gelegenheit, verschiedene Akteure zusammenzubringen, um gemein-
sam an ausgewählten und aktuellen emen des Mathematikunterrichts sowie
der Mathematikdidaktik zu arbeiten. Hier sind zunächst die Studierenden des
Lehramts Mathematik zu nennen. Im Kontrast zu den curricularen, meist schul-
formabhängigen Lehrveranstaltungen nden sich Studierende verschiedener
Lehrämter nicht nur in den freien Önungszeiten der MatheWerkstatt, sondern
auch in speziellen Formaten zusammen. Als Beispiele seien an dieser Stelle die im
Jahr 2023 durch die Initiative „Besser studieren!“ geförderte ReexionsWerkstatt
oder das aktuelle Format des MatheCafés genannt. Im Rahmen curricularer Lehr-
veranstaltungen werden seit 2012 zudem Lernvormittage für Schulen angeboten,
so dass Schüler*innen als auch Lehrer*innen zwei weitere Gruppen von Akteu-
ren darstellen. Auch die Mitarbeiter*innen der Didaktik der Mathematik nutzen
die MatheWerkstatt auf vielfältige Weise in den Rollen als Lehrende, Forschende
oder auch Teilnehmer*innen der Veranstaltungsformate. Zudem werden zu ein-
zelnen Veranstaltungen immer wieder außeruniversitäre Gäste eingeladen, um als
Expert*innen wertvolle Impulse für einen reektierten Austausch zu setzen und
konstruktiv miteinander ins Gespräch zu kommen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die MatheWerkstatt
• einen „Raum“ für ein reektiertes mathematisches und mathematikdidakti-
sches Arbeiten bietet,
• die verschiedenen Perspektiven Lehre, Forschung und Begegnung berücksichtigt,
• diverse Akteure (Studierende, Schüler*innen, Lehrer*innen, Forschende, Leh-
rende etc.) vernetzt,
• sich dynamisch gestaltet und Synergien nutzt.
2.3 Veranstaltungsformate und Angebote
Wie in den bisherigen Ausführungen erwähnt, haben sich in der MatheWerkstatt
diverse Veranstaltungen und Formate bewährt, von denen in diesem Abschnitt die
aktuellen Angebote detaillierter vorgestellt werden.
Das curricular angebundene Seminar „MatheWerkstatt“
Die MatheWerkstatt ermöglicht den Studierenden im Rahmen des curricular an-
gebundenen und gleichnamigen Seminars durch die Konzeption und Umsetzung
mathematischer Lehr-Lern-Situationen in Gruppen reektierte Praxiserfahrun-
gen. Im Fokus stehen die Gestaltung und die Umsetzung mathematischer Lern-
umgebungen für Schüler*innen sowie eine kontinuierlich angeregte Reexion
(vgl. Hoart, 2020).
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Abb. 4: Lernumgebung Muster und Strukturen (© MatheWerkstatt)
Das Seminar selbst ist in drei chronologische Phasen unterteilt, die jeweils ei-
nen anderen Schwerpunkt im Lernprozess setzen und die Studierenden durch
verschiedene Reexionsanlässe und -impulse zum Reektieren anregen : In der
Einführungsphase wird ein Grundverständnis für kompetenzorientierten Ma-
thematikunterricht und die Bedeutung von Reexion im Professionalisierungs-
prozess von Lehrkräften erarbeitet. Die Studierenden arbeiten dabei in Gruppen
zusammen, um eigene mathematischeLernumgebungen zu konzipieren, wobei
sie die Bedürfnisse und das Niveau der jeweiligen Schüler*innen berücksichtigen
müssen.
Die Projektphase ermöglicht es den Studierenden, in der Lehrer*innenrolle zu
agieren und die MatheWerkstatt als erweiterten Lernraum für Schüler*innen zu
nutzen. In dieser Phase werden die Studierenden motiviert, eigene Lehr-Lern-
Situationen für den Projektvormittag zu entwickeln, die anschließend in realen
Bildungskontexten mit Schulklassen erprobt und videographiert werden . Diese
praktische Komponente des Seminars ermöglicht es den Studierenden, ein tieferes
Verständnis für die Komplexität des Lehrens zu entwickeln und gleichzeitig ihre
eigenen pädagogischen Fähigkeiten zu verfeinern. Sie erhalten die Gelegenheit,
ihre mathematischen Ideen und didaktischen Ansätze direkt im Klassenzimmer
umzusetzen, was ihnen wertvolle Einsichten in die Wirksamkeit ihrer Lehrme-
thoden bietet.
Die abschließenden Seminarsitzungen bieten eine Zusammenschau, in der die
Studierenden ihre Erfahrungen innerhalb der eigenen Arbeitsgruppe sowie mit
der Seminargruppe reektieren und auswerten. Dies geschieht unter anderem
durch eine gruppeninterne Videoreexion, bei der die Studierenden die Gelegen-
Die MatheWerkstatt
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heit haben, die Einstiegs- und Abschluss-
phasen der Projektvormittage als auch
individuelle Lernsituationen der Kinder
kritisch zu betrachten und zu diskutieren.
Diese Methoden sind entscheidend, um
den Studierenden eine Selbstbewertung
ihrer Lehransätze zu ermöglichen. Durch
das Anschauen und Analysieren von
Videoaufnahmen ihrer eigenen Unter-
richtseinheiten können die Studierenden
ihr Handeln aus einer Außenperspektive
betrachten und kritisch beurteilen. Dies
fördert nicht nur die Selbstreexion, son-
dern auch die Fähigkeit, konstruktives
Feedback zu geben und zu empfangen.
Das Seminar für die Sekundarstufen fokussiert speziell die Förderung von digita-
lisierungsbezogenen Kompetenzen der angehenden Lehrer*innen und natürlich
der Schüler*innen. Dieses Seminar repräsentiert in der Zeit von 2021 bis Som-
mer 2024 den außerschulischen Lernort „digitale MatheWerkstatt“. Hier arbei-
ten die Studierenden in Teams gemeinsam mit einem Dozierenden Lerneinheiten
für Schüler*innen aus und erproben auch diese mit Schulklassen in der Mathe-
Werkstatt. Die emen für die Lerneinheiten sprechen die Studierenden mit den
Lehrkräften ab, wodurch die unterrichtspraktische Relevanz sichergestellt wird.
Die Studierenden dürfen in der Konzeption frei auswählen, mit welchen digitalen
Medien sie sich auseinandersetzen und wie sie diese in den eigenen Lerneinheiten
einsetzen möchten. Der Umsetzung folgt eine Reexionsphase, in der die video-
graphierten Lerneinheiten mit dem Beobachtungsschwerpunkt „Lehrverhalten
der Studierenden“ analysiert werden.
Beide Seminarausrichtungen sind Beispiele für eine ausgeprägte Praxisorientie-
rung. Im Zentrum dieses Ansatzes steht die aktive Beteiligung der Studierenden
an der Entwicklung und Gestaltung von mathematischen Lernumgebungen.
Diese Umgebungen sind nicht bloß theoretische Modelle; sie werden konkret in
realen Bildungskontexten umgesetzt und mit Schulklassen verschiedener Stufen
erprobt. Dabei werden die Studierenden dazu angehalten, originelle und innova-
tive Lernumgebungen zu entwickeln, die sich direkt an den aktuellen curricularen
Anforderungen und pädagogischen Herausforderungen orientieren. Dabei sind
die Reexionsprozesse ein integraler Bestandteil des Lernzyklus in der Mathe-
Werkstatt. Sie sind so konzipiert, dass sie die Studierenden dazu anregen, über
ihre pädagogischen Ansätze und deren Auswirkungen auf die Lernenden nach-
zudenken. Darüber hinaus unterstützt die Reexion die Studierenden dabei, ihre
Abb. 5: Geobrett analog und digital
(© MatheWerkstatt)
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Lehrstrategien kontinuierlich zu verbessern und ein forschendes Lernen zu kul-
tivieren, bei dem sie bestrebt sind, ihre Lehrmethoden anhand der gewonnenen
Erkenntnisse weiterzuentwickeln.
Veranstaltungsformat #togethermath
Das gemeinsame Lernen und Arbeiten unter Studierenden fokussiert das aktuell
durch die Universität Siegen geförderte Projekt #togethermath. Unter der Orga-
nisation einer studentischen Hilfskraft werden gemeinsam Antworten zu Fragen
und Aufgaben im curricularen Veranstaltungskontext gefunden sowie Impulse
zum Weiterdenken und mit Blick auf den Praxisbezug gegeben. So ergibt sich
die Möglichkeit, sich thematischen Inhalten, Fragen und Herausforderungen zu
widmen, die sich aus den gemeinsam besuchten curricularen Veranstaltungen des
Lehramts Mathematik oder den zu bearbeitenden Übungsaufgaben ergeben. Die
Eekte des Peer-Learnings, sein eigenes Wissen mit Kommiliton*innen zu teilen
und so grundlegende Erkenntnisse zu gewinnen, sind ungemein wertvoll für den
individuellen konstruktiven Lernprozess. Zudem lernen die Studierenden Kom-
militon*innen der eigenen Kohorte, aber auch anderer Semester (besser) kennen,
so dass längerfristige Vernetzungen möglich werden. In den Prüfungsphasen wird
das Angebot durch inhaltsspezische Termine ergänzt, die von Dozierenden und
Tutor*innen der jeweiligen Veranstaltungen unterstützt werden.
Veranstaltungsformat MatheCafé
An den Terminen des Mathe-
Cafés steht ein fundierter fach-
didaktischer und praxisrelevan-
ter Austausch über innovative
Lernmaterialien im Mittelpunkt.
Bewusst erfolgt hier keine An-
bindung an curriculare Lehrver-
anstaltungen. Vielmehr steht das
Zusammenkommen Interessier-
ter aus verschiedenen Personen-
kreisen im Vordergrund. Jede Sit-
zung wird von einem im Vorfeld
vereinbarten ema gerahmt. Zu
den aktuellen emen gehören
beispielsweise „Geometrie in Licht und Schatten“, „Der 3D-Drucker im Mathe-
matikunterricht“ oder „Mathematische Escape-Games“. Eingeladene Expert*in-
nen (Dozierende oder auch Lehrer*innen) halten jeweils einen kurzen Impulsvor-
trag, im Anschluss erproben die Teilnehmer*innen die vorgestellten Materialien
anhand verschiedener Arbeitsimpulse. Bedeutend ist die nale Reexionsphase, in
der die Erfahrungen ausgetauscht und konstruktiv-kritisch zusammengefasst wer-
Abb. 6: MatheCafé zum ema Licht und Schatten
(© MatheWerkstatt)
Die MatheWerkstatt
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den. Ergebnisse und Materialien werden in Kürze auf der Kollaborationsplattform
Moodle der Universität Siegen als OER-Materialsammlung bereitgestellt.
Önungszeiten und Peer-Tutoring
Sowohl in der Vorlesungszeit als auch in der veranstaltungsfreien Zeit ist die Mat-
heWerkstatt in festen Zeitfenstern frei zugänglich. Die Önungszeiten werden
über den eigenen Instagram-Account3, die Homepage und auch analoge Aushänge
kommuniziert. Vor allem Studierende nutzen die Önungszeiten, um in dem um-
fangreichen Materialangebot zu stöbern oder um sich Schulbücher oder Arbeits-
materialien auszuleihen. Auch ist die MatheWerkstatt ein beliebter Trepunkt ge-
worden, um gemeinsam an Übungsblättern zu Veranstaltungen zu arbeiten oder
sich bei einem Kaee über aktuelle Herausforderungen auszutauschen. Vermehrt
sind in den letzten Monaten auch Lehrer*innen oder Lehramtsanwärter*innen in
der MatheWerkstatt anzutreen, die das vielfältige Angebot nutzen, um neue Lehr-
methoden zu entdecken und sich Inspirationen für den eigenen Mathematikunter-
richt zu holen. Alle Önungszeiten werden von den studentischen Hilfskräften
der MatheWerkstatt organisiert und begleitet. Die Hilfskräfte verwalten den Aus-
leihprozess, stehen bei Fragen zur Verfügung und unterstützen die Studierenden
im Sinne des Peer-Tutorings bei der Bearbeitung der aktuellen Aufgaben aus den
mathematikdidaktischen bzw. mathematischen Veranstaltungen. Hier fungieren
sie im Sinne einer Lernbegleitung, die konkrete Hinweise geben kann, aber auch
auf Metaebene Impulse bspw. durch Literaturhinweise setzen kann.
2.4 Kooperationen
In der MatheWerkstatt wird der Austausch mit anderen Bildungseinrichtungen
und Lernwerkstätten als essentiell für die tägliche Arbeit und Weiterentwicklung
angesehen. Diese Kooperationen sind tief in der Philosophie der MatheWerkstatt
verwurzelt und spiegeln das Engagement für eine kontinuierliche Entwicklung
wider. Die Partnerschaften sind auf eine Vielzahl von Intentionen ausgerichtet,
darunter die Weiterentwicklung didaktischer Methoden, der Austausch über be-
währte Praktiken und die Erprobung neuer pädagogischer Konzepte. Vereint wer-
den diese Intentionen durch das gemeinsame Ziel der Professionalisierung von
Lehrer*innen aller Ausbildungsphasen mit dem Fokus auf eine reektierte Ver-
zahnung von eorie und Praxis.
Die Zusammenarbeit erfolgt auf verschiedenen Ebenen. Im Rahmen des Ange-
bots als außerschulischer Lernort (siehe Punkt 2.3, Das curricular angebundene
Seminar „MatheWerkstatt“) steht die Leitung der MatheWerkstatt mit zahlrei-
chen Schulen im Siegener Umkreis in regelmäßigem Kontakt, um aktuelle Ange-
bote zu kommunizieren und Termine für mögliche Schulbesuche zu vereinbaren.
Mit den Fachlehrer*innen der Klassen selbst werden weiterführend die konkreten
3 https://www.instagram.com/mathewerkstatt.siegen/
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emen der Lernvormittage sowie individuelle Bedürfnisse der Schüler*innen ab-
gesprochen. So hat sich im Laufe der Jahre ein starkes Netzwerk zwischen Mat-
heWerkstatt und Schullandschaft entwickelt. Die Lehrer*innen sind oftmals auch
Gäste oder gar Expert*innen bei weiteren Formaten der MatheWerkstatt.
Ebenso pegt die MatheWerkstatt Kontakte mit mathematikdidaktischen Arbeits-
gruppen anderer Universitäten, so dass auch bezüglich Forschung und Lehre eine zu-
künftig noch weitergehende Vernetzung stattnden soll. Diese Kooperationen pro-
tieren von der Vielfalt der pädagogischen Perspektiven und Erfahrungen. Durch
den Austausch von Ideen und Ressourcen entsteht ein produktives Netzwerk, das
innovative Ansätze in der Mathematikdidaktik fördert und (angehende) Lehrkräfte
dazu ermutigt, über den Tellerrand hinaus zu denken und kreative Lösungen für
Herausforderungen im Bildungskontext Mathematikunterricht zu nden.
Besonderes oder warum wir bei der Arbeit in unserer MatheWerkstatt
nie ermüden…
Das innovative und motivierende Kernelement der MatheWerkstatt der Uni-
versität Siegen ist die ko-konstruktive Zusammenarbeit von Lernenden, Leh-
rer*innen, Studierenden und Wissenschaftler*innen in einem hervorragend
ausgestatteten Umfeld. Statt einer punktuellen und getrennten Förderung
von Kompetenzen von Lernenden und Studierenden bilden die MatheWerk-
statt-Seminare einen geschützten gemeinsamen Raum für die Kompetenz-
entwicklung und den Austausch aller Personengruppen. Besonders innovativ
ist dabei unter anderem die fachdidaktisch fundierte Berücksichtigung auch
neuester digitaler Medien (z. B.: 3D-Druck, Augmented/Virtual Reality) in
enger Verbindung mit dem Einsatz analoger Medien. Eine besonders hohe
Motivation ergibt sich für Studierende zudem dadurch, dass diese in der
MatheWerkstatt nicht nur einen Gestaltungsraum erhalten, um selbst inno-
vative Lernumgebungen zu entwickeln, sondern diese auch erproben und
im Sinne eines forschenden Lernens in der Tiefe untersuchen und reek-
tieren können. Innovativ und motivierend wirkt dabei vor allem auch, dass
Studierende selbst interessengeleitet Unterrichtsthemen und Medien wählen
können und zu erforschende Fragestellungen selbst identizieren. Hierdurch
wird ein motivierender eorie-Praxis-Bezug hergestellt, da theoretische
Unterrichtskonzeptionen und wissenschaftliche Erkenntnisse direkt mit dem
eigenen Erleben gekoppelt werden. Besonders motivierend für die teilneh-
menden Studierenden ist zudem die obligatorische Videographie der Projekt-
vormittage in der MatheWerkstatt, die für eine vertiefende Reexion eigener
als auch fremder Praxissituationen genutzt wird.
Die MatheWerkstatt
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Ergänzt wird das Angebot durch vernetzende Veranstaltungsformate, die
sich ständig weiterentwickeln und sich somit der Dynamik der Bildungs-
landschaft anpassen lassen. Die vielfältigen Angebote der MatheWerkstatt
werden nicht nur von Studierenden angenommen und geschätzt. So würdig-
te der Bundesverband der Schülerlabore das Konzept und die Projekte der
MatheWerkstatt 2023 mit dem 1. Platz beim LeLa-Preis in der Kategorie
„MINT-Bildung von Lehrkräften“.
Literatur
Helmerich, M. A. & Hoart, E. (2018). Reektieren als aktivierendes Element in der Mathematikleh-
rerbildung. In: R. Möller, R. Vogel (Hrsg.), Innovative Konzepte für die Grundschullehrerausbildung
im Fach Mathematik. Konzepte und Studien zur Hochschuldidaktik und Lehrerbildung Mathematik
(S. 219–234). Wiesbaden: Springer Spektrum. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-10265-4_9
Hoart, E. (2020). „… da man lernt, eigene Gedanken und Ideen noch einmal zu vertiefen“. eo-
retische Überlegungen und praktische Umsetzungen zum Reektieren von Lehramtsstudierenden.
In: K. Kramer, D. Rumpf, Dietlinde, M. Schöps, S. Winter (Hrsg.), Hochschullernwerkstätten –
Elemente von Hochschulentwicklung? Ein Rückblick auf 15 Jahre Hochschullernwerkstatt in Halle und
andernorts (S. 247–258). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. DOI: https://doi.org/10.25656/01:21218.
Lengnink, K. (2020). Reexionsorientierung – Ein Prinzip für sinnstiftenden Mathematikunterricht.
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Leuders, T. (2020). Entdeckendes Lernen – Produktives Üben. In: H. Linneweber-Lammerskitten
(Hrsg.), Fachdidaktik Mathematik – Grundausbildung und Kompetenzaufbau im Unterricht der Sek.
I und Sek. II (2. Auage, S. 236–263). Seelze: Friedrich Verlag.
Warmeling, A., Böer, H. & Maitzen, C. (2019). Zum Handeln befähigen – Ein Leitgedanke für den
Mathematikunterricht. Mathematik lehren, Heft 212, 2–5.
Winter, H. (2016). Entdeckendes Lernen im Mathematikunterricht: Einblicke in die Ideengeschichte und
ihre Bedeutung für die Pädagogik (3. Auage). Wiesbaden: Springer.
Autor*innen
Hoart, Eva, Dr.
Universität Siegen; Didaktik der Mathematik
Arbeits- und Forschungsschwerpunkt: Reektieren in der Lehrer*innenbildung
hoart@mathematik.uni-siegen.de
Graewert, Laura
Universität Siegen; Didaktik der Mathematik
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Digitale Diagnose und Förderung
urm, Daniel, Jun.-Prof. Dr.
ORCID: 0000-0001-6531-5271
Universität Siegen; Didaktik der Mathematik
Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Lehrkräfteprofessionalisierung, Digitale Diagnose und Förde-
rung, Game-Based-Learning, KI im Mathematikunterricht
thurm@mathematik.uni-siegen.de