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Duncker & Humblot ‧ Berlin
„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“:
Die Folgen von Martin Heideggers „Geschichte der
Gegenwart“ und Michel Foucaults „Diskursanalyse“
auf Medien und Hochschulen
Von Henriette Haas*
Abstract
An Hochschulen und in Medien hat sich unter der Ägide von Michel Foucault die
«French Theory» festsetzen können. Dieser propagierte Ziele der Gegenaufklärung,
die er von Martin Heidegger übernommen hatte: den Kampf gegen die Vernunft und
eine anti-wissenschaftliche Geschichtsklitterung als Politstrategie. Seine «Diskursana-
lyse» beruht auf subjektiver, oberflächlicher Textauslegung, welche die Regeln
Sprachwissenschaft und der seriösen Historiografie missachtet. Er rechtfertigte das
mit frivolen, schwammigen und missverständlichen Phrasen. 1976 wollte Foucault
gar einen «Rassenkrieg» mit Freund/Feind-Spaltung befeuern (im Sinne Carl
Schmitts). Dass die «Theory» mit Gedankengut von Nationalsozialisten kontaminiert
ist, wird von ihren Anhängern unter den Teppich gekehrt. Ihre relativistische Pseudo-
Methodik galt schon früh als gescheitert. Sie lässt das analytische Denken verküm-
mern, was sich auch auf die Medien negativ auswirkt. Nach solchen Rezepten ver-
fassten «Wirklichkeitskonstruktionen» sind demagogische Narrative und Desinforma-
tion. Sie verwickeln sich in Selbstwidersprüche und verstoßen gegen das Veto der
Quellen. Wenn Forschungsinstitutionen und Medien ihre Glaubwürdigkeit nicht aufs
Spiel setzen wollen, müssen sie sich der kritischen Auseinandersetzung stellen. Auf
ihren Plattformen sollten sie Corrigenda und Gegendarstellungen zu unseriösen Geis-
tesprodukten publizieren, wenn sie sie zuvor gefördert, publiziert oder akkreditiert
hatten.
Schlüsselwörter: Französische Theorie, Diskursanalyse, Relativismus, Denkfehler,
Desinformation, Foucault, Heidegger, Schmitt
*
Prof. Dr. phil. Henriette Haas, Titularprofessorin (im Ruhestand) am Psychologi-
schen Institut der Universität Zürich, https://www.psychologie.uzh.ch/de/institut/
ueber-uns/angehoerige/titular/haas.html. E-Mail: henriette.haas@psychologie.uzh.ch.
Jahrbuch Wissenschaftsfreiheit, Published Online First
https://doi.org/10.3790/jwf.2025.1453608
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Henriette Haas
Jahrbuch Wissenschaftsfreiheit
“Nothing is true, everything is permitted”:
The consequences of Martin Heidegger’s “History of the
Present” and Michel Foucault’s “Discourse Analysis”
on media and universities
Under the aegis of Michel Foucault, «French Theory» became firmly established at
universities and in the media. He propagated the goals of the Counter-Enlightenment,
which he had adopted from Martin Heidegger: the fight against reason and an anti-
scientific distortion of history as a political strategy. His «discourse analysis» was
based on subjective, superficial textual interpretation that disregarded the rules of lin-
guistics and serious historiography. He justified this with frivolous, vague and mislea-
ding phrases. In 1976, Foucault even wanted to fuel a «race war» with a friend/enemy
divide (in the spirit of Carl Schmitt). The fact that «Theory» is contaminated with the
ideas of National Socialists is swept under the carpet by its supporters. Their relativis-
tic pseudo-methodology was considered a failure early on. It stunted analytical thin-
king, which also had a negative impact on the media. «Constructions of reality» written
according to such recipes are demagogic narratives and disinformation. They become
entangled in self-contradictions and violate the veto of the sources. If research institu-
tions and the media do not want to jeopardize their credibility, they must engage in
critical debate. They should publish corrigenda and counterstatements to dubious intel-
lectual products on their platforms if they have previously promoted, published or ac-
credited them.
Keywords: French Theory, discourse analysis, relativism, fallacies, disinformation,
Foucault, Heidegger, Schmitt
I. Hochschulen und Medien:
„Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“
1. Einleitung
Die Themen, Prämissen, Begrifflichkeiten und Heuristiken der «French
Theory»
1
finden Einlass in die Hochschulen und Redaktionen. Das Programm
ist attraktiv verpackt – es gibt sich hyper-kritisch, kreativ, freiheitlich und
1
Wer Kritik an Vertretern der «Theory» übt, muss spezielle Vorsichtsmassnahmen
treffen, um keine Angriffsfläche zu bieten. Für Begriffe, von denen man sich inhaltlich
distanziert, muss man andere Anführungszeichen verwenden als für Zitate, sonst kann
es passieren, dass die Gegner unfairerweise unterstellen, man hätte jemandem ein Zitat
untergejubelt oder man hätte jemandes Aussage nicht korrekt referenziert. Umgekehrt
könnte beim Nicht-Gebrauch von Anführungszeichen unterstellt werden, man akzep-
tiere im Grunde genommen die Inhalte der Begriffe. Hier verwende ich deshalb fran-
zösische Anführungszeichen für Wörter, von deren semantischem Anspruch ich mich
distanziere (z. B. für «Rasse», für die es nach der Jenaer Erklärung keine wissenschaft-
liche Basis gibt, oder für «Theory», die m. E. keine wissenschaftliche Theorie darstellt,
sondern bloss Rhetorik); Fischer/Hossfeld/Krause/Richter, Jenaer Erklärung 2019.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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idealistisch. Solche Publikationen generieren Klicks; sie laden jedoch auch zu
Grenzüberschreitungen ein und bilden langfristig ein Reputationsrisiko.
Nachfolgend geht es um die problematische Tradition, in der diese relativis-
tisch-konstruktivistische Schule steht. Michel Foucault – ihr Hauptrepräsen-
tant – verfocht Ziele der Gegenaufklärung, die er von Martin Heidegger
übernommen hatte: den Kampf gegen die Vernunft und die Geschichtsklitte-
rung als Politstrategie. Gleichwohl bleiben Foucaults Verdienste nicht uner-
wähnt, bevor das Sammelsurium der Denkfehler des Konstruktivismus und
Relativismus angesprochen wird. Von diesem erfahren die Studierenden meis-
tens nichts. Die sog. «anti-hermeneutische» Diskursanalyse besteht aus ober-
flächlichem und subjektivem Ausschlachten von Zeichen; sie untergräbt und
zerredet alle Best Practice Regeln. Eine Methodenkritik ist deshalb unabding-
bar geworden, denn Wissenschaftsinstitutionen und Medien riskieren einen
Glaubwürdigkeitsverlust, wenn sie so weitermachen wie bisher. Als Lichtblick
am Horizont fungieren jene Repräsentanten der hier kritisierten Schule, die
taugliche Ansätze zu ihrer methodischen Verbesserung entwickelt haben.
2. Verwechslung von Glaubwürdigkeit mit Unfehlbarkeit
Medien und Hochschulen sind seit geraumer Zeit unter Beschuss und
fürchten den schleichenden Verlust von Glaubwürdigkeit, ihrem größten Ka-
pital. Warnende Stimmen berichten Beunruhigendes aus dem Inneren einiger
dieser Institutionen, doch sie dringen nicht durch. Die Führungspersonen der
Hochschulleitungen sähen sich in einer Position der Schwäche, erklärte ein
Dekan an einer Schweizer Universität:
„Ihre Aufgabe gleicht dem, was man im Englischen herding cats nennt: Sie dürfen
den professoralen Streunern Futter und Streicheleinheiten verabreichen, aber ja
nicht mit Forderungen oder Erwartungen zu nahe treten, sonst setzt es Kratzer ab.
Sie selbst werden zudem als kastrierte Forscher belächelt. Wer leitet, gilt in seiner
eigentlichen Berufung, der Wissenschaft, rasch als gescheitert.“
2
So herrscht an gewissen Hochschulen eine nicht dem Erhalt der Wissen-
schafts-Freiheit und -Integrität dienliche Mentalität des Vertuschens von aka-
demischem Fehlverhalten (nicht nur betreffend die Unzulänglichkeiten der
«Theory»). Auch in den Redaktionen mangle es an Fehlerkultur: Gegendar-
stellungen würden fast immer verweigert und Glaubwürdigkeit werde mit
Unfehlbarkeit verwechselt, schreibt ein erfahrener Journalist.
3
Umso mehr
wird in Kosmetik investiert. Vollmundige Transparenz-Erklärungen, Selbst-
evaluationen mit ausgezeichneten «Ergebnissen», und zahnlose, u. U. befan-
gene Internal Affairs Gremien sollen das Image «pflegen». Selten werden
2
Hirschi, NZZ am Sonntag, 30.10.2022.
3
Zimmermann, März 2024, S. 17 – 19.
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solche Fälle publik. Jahre später erfährt man vielleicht, dass eine sog. «Unter-
suchung» das meiste ausgespart hat und Whistleblower mundtot gemacht
wurden.
4
Indem sie der Öffentlichkeit ausgewogene, reichhaltige und belast-
bare Information in eigener Sache vorenthalten, sägen Organisationen lang-
fristig am Ast, auf dem sie sitzen.
3. Psycholinguistische Beeinflussung
durch eine trügerische Begrifflichkeit
«Storytelling, Narrativ, Geschichte der Gegenwart, dekonstruieren, einord-
nen, Zeichen setzen, Wirklichkeitskonstruktion, perspektivisches Sehen, Dis-
kurse, Grenzen des Sagbaren» sind allgegenwärtige Begriffe. Sie basieren auf
Prämissen des Relativismus, erfreuen sich einer oft unbewussten Akzeptanz
und werden mit jeder Zeitung weiter propagiert.
5
Diese Auslegungsweise von
Lebenssachverhalten wird von einem Hauptpromotor Foucaults beschrieben
als einen
„approach to human inquiry that enters the public imagination and becomes so
widespread, it turns invisible. So natural and common, so pervasive, so extensive,
people absorb it into their ordinary lives and no longer recognize that they are using
it“.
6
Wie ich belegen werde, handelt es sich dabei um eine Sammlung von rheto-
rischen Tricks, Trugschlüssen und Täuschung durch Auslassung. Schleichend
und unmerklich wirkt sie auf das ethische Bewusstsein, die kognitiven Fähig-
keiten und die sozialen Beziehungen derjenigen ein, die darin «ausgebildet»
werden. Die korrekte und hilfreiche journalistische und historische Lehre
7
wird damit ausgehöhlt. Wer sich über die Geschichte der postmodernen Strö-
mung in den Kulturfächern kundig macht, sieht die anti-aufklärerische Tradi-
tion hinter diesen Konzepten und kennt ihren Zweck. Am Anfang standen
überholte oder gewagte Thesen Nietzsches zur Kritik am Selbstverständnis
von Wissenschaftlern des 19. Jahrhunderts. Sie wurden von Heidegger und
Foucault aufgenommen, verschleiert, heimlich transformiert oder in einen
falschen Kontext gestellt.
Anti-Aufklärung ist inkompatibel mit der Mission der Medien als vierter
Gewalt im Staat und mit der wissenschaftlichen Forschung. Die unausgereif-
ten Thesen, Anleitungen zur Oberflächlichkeit und ihr Jargon stellen ein ver-
führerisches Mind Set her. Im Namen einer vermeintlich radikalen Kritik las-
4
Westerhaus, 3.11.2019.
5
Neiman, Woke ≠ Links 2023, S. 127 f.
6
Harcourt, in: Basso, S. ix.
7
Vertreten beispielsweise von Strebel, Jan 2020; von Seiffert 2006; von Kohtz/
Kraus 2012.
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sen sie das rationale Denken verkümmern und bewirken stattdessen Fehlein-
schätzungen. Diese laden zu Grenzüberschreitungen geradezu ein. Die Re-
zepte einer naiv rezipierten und umgesetzten «Diskursanalyse» generieren ein
semantisches Glatteis und dieses mündet mit den social Media leicht in einen
Strudel von Konflikten.
8
Die Existenzen von unbescholtenen Personen und
der daran beteiligten Fachleute werden beschädigt oder zerstört. Dagegen
schützt nur die Aufklärung darüber, in welcher ideologischen Ecke die Denk-
weise entstanden ist und worin die irrigen Prämissen und Anweisungen dieser
«Denkschule» bestehen.
Im Zeitgeist nach 1968 glaubte sich Foucault im Widerstand gegen staatli-
che Unterdrückung. Viele Anhänger teilen ein Gerechtigkeitsideal und sind
bezüglich des methodischen Holzwegs und seiner irritierenden Positionen
ahnungslos.
9
Wegen der vielen Schichten von Irrtümern und Verschleierungen
lässt sich nicht mehr herausfinden, ob Vertreter der expandierenden «Diskurs»-
Blase Täter oder Opfer der verfehlten Lehre sind. Eine Nähe zu totalitärem
Gedankengut von heute lebenden Autoren lässt sich aus meiner Kritik nicht
ableiten.
Hier geht es um die Bewusst-Werdung, wie das Spiel mit dem Feuer anfing.
Wie konnte es so weit kommen, dass selbst kluge und gut ausgebildete Fach-
leute sich verheddern? Obwohl Foucault oft Quellenangaben schuldig blieb,
lassen sich die Anleihen an Nietzsche und Heidegger inhaltlich und termino-
logisch aufspüren. Da das logische Denken in den Kulturfächern wegen der
relativistischen Pseudo-Argumente verkümmert, möchte ich die kognitiven
Grundlagen wieder zur Verfügung stellen.
8
Siehe Zulauf, 7.7.2020.
9
Siehe Neiman 2023. Den Biografien von Miller 1990, Macey 1993 und Eribon
1989 entnimmt man, dass sich Foucault wesentlich mehr für die Anarchie, für Umsturz
um seiner selbst willen und damit für das «Recht des Stärkeren» engagiert hat. Beson-
ders am Herzen lagen ihm schwere Verbrecher (Sexualtäter und Mörder) hingegen
verachtete und diskriminierte er Frauen. 1972 befürwortete er Selbstjustiz und Rache,
ja sogar das Töten durch einen Lynchmob (Foucault/Gordon, S. 13). Markant weniger
(tlw. überhaupt nicht) beschäftigten ihn das Los und die Rechte von gesellschaftlich
wirklich unterdrückten Gruppen, seien es vulnerable Kinder, people of color, Frauen
unter patriarchalen Verhältnissen, oder die Opfer von AIDS. Als einer, der die irani-
sche Revolution anfänglich unterstützt hat und international in einer optimal einfluss-
reichen Position sass, um via Proteste einen Widerstand gegen die Grausamkeit der
Mullahs aktiv aufzugleisen, hat er Demokraten, Linke, Intellektuelle, Frauen, Homo-
sexuelle und Juden im Stich gelassen und hat sich hinter einer halbherzigen Distanzie-
rung versteckt.
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4. Wie kommt Zolas explosive Kraft vergrabener Fakten zustande?
Gibt es einen Modus Operandi zur Herstellung der «perfekten» Geschichts-
klitterung oder der postfaktischen Skandalisierung, der Schlaumeiern garan-
tierte, nie dafür belangt werden zu können? Emil Zola bestritt dies:
10
„Quand
on enferme la vérité sous terre, elle s’y amasse, elle y prend une force telle
d’explosion, que, le jour où elle éclate, elle fait tout sauter avec elle.“ Ist seine
Prognose realistisch? Die Psychologie hat Antworten dazu.
Eine Literaturübersicht über die Effekte von Schwindeln auf die Persön-
lichkeit unredlicher Mitarbeiter und auf ihre Betriebe bestätigt das Diktum
„eine Lüge zieht Tausend Lügen nach sich“.
11
Unaufrichtigkeit zum eigenen
Vorteil fängt klein an; anfängliche Täuschungen und Selbsttäuschungen schei-
nen kaum der Rede wert. In einem schleichenden Prozess rationalisieren die
Täter ihr Verhalten und distanzieren sich vom Wert der Wahrhaftigkeit oder
sie verdrängen ihn, um ihre Selbstachtung zu retten. Subjektiv meinen sie, sie
würden für eine gute Sache kämpfen und der gute Zweck heilige eben die
Mittel. Als Kompensation tendieren sie zur Heuchelei: Was sie selbst tun,
kreiden sie Anderen umso vehementer an. Mit der Zeit wird dann die Last der
Unregelmäßigkeiten derart groß, dass sie damit erpresst werden können. Das
Ganze mündet in eine Abwärtsspirale, in extremen Fällen in eine Verhaltens-
sucht und Lebenslüge. Die Vorgesetzten werden das Schwindeln eines Mit-
arbeiters zulasten der Kundschaft zuerst belohnen, was den Wettbewerb ver-
zerrt. Deswegen wird das Verhalten sozial ansteckend und stellt ein hohes
Unternehmensrisiko dar.
Das Oszillieren zwischen Betrug und Selbstbetrug heißt in der Fachsprache
„kognitive Dissonanz“:
„Die für die Lüge und den Lügner spezifische Doppelbödigkeit von Gedanke und
Aussage (,doppeltes Herz‘) mutierte bei ihnen zur Einheitlichkeit ihres falschen
Lebens, in dem man von seinen Lügen so überzeugt sein muss, dass man diese sel-
ber nicht mehr als solche wahrnimmt oder wahrhaben will.“
12
Weil sie derart in ihrem eigenen Spinnennetz gefangen sind, fabrizieren ei-
nige Autoren weitere postfaktische Stories, selbst dann, wenn sie schon mitten
in juristischen Verfahren stecken. Das irrationale Fortsetzen einer schädlichen
10
Zola, J’accuse …! 13.1.1898. https://fr.wikisource.org/wiki/J%E2%80%99accuse
%E2%80%A6!.
11
Wiltermuth/Newman/Raj 2015, S. 20 ff.
12
Hoffmann, Klios „doppeltes Herz“, in: Bendikowski/Hoffmann/Sawicki (Hrsg.),
2003, S. 39.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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Aktivität ist ein häufiges Phänomen, denn es gibt mehrere psychologische
Gründe dafür.
13
Zur Dynamik unter Geschädigten erteilt die Small-World Theorie
Auskunft:
14
Alle Menschen auf der Welt sind via nur eine Handvoll Mittels-
personen lose miteinander vernetzt. Nicht nur die Täter in der Machtposition
haben Gleichgesinnte, sondern auch die Geschädigten, die unverdient ins Vi-
sier einer Skandalisierung geraten sind, haben ein Umfeld und tauschen sich
aus. Dieses Umfeld bemerkt den Schwindel und meldet ihn im Bekannten-
kreis informell weiter. Wegen des Schneeballeffekts wird die Zahl der Infor-
mierten schnell sehr groß. Darunter hat es solche, die aus erster Hand Kennt-
nisse zur Richtigkeit der Position der Geschädigten oder zu weiteren Fehlleis-
tungen des Autors oder seiner Institution haben. So entsteht eine wachsende
Glaubwürdigkeitsschuld. Die, die davon wissen, verbünden sich und es for-
miert sich eine schlagkräftige Opposition: Opfer werden zu Kämpfern.
Durch andauernde – große und kleine – Machtmissbräuche wird jeder
Klüngel immer unverfrorener und züchtet sich eine wachsende Opposition
heran. Die Urheber von verschleiernden Machenschaften machen sich etwas
vor, wenn sie meinen, langfristig damit durchzukommen: Zola hat es richtig
erfasst. Wegen der Raffinesse und der Penetranz des akademischen Gebildes
der «Theory» ist es allerdings heute vielen Medienschaffenden und Forschen-
den gar nicht bewusst, dass sie sich auf schlüpfriges Terrain begeben, wenn
sie deren Rezepte übernehmen. Mit der hyper-kritisch scheinenden Rhetorik,
die formell das Gütesiegel von Wissenschaft trägt, wähnen sie sich in Sicher-
heit.
II. Abschaffung und Verteufelung von Vernunft und Aufklärung
Der ideologische Rahmen rund um die postmoderne Dekonstruktion besteht
im Kampf gegen das rationale Denken und gegen die Aufklärung als solche.
1. Die «Befreiung» von der „Tyrannei“ der Logik
bei Nietzsche und Heidegger
Die aristotelische Logik,
15
die Widerspruchsfreiheit der Aussagen unterein-
ander und das Passen der Aussagen zur Realität, bilden die Basis der Verstän-
13
Zur Sunk Cost Falle: siehe Leahy 2000; zum Extinction Burst: siehe Fisher/
Greer/Shahan/Norris 2023; und zur intermittierenden Verstärkung: siehe Hogarth/
Villeval 2010.
14
Travers/Milgram 1969.
15
Aristoteles, Metaphysik, 1890.
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digung im demokratischen Rechtsstaat. Im römischen Recht hielt sie mit dem
Prinzip von „Treu und Glaube“ Einzug. Andere Möglichkeiten der Kommuni-
kation sind Bullshit, Manipulation, Wahn, Drohung, Lüge, Ehrverletzung.
Bösgläubige können alles missverstehen und entstellen, wenn sie wollen.
Deshalb muss Treu und Glaube als eine für alle verbindliche Handlungsweise
vorgeschrieben werden.
16
Nietzsche hingegen wollte die Menschheit von der „Tyrannei“ der Logik
«befreien».
17
Der spätere Nazi-Philosoph Heidegger verfolgte das gleiche
Ziel, aber er verschleierte seine Absichten:
18
Er befand die Wahrheitsannähe-
rung als Übereinstimmung des Gedankens mit der Sache,
19
für „allgemein
und leer“. Ohne sie völlig zu verwerfen, reduzierte er sie wortreich auf ein
„immanentes Wahrheitsbewußtsein […] ‚innerhalb der Sphäre‘ des Subjekts“
und ein „entdeckend-sein“. Unmerklich fiel dabei die intersubjektive Über-
prüfbarkeit dahin
20
und dem Bestreben, der Esoterik ein wissenschaftliches
Gütesiegel zu verleihen, stand nichts mehr im Weg (griech. ἐσωτερικός =
„innerlich“).
2. Neusprech, Willkür, Umkehrung aller Werte und Denkverbote
im Hörsaal Michel Foucaults
Das esoterische Programm Heideggers setzte Foucault in eine Politstrategie
um. Vier Epochen seiner Karriere lassen sich ausmachen:
21
Als Nachwuchs-
forscher bis 1968 war er zurückhaltend, setzte aber bereits thematische
Schwerpunkte (hier weggelassen). Mit der Ernennung zum Ordinarius in Paris
1969 wurde er quasi über Nacht zum Politaktivisten. Nach dem Scheitern
seiner Aktion für die iranische Revolution 1979 mäßigte er sich wieder und
legte auf dem Totenbett 1984 eine veritable Lebensbeichte ab. Der Fokus liegt
hier auf seinen propagandistischen Umtrieben bis 1978. Seine Argumente
waren schon damals überholt, sie entsprachen nicht dem Stand des analytisch-
philosophischen, historischen und kognitionspsychologischen Wissens.
Foucault statuierte eine „Geburt der Logik“, deren Regeln nicht dazu da
seien, [Konflikte] zu mildern, sondern sie seien „die kalkulierte Lust am Ge-
metzel, das Versprechen auf Blut“.
22
Nur wurde die Logik keineswegs gebo-
16
Schweizerische Bundesverfassung, Art. 5.
17
Nietzsche 1886, MA, I.6.
18
Heidegger 1927, SZ, S. 215 – 218.
19
Gemäss Aristoteles, Metaphysik, 1890.
20
Siehe Adorno 1964, S. 116.
21
Anhand der Biografie von Miller 2000.
22
Foucault 1971, S. 157.
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ren. Sie gehört zu den Naturgesetzen, sonst könnten mathematische Formeln
die physikalischen und chemischen Abläufe der Welt gar nicht beschreiben.
Die Beweise dafür sind erdrückend und deren Umsetzungen werden von je-
dermann täglich genutzt, als Technologien, gezüchtete Lebensmittel, Schule
und Ausbildung, Medizin, Verträge, usw. Das Zusammenspiel der Disziplinen
untereinander beweist die Immanenz der Logik in der Natur und im mensch-
lichen Geist, und zwar umfassend. Allerdings ist die Logik nicht die einzige
Denkweise und sie ist anstrengend. Wesentlich einfacher und bequemer ist
das assoziative, schnelle Denken. Es steht am Anfang der Evolution von Intel-
ligenz und springt auf oberflächliche Signale an, die an eigene, individuelle
Bedürfnisse gekoppelt sind.
23
Auf dem Zenit seines Aktivismus hielt Foucault am Collège de France 1976
die Vorlesung „Zur Verteidigung der Gesellschaft“ (VG). Dort skizzierte er
eine fatale hochschulpolitische Agenda. Er forderte – nicht etwa als Witz –
eine „Anti-Wissenschaft“ und erhob alle qualifizierten und unqualifizierten
Meinungen gleichermaßen zu „lokalen Wissensbeständen der Leute“ an.
24
Sie
fristeten ein unterworfenes Dasein, seien nicht konsensfähig und entsprächen
nicht dem Common Sense. Diese wollte er mit der Wissenschaft „verpaaren“.
Das «Paar» sei keineswegs genauer oder sorgfältiger als die Wissenschaft,
sondern ein Aufstand gegen den Zwang formeller theoretischer Diskurse. Er
gab ihm den unverfänglichen Namen „Genealogie“. So wie die Genealogie
stammen zahlreiche andere Ideenbruchstücke eigentlich von Nietzsche.
25
Ohne Namensangaben und ohne jede Auseinandersetzung damit streute Fou-
cault sie ein.
Als nächstes gleiste er einen geradezu Orwellschen Neusprech auf: Der
Friede, der dank des Gesetzes herrsche, übe in Wirklichkeit einen „stummen
Krieg“ aus.
26
Die Wahrheit sei nicht auf der Seite des Friedens, sondern sie sei
de facto irrational, sie sei Unvernunft, zynische und nackte Wut, Leidenschaft
und Brutalität. Die Wahrheit würde nur dann gesucht, wenn sie als Waffe die-
ne.
27
Die Vernunft sei „auf der Seite der Chimäre, der Arglist und der Bösen“.
28
Sein [anti-wissenschaftlicher] Diskurs hingegen werde „die Werte umdrehen“.
Er werde von „unten her“ eine „Erklärung“ durch „Konfusion“, „Unordnung“,
„Obskures“ und „möglichst Zufälliges“ liefern.
29
Wollte man dem folgen,
dann gehörten die menschenfeindlichen Umwertungen der belgischen Koloni-
23
Kahnemann, S. 85 ff., 238 f.
24
Foucault, VG, 7.1.1976, S. 10 f.
25
Nietzsche 1887, GM.
26
Foucault, VG, 21.1.1976, S. 37.
27
Foucault, VG, 21.1.1976, S. 39.
28
Foucault, VG, 21.1.1976, S. 40.
29
Foucault, VG, 21.1.1976, S. 39 f.; idem S. 177.
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alherrschaft im Kongo oder die Vorschriften der Scharia ebenfalls zu «lokalen
Wissensbeständen» und dürften mit Wissenschaft «verpaart» werden – um das
Abschlagen von Händen kulturrelativistisch zu legitimieren. Solche Praktiken
zu entlarven hingegen, erfordert formelle theoretische Diskurse – und diese
lehnte der «Großdenker» ab.
Berechtigte Anliegen und echte, wertvolle Wissensbestände von Diskrimi-
nierten, z. B. aus dem globalen Süden, gibt es und sie befinden sich selbstver-
ständlich im Einklang mit der aristotelischen Logik. Ihnen zu ihrem Recht zu
verhelfen, ist leider ein äußerst komplexes, langwieriges und tlw. völlig unge-
löstes Problem, dazu müsste man beispielsweise geeignete Wege finden, die
lokalen Despoten militärisch und finanziell zu entmachten und dafür hat
bisher niemand ein Rezept. Einige Politaktivisten suchen die Abkürzung und
generieren Pseudo-Lösungen, so wie diese «Anti-Wissenschaft». Faktisch
wird sie dafür missbraucht werden, extremistische, opportunistische, men-
schenfeindliche und verbrecherische Projekte akademisch zu adeln. Nur sol-
che Projekte bedürfen der Propaganda mit Hilfe von Konfusion und möglichst
Zufälligem. Foucaults unbedachte Initiative stützt vornehmlich Machenschaf-
ten von Eliten und nicht etwa die Stimmen der Unterdrückten, denn die Letz-
teren haben gar nicht die Ressourcen dazu, sich zu äußern, oder wenn sie sie
ausnahmsweise haben, werden sie nicht ernst genommen.
Wie wird nun „möglichst Zufälliges“ als vorgebliche Quelle konkret ver-
wendet? Hierzu liefert Foucault mit einer ahistorischen Verwendung des Wor-
tes „Rasse“ eine Vorlage, die seitdem unzählige Male kopiert worden ist, um
vergangenen Autoren alles Mögliche zu unterstellen oder sie zu weit herge-
holten «Konstruktionen» zu benutzen (siehe nächster Abschnitt II.3).
Die „Umwertung aller Werte“ stammt von Nietzsche.
30
Aus dem Zusam-
menhang gerissen, lässt sie sich für jede totalitäre Doktrin propagandistisch
einspannen. Heidegger hat sie 1943 in Vereinnahmung Nietzsches als „Neu-
setzung aller Werte“ fortschrittlich konnotieren wollen,
31
wobei er eine Defi-
nition aus dessen umstrittenem Nachlass einfügte, die sich mit Hilfe nebulöser
Begriffe zum Mitmarschieren mit der Agenda des Dritten Reichs eignete:
„Der Gesichtspunkt des ‚Werts‘ ist der Gesichtspunkt von Erhaltungs-, Stei-
gerungs-Bedingungen in Hinsicht auf komplexe Gebilde von relativer Dauer
des Lebens innerhalb des Werdens“
32
, was 1943 als «Rassenverbesserung»,
«Reinigung des Volkskörpers» verstanden wurde.
Auch andernorts sprach Foucault Verbote gegen Metakognition und gegen
innovatives Denken aus. Er leugnete Kausalität und wollte die Dinge bei einer
30
Nietzsche 1887, GM I.7 f.; 1886, JGB 3.46; 1906, 15.
31
Heidegger, GA 1994, S. 226 f.
32
Nietzsche, Nachlass 1906, 15.715.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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„konkreten“ Beschreibung belassen: „Ursache […] sei zu keiner Zeit etwas
anderes als schlicht und einfach Wirkung“.
33
In Los Angeles 1978 wetterte er
gegen die Hegelsche Dialektik, die es erlaubt, hinter vermeintliche Wider-
sprüchlichkeiten zu sehen und diese (manchmal) mit einer Synthese aufzulö-
sen vermag: „Je n’accepte pas ce mot de dialectique. Non et non!“
34
3. Modellhafte Sprechhandlungen zur Umsetzung
der anti-aufklärerischen Agenda
Die radikale Berühmtheit setzte ihre «Anti-Wissenschaft» sogleich in
Sprechhandlungen um. Seine Vorlesung von 1976 trägt als Strategie distinkte
Züge von Aussagen aus dem Nietzsche-Nachlass und des Freund-/Feind
Schemas des Nazi-Rechtsphilosophen und Machttheoretikers Carl Schmitt –
ohne es zu deklarieren:
35
Foucault wollte eine „binäre Analyse“ zu einem
(angeblichen) „ewigen Krieg“ zwischen einer „Über-Rasse“ und einer „Unter-
Rasse“ (sic) vorlegen.
36
Die letztere konzipierte er als Kategorie aller segre-
gierten unterdrückten Gruppen,
37
die sich kaum miteinander „mischten“
38
(z. B. „Anormale“)
39
. Foucault wand sich hin und her:
40
Man müsse den
„rassistischen Diskurs“ vom „Rassenkrieg“ unterscheiden und er wolle dem
„Krieg“ resp. dem „Rassenkampf“ ein Lob zollen; dahingehend erhob er ihn
zum „prophetischen Bruch“.
41
Weiter behauptete er, Marx habe 1882 ge-
schrieben, der Klassenkampf gehe eigentlich auf einen „Rassenkampf“ zu-
rück. Der angebliche Brief an Engels mit dem «Zitat» war unauffindbar. Das
Zitat gibt es offensichtlich nicht, sonst wäre es längst bekannt. Die Herausge-
ber versuchten, zwei äußerst dünne Hinweise auf französische Autoren von
1852 und 1864 zu bemühen, in denen aber kein solcher Satz steht.
42
Scheinbar
hat hier die «Verpaarung» mit der Wissenschaft nicht ganz geklappt. Dass
Marx nachher in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ (1867) den Begriff
„Klasse“ 192 Mal verwendete, aber den der „Rasse“ – in der heutigen Veren-
gung auf einen biologischen oder kulturellen Sinn des Wortes – nicht verwen-
det hat und auch gar nicht verwenden konnte und dass es auf den 792 Seiten
33
Foucault 1969, AW, S. 246.
34
Foucault DE III: 221, S. 471.
35
Nietzsche, Nachlass 1906; Schmitt 1932.
36
Foucault, VG, 21.1.1976, S. 43 f.; 28.1.1976, S. 54; 4.2.1976, S. 59, 76; 17.3.1976,
S. 159, 168 ff.
37
Foucault, VG, 21.1.1976, S. 44 f.
38
Foucault, VG, 28.1.1976, S. 53 f.
39
Foucault, VG, 17.3.1976, S. 169.
40
Foucault, VG, 28.1.1976, S. 46.
41
Foucault, VG, 28.1.1976, S. 49 f.
42
Foucault, VG, 28.1.1976, S. 55, Fn. 6.
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Henriette Haas
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fast ausschliesslich um Ökonomie, nicht um Stammbaum und Ethnie ging,
43
scherte den «Anti-Wissenschaftler» überhaupt nicht. Wahr ist, dass Marx das
Wort „Race“ auf 9 Seiten im damaligen allgemeinen Sinn eines Oberbegriffs
für jegliche Gruppe, Volk oder Population benutzt hat (z. B. Warenbesitzer,
entartete Töpfer versus gesunde Racen, Aristokratie, Klasse, Arbeiter als Ra-
cen, christliche Racen).
44
Es fällt auf, dass Foucault (unter Missachtung des
seriösen historischen Handwerks) die große Bedeutungsverschiebung des
Wortes „Rasse“ im Lauf der Jahrhunderte bis zur Nachkriegszeit mehr oder
weniger unter den Teppich kehrt und damit die Leser in die Irre führt. Dieser
Trick wird heute von der Anhängerschaft vielfach kopiert, um vergangenen
Akteuren zu unterschieben, sie Rassisten gewesen, weil sie das R-Wort be-
nutzt hatten.
„Binäre Analyse“ ist ein Widerspruch in sich, eine Contradictio in adjecto.
Da sie die Dinge nicht in ihre ursprünglichen Bestandteile auflöst, ist sie keine
ana-lyse (griech. ανάλυση), sondern sie erhebt als Petitio Principii (Vorweg-
nahme des Beweisgrundes) das erwünschte Resultat zur Prämisse. Solche und
andere Zirkelschlüsse finden sich in Politik, Presse und der «Theory» häufig.
4. Der Nationalsozialismus aus
der «anti-wissenschaftlichen» Sicht Foucaults
Eine Umsetzung der «Anti-Wissenschaft» sind folgende Passagen: Nach-
dem der französische Kultautor die Rolle der Religion in der Weltgeschichte
rundweg leugnete,
45
«verpaarte» er die Shoah (er schrieb „ ‚Endlösung‘ “) mit
dem „absoluten Suizid der deutschen Rasse“, einem „Spiel“ (sic), welches der
Nationalsozialismus zum Paroxysmus getrieben habe, das aber allen moder-
nen Staaten inhärent sei. Als «Beweis» versteckt sich in der Fußnote: „cf. Er-
innerungen A. Speer“.
46
Es handelt sich um die Legitimations-Lüge des
Reichs-Rüstungsministers Albert Speer, dessen Rolle Foucault im Dunkeln
ließ. Quellenkritik scheint ihm ein Fremdwort gewesen zu sein. Faktisch ver-
lieh er damit einem Hauptkriegsverbrecher neue historische Glaubwürdigkeit
und schuf ein Modell dafür, was «Anti-Wissenschaft» sich herausnehmen
dürfe. Das Motto dieser Mentalität fasste Nietzsche einst mit dem Zitat,
„nichts ist wahr, alles ist erlaubt“, zusammen.
47
43
Marx, Das Kapital 1867.
44
Marx, 1867, S. 135, 214, 239, 449, 500 f., 734 f., 763. Ich danke Tobias Reichardt
dafür, dass er mich darauf aufmerksam gemacht hat. Zur Bedeutungsverschiebung des
Wortes „Rasse“ siehe Schmitz-Berning, S. 481 – 490.
45
Foucault, VG, 4.2.1976, S. 60; 11.2.1976, S. 80 ff.
46
Foucault, VG, 17.3.1976, S. 172.
47
Nietzsche 1887, GM III.24.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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5. Foucault-Rezeption und spätere Rechtfertigungen
für den Kampf gegen die Ratio
Vielleicht hat Foucault diese Entgleisungen irgendwo versteckt widerrufen,
nur kann Duplizität eine verlorene Glaubwürdigkeit nicht wiederherstellen.
Die Vorlesung von 1976 wird nicht an die große Glocke gehängt, jedoch nut-
zen und vertreiben radikale Anhänger diese «Ideen», oft ohne den Ursprung
zu nennen. Eine höhere moralische Legitimität als die von Speer verschaffen
sich Gegenaufklärer nun, indem sie behaupten, sich gegen die Diskriminie-
rung von Angehörigen nicht-europäischer Kulturen zu wehren. Auch diese
strategisch-politische Idee ist in Foucaults Neuauflage eines binären, alle Ge-
meinschaften spaltenden «Rasse-Gedankens» angelegt.
48
Der durch sein Buch „Historische Anthropologie“ und seine Tätigkeit als
Mitglied der Kommission „Schweiz – 2. Weltkrieg“ bekannte Schweizer His-
toriker und Foucault Exeget Jakob Tanner liefert Literatur-Hinweise zu einem
„Kulturschock“ unter Historikern
49
und wendet sich seinerseits gegen die
Aufklärung:
„Wer Geschichte und Hermeneutik mit der Aufklärung beginnen sieht, lässt wenig
Raum für das Verständnis anderer Kulturen, die zudem aufgrund ihrer Nicht-Aufge-
klärtheit und vorhermeneutischen Reflexionsstufen mit einem generalisierten Fun-
damentalismusverdacht belegt werden.“
50
Die absurden Beispiele, die sich nach Foucaults «Verbot» von kausalem
Denken breit machen konnten, lässt Tanner hingegen weg. Der von ihm abge-
handelte Evans hingegen tut es: Sogar die Logik, dass die Ursache der Wir-
kung zeitlich vorangehen muss, wird von «Kulturtheoretikern» in Frage ge-
stellt, denn sie sei „oppressiv und kontrollierend“, sie „legitimiere einen hege-
monialen Diskurs“ und „privilegiere die westliche Weltsicht“.
51
Auch an ei-
nem Kongress in Zürich wurde allen Ernstes die esoterische Idee von
„gefalteter Zeit“ erwogen.
52
Die Behauptung, Aufklärung und Vernunft seien westliche Entwicklungen,
ist empirisch falsch und hat einen herablassenden, diskriminierenden Bei-
klang. Unverständlicherweise schießen selbst einzelne Historiker aus ehemals
kolonialisierten Ländern dieses Eigentor,
53
aber beileibe nicht alle. Hochkul-
turen kamen überall auf der Welt zur Blüte, nur nicht zur gleichen Zeit. Den
Vorsprung Europas ab dem späteren Mittelalter und die militärische und see-
48
Foucault, siehe VG, 21.1.1976, S. 44 f.; 28.1.1976, S. 53 f., 59; 17.3.1976, S. 169.
49
Tanner 2005, S. 49.
50
Tanner 2005, S. 43.
51
Evans, S. 141.
52
Germann 2010.
53
Etwa Mbembe, S. 18 f.
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fahrerische Dominanz kann man mit dem potenzierten Effekt weniger Erfin-
dungen wie Buchdruck, Glasschleiferei und Schießpulver erklären, letztlich
eine Häufung von Zufällen. Um das zu erkennen, müsste man allerdings ur-
sächlich und dialektisch denken, doch dazu sagte der «Meister»: „non, et
non!“
Wenn Aufklärung, Bildung im logischen Denken und Demokratisierung
nicht kurzfristig universal entwickelt und umgesetzt werden konnten und
wenn in ihrem Namen auch Verbrechen begangen wurden, heisst das noch
lange nicht, dass manipulative Rhetorik und unlogisches Denken sowie ziel-
lose Revolutionen den „Verdammten dieser Erde“ zu einem besseren Leben
und zu mehr Gerechtigkeit verhülfen.
6. Ein Wort zu Foucaults Verdiensten
An diesem Punkt fühlen sich einige Leser vielleicht missverstanden, weil
die Verdienste Foucaults und seiner Schule bis anhin mit keinem Wort zur
Sprache kamen. Für eine wohlwollende, aber nicht unkritische Rezeption sei-
nes Gesamtwerks, die hier aus Platzgründen unmöglich ist, verweise ich auf
die Werke von Megill, Kohler und Marti.
Für bedeutend halte ich die Idee, Macht nicht bloß personengebunden zu
erfassen, sondern auch die sich verselbständigende Dynamik von Diskursen
zu betrachten. Niemand möchte diese Innovation missen. Das Setzen der So-
zial- und Wissenschaftsgeschichte als Forschungsthemen gilt ebenfalls als
Errungenschaft; und nicht zu Unrecht. Schade ist jedoch, dass Foucaults Ab-
handlungen jeweils vor dem entscheidenden 20. Jahrhundert enden, um das
Gespenst einer «biopolitischen Überwachung und Disziplinierung» an die
Wand zu malen.
54
In seiner späten Phase (ca. ab 1979) wurde Foucault ab-
und aufgeklärter. Diese Werke habe ich nicht in meine Kritik eingeschlossen.
Wissenschaftlich belastbare Auslegungen von Foucaults Werk und innovative
Verbesserungen gibt es sehr wohl, doch sie erhalten leider zu wenig Beach-
tung.
III. Geschichtsklitterung mit dem Heidegger-Amalgam
einer „Geschichte der Gegenwart“
Die folgenden Passagen sind keine verstaubte Theorie, sondern sie bilden
eine Mixtur von rhetorischen Kniffen und Trugschlüssen, der wir täglich be-
gegnen. Im Hochschulbetrieb gilt der radikale Mix als chic und wird vielfach
gefördert statt entlarvt.
54
Siehe Marti, S. 23, 33, 47, 55.
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1. Der Freibrief für Wissenschafts- und
Journalismus-Travestien aus „Sein und Zeit“
Heidegger schrieb, Nietzsche habe „das Wesentliche über ‚Nutzen und
Nachteil der Historie für das Leben‘ in seiner zweiten unzeitgemäßen Be-
trachtung (1874) erkannt und eindeutig-eindringlich gesagt“.
55
Wesentliche
Teile des „Wesentlichen“ ließ er im Dunkeln, nämlich: Die Menschen ertrü-
gen die Wahrheit nicht und es sei besser, sie in Illusionen leben zu lassen, was
aber einer Fälschung gleichkomme:
„Der historische Sinn, wenn er ungebändigt waltet und alle seine Consequenzen
zieht, entwurzelt die Zukunft, weil er die Illusionen zerstört und den bestehenden
Dingen ihre Atmosphäre nimmt, in der sie allein leben können. Die historische Ge-
rechtigkeit, selbst wenn sie wirklich und in reiner Gesinnung geübt wird, ist deshalb
eine schreckliche Tugend, weil sie immer das Lebendige untergräbt und zu Falle
bringt: ihr Richten ist immer ein Vernichten. […] Der Grund liegt darin, dass bei der
historischen Nachrechnung jedesmal so viel Falsches, Rohes, Unmenschliches, Ab-
surdes, Gewaltsames zu Tage tritt, dass die pietätvolle Illusions-Stimmung, in der
Alles, was leben will, allein leben kann, nothwendig zerstiebt: nur in Liebe aber, nur
umschattet von der Illusion der Liebe schafft der Mensch, nämlich nur im unbeding-
ten Glauben an das Vollkommene und Rechte. Jedem, den man zwingt, nicht mehr
unbedingt zu lieben, hat man die Wurzeln seiner Kraft abgeschnitten: er muss ver-
dorren, nämlich unehrlich werden. In solchen Wirkungen ist der Historie die Kunst
entgegengesetzt: und nur wenn die Historie es erträgt, zum Kunstwerk umgebildet,
also reines Kunstgebilde zu werden, kann sie vielleicht Instincte erhalten oder sogar
wecken. Eine solche Geschichtsschreibung würde aber durchaus dem analytischen
und unkünstlerischen Zuge unserer Zeit widersprechen, ja von ihr als Fälschung
empfunden werden.“
56
Im Kapitel „Ursprung der Historie“ verschmolz Heidegger Nietzsches te-
leologische Erwägungen zu einer Abstraktion, ohne das explizit zu machen.
Er fasste die Zeitachse, die äußere Realität und die menschliche Erkenntnis
zur angeblichen «Einheit» zusammen:
„Das Dasein zeitigt sich in der Einheit von Zukunft und Gewesenheit als Gegen-
wart. […] Die monumentalisch-antiquarische Historie ist als eigentliche notwendig
Kritik der ‚Gegenwart‘.“
57
Der schwammige Begriff «Dasein» negiert den Pluralismus (wer ist das
und was tut es?). Er eignet sich nicht, um Erkenntnisphilosophie zu betreiben,
wo es um Konvergenz und Divergenz von wahrnehmenden und denkenden
Subjekten geht. Gleichzeitig unterschlug er Nietzsches Vorbehalt gegen die
55
Heidegger 1927, SZ, S. 396.
56
Nietzsche 1874, UB, Nr. 7.
57
Heidegger 1927, SZ, S. 396.
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Fälschung. Stattdessen gesellte er das unwahre Werturteil „eindeutig-ein-
dringlich“ hinzu, von dem nur das „eindringlich“ zutrifft.
Das Amalgam stützt die Idee, dass unmündige Bürger mit gefälligen Klitte-
rungen und falschen Zukunftsversprechen bei Stange gehalten werden müss-
ten. Heidegger meinte:
„Die Historie nimmt daher – so wenig wie die Geschichtlichkeit des unhistorischen
Daseins – ihren Ausgang keineswegs in der ‚Gegenwart‘ und beim nur heute ‚Wirk-
lichen‘, um sich von da zu einem Vergangenen zurückzutasten, sondern auch die
historische Erschließung zeitigt sich aus der Zukunft. Die ‚Auswahl‘ dessen, was
für die Historie möglicher Gegenstand werden soll, ist schon getroffen, in der fakti-
schen, existenziellen Wahl der Geschichtlichkeit des Daseins, in dem allererst die
Historie entspringt und einzig ist.“
58
Er unterstellte damit, es gäbe nur eine einzige Wahl (entgegen dem Wort-
sinn) und negierte die Entscheidungsfreiheit. Durch die Hintertür einer – wie
von selbst entstehenden – einseitigen Quellenselektion verschaffte er der Ma-
nipulation ein salonfähiges Etikett und eine Legitimität, die sie bei Nietzsche
noch nicht hatte. Heute heißt es Cherry-Picking von Daten: Es kann zur Täu-
schung durch Auslassung eingesetzt werden und zum Aufstellen falscher
Frames. Im Modus der Skandalisierung diskreditieren gewisse Autoren redli-
che Personen, indem sie relevante Teile von deren Handlungen und Aussagen
weglassen und sie mit wolkigen Andeutungen in den Verdacht von Gesetzes-
brüchen, Opportunismus, Rechtsextremismus, Profilierungssucht oder abfälli-
gen Clichés rücken.
59
Wenn es keine Logik, keine Debatte und keine Entscheidungsfreiheit gibt,
sondern nur verantwortungslose Eigenmächtigkeit, lautet die politisch alles
entscheidende Frage: Wer wird zum Führer, der die «Geschichte» von ins
Dasein geworfenen und der Unwahrheit verfallenden
60
Menschenmassen
schreibt? Die Antwort liegt auf der Hand: Derjenige, der am skrupellosesten
manipulieren kann. Die Ausschnitte aus „Sein und Zeit“ zeigen die Raffinesse
und die Gefährlichkeit des „Jargon der Eigentlichkeit“ (nach Adorno). In sei-
ner Verblendung trat Heidegger der NSDAP bei, unterstützte die völkische
«Wissenschaft» und wurde 1934 Gründungsmitglied des nationalsozialisti-
schen «Ausschusses für Rechtsphilosophie» unter dem Hauptkriegsverbrecher
Hans Frank (histoire à suivre). Von 1947 bis 1950 hatte er Lehrverbot und
blieb uneinsichtig.
61
Die ohne Hintergrundinformation nicht unterscheidbare Mischung von
Fakten und Wertungen sowie die impliziten Selbstwidersprüche sind populär
58
Heidegger 1927, SZ, S. 395.
59
Siehe Kepplinger, S. 39, 60, 68 – 72.
60
Heidegger 1927, SZ, S. 221 f.
61
Klee, S. 237 f.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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geworden. Der Trick, Fakten nur teilweise zu nennen, oder bloß auf einen
Text zu verweisen, und danach den Gehalt mit einer entstellenden Bewertung
zu garnieren, wird auch im «anwaltschaftlichen» Journalismus verwendet. Er
verhilft Schreibenden zu einer falschen Legitimation (vorübergehend).
2. Foucaults stille Übernahme des Heidegger-Amalgams
Bei Foucault erscheint das Heidegger-Amalgam unter dem prägnanten
Oxymoron „Geschichte der Gegenwart“,
62
nur fehlt der Nazi-Philosoph, der
es wörtlich so formuliert hatte, als dessen Urheber.
63
Andernorts geht Fou-
cault implizit vor, in dem er das Präsens für Vergangenes verwendet, um es
«wieder zu verwerten».
64
Der Freibrief zur Klitterung wurde vom Namen
Heidegger weißgewaschen. Erst auf dem Totenbett im Mai 1984 gestand Fou-
cault, sein „gesamter Werdegang“ sei „durch die Lektüre von Nietzsche und
Heidegger determiniert gewesen“, um sogleich zu einem Rückzieher anzuset-
zen, es sei vornehmlich Nietzsche gewesen und er kenne „ ‚Sein und Zeit‘ “
„praktisch nicht“.
65
Gleichwohl verwies er mit Anführungszeichen auf die
Ebene „des ‚man sagt‘ “,
66
einfach ohne Referenz zu Heidegger.
67
Fußnoten
zu Nietzsche sind dünn gesät; zu Heidegger habe ich keine gefunden. Eine
derart mangelhafte Quellenvalidität war schon 1969 in der Wissenschaft un-
üblich und sollte zu größter Vorsicht mahnen.
Der Sophist nahm den Ball zum Legitimieren von Klitterung nicht nur auf,
er hat diese Machenschaft entscheidend geprägt und weiterentwickelt. Seine
Absicht deklarierte er mehrfach. Er sei „nicht wirklich Historiker“, sondern er
praktiziere „eine Art historische Fiktion“, von der er sich erhoffe, dass daraus
Inferenzen gezogen würden, die einen Effekt auf die gegenwärtige Geschichte
hätten.
68
Seine Bücher seien eine Toolbox, Taktiken „wie Operationsmesser,
Molotowcocktails oder unterirdische Stollen“, die „nach dem Gebrauch ver-
kohlen wie Feuerwerke“.
69
Schließlich meinte er, er betreibe „keine Philoso-
phie“ und „keine überprüfbare Wissenschaft“, sondern er sei ein „Spreng-
meister“ und strebe „eine Belagerung, einen Krieg und eine Zerstörung“ an;
62
Foucault 1975, ÜS, S. 43.
63
Heidegger 1927, SZ, S. 393.
64
Foucault 1969, AW, S. 159.
65
Foucault DE IV.354, S. 703.
66
Foucault 1969, AW, S. 178 f.
67
Heidegger 1927, SZ, S. 127.
68
Foucault DE IV.280, S. 40.
69
Foucault DE II.152, S. 725.
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er sei nicht wirklich für Zerstörung, aber man müsse die Mauern einstürzen
lassen.
70
Zuweilen ertönte vom Turm von Babel auch das genaue Gegenteil: „Inso-
weit kann alles, was ich in meinen Büchern sage, verifiziert oder widerlegt
werden, nicht anders als bei jedem anderen historischen Buch“
71
sowie kurz
vor seinem Tod: „Es ist wahr, dass ich mich nicht auf Polemiken einlasse“.
72
Was gilt denn jetzt? Auch gegen diesen Vorhalt hat er schon 1969 präventiv
ein Dementi fabriziert: „Fragen sie nicht, wer ich bin, und sagen sie mir nicht,
dass ich derselbe bleiben muss“.
73
3. Die Rezeption des Amalgams unter neuen Etiketten
wie «Wirklichkeitskonstruktion»
Manche halten die Kombination „Geschichte der Gegenwart“ für sinnvoll,
weil sie Synergien zwischen Journalismus und Historiografie herstelle. Gegen
eine historische Vertiefung der Aktualität ist nichts einzuwenden und auch
nicht gegen ein Lernen aus der Vergangenheit, im Gegenteil. Nur muss die
Brücke stringent formuliert sein, z. B. als: Historische Hintergründe zur Ge-
genwart, Geschichte aus gegenwärtiger Sicht, oder zumindest: Geschichte
und Gegenwart. Vor der Jahrtausendwende stieß das Amalgam noch auf dezi-
dierte akademische Gegenwehr (z. B. bei Evans). Auch Kreis kritisierte 1977
Historikerkollegen, welche „die Vergangenheit bloß“ als einen „Steinbruch“
betrachteten, aus dem man „Wurfgeschosse für […] Gegenwartspolemik be-
ziehen“ könne.
74
Im jungen Jahrtausend wurde das Amalgam wieder populärer denn je, ohne
dass sein wahrer Urheber genannt würde. Die Mischung von Vergangenheit
und Gegenwart bringt beispielsweise Tanner (2005) unter Foucaults „Vorgriff
auf die Zukunft“ und mit Hans Georg Gadamer ins Spiel.
75
Als Heidegger-
Schüler und Emporkömmling unter dem Nationalsozialismus
76
verharrte er
im Antirealismus und benutzt unkritisch den verschleiernden Jargon seines
Lehrers.
77
Auch Tanner assistiert einer esoterischen «Erkenntnisprüfung» in-
nerhalb der Sphäre des Subjekts, ohne etwas von Nietzsches Bedenken gegen
70
Droit 1975.
71
Foucault zit. nach Sarasin 2005, S. 212.
72
Foucault DE IV.342, S. 591.
73
Foucault 1969, AW, S. 30.
74
Kreis, NZZ 7.7.1977, S. 27.
75
Tanner 2005, S. 58, 55.
76
Klee, S. 172.
77
Elbe, S. 112 – 140. Dieses sehr lesenswerte Kapitel zeigt auf, wie Gadamer
Heideg gers Verschleierungen auf ein «höheres» und damit schwerer durchschaubares
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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Fälschung oder von Foucaults Einschränkung, das sei keine überprüfbare
Wissenschaft, verlauten zu lassen:
„Die ‚Wirklichkeitskonstruktion‘ des Historikers hängt also vom ‚Spiel mit den
Größenordnungen‘ ab, sie resultiert aus dem Standpunkt, den der historische Beob-
achter im Spektrum möglicher Positionen einzunehmen sich jeweils entschlossen
hat.“
78
Mit dem so präsentierten «Spiel mit Größenordnungen» stellt Tanner die
Anforderung der korrekten Kontextualisierung in Abrede, indem er nachher
eine „Inkommensurabilität“ von großen und kleinen Zusammenhängen als
falsche Prämisse postuliert. Den Begriff „inkommensurabel“ hat er falsch
verstanden. Gesellschafts- und Wirtschaftstheorien (die zu den großen Zusam-
menhängen zählen) sind keine zwingenden Deduktionen, sondern nur Abduk-
tionen (d. h. plausible, passende Erklärungen), wobei jede einzelne Sub-Hypo-
these überprüft werden kann und muss. Anders als er glauben lässt, ist es ohne
weiteres möglich, Theorien, Trends, Gruppennormen sowie individuelle Aus-
sagen und Motivationen einander gegenüberzustellen und zu vergleichen.
Niemand hindert einen daran.
79
Als methodische Vorgabe, die Tanner ohne
jede Abgrenzung gegen allfällige Missbräuche erlässt, ermöglicht dieses
„Spiel mit den Größenordnungen“ darüber hinaus das unredliche Framing mit
Hilfe von Foucaults „möglichst Zufälligem“.
80
Das Oxymoron «Wirklichkeitskonstruktion» panscht alles: Vergangenheit,
Gegenwart, Zukunft, Fakten und Arbeitshypothesen resultieren quasi zusam-
men aus dem „Standpunkt“. Foucault benannte den Standpunkt als „mögli-
chen Platz“ und „nicht von irgendwo“.
81
Bei Heidegger fällt er in die „Gewor-
fenheit des Daseins“.
82
Die unglückliche Wortwahl erlaubt das Zurechtbiegen,
das cherry-picking und «Neuauflagen» von «Geschichte der Gegenwart» zum
Zweck aktueller politischer Beeinflussung oder des persönlichen Ehrgeizes
unter Missachtung des historischen Kenntnisstandes über die abgehandelte
Materie. Wir erfahren nicht, woher der frivole Begriff «Wirklichkeitskonst-
Niveau gebracht hat – er hat ein neues konstruktivistisches Gespinst rund ums das Alte
gewoben.
78
Tanner 2004, S. 115.
79
Tanner 2004, S. 115, mehr dazu siehe Haas 2019b.
80
Z. B. der Satz, «Im Sommer 2016, als über 5‘000 Flüchtlinge elendiglich im Mit-
telmeer ertranken, nahm G. freudstrahlend den Preis für sein Buch über Migration
entgegen», unterstellt, dass G. als Mensch besonders herzlos und narzisstisch sei, ob-
wohl de facto niemand den ganzen Sommer lang in Trauer über das Los der Flücht-
linge verharren kann und obwohl sein Buch vielleicht zur Verhinderung solcher Un-
glücke beitragen möchte – nur wird das dann verschwiegen. (Ertrunkene Flüchtlinge
aus: Statista).
81
Foucault 1969, AW, S. 177f.
82
Heidegger 1927, SZ, S. 221.
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ruktion» stammt. Er verdrängt den der „Repräsentation“, der „Rekonstruk-
tion“ oder „Abbildung“. Man erwartet aus wissenschaftlicher Sicht nicht „ein
Spektrum möglicher Positionen“, sondern die konkrete Datenbasis, das Subs-
trat, das anhand der Sekundärliteratur auf dem Radar und während den Ar-
chivbesuchen in unmittelbarer Reichweite des Autors lag. Die Repräsentation
dieser Datenbasis trägt der Begrenztheit von Erkenntnissen und der Sorgfalt
gleichermaßen Rechnung, insofern als jede Abbildung zwar unvollständig
bleiben muss, aber dafür die sog. Aktenwahrheit korrekt und ausgewogen ab-
bilden kann.
83
Wie Musik in den Ohren vieler Studierender tönt die Erlaubnis, ihre Posi-
tion selbst entscheiden zu dürfen und die Abwesenheit von jeglichem mah-
nenden Zeigefinger. Man sei frei, man dürfe kreativ sein und seine politischen
Anliegen einbringen – erhoffen sie sich vom Fach Geschichte. Mangels Be-
rufserfahrung ahnen sie nicht, was passiert, wenn in einem Betrieb die ergeb-
nisoffene Neugier an der Aufklärung verloren geht. Dann reservieren die
Machthaber die Erlaubnis zur Fiktion und zur «Wirklichkeitskonstruktion»
für sich selbst. Für Angestellte gilt hingegen das Meta-Narrativ: „Wes Brot
ich ess, des Lied ich sing“.
84
Die rechtliche Verantwortung für hierarchisch
gelenkte Klitterungen liegt aber immer noch beim zeichnenden Autor, nicht
bei den Chefs.
IV. Im Gespinst selbstreferentieller Relativismus-Trugschlüsse
Heidegger und Nietzsche haben die „geheime Lehre“ des antiken Sophisten
Protagoras wiederbelebt.
85
Dessen dogmatischer Relativismus „für jeden ist
es so, wie es ihm scheint“, dient als implizite Prämisse. Auch die Physik sei
nur eine „Weltauslegung und Zurechtlegung“ meinte Nietzsche.
86
Der Ver-
such, die Vernunft mit weiterer Vernunft oder mit Moral zu «besiegen», krankt
an sich selbst. Er ist kognitiv nicht begründbar, wenn es die Vernunft gar nicht
gäbe. Wenn es die Vernunft zwar gibt, aber nur als «Ausfluss des Bösen»,
dann wäre das rationale Aufzeigen ihrer Begrenztheit oder immanenten Ver-
werflichkeit ebenso unethisch. Man dürfte nur noch grölen und lallen. Der
Relativismus kann jedoch eine Machtstrategie sein. Wer sich auf ihn beruft,
weckt den Anschein, über allem zu stehen.
83
Seiffert 2006, S. 79 f.
84
Siehe Strebel, Jan 2020, S. 4.
85
Bühler 1989, S. 16 f.
86
Nietzsche 1886, JGB, 1.14.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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1. Die Weltfremdheit des Relativismus
«Theory»-Anhänger verwechseln den Relativismus mit dem Skeptizismus
gegenüber naivem Fortschrittsglauben.
87
Nietzsche leugnete 1873 die Mög-
lichkeit, zu intersubjektiv belastbarer Erkenntnis zu gelangen:
„Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anth-
ropomorphismen kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und
rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Ge-
brauche einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind
Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die ab-
genutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, […].“
88
Die Idee, dass eine Einigung über Sachverhalte sinnlos sei und jedes Sehen
nur perspektivisch, beruht auf der Sophisterei des unerreichbaren Ideals und
des Negierens der Möglichkeit, Begriffe zu definieren und sie operativ umzu-
setzen. Die zu hohe Messlatte besteht aus der Forderung, Sprache müsse eine
perfekte und eindeutige Abbildung der Realität sein, ansonsten sei sie gar
nichts wert. Wieder sind wir mit der petitio principii konfrontiert, die hier in
einen Alles-oder-Nichts Kurzschluss mündet.
Anders als Nietzsche schloss Heidegger sprachliches Verständnis nicht ka-
tegorisch aus, aber er konnotierte es oft essentialistisch als „Mitsein“
89
oder
auch räumlich.
90
Dies legt eine völkische «Blut-und-Boden»-Auslegung nahe
und ermöglicht sie. Seine pompöse Privatsprache vereinnahmt die Leser. Sie
bedarf noch einer kritischen Rezeption unter Zuhilfenahme der „Schwarzen
Hefte“.
Der Nachweis der Tauglichkeit der Sprache als eine Form der Abbildung ist
pragmatisch erbracht, mit Wörterbüchern, Lexika, dem Lernen von Fremd-
sprachen und indem Sprache universell zu Erfindungen und Entdeckungen
geführt hat: Schrift, Musik, Heilpflanzen, Astronomie, Mathematik, Architek-
tur, Waffen und Schiffe. Außerhalb des Relativismus-Tanzes im Elfenbein-
turm bezweifelt das eigentlich niemand. Die Metaphern-Illusions-Behauptung
widerspricht der erlebten Realität, indem sie den Spezialfall mehrfacher oder
unklarer Bedeutungen zum Allgemeinfall erhebt. Mit Nietzsche wird eine
Autorität bemüht, die es mit einer falschen Prämisse ermöglicht, die Bedeu-
tung von Sätzen und Wörtern zu verfremden, wie es einem Autor gerade in
den Kram passt. Die Abgehobenheit der Relativisten zeigt sich im Auseinan-
derklaffen von Wort und Tat. Wenn Physik nur eine Auslegung und Sprache
unendlich vielfältig interpretierbar sei, weshalb setzen sie sich in den Zug statt
87
Z. B. Tanner 2005, S. 53.
88
Nietzsche 1973, WL.1.
89
Heidegger 1927, SZ, S. 119, 161 – 164.
90
Goldschmidt 2023.
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auf den fliegenden Teppich, der billiger und schneller wäre und dessen Exis-
tenz genau gleich vorausgesetzt werden kann, zumal das Zugsticket überhaupt
nicht interpretiert werden kann?
2. Der Kollaps von Methodik und Skeptizismus generiert Paradoxa
Nietzsches Diktum: „Es giebt nur ein perspektives Sehen“,
91
hat als Überle-
gung zur subjektiven Befangenheit ihre Berechtigung und sollte gebührend
berücksichtigt werden. Die heutige Inanspruchnahme verkennt aber, dass
Nietzsches Kritik im Kontext des Ehrgeizes der Wissenschaftler im 19. Jahr-
hundert, sie vermöchten die «Welträtsel» zu «lösen», gesehen werden muss.
Etwas anderes sind die Sorgfalt und Transparenz der einzelnen Studie, wie
wir sie heute kennen. Diese Vorschriften gab es damals noch nicht. Seriöse
Studien legen Konzepte, Hypothesen, Methoden, Datengewinnung und -inter-
pretation dar, beschreiben den Datensatz inklusive der Missings und unter-
werfen zum Schluss die Resultate und deren Interpretation einer Reflektion
auf der Meta-Ebene der Skepsis.
92
Diese grundsätzlich verschiedenen Ambitionen geraten bei Tanner durchei-
nander:
„Methodos als ‚Weg des Nachgehens‘ wurde zur Grundlage für Nachvollziehbarkeit
und Nachprüfbarkeit. Die Methode stieg zum Garanten für Gewissheit auf.“
93
Im letzten Satz fehlt leider eine Quelle. Welcher ernsthafte Forscher hat wo
und wann behauptet, Methode garantiere „Gewissheit“? Zum Schluss besie-
gelt Tanner die Aufweichung der Methodik mit einem weiteren Trugschluss
des Relativismus:
„ich glaube, dass eine spezifische Form der ‚Un-Treue‘ gegenüber der etablierten
hermeneutischen Tradition produktiv sein kann, produktiv im Sinne von Derrida,
der diese infidelité als kreative Wiederaneignung von Denkformen durch ihre Kritik
begreift.“
94
Das tönt gut. Niemand möchte sich gegen kritische und kreative Denk-
formen wenden. In Wirklichkeit wird aber die kritische Reflexion behindert,
denn hiermit kollabieren mehrere Ebenen des kritischen Denk- und For-
schungsprozesses zu einer einzigen. Auf der Meta-Ebene der Hierarchie steht
der wissenschaftliche Skeptizismus, mit dem seriöse Forschende den Wert
und die Grenzen ihrer Befunde im Licht der verwendeten Methoden und
der Datenerhebung diskutieren und hinterfragen. Wenn der Skeptizismus
91
Nietzsche GM III.12 auch FW III.374.
92
Siehe z. B. A PA -Manual, S. 35 f.
93
Tanner 2005, S. 43.
94
Tanner 2005, S. 58.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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gleich selbst Methode sein will («Wiederaneignung») und Namen wie «De-
konstruktion» oder «Anti-Hermeneutik»
95
annimmt, hebt er in die Hybris ab.
Er ist nicht etwa eine bessere Methode, sondern eine nicht hinterfragte Atti-
tüde. Gemäß der Russellschen Antinomie, später dem Unvollständigkeits-
theorem,
96
lassen sich mit Mengen, die auch sich selbst enthalten, beliebige
Paradoxa generieren.
97
Das Bekannteste unter ihnen ist: „Alle Kreter lügen,
sagte ein Kreter“. Dieser selbstreferentielle Satz kann weder richtig noch
falsch sein, denn er kombiniert die Menge aller Aussagen über äußere Sach-
verhalte mit der Menge aller Aussagen über Aussagen. Die Selbstreferentiali-
tät der «Theory» und ihre (selbstversursachten) Paradoxa lassen die Duplizi-
tät gewisser Autoren als «naturimmanent» und damit entschuldbar erschei-
nen.
V. Nietzsches Irrtümer und Vereinnahmung seines Werks
für die Dekonstruktion
1. «Fakten» und «Interpretationen» im Scheingefecht
Die «Sprache-als-Illusion»-Behauptung wird ferner dafür verwendet (z. B.
von Tanner), um jegliche Kritik an der «Theory» daran aufzuhängen.
98
Wenn
Sprache aus Metaphern entstanden ist, beweist das jedoch weder, dass eine
Kritik unsorgfältig wäre, noch dass das Signifié nicht verstanden werden
könne oder sich keine Grenze zwischen Fakten und Fiktion ziehen ließe. Wäre
das so, dann wäre jede sprachliche Betätigung leer, nur Spiegelfechterei. An
diesem Glaubwürdigkeitsmangel kranken alle Sophisten seit Protagoras.
Schließlich geißelt Tanner methodische Sorgfalt und Nähe zu den Quellen als
„Moralkeule“ und „Faktenpositivismus“.
99
Es stört ihn auch, wenn „freies
Fabulieren auf dem Altar der Fakten“ geopfert werde.
100
Gleichwohl versucht
er, verunsicherte Leser zu beruhigen:
„Es ist evident, daß Historiker/innen durchaus in der Lage sind, Tatsachen einwand-
frei festzustellen und Faktenchronologien zu erstellen. Wir können uns über die
Aussage, daß es den Holocaust gab, versichern – im menschenmöglichen Sinne des
95
Zur „Anti-Hermeneutik“ siehe Kap. VI.
96
Russell 1903, Kap. X § 106; Gödel 1931.
97
Hofstadter 2008, S. 684 – 719; Haas/Djordjevic/van Ackere 2019, S. 49 f.; Haas
2017, S. 119.
98
Tanner 2005, S. 49 f.
99
Tanner 2005, S. 49 f.
100
Tanner 2005, S. 45; siehe dazu Nietzsche 1874, UB, II.8.
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Wortes, der nicht ‚zweifellos‘ meint, sondern sicher, nachvollziehbar, überprüf-
bar.“
101
Einige Konstruktivisten lassen es an Quellenkritik fehlen und verwenden
Thesen aus dem umstrittenen Nietzsche-Nachlass, der von seiner Schwester
Elisabeth Förster Nietzsche editiert und verfälscht wurde. Daraus stammt die
überholte Polemik gegen den Positivismus,
„welcher bei den Phänomenen stehn bleibt ‚es gibt nur Tatsachen‘, würde ich sagen:
nein, gerade Tatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen. Wir können kein Faktum
‚an sich‘ feststellen: vielleicht ist es ein Unsinn, so etwas zu wollen.“
102
Historiker sollten eigentlich nicht auf dieses Scheingefecht eintreten, da
Evans den vermeintlichen Widerspruch dialektisch aufgelöst hat: «Fakten»
sind Dokumente aus der Vergangenheit und der Begriff ist von dem der „evi-
dence“ (im angelsächsischen Sinn, d. h. dem Informationsgehalt als Indizien
für oder gegen bestimmte aktuelle Hypothesen) zu unterscheiden.
103
Die Kon-
fusion von „Fakten“ als vermeintlicher Gegensatz zu «Interpretationen»
wurde von einem Schweizer Gericht beurteilt.
104
Passagen mit vergangenen,
damals dokumentierten Interpretationen, Fehlleistungen, Behauptungen, etc.
gehören dementsprechend zu den Fakten eines Falles, denn lat. „factum“ be-
deutet das, was getan worden ist, d. h. auf einem Datenträger registriert. Fak-
ten als registriertes Vergangenes sind von den aktuellen Arbeitshypothesen
deutlich zu trennen.
2. Die Prämisse von «Sprache als Illusion»
führt zu manipulativem Umgang damit
Nietzsches falsche Prämisse legitimiert die Begriffsmanipulation. Wie sie
gehandhabt wird, exerzierte Foucault mit dem Dichotomisieren vor, nicht nur
als „binäre Analyse“, sondern auch das Framing von „Kontinuität“ versus
„Diskontinuität“.
105
Das Grobschema erlaubt willkürliches Beschuldigen von
Akteuren, wenn damit tatsächlich dokumentierte längerfristige Entwicklun-
gen, Strömungen und Debatten unter verschiedenen Gruppierungen unsicht-
bar gemacht werden, anstelle des mühseligeren Aufarbeitens von komplexen
Zusammenhängen.
Die Dichotomisierung vergröbert Wahrnehmung und Denken und führt zu
Fehlschlüssen, besonders zur manichäischen gut-böse Spaltung. Der Ausdruck
101
Tanner 2005, S. 50.
102
Nietzsche 1906, 27.481.
103
Evans 1997, S. 76.
104
Appellationsgericht BS SB.2012.48 (AG.2015.89) vom 26. Nov. 2014, E 4.1;
BGer 6B_304/2015 am 14. Sept. 2015; siehe weiter: Haas 2019c.
105
Foucault DE I.58, S. 677.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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„Grenze des Sagbaren“
106
ist gerade sehr in Mode. Er wirkt abstrakt und ob-
jektiv. Doch seine falsche Eindeutigkeit führt zur Liquidation des differenzie-
renden Denkens. Mit einem Anprangern, «X hätte die Grenze des Sagbaren
überschritten», wird mehr insinuiert als mit dem herkömmlichen «X ist zu
weit gegangen». Die Phrase beinhaltet, es gäbe klar abgegrenzte Dinge, die
ein derartiges Tabu darstellten, dass sie nicht sagbar seien und das sei allen
sonnenklar. Sie stellt ohne Gesetzesgrundlage absolute Redeverbote auf, die –
wenn sie eingebläut werden – in Denkverbote münden. In Wirklichkeit ist
alles sagbar und Fehltritte lassen sich nuanciert und verhältnismäßig beurtei-
len (mit Adjektiven wie: unfair, übertrieben, extrem, entsetzlich, abwegig,
unanständig, ungeschickt, …).
3. Nietzsches „unendliche Interpretation“ als Folgeirrtum
Die Folgerung aus der Prämisse «Sprache-als-Illusion» war, dass die Be-
grenztheit des Einzelnen in eine „unendliche Interpretation“
107
münde. Tanner
meint, es gälte, die unendliche Zahl von Interpretationen zu den überlieferten
Fakten zu begrenzen.
108
Dabei widerspricht er sich, wenn er vorher (richtig)
festhielt, dass die Existenz des Holocaust nicht uminterpretierbar ist.
109
Nur
theoretisch gibt es unendlich viele Hypothesen zur Erklärung der Welt.
110
Eine Quellenlage kann im konkreten Fall für sich selbst sprechen – sie muss
es aber nicht. Via Pauschalisierung wird die Sorgfaltspflicht beim Verfassen
von Studien mit begrenzter Datenbasis einer Verwechslung mit dem uner-
reichbaren Anspruch der «Lösung des Welträtsels» preisgegeben.
Bei lückenhafter oder kontroverser Überlieferung wäre es frivol, die „Lust
am freien Fabulieren“ walten zu lassen. Was Tanner auslässt: Missings müs-
sen deklariert werden. Das unterscheidet die qualifizierte Erkenntnissuche in
gutem Journalismus und guter Wissenschaft vom Kaffeesatzlesen. Wer Lü-
cken unkenntlich macht oder mit nicht deklarierten Vermutungen überblendet,
verhindert eine zukünftige Aufklärung der Ereignisse und blockiert seine
Kollegen.
111
Zu divergierenden Indizienkonstellationen gilt als best practice:
„Um den Absturz zu vermeiden, müssen verschiedene, auch miteinander kon-
kurrierende Formen geschichtlicher Wirklichkeit in die Darstellung mit
einfließen.“
112
106
Foucault DE I.58, S. 681.
107
Nietzsche 1882, FW, V.374.
108
Tanner 2005, S. 54.
109
Tanner 2005, S. 53 vs. S. 50.
110
Nietzsche 1882, FW, V.374.
111
Siehe Haas 2020b, S. 695.
112
Kohtz/Kraus 2012, S. 260.
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4. Das große Zerreden – Wirklichkeitskonstrukteure als «Opfer»
Trotz des Zerredens von seriöser Wissenschaftlichkeit kann man Tanner
nicht vorwerfen, er würde Geschichtsfälschung propagieren. Dagegen hat er
sich abgesichert:
„Stattdessen bedarf es einer im Problemhorizont der Gegenwart kreierten und re-
flektierten Fragestellung – womit ein Gespräch eröffnet wird – ein Gespräch mit
Dokumenten, die als ontologische Materialspur der Vergangenheit ein Vetorecht
gegen die Faktenbeugung haben, die jedoch diese Fakten wiederum nur gegen Fra-
gen freigeben, wodurch sie eben auch unterschiedlichen Deutungen zugänglich
sind, die wiederum in jeder Gegenwart in kommunikative Aushandlungsprozesse
um das gesellschaftliche oder gruppen-, geschlechts- oder generationenspezifische
Selbstverständnis einbezogen werden.“
113
Das Vetorecht der Quellen (übrigens unreferenziert) bindet er in einen Tat-
zelwurm-Satz ein, der alles bedeuten kann und nichts – je nachdem, wie das
«Gespräch» mit der Materialspur verläuft. Dieses sog. «Gespräch» ist nun
kein kritischer Dialog unter Wissenschaftlern, sondern es kann durchaus «in-
nerhalb der Sphäre des Subjekts» ablaufen. Tanner fordert nämlich nicht etwa
die Replizierbarkeit der Befunde, sondern er gestattet den Autoren, das
„Selbstverständnis“ ihres präferierten Publikums «einzubeziehen». Diese Vor-
gabe ist der opportunistischen Suche nach Applaus ausgesprochen förderlich.
Die intersubjektive Überprüfbarkeit ist wegen des Vetorechts nicht vom Tisch,
doch sie wird verwässert und in den Hintergrund gedrängt.
Eine solche Rhetorik eignet sich bestens, um Verstöße gegen das Veto der
Quellen als standpunktbedingte legitime «Wirklichkeitskonstruktion» klein zu
reden. Sobald sich kritische Stimmen gegen abwegige «Narrative» erheben,
erlaubt sie es den Ertappten, in ein Lamento über eine angebliche «Beein-
trächtigung» der Wissenschafts- oder Pressefreiheit auszubrechen, deren «Op-
fer» sie seien. In Wirklichkeit ist eine fundierte Kritik keine Beeinträchtigung,
sondern ausgesprochen erwünscht und das Beschreiten des Rechtswegs ist ein
legitimes und zuweilen nötiges Mittel. Nur wenn es mutwillig in Anspruch
genommen würde und damit rechtsmissbräuchlich wäre, könnte man von
Cancel Culture sprechen.
114
5. Dekonstruktion vernebelt die Anforderungen
an Sorgfalt und Redlichkeit
In den Nebeln der Dekonstruktion fallen die Regeln der hermeneutischen
Lauterkeit unbemerkt unter den Tisch, so etwa das redliche Zusammenfassen:
113
Tanner 2005, S. 56.
114
Majer/Putzk/Schwartz.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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„Auch in der Geschichtswissenschaft gilt das Gebot, dass Forschungsergebnisse
‚intersubjektiv überprüfbar‘ sein müssen. […] Denn das Prinzip der Intersubjektivi-
tät verlangt ja, dass der Benutzer sich auf die Quellenedition verlassen können
muss. Er muss mit der Edition in gewisser Hinsicht so arbeiten können wie mit dem
Original, das irgendwo in einer Bibliothek, einem Archiv oder einem Privathaushalt
liegt.“
115
Die Zuhilfenahme von Nietzsches „unendlicher Interpretation“,
116
die sich
nicht auf Sorgfaltspflicht bezog, da diese damals noch kein Thema war, ist
keineswegs ein Standard, der sich seit 1882 hätte halten können, im Gegen-
teil. Seiffert warnt:
117
„Annahmen, die lediglich auf Unkenntnis des Materials beruhen, verdienen den
Ehrenamen ‚Hypothese‘ nicht. Eine Hypothese steht vielmehr erst am Ende der
möglichst vollständigen Ausschöpfung alles bisherigen menschlichen Wissens über
ein Problem.“
„der Begriff der ‚Interpretation‘ ist nicht etwa extensiv – als geistreiches Hineinle-
gen beliebiger Deutungen in historische Sinneinheiten aller Art – zu verstehen,
sondern als eine Auslegung, die sich exakt und für jede in den jeweiligen Gegen-
stand eingearbeitete Person nachprüfbar an das vorhandene Material hält. Dabei ist
es selbstverständlich, daß die Interpretation nicht wörtlich und lückenlos durch das
Material vorgegeben sein muß. Schlußfolgerungen und sogar Konstruktionen sind
hier nicht nur erlaubt, sondern sehr oft auch unvermeidlich“.
Mögliche Erklärungen für Ereignisse, welche über die Fakten hinausgehen,
sind durchaus erlaubt und wünschbar, nur müssen sie als Hypothesen gekenn-
zeichnet sein. Eine Befragung von 13 Historikern zeigte, dass viele in der da-
mals befragten Clio-Gilde für „Wirklichkeitskonstruktionen“ nicht viel übrig
hatten:
118
„Auch gibt es klare Vorstellungen davon, dass die Zurichtung von Quellen im For-
schungsprozess niemals aus Bequemlichkeit oder im Sinne des Verfolgens einer
vorgefassten und gegen das Veto der Quellen gerichteten Hypothese geschehen
darf.“
Wer als Leser nicht zur Manipulationsmasse von Predigern werden will, die
„frei fabulieren“ und ihre „Wirklichkeitskonstruktion“ mit „Fiktionen“ füllen,
kann dem nur beipflichten. Einer wissenschaftlichen Ausdrucksweise entsprä-
che vielmehr: Rekonstruktion vergangener Ereignisse und Thesen anhand der
Quellenlage von X.
115
Seiffert 2006, S. 79 f.
116
Nietzsche 1882, FW, V.374.
117
Seiffert 2006, S. 130, 147.
118
Kohtz/Kraus 2012, S. 261.
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VI. «Anti-hermeneutische» Diskursanalyse
als oberflächliches Assoziieren
1. „Archäologie des Wissens“ –
ein Versuch „jenseits von Seriosität und Bedeutung“
Nietzsches Irrtümer und das Unwissen seiner Zeit werden heute zur Re-
gression auf eine selbstgewählte Ignoranz genutzt und führen zur Verbreitung
von Desinformation. Das haben wir primär Foucaults „Archäologie des Wis-
sens“ zu verdanken.
119
Wer in gewohnter Manier an einen anspruchsvollen
Text herangeht und versucht, ihn durchzuarbeiten mit Zusammenfassen, Ver-
dichten, Gegenüberstellen und Begriffsdefinitionen nachschlagen, muss ob
diesem Buch fast verzweifeln. Es hinterlässt einen perplex. So sei der Titel
„Archäologie“ keine Suche nach einem Anfang und er „rücke die Analyse
nicht in verwandtschaftliche Nähe zu Ausgrabung“.
120
Zu was denn sonst?
Viele werden sich auf die Sekundärliteratur stützen, was aber seine Tücken
hat.
Ohne Literaturverzeichnis und nur mit sporadischem Name-Dropping ver-
sehen, erfüllt die Abhandlung nicht einmal minimale Anforderungen an wis-
senschaftliches Arbeiten. Demgegenüber weckt sie enorme Erwartungen. So
will sie als einen der „wichtigen Forschungsbereiche“ festlegen, unter wel-
chen Umständen „die Schwelle zur Wissenschaftlichkeit überschritten“ sei
121
und epochale Paradigmen als „Episteme“ entdecken.
122
Dieser Schlüsselbe-
griff ist und bleibt schwammig.
123
Die Versprechen bleiben m. E. uneingelöst.
Dreyfus und Rabinow befanden die „Archäologie des Wissens“ für geschei-
tert: Sie sei „jenseits von Seriosität und Bedeutung“.
124
2. Foucaults „Diskursanalyse“ als assoziatives, schnelles Denken
Als Innovation präsentierte Foucault seine Interpretationsheuristik:
125
„Man sucht unterhalb dessen, was manifest ist, nicht das halbverschwiegene Ge-
schwätz eines anderen Diskurses“.
„Die Aussagenanalyse ist also eine historische Analyse, die sich aber außerhalb je-
der Interpretation hält: sie fragt die gesagten Dinge nicht nach dem, was sie verber-
119
Foucault 1969, AW.
120
Foucault 1969, AW, S. 190.
121
Foucault 1969, AW, S. 266.
122
Foucault 1969, AW, S. 272 – 724; Foucault 1968, DE I.58, S. 676.
123
Marti, S. 45.
124
Dreyfus/Rabinow 1994, S. 111.
125
Foucault 1969, AW, S. 43, 159, 174.
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„Nichts ist wahr, alles ist erlaubt“
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gen, was in ihnen und trotz ihnen gesagt wurde, nach dem Nicht-Gesagten, dass sie
verbergen, dem Gewimmel von Gedanken, Bildern oder Phantasmen, die sie be-
wohnen“
„man nimmt nicht an, dass unterhalb der manifesten Aussagen etwas kaschiert und
unterschwellig bleibt“.
Nachdem die Bedeutung der Wörter sich nicht aus ihrer Form erschließen
lässt, sondern als Symbole durch Konvention und Tradition übertragen wird,
bleibt rätselhaft, was Foucault mit einer «manifesten» oder «evidenten» Be-
deutung im Gegensatz zu unterschwelligen, verborgenen Bedeutungen meint.
Der als der beste Foucault-Kenner des deutschsprachigen Raums geltende
Philipp Sarasin hat Versuche unternommen, dies verständlicher zu machen.
Da Foucault die thematische Sinnstruktur seines Buches nicht als kohärente
Aussagen mit einer ihnen entsprechenden Satzstruktur ordnet, sondern seine
Argumente in übermäßig komplexen Phrasen weit streut und tlw. wieder zer-
redet oder bestreitet, muss Sarasin Satzteile von überall herauspicken:
126
„Diskursanalyse ‚befreit‘ sich von der Linguistik, […] und legt ebenso wie das
Messer des Anatomen Schichten und räumliche Strukturen frei, die im Körper glei-
chermaßen, wie in Serien von Texten als Ordnungsstrukturen fungieren. Diese
Ordnungsstrukturen konfigurieren ebenso den Raum, in welchem […] die Krank-
heit sich entfaltet, wie sie in Foucaults Diskursanalyse dann den Raum schaffen, in
dem der Sinn erscheinen und das Subjekt mit seinem Sprechen und Handeln sich
bewegen kann.“
Gesucht würden nebst Ordnungsstrukturen auch Aussageregeln innerhalb
verknappter Aussagemöglichkeiten.
127
Dazu konzentriere sich die Diskurs-
analyse „auf die ‚Oberfläche‘ der Texte, auf die manifesten Aussagen in ihrer
‚Positivität‘ – d. h. auf das, was vom Autor bzw. im Text wörtlich gesagt
wird“. Anhand des besprochenen Textes liegt das nahe,
128
denn Basso schließt
unabhängig davon auf das Gleiche.
129
Sie betont, darin sei ein objektiver Aus-
druck (Positivität) der Sprache zu lokalisieren, eine Rückkehr zur Natürlich-
keit.
130
Alles andere sei „Spekulation“.
131
Die anatomische Allegorie tönt objektiv, ist jedoch verfehlt. Organe sind
ortsgebunden, ihre Zahl ist begrenzt und die anatomische Struktur ist nicht im
Geringsten vergleichbar mit allfälligen Ordnungsstrukturen, die im Inhalt von
Texten vorkommen können. Das Wort „gleichermaßen“ ist unhaltbar, da Texte
auf unendliche viele Arten zusammengesetzt werden können. Anders als his-
126
Sarasin 2007, S. 201.
127
Sarasin 2007, S. 204 f.
128
Foucault 1969, AW, S. 43, 62 f., 108, 111, 159, 174, 179.
129
Basso 2022, S. 97, 105 f., 114, 119 f.
130
Basso 2022, S. 99.
131
Basso 2022, S. 119, 132.
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torisch-politisch relevante Sätze, die unter Zensur und Propaganda verfasst
wurden, kann eine Leber auf dem Seziertisch niemals zweideutig sein und fast
wie ein «Magen» erscheinen. Wer am Anfang vor dem Papierberg im Archiv
sitzt, weiß nicht, ob und wo sich in der „unendlichen Vielfalt der Bedeutungs-
produktion“ verknappte Diskurse, Aussageregeln oder Ordnungsstrukturen
finden lassen. Urplötzlich wird bei Sarasin das Substrat (also Daten, Archiva-
lien) mit dem Ergebnis des menschlichen Interpretierens und Analysierens
davon gleichsetzt. Wieder kollabieren die Phasen der Erkenntnisgewinnung
und so fallen jegliche Transparenz und selbstkritische Skepsis dahin.
Darüber hinaus erteilt Sarasin die Erlaubnis, zu simplifizieren:
„Man darf sich das ruhig banaler vorstellen, als es klingt: […] Das Gleiche gilt für
häufig verwendete Begriffe, für Kategorien, Verknüpfungen oder zentrale Argumen-
te: Sie alle können in einem einzelnen Text so lange als überraschende oder sonst
wie beeindruckende Leistung eines Autors erscheinen – oder gar als Ausdruck von
‚Ideen‘ –, bis sie als Teil einer Serie ähnlicher Texte erkannt werden. Das macht sie
nicht weniger wichtig, im Gegenteil: Man vermag sie nun als Elemente jener gene-
rativen Struktur zu fassen, die dem Autor zum Zeitpunkt X die Formulierung dieser
bestimmten Aussage ermöglicht und ihm damit insgesamt den Raum des Sagbaren
eröffnet hat.“
132
Schließlich spricht er – in Übereinstimmung mit seinem Lehrer – der Dis-
kursanalyse die intersubjektive Überprüfbarkeit gänzlich ab.
133
Die Foucault-
Schule stellt diese schwer durchschaubare «Innovation» als das Verdienst ei-
nes „wahren Genius“ dar.
134
Demgegenüber klärt der Kognitionspsychologe
Kahnemann über die allzu menschliche Tendenz zur Regression auf das evo-
lutionsbiologisch archaische Denken auf. Er benennt diese Oberflächlichkeit
mit dem Kürzel WYSIATI: „what you see is all there is“
135
(z. B. die Erde als
Scheibe).
Wenn sich die Rekonstruktion von Ereignissen mit wissenschaftlichem
oder journalistischem Qualitätsanspruch von der Linguistik «befreien» darf,
wäre nicht einzusehen, weshalb nicht auch eine von der Mathematik befreite
«Anti-Statistik» gebastelt werden dürfte. Wollte man Foucaults «Oberflächen-
Interpretation» als taugliche Methode anerkennen, müsste man Hitlers Reichs-
tagsrede
136
zur Legitimation des Überfalls auf Polen für bare Münze nehmen.
Die Behauptung vom 1. September 1939, „Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückge-
schossen“, würde absurderweise «belegen», dass Polen zuerst geschossen
132
Sarasin 2007, S. 207 f.
133
Sarasin 2007, S. 214.
134
Harcourt, in: Basso 2022, S. ix.
135
Kahnemann, S. 86
136
Bayerische Staatsbibliothek: Adolf Hitler, Erklärung der Reichsregierung vor
dem Deutschen Reichstag, 1. September 1939.
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hätte. Die Anwendung des postfaktischen Unfugs verdeutlicht die Gefahr, die
von diesem Postulat ausgeht und die Foucault mit seiner Revision der Ziele
des Nationalsozialismus modellhaft vorgeführt hat. Wenn es um weniger be-
kannte Ereignisse als den Beginn des 2. Weltkriegs geht, werden solche Ver-
drehungen und Fehldeutungen von gewissen Anhängern z. T. ausgiebig prakti-
ziert.
137
Bei allen Unklarheiten grenzte Foucault sich doch gegen einige Missbräu-
che ab. Gegen das Cherry-Picking und das Verschleiern der Datenbasis als
Täuschung durch Auslassung steht:
„Man kann nur bei genauestens definierten Serien, bei Gesamtheit, deren Grenzen
und deren Bereich man abgesteckt hat, und zwischen Marksteinen einen Sinn ha-
ben, die diskursive und genügend homogene Felder eingrenzen.“
138
Unglücklicherweise relativierte er dies gleich anschließend mit den „Spiel-
chen von Historikern in kurzen Hosen“. Ferner: Wenn nicht nach der Wieder-
herstellung früherer Absichten gesucht werden solle,
139
dann beinhaltet das
zwar eine anachronistische Sichtweise, aber es wird der Personalisierung,
Sündenbocksuche und Hagiografie eine Absage erteilt. So habe ich bei ihm
keine persönlichkeitsverletzenden Bemerkungen über historische Figuren ge-
funden. Zumindest partiell scheint also eine polemisierende Anhängerschaft
Foucaults Werk auf eine Weise zu verwenden, die er ablehnte und auch nicht
praktizierte.
140
3. „Die Archäologie“ als Parodie auf das cartesianische Denken
Der obige Auslegungsversuch schlägt auf seine Exegeten zurück. Foucaults
Anspielungen auf einen evidenten, positiven Sinn insinuieren, man dürfe so
vorgehen. Gleichzeitig verwahrte er sich genau dagegen:
141
Das Postulat eines
einzigen evidenten Sinnes sei „eine schwierig zu haltende These“ und es gäbe
die Polysemie sowie „verschiedene Bedeutungen“ sehr wohl, sie befänden
sich „jedoch auf einem Aussagesockel, der identisch bleibt.“ Zum ominösen
Aussagesockel erfährt man weder, was ihn ausmache, noch wie man ihn finde.
Heutige Linguistiker – wie Breeze –
142
bezeichnen die Idee eines wört-
lichen Sinns (nach Sarasin) als falsch. Die hier kritisierten Diskursanalytiker
137
Haas/ILL 2022; Haas/Preuß-Wössner 2022; Haas 5.11.2021; Haas 2020a; Haas
2020b; Haas 2019b.
138
Foucault 1969, AW, S. 205.
139
Foucault 1969, AW, S. 44, 177 f., 183, 199.
140
Siehe Breeze 2011, S. 494.
141
Foucault 1969, AW, S. 159.
142
Breeze 2011, S. 508.
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(Sarasin und Tanner) bleiben jegliche Lehrmeinung aus der neueren Linguis-
tik schuldig, die solches erlauben oder gar fordern würde. Schon bei einfachs-
ten Begriffen wie etwa „Bank“ genügt Schulwissen, resp. muss man nur den
Duden aufschlagen, um sehen, wie absurd dieses Postulat ist (vgl. dazu die
Erläuterung zu Foucaults leichtfertigem Umgang mit dem Wort „Rasse“ unter
Abschnitt II.3). Deshalb kann «Diskursanalyse» darauf hinauslaufen, dass je-
der die Begriffe willkürlich auslegen darf, wie es ihm gerade passt,
143
jenseits
der Konventionen der Epoche und des Kontextes des Dokuments. Die falsche
Voraussetzung ist eine für die universitäre Lehre irritierende Absage an das
sorgfältige Denken und eine Hinwendung zur schnellen, egozentrischen Asso-
ziation.
144
Foucault narrte seine Exegeten auch, als er den Sinn von «Archäologie des
Wissens» als symbolisch gemeinte Ausgrabung bestritt.
145
Nachdem sie sich
durch Hunderte von Seiten kämpfen mussten, um eine stimmige Auslegung
zu suchen, werden sie regelrecht vorgeführt, wenn sie eine «Diskursanalyse»
propagieren, die nicht einmal den Titel des Buchs erklärt. Bestenfalls kann
man diese Schrift mit Megill als eine „Parodie auf das cartesianische Denken“
verstehen, mehr ist sie nicht.
146
Wer Foucaults verstreute Andeutungen zu ei-
ner stringenten Heuristik verdichten will, gerät unweigerlich aufs Glatteis. Ein
Dialog, Verstehen und konstruktive Kritik sind in diesem Jargon nicht mehr
möglich.
VII. Die Folgen des «Großdenkers» als Vorbild
und seiner «Werkzeugkiste» als Anleitung
Was bei Nietzsche als Unzulänglichkeit der Sprache und bei Heidegger als
unabänderliche Conditio Humana dargestellt wurde, ist im praktischen Alltag
falsch. Deshalb kann es als manipulative Strategie missbraucht werden, was
Foucault unverfroren zugab. Ob sich seine Nachfolger dessen bewusst sind
oder nicht, lässt sich nicht mehr eruieren. Ungeachtet der verstörenden Bei-
klänge, die seine Schriften haben, gibt es Stimmen von Politaktivisten, die
belegen, dass diese keinesfalls auf Foucaults gesammeltes Arsenal von Beein-
flussungstechniken verzichten wollen.
147
Eingefleischte «Theory»-Anwender mit einer ideologischen oder opportu-
nistischen «Agenda» achten darauf, ihre Formulierungen abstrakt zu gestalten.
143
Evans 1997, S. 200.
144
Kahnemann 2011.
145
Foucault 1969, AW, S. 190.
146
Megill, S. 284.
147
Bsp. Huffer, Vasquez.
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Zudem verleihen sie ihren Sätzen den Schein von Neutralität. Sie lassen ihre
«Faktenedition» und Zitatfetzen quasi für sich selbst sprechen, ohne dass die
Leser ahnen, dass diese aus ihrem Zusammenhang herausgerissen sind, oder
dass sie die Quellen falsch oder unzureichend zusammengefasst haben. Einige
derer, die in den Stapfen Foucaults und Heideggers wandeln, verleihen sich
mit überlangen und gestelzten Phrasen und schwammigen Begriffen den Nim-
bus von Gelehrtheit. Nietzsche war aber kein Freund davon:
„Wer sich tief weiß, bemüht sich um Klarheit; wer der Menge tief scheinen möchte,
bemüht sich um Dunkelheit. Denn die Menge hält alles für tief, dessen Grund sie
nicht sehen kann: sie ist so furchtsam und geht so ungern ins Wasser.“
148
Die Paradoxa des Relativismus, dann die Oxymora als in sich widersprüch-
liche Komposita (griech: „scharfsinnig-stumpfsinnig“), sowie die schamlosen
Selbstwidersprüche der akademischen «Vorbilder» lassen das kognitive Sen-
sorium für Ungereimtheiten verkümmern. Einige Studierende und Fachleute
stumpfen ab, andere werden zu Mitläufern. Die Duplizität ist bei Relativisten
zum beliebten rhetorischen Mittel geworden. Sie ermöglicht Verdrehung, Ver-
nebelung und Diffamierung mithilfe wiederholter Wortwolken, die sich im
Gedächtnis der Lesenden unweigerlich festsetzen, selbst dann, wenn sie an
anderer, versteckter Stelle wieder relativiert werden – als Hintertürchen. Die
Realitätsprüfung von kritischen Rezipienten wird mit süffisanten Bemerkun-
gen abgetan, Protest gegen Irreführungen wird als «naiver Realismus» belä-
chelt oder als Versuch, die akademische Freiheit zu «beeinträchtigen», ange-
kreidet. Die Gesamtheit der Trugschlüsse und rhetorischen Tricks (wie die
Sagbarkeits-Phrase) steigern das Konfliktpotential und führen bei Autoren
und ihrem Publikum zu Stress und Verwirrung, wobei einige sich radikalisie-
ren, währenddem viele andere resignieren.
Foucaults Pseudo-Beweisführung
149
hat unter gewissen Anhängern Schule
gemacht. Ihre «Belege» existieren gar nicht, sie belegen nichts oder das Ge-
genteil des Behaupteten (wenn man sie denn kennt), oder sie sind an den
Haaren herbeigezogen.
150
Indem die «Theory» ihre Anhänger dazu verführt, zu glauben, sie seien auf
der Seite des Fortschritts und der Gerechtigkeit und sie stünden über dem
«Faktenpositivismus», münden ihre Dekonstruktionen leicht in die Anmaßung
einer Verdachtshermeneutik. Anstelle eines realistischen Umgangs mit ihrem
Wissensstand operieren sie mit «Narrativen», die Tür und Tor zur Fiktion und
zum Geist mittelalterlicher Inquisition öffnen. Nach dramaturgischen Rezep-
ten konstruierte Skandalisierungen verhindern das Kenntlichmachen der
148
Nietzsche 1882, FW III.173.
149
Wie in: Foucault, VG 1976.
150
Siehe: Haas/ILL 2022; Haas 5.11.2021; Haas 2020b; Haas 2019b.
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Grenzen der Befunde und verschweigen oder vertuschen Information, die den
Thesen entgegenläuft. Die anfangs festgelegte Sichtweise engt ein und muss
dann à tout prix verteidigt werden – auch gegen die Evidenz.
151
Für Drama-
turgen wird eine Umkehr je länger, desto unmöglicher. Eine zu spät auftau-
chende Skepsis gegen ihr Szenario würde sie als das verraten, was sie sind:
anmaßend und unglaubwürdig. Wenn sich später Zolas Prognose bewahrhei-
tet, übertünchen sie ihr Versagen mit neuen «Wirklichkeitskonstruktionen»,
mit denen sie sich schönreden und Whistleblower verunglimpfen. Damit tritt
die «unendliche Interpretation» auf den Plan. Sie ist die Taktik derjenigen, die
über größeren Einfluss, Macht und Reichweite verfügen als ihre Opfer. Das
Übersteuern-Wollen von Fehlern mit neuen Unwahrheiten generiert allerdings
wieder eine Aktenspur im Sinne Zolas. Es ist nicht nachhaltig, sondern seine
Urheber verwandeln sich selbst in historische Akteure mit einem Record von
Unredlichkeit und Machtmissbrauch.
VIII. Ausblick: Was tun gegen «Molotowcocktails»,
welche die Falschen treffen?
Heideggers und Foucaults Gedankengut ist in seiner Gefährlichkeit für die
Demokratie und den Rechtsstaat nicht zu unterschätzen. Im Gegensatz zu
Zolas „Sprengstoff“, der dort explodiert, wo Fakten vertuscht wurden, explo-
dieren foucaldianische „Molotowcocktails“, fabriziert aus „möglichst Zufälli-
gem“, überall und wahllos. Sie treffen Unschuldige, die zur falschen Zeit am
falschen Ort waren, sie werden gegen Whistleblower geworfen, um sie mund-
tot zu machen oder sie explodieren denen ins Gesicht, die sie herstellen. We-
gen der sozialen Medien schaukelt sich das ganze Informationssystem auf.
152
Wegen der postmodernistischen Versäumnisse besteht ein beträchtlicher
Verbesserungs- und Nachholbedarf in der kulturwissenschaftlichen Lehre –
sie muss hermeneutische Methodik auf dem Stand des 21. Jahrhunderts zum
Aufdecken von Trugschlüssen und Sophistereien vermitteln. Dies schließt
analytische Philosophie, Semiotik, pragmatische Linguistik und Bayes’sche
Logik mit ein. Politik, Medien, Verwaltung und Historiografie haben es im-
mer mit dem Verborgenen und mit kodierter Sprache zu tun. Eine taugliche
Text- und Bildauslegungs-Heuristik muss die Auffälligkeiten in Propaganda-
lügen, Information-Warfare, verschleiertem Protest gegen Machthaber oder
ambivalente Aussagen von Opportunisten aufdecken können.
153
Fachkenntnis
151
Kepplinger, S. 140.
152
Siehe Zulauf.
153
Haas 2019b, S. 612
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zu dieser Entzifferung gehört unabdingbar zur Sorgfaltspflicht und ist eine
Kernkompetenz aller Autoren.
154
Für Lösungsvorschläge zur nachträglichen Kontrolle dubioser akademi-
scher und journalistischer Publikationen fehlt hier der Platz. Viel wäre gewon-
nen, wenn Medien, Hochschulen und Forschungsfinanzierer bei Produkten
von Angehörigen und Subventionierten, die Unwahrheiten, einseitige Partei-
nahmen oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen enthalten, auf ihren Plattfor-
men Gegendarstellungen publizierten und dieses Recht großzügig gewährten.
Trotz meiner großen Bedenken gegen die «Theory» warne ich davor, alle
Autoren, die sich davon haben inspirieren lassen, dem Verdacht der Unwis-
senschaftlichkeit auszusetzen. Anwendungen und Weiterentwicklungen in se-
riöse Richtungen gibt es und sind möglich. Beispielsweise gehen Lipphardt,
Gausemeier und Ritter verantwortungsvoll mit dem Relativismus um. Sub-
stantielle Verbesserungen der Diskursanalyse legen Weiss und Ehlers vor.
Grimm hat eine beachtliche und mehrfach innovative Arbeit vorgelegt. Koller
beleuchtet eine historische Materie aus wechselnden Zeit-Perspektiven, ohne
den aktuellen Kenntnisstand zu verabsolutieren. Die Genannten entziehen
sich der wissenschaftlichen Überprüfbarkeit auf keine Art und Weise und sie
legen innovative, spannend zu lesende und relevante Studien vor.
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