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Friedrich-Schiller-Universität Jena
Philosophische Fakultät
Institut für Germanistik
Magisterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades
MA G IST E R AR T IU M ( M . A.)
vorgelegt von Stefan Höltgen
geboren am 31. Oktober 1971 in Northeim
Betreuerin und Erstgutachterin: Frau Dr. habil. Sigrid Lange
Jena, 2000-06-15
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SPIEGELBILDER INHALT
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung................................................................................................................................. 2
1.1. Einführung in die Thematik ............................................................................................... 2
1.2. Aufbau der Arbeit und Methode ..................................................................................... 3
1.3. Abgrenzung..................................................................................................................... 5
1.4. Biografische und filmografische Notiz zu David Lynch .................................................... 5
2. Theorie und Methode.............................................................................................................. 8
2.1. Der postmoderne Film...................................................................................................... 8
2.2. Die Ästhetik der Verdopplung........................................................................................ 12
2.3. Abgrenzung zu den Verfahren »moderner« Intertextualität............................................ 15
2.4. Die Methode Lynch........................................................................................................ 17
3. BLUE VELVET: Die Verdopplung der Erzählung ......................................................................... 23
3.1. Synopsis ......................................................................................................................... 23
3.2. Unpresenting BLUE VELVET ................................................................................................ 26
3.3. Close the gaps: BLUE VELVET als Traum............................................................................ 28
3.4. Inside the Dream............................................................................................................ 33
3.5. BLUE VELVET als Referenz................................................................................................... 42
Exkurs: David Lynch und Alfred Hitchcock ............................................................................... 46
a) Figuren ............................................................................................................................. 46
b) Motive.............................................................................................................................. 48
c) Erzählstrategien................................................................................................................. 50
4. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: Die Verdopplung des Genres.................................................... 54
4.1. Synopsis ......................................................................................................................... 54
4.2. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME - Ein Film mit sieben Siegeln ................................................ 57
4.3. Konspirative Zeichen...................................................................................................... 59
4.4. »Fell a victim!« - Detailanalyse zu #V/22 ......................................................................... 63
4.5. Doppelfiguren................................................................................................................ 71
4.6. Die Wiederkehr des Erzählens in der Postmoderne ........................................................ 77
5. LOST HIGHWAY: Die Verdopplung des Mediums....................................................................... 80
5.1. Synopsis ......................................................................................................................... 80
5.2. Aufblende: LOST HIGHWAY über die Wahrheit .................................................................. 83
5.3. Telefonieren: Dial M for Madison ................................................................................... 88
5.4. Videofilme(n): I like to remember things my own way................................................... 96
5.5. Foto - Kino - Fernsehen ................................................................................................ 100
5.6. Abblende: Die Wahrheit über LOST HIGHWAY.................................................................103
6. Schluss.................................................................................................................................109
6.1. Zusammenfassung ....................................................................................................... 109
6.2. Ausblick: Theorie à la Lynch......................................................................................... 110
7. Quellen und Literaturverzeichnis.......................................................................................... 113
7.1. Quellen ........................................................................................................................ 113
7.2. Monografien und Sammelbände................................................................................ 113
SPIEGELBILDER INHALT
7.3. Aufsätze und Einzelanalysen ........................................................................................ 114
7.4. Internetessays............................................................................................................... 116
7.3. Abbildungen................................................................................................................ 116
8. Anhang ............................................................................................................................... 116
8.1. BLUE VELVET .................................................................................................................... 116
8.2. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME.......................................................................................... 124
8.3. LOST HIGHWAY ................................................................................................................ 133
Gliederung .............................................................................................................................. 139
SPIEGELBILDER EINLEITUNG SEITE 2
1. Einleitung
1.1. Einführung in die Thematik
Auf die Frage eines Polizisten, ob er eine Videokamera besitze, verneint Fred Madi-
son und antwortet: „Ich erinnere mich lieber auf meine Art an alles.“ „Wie meinen Sie
das?“, will der Polizist wissen. Madisons Antwort: „Wie ich die Dinge im Kopf habe,
nicht unbedingt so, wie sie passiert sind.“
Diese kurze Dialogpassage aus LOST HIGHWAY könnte als Motto allen Filmen David
Lynchs vorangestellt werden. Denn jeder Filmbeitrag, den Lynch seit seinen frühen
Kurzfilmen bis hin zu seinem jüngsten Film THE STRAIGHT STORY ablieferte, reflektiert auch
die Art, wie der Film vom Publikum gesehen wird, gesehen werden kann - jedoch oh-
ne explizite Anweisungen dieses Vorgangs zu unterbreiten.
„Wie ich die Dinge im Kopf habe“, bezieht sich direkt auf die Erinnerung des Zu-
schauers und verleugnet damit die Potenz des Mediums Film, Wahrheit abbilden zu
können1 - authentisches Medium zu sein. Damit gliedern sich die Filme David Lynchs -
die alle dieser Sichtweise untergeordnet sind - einer Theorie unter, die versucht, das
Denken des Zuschauers in den Prozess des Sehens mit einzubeziehen. Die einzelnen
Verfahren, die bei Lynch hierzu Verwendung finden, sind vielfältig.
Der Terminus »ästhetische Verdopplung« beschreibt die Konstruktion der Bilder,
Töne, Erzählungen, medialen Reflexion und Theorien, die in den Film eingebunden
sind, am ehesten. Verdopplung meint: Dem Betrachter des Kunstwerkes wird an je-
der Stelle vor Augen (und im Gedächtnis) gehalten, dass er ein Kunstwerk betrach-
tet. Ein ausschließliches (blindes) Eintauchen in die Bildgestaltung, den Plot oder das
Schauspiel wird so von vorn herein unterbunden. Die Auseinandersetzung mit dem
Film als Einzelbeitrag einer Filmgeschichte wird ergänzt um den Verweis, dass dieser
Film nicht »beziehungslos« in der Filmgeschichte angesiedelt ist, sondern jene als »Be-
dingung seiner Möglichkeit« unterstellt.
Die ästhetische Verdopplung codiert den Film jenseits seiner eigenen Handlung
auf einer zweiten Ebene: Die Bilder, Töne und Handlungsbestandteile des Films kon-
struiert der Autor als Referenz an die Filmgeschichte, um dem Zuschauer diese Filmge-
schichte zu »vergegenwärtigen«. Aus dem »gegenwärtigen« Ereignis des Filmsehens
wird so auch eine Lektion bzw. Reflexion der Filmgeschichte. Dies stellt das Prinzip der
»Doppelcodierung« im postmodernen Kinos dar.
1 Vielleicht sogar die Möglichkeit »objektiv(ierbar)er Wahrheit« überhaupt.
SPIEGELBILDER EINLEITUNG SEITE 3
David Lynchs Filme agieren zusätzlich auf einer dritten Ebene: Nicht nur die Filmge-
schichte (und ihre Filmgeschichten) werden verdoppelt, sondern ebenfalls deren
Theoreme. So finden sich mehr als eindeutige Hinweise darauf, wie etwa die Medien
Film, Video, Fernsehen, Telefon usw. im Film thematisiert und präsentiert sind und wie
die Theorie dieser Medien oder die Theorie der Filmanalyse dem Artefakt »Film« be-
gegnet.
Auf diese Weise findet eine Transgression statt, die den Filmautoren David Lynch
zum Filmanalytiker wandelt, der - ganz im Sinne Alexandre Astrucs - die Kamera als
Federhalter benutzt und damit den „Film sich wahrhaft zum Ort des Ausdrucks eines
Gedankens machen“2 kann.
Das Ergebnis dieser Tätigkeit steht oft im Kontrast zur »Filmphilosophie« des moder-
nen Kinos: Nicht mehr der Stoffhunger nach neuen Erzählungen, Motiven und Bildern
soll befriedigt werden, sondern die bereits kanonisierten Bilder der Filmgeschichte
werden in Form der Pastiche dazu verwendet, einen »neuen« Beitrag zu liefern, der
sich der Ideologie des modernen Films widersetzt: Fortschritt als einziges Prinzip des
Neuen. Es handelt sich bei den Filmen Lynchs jedoch nicht um »alten Wein in neuen
Schläuchen«, denn er zitiert das Material nicht einfach, sondern er unterwirft es einer
konstruktiven Bearbeitung, die auch neue Sichtweisen auf das Referenzobjekt an-
bietet.
Die vorliegende Arbeit versucht diese Vorgehensweise David Lynchs darzustellen
und anhand dreier Filmbeispiele zu analysieren, auf welche Bereiche sich die ästheti-
sche Verdopplung bei Lynch bezieht: auf den Film (seine Handlung, Bilder und Tö-
ne), auf das Genre (seine Paradigmen und Gesetze) und das Medium (seine Mög-
lichkeiten und Grenzen).
1.2. Aufbau der Arbeit und Methode
Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptkapitel, deren Gegenstand jeweils ein Film aus
dem Werk David Lynchs ist. Vorangestellt wird ein Kapitel, das die Theorie der ästhe-
tischen Verdopplung methodisch erläutern und eingrenzen soll, um sie so für die De-
tailanalysen der Filme nutzbar machen zu können. Darüber hinaus stellen die Kapitel
auch jeweils Interpretationsangebote zu den in ihnen behandelten Filmen dar.
Im Kapitel zu BLUE VELVET soll die Verdopplung der Erzählung(en) thematisiert wer-
den. Hierzu werden zwei Sequenzen des Films untersucht und ihre Details zu ver-
schiedenen Beiträgen der Filmgeschichte in Beziehung gesetzt. Es schließt sich ein
Exkurs an, der die Beziehungen der Werke David Lynchs zu den Filmen Alfred Hitch-
SPIEGELBILDER EINLEITUNG SEITE 4
cocks als besonders deutliche und intensive filmische Auseinandersetzung darlegen
soll.
Das anschließende Kapitel über TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME untersucht, auf wel-
che Weise David Lynch mit dem Phänomen des Genres operiert. Hierzu sollen De-
tailanalysen hinzugezogen werden, um die offensichtliche Dekonstruktion der Gen-
rebegriffs zu erklären. Es soll gezeigt werden, dass Lynchs Filme (nicht nur TWIN PEAKS -
FIRE WALK WITH ME) grundsätzliche Kritik des Genrebegriff vornehmen, nicht nur da-
durch, dass sie keinem Einzelgenre zugerechnet werden können, sondern auch
durch die bewusste Codierung des Autoren, der Zeichen, die auf ein Genre deuten,
ambivalent einsetzt. Daher konzentrieren sich die Untersuchungen über TWIN PEAKS -
FIRE WALK WITH ME auf die semiologische Ebene des Filmes.
Das letzte Kapitel der Arbeit befasst sich mit der Präsentation der Medien in David
Lynchs Film LOST HIGHWAY. Die dort auffällig häufige Inszenierung von Videokameras,
Fernsehern, Kinoleinwänden, Telefonen usw. soll untersucht werden und Lynchs
»Theorie der Medien im Film« versucht werden zu umreißen. Dieser Gedanke wird im
Schlusskapitel in Form eines Ausblicks ausformuliert: Warum scheinen Lynchs Filme
dadurch, dass sie selbst als Beiträge einer Filmtheorie angesehen werden können, oft
»theorieresistent« zu sein?
Da die oben beschriebenen Aspekte der ästhetischen Verdopplung sich natürlich
nicht auf jeweils einen Film pro Aspekt beschränken, finden sich in jedem Kapitel
auch Hinweise und Querverweise zu den übrigen untersuchten Filmen David Lynchs.
So werden in jedem Einzelkapitel auch andere Filme David Lynchs mit einbezogen,
um zu verdeutlichen, dass sein Œuvre als ein Projekt der ästhetischen Verdopplung
verstanden werden kann.
Methodisch findet sich in jedem Kapitel eine Einstellungsanalyse, in der ausge-
wählte Sequenzen des betreffenden Filmes im Detail untersucht werden. Auf diese
Weise lassen sich Belege für die aufgestellten Thesen empirisch sichern und in der Se-
kundärliteratur angestellte Beobachtungen (und daraus abgeleitete Behauptun-
gen und Thesen) überprüfen. Hierzu sind der Arbeit im Anhang Sequenzübersichten
(zum Belegen und Verorten von Handlungspassagen) und Einstellungsprotokolle
(zum Belegen der Detailanalysen) beigefügt.
Als Grundlage für die Analysen dienen die LaserDisc-Fassungen der betreffenden
Filme im englischen Originalton und Widescreen-Format. Ergänzend werden (teilwei-
se nicht publizierte) Drehbuchfassungen der untersuchten Filme und zahlreiche Inter-
views mit David Lynch hinzugezogen.
2 Astruc, Alexandre (1992). S. 202.
SPIEGELBILDER EINLEITUNG SEITE 5
1.3. Abgrenzung
Die Auswahl der drei untersuchten Filme begründet sich zunächst auf den vorge-
gebenen Maximalumfang einer Magisterarbeit. Darüber hinaus wird für die unter-
suchten Werke Beispielcharakter unterstellt: Allein die Verflechtung der in jedem Film
zu untersuchenden Strategien der ästhetischen Verdopplung lässt sich auf (fast) je-
den Filmbeitrag David Lynchs anwenden. Eine Ausnahme hierzu (und zugleich eine
Sonderstellung innerhalb des Lynch’schen Œuvres) stellen hier seine Frühwerke SIX
FIGURES GETTING SICK (1966), THE ALPHABET (1967), THE GRANDMOTHER (1969) und ERASERHEAD
(1977) dar. Sie sollen im kommenden nicht berücksichtigt werden.
Des weiteren werden hauptsächlich die Filme David Lynchs untersucht. Das ge-
samte künstlerische Projekt Lynchs (zu dem neben dem Film noch die Malerei, Bild-
hauerei, Fotografie, das Komponieren und Texten von Liedern, Möbeldesign u. a.
zählt) stellt sicherlich einen interessanten und vielleicht sogar relevanten Bestandteil
der hier zu untersuchenden Strategien der ästhetischen Verdopplung dar, muss je-
doch aus Gründen der thematischen Einheit und des gegebenen Umfangs entfal-
len.
Die verwendeten Untersuchungsmethoden rekurrieren auf einzelne - und zusam-
menfassende - Beiträge zur Filmtheorie, zur Theorie der postmodernen Kunst und zur
»Theorie zu David Lynch«3. Es kann keine Untersuchung des postmodernen Kunst-
werks an sich erfolgen und erst recht keine theoretische Auseinandersetzung mit dem
Phänomen, dem Begriff und der »Ideologie« der Postmoderne. Diese wurde in zahl-
reichen Beiträgen (im deutschsprachigen Raum vor allen seit den achtziger Jahren
des vergangenen Jahrhunderts) angestellt und kann als »theoretischer Background«
vorausgesetzt werden.4
1.4. Biografische und filmografische Notiz zu David Lynch
David Kenneth Lynch wurde am 20 Januar 1946 in Missula (Montana, USA) als er-
stes dreier Kinder geboren. Sein Vater war Agrarwissenschaftler, seine Mutter Sprach-
lehrerin. Er wuchs mit seinen Geschwistern und Eltern in hauptsächlich ländlichem
Terrain auf.
Den ersten Kontakt zur Kunst (zur Malerei) bekam Lynch an der Highschool in Boise
(Idaho), wo er regelmäßig den Vater eines Mitschülers in dessen Atelier besuchte.
3 Hiermit sind Beiträge über David Lynch gemeint, die über die Analysen einzelner Filme hinausgehen und etwa motiv-
geschichtliche Untersuchungen anstellen.
SPIEGELBILDER EINLEITUNG SEITE 6
Angeregt dadurch fuhr er noch während der Zeit an der Highschool an den Wo-
cheneden nach Washington City und belegte dort zwischen 1963 und 1964 Kurse
an der Corcoran School of Art.
1964 nahm David Lynch ein Kunststudium an der Boston Museum School auf, das
er jedoch kurz darauf abbrach, um 1965 nach Europa zu gehen und in Salzburg bei
Kokoschka Malerei zu studieren. Doch auch dieses Vorhaben brach er nach 15 Ta-
gen ab, als er einsah, dass ihm die europäische Kunst nicht die Inspiration verlieh, die
er sich erhofft hatte.
Zurück in den USA schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, bis er sich 1965
entschloss, in Philadelphia an der Pensylvania Academy of Fine Arts Kunst zu studie-
ren. Dort blieb er zwei Jahre. 1967 heiratete Lynch einen Kommilitonin (Margaret
Reavy). 1968 wurde seine Tochter Jennifer geboren.
Seine Filmlaufbahn begann in Philadelphia, wo er mit einer kinetischen Skulptur
den zweiten Preis in einem Wettbewerb für experimentelles Zeichnen und Modellie-
ren (Dr. W. S. Biddle Cadwalder Memorial Prize) gewann. Später entwarf er Installa-
tionen, die er auf Film aufnahm und in Form einer Endlosschleife präsentierte (SIX FIGU-
RES GETTING SICK). Für diese Installation gewann er den ersten Preis, mit dem er seinen
ersten Kurzfilm THE ALPHABET (1968) produzierte. THE ALPHABET und ein Treatment für ei-
nen weiteren Kurzfilm (THE GRANDMOTHER) brachte Lynch 1970 ein Stipendium beim
der American Film Institute ein.
Dort produzierte er von 1971 bis 1977 seinen ersten Spielfilm ERASERHEAD. Durch ERA-
SERHEAD wurde Lynchs Ruf als surrealistischer Experimentalfilmer, der ihm seit seinen
Kurzfilmen anhing, weiter gefestigt. Während der Dreharbeiten trennte er sich 1974
von seiner Frau und heiratete 1977 die Schwester seines langjährigen Freundes und
Mitarbeiters Jack Fisk, Mary. Aufgrund des Erfolges mit ERASERHEAD bot man ihm 1980
die Adaptionen zu Bernhard Pomerances Stück THE ELEPHANT MAN an, den er mit gro-
ßem Erfolg umsetzte (der Film wurde für acht »Oscars« nominiert). Dieser abermalige
Erfolg öffnete Lynch die Türen zu den großen Hollywood-Studios. Nachdem er 1982
mit seiner Frau Mary einen Sohn bekam und sich im gleichen Jahr von ihr trennte,
begann Lynch mit dem enormen Budget von 50 Millionen Dollar eine Frank-Herbert-
Romanadaption von DUNE (1984). Der Filmstoff erwies sich als zu komplex und DUNE
scheiterte an den Kinokassen und bei der Kritik.
Ungeachtet des Misserfolgs von DUNE veröffentliche David Lynch zwei Jahre später
BLUE VELVET (1986), der von Publikum aufgrund der darin enthaltenen Sexualität und
Gewaltdarstellung zwiespältig aufgenommen, von der Kritik jedoch mit Preisen über-
4 Ich verweise in diesem Zusammenhang auf zwei deutschsprachige Standardwerke zur Postmoderne: Welsch, Wolf-
gang. Unsere postmoderne Moderne. Berlin: Akademie Verlag. 51997. Und: Welsch, Wolfgang (Hrsg.). Wege aus der Mo-
derne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. Berlin: Akademie Verlag 21994.
SPIEGELBILDER EINLEITUNG SEITE 7
häuft wurde und mittlerweile als Meilenstein des postmodernen Kinos gilt. Mit der
Produktion der Fernsehserie TWIN PEAKS (1989 - 1992) wurde Lynch darauf auch inter-
national von Kritikern und Publikum gefeiert. Die Serie, die sich abermals postmoder-
nistischer Darstellungsweisen und der Dekonstruktionen klassischer TV Soap-Operas
verschrieben hatte, war derart populär, dass sich nach deren Einstellung eine »Bür-
gerbewegung« gründete, die forderte, dass weitere Folgen produziert werden - was
dann auch geschah.
1990 drehte David Lynch seinen Film WILD AT HEART, ein märchenhaftes Roadmovie,
für das Lynch im selben Jahr in Cannes mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet
wurde. WILD AT HEART folgte 1992 TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME, ein Prequel zur Fernseh-
serie TWIN PEAKS. Der Film erwies sich nach DUNE als David Lynchs größte Enttäuschung.
Die Zuschauer (und Fans der Fernsehserie TWIN PEAKS) waren enttäuscht, dass Lynch
das Projekt auf diese Weise fortgeführt hatte und die Kritiker besprachen den Film
fast ausnahmslos negativ. Erst in jüngster Zeit erfährt TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME wie-
der Beachtung bei Filmtheoretikern und in der Filmpublizistik.
Nach vierjähriger Spielfilmpause, in der Lynch mit seiner langjährigen Mitarbeiterin
Mary Sweeney einen Sohn bekam und sich der Produktion neuer Fernsehserien (HO-
TEL ROOM und ON THE AIR) widmete, veröffentlichte er 1996 LOST HIGHWAY: wiederum ein
großer Erfolg - trotz seiner TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME ähnlichen »Verworrenheit«. Der
jüngste Film David Lynchs - THE STRAIGHT STORY - kam 1999 in die Kinos. Der Hauptdar-
steller Richard Farnsworth wurde für den »Oscar« als bester Hauptdarsteller nominiert.
Neben seinen Arbeiten als Filmregisseur betätigte sich David Lynch von Anfang an
auch als Maler, Fotograf und Bildhauer. Er bestritt zahlreiche internationale Vernissa-
gen und veröffentlichte Bücher mit eigenen Arbeiten. Als Musiker erstellte er zusam-
men mit Angelo Badalamenti nicht nur die Soundtracks zu seinen Filmen, sondern
veröffentlichte auch zwei Alben von Julee Cruise (1989: Floating into the Night, 1993:
The Voice of Love) und den Musikfilm INDURSTRIAL SYMPHONY (1990). Erwähnt werden
sollte auch, dass David Lynch Dekorateur und Möbeldesigner ist und seit BLUE VELVET
zahlreiche eigene Möbelkreationen als Dekor für seine Filme erstellt hat. Mit seinen
Möbeln trat er auf wichtigen internationalen Ausstellungen (z. B. der Salone del Mo-
bile in Milano, Italien) auf. 5
5 Für eine ausführliche Biografie und kommentierte Filmografie vgl. Fischer, Robert (31997).
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 8
2. Theorie und Methode
2.1. Der postmoderne Film
„Postmodernes Kino läßt sich mit dem vertrauten analytischen Instrumentarium
kaum angemessen beschreiben; es gibt kein ästhetisches Programm oder Manifest,
mit dem man sich auseinandersetzen könnte.“6, bedauert Ernst Schreckenberg.
Dennoch lassen sich Maßstäbe finden, Postmodernität im Kunstwerk aufzuspüren
und ihre Verfahren sichtbar zu machen. Hierzu liefern einerseits die paradigmati-
schen Texte der Postmoderne (etwa Lesley Fiedlers Essay „Cross the borders, close the
Gaps“ oder Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“) Anregungen, andererseits
verhelfen die Kenntnisse des mediensozialisierten Zuschauers selbst, postmoderne
Verfahren zu erkennen.
Zu diesen Verfahren zählt im Wesentlichen die Doppelcodierung, derer sich das
Kunstwerk bedient. Die postmoderne Ästhetik stellt sie daher in das Zentrum ihrer
Analysen. Auch für den postmodernen Film scheint die Doppelcodierung das zentra-
le Verfahren zu sein, welches mittlerweile zum »alltäglichen« Ereignis geworden ist:
„Die Mehrdeutigkeiten, die Doppel- und Mehrfachkodierungen, die jede konventio-
nelle erzählerische Logik zersetzenden visuellen und akustischen Schocks sind in den
neunziger Jahren in das erzählerische Repertoire des Mainstream-Kinos eingegangen,
ohne noch das große Aufsehen wie in den achtziger Jahren zu erregen. [...] Es [das
Postmoderne, S. H.] ist ein Bestandteil filmischen Erzählens geworden, das vor allem das
Genrekino mit neuen kreativen Impulsen aufgefrischt hat.“7
Doch welche kreativen Impulse sind das und auf welche Ebenen des Kunstwerks
haben sie Einfluss? Die Konzepte der Doppelcodierung in der Theorie des Films von
Frank Burke, Franz Loquai, Ernst Schreckenberg und Franz Derendinger sollen zu-
nächst referiert werden, um deren Bedeutung für die film- und literaturwissenschaftli-
che Debatte zu verdeutlichen.
2.1.1. Frank Burke: Multiple Coding
Innerhalb seiner »Ästhetik des Verschwindens«, die für das postmoderne Kunstwerk
charakteristisch sei („the proliferation of strategies whose effect is to efface presence
in the very method of presentation can indeed be characterized as postmodern“8),
nennt Frank Burke das „multiple coding“ als eines von drei Techniken, dieses Ver-
schwinden zu realisieren.9
Mit dem „multiple coding“ werden von Burke Verfahren beschrieben, die den Text
»jenseits seiner selbst« codieren. Hierzu zählen Anspielungen, Zitate, Collagen, Pasti-
6 Schreckenberg, Ernst (1998). S. 123 f.
7 Schreckenberg, Ernst (1998). S. 126 f.
8 Burke, Frank (1988). S. 70.
9 zu den beiden anderen Verfahren („othering“ und „Presentation under erasure“) vgl. Burke, Frank (1988). S. 70 - 77.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 9
ches und andere Formen intertextueller Referenzen. Er betont jedoch, dass diese
zwar »moderne« Mittel der Referenzerzeugung darstellen, sie jedoch in ihrer Konse-
quenz erst den postmodern Film ausmachen: Sie setzten sich der modernen Strategie
entgegen, die dem Kunstwerk eine »Einheitscodierung« zugrundelegt, welche die
»Bedeutung des Werkes« ausmacht.
Das auf diese Weise mehrfach codierte Kunstwerk ist »anwesend« und »abwe-
send« zugleich: Es verweist (z. B. in Form des Zitats) auf seine Quelle, ohne jedoch mit
ihr identisch zu sein und dekontextualisiert damit sowohl sich selbst als auch die
durch es zitierte Quelle. Daraus ergibt sich für den Zuschauer die Konsequenz, ent-
weder einen eigenen (Bedeutungs-)Kontext herstellen zu müssen oder ganz auf ihn
zu verzichten.
Die Konsequenz für den Film ist, dass er somit a-gegenwärtig („unpresented“) ist.
Durch das Zitieren fremder Stoffe verliert der Filmtext seine Einbettung im allein Ge-
genwärtigen (indem er das »Vergangene« in sich aufnimmt). Er verlagert sich aller-
dings auch nicht ins Vergangene, sondern verliert jede zeitlich eindeutige Struktur:
„Simultaneously, this a-present and a-past, by being juxtaposed, are in effect spa-
tialized and denied both their temporal nature and their linear or ‚narrative‘ com-
prehensibility.“10
Dieses »Verschwinden von Bedeutung« (was nicht gleichbedeutend mit dessen
Auslöschung ist) erzeugt mit den (modernen) Mitteln der Intertextualität, bettet ein
dadurch doppelcodiertes Kunstwerk in die postmoderne Ästhetik ein: Gleich dem
Verschwinden der Geschichte, der Politik, der (großen und anderen) Erzählungen,
der Kunst, der Bedeutung, der Kausalität, des Subjekts und sogar des Geschlechts11,
verschwindet auch die Präsentation des Kunstwerkes. Ein Verfahren, das Jean-
François Lyotard als „zitierendes Formenflimmern“12 bezeichnet hat.
2.1.2. Ernst Schreckenberg: Verdopplung als Postmodernität
Welche Bedeutung die Doppelcodierung für den Zuschauer hat, welche Anforde-
rungen sie an ihn stellt und in welchem Maße sie ihn in die Narration einbezieht, un-
tersucht Ernst Schreckenberg. Er betont dabei, dass sich die Verdopplung nicht al-
lein auf den »Film« beschränkt, sondern darüber hinaus auch:
„Werbung, Comics, Videoclips, überhaupt alle Formen visueller Gestaltung, mit denen
wir heute konfrontiert sind. Design, Kleidung und Wohnungsausstattung sind hier nicht
nur schmückendes Beiwerk, sondern Anlaß und Aufforderung an den Zuschauer, asso-
ziative Einstiege in den Film zu finden.“13
Die Verdopplung im postmodernen Film verlässt also die intramediale Ebene und
bezieht sowohl andere Medien (Fernsehen, Video, Buch, …) als auch weitere Berei-
10 Burke, Frank (1988). S. 71.
11 Burke, Frank (1988). S. 70.
12 Lyotard, J.- F. Zit. n. Schreckenberg, Ernst (1998). S. 119.
13 Schreckenberg, Ernst (1998). S. 121.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 10
che mit ein. Dass dies beim Zuschauer dann schon einmal in eine „Überwältigung
der Sinne“14 mündet, hat Vor- wie auch Nachteile. So leidet zwar die narrative Kohä-
renz:
„Eine größere Autonomie der sinnlichen Eindrücke sprengt nicht selten die erzähleri-
sche Geschlossenheit, die durch Kriterien wie dramaturgische Plausibilität, Handlungs-
logik und psychologische Stimmigkeit definiert ist. Diese Eindrücke sind nicht mehr in
die Linearität eines Erzählens nach klassischen Mustern eingebunden, das eine »realisti-
sche« Illusion anstrebt, sondern stehen häufig quer dazu.“15
Aber die Doppelcodierung erlaubt es dem Zuschauer auch, das »Formenflim-
mern« konstruktiv zu nutzen, seinen Assoziationen freien Lauf zu lassen:
„Bei solcherart mehrfacher Kodierung kann der Zuschauer die eine oder andere An-
eignungsebene für sich favorisieren - eben auch die selbstreferentielle von Zitat, Par-
odie, Hommage bis zum Remake, ohne die anscheinend kein postmoderner Genrefilm
mehr funktioniert. Der mediensozialisierte Mensch agiert heute als ein Zuschauer, der
die erzählerische Geradlinigkeit der klassischen Genrefilme aus dem Fernsehen zur
Genüge kennt und im Kino als Jemand angesprochen werden will, dessen Medien-
kompetenz ernst genommen wird. Mit dieser Distanz lustvoll zu spielen, macht den Re-
sonanzboden postmodernen Kinos aus.“16
Dieser Nutzen für den Zuschauer spiegelt sich auch auf der Produktionsebene
wieder: Im modernen Film zeigt sich ein Problem moderner Kunst schlechthin: Glaub-
te die Moderne noch an »das Neue«, das sie durch die Verinnerlichung tabuisierter
Bereiche in ihre Kunst zu absorbieren versuchte, so entzog sie der »Avantgarde« da-
durch immer mehr die Grundlage und degradierte sie zu einer institutionalisierten
Revolte.
Das moderne Kunstwerk vollzog dabei die Absorption von avantgardistischen
Strömungen in den Kanon, was der Avantgarde damit gleichzeitig die Vorreiterrolle
nahm und so zu Absterben der Fortschrittsideologie in der Kunst führte (im Folgenden
als die »Misere der Moderne« bzw. »Misere moderner Erzählformen« bezeichnet). Ge-
org Seeßlen beschreibt diesen Prozess als die »Crux der Moderne«:
„Die Crux der Moderne ist der Glaube an das Neue. So entsteht die moderne Ästhetik
als eine folge von Grenzüberschreitungen und Tabuverstößen. Dabei verbraucht sie al-
lerdings die Gegenmatrix, das Verbotene oder Unmögliche; der Kampf um den Skan-
dal wird immer mehr identisch mit dem Kampf um Sinn.“17
Hier leistet auf dem Gebiet des Films die postmoderne Doppelcodierung Abhilfe,
die nun zur Methode filmischen Erzählens geworden ist und ihm - gerade durch das
Erkennen der Misere modernen Erzählens und der Konsequenzen daraus - neue Im-
pulse verliehen hat.
2.1.3. Franz Derendinger: Verdopplung und Ironie
In seinem Text „Keine andere Wahl, als es Ecos Liebhabern gleichzutun“ be-
schreibt Franz Derendinger anhand von Umberto Ecos „Nachschrift zum Name der
Rose“, wie sich solche Impulse äußern. Er definiert die Doppelcodierung:
14 Schreckenberg, Ernst (1998). S. 123. (Schreckenberg spielt hier auf einen Werbespot der Firma Nestlé an.)
15 Schreckenberg, Ernst (1998). S. 123 f.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 11
„doppelcodiert ist ein Kunstwerk, das eine gewissermaßen naive, positive Lesart - eine
Aussage - hat, das zugleich aber auch einen Diskurs über die verwendeten Zeichen
führt, auf dessen Ebene es sich eine durchaus moderne Negativität bewahrt. Das post-
moderne Kunstwerk ist so in der Lage, ganz verschiedene Rezipienten anzusprechen:
den naiven, dem es den Genuss eines Bildes oder einer Geschichte anbietet, wie den
reflektierenden, dessen Verlangen nach einer kritischen Dimension es durch die ironi-
sche Selbstdistanzierung befriedigt.“18
Die von Derendinger postulierte „Aussage“ muss nicht unbedingt einen Wider-
spruch zur Feststellung Burkes, dass die Aussage im Kunstwerk verschwunden sei, dar-
stellen, weil hier Aussage nicht mit Bedeutung gleichgesetzt wird, sondern lediglich
das meint, was der Film inhaltlich transportiert (der Plot), der natürlich ebenso Ge-
genstand der Doppelcodierung sein kann (und es bei den meisten postmodernen
Filmen auch ist).
Ein nach Derendinger wichtiges Charakteristikum der Verdopplung ist die Ironie.
Sie bildet letztlich die Trennlinie zwischen dem modernen und dem postmodernen
Film: „postmodern ist keineswegs gleich beliebig, es gibt im Gegenteil ein klares Mass
für Postmodernität: die Ironie.“19
Diese Ironie äußert sich in Form subtiler Anspielungen auf z. B. Erzählstrategien des
modernen Films. Dennoch ist es erforderlich, eine Trennung zwischen ironischer Dop-
pelcodierung und ironischen Formen der Intertextualität vorzunehmen. Derendinger
grenzt sie folgendermaßen voneinander ab:
„die Doppelcodierung ist hier schon so zu verstehen, dass der Film seine spezifisch filmi-
schen Ausdrucksmittel als solche erkennbar werden lässt, dass er also die Illusion eines
natürlichen Geschehens aufbricht. [...] ein Film, der äusserst bewusst und souverän mit Zi-
taten spielt, stellt keinen im eigentlichen Sinn postmodernen Film dar, obgleich der
Geist der Postmoderne darin fast auf Schritt und Tritt zu spüren ist.“20
So bewegt sich der postmoderne Film zwar stets im Bereich moderner Formen der
Intertextualität (vgl. 2.3.), distanziert sich jedoch dadurch von ihnen, dass er diese
Intertextualitäten nicht thematisiert (wie etwa bei einer Parodie), sondern sie eher
unterschwellig als Bestandteile für ein narratives Patchwork nutzt.
2.1.4. Franz Loquai: FilmimFilm21
In seinem Artikel über die mediale Autothematisierung (bei Literatur und Film) skiz-
ziert Franz Loquai die Formen postmodernen Erzählens mit ihrer Beziehung (Verdopp-
lung) mehrerer Ebenen: der Ebene des Plots, der Ebene des Genres und nicht zuletzt
der Ebene des Mediums selbst, wie sie sich von der modernen bis zur postmodernen
Kunst herausgebildet haben:
16 Schreckenberg, Ernst (1998). S. 126.
17 Seeßlen, Georg (42000). S. 127.
18 Derendinger, Franz (1989). S. 4 f. Dass Derendinger hier vom »Rezipienten« spricht (und nicht etwa von einem emanzi-
pierten Zuschauer), widerspricht seinen Ausführungen zur Wirkung der Doppelcodierung: Gerade am Akt der bewussten
Decodierung doppelcodierter Bildinhalte zeigt sich doch, dass deren Betrachter nicht einfach »rezipiert«, sondern viel-
mehr einen Großteil dazu beiträgt, dass der Film verstanden wird. Wir wollen daher für die f olgenden Untersuchungen
den Terminus »Zuschauer« beibehalten als einer Instanz, die aktiv Filme sieht und versteht.
19 Derendinger, Franz (1989). S. 5.
20 Derendinger, Franz (1989). S. 7.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 12
„Unter Selbstreflexivität oder Autothematik verstehe ich die Thematisierung der Ver-
mittlungstechniken des Mediums im Medium selbst, also die Reflexion der künstlerischen
und kommunikativen Möglichkeiten in den Medien Literatur und Film, und zwar auf den
Ebenen der Produktion wie der Rezeption. [...] wie sich im Verlauf der Genese der Mo-
derne bis hin zur Postmoderne zunehmend selbstreflexive Tendenzen einstellen, in de-
ren Zuge die Bedingtheit des Erzählens mitreflektiert wird im Hinblick auf die ästheti-
schen Möglichkeiten des Mediums und deren theoretische Implikationen.“22
Wie Derendinger die ironische Doppelcodierung von der persiflierenden Intertex-
tualität unterscheidet, so trennt Loquai die Autothematik von Formen der reinen
Thematisierung ab:
„Es geht also nicht um Filme des folgenden Typus: Hollywoods Blick auf Hollywood, »the
Making of a Movie«, zum Thema Starmythos oder Kinosterben. Im Zentrum steht viel-
mehr eine durch die Infraierungstechnik ermöglichte Potenzierung oder Vervielfälti-
gung des Mediums innerhalb eines einzigen Films, der somit seine produktionstechni-
schen und rezeptionsästhetischen Möglichkeiten im Hinblick auf einen aktiven Zu-
schauer reflektiert. [...] so setzt der FilmimFilm einen filmhistorisch kundigen Cineasten
voraus; das gilt jeweils für den Idealfall.“23
Die Form der Infraisierungstechnik ist jedoch nur ein Merkmal der Doppelcodierung:
Loquai zählt abschließend sechs Merkmale postmodernen Erzählens auf:
„1. Selbstreflexivität bzw. Autothematik.
2. Universum der Texte/Filme (siehe Borges oder die Filme von Peter Greenaway).
3. Potenzierung der Intertextualität (siehe Wieland oder Calvino).
4. Ludische Momente in metasprachlichen Spielen (siehe u.a. Eco).
5. Multimedialität und Internationalität.
6. Die Überwindung der Distanz von Fiktion und Wirklichkeit oder: Die aufge-
hobene Rivalität von Realität und simulierter Realität.“24
Hierin sind bereits alle Verfahren einer »Ästhetik der Verdopplung« genannt, wie sie
auch in den Filmen David Lynchs vorkommen. Sie lassen sich auf drei Ebenen des
Films projizieren, die im Folgenden genauer eingegrenzt werden sollen.
2.2. Die Ästhetik der Verdopplung
Die Analysen der ästhetischen Verdopplung, wie sie später auf die Filme David
Lynchs angewendet werden sollen, rekrutieren sich zu einem Teil aus der Dechiffrie-
rung postmoderner Doppelcodierung. Sie überschreiten dieses Verfahren jedoch,
wenn nicht mehr allein die Erzählung oder deren Genre im Zentrum der Analyse ste-
he, sondern das Medium selbst in dieses einbezogen wird.
2.2.1. Die Verdopplung der Erzählung
Hierzu zählen alle intertextuellen Verfahren der postmodernen Doppelcodierung,
wie sie unter 2.1. beschrieben wurden. Die Verdopplung beschränkt sich dabei auf
21 Den Terminus FilmimFilm führt Franz Loquai ein, um Filme zu kategorisieren, die sich selbst in Form von in ihrer Handlung
eingebetteten Fil men thematisieren.
22 Loquai, Franz (1997). S. 182.
23 Loquai, Franz (1997). S. 193 f. Eine ähnliche Abgrenzung der Medieninszenierung von der Selbstreflexion/-referenz
nimmt auch Petra Kallweit vor: Vgl. Kallweit, Petra (1998). S. 213 f. [Weiteres hierzu in den Untersuchungen zu TWIN PEAKS -
FIRE WALK WITH ME und LOST HIGHWAY].
24 Kallweit, Petra (1998). S. 203 f.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 13
interdiegetische Verweise, wie z. B. Anspielungen oder Zitate. Gegenstand der ver-
doppelten Erzählung im Film sind Bild/Ton und Plot.
So kann ein Film auf andere Filme verweisen, indem er deren Inhalte zitiert. Beim
Bild sind das der Bildinhalt, die Einstellungsgrößen, Kamerabewegungen oder Mon-
tagen. Verweise auf diese Art herzustellen, ist jedoch mit Schwierigkeiten verbunden:
Soll die Doppelcodierung dem Zuschauer bewusst werden, so bedarf es Verfahren,
die deutlich sichtbar machen, wie auf was referiert wird. Darüber hinaus diffundiert
dieses Verfahren auch in die Bereiche der Verdopplung des Genres, weil bestimmte
Konventionen der Bildgestaltung genretypisierende Merkmale sind (z. B. beim Film
Noir, beim Roadmovie, beim Thriller, …).
Intertextualität auf der Handlungsebene zu verwirklichen, erweist sich als viel ein-
facher: In Form des Zitats können Passagen der Handlung oder einzelner Aussagen
von Protagonisten referiert werden. Intertextuelle Bezüge dieser Art sind wegen ihrer
Offensichtlichkeit leichter zu dechiffrieren bzw. als Intertextualität zu verorten.
Die Verdopplung der Erzählung ist sicherlich das am häufigsten benutzte Verfah-
ren der Referenzbeziehung im Film. Der Zuschauer hat hierbei die Möglichkeit, sein
Filmwissen direkt in Beziehung zur aktuellen Filmsichtung zu stellen und die Bezüge
herzustellen. „Wir scheinen zugleich in der ersten Codierung ein heftiges Geschehen
zu genießen und in der zweiten Codierung die Illusion vollständiger intellektueller Kon-
trolle darüber.“25 Ebenso ermöglicht sie dem Autoren, einen Text zu erstellen, der die
Erzählung mittels Referenzbeziehungen zu anderen Texten weiterentwickelt:
„Der Fundus in der Filmgeschichte ist nicht die Verpflichtung zur Weiterentwicklung,
sondern Steinbruch der Möglichkeiten. Das Material muss nicht mehr in eindeutiger
Weise bearbeitet werden; daher verwischen sich auch die Grenzen zwischen Zitat und
Fortentwicklung.“26
2.2.2. Die Verdopplung des Genres
Gerade die ästhetische Verdopplung des Genres wird häufig zu dessen Dekon-
struktion genutzt. Das Kino der 80er, mehr noch das der 90er Jahre, offenbart die
Schwäche des Genrebegriffs besonders deutlich. War es bis dahin schon schwierig,
einen Film eindeutig einem gewissen Genre zu subsummieren, so wird dies nun nahe-
zu unmöglich.
Ein gutes Beispiel hierfür bietet das Genre »Horrorfilm«. Bis in die 80er Jahre hinein
war es eines, das seine Tendenzen des »Fortschritts« immer deutlich offenbart hat. So
wurde als Maßstab dieses Fortschritts häufig der Grad an detailliert dargestellter Ge-
walt gesehen.27 Spielte die Darstellung der Gewalt bis in die 60er Jahre hinein (wohl
aus Zensurgründen) noch keine besondere Rolle, so wurde sie für den Horrorfilm ab
25 Seeßlen, Georg (42000). S. 129.
26 Seeßlen, Georg (42000). S. 128.
27 Vgl. Hofmann, Frank (21994). S. 50 f.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 14
Hershell Gordon Lewis28 immer wichtiger. Den Schlusspunkt dieser Entwicklung stellen
Filme wie BRAINDEAD, (Nz 1989, Regie: Peter Jackson) dar, die derart gewaltüberlade-
ne Bilder liefern, dass sie bereits humoristische Züge tragen29 und dadurch kenntlich
machen, dass der Fortschritt in der Darstellung der Gewalt zum Zwecke des »Horrors«
nicht mehr funktioniert. In den 90er Jahren verwischen die Grenzen der Genres dann
vollends in Filmen wie z. B. John Carpenters VAMPIRES (USA 1999)30 oder Wachowskis
MATRIX (USA 1998)31.
Im postmodernen Film wird diese Entwicklung aufgenommen und dadurch kom-
mentiert, dass Filme wie BLADE RUNNER (USA 1982, Regie: Ridley Scott) sich der Erzähl-
form klassischer Genres (Film noir) zitierend annehmen und damit ihre Erzählstrategien
verdoppeln. Besondere Affinität für diese Art der Verdopplung findet sich in »fantasti-
schen Filmen«, weil hier die Möglichkeit besteht, Genreelemente in einen gänzlich
anderen Kontext zu überführen und gerade diese Genres mit ihren Bilder die von
Schreckenberg postulierte „Überwältigung der Sinne“ hervorbringen:
„Es kann von daher kaum verwundern, daß es gerade Genres wie der Horrorfilm, der
Science-Fiction-Film, der Thriller sind, die am stärksten postmoderne Bildwelten adap-
tiert haben.“32
2.2.3. Die Verdopplung des Mediums
Das Medium Film ist nicht erst im postmodernen Film Gegenstand filmischen Erzäh-
lens geworden. Zahlreiche Produktionen seit der Frühzeit des Kinos nehmen sich sei-
ner an. Franz Loquai liefert zwei besonders frühe Beispiele:
„bereits in der Frühzeit des Kinos wurden solche medialen Grundbedingungen in Filmen
thematisiert. In »How it feels to be run over« (GB 1900, Regie: Cecil M. Hepworth) be-
wegt sich - in subjektiver Kameraeinstellung - eine Kutsche auf den Kameramann zu und
überfährt ihn. In »The Big Swallow« (GB 1901, Regie: James Williamson) läuft ein Spazier-
gänger dem ihn filmenden Mann entgegen, bis der Mund des Passanten die ganze
Leinwand ausfüllt und den Kameramann verschluckt.“33
Im postmodernen Film vertieft und verbreitert sich diese Tendenz: Die Referenz an
das Medium selbst findet nun nicht mehr allein in der Brechung seiner Verwen-
dungsweise statt, sondern nimmt Stellung zu zahlreichen Aspekten filmischen Erzäh-
lens: Filmmusik, Darstellungsweisen, Montage und Kamera. Darüber hinaus wird nun
nicht mehr der Film allein Gegenstand der Verdopplung, sondern auch andere Me-
dien, wie Video, Fernsehen, Telefon uvm. Hier reflektiert der Film vor allem deren Be-
ziehungen zueinander und deren narrative Strategien als Medium (oft in Abgren-
28 Hershell Gordon Lewis (* 1926, Pittsburgh, USA) gilt als der Urvater des sog. »Gore-Films«, der 1963 mit seinem Film BLOOD
FEAST erstmals Gewalt in detaillierter Großaufnahme präsentierte und damit Kritiker, Zuschauer und die Filmzensur provo-
zierte.
29 Hofmann, Frank (21994). S. 51.
30 der Vermengungen aus zwei klassischen Genres darstellt: Des Western und des Vampirfilms.
31 der seine futuristischen Bilder über die Erzähltradition des Kung-Fu-Films stülpt.
32 Schreckenberg, Ernst (1998). S. 122.
33 Loquai, Franz (1997). S. 181.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 15
zung zum Film), also: wie Medien im Film präsentiert werden und welche Erzählformen
sich in den Medien herausgebildet haben.34
Das Medium selbst scheint im postmodernen Film viel deutlicher in das Zentrum der
Erzählung gerückt zu sein. Dabei werden die Barrieren der reinen »Erzählmedien« Lite-
ratur und Film zusehends überschritten und alle Bereiche visueller Kunst (Comic, Vi-
deoclips, Werbung, Malerei, …) mit einbezogen.
Dies wird nicht zuletzt an den Filmen David Lynchs deutlich: In nahezu allen Filmen
Lynchs spielen Medien eine wichtige Rolle innerhalb der Erzählung und bei der »Ko-
lonisation« seiner Stoffe in den einzelnen Medien (z. B. dem Fernsehen): „David Lynch,
dessen Fernsehserie TWIN PEAKS (1990) den Versuch darstellt, auch im weitgehend ei-
nem traditionellen Erzählstil verpflichteten Fernsehen mit postmodernen Erzählweisen
zu reüssieren.“35
2.3. Abgrenzung zu den Verfahren »moderner« Intertextualität
Intertextualität ist eine Sammelbezeichnung für Wechsel- und Referenzbeziehun-
gen eines konkreten Textes zu einer Vielzahl konstitutiver und zugrundeliegender an-
derer Texte, Textstrukturen und allgemeiner semiotischer Codes, auf die dieser durch
Zitate, Anspielungen u. ä. verweist und damit ein eigenes Netz von textlichen Bezie-
hungen ausbreitet.
Intertextualität ist dabei natürlich nicht allein auf Literatur beschränkt: Sowohl an-
dere Medien können als Referenzobjekt dienen als auch Referenzen zu anderen
Objekten herstellen. Dabei lassen sich zunächst drei Hauptformen der Intertextualität
unterscheiden, die im Folgenden von der Ästhetik der Verdopplung abgegrenzt
werden sollen.
2.3.1. Anleihen: Pastiche und Plagiat
Absichtlich produziert, stellt die Pastiche die genaue Nachahmung des Stils eines
Autors, einer Stilrichtung oder Gattung in Formen und Phrasenschatz unter Vermei-
dung eines Individualstils dar. Sie wird daher besonders zur Parodierung ihres Refe-
renzobjektes genutzt.
Ist die Nachahmung auf eine unbewusste oder unerlaubte Wiedergabe von Wer-
ken oder Teilen davon, Motiven und Gedanken eines Anderen zurückzuführen,
handelt es sich um ein Plagiat; eine Form »geistigen Diebstahls«.
Nun stellt Doppelcodierung, erst recht, wenn Sie Stile und Genres verdoppelt, tat-
sächlich eine Art Pastiche dar und bildet somit eine Hälfte der Methode zur Ver-
34 Mit dieser Frage wird sich vor allem die Analyse von LOST HIGHWAY beschäftigen.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 16
dopplung, zu der dann allerdings das benutzten Zeichen kritisch reflektieren muss,
um als Doppelcodierung angesehen werden zu können. Die Szene ist erst dann
doppelt codiert, wenn „sie als Aussage und als Untersuchung der Sprache dieser
Aussage aufgenommen werden kann.“36
2.3.2. Anklagen: Parodie, Persiflage, Travestie und Satire
Diesen Formen der Intertextualität ist allen die Intention gemein: Sie verspotten,
verzerren und klagen an. Dabei beziehen sie sich entweder auf soziale oder politi-
sche Missstände oder sie rücken ein künstlerisches Referenzobjekt in den Mittelpunkt
ihrer Betrachtung bzw. Bewertung.
Die Doppelcodierung, die mittels der Ironie ebenfalls ihr Referenzobjekt - das mo-
derne Kunstwerk - entlarvt, adressiert hingegen keineswegs irgendwelche sozialen
oder politischen Missstände, bis auf den einen: Die Misere der modernen Erzählfor-
men:
„In diesem Spiel steckt beides, die ‚reine‘, archaische Aussage (die in der Moderne
negiert worden war) und die kritische Reflexion der verwendeten Zeichen für diese
Aussage (in der sich die Moderne fortsetzen mag). [...] Was die beiden Ebenen, die Aus-
sage und die Reflexion ihrer Mittel, verbinden kann, ist Ironie. Darin steckt sozusagen
das gegenseitige ‚Verzeihen‘ von Naivität (des Dargestellten) und Raffinesse (in der
Darstellung), die einzige Möglichkeit, sich gegenseitig zur Kenntnis zu nehmen und sich
nicht sogleich zu zerstören“37
Dennoch ist ihre Nähe zu diesen intertextuellen Verfahren offensichtlich, denn
auch
„der postmoderne Film bewegt sich in der Folge stets am Rand der Parodie. [...] Der Au-
tor einer Parodie manifestiert ja stets seine souveräne Verfügungsgewalt über die Gat-
tungsgesetze; allerdings begibt er sich immer auch der Möglichkeit, einfach naiv eine
Geschichte zu erzählen. Reine Parodien bilden daher noch nicht wirklich postmoderne
Werke, weil sie sich zur entsprechenden Gattung ausschliesslich negativ verhalten und
so die Doppelcodierung vermissen lassen.“38
2.3.3. Anspielungen: Hommage, Collage und Adaption
Auch diese Formen der Intertextualität entwickeln eine Reihe von Gemeinsamkei-
ten zur Ästhetik der Verdopplung.
“Die »Hommage« kann die verschiedensten Formen haben, inhaltlich wie formal be-
stimmt sein, entscheidend ist, daß sie eine bestimmte Tiefe der Auseinandersetzung
nicht überschreitet. Es ist kein ästhetischer Diskurs, sondern eher ein Schlenker, eine Ge-
ste, die Verbeugung und Vereinnahmung zugleich bedeuten kann“39,
charakterisiert Georg Seeßlen die Filmhommage. Die Doppelcodierung überschrei-
tet jedoch dieses Limit, indem sie das Hommage-Bild nicht als einfache Referenz in-
stalliert, sondern es oft dazu nutzt, den bezogenen Text (ironisch) zu brechen.
Die Collage, eine experimentelle Technik, die den Text mit Anspielungen, Zitaten
anderer Autoren und vorgeprägten Wendungen (also »Klischees«) versetzt, um da-
35 Schreckenberg, Ernst (1998). S. 120.
36 Seeßlen, Georg (42000). S. 129.
37 Seeßlen, Georg (42000). S. 129.
38 Franz Derendinger (1989). S. 7.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 17
durch dem Thema weitere Horizonte abzugewinnen, gilt auch als Methode der Ver-
dopplung: Das Klischee, dass im modernen Film vor allem den Genrekonventionen
entspricht, wird im postmodernen Film ebenso verwendet, allerdings nicht, um dem
Stoff oder dem Genre »neue« Aspekte abzugewinnen, sondern um zu zeigen, dass es
gar nicht notwendig ist, dem Gegenstand einen neuen Aspekt hinzuzufügen, weil in
der Reflexion »der Bedingungen seiner Möglichkeit« ein beachtliches intellektuelles
Potential verborgen ist.
„Der postmoderne Film benutzt Klischees wie ein Komponist sein Material; während sie
in ihrer ausstellenden Anhäufung vollkommen ihre moralische Kategorialität verlieren,
gewinnen sie in dieser Anhäufung an ästhetischer Struktur. Das Klischee ist nicht das,
worauf der Film hinaus will, sondern das, woraus er besteht.“40
Die Adaption stellt die Anpassung eines Werkes an die Erfordernisse einer anderen
Gattung oder eines anderen Mediums, für das es in der authentischen Form nicht
gedacht war, dar. Besonders in der Moderne (und dort besonders beim Film) findet
sich diese Form der Intertextualität, denn das ökonomische System, die »Medienwirt-
schaft«, verlangt nach immer neuen Werken, immer anderen Stoffen, um den »Stoff-
hunger« befriedigen zu können.
Der ästhetischen Verdopplung liegt zwar dieser ökonomische Gedanke nicht zu
Grunde, kommt dem »Verwertungsprinzip« der Medienökonomie jedoch sehr entge-
gen. Hier wird die Adaption zwischen Gattungen/Genres und Medien dazu genutzt,
auf das Vorwissen des mediensozialisierten Zuschauers zu referieren.41 Über dieses
Vorwissen schreibt Georg Seeßlen:
„Das Kunstwerk in der Postmoderne ist vielmehr eine Art Schizophrenie-Maschine, die
sehr unterschiedliche Menschen mit gänzlich unterschiedlichen Erwartungshaltungen
ebenso ansprechen kann, wie einen Menschen zugleich auf sehr unterschiedliche Wei-
se.“42
Es zeigt sich also, dass Bestandteile intertextueller Verfahren teilweise in die Ästhetik
der Verdopplung eingegangen sind, oft jedoch ohne die ihnen eigene Intention
(Anprangerung) oder Radikalität (Verspottung) zu übernehmen. Gemein ist allen
(außer vielleicht dem Plagiat), dass der Zuschauer das Referenzobjekt (wieder-) er-
kannt und damit den intertextuellen Bezug herstellt.
2.4. Die Methode Lynch
39 Seeßlen, Georg (1999). S. 205.
40 Seeßlen, Georg (42000). S. 127.
41 Eine besonders interessante Abart der Adaption stellt die sog. »Verfilmung« eines literarischen Stoffes (und neuerdings
auch die »Verbuchung« eines Films) dar; kurbeln sich doch auf diese Weise zwei Medienbranchen gegenseitig an. Vgl.
hierzu: Sierek, Karl. Zwischen den Stühlen: Blade Runner. In: Ders. Aus der Bildhaft. Wien. Sonderzahl: 1993. S. 131 - 160 und
Faulstich, Werner. „Verbuchung“ als Medienästhetisches Problem. Eine Fallstudie zu Alien. In: Medien und Kommunika-
tion (MuK) 45. Siegen 1986. S. 3 - 21.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 18
Spätestens seit seinen Filmen BLUE VELVET und WILD AT HEART zählt David Lynch zu
den Hauptvertretern des postmodernen Kinos. Gerade diese beiden Titel stellen pa-
radigmatische Werke postmodernen Erzählens im Kino dar. Angefangen bei seinem
dritten Spielfilm DUNE (1984) bis zu seinem jüngsten Werk THE STRAIGHT STORY (1999) fin-
den sich Strategien der ästhetischen Verdopplung in verschiedener Intensität. Georg
Seeßlen charakterisiert Lynchs Œuvre daher: „David Lynchs Filme beschreiben recht
eigentlich eine postmoderne Kosmo- und Theologie.“43
Doch damit ist längst nicht alles über die Filme David Lynchs gesagt, denn obwohl
BLUE VELVET der Ästhetik der Verdopplung verpflichtet zu sein scheint und zahlreiche
Referenzen zur Filmgeschichte herstellt, wird in ihm auch ein Projekt lanciert, das ihn
einem Film wie TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME (einem weitaus weniger postmodernen
Werk) ähneln lässt.
„So will Lynch, scheint es, mit seinen Doppelcodierungen von Anbeginn auf, etwas an-
deres hinaus als auf die ironische Darstellung der eigenen Erzählmittel, mit denen eine
Distanzierung von der (‚naiven‘) Aussage zu erreichen ist; er behandelt eine Art Dop-
pelcodierung der Wahrnehmung selbst.“44
Diese „Doppelcodierung der Wahrnehmung zeigt sich vor allem an den fünf fol-
genden Bereichen.
2.4.1. Zeitlosigkeit
Die Zeit spielt in den Filmen Lynchs eine besondere Rolle. Lynchs Filmhandlungen
lassen sich kaum in eine »Epoche« einordnen, weil er die Stilelemente verschiedenster
Dekaden miteinander kombiniert und auf diese Weise Anachronismen herstellt. Die-
ses Verfahren deckt sich mit der Analyse Frank Burkes zu »apresentation«:
„Time itself is unpresented. The present isn’t present but a series of references to past,
which itself fails to materialize. Simultaneously, this a-present and a-past, by being jux-
taposed, are in effect spatialized and denied both their temporal nature and their lin-
ear or »narrative« comprehensibility."45
Darüber hinaus verfährt Lynch äußerst kreativ mit den Momenten Erzählzeit und
erzählte Zeit: Tradierte Formen der Rückblende (zur Ver»gegenwärtgung« vergange-
ner Vorgänge), der »zeitlosen« Präsentation von Traumbildern der Protagonisten und
Methoden zur Verdeutlichung verfließender erzählter Zeit (etwa Raffungen und Zeit-
lupen) werden bei Lynch in einer Form gebrochen, in der sie radikale Auswirkungen
auf die Erzählzeit bekommen.
Die Mittel, die er dazu verwendet, sind - wie sich zeigen wird - sehr verschieden
(Aufbruch linearer Erzählweisen, Annäherung des Films an die Fotografie etc.); alle
jedoch scheinen sie dem Prinzip verpflichtet, dem Zuschauer das Phänomen »Zeit im
Film« zu verdeutlichen.
42 Seeßlen, Georg (42000). S. 129.
43 Seeßlen, Georg (42000). S. 223.
44 Seeßlen, Georg (42000). S. 129.
45 Burke, Frank (1988). S. 71.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 19
2.4.2. Negationen
Personen und Räume scheinen in Lynchs Filmen einer ständigen Negation unter-
worfen zu sein. Diese offenbart sich vor allem darin, dass für sie häufig keine physikali-
schen Gesetzmäßigkeiten mehr geltend gemacht werden können. So kann es zum
Beispiel vorkommen, dass sich eine Person in eine andere verwandelt, dass eine Per-
son zwei Figuren verkörpert46 oder sich an zwei Orten gleichzeitig befindet.
Dasselbe Schicksal erfahren die Räume in den Filmen Lynchs: Sie sind ineinander
verschachtelt, enthalten mehrere Ebenen (oder »Unterdimensionen«) entstehen und
verschwinden (wie z. B. in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME). Der Filmraum, der immer auch
als Zeichen für ein bestimmtes Genre fungiert (Film noir, Thriller, Horrorfilm, etc.) wird
dabei häufig umfunktioniert, um so der Dekonstruktion des betreffenden Genres zu
dienen.
2.4.3. Bild und Ton
Augen- und ohrenfällig scheinen die Ebenen von Bild und Ton bei Lynch oft in
zwei unabhängige Bereiche zu zerfallen:
„Von Beginn an hat der Ton bei Lynch eine enorme Gewichtung als autonomes Ele-
ment der Darstellung, das keineswegs dazu verurteilt scheint, wirkliche ‚Ganzheit‘ zu
simulieren. [...] Sie [die Töne, S. H.] haben keine konventionalisierende Wirkung; sie be-
gleiten nicht die Bewegung von Personen und Objekten“47,
charakterisiert Georg Seeßlen diese Spaltung. Sie geht sowohl von der Ton- als
auch von der Soundtrack-Spur des Films aus, welche wesentliche Bedeutung für die
»Methode Lynch« haben und nehmen oft negierend Bezug auf die Story des betref-
fenden Films: „Der Soundtrack dient der Inversion der Story“, schreibt Seeßlen, mit
dem Effekt der Dekonstruktion:
„Daß das Hören so sehr in Frage gestellt ist wie das Sehen, erfahren wir in Lynchs Filmen
freilich auch auf einer anderen Ebene. Wenn in BLUE VELVET die Kamera zu Beginn in ein
menschliches Ohr und am Ende wieder hinaus fährt, haben wir das Unerhörte in diesem
Film gehört. In TWI N PEAKS stellt sich Lynch selbst nicht zufällig als einen Schwerhörigen
dar, der, passiv wie aktiv, die Kontrolle über die akustischen Botschaften weitgehend
(und auf eine eher komische Art) verloren hat.“48
2.4.4. Spiegelbilder
Die in den Filmen Lynchs anzutreffenden Spiegel und visuellen Spiegelungen (z. B.
durch glatte Flächen, Bildmedien uvm.), scheinen - gerade durch ihre zentrale Posi-
tion innerhalb der Bilder und Erzählungen - gleich auf mehreren Ebenen bedeutsam
zu werden.
Innerhalb der Erzählung künden sie von den zahlreichen Aspekten, die innerhalb
einer Figur angelegt sind und offenbaren dabei deren Psychosen: Hier funktioniert
46 Nicht wie in einem »modernen« Film, wo einfach ein Schauspieler mehrere Rollen übernahm (Bsp.: Stanley Kubricks
DR. STRANGELOVE [GB 1963], in dem Peter Sellers drei Rollen spielte). Bei Lynch kommt es vor, dass die Figuren, die von
einem Schauspieler verkörpert werden, aufeinander referieren und sich gegenseitig bedingen, wie sich in den Untersu-
chungen zu LOST HIGHWAY und TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME zeigen wird.
47 Seeßlen, Georg (42000). S. 212 f.
48 Seeßlen, Georg (42000). S. 214.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 20
z. B. der Spiegel höchst »modern«, gerade wenn er - zerbrochen - nur noch Fragmen-
te wiedergibt. Auch spiegeln sich oft ganz andere Dinge wieder, als die, welche den
Spiegeln gegenüber stehen - auch dies ein Mittel, das die unter 2.4.2. angedeutete
Negation der Person als Einheit verbildlicht.
Spiegel reflektieren auf einer höheren Ebene als Medium der (Re-)Präsentation
selbst das Medium Film. Es wird sich zeigen, dass Spiegelbilder innerhalb des Films ver-
deutlichen, wie der Autor die Erzählung und die Bilder strukturiert hat. Vor allem die
Narrationen der späten Filme David Lynchs »zerfallen« in zwei separate Bestandteile,
zwei »Spiegelbilder«. Die Verdopplung, die sich im Spiegelbild visualisiert, findet ihre
Entsprechung in der dekonstruierenden Verdopplung der Erzählung selbst:
„Endgültig in zwei Teile zerfallen FIRE WALK WITH ME (der Prolog, der mit dem Verschwin-
den des FBI-Agenten Chester Desmond endet, von dem bis zum Schluß nicht mehr die
Rede sein wird) und LOST HIGHWAY (die plötzliche Verwandlung von Fred in Pete und
wieder zurück, von der man sich gar nicht mehr erwartet, daß sie irgendwann erklärt
werden könnte). Aus Bruchstücken baut man kein Ganzes, sondern Ruinen. Die Ver-
wendung von Bruchstücken zeugt vom verlorenen Glauben an das Ganze, mit dem sie
dennoch als verwitterte Überreste verbunden bleiben. Lynch baut seine Filme aus den
Resten einer längst unglaubwürdig gewordenen Populärkultur.“49
Darüber hinaus scheinen die Spiegelbilder auch Lynchs besondere Beziehung zur
Psychoanalyse zu versinnbildlichen: Dem von Jacques Lacan postulierter »Spiegel-
stadium«50 kommt eine bedeutende Funktion in der Herausbildung des Ich zu. Die
Beziehung zur psychoanalytischen Theorie ist dabei ambivalent angelegt: Scheint
dieses »Spiegelstadium« oft genau auf die Charaktere in den Figuren Lynchs zuzutref-
fen, so offenbart der Spiegel in seiner Verdopplung des Betrachter-Blicks auch deut-
lich kritische Züge: Gerade die von zahlreichen Exegeten als »archetypisch« analy-
sierte Schrankszene in BLUE VELVET [dort: #III/18 - 20] könnte letztlich weniger als Bestä-
tigung »ödipaler Konflikte«, denn vielmehr die vorweggenommene Kritik solcher Ana-
lysen in Form der Affirmation darstellen. Eine Hypothese, die im Schlusskapitel ausge-
führt werden soll.
2.4.5. Meta-Motivik
Einen letzten Aspekt, den die folgenden Analysen berücksichtigen wollen, ist die
Selbstreferenzialität (bzw. „Selbstreflexion“51), die Lynch zu seinem eigenen Werk ein-
nimmt. Diese Selbstreflexion charakterisiert Brian Jarvis wie folgt:
„Lynch’s postmodern intertextuality precisely relishes its adestinoationality, its failure to
go anywhere. Accordingly, cinematic space collapses in on itself in a black hole of
vertiginous self-referentiality, a kenotic draining of the illusion of significance. To pursue
the allusions is to miss the point.“52
Stringent verfolgte Motivketten ziehen sich dabei von seinen frühesten Filmen bis zu
seinem aktuellen Werk THE STRAIGHT STORY in Form von Erzählmotiven, Figuren (und Figu-
49 Öhner, Vraath (1997). S. 22.
50 Lacan, Jacques. Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion. In: Kimmich, Dorothee et al. (Hrsgg.). Texte zur Litera-
turtheorie der Gegenwart. Stuttgart: Reclam 1996. S. 177 - 188.
51 Vgl. Kallweit, Petra (1999). S. 213.
SPIEGELBILDER METHODE SEITE 21
renkonstellationen) und Bildzitaten. Diese Motive verweisen dabei oft auf nichts an-
deres als sich selbst. Sie erzeugen den »Werk«-Charakter, der alle Filme Lynchs als Ein-
zelbeiträge zu einem größeren Projekt aufsummiert. Wie dieses Projekt beschaffen ist,
sollen die Analyse dreier seiner Spielfilme im Folgenden verdeutlichen.
52 Jarvis, Brian (1988). S. 178.
SPIEGELBILDER SEITE 22
In Dreams
A candy colored clown they call the sandman
Tiptoes to my room every night
Just to sprinkle stardust and to whisper
Go to sleep, everything is alright
I close my eyes then I drift away
Into the magic night I softly say
A silent prayer like dreamers do
Then I fall asleep to dream
My dreams of you
In dreams I walk with you
In dreams I talk to you
I dreams you’re mine
All of the time with you
Ever in dreams, in dreams
But just before the dawn
I awake and find you’re gone
I can’t help it, I can’t help it if I cry
I remember that you said goodbye
It’s too bad that all these things
Can only happen in my dreams
Only in dreams
In beautiful dreams
(Roy Orbison)
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 23
3. BLUE VELVET: Die Verdopplung der Erzählung
Mit dem 1986 entstandenen Film BLUE VELVET avancierte David Lynch vom »Insider-
Regisseur« zum international gefeierten Filmautoren. Chris Rodley bezeichnet BLUE
VELVET als einen „Meilenstein der amerikanischen Filmlandschaft der 80er Jahre.“53 -
eine Meinung die er mit vielen Interpreten teilt.
Der Film, der dem zeitgenössischen Kino starke Impulse verlieh und seither nicht nur
im Werk David Lynchs immer wieder zitierend aufgenommen wurde, gilt als (vielleicht
sogar das) paradigmatische(s) Ereignis des postmodernen Kinos: „BLUE VELVET has fast
become canonised as a quintessentially postmodern text.“54. BLUE VELVET wurde da-
bei jedoch nicht allein als ästhetisches Erzeugnis rezipiert, sondern fand als kulturelles
Zeugnis einer postmodernen Geisteshaltung Einzug in die postmoderne Theoriebil-
dung überhaupt:
„contemporary films like David Lynch’s BLUE VELVET (1986) may be read as cultural
statements which locate within small-town America (Lumberton, USA), all the terrors
and simulated realities that Lyotard (1984) and Baudrillard (1983) see operating in the
late postmodern period.“55
Diese »Vielseitigkeit« lässt sich bereits beim ersten, oberflächlichen Betrachten des
Films erahnen: BLUE VELVET ist angefüllt mit Film-, Literatur- und Kulturzitaten; seine Er-
zählung lässt sich gleichsam im Horror-, Märchen-, Familien-, und Film noir-Kino ansie-
deln. Lynch bedient sich in BLUE VELVET Techniken, Motiven und Erzählstrategien, de-
ren Quellen vom surrealistischen Kino der 30er Jahre über THE WIZARD OF OZ (USA 1939,
R: Victor Fleming) bis Alfred Hitchcocks56 REAR WINDOW (USA 1954) und darüber hinaus
reichen. Richard Combs charakterisiert den Film daher treffend als: „a cinema of
’found objects’ - the objects in question being the fragments of a pre-existing but
longforgotten film culture, reassembled in backyards and living rooms.“57
Die Verdopplungen, die BLUE VELVET mit anderen Filmen verbindet, sollen in diesem
Kapitel untersucht und ihre Bedeutung herausgestellt werden.
3.1. Synopsis
BLUE VELVET beginnt mit Bildern, die eine heile Welt zeigen: Das saubere Holzfäller-
Kleinstädchen Lumberton, ein langsam vorüber fahrendes Feuerwehrauto mit einem
winkenden Feuerwehrmann, weiße Lattenzäune mit roten Rosen und gelben Tulpen
53 Rodley, Chris (1998). S. 162.
54 Luckhurst, Roger (1989). S. 170.
55 Denzin, Norman K. (1988). S. 461.
56 Über die Beziehungen zwischen den Werken Hitchcocks und David Lynchs: Vgl. den nachfolgenden Exkurs.
57 Richard Combs zit. n. Luckhurst, Roger (1989). S. 174.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 24
davor. Ein Mann - Tom Beaumont (Jack Harvey) - wässert seinen Rasen. Die Idylle
bricht zusammen, als er einen Anfall erleidet und zusammenbricht [1 - 2]58.
Jeffrey Beaumont (Kyle MacLachlan) wird vom Studium beurlaubt und kehrt nach
Lumberton zurück, um seinen Vater im Geschäft und im Haushalt zu vertreten, in
dem außerdem seine Mutter (Priscilla Pointer) und seine Tante Barbara (Frances Bay)
leben.
Nach einem Krankenhausbesuch findet Jeffrey auf einer Wiese ein abgeschnitte-
nes, menschliches Ohr [4]. Er geht damit zur Polizei, welche daraufhin die Gegend
absucht [5 - 7]. Jeffrey ist neugierig geworden und besucht am selben Abend Detec-
tive Williams (George Dickerson), um mehr über seinen mysteriösen Fund zu erfahren.
Dieser gibt zwar zu, dass man bereits Vermutungen hat, weiht Jeffrey jedoch nicht
genauer in den Fall ein [9]. Auf dem Heimweg begegnet Jeffrey der Tochter Sandy
Williams (Laura Dern), welche durch ihre Schlafzimmerwand Details über das Verbre-
chens, zu dem auch das von Jeffrey gefundene Ohr gehört, erfahren hat. Sie nennt
Jeffrey den Namen der Nachtclubsängerin Dorothy Vallens (Isabella Rossellini) als
einen Zusammenhang [10].
Jeffrey überredet Sandy am nächsten Tag, ihm bei einem Besuch bei Dorothy zu
unterstützen [12]. Als Kammerjäger verkleidet verschafft er sich Zugang zu ihrem Ap-
partement und stiehlt einen Schlüssel [14 - 15], mit dem er am selben Abend noch
einmal in die Wohnung schleicht [15 -17]. Jeffrey wird von der Heimkehr Dorothys
überrascht und kann sich gerade noch in einem Schrank verbergen [18]. Dort wird er
kurz darauf von Dorothy entdeckt und mit vorgehaltenem Messer gezwungen seine
Identität preiszugeben [19]. Als es an der Tür zur Wohnung klopft, befiehlt Dorothy
Jeffrey, sich wieder im Schrank zu verstecken. Frank Booth (Dennis Hopper) stattet
Dorothy eine Besuch ab, schlägt und vergewaltigt sie, um kurz darauf wieder zu ver-
schwinden [20]. Jeffrey, der alles vom Schrankinnern aus beobachtet hat, versucht
Dorothy zu trösten, geht aber dann nach Hause [21].
Am kommenden Tag berichtet er Sandy von seinen Erlebnissen, ohne jedoch zu
erwähnen, dass er von Dorothy entdeckt wurde [23 - 24]. Er besucht daraufhin Doro-
thy ein zweites Mal [25] und plant nun Frank selbst zu observieren, von dem er he-
rausgefunden hat, dass er Dorothys Mann Don (Dick Green) (von ihm stammt das
Ohr) und ihren Sohn Donny (Jon Jon Snipes) entführt hat, offenbar um über Dorothy
zu verfügen. Er findet heraus, dass Frank und einige andere einen Drogenring betrei-
ben und fotografiert Frank, wie er sich mit einem »gelben Mann« und einem »Mann
im eleganten Anzug« trifft [26 - 27]. Auch diese Ermittlungsergebnisse präsentiert er
Sandy [28].
58 Sequenznummern: Vgl. Sequenzübersicht im Anhang (8.1.1.).
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 25
Nachdem er Dorothy ein drittes Mal besucht hat und mit ihr intim wird [29 - 30],
werden beide von Frank überrascht. Dieser entführt Jeffrey und Dorothy auf einen
»joyride« - eine Autotour durch die Nacht - zunächst zu Ben (Dean Stockwell), wahr-
scheinlich ein Bordellbesitzer [31 - 34]. Dort wird Dorothys Sohn gefangen gehalten,
den sie kurz besuchen darf. Frank bespricht mit Ben einige Details eines abgelaufe-
nen Verbrechens, bei dem ein Drogendealer ermordet und eine Prostituierte verletzt
wurde und setzt den »joyride« kurz darauf fort [35].
Im Auto fügt Frank Dorothy so starke Schmerzen zu, dass Jeffrey ihm vor Wut ins
Gesicht schlägt. Daraufhin wird dieser von Frank und seiner Gang (Brad Durif, Jack
Nance und Michael Hunter) schwer zusammengeschlagen und außerhalb der Stadt
allein zurückgelassen - mit der eindeutigen Warnung, Dorothy nicht wieder zu sehen
[36].
Stark eingeschüchtert und lädiert will Jeffrey zur Polizei gehen und von seinen Er-
mittlungen berichten. Auf der Polizeiwache entdeckt er, dass der »gelbe Mann« De-
tective Gordon (Fred Pickler) ist - ein Polizeibeamter, der offensichtlich mit dem Dro-
genring gemeinsame Sache macht. Jeffrey verlässt die Wache unverrichteter Dinge
[39] und besucht am selben Abend noch einmal Detective Williams zu Hause, um
ihm die Fotos zu zeigen. Williams erkundigt sich, ob seine Tochter Sandy irgendetwas
damit zu tun hätte, was Jeffrey abstreitet [40].
Einige Tage darauf sind Jeffrey und Sandy, mittlerweile ein Paar, zu einem Ball ver-
abredet. Als Jeffrey sie abholt, trifft er in der Wohnung der Williams‘ auf Detective
Gordon, der ihn jedoch nicht erkennt [41]. Jeffrey und Sandy verbringen einen ge-
meinsamen Abend [42]. Als sie nach Hause fahren, werden sie von einem Auto ver-
folgt, von dem Jeffrey glaubt, es sei Franks Wagen. Die Verfolgungsjagt endet bei
den Beaumonts vorm Haus, wo sich herausstellt, dass es Sandys eifersüchtiger Ex-
freund Mike (Ken Stovitz) mit dessen Freunden ist, der Jeffrey und Sandy verfolgt hat
und nun Jeffrey verprügeln will. Die Auseinandersetzung endet abrupt, als Dorothy
plötzlich nackt und überseht mit Verletzungen über den Rasen der Beaumonts auf
Jeffrey zukommt [43].
Sandy und Jeffrey bringen Dorothy zum Haus der Williams’, wo Sandy nun zum er-
sten Mal von der geheimen Beziehung zwischen Jeffrey und Dorothy erfährt. Dorothy
wird in ein Krankenhaus gebracht [44].
Später versöhnen sich Jeffrey und Sandy wieder am Telefon [45] und Jeffrey fährt
noch einmal in Dorothys Wohnung. Dort stößt er auf die Leichen von Don und Detec-
tive Gordon [46]. Mittlerweile hebt die Polizei in einer Großaktion den Drogenring aus
[47]. Als Jeffrey durch das Erscheinen des »Mannes im eleganten Anzug« überrascht
wird, verständigt er über Gordons Funkgerät Detective Williams. Es stellt sich heraus,
dass Frank der »Mann im eleganten Anzug« ist und durch einen Polizeifunkempfän-
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 26
ger mitbekommen hat, dass sich Jeffrey in Dorothys Wohnung befindet. Frank beab-
sichtigt nun Jeffrey zu erschießen [48]. Dieser versteckt sich abermals im Schrank. Als
Frank die Schranktür öffnet, tötet Jeffrey ihn durch einem Schuss aus Gordons Waffe
in den Kopf. Einen Augenblick später erscheinen Sandy und Detective Williams [49].
BLUE VELVET endet mit fast denselben Bildern, mit denen er begann. Tom Beaumont
ist gesund aus dem Krankenhaus entlassen wieder daheim. Die Familien Beaumont
und Williams veranstalten ein gemeinsames Essen. Jeffrey und Sandy sind ein Paar.
Wieder werden die Zäune, das Feuerwehrauto, die Blumen gezeigt. Die Schlussein-
stellung präsentiert Dorothy, wie sie mit ihrem Sohn (?) wieder vereint ist [50].
3.2. Unpresenting BLUE VELVET
Zunächst erscheint die Kriminalgeschichte, die in BLUE VELVET erzählt wird, als nicht
besonders hintergründig. Von einer Entführung wird erzählt, von Erpressung, Korrupti-
on und Drogen. Jeffrey, anfangs charakterisiert als Musterknabe, gerät durch einen
Zufall und seine Neugier in diesen Strudel, der ihn in die Unterwelt Lumbertons zieht,
die sich so sehr von dem heilen Kleinstädtchen unterscheidet, welches uns der Prolog
präsentiert.
Die Kriminalgeschichte, wie sie in der Synopsis wiedergegeben ist, offenbart sich
jedoch schwerlich bei der Erstrezeption von BLUE VELVET: „Kaum jemand, der BLUE VEL-
VET zum erstenmal sieht, wird in der Lage sein, sich an die ’Kriminalgeschichte‘, die
sich irgendwo zwischen den großen nächtlichen Sequenzen des Films auch noch
verbirgt […] auch nur annähernd richtig zu erinnern.“59 Und dies hat auch seinen
Grund: BLUE VELVET stellt das Ergebnis einer »doppelten Transkription« dar. Lynch hat-
te bereits Mitte der 70er Jahre angefangen, am Drehbuch zu BLUE VELVET zu schrei-
ben. Von diesem vielfach überarbeiteten Skript ließ er bei der Inszenierung jedoch
vieles bei Seite, was nach seiner Meinung für den Film „überflüssig“60 war. Zudem er-
gänzte er die Erzählung und die Motive beim Drehen um zahlreiche Aspekte, die in
keiner Fassung des Drehbuches erwähnt sind (so finden sich z. B. nirgends die Ge-
sangseinlagen Bens und Franks beim »Joyride« [#V/34 & 36]). Aussagen der Figuren
wurden umgeschrieben und verliehen der Erzählung dadurch oftmals einen ganz
neuen (und nicht selten ganz anderen) Impetus.61
59 Fischer, Robert (31997). S. 131.
60 Rodley, Chris (1998). S. 199.
61 Eine für die psychoanalytische Ausdeutung sehr auswirkungseiche Abwandlung nennt Martha Nochimson: „Some
readers may be interested to l earn that Frank was not originally scripted to say to Jeff rey, ’You’re like me.’ Duwayne
Dunham, the editor for BLUE VELVET, told me that Frank’s original line was, ’You like me.“ The change was made during
the editing process when Lynch seized on a momentary confusion about what Hopper was actually saying and realized
he preferred the line that he thought he had heard the actor speak.“ Nochimson, Martha P. (1997). S. 239.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 27
So wurde die Geschichte, die das narrative Gerüst für BLUE VELVET bildet, derart
stark gekürzt und umgeformt, dass es bei einigen Interpreten den Eindruck erweckte,
Lynch interessiere sich überhaupt nicht für sie. Um nur einige Fragen, die diese Auslas-
sungen in der Erzählung aufwerfen, zu nennen:
· Warum kennen sich Jeffrey und Sandy nicht schon vor ihrem ersten Zusammen-
treffen, wenn sie doch in der Nachbarschaft wohnen und zur selben Schule ge-
gangen sind?
· Warum weiß Jeffrey nicht, wo das „Deep River Apartment“ in der Lincoln Street ist,
wenn Lumberton sein Heimatort ist?
· Was hat es mit der Drogenintrige genau auf sich, die offensichtlich die Figuren
Frank, Ben, Detective Gordon und Don zusammengeführt hat.62
· Warum wurden Don und Donny entführt?
· Was bedeutet Dorothys Ausruf „Ich falle!“ [#VI/44]?
Insgesamt verleihen diese »Gaps« BLUE VELVET eine Ambiguität63 und Rätselhaftig-
keit, die zahlreiche Exegeten zu Spekulationen oder brüsker Ablehnung veranlasst
hat („Die Motivationen fallen dürftig aus“, urteilt z. B. Hans-Günther Pflaum, der dem
gesamten Film „Eklektizismus“ und „Puritanismus“ unterstellt und ihn als „postmoder-
ne Banalität“ abtut64). Ein Blick ins Drehbuch würde Erhellung verschaffen, doch wä-
re dies eine Ergänzung, die der Autor durch die Auslassungen bewusst ausschließen
wollte, um eine bestimmte Wirkung auszulösen. Martha Nochimson mutmaßt:
„The contrast between script and film sheds light on how Lynch may start with a ration-
alist, illusionist narrative but always moves beyond it. A crucial, Lynchian difference be-
tween script and screen concerns the substitution in the film of the first dream se-
quence for a very talky scene. [...] In any case, this transformation of the script for the
screen is another interesting insight into Lynch’s art as a process, which may make the
film more impressive for the reader.“65
Es könnte also mit der Lückenhaftigkeit eine Art »irrationale Verklausulierung« sei-
tens des Autoren beabsichtigt worden sein. Der Effekt für die Erzählung ist unüber-
sehbar:
„‘BLUE VELVET‘ braucht unsere Verwirrung, unsere frustrierten Reaktionen. Man darf den
Film nicht zurechtbiegen auf eine eindeutige Geschichte oder eine griffige Formel,
man muß ihn aufsprengen mit den Erinnerungen, die einen beim Sehen im Kopf herum-
spuken. An Photographien der 50er und 60er, an Bilder von Norman Rockwell oder Vi-
sionen von Ray Bradbury, an Filme jenes klassischen amerikanischen Genres, des Ame-
ricana, aus einer anderen Welt und Zeit.“66
Die ästhetische Verdopplung, die in zahlreichen Szenen BLUE VELVETS offensichtlich
zu Tage tritt, könnte also ein Ergebnis der Lückenhaftigkeit des Textes sein. Greifen wir
62 “Was in der endgültigen Version von BLUE VELVET ganz und gar im dunkeln bleibt, ist die Drogenintrige”. Seeßlen, Ge-
org (42000). S. 99.
63 Vgl. Seeßlen, Georg (42000). S. 100.
64 Pflaum, Hans-Günther (1994). S. 94, 95 und 97.
65 Nochimson, Martha P. (1997). S. 237.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 28
für die folgenden Analysen den obigen Vorschlag Fritz Göttlers auf und betten ihn
methodisch in eine Vermutung ein, die zahlreiche Interpreten angestellt haben: dass
es sich bei BLUE VELVET um einen Traum handelt.
Die Traum-These kann dazu fruchtbar gemacht werden, die zahlreichen ästheti-
schen Verdopplungen (in Form von Film- und Genrezitaten) als kulturelles »Unbewuss-
tes« zu markieren, das in Form der Bilder des Films an die Oberfläche (die Leinwand)
dringt.
Die »Architektur des Traums« verhilft weiterhin zu einer Erklärung (und eventuell
Schließung) der Handlungslücken und unlogischen Verhaltensweisen der Protagoni-
sten. Und nicht zuletzt können die Figuren selbst - als Traumfiguren aufgefasst - in ihrer
überdeutlichen Doppelbelegung (jede der Figuren in BLUE VELVET stellt das Pendant
einer anderen dar) besser verstanden werden.
3.3. Close the gaps: BLUE VELVET als Traum
BLUE VELVET sei „ein Traum von merkwürdigen Sehnsüchten in eine Kriminalge-
schichte gepackt.“67 Diese Ansicht David Lynchs, während eines Interviews zu BLUE
VELVET, wird von vielen Interpreten geteilt68, die im Film ebenfalls eine Traumerfahrung
sehen. Dabei variieren bei ihnen sowohl die Traumsubjekte (Jeffrey69, Sandy70 oder
Tom Beaumont71 als Träumer) als auch die Belegszenen für ihre Vermutung. Für letzte-
re werden häufig zwei genannt: In der einen fährt die Kamera in das abgeschnitte-
ne Ohr Don Vallens‘ hinein [#I/8] und am Ende des Films aus Jeffreys Ohr wieder her-
aus [#VII/50].72 James Maxfield und Anne Jerslev argumentieren für diese Option:
„starting and ending point for the dream. Just before Jeffrey goes for the first time to
the house of Detective Williams and then meets his daughter Sandy (Laura Dern) after
the visit, we have an extreme close-up of the severed ear [...] I would submit that the
entire film is Jeffrey’s dream.“73
66 Göttler, Fritz (1987). S. 1.
67 Rodley, Chris (1998), S. 185. Lynch nutzt hier die zahlreichen Konnotationen zu »Traum« aus, um keine eindeutige Lesart
zu suggerieren.
68 Maurice Lahde, der eine umfassende Untersuchung zu den Beziehungen zwischen Traum und Film in den Werken
David Lynchs angestellt hat, diagnostiziert diese Verortung auch für andere Filme und deren Analysen: „In der Literatur
zum Werk von David Lynch stößt man auffallend häufig auf Versuche, die Wirkung seiner Filme mit Traumerfahrungen zu
vergleichen oder sogar gleichzusetzen.“ Lahde, Maurice (1998). S. 95.
69 Vgl. Maxfield, James (1996). S. 144., Jerslev, Anne (1996). S. 132.
70 Vgl. Wilckens, Peter (1996). S. 71.
71 Seeßlen, Georg (42000). S. 89.
72 Nicht erklärt wird hier allerdings, wessen Traum die Sequenzen zwischen den beiden genannten darstellen soll: Don
Vallens‘ oder Jeffrey Beaumonts. Immerhin handelt es sich ja um die Ohren von zwei verschiedenen Protagonisten. Man
müsste davon ausgehen, dass beide Figuren identisch sind (was zumindest auf der manifesten Ebene von BL UE VELVET
ausgeschlossen werden muss), um die Sequenzen als Traum einer Figur darstellen zu wollen - oder belegen, dass sowohl
Jeffrey als auch Don denselben Traum träumen - der jedoch nach Dons Tod noch einigen Minuten weiter geträumt
wird. Weiterhin klärt die Kamerafahrt-These auch nicht, wie die Sequenzen #0,1 bis #1,8 als Wachzustand (wessen?) zu
bewerten sind.
73 Maxfield, James (1996). S. 144.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 29
„Die Schlußsequenz beginnt damit, daß die Kamera von etwas, das sich als Jeffreys Ohr
herausstellt, wegzoomt, so wie sie am Anfang des Films in ein Ohr eindrang. Vielleicht
war der Film also bloß ein Traum.“74
David Lynch nährte durch eine Aussage gegenüber der Zeitschrift Cineaste diese
Vermutungen (ohne allerdings den Schluss nahezulegen, dass es sich bei BLUE VELVET
insgesamt um einen Traum handeln könnte): „Cineaste: Why an ear and not a fin-
ger, for example? David Lynch: It had to be an ear because it’s an opening. An ear
is wide and you can go down into it. It goes somewhere.“75
Naheliegender wäre es jedoch, nicht nur die Szenen zwischen den beiden »Ohr-
Sequenzen«, sondern den gesamten Film als einen Traum zu interpretieren und damit
die strittige Frage des Traumsubjektes zu umgehen. Hiermit könnten ebenso die ei-
nem Traum am ähnlichsten Szenen, den Pro- und den Epilog, in die Untersuchung
mit einbezogen werden. Hinweise für diese Lesart liefern auch andere Szenen sowie
die gesamte Struktur BLUE VELVETS.
So werden neben der »traumhaften« Erzählweise des Films auf dessen manifester
Ebene zahlreiche Andeutungen offenbar, die eine solche Vermutung suggerieren.
Die überwiegenden Szenen des Films handeln nachts; ein zentrales Motiv - das des
Rotkehlchens - stammt aus Sandys Traum, den es als Idealzustand wieder zu errei-
chen gilt (der Ist-Zustand von BLUE VELVET repräsentiert also einen Albtraum); auf der
Tonebene deutet das Lied In Dreams den Traum an. Diesen Liedtext flüstert Frank
Jeffrey als Drohung zu: „In dreams I walk with you. In dreams I talk to you. In dreams
you’re mine.“ [#V/36] und liefert ihm damit tatsächlich eine Erklärung für seinen Alb-
traum [#III/23] (a dream inside a dream76). Ebenso ist Frank für Jeffrey ja eine ganz
reale Bedrohung, die »mit ihm geht, mit ihm redet und die ihn gefangen hält«. Daher
befindet sich Jeffrey bereits in dem ihm von Frank angedrohten »Dream«.
Welche Ähnlichkeiten Traum- und Filmerzählung haben, zeigen die Analysen
Maurice Lahdes. Er stellt drei Thesen auf, die es erlauben, Lynchs Filme mit Träumen
vergleichbar zu machen:
• „Sie spielen an in Raum und Zeit nicht genau lokalisierbaren Schauplätzen, die un-
vorhersehbaren, kausal nicht zu begründenden Veränderungen unterliegen und
von deformierten und ’instabilen’ Personen bevölkert sind, die sich andererseits
aber durch starke visuelle Kohärenz und [...] durch eigene Naturgesetze auszeich-
nen.
• Sie wirken wie sich selbst generierende Bildfolgen, die, anstatt eine vorhandene
Realität vorzustellen, diese erst entwerfen. Dies entspricht einer Engführung von hi-
stoire und discours; logische Brüche und Unbeständigkeiten wirken nicht störend,
weil keine ’Wirklichkeit’ als Maßstab herangezogen werden kann.
• Die Protagonisten sind den unvorhersehbaren Einflüssen ihrer Umwelt hilflos ausge-
liefert und verfügen über keinerlei Reflexionsvermögen oder die Fähigkeit zur kriti-
74 Jerslev, Anne (1996). S. 132.
75 Bouzereau, Laurent (1987). S. 39.
76 Vgl. Maxfield, James (1996). S. 149 f.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 30
schen Distanz, die sie an dem Realitätsgehalt ihrer bizarren Umwelt zweifeln lassen
müßte.“77
Auf BLUE VELVET lassen sie diese drei Thesen produktiv anwenden und ihn damit für
eine Analyse als Traum-Film zugänglich machen:
3.3.1. Traum-Zeit
Die Zeit, in der BLUE VELVET angesiedelt ist, ist nicht genau identifizierbar. So gibt es
im Film zahlreiche Indizien, die für die eine »Verortung« des Films in den 50er Jahren
sprechen: Die Musik (Bobby Vintons Schlager BLUE VELVET), Jeffreys Cabriolet und das
rote Feuerwehrauto in Pro- und Epilog und die Figur der Sandy („the name is 50‘s
mainstream, reminiscent of Sandy Dee, 1950‘s movie idol of both girls and boys“78). Für
die 60er Jahre sprechen ebenfalls die Musik (Roy Orbisons In Dreams von 1963) sowie
die Figur des Frank, der von Dennis Hopper dargestellt wird - einem signifikanten Film-
idol der 60er Jahre, der z. B. bei EASY RIDER (USA 1969) Regie führte und die Hauptrolle
spielte). David Lynch: „Für mich ist er [Dennis Hopper] Mr. Sixties, allerdings ist er auch
das Beste, was die 60er Jahre zu bieten hatten.“79 Für die 80er Jahre als Handlungs-
zeit spricht vor allem Jeffreys Kleidungsstil.
3.3.2. Traum-Ort
Dieselbe Unbestimmbarkeit lässt sich für den Ort Lumberton diagnostizieren. Er
weist zahlreiche irrationale Elemente und Handlungsschauplätze auf. Maurice Lah-
de stößt auf folgende Belege hierfür:
„Lumberton in BLUE VELVET ist ein völlig ’instabiler’ Ort, der [...] Groß- und Kleinstadtele-
mente auf unmögliche Weise miteinander vereint - oder sich, wenn man so will, wäh-
rend des Films in seiner Ausdehnung permanent ändert. Zu Beginn des Films handelt es
sich noch um ein Kleinstädtchen mit trügerischer Idylle; aber die im Laufe des Films ’ent-
stehenden’ Orte wie das Mietshaus von Dorothy - ein Wohnblock mit wenigstens sieben
Stockwerken80 - oder die Polizeistation mit unzähligen Abteilungen passen ebensowe-
nig in eine Kleinstadt wie das weitläufige Industrie- und Fabrikgelände. Jeffreys Vater
betreibt einen gutgehenden Handel, aber kaum jemand scheint ihn uns seinen Sohn zu
kennen. Obwohl Jeffrey und Sandy Nachbarn sind und dieselbe Schule besucht haben,
lernen sie sich erst sehr spät und nur aufgrund der Umstände kennen. In der vermeintli-
chen Kleinstadt herrscht großstädtische Anonymität, ihre Einwohner kennen sich nicht
und interessieren sich nicht füreinander.“81
3.3.3. Traum-Handlung
Auch auf die Handlung lassen sich Maurice Lahdes Thesen anwenden. So können
wir die unter 3.2. aufgezählten »Gaps« auch als typische Brüche einer Traumerzäh-
lung aufzufassen. Erzählerische Logik wird an entscheidenden Stellen der Kriminalge-
schichte unberücksichtigt gelassen: Etwa, wenn Gordon in einer Szene [#IV/28] mit
Frank in ein Gebäude geht und kurz darauf allein wieder herauskommt und den
77 Lahde, Maurice (1998). S. 106.
78 Ahlquist, Roberta (1991). S. 96.
79 Rodley, Chris (1998). S. 195.
80 Ein interessantes Detail, das Lahde hier übersehen hat, bekräftigt seine These noch: Dorothys Apartment wird zwar im
siebten Stockwerk des »Deep River Apartments« angesiedelt (darauf weist das Schild am Eingang des Hauses hin [#II/12])
von außen gesehen hat das Gebäude allerdings nur sechs Etagen. Eine aufschlussreiche Tatsache, die die Traumland-
schaft »Lumberton« ein weiteres Mal belegt.
81 Lahde, Maurice (1998). S. 99.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 31
»Mann im eleganten Anzug« draußen trifft, der ihm einen Koffer übergibt. Später stellt
sich heraus, dass Frank und der »Mann im eleganten Anzug« ein und die selbe Per-
son sind. Ist Frank also im Haus und gleichzeitig mit Gordon davor? Hat er sich nun
verkleidet, um sich mit Gordon vorm Haus zu treffen (und ist er also durch einen Hin-
terausgang aus dem Haus gekommen). Welchen Grund dieses mysteriöse Verklei-
dungsspiel hat, erfahren wir zu keiner Zeit und können davon ausgehen, dass hier ein
Fehler in der Handlungslogik (wenn nicht gar ein Anschlussfehler) vorliegen könnte.
Insgesamt entlarvt Maurice Lahde die logischen Brüche in der Handlung, wie sie
oben geschildert sind, ebenfalls. BLUE VELVET spielt „mit Elementen von klassischen De-
tektivgeschichten, ohne diese je zu Ende zu erzählen. [... und entbehrt] gerade in
der letzten halben Stunde jeder erzählerischen Logik.“82
3.3.4. Traum-Figuren
Die Hilflosigkeit der Protagonisten ist in vielen Szenen BLUE VELVETS profund. Häufig
reagieren sie mit stummer Verzweiflung auf die Gewalt und den psychischen Terror
ihrer Umwelt. Dorothy verhält sich gegenüber den Anweisungen Franks („Shut up! It’s
Daddy you shithead! Where’s my Bourbon?“) fast schon sklavisch-devot, wenn sie
dessen brutale Vergewaltigung wortlos über sich ergehen lässt [#III/20]. Auch Jeffrey
kann den Drohungen Franks nichts entgegensetzen und antwortet selbst auf dessen
Fragen, kurz bevor er zusammengeschlagen wird, nicht, weil er weiß, dass es gegen-
über jemandem wie Frank wohl nur falsche Antworten geben kann [#V/36]. Sandy ist
ebenfalls von dieser Sprachlosigkeit befallen. Als sie von der geheimen Beziehung zwi-
schen Jeffrey und Dorothy erfährt [#VI/44], ist ihre einzige Reaktion eine stumme, grei-
nende Fratze83, die damit die weitest mögliche Entfernung vom Idealzustand ihres
Rotkehlchentraumes [#IV/24] andeutet.
Das Verhalten der Protagonisten korrespondiert mit den übrigen traumähnlichen
Verfahren in BLUE VELVET. So kann ihre Sprachlosigkeit auch eine Reaktion auf die kon-
fusen Situationen sein, in welche die Erzählung sie katapultiert. Sie zeigen damit, dass
ihnen (als fiktive Figuren einer Erzählung) keine psychischen Verarbeitungsstrategien
zur Verfügung stehen, um in den Situationen mittels sprachlich formulierter Argumen-
te entschärfen zu können:
„Lynchs Helden sind allesamt naive, kindliche Menschen mit wenig Problembewußtsein
und Reflexionsvermögen und mit dunklen und konfusen Motiven. Strenggenommen sind
sie keine wirklich ’psychologischen’ Figuren, die zu selbständig motivierten Handlungen
fähig sind. (Auch die Figuren in BLUE VELVET sind nicht eigentlich ’psychologisch’, es sind
überzeichnete Platzhalter für bestimmte Typen in einer sehr schematischen Anord-
nung.)“84
82 Vgl. Lahde, Maurice (1998). S. 102.
83 Vgl. Fischer, Robert (31997). S. 128.
84 Lahde, Maurice (1998). S. 106.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 32
3.3.5. Traum-Logik
An einigen Stellen kippt die ohnehin schon brüchige Logik der Erzählung von BLUE
VELVET vollends ins Irrationale. Dies wird vor allem bei Szenen, die aufgrund des darge-
stellten »Surrealen« schwer mit der Kriminalerzählung BLUE VELVETS in Einklang zu brin-
gen sind, durch filmtechnische Mittel bewirkt. Drei Belege sollen hierfür geliefert wer-
den:
1. Beispiel: Als sich Jeffrey in Sequenz #III/20 bei Franks Ankunft wieder im Schrank
versteckt, wird er Zeuge einer grotesken Vergewaltigungsszene: Frank bringt sich mit
einem ominösen Gas in einen ekstatischen Rausch, verstellt seine Stimme, bezeichnet
sich mehrfach als »Daddy« und »Baby« und steckt sich und Dorothy blauen Samt in
den Mund. Mehrfach befiehlt er Dorothy „Don’t you fuckin‘ look at me!“ und schlägt
sie hart. Jeffrey, der dies vom Schrank aus beobachtet, steht der Situation genauso
hilflos gegenüber, wie der Zuschauer. Nichts von all dem lässt sich rational fassen:
Warum atmet Frank dieses Gas ein?85 Welche Bedeutung haben die abwechseln-
den Selbstbezeichnungen und das Sehverbot? Was hat es mit Franks Samtfetischis-
mus auf sich. Lynch hat alle Hinweise, die das Script zu BLUE VELVET enthält, entfernen
lassen.
2. Beispiel: Jeffrey wird in Sequenz #V/34 zu Ben entführt. Dort muss er miterleben,
wie Frank zuerst fast schon melancholisch auf die Playback-Nummer Bens, der Roy
Orbisons In Dreams singt, reagiert, um dann rasend vor Wut die Vorstellung auf ein-
mal abzubrechen und den »joyride« fortzusetzen. Die Gruppe verlässt jedoch nicht
einfach das Haus, sie verschwindet in einem plötzlichen Schnitt von der Bildfläche,
als hätte sie sich in Luft aufgelöst, kurz nachdem Frank in den Raums schreit „I’ll fuck
anything that moves!“86 Das Verfahren - das in anderen Filmen durchaus konventio-
nell eingesetzt wird - wirkt in BLUE VELVET extrem befremdlich, da es weder motiviert ist,
noch in irgendeiner anderen Szene des Films als Montageform benutzt wird.
3. Beispiel: Nachdem Dorothy ins Krankenhaus gebracht wird, kehrt Jeffrey in ihr
Appartement zurück [#VI/46]. Dort stößt er auf ein schon fast surreales Blutbad: Don
sitzt gefesselt und geknebelt mit blauem Samt, mit abgeschnittenem Ohr87 getötet
durch einen Kopfschuss auf einem Stuhl. In kurzer Entfernung neben ihm steht (!) der
85 Das Drehbuch beschrieb das Gas, das Frank einatmet als „Helium“ Vlg. Dunn, Mike (2000a). Das hätte den Effekt ge-
habt, dass sich Franks Stimme stark der eines Kindes annähert. Er verwarf diese Idee jedoch bei der Umsetzung von BLUE
VELVET: „Da war ich auf dem Holzweg, und ich bin Dennis [Hopper] dankbar, denn wir wollten bis zur letzten Minute
Helium verwenden - damit »Daddy« noch mehr zum Baby wird.“ Weitere Erklärungen - warum er auf dem Holzweg war -
gibt Lynch nicht. Rodley, Chris (1998). S. 195.
86 Er zitiert damit den Titel eines zeitgenössisches Liedes der 80er Jahre Pornoqueen Annie Sprinkle. Vgl. Seeßlen, Georg
(21994). S. 288.
87 Im Drehbuch wurden Don beide Ohren abgetrennt und nacheinander an Dorothy verschickt, um sie zu warnen. Diese
Einstellung zeigt den Kopf Dons jedoch in Seitenansicht, so dass nur ein Ohr zu fehlen scheint (das andere fehlt ledig-
lich auf der Bildebene und nicht in der Erzählung).
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 33
offensichtlich tote Detective Gordon mit einer stark blutenden Kopfwunde.88 Als sich
dessen Funkempfänger plötzlich einschaltet, schlägt Gordon wie in einem Reflex aus
und wirft damit eine Lampe um. Insgesamt wirkt die Szenerie wie ein surrealistisches
Traumgemälde, in dem das unmöglich/undenkbare visualisiert wird.
3.3.5. Traum-Probleme
Die Analyse BLUE VELVETS als Traum wirft allerdings auch Probleme auf. Maurice
Lahde diskutiert diese Probleme innerhalb seines Traumkonzepts. So bleibt zum Bei-
spiel unklar, wer den Film träumt. Der Zuschauer kommt als Traumsubjekt nicht in Fra-
ge, da sein Bewusstseinszustand von dem eines Träumers grundverschieden ist: Er re-
flektiert über den Traum - eine Möglichkeit, die dem Träumenden nicht zur Verfü-
gung steht: „Der Filmzuschauer ist nicht der Träumende, sondern der wache Zeuge
einer fremden (Traum–)’Aufzeichnung’. [...] die Einsicht, gerade zu träumen, fehlt in
der Regel“89 Das Traumsubjekt als einen der Protagonisten zu benennen, birgt eben-
falls (filmtechnische) Schwierigkeiten:
„Für eine exakte filmische Wiedergabe realer Traumerfahrungen wäre strenggenom-
men der durchgehende Einsatz der subjektiven Kamera nötig - aber bei den meisten
Traumdarstellungen in Film ist der Träumende selbst als handelnde Person im eigenen
Traum zu sehen. Traumerzählungen unterliegen denselben formalen Konventionen wie
’normale’ Erzählungen, und eine davon ist, daß der Protagonist sichtbar sein muß“.90
Zuletzt bleibt unklar, wie die Filminhalte im Verhältnis zum Traum interpretiert wer-
den können. Hierfür steht zuvorderst die Psychoanalyse zur Verfügung: „Gerade BLUE
VELVET liefert die psychoanalytische Lesart fast auf dem Silbertablett mit.“91 Warum
dieses Mittel paradoxerweise gerade für die Interpretation BLUE VELVETS nur bedingt
geeignet ist, soll vor allem im Schlusskapitel erörtert werden.
3.4. Inside the Dream
Blue Velvet ist gerahmt von zwei Sequenzen (#I und #VII) die einander sehr ähneln,
sich vom Rest des Films jedoch radikal unterscheiden. Dieser Unterschied offenbart
sich auf drei Ebenen:
• Technik: Zahlreiche Einstellungen werden durch Überblendungen miteinander
verbunden. Zeitlupen und extreme Detailaufnahmen finden Verwendung. Die
Farbsättigung der Einstellungen ist stark angehoben (und erinnert an Aufnahmen
in Technicolor). Auf der Tonspur spielt im Vordergrund der Soundtrack (Musik mit
88 Bei einigen Hirnverletzungen versteift sich die gesamte Körpermuskulatur derart stark, dass eine solch außergewöhnli-
che Leichenstellung möglich ist. Dennoch verfehlt diese in dieser Szene nicht ihre Wirkung auf Jeff rey und den Prota-
gonisten.
89 Lahde, Maurice (1998). S. 98.
90 Lahde, Maurice (1998). S. 104.
91 Lahde, Maurice (1998). S. 110.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 34
Gesang). Erst weiter im Hintergrund treten Geräusche und Sprache der Protago-
nisten auf.
• Setting: Im Kontrast zu den allermeisten übrigen Einstellungen spielen diese Einstel-
lungen am Tag und bei Sonnenschein. Bewusst werden Groß- und Detailauf-
nahmen von Pflanzen einmontiert, um eine Frühlings- oder Sommerstimmung zu
suggerieren. Das Setting ist in beiden Sequenzen das Grundstück der Familie
Beaumont (der Garten und das Hausinnere).
• Stimmung: Entgegen der übrigen Stimmung BLUE VELVETS wirken Pro- und Epilog
zunächst weitgehend »heiter«. Einzige Ausnahme bilden die Einstellungen #I/17 -
25. Die Figuren agieren zum größten Teil entspannt und freundlich. Es herrscht ins-
gesamt eine »familiäre« Atmosphäre - dennoch lässt sich die Stimmung im Kon-
trast zum übrigen Film eher als »traumhaft« beschreiben, wozu auch die unter 1.
genannten Techniken beitragen.
Im Kontrast zur »Filmmitte« wirken diese Sequenzen in ihrer Idylle »unwirklicher« als
der Rest des Filmes, so dass - gerade am Ende BLUE VELVETS - der Eindruck entsteht,
Lynch habe sie bewusst abstrakter und surrealer gestaltet als den Rest des Films, um
diesen narrativ darin einzubetten. Anne Jerslev charakterisiert diese Szenen daher als
abstraktes »Motto«: „Jede einzelne Einstellung in dieser Anfangsmontage, die mit
einer demonstrativen Kamerafahrt unter die Oberfläche endet, verweist auf das
Thema des ganzen Films: nämlich, daß Idylle und Ordnung nur noch im Märchen
existieren.“92
Doch der Schein trügt. In der Prolog-Sequenz wird das Grauen, dass sich in BLUE
VELVET später ganz offensichtlich über Lumberton und die Protagonisten hereinbricht,
in zahlreichen Details - quasi präkognitiv - angedeutet. Eine genaue Analyse der
Einstellungen soll dies verdeutlichen.
3.4.1. Einschlafen: Detailanalyse zum „Prolog“
3.4.1.1. Einstellungen 1 - 893
Lumberton präsentiert sich in diesen Einstellungen auf den ersten Blick als die voll-
kommene Idylle. Fast schon märchenhaft, wirken der blaue Himmel mit den vorbei
fliegenden Vögeln und der weiße, makellose Lattenzaun mit den sieben94 Rosen da-
vor. Es scheint, als befinden wir uns im Technicolor-Traum von Dorothy Gale aus THE
WIZARD OF OZ.
BLUE VELVET ist gerahmt von diesen bedeutungsvollen Szenen in „Farben [...] voll-
ständige[r] Zeichenhaftigkeit“95. Die Anzahl der Rosen und deren Farbe sind nicht
92 Jerslev, Anne (1996). S. 128.
93 Einstellungsnummern: vgl. Einstellungsprotokoll im Anhang (8.1.2.).
94 Eigentl ich sind es acht Rosen, doch derjenigen ganz links wurde die Blüte entfernt. Ein subtiles Zeichen der Gewalt.
95 Seeßlen, Georg (42000). S. 78.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 35
willkürlich gewählt: Sieben, das ist die Zahl, die in BLUE VELVET noch bedeutsam wird: In
der siebten Etage des »Deep River Apartments« wohnt Dorothy96. Und auch das Rot
der Rosen verweist bereits auf die oft in Schmerz/Ekstase geöffneten Lippen Dorothy
Vallens‘ [vgl. #IV/30], die wiederum ihre Entsprechung in Dorothy Gales roten Zauber-
schuhen zu haben scheinen.97
Überblendung. Langsam, wie in einem Traum, fährt ein rotes Feuerwehrauto (das
offensichtlich aus den 50er Jahren stammt - direkt daneben ein PKW aus den 80er
Jahren) durchs Bild. Auf dem Trittbrett: ein freundlich winkender Feuerwehrmann und
daneben ein Dalmatiner. Was hier wie der Inbegriff des Friedens erscheint, deutet
ahnungsvoll voraus: Ein Feuerwehrauto: das impliziert auch immer schon die Zerstö-
rung durch das Feuer. Der Dalmatiner - Filmtopos des Familienhundes98 - verweist be-
reits auf seinen wesentlich »animalischeren« Mischlings-Verwandten in den Einstellun-
gen 20 - 22. Das Winken des Feuerwehrmannes kann auch durchaus negativ inter-
pretiert werden:
„der freundliche Feuerwehrmann, der zu Beginn von ‚BLUE VELVET‘ auf seinem Wagen
vorbeischwebt, ist im Grund so unheilverkündend wie der winkende tote Ahab auf sei-
nem weißen Wal in John Hustons ‚MOBY DICK‘.“99
Überblendung: Wieder ein weißer Lattenzaun, diesmal mit ca. 30 sich im Wind wie-
genden gelben Tulpen. Der blaue Himmel, das Rot der Rosen und des Feuerwehrau-
tos, nun das Gelb der Tulpen: Diese Szenen - überladen mit ihren Farben - verkörpern
den Kitsch, der mit THE WIZARD OF OZ amerikanisches Kulturgut geworden ist. Aber das
Gelb der Tulpen verdoppelt sich ebenfalls symbolisch: Der »Mann in Gelb« (der kor-
rupte Detective Gordon), der Doppelagent zwischen der Ordnungsinstanz (Polizei)
und der Unterwelt Lumbertons, ist ebenfalls charakterisiert durch die Farbe des Neids
und der Missgunst100
, die weiterhin wie in THE WIZARD OF OZ (dort als »Yellow Brick
Road«) als Zeichen für die Suche steht. Später [Sequenz 32 und 35] wird das Gelb
des Straßenmittelstreifens diese Anspielung deutlicher formulieren.101
Überblendung: Eine Schülerlotsin winkt acht Kinder über die Straße. Der Schutz, den
sie den Kindern bieten kann, ist allerdings nur vordergründig und so wird später ein
Kind (Donny) verloren gehen.102
Die Welt der Erwachsenen wird in BLUE VELVET von die-
sen keineswegs beherrscht. Es ist ihnen lediglich möglich, Sicherheit zu suggerieren:
96 Wiederum eine Zahlentäuschung. Vgl. Fußnote 80.
97 Vlg. Lindroth, James (1990). S. 161 f.
98 Vgl. Walt Disneys 101 DALM ATIENS (USA 1996) nach dem bereits 1961 erschienen Zeichentrickfilm ONE UNDRET AND ONE
DALMATIENS (USA 1961) der selben Produktionsfirma.
99 Göttler, Fritz (1987). S. 1.
100 Auch diese Anspielung wird im Drehbuch deutli cher: Dort hat es Gordon ebenfalls auf Dorothy abgesehen; der
Grund dafür, dass Frank ihn später erschießen wird.
101 Seit BLUE VELVET lässt David Lynch die »rasenden Mittelstreifen« in keinem seiner Filme mehr aus: Sie alle stehen für die
Flucht, die Suche und den Weg der Protagonisten. Vgl. Woods, Paul A. (1997). S. 80.
102 Damit erweist sich auch hi er die Anzahl der Kinder als »unecht«, wofür auch spricht, dass das letzte Kind in der Reihe
schon fast der Überblendung von Einstellung 4 zu 5 zum Opfer fällt, so wie die achte Rose aus Einstellung 1 auch dem
Bildrand zum Opfer gefallen sein könnte.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 36
„the entire sequence of images is like the vision of a childhood paradise: bright, highly
saturated primary colors; friendly, protective adult guardian figures. [...] But the se-
quence demonstrates to de audience that the protective adult figures of the preced-
ing sequence are highly vulnerable“103
Überblendung zum Haus der Beaumonts. In den folgenden Szenen [5 bis 8] ver-
lässt die Kamera die abstrakten Bilder der Ruhe, um sie nun durch Bilder aus dem
privaten, familiären Kontext zu konkretisieren. Doch auch hier ist der Frieden doppel-
bödig.
Tom Beaumont sprengt einen kleinen, parzellierten Teil seines Rasens vor seinem
Haus [6]. Drinnen ist seine Frau damit beschäftigt, fern zu sehen und Kaffee zu trin-
ken. Im Fernsehen läuft ein Kriminalfilm (zahlreiche Analysen verorten diesen im Film
noir104
). Eine Hand, die einen Revolver führt, bewegt sich auf dem Fernsehschirm von
links nach rechts [8]. Draußen steht Tom Beaumont mit dem Gesicht nach rechts. Ein
Angriff aus dem Hinterhalt wird suggeriert. Der Vater wird diesem Angriff virtueller Ge-
walt nicht standhalten.
Insgesamt scheinen sich die Bilder gegen das Klischee, das sie abbilden, aufzuleh-
nen:
„Wie der Feuerwehrwagen auf die Möglichkeit eines zerstörenden Feuers verweist, wie
die Gewalt im Fernsehen als abstrahierte und quasi domestizierte auf die in der Realität
mögliche verweist, wie die Notwendigkeit des Zebrastreifens und des Lotsen auf die
Gefahren im Straßenverkehr verweist, so repräsentiert auch der Dalmatiner ein Ge-
waltpotential, als eine der Welt notwendig immanente Konstante ist.“105
3.4.1.2. Einstellungen 9 - 17
Tom Beaumont verkörpert den Idealtypus des Mittelstand-Haushaltsvorstandes:
Der Rasen ist gekürzt, der Gartenzaun makellos weiß, die Kleidung gepflegt, die Frau
häuslich (im wahrsten Sinne des Wortes »domestiziert«). Was für ihn zu tun bleibt, ist
den Besitzstand zu wahren - die Rabatten gießen.
So wird er inszeniert, wie der amerikanische Held im Western typischerweise: in der
amerikanischen Einstellung [9, 11, 13, 17]. Sein Colt, das ist der Gartenschlauch; seine
Munition, das ist das Wasser, das er auch kontrolliert, in dem er ihm seine Bahn
(durch den Gartenschlauch) aufzwingt, seinen Druck zurückhält, um dessen schöp-
ferisches Potential zu nutzen. Aber das Wasser behält seine Unbezwingbarkeit und
seinen symbolischen Charakter:
„Lynch verwendet das Element Wasser als religiös aufgeladenes Zeichen [...] Analog zu
dem christlichen Ritus [der Taufe] begleitet das Wasser stets eine Initiation, die zumin-
dest in den Grenzbereich des Todes führt und mit einer faktischen oder symbolischen
Wiederauferstehung abschließt. [...] Meistens wirkt das Wasser dabei von ’außen’ ganz
aktiv auf einer Figur ein, die sich während dieses Geschehens passiv verhält.“106
103 Maxfi eld, James (1996). S. 145.
104 Eine Vorausdeutung auf die Kriminalgeschichte, die BL UE VELVET später erzählt und die ebenfalls in diesem »Genre«
angesiedelt werden. Vgl. z. B.: Maxfield, James (1996). S. 146.
105 Leiß, Pekka (1998). S. 266.
106 Heydebreck, Hans (1998). S. 286 f.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 37
Das Paradox, dem Tom Beaumont aufsitzt, ist sein Glaube, er hätte das (»sein«)
Wasser unter Kontrolle, das sich »hinter seinem Rücken« jedoch seinen eigenen Weg
bahnt. Mit bedrohlichem Druck schießt es aus der undichten Windung am Wasser-
hahn - ganz im Kontrast zum kontrollierten Strahl am andern Ende des Schlauches
[10, 14 und 16]. Als der Schlauch sich schließlich um einen Ast wickelt, ist der Kollaps
nicht mehr zu stoppen. Bei Tom Beaumont äußert er sich in einem Zusammenbruch
[17]. Er stürzt auf die penibel abgegrenzte Parzelle und reißt damit deren Grenzen
nieder.
Um den Grund seines Zusammenbruchs und späteren Krankenaufenthaltes ran-
ken sich in der Sekundärliteratur verschiedene Hypothesen: Herzinfarkt107
oder
Schlaganfall108
. Aber keine der beiden Alternativen wird im Film erwähnt:
„Beaumont clutching his neck and falling to the ground is not immediately understood
by every spectator as a stroke because it is not named and because it exists within the
mysterious fascination of spectacle.“109
Der pathologische Grund für seinen Zusammenbruch ist jedoch für dessen Auswir-
kungen irrelevant. In der Tat könnte man den Kollaps eher als einen Bildzusammen-
bruch/Bildinfarkt deuten - ein endgültiges Abdriften des Traumes in den Albtraum.
Die Vorzeichen dafür summierten sich in den vorangegangenen Einstellungen auf.
Der »Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte«, war schließlich der abgeklemm-
te Gartenschlauch, der den Fluss des Wassers unterbrochen hat. Schlagartig enden
die weichen Überblendungen, welche Szenen aneinander montierten, die nichts als
Assiziationen transportierten und werden ersetzt durch schnelle, Schuss-
Gegenschuss-Einstellungen: Beaumont [9] - Wasserhahn [10] - Beaumont [11] -
Schlauch [12] - Beaumont [13] - Wasserhahn [14] - Schlauch [15] - Wasserhahn [16] -
Beaumont: Kollaps [17]. Es scheint, als hätte sich die Dingwelt gegen Tom Beaumont
verschworen.
Der Ton kommentiert diesen (un)erwarteten Zusammenbruch. Dominierte Bobby
Vinton (mit seinem Lied Blue Velvet) bis zur visuellen Vorstellung Tom Beaumonts [6]
noch allein die Tonspur, so wird sein Gesang von Einstellung 7 bis 9 vom Wasserstrahl
begleitet. Über dieses Geräusch - das immerhin noch assoziative Schnittstellen zur
Vorgartenidylle anbietet - schiebt sich nach und nach das Dröhnen des Wasser-
überdrucks, das zunächst nur die Einstellungen des Wasserhahns begleitet [10, 12 bis
15]. Direkt vorm Infarkt, verselbstständigt sich das Geräusch jedoch und kommentiert
von nun ab den Weg der Bilder in den Abgrund.
3.4.1.3. Einstellungen 18 - 22
107 Z. B. Alexander, John (1997). S. 91.
108 Z. B. Jerslev, Anne (1996). S. 128. und Fischer, Robert (31997). S. 113.
109 Nochimson, Martha P. The Passion of David Lynch. Austin: Texas Univ. Press 1997. S. 105 f.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 38
Tom Beaumont ist außer Gefecht gesetzt und damit besiedelt sofort die bis dahin
unterdrückte Gegenseite das Bild. Die Vorahnungen der vergangenen Einstellungen
erhärten sich zu Bildern: Der Schlauch, den Tom Beaumont immer noch fest in der
Hand hält, gerät in Einstellung 18 zur ihn verspottenden Satire: Es sieht so aus, als ob
der zu Boden gegangene Tom Beaumont nun hemmungslos uriniere. Es zeigt: Er hat
sein Wasser nun ganz und gar nicht mehr unter Kontrolle.
Das Dröhnen des Wasserhahns ist indessen vom seiner Tonquelle losgelöst auf den
Soundtrack übergewechselt: Dunkle Streicher110
verbannen Bobby Vintons Blue Vel-
vet nach und nach ins akustische Abseits.
Simultan mit dem Zusammenbruch des Patriarchen scheinen alle Zwänge der
Domestikation aufgehoben: Das Wasser spritzt in wilden Bahnen durch die Gegend
[18 und 19] und der Hund, der gerade noch als Musterbeispiel für Züchtung und
Zähmung still auf dem Feuerwehrauto gesessen hat, erfährt in der kleinen Promena-
denmischung Sparky111
seine Persiflage [20 bis 22]. Sparky, von dem nicht klar ist, wo-
hin er gehört und woher er auf einmal kommt, verbildlicht die Machtlosigkeit des Fa-
milienvaters nun vollends, in dem er sich auf dessen rechtes Bein stellt und wild nach
dem Wasserstrahl schnappt. Und auch er verdrängt den Schlager durch sein wü-
tendes Bellen weiter in den Hintergrund.
Sparky ist jedoch nicht Auslöser des Unglücks, wie Toto in THE WIZARD OF OZ, der ge-
rade durch seine »irrationale Kreatürlichkeit« Dorothy Gales Eintritt nach Oz verur-
sacht (er ist Schuld daran, dass Dorothy nicht rechtzeitig den »Tornadokeller« er-
reicht) und ihre Rückreise nach Kansas zu vereiteln droht (er erblickt eine Katze und
springt aus dem Ballonkorb). Doch auch Toto entlarvt - wie Sparky (und in der An-
deutung - wie beschrieben - auch der Dalmatiner) - im Entscheidenden Augenblick
seinen Beherrscher als machtlos.
3.4.1.4. Einstellungen 23 - 25
Die Kamera verlässt nun die Oberfläche Lumbertons und begibt sich langsam in
den Untergrund [23]. Auf diesen Ort hatte die Domestikation bislang keinen Einfluss.
Der maximale Wirkungsbereich eines Tom Beaumont endet bei den Grashalmen, die
er mähen kann. Darunter wimmelt die Natur.
Blue Velvet wird nun endgültig ausgeblendet [24]. Allein das Dröhnen und die Ge-
räusche der Kreaturen - übereinander krabbelnde Käfer112
- bestimmen die Tonspur.
Die Kamera, die sich von Einstellung zu Einstellung immer näher an die Objekte her-
110 bzw. ein synthetischer Ton
111 So der Name des kleinen Hundes, wie ihn die Schlusstitel angeben.
112 tatsächlich erweist sich das in der Sekundärliteratur oft heraufbeschworene Gewimmel in Einstellung 25 als das
»Durcheinander von vier Käfern«. Doch diese Zahl reicht bereits aus, um das Chaos anzudeuten.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 39
angewagt hat113
, dokumentiert nun im Detail die Zustände unter der Fassade der
Stadt Lumberton. Sie tritt nun aus dem Tageslicht heraus in die überwiegend dunklen
Szenen, in denen die Gewalt von BLUE VELVET zu Hause ist und die Käfer.114
Jeffrey, der nach dem Bildinfarkt nach Lumberton zurückkehren wird, verdeutlicht
die Auswirkungen von Tag und Nacht: Wagt er tagsüber noch Pläne zu schmieden
und sich als Insektenbekämpfer (!) verkleidet Kontakt mit der Unterwelt Lumbertons
aufzunehmen, so ist er nachts völlig hilflos der Gewalt und Unübersichtlichkeit des
Städtchens ausgesetzt. Die dunklen Bilder Lumbertons vermag er nicht zu dokumen-
tieren; von den Szenen, die er in Dorothys Apartment erlebt, kann er weder Bilder
anbieten noch vermag er sie irgend jemandem in Worten zu beschreiben.
Der Einstieg in den Albtraum hat sich als gar nicht so unverhofft erwiesen, wie es
die Bilder auf den sprichwörtlichen »ersten Blick« vermuten lassen. Auch die Tonspur,
in 24 von 25 Einstellungen von Bobby Vintons Schlager BLUE VELVET dominiert, stellt ei-
nen doppelten Boden dar. Der Liedtext, der vordergründig von einer Liebesnacht
handelt, wird von Didi Neidhard konträr gelesen:
„Bobby Vinton war ein Faserschmeichler aus den Anfangstagen der Popmusik und sein
Blue Velvet eine für den weißen Markt zugeschnittene und entschärfte Version des Hits
der schwarzen Doo Wop-Gruppe The Clovers. [...] BLUE VELVET erzählt von einem One
Night-Stand mit einer Frau in blauem Samt. ihre Augen sind sogar noch blauer, das Licht
sanfter als Satin, die Sterne funkeln - es muß also Nacht sein. An entscheidender Stelle
heißt es: ’I loved her tightly / Feeling the rapture grow.’ ’Rapture’ bedeutet Verzüc-
kung, Entzücken, stürmischer Taumel. Der vermeintliche ’Kuschelsong’ erscheint [...] als
Prostituiertenbesuch bei einer Venus, die statt Pelz blauen Samt trägt.“115
Die doppelte Bedeutung von Blue Velvet stellt auch Georg Seeßlen heraus: „Vel-
vet ist ein Begriff für Geld und Reichtum; Blue Velvet meint das Geld, das in der
Nacht gemacht wird, das Geld, das mit Leidenschaft und Sexualität verdient
wird.“116
Somit erweist sich der Prolog von BLUE VELVET auf allen Ebenen (Bild, Ton und Text)
als vollkommenes Trugbild - als ahnungsschwangeres Traumbild. Der Zuschauer wur-
de in jeder Einstellung getäuscht. Die Souveränität der Idylle war ein Fake. An diesem
Prolog orientiert sich nun der »Mittelteil« BLUE VELVETs, in dem Jeffrey versuchen wird,
die Idylle zu rekonstruieren. Aufgabe für ihn scheint es zu sein, das übriggebliebene
visuelle Puzzleteil (das herrenlose Ohr) wieder in das Gesamtbild (den »Lückentext«)
einzufügen, um das Bild damit zu komplettieren.
113 In den Einstellungen 1 bis 7 dominieren Totale und Halbtotale, von Einstellung 8 bis 18 amerikanische Einstellung und
ab 19 Nah und Detailansichten.
114 Ästhetisch kann sich im 20. Jahrhundert ni emand mehr auf das Käfermotiv beziehen, ohne Assoziationen zu Franz
Kafkas Erzählung Die Verwandlung zu provozieren. David Lynch (nach eigener Aussage Bewunderer Kafkas und seiner
Erzählung, vgl. Rodley, Chris [1998]. S. 293) konfrontiert seinen Gregor Samsa - Jeffrey Beaumont - ebenso mit einer Um-
welt, die er nicht im Stande ist zu verstehen und die ihm feindlich gegenübersteht. Auch er ist - wie Kafkas Helden - oft
gekennzeichnet durch verzweifelte Souveränität (oder besser: souveräne Verzweif lung).
115 Neidhart, Didi (1998). S. 299 f.
116 Seeßlen, Georg (42000). S. 78.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 40
Doch ein weiteres - akustisches - Puzzleteil fehlt noch an seinem Platz, ohne das
der Prolog unvollständig wäre und damit der Film offen: Der letzte Vers des Liedes
Blue Velvet. Diesen bekommen wir erst in der letzten Einstellung des Films zu hören.
3.4.2. Erwachen: Detailanalyse zum „Epilog“
3.4.2.1. Einstellungen 1 - 9117
Der Epilog wird eröffnet durch eine Kamerafahrt zurück aus dem Detail in die
Großaufnahme. Aus Jeffreys Ohr heraus über sein schlafendes Gesicht [1]. Jeffrey
liegt auf der Gartenliege118
; wieder ist es ein sommerheller Tag. Ein Rotkehlchen über
ihm in den Baumästen erinnert ihn und uns an Sandys Traum, der nun offenbar (wie-
der) in Erfüllung gegangen ist. Doch die Doppeldeutigkeit der Zeichen aus dem Pro-
log lässt auch diese Idylle fraglich erscheinen.
Hat das vorausgegangene - die Verbrechen und die Abgründe der menschli-
chen Psyche - die Protagonisten einander näher gebracht, so sind sie nun - im Epilog
von BLUE VELVET - friedlich vereint. Jeffreys Seitensprung mit Dorothy scheint ihm von
Sandy vergeben worden zu sein. Auch Detective Williams scheint es Jeffrey nicht
mehr übel zu nehmen, dass er seine Tochter mit in Gefahr gebracht hat. Und selbst
Tom Beaumont hat sich wieder erholt. Als Held in der amerikanischen Einstellung wird
er freilich nicht mehr präsentiert, eher als Rekonvaleszent oder als Staffage im Bild,
ganz hinten in einer Totale [7].
Die Familien Williams und Beaumont, die in der »Mitte« des Films eine psycholo-
gisch-symbolische Einheit bildeten, sind nun auf der manifesten Ebene des Epilogs
bei einer Gartenparty vereint. Allen ist wieder die ungefährliche und unspektakuläre
Rolle aus dem Prolog zugewiesen: Die Frauen im Haus mit Handarbeiten (Mrs. Willi-
ams und Mrs. Beaumont im Wohnzimmer) und Kochen (Sandy und Tante Barbara
sind in der Küche) beschäftigt, die Männer im Garten als die Gartenzwerge ihres Be-
sitzstandes sind mit Laubharken beschäftigt; die „Karikatur einer Familienidylle.“119
3.4.2.2. Einstellungen 10 - 16
Dass etwas mit dieser neuerlichen Idylle nicht stimmt, erfahren wir in den folgenden
Einstellungen, in denen es um das Rotkehlchen120
geht. Es sitzt auf der Fensterbank
und bewegt sich mechanisch - es ist mechanisch, wenn Lynch dies auch abzustrei-
ten versucht: „The bird is a mechanical device, although according to Lynch ‘it’s
not an artifical bird; it’s a real bird. That’s just the way it turned out.’”121
Der Traumzu-
stand Sandys ist also keineswegs erreicht, auch wenn Jeffrey und Sandy sich darin
117 Einstell ungsnummern: vgl. Einstellungsprotokoll im Anhang (8.1.3.).
118 Aus den Bildern wird nicht klar, ob die Szenen bei den B eaumonts oder bei den Williams spielen. Die Tatsache, das
Detective Williams in Einstellung 7 eine Laubharke hält, spricht für zwar letzteres. Er könnte aber auch Tom Beaumont bei
der Arbeit im Garten helfen. Das Drehbuch schreibt „Beaumonts Backyard“. Vgl. Dunn, Mike (2000a). Einstellung 225.
119 Jerslev, Anne (1996). S. 136.
120 Ganz offensichtlich ist das Rotkehlchen, das Jeffrey im Baum gesehen hat [2, 4] nicht dasselbe wie dasjenige auf
dem Fensterbrett [10, 14, 16]. Das erste ist so natürlich, wie das zweite künstlich ist.
121 Alexander, John (21995). S. 108.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 41
stillschweigend zustimmen [15]. Beiden kann die Beschaffenheit des Vogels nicht
entgangen sein - und so ist auch Sandys Kommentar zu verstehen: „It’s a strange
world.“122
[15]
Die Fremdheit dieser Traumwelt äußerst sich vollends im Detail. Das falsche Rot-
kehlchen hält einen echten Käfer im Schnabel. Ein hilfloser Versuch, die (käferver-
seuchte) Unterwelt Lumbertons zu reinigen, den es mit Jeffrey verbindet. Auch er hat
es lediglich vollbracht, einen »Bug«123
(nämlich Frank Booth) als Kammerjäger aus die-
ser Unterwelt zu entfernen. Amüsiert nehmen Jeffrey und Sandy zur Kenntnis, dass
Tante Barbara nicht mit ansehen kann, wie der Vogel den Käfer frisst. Sie selbst könn-
te nie einen Käfer essen. Das erledigen in Lumberton ja auch die Männer.
Die Einstellungen 9 bis 15 werden von der Instrumentalpassage Julee Cruises My-
steries of Love begleitet. Zuvor verriet uns der Liedtext, dass die Mysterien der Liebe
nun zu verstehen sind [1] und als Licht in Jeffrey und Sandy (es ist ja Sandys Traum-
melodie aus #IV/24) tanzen und zeigen, dass sich beide lieben. Doch dieses Licht ist
ebenso künstlich, wie es das Rotkehlchen ist. Es ist erstens die bei Dorothy Vallens
durchbrennende Glühlampe [Ende von #VI/49] und zweitens die Weißblende des
Films [im Übergang von #VI/49 und #VII/50]. Damit handelt es sich offenbar um ein
Film-Happy-End, wie auch Fred Pfeil verdeutlicht:
„the bird’s obvious artificiality, the music’s clichéd goopiness, and the hypercomposed
flatness and stiffness of the mise en scène [in Seg. 50, S. H.], it is also about the anxious
and delightful possibility that Aunt Barbara - and Jeffrey and Sandy, for that matter -
are robots, too. And of course they are. In the sense that they are constructions of
sound and light, spaces where Lynch & Company’s projections meet our own; and in
this sense so are all the characters in every feature film.“124
3.4.2.2. Einstellungen 17 - 20
Diese Vermutung nährt auch der Schluss der Sequenz, in welchem Lynch zunächst
die Anfangsbilder des Prologs [dort: Einstellungen 1 - 3] in umgekehrter Reihenfolge
wiederholt [17 - 19]. Damit offenbart der Film seinen Charakter als Film: Die Wiederho-
lung und die Beliebigkeit der Laufrichtung. Die Symbole stehen allerdings noch für
dasselbe, das sie im Prolog repräsentierten und entlarven damit abermals die Famili-
enidylle als Scheinfrieden.
In der letzten Einstellung sehen wir zunächst einen kleinen Jungen, der den Propel-
lerhut125
(aus Sequenz #III/21) trägt. Damit soll angedeutet werden, dass Donny unbe-
schadet aus den Klauen der Unterwelt befreit wurde. Aber das bleibt eine Vermu-
tung, denn wir sehen das Kind nicht von vorn und können nicht entscheiden, ob es
122 Eine Anspielung auf The Wizard of Oz: Ein „uramerikanischer Schlüsselsatz ‚There’s no place like home‘ wie ein ironi-
sches Pendant zum Stoßseufzer ‚It’s a strange world‘“ Vgl. Fischer, Robert (31997). S. 125.
123 Umgangssprachlich steht »bug« auch für »Krankheit« oder »Infektion«.
124 Pfeil, Fred (1993). S. 237.
125 Die Sekundärliteratur deutet den Hut als Verweis auf THE WIZARD OF OZ: “The hat has been identified by more than one
reviewer as a WIZARD OF OZ reference;“ Woods, Paul A. (1997). S. 80. „The Wizard’s hat easily overlooked or misread as a
child’s party hat, appears at key moments in BLUE VELVET, and through it Lynch accomplishes a crusial symbolic identifi-
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 42
wirklich Donny ist. Donny symbolisiert eine der zahlreichen Leerstellen des Films, er ist
unpresented (und wie sein Spielhut, lediglich ein MacGuffin).
So kann die Wiedervereinigung von Dorothy und Kind auch als Unhappy-End ge-
lesen werden. Dies spiegelt sich im Gesicht Dorothys in den letzten Bildern, in denen
ihr Gesicht Besorgnis ausdrückt und im letzten Vers von Blue Velvet, in dem ihre Stim-
me singt, dass sie den blauen Samt (den Platzhalter für Franks Perversion) immer
noch durch ihre Tränen hindurch erkennen kann. Der Film ist zu Ende, das Lied ist zu
Ende, das Märchen ist vorbei und nichts ist wie es davor war; der Alptraum hat den
Traum abgelöst, denn:
„Gegen die Realität, wie sie von Frank [...] verkörpert wird, ist kein wirklicher Wider-
stand mehr möglich, die Welt kann, so wie sie sich in den Werken von Lynch präsentiert,
nicht mehr zurückgedreht werden.“126
3.5. BLUE VELVET als Referenz
Die Referenzen, die David Lynch in BLUE VELVET zur Filmgeschichte anstellt, sind we-
sentlich einfacher zu entschlüsseln, als es die Erzählung des Films ist. Fast scheint es so,
als habe Lynch der Doppelcodierung seiner Filmbilder mehr Aufmerksamkeit ge-
schenkt, als der Geschichte, die er erzählen will. Dies wurde in der Sekundärliteratur
nicht selten als Oberflächlichkeit gedeutet. So schreibt Anne Jerslev:
„Zählt man die vielen Genreparodien hinzu, gibt es Gründe genug, BLUE VELVET als einen
postmodernen Text zu bezeichnen, der auf seine eigene Oberfläche und Oberfläch-
lichkeit verweist.“127
Dass diese Oberflächlichkeit selbst nur oberflächlich ist, haben die vorangegan-
genen Detailanalysen zu verdeutlichen versucht.
Die Referenzen im Einzelnen zu nennen, stellt sich als ein schwieriges Unterfangen
dar: Erstens stellen sie häufig Assoziationen dar, die der Interpret anstellt (eben zu
seiner ganz subjektiven Filmgeschichte) und zweitens sind es einfach zu viele und oft
zu subtile Anspielungen. Drei der augenfälligeren wollen wir jedoch kurz notieren.
3.5.1. THE WIZARD OF OZ (1939)
Zu THE WIZARD OF OZ verbindet BLUE VELVET eine besondere Beziehung.128
Vieles da-
von wurde in der Detailanalyse genannt: Die Querverweise zwischen den beiden
Dorothys, die Farbsymbolik und das Hundemotiv. David Lynch operiert ganz bewusst
- und im Gegensatz zu vielen anderen Anspielungen - ganz offen mit dieser Intertex-
tualität, wenn es um die Charaktere geht:
cation of Kyle MacLachlan’s Jeffrey with Dorothy’s son. [...] Moreover, through Lynch’s symbolic modification, the Wiz-
ard’s hat becomes a synecdoche for the Fleming film.“ Lindroth, James [1990]. S. 161.
126 Wilckens, Peter (1996). S. 84.
127 Jerslev, Anne (1996). S. 137.
128 die nur noch von Lynch späterem Film WILD AT HEART übertroffen wird.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 43
„Dennis war auch deshalb der perfekte Frank, weil er aus Kansas stammt. Es paßte, daß
Frank aus Kansas kommt - denn Kansas hat etwas zu tun mit THE WIZARD OF OZ und Doro-
thy.“129 Und: „Das Buch hat mir sehr viel bedeutet. [Nicht nur in WILD AT HEART,] auch in
BLUE VELVET gibt es Anspielungen darauf: der Name Dorothy, die roten Schuhe usw.
[...]“130
James Lindroth, der seine Analysen auf den Referenzen zwischen BLUE VELVET und
THE WIZARD OF OZ aufbaut, stellt auch charakterliche Ähnlichkeiten bei anderen Pro-
tagonisten fest: „Dorothy [Gale] is replaced by Jeffrey, Toto by Sandy [sic!], and the
Witch by the psychopatic Frank.“131
3.5.2. UN CHIEN ANDALOU (1929)
Buñuels und Dalís UN CHIEN ANDALOU (F 1929) hat sicherlich nachhaltig auf das Werk
David Lynchs eingewirkt. So verzeichnet bereits sein Debütspielfilm ERASERHEAD zahlrei-
che Anspielungen auf den Film. Lynch streitet zwar ab, UN CHIEN ANDALOU vor der
Produktion ERASERHEADS gesehen zu haben132
, erwähnt jedoch, dass er ihn sehr wohl
kennt.133
In BLUE VELVET ist vor allem das Motiv der Ameisen eine von zahlreichen Auto-
ren134
angestellte, wichtige Referenz:
„Die auf dem Ohr herumkrabbelnden Ameisen sind eine Fortführung des Motivs der
zersetzenden Insekten vom Anfang. Die Szene erinnert stark an den surrealistischen
Kurzfilm UN CHIEN ANDALOU (Der andalusische Hund) von Buñuel und Dali, in dem Amei-
sen aus einem Loch einer Hand krabbeln und eine abgetrennte Hand auf dem Boden
liegt, die von einem Polizisten aufgehoben und in eine Schachtel gesteckt wird, als sei
es das Selbstverständlichste auf der Welt.“135
Diese Anspielung wirkt umso offensichtlicher, als wir die »Traumähnlichkeit« BLUE
VELVETS mit einbeziehen können, die ebenso für alle surrealistischen Kunstwerke von
immenser Bedeutung ist. Auch die Erzählung BLUE VELVETS selbst ist durch den Einfluss
surrealistischer Verfahren entstanden, wie Lynch angibt: „Die Story ist surreal“136
3.5.3. PEEPING TOM (1959)
„BLUE VELVET ist ein Film über den Akt des Sehens“137
, schreibt Robert Fischer. Dies
verbindet ihn mit zahlreichen Filmen. Die Art und Weise, wie gesehen wird, referiert
direkt auf z. B. Michael Powells PEEPING TOM (GB 1959).138
Dort filmt und tötet der Psy-
chopath Mark Lewis (Karlheinz Böhm) Frauen mit einer Kamera, auf die er eine Klinge
montiert hat. Der Akt des Sehens ist hier direkt mit dem der Gewalt verknüpft.
»Peeping Tom« bedeutet »Spanner«. Und einen solchen finden wir auch in BLUE
VELVET. Hier ist es Jeffrey, der Dorothy (jedoch unabsichtlich) vom Wandschrank aus
beobachtet. Später macht er aus diesem Versehen einen Job und observiert die
129 Fischer, Robert (31997). S. 131.
130 Fischer, Robert (31997). S. 314.
131 Lindroth, James (1990). S. 166.
132 Vgl. Fischer, Robert (31997). S. 291
133 Vgl. hierzu meine Untersuchungen zu ERASERHEAD als surrealistischer Film in: Höltgen, Stefan (1999). S. 4.
134 Z. B.: Schreyer, Klaus (1994). S. 100.
135 Fischer, Robert (1994). S. 75 f.
136 Rodley, Chris (1998). S. 164.
137 Fischer, Robert (1994). S. 89.
138 Hinweise für diese Referenz geben auch: Fischer, Robert (1994). 82 f. und Alexander, John (21995). S. 97.
SPIEGELBILDER BLUE VELVET: DIE VERDOPPLUNG DER ERZÄHLUNG SEITE 44
Unterwelt Lumbertons mit dem Fotoapparat. Doch das Blickverbot Franks hat auch
auf Jeffrey Auswirkungen: Wer blickt, wird ein Opfer von Franks Gewalt.
Die Referenz liegt hier nicht direkt im Bild, sondern im Motiv des Blicks. Dieses ver-
bindet BLUE VELVET (wie zahlreiche andere Aspekte) mit den Filmen Alfred Hitchcocks
auf mehreren Ebenen. Der folgende Exkurs soll andere Ähnlichkeiten zwischen den
Werken Hitchcocks und Lynchs darstellen und deren Bedeutung für die Verdopp-
lung der Erzählung herausstellen.
SPIEGELBILDER SEITE 45
SPIEGELBILDER EXKURS: HITCHCOCK UND LYNCH SEITE 46
Exkurs: David Lynch und Alfred Hitchcock
Mit den Filmen Alfred Hitchcocks verbindet das Œuvre David Lynchs zahlreiche
Gemeinsamkeiten. Diese werden nicht nur in der Sekundärliteratur zu den Werken
Lynchs herausgestellt, sondern finden sich auch in jüngeren Analysen zu Hitchcocks
Filmen, in denen auch deren Bedeutung und Rezeption untersucht wird.139
Die filmi-
sche Rezeption - der „Hitchcockianismus“140
- avancierte gerade im Thrillerkino zur
stilistischen Pflichtübung, die auch David Lynch mit Bravour meistert. Er bezeichnet
Alfred Hitchcocks REAR WINDOW selbst als einen seiner Lieblingsfilme.141
Im Folgenden sollen nun einige Referenzen von Lynch an das Werk Hitchcocks be-
schrieben werden, wie sie auch in der Sekundärliteratur erwähnt werden. Dabei rich-
tet sich der Augenmerk auf die Doppelcodierung von Lynchs Filmen und verdeutlicht
sein spezielles Verfahren der Referenzherstellung. David Lynch zitiert die Werke Hitch-
cocks nicht einfach, sondern reformuliert dessen Motive innerhalb seiner eigenen Mo-
tivgeschichte.
a) Figuren
aa) REAR WINDOW (1953)
Die Analogie zwischen Jeffrey Beaumont und L. B. Jeffries aus REAR WINDOW besteht
nicht nur Namen. Wie Jeffrey ist auch der Fotoreporter Jeffries ein heimlicher Beob-
achter - zunächst von ganz privaten Dingen in der Nachbarschaft, später eines
Verbrechens. Auch Jeffrey beobachtet Dorothy zuerst aus rein privater Neugier und
kürt sich später zum Privatdetektiv, der die Drogengeschäfte Franks und seiner Gang
observiert. Und auch er kann der Ermordung durch sein entlarvtes Opfer nur mit
knapper Not entkommen.
Beiden steht eine Blondine zur Seite: bei Jeffries Lisa Fremont (Grace Kelly), bei Jef-
frey Beaumont Sandy Willimas. Die Krankenschwester Stella (Thelma Ritter) wirkt da-
bei als ermahnende Instanz hinter Jeffries, wie Jeffrey Beaumonts Mutter und Tante,
die ihn warnen: „Your’re not going down by Lincoln“ (#1,8).
ab) PSYCHO (1961)
Interessante Bezüge zwischen BLUE VELVET und PSYCHO stellt Robert Fischer heraus:
„Bei einem näheren Vergleich der Apartmentsequenz [#III/18 - 20] in BLUE VELVET und mit
der Mordszene in PSYCHO stößt man auf überraschend viele Parallelen. In beiden Fällen
wird die Frau, die sich in ihrem Zimmer allein wähnt, heimlich von einem Mann beo-
139 Vgl. z. B. Seeßlen, Georg (1999). S. 185 - 222.
140 Seeßlen, Georg (1999). S. 222.
141 Vgl. Powers, John. Interview mit David Lynch. In: Wehrhahn, Jürgen (21992). S. 38.
SPIEGELBILDER EXKURS: HITCHCOCK UND LYNCH SEITE 47
bachtet (Kyle MacLachlan hat vom Typ her starke Ähnlichkeit mit dem jungen Anthony
Perkins). Der erste Schock in der BLUE VELVET-Sequenz entsteht durch die plötzliche Um-
kehrung der Rollen: Wo bei Hitchcock der Voyeur zum Aggressor mit Perücke und
Messer wird und den Duschvorhang zur Seite zieht, ist es bei Lynch die beobachtete
Frau, die - ebenfalls mit Perücke und Messer - die Schranktür aufreißt.“142
ac) VERTIGO (1957)
Vor allem in LOST HIGHWAY ähnelt die Figurenkonstellation Hitchcocks VERTIGO: Ma-
deleine Elster und Judy Barton werden beide von der selben Schauspielerin verkör-
pert: Kim Novak. Als Madeleine hat sie jedoch blondes Haar und als Judy dunkles,
das sie sich später wieder blond färbt. Sie nutzt diese Maskerade dazu, sich vor John
»Scottie« Furgeson (Jim Steward) zu tarnen, der innerhalb der Kriminalerzählung VER-
TIGOS dazu missbraucht wird, einen Mord zu decken - ohne es zu wissen.
In LOST HIGHWAY werden die Figuren Renée Madison und Alice Wakefield ebenfalls
von der selben Schauspielerin verkörpert: Patricia Arquette. Wiederum ist die eine
blond (Alice) und die andere brünett (Renée).
Dorothys Höhenangst (in der Filmfassung lediglich durch ihren Ausruf „I’m falling!“
[#VI/44] angedeutet - im Drehbuch jedoch weiter ausgeführt) ähnelt der von John
Ferguson. Direkt mit dieser Höhenangst in Verbindung steht in Vertigo das Motiv der
Treppe (ein Leitmotiv in Hitchcocks Filmografie), dass Lynch nicht nur in BLUE VELVET
(wenn Jeffrey dreimal dabei gezeigt wird, er die Treppen zu Dorothys Appartement
erklimmt), sondern auch in weiteren Filmen nutzt.143
Eine interessante Anspielung auf VERTIGO in der Serie TWIN PEAKS144
entdeckt Georg
Seeßlen:
„In VERTIGO stirbt die Heldin, und es folgt der Versuch des Helden, diese Figur gleichsam
zu ersetzen; er tötet sie ein zweites Mal, die eigene Höhenangst überwindend, während
eine Nonne erscheint, die Glocke des Todes und der Freiheit zu läuten. David Lynch
paraphrasiert dieses Motiv in TWIN PEAKS, wenn Madeleine Ferguson als Cousine der er-
mordeten Laura Palmer auftaucht: Madeleine ist Kim Novaks Name in Hitchcocks Film,
und James Steward heißt mit Rollennamen Ferguson.“145
Damit ist diese Variation aber noch nicht beendet: Auch Madeleine Ferguson ist
brünett (im Gegensatz zu Laura Palmer, die blond ist) und wird von derselben
Schauspielerin gespielt (Sheryll Lee). Und auch Madeleine wird - wie Laura - vom sel-
ben Mann umgebracht (der - wie sich später in der Serie herausstellt - genauso un-
schuldig an beider Tod ist, wie John Ferguson am »doppelten« Tod von Madelei-
ne/Judy).
ad) THE BIRDS (1962)
Mit The Birds verbindet Roger Luckhurst eine kleine Dialogszene aus BLUE VELVET:
„Mitch in THE BIRDS is desperately trying to convince the dull sheriff of Bodega Bay that
the house has been attacked by sparrows. With the triumph of empirical evidence he
142 Fischer, Robert (1994). S. 84.
143 Vgl. z. B. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: #V/15 oder LOST HIGHWAY: #V/24.
144 Bezogen wird sich hier auf TWIN PEAKS, Folge 14.
145 Seeßlen, Georg (1999). S. 206.
SPIEGELBILDER EXKURS: HITCHCOCK UND LYNCH SEITE 48
hands the sheriff the corpse of a bird. ’Yes, it’s a dead sparrow all right“. There is an ex-
act echo, then, when Jeffrey hands Detective Williams the paper bag containing the
ear he has found. ’Yes, it’s a human ear, all right“, says Williams, entirely unmoved.“146
ae) FRENZY (1971)
Eine Szene aus FRENZY wird mehrfach in TWIN PEAKS und einmal in TWIN PEAKS - FIRE
WALK WITH ME zitiert: Der Auftritt der Leiche (in TWIN PEAKS: Laura Palmer und Madeleine
Ferguson, in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME Theresa Banks): Die Serie TWIN PEAKS, der Film
TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME und FRENZY beginnen damit, dass eine Frauenleiche an-
gespült wird. Bei Hitchcocks Film in der Londoner Themse, bei Lynch im unbenannten
Flüssen der Städte TWIN PEAKS und Dear Meadows. In der Serie stellt Lynch auf diese
Weise seine - in der Serie abwesende - Hauptdarstellerin Laura Palmer vor. Im Film
führt er damit in die Detektiverzählung ein.
b) Motive
Doppelfiguren, wie Fred Madison/Pete Dayton, Rene Madison/Alice Walker oder
Laura Palmer/Madeleine Ferguson, stehen bei Lynch als ein Motiv für die (medial)
gespaltene Persönlichkeit. Dass diese Doppelfiguren in mehreren seiner Filme bedeut-
sam sind, wandelt sie zu Meta-Motiven. Solche Motiv-Ketten im Œuvre Lynchs sind
häufig zu finden. Aber auch zum Werk Hitchcocks lassen sich motivale Referenzen
finden.
ba) Der Blick
Sehen und angesehen werden ist in zahlreichen Filmen Lynchs und Hitchcocks ein
wichtiges Motiv: Die Referenzen von BLUE VELVET zu REAR WINDOW und PSYCHO wurden
diesbezüglich bereits genannt.
Mit dem Blick greift BLUE VELVET Kinomotive, die mit Hitchcocks REAR WINDOW und PSY-
CHO begannen, auf und kommentiert sie und ihre Bedeutung für den postmodernen
Film. Lynch verdoppelt jedoch nicht einfach die Filmszene, sondern auch die Zu-
schauerhaltung: BLUE VELVET wiederholt den Schock aus PSYCHO, der den »geheimen
Blick« begleitet. Robert Fischer stellt den Blick in BLUE VELVET als symptomatisches Motiv
für das Kino der 80er Jahre heraus:
„Die Wirkung der Vergewaltigungsszene auf den Betrachter ist so schockierend und
verstörend wie der Duschmord in Hitchcocks PSYCHO, so wie der Film BLUE VELVET für das
Kino der achtziger Jahre ein ähnliches Phänomen darstellt wie PSYCHO für das Kino der
sechziger. Wir leben im Zeitalter der Skopophilie, im Zeitalter der Lust am Sehen, der
Lust zu schauen, der Lust am Zuschauen, der Schaulust [...] BLUE VELVET ist, unter anderem,
ein Film über den Akt des Sehens und damit ein Film über das Kino.“147
146 Luckhurst, Roger (1989). S. 181.
147 Fischer, Robert (1994). S. 81.
SPIEGELBILDER EXKURS: HITCHCOCK UND LYNCH SEITE 49
David Lynch ist sich der Verwendung des Blicks als Motiv durchaus bewusst und
kalkuliert ihre Bedeutung für die Zuschauerposition des Films mit ein: „Ja. Kino ist im
Grunde Voyeurismus. Man sitzt in der Sicherheit des Kinosaals, und Blicke sind etwas
sehr Mächtiges.“148
bb) Die Frau als Opfer
Frauen stellen bei Hitchcock und Lynch prädestinierte Opfer dar. Zumeist werden
sie als naiv und gutmütig präsentiert. Nicht selten sind sie als Überlebende des Films
»Opfer« einer Beziehung mit dem männlichen Helden (BLUE VELVET, WILD AT HEART).
Nur selten ist bei Lynch eine Frau »ausschließlich böse« konnotiert: Zumeist »kann
sie nichts dafür«, wie Marietta Fortune (Diane Ladd), die eifersüchtige Mutter in WILD
AT HEART. Ein ähnlicher Frauentyp begegnet uns in Hitchcocks MARNIE (1964). Auch
dort ist die Kleptomanin unabsichtlich verbrecherisch und bereut ihre Taten. Dersel-
be Frauentyp begegnet uns auch in PSYCHO: Marian Crane ist mehrmals versucht,
den Diebstahl der vierzigtausend Dollar wieder rückgängig zu machen.
Als Opfer männlicher Gewalt werden weibliche Figuren bei beiden Autoren derart
offensichtlich angeführt, dass sie Belege hierfür erübrigen.149
bc) Der einsame Held
Auffällig ist auch die Ähnlichkeit zwischen Hitchcocks und Lynchs männlichen
Helden. Bei beiden Autoren sind die Helden oft allein mit ihren Problemen. Erst später
gesellt sich ihnen eine Frau zu, die sie nicht selten durch die Gefahr kennen und lie-
ben lernen - die aber auch nicht selten den Grund für die Gefahr darstellt.
bd) Der Ort des Privaten als Schauplatz des Verbrechens
Auch hierin gleichen sich Hitchcocks und Lynchs Filme oftmals. Das Verbrechen
wird bei Hitchcock heraus aus der Anonymität hinein in die Privatsphäre gezogen,
um die Bedrohlichkeit und den Thrill für den Zuschauer zu verstärken. Je kleiner der
Kontext dabei gerät, desto größer die Wirkung: In THE BIRDS überfällt das Unglück die
Kleinstadt Bodega Bay wie in BLUE VELVET Lumberton: „As in a Hitchcock film that li-
kewise problematizes familiar terrains, in BLUE VELVET Jeffrey investigates a crime and
possible murder in hopes, it seems, of discovering more about the nature of his
town.“150
In PSYCHO findet der Mord im Badezimmer statt.151
In einer aus BLUE VELVET heraus
gekürzten Szene findet Dorothy das zweite abgeschnittene Ohr ihres Mannes Don im
Badezimmer, im Waschbecken.
148 Rodley, Chris (1998). S. 196.
149 Ein Blick in die Synopsen der hier untersuchten Filme genügt, um diese »Rolle« der Frauenfiguren in Lynchs Filmen zu
verdeutlichen.
150 Corrigan, Timothy (1991). S. 72.
151 Dort wickelt Norman Bates (Anthony Perkins) sein Opfer Marian Cran (Janet Leigh) nach getaner Tat in einen Plastik-
Duschvorhang ein, bevor er sie im Sumpf hinter demHaus versenkt. Damit endet der etablierte Handlungsstrang, der in
SPIEGELBILDER EXKURS: HITCHCOCK UND LYNCH SEITE 50
c) Erzählstrategien
Am Beispiel des MacGuffins soll gezeigt werden, wie Lynch und Hitchcock ihre Kri-
minalerzählungen motivieren. Zunächst eine Definition von Hitchcock:
„Das ist eine Finte, ein Trick, ein Dreh, wir nennen das »gimmick«. Ich werde Ihnen die
ganze Geschichte des Mac-Guffin erzählen. Sie wissen daß Kipling häufig über die In-
der und Briten geschrieben hat, die an der Grenze von Afghanistan gegen die Einge-
borenen kämpften. In all den Spionagegeschichten, die in dieser Gegend spielen, ging
es ohne Unterschied immer um den Raub von Festungsplänen. Und das war der Mac-
Guffin. MacGuffin ist also einfach eine Bezeichnung für den Diebstahl von Papieren,
Dokumenten, Geheimnissen. Im Grunde sind sie ohne Bedeutung, und die Logiker su-
chen an einem falschen Ort nach der Wahrheit. Bei meiner Arbeit habe ich mir immer
vorgestellt, die Papiere, die Dokumente oder Konstruktionsgeheimnisse der Festung
müßten ungeheuer wichtig sein für die Personen des Films, aber ganz ohne Bedeutung
für mich den Erzähler.“152
Mit den MacGuffins baut Hitchcock seine Erzählungen also um eine »Lücke« her-
um auf, die die Figuren der Handlung schließen wollen (und für die sich zweifelsohne
auch der Zuschauer interessiert), die jedoch in ihre »Lückenhaftigkeit« konstitutiv für
die Lückenhaftigkeit der Erzählung selbst ist - und daher gar nicht geschlossen wer-
den darf. Diese MacGuffins begegnen uns auch in den Filmen David Lynchs.
ca) MacGuffins in BLUE VELVET
In BLUE VELVET sind dies das Ohr von Don Vallens, die Gasmaske Franks, der blaue
Samt, der Spielhut Donnies auf der bildlichen Ebene; der Zusammenbruch Tom
Beaumonts, die Drogenintrige, die Bedeutung Franks als »der Mann im eleganten
Anzug«, die Playback-Nummer bei Ben (das Lied In Dreams selbst), die Rückkehr Jef-
freys in Dorothys Apartment und nicht zuletzt die Beziehung zwischen Dorothy und
Frank auf der Handlungsebene. Dies sind alles Elemente, die für die Protagonisten
wichtig sind (und mit denen sie fraglos operieren), die für den Zuschauer jedoch
opak bleiben - und für die Lynch sich nicht zu interessieren scheint, sonst hätte er sie
nicht aus dem Skript entfernt.
In späteren Filmen nutzt der das Potential dieser »Lücken«, um den Filmerzählun-
gen den mysteriösen Effekt zu verleihen, der ihre Interpretation als »organisches Gan-
zes« oft entgegensteht.
cb) MacGuffins in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME
In TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME fungiert z. B. ein Ring, den der »Man from another
place« Laura im Traum übergibt und vor dem Dale Cooper sie im selben Traum
warnt („Don’t take this ring!“ [#V/22]) als MacGuffin. Im ersten Teil des Films war dieser
Ring noch Indizienbeweis zu sein: Er bildet das Puzzleteil zu sein, das den FBI-Agenten
das Leben der nun verschiedenen Heldin einführte zu Gunsten einer ganz anderen (Kriminal-)Erzählung. Analog in Bild
und Erzählstil verfährt auch David Lynch in seiner TV-Serie TWIN PEAKS: Dort wird in der ersten Folge auch die Leiche Laura
Palmers in Plastik eingewickelt angeschwemmt. Die Geschichte, die zu ihrem »Untergang« f ührte klärt die Serie nicht
(sie wird erst im Film TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME erzählt).
152 Alfred Hitchcock zit. in. Truffaut, François (201998). S. 125 f.
SPIEGELBILDER EXKURS: HITCHCOCK UND LYNCH SEITE 51
Chester Desmont und Sam Stanley fehlt, um Licht in den Tod von Theresa Banks zu
bringen. Im zweiten Teil avanciert der Ring jedoch schnell zu einem MacGuffin, der
seinen Charakter als Warnsignal Laura Palmer auch im Wachzustand bestätigt:
Während einer Autoverfolgungsjagd streckt Mike ihr und ihrem Vater den Ring wü-
tend aus einem fahrenden Auto entgegen. [#VII/29]153
cc) MacGuffins in LOST HIGHWAY
Auch in LOST HIGHWAY werden MacGuffins eingesetzt, die für die Kriminalhand-
lung(en) durchaus von Bedeutung sind. So scheinen die Videokassetten, die Fred
und Renée vor ihrem Hauseingang finden [LOST HIGHWAY: #II/6 - 13] und die später
den Mord Freds an seiner Frau dokumentierten [LOST HIGHWAY: #IV/21 f.] für das Ge-
richt durchaus als Beweismittel für Freds Schuld auszureichen. Dem Zuschauer bleibt
jedoch völlig unklar, woher die Kassetten stammen und auch Fred hält sich selbst für
unschuldig am Mord von Renée.
Der Mystery Man in beiden Teilen des Films kann als personifizierter MacGuffin an-
gesehen werden. Auf die Frage Freds an Andy, wer der mysteriöse Fremde sei, be-
kommt er zur Antwort „I don’t know his name. He‘s a friend of Dick Laurant’s I think.“
(LOST HIGHWAY: #III/16, Einstellung 39). Offenbar allen Beteiligten - außer Dick Lau-
rant/Mr. Eddy - unbekannt hat der mysteriöse Fremde dennoch folgenschweren Ein-
fluss auf die Filmhandlung: Für den Tod an Renée kann er als Täter vermutet, für den
Dick Laurants/Mr. Eddys - zumindest auf der Bildebene - bestätigt werden [LOST
HIGHWAY: #XIII/73]. Die Tatsache, dass die Figur von Lynch im Casting »Mystery Man«
betitelt wird, charakterisiert ihn nicht nur treffend, sondern verdeutlicht auch sein
Wirken auf die Erzählung von LOST HIGHWAY.
Ausnahmslos alle Filme Lynchs - von den frühen Kurzfilmen bis hin zum jüngsten
Werk THE STRAIGHT STORY - enthalten ähnliche Handlungsmomente, Personen, Gegen-
stände und Motive, die als MacGuffins funktionieren. Die obige Aufzählung bietet
nur eine markante Auswahl in den drei hier untersuchten Filmen an - sie ist jedoch
keineswegs vollständig.
Auf der manifesten Ebene dienen bei Lynch die MacGuffins der Verklausulierung
der gesamten Filmhandlung (und nicht wie bei Hitchcock nur einzelner Motive der
Kriminalerzählung). Auf der latenten verweisen sie jedoch gerade durch ihre »Unver-
ständlichkeit« auf sich selbst als MacGuffins. Der Zuschauer befindet sich mit dem
Autoren Lynch im selben Dialog, wie die von Hitchcock imaginierten Zugreisenden,
die sich über den MacGuffin unterhalten:
153 Ein Ring wurde auch in der Serie TWIN PEAKS bedeutsam. Es handelt sich jedoch nicht um denselben Ring. Lediglich
seine motivale Verknüpfung mit dem Ort, an dem der »Man from another Room« lebt, scheint dieselbe zu sein, denn
Cooper wird dieser Ring vom »Riesen« (einem weiteren Einwohner des mysteriösen Ortes) gestohlen und nach der Auf-
klärung des Mordfalls »Laura Palmer« wieder zurückgegeben. Zu weiteren Zeichen, die als MacGuffins fungieren, vgl.
Tabelle S. 61.
SPIEGELBILDER EXKURS: HITCHCOCK UND LYNCH SEITE 52
„Und woher der Begriff MacGuffin kommt? Der Name erinnert an Schottland, und da
kann man sich folgende Unterhaltung zwischen zwei Männern in der Eisenbahn vorstel-
len. Der eine sagt zum anderen: »Was ist das für ein Paket, das Sie da ins Gepäcknetz
gelegt haben?« Der andere: »Ach das, das ist ein MacGuffin.« Darauf der erste: »Und
was ist das, ein MacGuffin?« Der andere: »Oh, das ist ein Apparat, um in den Bergen
von Adirondak Löwen zu fangen.« Der erste: »Aber es gibt doch überhaupt keine Lö-
wen in den Adirondaks.« Darauf der andere: »Ach, na dann ist es auch kein MacGuf-
fin.« Diese Geschichte zeigt Ihnen die Leere, die Nichtigkeit des MacGuffin.“154
Dieses fiktive Gespräch findest seine reale Entsprechung ebenfalls in den zahlrei-
chen Interviews mit David Lynch, in denen er sich strikt weigert, bestimmte Motive,
Techniken oder Bedeutungen seiner Filme zu erläutern. Seine Standardantwort ist
häufig: „Ich könnte es sagen, aber das ist so ein Fall, wo unweigerlich die Antwort
kommt. »Ja klar, das leuchtet ein.«“155
cd) MacGuffins?
Georg Seeßlen bezweifelt, dass es sich bei den oben genannte Strategien um
MacGuffins handelt:
„er [der MacGuffin, S. H.] funktioniert nicht im k onventionellen System der Semiotik,
setzt dieses aber eigentlich erst ins Recht, weil er das System der Bedeutungen als ein
kausales erklärt: Aus der leeren, aber bedeutsamen Botschaft entwickeln sich die Din-
ge logisch und konventionell. In Lynchs Filmen gibt es solche McGuffins nicht. Vielmehr
müssen sogar alle Botschaften zu ihrem Sinn kommen, während die Dinge darum herum
ihre logischen Beziehungen aufheben. Die Dialektik zwischen McGuffins (sinnlose Bot-
schaft) und ’Handlung’ (Sinn ohne Botschaft) ist zerstört.“156
Diese Feststellung ist richtig, wenn wir davon ausgehen, dass Lynch MacGuffins als
MacGuffins (quasi in ihrer »modernen« Ausprägung zur Konstruktion und Stützung
einer Kriminalerzählung) verwendet. Auf der Ebene, auf der wir sie diskutieren, stellen
sie jedoch dekonstruierte MacGuffins dar: Sie verdoppeln sich als Narrationsstrategi-
en selbst: bei Hitchcock entlehnt und bei Lynch dekonstruiert. Der Zuschauer, der
den Gebrauch des MacGuffins »gelernt« hat157
und der vom Thriller-Regisseur konstru-
ierten falschen Fährte nun nicht mehr folgt, fällt neuerlich auf Lynchs Methode her-
ein. Die vormals opaken, aber bedeutungsvollen Zeichen (MacGuffins) werden bei
Lynch zu opaken und bedeutungslosen Zeichen, die den Filmen ihre mysteröse Qua-
lität verleihen.
154 Alfred Hitchcock zit. n. Truffaut, François (201998). S. 126.
155 Rodley, Chris (1998). S. 199.
156 Seeßlen, Georg (42000). S. 220.
157 Die von Hitchcock zitierte Erklärung und Anekdote zum MacGuffin ist (ob der Berühmtheit ihres Erfinders) durchaus
als allgemein bekannt vorauszusetzen.
SPIEGELBILDER SEITE 53
Fire walk with me
Through the darkness of future pasts,
the magican longs to see.
One chance out between two worlds,
fire walk with me.
I’ll catch you with my deathbag.
You may think I’ve gone insane,
but I promise, I will kill again.
(David Lynch)
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 54
4. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: Die Verdopplung des Genres
4.1. Synopsis
TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME stellt das Prequel zur 1990/1 gesendeten, 30-teiligen
Fernsehserie TWIN PEAKS dar. Die Handlung gliedert sich in zwei Teile, deren erster un-
gefähr ein Viertel der Gesamtlaufzeit in Anspruch nimmt. Er beginnt mit einer Gewalt-
tat. Ein laufendes Fernsehgerät wird zerschlagen und der Schrei einer Frau ist zu hö-
ren, kurz darauf folgt ein dumpfer Schlag und die Frau verstummt. Schnitt: Eine Lei-
che treibt auf einem Fluss dahin. Bildunterschrift: Teresa Banks [1]158
.
Der FBI Special Agent Chester Desmont (Chris Isaak) wird von seinem Vorgesetzten
Gordon Cole (David Lynch) aus der Zentrale in Philadelphia von einem Einsatz ab-
berufen [2]. Cole verabredet sich mit Desmont auf dem Private Portland Airport, um
ihn für die Aufklärung des Mordfalls an Teresa Banks (Pamela Gidley) in Dear Mea-
dows abzustellen. Er übermittelt Desmont die Einzelheiten des Mordfalls und Informa-
tionen über den Ort Dear Meadows mittels einer pantomimischen Darstellung seiner
»Cousine« Lil (Kimberly Ann Cole) [3]. Desmont macht sich mit einem Kollegen, Agent
Sam Stanley (Kiefer Sutherland), auf den Weg nach Dear Meadows [4].
Dort kollidieren die beiden FBI-Agenten zunächst mit der örtlichen Polizei, die jede
Kooperation verweigert [5]. Auf eigene Faust unternehmen Desmont und Stanley
eine Autopsie am Leichnam Teresa Banks’. Unter einem ihrer Fingernägel entdecken
sie einen Zettel mit dem Buchstaben „T“ [6]. Am folgenden Tag untersuchen die bei-
den Agenten den Trailer, in dem Teresa gelebt hat [8]. Sam Stanley kehrt für weitere
Untersuchungen mit der Leiche nach Portland zurück. Desmont erkundet allein den
Trailerpark und findet unter Teresa Banks‘ Wohnwagen einen Ring. Schnitt. [10] In der
FBI-Zentrale in Philadelphia warnt Special Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan)
Gordon Cole bezüglich eines Traumes, den er hatte. Kurz darauf erscheint - wie aus
dem Nichts - der verschollene FBI-Agent Philip Jeffries. Er erzählt in wirren Worten von
einem Ort, an dem er sich aufgehalten hat und verschwindet so plötzlich wie er er-
schienen ist. Direkt darauf erfahren die FBI-Agenten vom Verschwinden Chester Des-
monts in Dear Meadows [11]. Cooper fährt dorthin, um das Verschwinden zu unter-
suchen [12].
Hier endet der erste Teil des Films. Es folgen die Opening-Titles und die Musik der
Fernsehserie TWIN PEAKS. Laura Palmer (Sheryll Lee) wird vorgestellt als Schülerin der
Highschool in Twin Peaks. Wir erfahren von ihrer Beziehung zu zwei verschiedenen
Männern, ihrer Kokainabhängigkeit und lernen ihre Freundin Donna Hayworth (Moi-
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 55
ra Kelley) kennen [13 - 14]. Alsbald werden wir in die (noch) dunkleren Seiten der
Schülerin eingeführt: Sie entdeckt, dass in ihrem Tagebuch einzelne Seiten fehlen und
bringt es zur sicheren Verwahrung zu Harold Smith (Lenny Von Dohlen), einem Ago-
raphobiker, den sie betreut [15]. Ihm erzählt sie, dass sie seit ihrem zwölften Geburts-
tag von BOB159
(Frank Silva) immer wieder vergewaltigt wird.
In einer eingeschobenen Sequenz sehen wir Dale Cooper und seinen Kollegen Al-
bert Rosenfield (Miguel Ferrer) in der FBI-Zentrale. Cooper berichtet Rosenfield von
einer Vision, die er von Laura Palmer hat und von ihren Problemen. Rosenfield misst
der Vision Coopers keine Bedeutung bei [17].
Zurück in TWIN PEAKS: Laura bekommt auf offener Straße von einer alten Frau, Mrs.
Tremond/Chalfont (Frances Bay), und deren Neffen Pierre (Jonathan J. Leppell) ein
Bild, auf dem eine Zimmerecke mit einer leicht geöffneten Tür zu sehen ist, geschenkt.
Der Junge verrät Laura, dass gerade wieder jemand in ihrem Zimmer nach dem Ta-
gebuch sucht [18]. Laura läuft daraufhin nach Hause und entdeckt tatsächlich BOB
in ihrem Zimmer. Sie flüchtet hinaus auf die Straße und beobachtet, wie kurz darauf
ihr Vater Leland Palmer (Ray Wise) aus dem Haus kommt. In Laura keimt der Ver-
dacht, dass BOB und Leland ein und dieselbe Person sind [19].
Am Abend erlebt Laura beim Dinner eine beunruhigende Szene. Ihr Vater reagiert
geradezu eifersüchtig, als er entdeckt, dass Laura eine Kette mit einem Herzen trägt.
Ohne Grund verfällt er in Rage, als er zudem bemerkt, dass Laura schmutzige Finger
hat. Laura ist verstört und weint. Später entschuldigt sich ihr Vater bei ihr - nun selbst
zu Tränen gerührt [20 - 21].
In dieser Nacht hat Laura einen Traum, der sie in das »Innenleben« des Bildes, das
sie von Mrs. Tremond bekommen hat, hinein führt. Dort trifft sie abermals auf die TRE-
MONDS und sieht in einen Raum, der mit roten Vorhängen ausgekleidet ist (»Another
Place« oder »Black Lodge«). In ihrem Traum gibt ihr der MAN FROM ANOTHER PLACE
(Michael J. Anderson) Teresa Banks‘ Ring und COOPER warnt sie davor, diesen Ring
zu nehmen. Sie erwacht und hält den Ring in der Hand. Neben ihr im Bett liegt der
blutüberströmte Körper von ANNIE BLACKBURN (Heather Graham). Diese sagt zu Lau-
ra, dass „der gute Dale“ in der Hütte gefangen ist und dass sie dies in ihr Tagebuch
schreiben soll. Dann erwacht Laura wirklich. Der Ring ist fort und mit ihm Annie [22].
Laura bereitet sich am Abend des folgenden Tages auf den Besuch im „Road-
house“, einem Bordell auf der kanadischen Seite der Grenze, vor. [24] Dort verabre-
det sie sich mit zwei Männern. Plötzlich steht Donna neben ihr, die ihr gefolgt ist. Lau-
158 Sequenznummern: Vgl. Sequenzübersicht im Anhang (8.2.1.).
159 Im Folgenden werden die Namen der Figuren des fantastischen Systems in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH M E (MAN FROM
ANOTHER PLAC E, BOB und MIKE u. a.) in Majuskeln gesetzt, um sie deutlicher als solche zu kennzeichnen und um Ver-
wechslungen mit ihren Doppelgängern im sozialen System oder den Protagonisten gleichen Namens, wie Bobby
(Briggs) und Mike (Nelson) zu verhindern. Diese Schreibweise wird auch in der Sekundärliteratur favorisiert.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 56
ra beschließt, den Abend mit Donna zu verbringen [26]. Zusammen gehen sie mit
beiden Männern auf eine Orgie. Dort trifft Laura ihre »Prostituiertenkollegin« Ronnette
Pulaski (Phobe Augustine). Sie unterhalten sich über Teresa Banks und beschließen,
bald mit Jacques Reno (Walter Olkewicz), dem Besitzer des Roadhouses und Leo
Johnson (Eric De Ra), einem Drogendealer, eine weitere Orgie zu veranstalten. Don-
na, in Roadhouse-Kreisen noch unerfahren, verliert unter Alkohol- und Drogeneinfluss
die Kontrolle über sich und wird von Laura nach Hause gebracht [27].
Am kommenden Tag unterhalten sich Laura und Donna über den Abend im
Roadhouse. Später wird Laura von ihrem Vater abgeholt [28]. Auf der Fahrt nach
Hause begegnen sie MIKE/Philip Gerard (Al Strobel). Er schreit Leland und Laura aus
dem fahrenden Auto heraus an und sagt zu Laura „He’s the man!“ Dabei hält er
den Ring (aus Lauras Traum) in der Hand. Leland versucht zu verhindern, dass Laura
die Worte MIKEs versteht, indem der den Motor aufheulen lässt und hupt. Als MIKE
wegfährt, sind Laura und Leland sehr verstört. Laura erkundigt sich bei ihrem Vater
nach dem Tag, an dem sie ihn aus dem Haus kommen sah. In Rückblenden erfah-
ren wir, dass Leland der Mörder von Teresa Banks ist, einer Prostituierten, die er regel-
mäßig besucht hatte und die ihm vom »Nebenjob« seiner Tochter in Kenntnis setzt
[29 - 35].
In der darauffolgenden Nacht unternimmt Laura mit ihrem Freund Bobby Briggs
(Dana Ashbrook) einen Spaziergang im Wald. Sie wollen sich dort mit einem Kokain-
dealer (Gary Hershberger) treffen. Als dieser erscheint und Bobby zu erschießen
droht, tötet Bobby ihn durch eine Kopfschuss und verscharrt ihn [37].
In der Nacht betäubt Leland seine Frau mit einem Schlafmittel. Kurz darauf be-
kommt Laura Besuch von BOB, der sie abermals vergewaltigt. Als sie ihn - auf ihr lie-
gend - fragt, „Who are you?“, entdeckt sie plötzlich, dass es sich um ihren Vater
handelt und schreit. Am nächsten Morgen warnt Laura ihren Vater, er solle sie in Ru-
he lassen [39 - 40].
Am Abend kommt es zu der mit Ronnette Pulaski verabredeten Orgie mit Jacques
und Leo. Laura lässt sich von ihrem Freund Nr. 2, James Hurley (James Marshall), zu
dem Treffen fahren. Dieser ahnt nichts von ihrem Vorhaben und ist schockiert, als
Laura sich ohne Grund von ihm trennt und in den Wald läuft (wo das Treffen statt-
finden soll) [44]. In einer Hütte im Wald vergnügen sich Laura, Ronnette, Jacques
und Leo [45]. Als Leland plötzlich auftaucht und Jacques bewusstlos schlägt, flüch-
tet Leo und lässt die beiden Mädchen mit Leland allein. Dieser verschleppt sie zu
einem stillgelegten Eisenbahnwagen [46 - 48], wo er Ronnette bewusstlos schlägt
und schließlich seine Tochter umbringt [49].
Es schließt sich eine Szene an, die im Ort aus Lauras Traum, in der »Black Lodge«,
spielt. Dort sind MIKE, der MAN FROM ANOTHER PLACE, LELAND und BOB versammelt.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 57
Ein skurriles Ritual wird abgehalten [50]. In einem anderen Raum sehen wir LAURA
und COOPER. Beiden erscheint ein Engel und Laura lacht [51].
4.2. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME - Ein Film mit sieben Siegeln
TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME stellt in vielerlei Hinsicht ein kinematografisches Hybrid
dar. Zum einen steht der Film in Beziehung zur Fernsehserie TWIN PEAKS, deren »Pre-
quel« - und damit Bestandteil - er zu sein vorgibt, oder, wie Petra Kallweit es formu-
liert: „Zählt man den 1993 gedrehten Film TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME, der die Vorge-
schichte der Serie enthält, zum linearen Gesamt-discours hinzu, so stellt sie auf der
Ebene der histoire die Folge 0 dar“160
Dass der Film dieser Verortung teilweise wider-
spricht, offenbart sich an zahlreichen Details.
Darüber hinaus muss TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME zweitens auch als eigenständiger
(Kino–)Film funktionieren können. Anders als die Serie, ist er nicht für das Medium Fern-
sehen geschrieben worden auch wenn verschiedene technische Mittel die Nähe zur
Fernsehästhetik nahelegen sollen161
. Ebenso ist der Film nicht prinzipiell als Mehrteiler
gedacht. Der erzählerischen Eigenständigkeit stehen jedoch zahlreiche narrative
»Hindernisse« im Weg: Referenzen an die TV-Serie, die nur vom »Kenner« zu entschlüs-
seln sind, aber auch scheinbar »leere« Referenzen, die die Narration so weit aufbre-
chen, dass die Kohärenz der Erzählung verloren zu gehen droht. So urteilen dann
auch zahlreiche Kritiker über den Film ähnlich wie Robert Fischer: „Für den Kenner ist
er nicht geschlossen genug, für den Uneingeweihten dagegen ein Buch mit sieben
Siegeln.“162
Drittens bedient TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME zumindest oberflächlich das Genre
der Kriminalerzählung, geht es doch - wie der deutsche Untertitel suggeriert - um die
„letzten sieben Tage im Leben der Laura Palmer“163
auf die dann ihre Ermordung
folgt. Als von der Serie losgelöste, eigenständige Erzählung ist die Kriminalgeschichte
zweifelsfrei zu erkennen; allein: in Verbindung mit der TV-Serie ist die Frage nach dem
»Whodunit?« jedoch bereits in Folge 16 beantwortet worden. Eine Detektion des
Mordes an Laura Palmer wird in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME genauso wenig begon-
nen, wie die im Mord an Teresa Banks je zu Ende geführt wird. Das Genre »Kriminaler-
zählung« wird im ersten Teil des Films zunächst angedeutet, dann auch in Teilen be-
dient, jedoch nicht zu Ende geführt.
160 Kallweit, Petra (1999). S. 226.
161 Etwa der Verzicht auf das »Cinemascope«-Format (2,35:1) zugunsten des 1,85:1-Formats und der Einsatz eines Kame-
ramanns (Ron Garcia), der zuvor in TV-Serien mitgearbeitet hat.
162 Fischer, Robert (1997). S. 246.
163 Robert Fischer konstatiert zu dieser Untertitelung: „aus dem Film selbst geht dies nicht hervor.“ Fischer, Robert (1997). S.
239. Dieser Behauptung muss allerdings widersprochen w erden, da sehr wohl zu erkennen ist, dass es sich um sieben
Tage handelt (Vgl. Sequenzübersicht im Anhang).
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 58
Wollen wir als Grund für diese »narrativen Eigenarten« des Films nicht produktions-
ästhetische Argumente bemühen164
oder - wie Robert Fischer - gar unterstellen, „Da-
vid Lynch habe [...] auf dramaturgische Geschlossenheit [keinen] Wert gelegt“165
, so
müssen wir versuchen, die kritischen (hybriden) Elemente für eine Interpretation des
Werks fruchtbar zu machen. Dabei muss TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME sowohl als ei-
genständiger Beitrag betrachtet, als auch in Referenz zur TV-Serie TWIN PEAKS unter-
sucht werden.
Das, was den Film am auffälligsten narrativ »offen« und zugleich interpretativ »ver-
siegelt« erscheinen lässt, sind bestimmte Zeichen (Bilder, Charaktere und Motive), die
scheinbar keinerlei Beziehung zur Erzählung des Films unterhalten, jedoch gleichzeitig
durch ihre Zentrierung innerhalb dieser so bedeutsam erscheinen, dass sie den Zu-
schauer geradezu herausfordern, sie zu deuten. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME themati-
siert sich auf diese Weise selbst als Zeichensystem. Da diese Zeichen zugleich als Ele-
mente bestimmter Genres wiedererkannt werden können, reflektiert TWIN PEAKS - FIRE
WALK WITH ME die Möglichkeit, ein Genrebeitrag sein zu können. Dass David Lynch den
Genrebegriff selbst kritisch sieht und sich durchaus programmatisch ästhetisch mit
ihm auseinandersetzt, erfahren wir in einer Interviewaussage über LOST HIGHWAY: „Es ist
gefährlich, einen Film zu klassifizieren. Mit Filmen, die innerhalb eines Genres bleiben,
kann ich nichts anfangen, deshalb ist er eine Kombination aus verschiedenen Gen-
res.“166
Der Film stellt eine Art »Lückentext« dar, der sich - im Gegensatz zu BLUE VELVET -
nicht einmal durch einen Blick ins Drehbuch vollständig entschlüsseln lässt. Er thema-
tisiert seine semiologische Offenheit: „So stellt sich in FIRE WALK WITH ME die Frage, die in
BLUE VELVET als Frage nach dem Autor gestellt war, als Frage nach dem Text.“167
Mit
anderen Worten: Der Film skizziert (neben LOST HIGHWAY) am eindeutigsten Lynchs
Versuch, Film als „selbstreflexiven Diskurs“168
zu verstehen. Petra Kallweit vermutet die-
sen Diskurs in der Erzählung: „Mit Hilfe der permanenten Rückkehr der Geschichte in
sich selbst, die logisch nur an Hand von Doppelungen darstellbar wird, verweist der
Film indirekt wiederholt auf sich selbst als ästhetisches Produkt.“169
Fügen wir zu diesen narrativen Strategien noch die auffällige Mehfachcodierung
der Bildinhalte, Motive und Personen hinzu, entsteht in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME
eine komplexe Struktur von Referenz und Selbstreferenz, die diesen Film David Lynchs
zu seinem bislang vielschichtigsten - aber auch »sperrigsten« Werk werden lässt. Ge-
org Seeßlen umschreibt diesen Charakter des Films treffend:
164 Der Film wurde von Lynch noch einmal stark gekürzt, um auf das Maximum von 135 Minuten gebracht zu werden - so
stark, dass Lynch mit dem Endprodukt selbst nicht mehr zufrieden war (ein »Director’s cut« war von ihm angedacht).
165 Fischer, Robert (1997). S. 237.
166 David Lynch, zit. n. Rodley, Chris (1998). S. 309.
167 Seeßlen, Georg (42000). S. 142.
168 Kallweit, Petra (1999). S. 214.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 59
„In FIRE WALK WITH ME schlägt Lynchs Kunst des semiologischen Märchens um in ein Mär-
chen der Semiologie. Der Text ist so wenig gegeben, wie das Rätsel zu lösen ist. Die
Menschen erfinden ihren Text und lassen sich von ihrem Text erfinden, um der Verant-
wortung zu entgehen. Aber jeder Text erfindet auch den anderen.“170
Das Resultat dieses „Märchens der Semiologie“ ist ein Film, der sich nicht nur in kein
Genre einfügen lässt, sondern darüber hinaus die Genrekonventionen (hier des klas-
sischen Kriminalfilms und des fantastischen Films) soweit aufbricht, zitierend verdop-
pelt und dekonstruiert, dass TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME auch als ein Filmbeitrag über
den Genrebegriff gewertet werden kann.
4.3. Konspirative Zeichen
Die Erzählung des Films suggeriert zunächst die Zugehörigkeit zum Genre »Kriminal-
film«. Im ersten Teil des Films [#I/1 - #III/12] wird das Subgenre »Detektivfilm« bedient, für
das Stephen Neale folgende Merkmale nennt:
„[...] the detective film and the characteristic mode of its narrative address, suspense.
Suspense is not, of course, exclusive to the detective genre, but it is nonetheless essen-
tial to it, tying in as it does with a narrative structured around the investigation of the
principle of narrative disorder itself in the sense that the enigma is a mystery, an ’inco-
herence’ functioning as the trigger for a story, which, as it unfolds, eliminates the en-
igma and comes to an end when its disorder has been abolished.“171
Im Anschluss an die Einleitung wird (#III/11) ein Segment - im wahrsten Sinne des
Wortes - eingefügt, das direkt aus einem Horrorfilm stammen könnte. Dort weicht die
bisherige Normalität der Erzählung einer »Allegorie des Unheimlichen«, in der Perso-
nen aus dem Nichts auftauchen und wieder verschwinden, Menschen in einer
merkwürdigen Sprache sprechen, sich rückwärts bewegen usw. Hier findet ein Switch
statt zwischen einer zwar unkonventionellen (weil offenen), jedoch normalen Detek-
tiverzählung zu einer fantastischen, diesbezüglich jedoch konventionellen Horrorfilm-
Erzählung.
Der darauffolgende Teil von TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME, in dem die Leidensge-
schichte Laura Palmers referiert wird [#IV/13 - #XI/52], wechselt das Genre immer wie-
der „plötzlich“172
zwischen Kriminal- und Horrorfilm-Erzählung, die uns von der Ober-
fläche des Schulmädchendaseins von Laura Palmer hinab in die Abgründe ihrer
Drogenabhängigkeit und Prostitution bis hin zu ihrem tragischen Schicksal der Inzest-
Problematik und ihrer Ermordung führt. Für das Horrorfilm-Genre lassen sich etwa fol-
gende Charakteristika und Wurzeln angeben:
„Bestimmende Konvention ist die Erzeugung von Furcht durch eine bestimmte Ästhetik,
Handlungsmuster, Orte und Figuren im Einverständnis mit dem Publikum. Einzelne Verfil-
169 Kallweit, Petra (1999). S. 224.
170 Seeßlen, Georg (42000). S. 142.
171 Neale, Stephen (1996). S. 26.
172 Robert Fischer charakterisiert diese Wechsel: „plötzlich wird all es f allengelassen, als habe man sich einen Scherz
erlaubt.“ Fischer, Robert (1992). S. 237.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 60
mungen typischer Horrormotive gibt es seit Beginn der Filmgeschichte, und fast alle Su-
jets sind im deutschen Stummfilm bereits vertreten: Vampirismus, Persönlichkeitsspal-
tung, Retortenwesen und sogar lebende Tote. Das Unheimliche der deutschen Genre-
vorläufer beruht zum großen Teil auf dem verfremdeten, expressionistischen Dekor mit
seinen gemalten Schatten und verzerrten Perspektiven und dem stilisierten Schauspiel;
dadurch scheinen sie, selbst wenn Handlungsort und –zeit angegeben sind, in ein zeitlo-
ses Niemandsland gerückt.“173
Mit den Themen und dem Abriss der Genretypologie werden hier bereits einige
der fantastischen Szenen aus TWIN PEAKS – FIRE WALK WITH ME beschrieben. Fast scheint
es, als habe David Lynch mit diversen Szenen des Films jene ursprüngliche Genrepa-
radigmen heraufbeschwören wollen. Im nicht-fantastischen Teil des Films, wird die
Kriminalerzählung zu forcieren versucht, indem sich der »schöne Schein« der Einwoh-
ner von TWIN PEAKS langsam auflöst und deren kriminelle Energien freisetzt. Dieser
schöne Schein äußert sich z. B. in der Tatsache, dass es fünf Jahre174
lang niemandem
aufgefallen ist, dass Laura Palmer von ihrem Vater missbraucht wird. Als die Fassade
Leland Palmers zu zerbrechen droht, ermordet er seine Tochter.
Um zu klären, warum TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME zwei so offensichtlich unterschied-
liche Genres bedient, und wie die Erzählweise des Films die behauptete Auseinan-
dersetzung mit dem Genrebegriff evoziert, unterteilen wir den Film zunächst in fünf
Zeichenkategorien, deren Referenzen allesamt aus der Diegese hinaus weisen.
Die Tabelle (Anhang 8.2.2.) gliedert die Zeichen in fünf Kategorien aus je drei Ebe-
nen des Films. Alle angeführten Zeichen(systeme) wirken dabei dekonstruierend auf
die Kohärenz des Films. Dale Coopers Ratschlag „Brake the code, solve the crime“
aus der Serie könnte auch bei der Interpretation von TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME als
Zeichensystem hilfreich sein. Betrachten wir diese Ebenen also zunächst im Einzelnen.
4.3.1. Zeichen der Serienreferenz
Einige der Bilder, Personen und Motive lassen sich als Referenzen an die Serie TWIN
PEAKS entschlüsseln - diese Zeichen codieren den Film als »Prequel«. Dass deren Be-
deutung innerhalb der Serie selbst keineswegs ganz geklärt sein muss (wie z. B. die
des MAN FROM ANOTHER PLACE oder die Bedeutung der Aussage und des Filmun-
tertitels „Fire walk with me“), ist in dieser Kategorie ein sekundäres Problem. Die er-
zeugten Referenzen erwecken den Eindruck, man »wisse worum es geht«:
„Der Kinofilm liefert den Steinbruch zum Verständnis der Serie. Motivationen werden
klarer, das Verhalten verschiedener Personen wird verständlicher, sogar die vielen Vi-
sionen und Heimsuchungen, unter denen die Serienhelden litten, werden nun deutli-
cher. Der Film beschreibt keinen Detektionsprozeß, sondern schiebt mögliche Erklä-
rungsansätze nach.“175
Viele der Bilder und Motive, die im Film aus der Serie entlehnt sind, stellen allerdings
keine eindeutigen Referenzen dar, da ihnen (wie die Tabelle zeigt) in anderen Zei-
173 Rother, Rainer (1997). S. 151 f.
174 V gl. #V/15: Laura - die als siebzehn Jahre alte Highschool-Schülerin eingeführt wird - berichtet Harold, dass sie seit
ihrem 12. Geburtstag immer wieder von BOB (also ihrem Vater) „genommen“ wird.
175 Messias, Hans (1992). S. 11.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 61
chenkategorien eine alternative bzw. keine Bedeutung zukommt. Lediglich die Am-
pel (#X/44), der Kaffee bzw. das Kaffeetrinken (z. B. in #II/5 und #II/7 f.) und der
Schriftzug „Let‘s rock!“176
(#III/12) sind diesbezüglich eindeutig.
Die auffälligste Bezugnahme zur Fernsehserie bildet das Titelbild in #IV/13: Es stellt
eine nahezu exakte Kopie des Serientitels dar. Es erweckt zusammen mit den aus der
Serie bekannten Charakteren und Motiven den Eindruck, bei TWIN PEAKS - FIRE WALK
WITH ME handele es sich um einen Teil der TV Soap-Opera TWIN PEAKS.
4.3.2. Zeichen medialer Verdopplung
Eine zweite Kategorie von Zeichen in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME referiert auf den
Film als Präsentationsform von Medien (inkl. der Referenz auf sich selbst als Medium
»Film«). In den drei ebenen (Tabelle 1) finden sich Verweise auf:
· die darstellenden Medien: Fernsehen, Video, Bild, Buch (bzw. Schrift allgemein)
· die »Lynch’schen Medienmotive«: Elektrizität (und der damit konnotierten Ge-
genstände und Phänomene: Knistern, Flackern, das Jodeln des MAN FROM
ANOTHER PLACE, …), Stoboskopie
· die selbstreferentiellen Elemente, die auf den Film als Medium hinweisen: Die un-
motivierte, inhaltliche Zäsur zwischen dem erstem und zweitem Teil, die Zeit- und
Raumsprünge in #III/11, #V/16, #V/22, #VII (komplettes Segment)177
und #XI (kom-
plettes Segment), der Arm als mediale Organmetapher.
Auch in der medialen Verdopplung, die oft als Traum oder Vision der Figuren in-
szeniert wird, äußert sich das dekonstruktive Potential auf den Genrebegriff: Der Kon-
trast zwischen der Wirklichkeit der Figuren zu der »vorgeschriebenen« Genretypologie
wird hier am deutlichsten.178
4.3.3. Zeichen als Symbole
Einige Zeichen werden in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME als klassische Symbole konno-
tiert. Auch diese weisen aus der Erzählung heraus und bilden einen Vektor auf deren
(mythologische o. ä.) Bedeutung, die damit in die Handlung integriert wird und diese
somit (mehr oder weniger »sinnvoll«) ergänzt. (Vgl. 4.5.1.)
Diese Symbole werden aus der christlichen Mythologie entlehnt (Ring, Engel), stel-
len Beziehungen zur Weltliteratur an (die blaue Rose), sind Farbsymbole (blau, rot)
oder metaphorisieren ein komplexes Handlungselement (weißes Pferd für Rauschzu-
stand, „Garmonbozia“ für „Pain and sorrow“, der - bei MIKE nicht vorhandene - Arm
als Symbol für das Verschwinden).
4.3.4. Narratologische Zeichen
176 Vgl. Alexander, John (1995). S. 135.
177 Im Segment #VII finden permanent Zeit- und Raumsprünge statt - hier jedoch in Form einer klassischen Rückblende.
178 Vgl. die Analyse unter 4.4. und die Betrachtung über die Verdopplung der Medien in Kapitel 5.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 62
Die Erzählstrategie des Films wird in einer vierten Kategorie von Zeichen reflektiert:
Sie verweisen entweder auf die Geschichte als ganzes (etwa im Kreismotiv, das
durch die Uhren, den Ring und den Ventilator symbolisiert wird, vgl. 4.4.2.) oder bil-
den Zeichen für den discours in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME (ANNIE BLACKBURN und
der Schriftzug „Let’s Rock!“ etwa verweisen in #V/22 allein durch ihre Anwesenheit
auf die erzählte Zukunft). Die Videokamera (#III/11) und das TV-Gerät weisen auf die
Wahrheitswerte filmischer Realität hin. Das Tonbandgerät Coopers („Diane“ in #III/12)
fungiert auf einer übergeordneten Ebene als Ersatz für den inneren Monolog:
„Die Einweg-Kommunikation Dale Coopers mit seinem Diktiergerät [...] hat offensicht-
lich vorrangig die Funktion, dem mit der Rolle Dianes analogisierbaren Zuschauer der
Serie, Coopers Persönlichkeitsmerkmale zu vermitteln, ohne die Erzählebene verlassen
zu müssen. Es handelt sich dabei also eigentlich um eine Variante des inneren Mono-
logs.“179
Besonders in den verschiedentlich in die Handlung eingestreuten Bildern von Uh-
ren180
findet sich ein Verweis auf die Reflexion der Erzählzeit und der erzählten Zeit.
Steht das Bild der Uhr einerseits wieder für das Kreismotiv und damit die Verbildli-
chung der zirkulären Erzählzeit, so verdoppelt sich darin auch seine Bedeutung als
Verbildlichung der erzählten Zeit: Die Protagonisten haben ihre „eigene Zeit“ (so
Chester Desmond zum Sheriff von Dear Meadows, vgl. #II/5), die sich nicht mit den
Zeiten der übrigen Charaktere synchronisieren lässt - und erst recht nicht mit dem
Zeitempfinden des Zuschauers, dem es (wie Robert Fischer, vgl. Fußnote 163) selbst
auf den zweiten Blick nicht leicht fällt, die Chronologie des Filmes in „sieben Tage“ zu
unterteilen.
Signifikant wird diese subjektive Zeit in #IV/13. Laura beobachtet die Uhr im Klas-
senzimmer. Gewöhnlich wird dadurch die Langeweile der Schüler (und die Langwei-
ligkeit des Unterrichts) angedeutet. Später (In #IX/41) jedoch gerät dieses Bild der Zeit
aus den Fugen. Die Zeiger der Uhr bewegen sich nicht nur schneller als die Erzählzeit
(was ansonsten das schnellere Verfließen der erzählten Zeit verdeutlichen würde),
sondern sie scheinen auf dem Zifferblatt willkürlich vorwärts zu »rutschen«. Dazu ver-
schwimmt das Zifferblatt und wird von Laura doppelt und dreifach gesehen. Gleich-
zeitig bewegen sich ihre Mitschüler in Zeitlupe und Laura sich selbst »normal«. Hierin
verdeutlicht sich, dass die Zeit in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME keinen archimedischen
Punkt bildet, von dem aus sich die Erzählung chronologisieren oder synchronisieren
ließe. Ein Aufeinanderfolgen von Ursache und Wirkung - die z. B. eine Detektivarbeit
erst möglich machen - ist im Film anhand der Zeit nicht auszumachen.
4.3.5. Zeichen ohne (erkennbare) Referenz
In dieser letzten Kategorie von Zeichen verbirgt sich das eigentlich enigmatische
Potential des Films, denn sie referieren scheinbar auf nichts als sich selbst. Als inhaltslo-
179 Kallweit, Petra (1999). S. 215.
180 Vgl. #II/6, #IV/13, #V/21, #VII/34 und #IX/41.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 63
se Zeichen spiegeln sie am deutlichsten dekonstruktionistisches Gedankengut wie-
der: Sie erhalten ihre »Bedeutung« einzig in der Differenz zu dem, was sie nicht be-
deuten - für eine Interpretation bieten sie keine Angriffsfläche. Gleichzeitig werden sie
so eingesetzt, als hätten sie etwas zu bedeuten. Daher kommen sie dem Begriff des
MacGuffin am nächsten (vgl. den vergangene Exkurs).
Im Folgenden wird die Schnittstelle zwischen der Kriminal- und der Horrorfilm-
Erzählung im Detail untersucht. Dabei sollen die o. g. Zeichenkategorien in ihrer Ver-
wendung innerhalb dieser Sequenz im Einzelnen erörtert werden.
4.4. »Fell a victim!« - Detailanalyse zu #V/22
Maurice Lahde betont innerhalb seiner Analysen zu David Lynchs Filmen als Träu-
me die Funktion, die dort die Träume der Protagonisten besitzen:
„In den konstant traumähnlichen Welten dieser Filme können Traumsequenzen freilich
kaum einer strikten Trennung zwischen ’Traum’ und ’Realität’ dienen. Dafür haben
Traumsequenzen in Lynchs Filmen immer eine wichtige inhaltliche Funktion. [...] zudem
liefern sie dem Zuschauer in gebündelter Form Informationen, die erst zu einem viel
späteren Zeitpunkt wichtig werden. [...] Außerdem, und das ist vielleicht noch wichtiger,
verrät die Tatsache, daß sich in den Träumen der Figuren ’Realitäten’ ankündigen, ei-
niges über die Beschaffenheit des Lynchschen Universums (und vielleicht über das da-
hinterstehende Weltverständnis): Lynch zeichnet Welten, die uns wie Träume erschei-
nen, und innerhalb dieser Welten haben die Figuren ihrerseits Träume, die für sie gera-
de nicht Desorientierung und Verwirrung bedeuten, sondern ihnen offenbar zu einem
höheren Bewußtseinsgrad verhelfen.“181
Szenen, die nach diesem Prinzip in die Handlung(en) von TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH
ME eingefügt wurde stellen die Sequenzen #III/11, #V/16, #V/22 und #XI/50 - 51 dar. All
diese Szenen zeigen Räume, die bereits in der Serie als fantastische Orte eingeführt
wurden, als »Room above a convenience store« und »Black Lodge«. Im Folgenden
wollen wir eine dieser Sequenzen näher betrachten, um deren Einbettung in und
Auswirkung auf die Filmhandlung beurteilen zu können: Die Sequenz „Philadelphia,
FBI Office, 16. Februar, 10:10 Uhr: »Philip Jeffries«“ (#III/11).
4.4.1. Das Bild, die Wahrheit und das Märchen davon (1 - 23)182
Mit einem Match-Cut werden wir vom verschwindenden FBI-Agenten Chester
Desmond von Dear Meadows in die FBI-Zentrale nach Philadelphia geführt. Dort un-
terhält sich Special Agent Dale Cooper (der in der Serie als Hauptdarsteller die De-
tektion am Mordfall Laura Palmers übernehmen wird) mit seinem schwerhörigen Vor-
gesetzten Gordon Cole (von David Lynch selbst gespielt). Cooper berichtet Gordon
181 Lahde, Maurice (1999). S. 107 f.
182 Einstell ungsnummern: vgl. Einstellungsprotokoll im Anhang (8.2.2.).
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 64
von einem Traum, den er hatte und der ihn vor diesem Tag und dieser Stunde ge-
warnt hat (1 - 5): Dieser Traum greift im Folgenden auf die Realität über.
Das Unheimliche bricht langsam in den Kontext des FBI-Headquarters ein. Cooper
verlässt das Büro Gordons. Als er auf dem Flur steht, hält er plötzlich inne und schaut
in eine Überwachungskamera über ihm an der Decke (6). Im Gegenschuss wird uns
ein Monitorbild präsentiert, dass das fragende Gesicht Coopers abbildet. Als käme
ihm ein Verdacht, geht er selbst in den Überwachungsraum und sieht auf den Moni-
tor, der den leeren Flur abbildet (8). Er geht zurück, sieht abermals in die Kamera und
geht wieder in den Überwachungsraum (9 - 12).
Der Vorgang wiederholt sich ein drittes Mal (13 - 15). Dabei wandelt sich der
Soundtrack von leichter Jazzmusik zu bedrohlicher, atmosphärischer Musik. Wie in
einem Märchen gelingt es der Handlung erst nach dem dritten Mal183
, aus dieser Li-
tanei auszubrechen: Eine Fahrstuhltür öffnet sich mit bedrohlichen Geräuschen (16).
Auf der Tonspur tauchen Geräusche auf, die sich im weiteren Verlauf so sehr steigern,
dass sie die übrigen Geräusche zeitweise überlagern.
Coopers Angsttraum wird Realität. Diese Traumrealität visualisiert sich sogar: Er
geht abermals von der Position vor der Kamera in den Überwachungsraum und sieht
sein Bild auf dem Monitor. Er existiert in dieser Szene zweimal (ein Verstoß gegen das
Realitätsprinzip, der nur im fantastischen Film und im Traum möglich ist):
„In dieser brillanten Einstellungsfolge hat uns Lynch in ein unentwirrbares Spiel von
Traum und Wirklichkeit verwickelt, aber auch ein Modell für die Verdoppelung des
Menschen durch das Medium gegeben. Im Zentrum der Macht herrscht Selbstüberwa-
chung; Wirklichkeit und Traum, Materielles und Immaterielles zerfließen.“184
In der Tat lassen sich diese Einstellungen auch als Akt der Selbstüberwachung be-
werten. Das Immaterielle von Coopers Traum wird materiell. So könnte das Erscheinen
Jeffries schließlich als Coopers Konstruktion gesehen werden: Er sieht in den Einstellun-
gen 20 und 21 auf sich selbst wie in (s)einem Traum. Auch in LOST HIGHWAY sieht Fred
Madison in einer Videoaufzeichnung seinen schlafenden Körper und muss anneh-
men, dass er von einem Eindringling in seinem Haus beobachtet/überwacht wird.
In diesen Einstellungen manifestiert Lynch jedoch auch seine Sicht auf die Medien
als Konstrukteure und Dokumente der Wahrheit, die jenseits logischer Grundregeln
liegt. Seit den Stopptricks in den frühen Filmen Georges Melies‘ ist es eine Möglichkeit
des Films, dass Filmbilder gleichzeitig vergangenes und gegenwärtiges abbilden kön-
nen, oder, wie Petra Kallweit es formuliert:
183 Der Dreischritt ist ein wichtiges Element in den Fil men David Lynchs. Er referiert auf Märchen und auf Filme, wie THE
WIZARD OF OZ, in dem die Protagonistin dreimal die Schuhe zusammenschlagen und dreimal sagen muss „There is no
place like home.“, um aus ihrem Traum zurück in die Realität zu kehren. Der Dreischritt wiederholt sich in TWIN PEAKS - FIRE
WALK WITH ME in zahlreichen Szenen: Wenn in drei Rückblenden die Beziehung zwischen Leland Palmer und Teresa Banks
(und damit die Beziehung zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Films) in #VII erklärt wird. In all diesen Szenen
erfüllt sich der Wunsch nach Aufklärung - die »Heimkehr in die Sicherheit der Tatsachen« - erst nach dem dritten Schritt.
184 Seeßlen, Georg (42000). S. 140.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 65
„An dieser Stelle wird deutlich, daß offenbar nur mit Hilfe der Kamera die unüber-
brückbare Grenze zwischen Raum und Zeit überschritten werden kann. Die Kamera er-
zeugt hier quasi ’auf eigene Faust’ eine für die beteiligten Personen zunächst nicht er-
kennbare Realität, die sie auch gleichzeitig konserviert. Auf Grund des implizierten Au-
thentizitätsstatus des Gezeigten ist der Zuschauer verständlicherweise irritiert [...] Diese
Stelle ist - will man sie als Beispiel einer selbstreflexiven Variante verstehen - nicht nur als
Hinweis auf die permanente Konstruktion von Realität durch Medien zu lesen, sondern
auch als Anspielung auf die Möglichkeiten, die das Medium Film speziell dem Regisseur
Lynch bietet: derartige Grenzüberschreitungen zwischen rational erklärbarer und nicht
erklärbarer Realität sind eben nur mit Hilfe eines Mediums darstell- und durchspiel-
bar.“185
Aus dem Fahrstuhl erscheint Philip Jeffries und geht (auf dem Monitor) an Coopers
eingefrorenem Standbild vorbei. Dass mit dem plötzlich auftauchenden Jeffries et-
was nicht stimmt, offenbart sich auf allen Ebenen des Films: Der Soundtrack steigert
sich zu einer Kakophonie aus rückwärts gespielten Elementen, die Schnittfolge wird
drastischer und Cooper vor dem Überwachungsmonitor ist die Panik förmlich ins Ge-
sicht geschrieben: Er ruft dreimal186
nach seinem Vorgesetzten (22 - 24), um ihn zu
warnen. Die zunächst ruhige und sachliche Atmosphäre des FBI-Hauptquartiers wird
plötzlich überschattet von »parasitären« Szenen aus anderen Räumen, Zeiten und
Realitäten: „as a mysterious cinematographic phenomenon occurs: the scene is pa-
rasited by another scene as both the images and the dialogues of the parasite are
superimposed.“187
4.4.2. Der Angriff der übrigen Zeit auf die Gegenwart (24 - 59)
Was sich in den folgenden Einstellungen - nach dem Erscheinen Jeffries - im FBI-
Hauptquartier abspielt, lässt sich einfacher in Worte als in Bilder fassen. Ein Crescen-
do an Bildern und Tönen dominiert diese zentralen 35 Einstellungen, in denen der
verschollen geglaubte Special Agent Philip Jeffries („phantom agent“188
) von seinen
Entdeckungen berichtet. „One of the film’s most original scenes“189
, wertet Michel
Chion diese Szenen.
Jeffries dringt zunächst - wie mit schlafwandlerischem Schritt - in Gordon Coles Büro
ein. Dieser weiß sich in seiner Verwunderung nicht weiter zu helfen, als Jeffries zu-
nächst den beiden anderen Agenten (Cooper und Rosenfield) vorzustellen. Als wüss-
ten wir worum es geht, warnt Jeffries drei Mal (!) davor, die Unterhaltung auf Judy zu
lenken (26). Eine Judy wurde jedoch weder in die bisherige Filmhandlung eingeführt,
noch wird sie es nach diesen Szenen. Wir können auch nicht davon ausgehen, dass
Judy bei den anwesenden Personen bekannt ist: Cooper sieht seinen Vorgesetzten
fragend und, dieser erwidert: „I know Coop.“, jedoch mehr um Coopers Unsicherheit
zu dämpfen, als um mitzuteilen, dass er Judy kennt.
185 Kallweit, Petra (1999). S. 218.
186 Offenbar ist auch hier der dreifache Ruf nötig, um die Warnung als „real“ zu kennzeichnen. Vgl. Fußnote 183.
187 Chion, Michel (1997). S. 145.
188 Chion, Michel (1997). S. 145.
189 Chion, Michel (1997). S. 145.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 66
Der Name Judy taucht nur noch an einer Stelle des Films auf. In der Sequenz
#XI/51 spricht ein kleiner Affe diesen Namen leise aus. Die Funktion dieses Affen inner-
halb der Erzählung des Films bleibt dabei jedoch genauso mysteriös und ungeklärt,
wie die Judys.
In der folgenden Einstellung (28) wird das Bild mit Fernsehrauschen überblendet.
Außerdem sehen wir einen HÜPFENDEN MANN mit einer Maske auf dem Gesicht, so
dass zeitweilig drei Bilder übereinander liegen. Das Fernsehrauschen stellt hier eine
Referenz an den Anfang des Films dar (#I/1), in der wir den rauschenden Fernsehap-
parat sehen, der zerstört wird. Dieses Szene am Anfang wird von Seeßlen und Fischer
analog gedeutet:
„Mit diesen ersten Szenen hat Lynch nicht nur unsere Perspektive definiert, sondern
auch seine Methode erklärt. Der explodierende Fernseher zu Beginn weist auf einen
doppelten Bruch hin: den Bruch mit der Fernsehserie und den Bruch mit den gewohnten
Kommunikationsformen. Das Medium ist hier auf sehr drastische Weise die Botschaft
geworden.“190 „Das Zertrümmern eines Fernsehgerätes als erstes Bild eines Kinofilms,
der seine Existenz einer TV-Serie verdankt, ist in Versprechen: Vergeßt den kleinen Bild-
schirm, vor dem ihr sowieso immer nur einschlaft (wie Teresa Banks, die prompt ermor-
det wird), was ihr jetzt sehen werdet, ist Kino.“191
Das Filmbild wird im Folgenden mehrmals durch das Fernsehrauschen überlagert,
so dass die vermutete »Rücknahme« der TV-Ästetik - wenn sie sich an der Zerstörung
des Fernsehers zeigen soll - zumindest fraglich ist. Vielmehr ließe sich die Zerstörung des
auf »Rauschen« stehenden Fernsehers auch als eine Befreiung vom Medium als reiner
Informationsquelle werten: Das Rauschen - die »konzentrierte Nicht-Information« -
wird in der ersten Szene auf dem Fernsehbild freigesetzt und überlagert nun mehr
und mehr die Information, welche die Erzählung des Films zu prosperieren versucht.192
Die Auswirkungen dieser Freisetzung bekommen die Protagonisten und die Zuschau-
er in den folgenden Bildern zu sehen.
Durch Überlagerung der von Jeffries berichteten Umstände über das Setting des
FBI-Büros wird die geordnete Filmerzählung »infiziert«. Diese Infektion des einen Bildes
durch ein anderes führt schließlich zum Erlöschen (bzw. »Absterben«) der ursprüngli-
chen Hierarchie, in der Coles Büro und die Rationalität die »Oberhand« hatten.
Ab Einstellung 31 befindet sich der Betrachter in der von Jeffries erzählten Welt von
»above a convenience store« (über einem Laden193
). Dort werden folgende Figuren
eingeführt: BOB, MAN FROM ANOTHER PLACE, MRS. TREMOND/CHALFONT, deren
Enkel PIERRE, der HÜPFENDE MANN mit einer Maske, der ELEKTRIKER und der HOLZ-
FÄLLER. Einige dieser Figuren sind aus der Serie bekannt, andere tauchen nur in die-
190 Seeßlen, Georg (42000). S. 136.
191 Fischer, Robert (1992). S. 238.
192 Ein weiteres Indiz für diese Annahme zeigt sich darin, dass mit dem Zerschlagen des Fernsehers in #0/1 die Filmtitel
enden, die uns über die Produktion informierten.
193 Dieser Raum wird von Philip Gerard bereits in der Serie als Treffpunkt der Dämonen MIKE und BOB genannt.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 67
ser Szene auf und vollführen ein eigenartiges Ritual. Dabei werden von den Figuren
folgende Aussagen gemacht:
Jeffries (OFF): „I want to tell you everything but I don’t have a lot to go on.“
MAN FROM ANOTHER PLACE: „Garmonbozia. This is a Formica table.“
Jeffries (OFF): „Oh, believe me. I saw them.“
MAN FROM ANOTHER PLACE: „Green is its color“
Jeffries (OFF): „It was a dream. We live inside a dream!“
PIERRE TREMOND: „Fell a victim.“
MAN FROM ANOTHER PLACE: „With this ring I thee wed.“
Jeffries (OFF): „The ring! They lived above a convenience store.“
ELEKTRIKER: „Electricity“
Jeffries (OFF): „Listen up, listen carefully. I’ve been to one of their meetings. Hell, god,
they’ve been there. No, I found something.“
Jeffries (OFF): „And then they were there!“
Die Sprechweise und Geräusche, die die Figuren (außer Jeffries) von sich geben
weisen eine besondere Eigenart auf: Die gesamte Szene wurde rückwärts von den
Protagonisten eingesprochen/eingespielt und im Film vorwärts wiedergegeben, so
dass die Sprache zwar normal zu verstehen ist, jedoch einen stark verfremdeten Ef-
fekt besitzt, den Michel Chion treffend beschreibt: „the words pop up like little bub-
bles.“194
Diese »Rückwärts-Vorwärts-Technik« verdoppelt sich auf der Erzählebene und die
in den Worten transportierte Information platzt tatsächlich wie eine Seifenblase: Das,
was die Figuren sagen, bekommt erst später im Verlauf des Films oder viel später in
der Zukunft der Serie Bedeutung; es scheint so, als würde sich in dieser Rückblende
aus Jeffries Erinnerung Bedeutung in der Zeit rückwärts gerichtet konstituieren: Ursa-
che und Wirkung werden vertauscht; die parasitäre Szene wird zu filmischer Präko-
gnition. Das belegen die Aussagen der Figuren im Einzelnen:
Jeffries OFF-Kommentare seiner Erinnerungsbilder beschreiben nicht etwa, was wir
sehen, sondern scheinen Antworten auf die ihm von Cooper, Cole und Rosenfield
gestellten Fragen zu sein (die wir selbst nicht zu hören bekommen).
Der MAN FROM ANOTHER PLACE sagt zunächst nur „Garmonbozia“. Die Bedeu-
tung dieses Kunstwortes wird in #XI/50 entschlüsselt, wenn im Untertitel „pain and sor-
row“ übersetzend hinzugefügt wird. Dort fordert er „Garmonbozia“ zusammen mit
MIKE von BOB. Schmerz und Leid, so könnte man deuten, die von BOB in die Welt
getragen wurden, werden nun wieder zurückgefordert.
Daraufhin zeigt er auf einen Resopal-Tisch mit einer grünen Tischplatte und sagt:
„This is a formica table. Green is its color.“ Er wiederholt damit einzig die im Bild wie-
dergegebene Information, jedoch so intensiv, dass sie bedeutsam erscheinen, ohne
es zu sein.
Jeffries ergänzt aus dem OFF, dass es in einem Traum war und dass wir in einem
Traum leben. Diese Information stellt für Robert Fischer den Zugang zu der Szene dar:
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 68
„»We live inside a dream«, heißt es einmal, wodurch diese ansonsten völlig wirre Se-
quenz doch ein wenig Sinn bekommt.“195
Worin dieser Sinn liegt, erläutert er jedoch
nicht. Jeffries unterbreitet uns ein sehr verlockendes Angebot: Wir sollen diese Szenen
als (s)einen Traum werten und müssen ihnen damit keine Auswirkung auf die Realität
(bzw. für das reale System in TWIN PEAKS196
) beimessen. Dass dieses Angebot eine
»hermeneutische Sackgasse« darstellt, zeigen aber Maurice Lahdes Ausführungen
(vgl. Fußnote 181) und die Tatsache, dass das Dargestellte sehr wohl ein (wenn auch
sehr abstrakt-allegorisches) Referat der kommenden Ereignisse darstellt.
Darauf sagt PIERRE TREMOND „Fell a victim.“ In der vor-vorangegangenen Einstel-
lung war BOB zu sehen. Aus Einstellung 32 wissen wir, dass PIERRE TREMOND ihm ge-
genüber sitzt. Nun weist Pierre, während er dies sagt, nach vorn, so dass die Aufforde-
rung an BOB gerichtet zu sein scheint. Welcher Zeuge (wovon?) nun jedoch von BOB
niedergestreckt werden soll, bleibt im Dunkeln. Aus der Rückschau von BOBs erstem
Opfer in diesem Film und den Informationen, die wir in #VI/27 bekommen197
, können
wir vermuten, dass damit Teresa Banks gemeint ist. Ungeklärt bleibt aber, warum PI-
ERRE TREMOND, der zwar eine mysteriöse Figur im Film wie in der Serie darstellt, jedoch
nicht als »böse« konnotiert ist, diesen Mord in Auftrag gibt.
Die folgenden beiden Aussagen (vom MAN FROM ANOTHER PLACE und Jeffries)
behandeln ein (wenn nicht das) zentrales Motiv des Films: den Ring. Wie Tabelle (S.
60 f.) zeigt, erhält der Ring in verschiedensten Kontexten Bedeutung für TWIN PEAKS -
FIRE WALK WITH ME. Hier steht seine Funktion als MacGuffin im Zentrum.198
Der Ring wird
bereits bei Teresa Banks Leiche vermisst und scheint ein wichtiges Puzzleteil für die
Detektion ihres Mordes darzustellen. Als Chester Desmond ihn entdeckt (#II/10) ver-
schwindet er plötzlich. Mit diesem Ring nun verspricht der MAN FROM ANOTHER
PLACE „dich“ („thee“) zu heiraten.199
Da wir in Einstellung 32 sahen, dass er BOB ge-
genüber sitzt und nun auch ein wenig nach oben schaut, ist anzunehmen, dass
auch diese Worte an BOB gerichtet sind. Ihr Sinn bleibt zunächst unklar.
Der Ring erhält in der Aussage des MAN FROM ANOTHER PLACE die Bedeutung
eines Eheringes. Damit steht er in direkter Verbindung zum linken Ringfinger200
, unter
dem bei Teresa Banks der Zettel mit dem Buchstaben „T“ gefunden wurde. Sie hatte
den Ring getragen und es ist anzunehmen, dass er ihr von ihrem Mörder abgenom-
194 Chion, Michel (1997). S. 150.
195 Fischer, Robert (1992). S. 242 f.
196 Eine systemtheoretische Untersuchung zu TWIN PEAKS unternimmt: Lorenz, Christoph (2000). Wir nutzen i m Folgenden
seine Unterscheidung des realen und des fantastischen Systems.
197 Dort erzählt Ronnette Pulaski Laura Palmer, dass Teresa offenbar jemanden (Leland Palmer) erpresst hat. Diese Infor-
mation bietet uns der Film in seiner Erzählung jedoch nicht.
198 Vgl. Kapitel cb im vorangegangenen Exkurs über Hitchcock und Lynch.
199 Eine bemerkenswert falsche und fatal sinnentstellende Übersetzung bietet die deutsche Synchronfassung des Films:
„Mit diesem Ring schließe ich den Unterricht.“, sagt dort der MAN FROM ANOTHER PLACE.
200 Im Gegensatz zu Deutschland wird in den USA der Ehering links getragen. Di eser - noch leere - Ringfinger Lauras
erregt in #V/20 Lelands besondere Aufmerksamkeit: „Look at this finger!“, bedeutet er seiner Frau, augenscheinlich um
Lauras schmutzige Finger zu präsentieren.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 69
men wurde, nachdem er sie umgebracht hat, denn die örtliche Polizei von Dear
Meadows hat die Leiche von Teresa Banks ohne den Ring gefunden (Vgl. #V/20).
Dass der Ring ursächlich mit dem Mord in Verbindung steht, zeigt sich später in
#X/49: Laura setzt den Ring auf, den MIKE beim Versuch der Rettung von Ronnette
Pulaski verliert und wird daraufhin von ihrem Vater/BOB ermordet. Bereits in #VII/29
streckt MIKE Laura und Leland den Ring entgegen und versucht damit Leland vor
seiner Tochter als deren zukünftigen Mörder zu denunzieren. Und in Lauras Traum
deutet sich an, dass Laura den Ring an sich nehmen wird, als der MAN FROM
ANOTHER PLACE ihn ihr entgegenstreckt. Coopers Warnung „Don’t take this ring,
Laura. Don’t take this ring.“ wird von ihr ignoriert - vielleicht weil er sie nur zweimal
ausgesprochen hat.
Auch Martha P. Nochimson misst dem Ringmotiv in ihre Analyse hohe Bedeutung
bei:
„Laura’s death is a parable confirming the reality of human freedom, of which the ring
is a guarantor. [...] Taking the ring seems like death. [...] she realizes that the ring creates
a kind of continuity - she has seen it on Teresa Banks’s finger and in her dream offered
to her by the Little Man. She has also seen it in the strange scene in which MIKE [...] tries
to warn her about her father. MIKE, as TWIN PEAKS fans know, is BOB’s former partner and
now seeks to impede BOB’s violent career in this ordinary world. As he tries to tell Laura
about Leland’s multiple identity, he displays the ring. [...] the ring thus links all of its dispa-
rate but simultaneously existing spaces - the ordinary space in which Teresa lives, the
Red Room of Laura’s dream, and the space over the convenience store from which
MIKE comes. Laura’s sense of the ring as a unifying factor predicts that her taking of the
ring will be a form of balance between the spaces.“201
Dem Ring kommt also über dem Mordmotiv hinaus auch die narratologische Funk-
tion zu, Szenen miteinander zu verknüpfen (selbst die zunächst unvereinbar schei-
nenden Teile 1 und 2 des Films werden durch ihn kohärent). Doch noch eine zweite
Funktion dieser Art lässt sich dem Ring zuschreiben: Als Symbol steht der Ring für die
Unendlichkeit, für die »Wiederkehr des Immergleichen«. Damit reflektiert der Ring
auch die Erzählstruktur des Films, die in gewisser Hinsicht selbst kreisförmig konstruiert
ist. Anfangs sehen wir, wie Teresa Banks’ Leiche in Plastik gehüllt auf einem Fluss treibt
(#I/1). Ein simultanes Bild wird uns auch am Schluss des Films präsentiert: Nun ist es
Laura Palmers Leiche, die in Plastik gehüllt auf einem Fluss dahintreibt (#X/49). Es
scheint, als sei die Filmerzählung an ihrem Ende wieder beim Anfang angelangt. Das
Verbrechen an Teresa Banks ist nicht nur (entgegen der Versprechen des suggerier-
ten Genres) nicht aufgeklärt worden, die Mordserie wiederholt sich scheinbar end-
los.202
Christoph Lorenz schlussfolgert daher: „In der Kreisform bilden sich sowohl die
Geschlossenheit der Autopoiesis, als auch die Zirkularität der Verläufe ihrer Ausdiffe-
renzierungsprozesse ab.“203
201 Nochimson, Martha P. (1997). S. 187 & S. 189.
202 In der Serie wird die Leiche von Madeleine Ferguson ebenfalls »wrapped in plastic« angespült.
203 Lorenz, Christoph (2000). S. 11.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 70
Die letzte Aussage, die wir in der Szene über dem Lebensmittelladen bekommen
wird von einem ELEKTRIKER gemacht204
: „Electricity“. Hiermit wird abermals ein Motiv
des Films (und darüber hinaus ein Motiv aller Filme David Lynchs) präsentiert. Inner-
halb der Motivstruktur von TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME ist die Elektrizität mit den fan-
tastischen Elementen verknüpft und äußert sich in ihrer wörtlichen Benennung, im
Summen, Knistern elektrischer Kurzschlüsse und im Jodeln des MAN FROM ANOTHER
PLACE, in der Darstellung von Strommasten und -drähten sowie im stroboskopischen
Lichtflackern. Auch dieses Motiv verbindet scheinbar unzusammenhängende Erei-
gnisse innerhalb der Erzählung des Films miteinander, markiert TWIN PEAKS - FIRE WALK
WITH ME jedoch des weiteren als Film David Lynchs: Gleich einer Signatur zieht sich das
Strommotiv von ERASERHEAD bis hin zu LOST HIGHWAY, ohne dass seine Bedeutung in
auch nur einem einzigen dieser Beiträge geklärt würde. David Lynch äußert sich
selbst einmal mehr nur sehr vage darüber: „Ich habe zufällig ein Faible für Elektrizität,
aber von den neuen Steckdosen in Amerika bin ich nicht begeistert. Ich mag die
Elektrizität der 40er und 50er Jahre.“205
Die „Electricity“ als offenbar referenzloses (oder
selbstreferenzielles) Zeichen bettet TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME also innerhalb des
Lynch’schen Œuvres ein und postuliert damit auch die Offenheit des Werkes als Ein-
zelbeitrag seiner Filmografie.
Es lässt sich für diese untersuchten Einstellungen konstatieren, dass sie trotz ihrer
kryptischen Oberfläche eine Anzahl an hermeneutisch durchaus nachzuvollziehen-
den Referenzen herstellen, die nicht unwesentlich zum Gesamtverständnis des Films
beitragen. Dennoch verstoßen die dargebotenen Informationen sowohl dramatur-
gisch (indem sie die Chronologie der Erzählung aufbrechen) als auch bild-ästhetisch
gegen die Sehgewohnheiten einer Kriminalerzählung. Es werden typisierte Elemente,
wie etwa der Rückblende oder der MacGuffin in die Erzählung eingestreut, jedoch
mit einer derart verfremdeten Darstellungsweise, dass sie als solche zunächst opak
bleiben und so destruktiv auf die Erzählung wirken. Der Film bekommt durch sie eine
„narrative incoherence“206
.
4.4.3. Videohallucination? (60 - 67)
Die anfängliche Desinformation, metaphorisiert durch das permanente Rauschen,
wird in den letzten Einstellungen dieser Sequenz selbst durch das Fernsehrauschen
unterbrochen (53). Der Film findet zurück in die Realität des FBI-Office und so wie Jeff-
ries scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht ist, ist er auch wieder verschwunden (58).
204 So wird er in den Schlusstiteln bezeichnet.
205 Rodley, Chris (1999). S. 97.
206 Woods, Paul A. (1997). S. 153.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 71
Auf die Anfrage Rosenfields beim „Front Desk“, erhält er zwei Informationen: Jeffries
ist nach Aussage der Wachmannschaft nie da gewesen und Chester Desmond ist in
Dear Meadows verschwunden. Das Verschwinden hat sich hier bereits zu einem wei-
teren Leitmotiv entwickelt: Teresas Ring verschwindet, Chester Desmond und Philip
Jeffries, der Engel auf Lauras Bild (#IX/43), die fehlenden Seiten aus Lauras Tagebuch
(#V/15) usw. Einige haben eine (mediale) Spur hinterlassen: Das Foto von Teresa mit
Ring (#II/8), das Reißgeräusch bei Lauras Anblick des zerfledderten Tagebuchs
(#V/15), die Halluzinationen (?) der Engel (#X/48 und #XI/51) und die Videoaufzeich-
nung aus dem Kontrollraum, auf der Jeffries zweifelsfrei als anwesend identifiziert wird.
Diese medialen Spuren stellen nicht nur Zeugen des Verschwindens dar, sondern
etablieren darüber hinaus einen Wahrheitswert, der ontologisch noch über der direkt
wahrgenommenen Realität zu liegen vorgibt: Die Wächter haben die Anwesenheit
Jeffries nicht wahrgenommen, wohl aber die Überwachungskamera, der Cooper
und Cole dann auch mehr Glauben schenken. Dass gerade die bildgebenden
Medien bei Lynch diesen Status besitzen, zeigt sich in LOST HIGHWAY noch deutlicher.
4.5. Doppelfiguren
„Das Prinzip der Verdopplung ist ein tragendes Merkmal der Serie. Bereits der Titel
und der Vorspann suggerieren eine Verdopplung: ’TWIN PEAKS’ ist aus dem Englischen
übersetzbar als ’Zwillingsgipfel’“207
, notiert Christoph Lorenz. Die visuellen Verdopplun-
gen werden sowohl in der Serie als auch im Film weitergeführt. Doch nicht erst seit
TWIN PEAKS nutzt David Lynch das Motiv des Doppelgängers.
Bereits in BLUE VELVET ist es in Andeutungen vorhanden. Dort - so betont die Sekun-
därliteratur - sind es vor allem die Figuren Sandy und Dorothy sowie Frank und Jeffrey.
Für letztere liefert der Film innerhalb der Erzählung bereits Hinweise, wenn Frank zu
Jeffrey sagt: „You’re like me!“ (Vgl. Fußnote 61). John Alexander analysiert beider
Beziehung zueinander: „the desire he [Jeffrey] feels for the woman performing before
him is not so far removed from Frank’s desire.”208
Und weiter unten: “Jeffrey, outraged
at Frank’s treatment of Dorothy, does become like Frank - he lashes out with his fist
and strikes him in the face.”209
In TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME bekommt diese figurale Verdopplung eine neue
Qualität, indem sie von der psychischen Ebene der Figuren auf die Filmoberfläche -
als Spiegelbild - transponiert wird. Diese Spiegelbilder finden sich im Film bei den Figu-
ren: Laura Palmer, Leland Palmer und Dale Cooper spiegeln sich »innerhalb« der Er-
207 Lorenz, Christoph (2000). S. 8.
208 Alexander, John (21995). S. 101.
209 Alexander, John (21995). S. 103.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 72
zählung; Gordon Cole wird als Regisseur/Autor »außerhalb« der Erzählung verdop-
pelt.210
Der Spiegel, in dem sich die Figuren (außer Gordon Cole) verdoppeln ist die »Black
Lodge«:
„Als besondere Form der Verdoppelungen ist schließlich das Motiv des Doppelgängers
anzuführen. Es gibt in TWIN PEAKS die eindeutig sichtbare und von dem Zwerg definierte
Korrelation (Zwerg zu Cooper: ’Doppelgänger’ (Folge 30)) zwischen den Figuren des
sozialen Systems TWIN PEAKS und den Figuren, die in der Schwarzen Hütte auftauchen und
über dasselbe Aussehen verfügen, das die Charaktere des sozialen Systems aufweisen.
Technisch wird die Einheit der äußeren Form durch den Einsatz derselben Schauspieler
gewährleistet. [...] Es finden sich in der Schwarzen Hütte Abbilder ein, die folgenden
Charakteren [der Serie, S.H.] zugeordnet werden können: Laura/Maddie; Leland Pal-
mer, Windom Earle, Annie, Caroline, Cooper selbst.“211
Dieser Ort wird innerhalb des sozialen Systems im Bild des Spiegels visualisiert, das in
Film und Serie an zentralen Stellen auftaucht. Die Figuren zerfallen durch die Spiege-
lung in einen realen Teil und einen fantastischen. Mittels ihres fantastischen Doppel-
gängers gelangen sie zu Informationen aus anderen Zeiten (nicht selten der Zukunft)
und anderen Räumen, die ihr weiteres Handeln wesentlich bestimmen. Hierdurch
pervertiert TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME die Genrekonventionen des Kriminalfilms vol-
lends, denn der Informationszugewinn wird dort vom Detective ermittelt und stellt sich
nicht einfach ein (durch Visionen, Träume o. ä.).
4.5.1. The wounded and the visionary Laura Palmer
Am Ende des Segments #V/22 wird die Verdopplung Laura Palmers zum ersten
Mal visualisiert: In ihrem Traum geht sie an ihre Schlafzimmertür, öffnet diese und
schaut in den dunklen Hausflur des Hauses Palmer. Diese Szene sehen wir aus der
Perspektive des Bildes. Im Gegenschuss wird ebenfalls LAURA dargestellt, die inner-
halb des Bildes durch die Tür in den fotografierten Raum (und in das Schlafzimmer
der schlafenden Laura) blickt - beide Einstellungen konstruieren eine Schuss-
Gegenschuss-Montage.
Die beiden Lauras unterscheidet zweierlei: Äußerlich wirkt die LAURA aus dem Bild
älter. Dieser Altersunterschied wird in der Serie bereits am Ende des Pilotfilms erklärt.
Dort - in der »Black Lodge« - trifft ein ebenfalls sehr gealterter COOPER auf dieselbe
LAURA:
Bildunterschrift: 25 years later
MAN FROM ANOTHER PLACE (zu COOPER): „She’s my cousin“
MAN FROM ANOTHER PLACE: „But doesn’t she look exactly like Laura Palmer?“
COOPER: „But it … it is Laura Palmer.“
COOPER (zu LAURA): „Are you Laura Palmer?“
LAURA: „I feel like I know her, but sometimes my arms bend back.“212
210 In der Serie sind a) zusätzliche Personen von dieser Verdopplung betroffen (Windom Earle, Caroline, Madeleine Fer-
guson) und b) Figuren, die im Film nur »einfach« in Erscheinung treten verdoppelt (MIKE als Philip Gerard, ANNIE BLACK-
BURN). Letztere treten in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH M E nicht in ihrer Rolle im sozialen System TWIN PEAKS auf, sondern be-
reits als Spiegelbild dieser aus der »Black Lodge«.
211 Lorenz, Christoph (2000). S. 9.
212 Hier liefert die Serie bereits eine Vorausdeutung auf ihre Ermordung im Film während der ihr die Arme nach hinten
gebogen und auf dem Rücken zusammengebunden sind (vgl. #X/45-49).
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 73
MAN FROM ANOTHER PLACE (zu COOPER): „She’s filled with secrets.“
Diese 42 Jahre alte LAURA begegnet uns auch in #V/22. Sie trägt eine andere Frisur
(Locken) und ein Abendkleid. Den zweiten Unterschied arbeitet Martha P. Nochim-
son heraus: Sie trennt Laura in einen verwundeten („wounded“) und einen visionä-
ren („visionary“)213
Teil um beide psychoanalytisch zu deuten: „In the dream there is
a wounded Laura in her bed - the space of her ordinary reality [...] - and a free Lau-
ra with the access to the space of the subconscious (the Red Room).“ Erstere stellt
die Laura des sozialen Systems Twin Peaks’ dar, letztere diejenige LAURA aus der
»Black Lodge«, dem fantastischen System Twin Peaks’.
Die visionäre LAURA versorgt (innerhalb der Serie) Cooper in seinen Träumen und
Visionen mit Informationen, die ihm helfen, den Mordfall zu klären. Im Film ist ihre Funk-
tion etwas komplexer angelegt. Dort stellt sie für den Betrachter zusätzlich den narra-
tologischen Nexus zur Serie her. Sie stammt (wie ANNIE BLACKBURN in #V/22, Cooper
in #V/22 oder der Schriftzug „Let’s rock!“ in #III/12) aus der Zukunft der Serie. Sie
ver»körpert« daher 1. die Progression der Erzählung innerhalb der Serie (und die Funk-
tion von TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME als Prequel) und 2. die motivliche Referenz an
die Serie (und damit die Funktion des Films als Sequel).
Die optische Verdoppelung Laura Palmers wird in #X/49 - #XI/51 ein weiteres Mal
präsentiert. Leland/BOB beugt sie über einen Spiegel am Fußboden und zwingt sie,
auf sich hinab zu schauen, während er sie umkreist, sich dabei immer wieder zwi-
schen BOB und Leland hin und her verwandelnd. In diesen Einstellungen wird Laura
sich zum ersten Mal als einheitliche Identität wahrnehmen. Innerhalb des sozialen
Systems hat sie ein »Doppelleben« geführt: Tagsüber ist sie Mustertochter, Abschluss-
ballkönigin, Freundin von Donna und James und Teilnehmerin des sozial engagierten
Essen-auf-Rädern-Projektes. Nachts ist sie Prostituierte, Freundin des Drogendealers
Bobby Briggs und der Prostituierten Ronnette Pulaski214
aber auch das vergewaltigte
Opfer von Leland/BOB.
Als sie diese unterschiedlichen Identitäten kurz vor ihrem Tod erkennt und für sich
annimmt, erscheint ein Engel im Eisenbahnwaggon - der Engel, der in #IX/43 von ih-
rem Bild verschwand215
und der für sie die Funktion des Schutzengels hatte aber
auch das Symbol der Barmherzigkeit und Gnade darstellt.216
Martha P. Nochimson
deutet die Erleichterung, die Laura daraufhin zeigt, als ursächlich mit diesem Engel
zusammenhängend:
„During the murder scene, Laura gets her first glimpse at an angel, her sign of the mys-
terious stability of falling in space. When she puts on the ring, making a leap of faith - on
213 Vgl. Nochimson, Martha P. (1997). S. 188.
214 Als sie diese Roll e tagsüber annimmt (die Szene in #VII/32, als Leland sie bei Teresa Banks als Prostituierte entdeckt),
beginnt ihre Agonie, die mit der Ermordung endet.
215 und aus ihrem Leben, wie sie Donna in #IV/14 andeutet.
216 Vgl. Woods, Paul A. (1997). S. 156.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 74
the strength of the apparition - her situation gets even better, albeit at the cost of un-
speakable temporary affliction. At this extremity we see two visionary truths. First, in tak-
ing the ring Laura is choosing not oblivion but survival. Second, we see that this kind of
death that results from the leap of faith is a peeling, away of the rational of boundar-
ies.“217
In dieser Hinsicht scheint sie ihren Tod nun als eine Art Erlösung anzunehmen. Kurz
darauf erscheint ihr der Engel zum zweiten Mal. Als sie (bzw. die visionäre LAURA, zu
der sie nun geworden ist) mit COOPER in der »Black Lodge« auf den Engel trifft, löst
sich ihr Leid in ein befreiendes Lachen und Tränen der Erleichterung auf (#X/49).
4.5.2. Leland Palmer - das irrationale Motiv
Die Trennung zwischen Leland Palmer als »treusorgendem« Familienvater und re-
spektablem Bürger TWIN PEAKS‘218
und dem vom Dämon BOB besessenen, mehrfa-
chen Mörder und Vergewaltiger seiner Tochter stellt die Verdopplung seiner Erschei-
nung dar. Der Gestalt-Switch zwischen diesen beiden Charakteren wird im Film auf
verschiedene Weise inszeniert.
In #V/19 entdeckt Laura BOB in ihrem Zimmer, als er gerade nach ihrem Tagebuch
sucht (das sie in #V/15 bereits in Sicherheit gebracht hat). Laura läuft aus dem Haus
und sieht kurze Zeit später ihren Vater herauskommen. In ihr wächst die Vermutung,
bei ihrem Peiniger BOB handele es sich um ihren Vater. In #IX/39 dringt BOB nachts
abermals in ihr Schlafzimmer ein und »nimmt« sie (wie sie es gegenüber Harold Smith
in #V/15 ausdrückt). Als sie ihn vier Mal fragt „Who are you?“219
entdeckt sie, dass es
sich um Leland handelt. Die Verdopplung wird hier technisch so inszeniert, dass sie
sich psychologisch deuten lässt: BOB erscheint Laura als Illusion bzw. Bild der Ver-
drängung (dass es sich bei ihrem Vergewaltiger um ihren Vater handeln könnte).
Hierin stellt sich ein für die Interpretation der Mordgeschichte wesentlicher Aspekt
heraus, der TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME anders als die Serie zeitweilig aus dem fanta-
stischen Sujet herauszieht: Die Geschichte von Lauras Ermordung wird als realitätsna-
hes Missbrauchsdrama erzählt.
Diese Rückkehr zu nicht-fantastischen Erzählweisen wird jedoch bei der Ermor-
dung Lauras wieder zurückgenommen: Hier sehen wir sie am Boden liegen, während
Leland/BOB sie umkreist und dabei - nur durch Lichtblitze und plötzliche Dunkelheit
getrennt - beide Bilder erscheinen, die zudem zwei verschiedene Aussagen über ihr
Motiv machen: Leland hält die fehlenden Tagebuchseiten (vgl. #V/15) in der Hand
und sagt: „Your diary. I always thought you knew it was me.“ Nach einem Gestalt-
Switch hält BOB die Seiten in der Hand und sagt: „I never knew you knew it was me.“
Lelands Motiv ist also die Angst vor der Entlarvung, dass er seine Tochter über Jahre
217 Nochimson, Martha P. (1997). S. 191.
218 In der Serie ist er der Rechtsanwalt (!) des Hotelbesitzers (und Bordellbetreibers) Benjamin Horne.
219 Kurz zuvor stellte sie die Frage „Who are you? Who are you really?“, als ihr in ihrem Zimmer ein mysteriöses Licht die
Ankunf t BOBs andeutet. Sie fragt also insgesamt sechs Mal, um die Wahrheit über Lelands und über BOBs Identität zu
erfahren; dreimal pro Person, womit die Dreistruktur, die in Kapitel 4.4.1. festgestellt wurde, abermals zu Tage tritt.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 75
sexuell missbraucht hat. BOBs Motiv ist Lauras Entdeckung, dass Leland von ihm be-
sessen ist. Später werden die Figuren Leland und BOB in der »Black Lodge« vollstän-
dig separiert, wenn der MAN FROM ANOTHER PLACE sein „Garmonbozia“ einfordert
(#XI/50). Wir sehen Leland reglos in der Luft schweben und BOB eine blutige Wunde
am Körper Lelands verschließen - die Ein- und Austrittsstelle BOBs. In der »Black Lod-
ge« existierte eine »gute Version« Lelands, die nicht von BOB besessen war.220
Der Switch zwischen Leland und BOB suggeriert ein fantastisches Sujet, wie es auch
in der Serie zutage tritt. Dort vermittelt uns ein Spiegel die Besessenheit der Figuren
(zunächst Leland, später Cooper): „Die Metapher der Spiegelung wurde in TWIN
PEAKS eingesetzt, um die ’Besessenheit’ der Figuren von Bob darzustellen.“221
Der per-
manente und unmotivierte Wechsel der Erzählhaltung (realistisch vs. fantastisch) stellt
einen der Gründe dar, die den interpretativen Zugang zu TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME
so sehr erschweren, da sie jeweils Interfaces für eine bestimmte Lesart der Erzählung
öffnen, die mit ganz eigenen Interpretationsparadigmen behaftet sind. Für die reale
Erzählung, in der BOB eine Projektion Lauras auf ihren Vater darstellt, macht die Sze-
ne in #IX/39 keinen Sinn, da sie das Interpretationsmodell »psychologische Deutung
der Ereignisse« zusammenbrechen lässt; für eine fantastische Erzählung, in der Leland
von einem Dämon besessen ist222
stellen die Szenen in #V/19 und #IX/39 eine Bruch
dar.
In der Figur Lelands/BOBs verdoppelt sich also ebenfalls die Erzählhaltung des Films
- und dekonstruiert das behauptete Genre. Eine ähnliche Potenz besitzen auch die
Doppelfiguren in LOST HIGHWAY. Dort können die Spiegelbilder nur noch auf Kosten
der Kohärenz der Filmerzählung analysiert werden, wie im Kapitel 5 gezeigt werden
wird.
4.5.3. Dale Cooper - Calling from the future
Dass wir es bei Cooper mit einer gespiegelten Figur zu tun haben, hat sich bereits
in der Detailanalyse gezeigt, in der Cooper und sein Videobild gleichzeitig existieren.
Diese Szene deutet seine spätere Verdopplung bereits an.
Die Figur Dale Coopers wird - ähnlich der Lauras - mittels des gleichen Charakters
gespiegelt. Wir werden mit einem realen Cooper und einem Traum-COOPER kon-
frontiert, welche sich in verschiedenen Zeiten und Räumen aufhalten. Dieser Traum-
COOPER bricht - ähnlich ANNIE BLACKBURN und der Satz „Let’s Rock!“ (#III/12) die
220 Ähnlich wie in der Serie (Folge 30): Dort bleibt eine »gute Version« Coopers in der »Black Lodge« zurück, wie ANNIE
BLACKBURN auch in #V/22 verrät.
221 Lorenz, Christoph (2000). S. 10.
222 Dies stellt durchaus eine hinreichende Erklärung für einen fantastischen Film dar, welche durch den Kanon fantasti-
scher Filme ähnlicher Art legitimiert ist.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 76
erzählte Zeit des Films auf, indem er in die Zukunft (der Serie) weist: „Time is quite fluid
here. This is a Cooper both before and after the events of TWIN PEAKS.“223
Zunächst erfahren wir von ihm in Lauras Traum (#V/22). Dort warnt er sie aus der
Zukunft der Folge 30, in der er in der »Black Lodge« gefangen ist: „Don’t take the ring,
Laura. Don’t take the ring.“ Als Laura kurz darauf (scheinbar) erwacht, liegt ANNIE
BLACKBURN neben ihr und sagt: „My name is ANNIE. I’ve been with DALE and LAU-
RA. The good DALE is in the Lodge and he can’t leave. Write it in your diary.“ Sie ver-
rät, welche Doppelfiguren sich im fantastischen System Twin Peaks’ aufhalten. Dieser
»good« DALE ist derselbe, der Laura in #V/22 warnt und dem LAURA in der »Black
Lodge« ihren Mörder verrät (vgl. 4.5.1).224
Das Spiegelbild Dale Coopers fungiert in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME daher vor-
dringlich als Referenz an die Serie und trägt zur Dechiffrierung der ansonsten völlig
opaken Anspielungen im Film an die Serie bei.
4.5.4. Gordon Cole - der Ruf des Autoren
Das Auftauchen David Lynchs sowohl in der Serie als auch im Film wird von Johann
G. Hahn als Hommage gewertet: „Gordon Coole [sic] wird von David Lynch selbst
gespielt. Die Rolle ist allem Anschein nach sein Tribut an zwei seiner großen Vorbilder:
Alfred Hitchcock und François Truffaut.“225
Für die Hommage an Hitchcocks »Came-
os« ist sie jedoch zu lang, für die an Truffaut (gemeint ist hier wahrscheinlich seine Dar-
stellung in LA NUIT AMERICAIN [F/I 1972]) ist sie dagegen zu kurz. Bei Truffaut, der in LA NUIT
AMERICAIN einen Regisseur spielt, ist die Funktion des Autoren das Thema des Films und
wird nicht wie in TWIN PEAKS – FIRE WALK WITH ME in Form einer intellektuellen Anspielung
daran geleistet.
Eine solche stellt David Lynchs Gastauftritt im Film dar. Die »Spiegelung« Gordon
Coles fällt aus den bisherigen Betrachtungen heraus, da es sich nicht um eine Ver-
doppelung innerhalb der Erzählung handelt, sondern darum, dass es der Autor Da-
vid Lynch selbst ist, der sich in der Rolle des Cole in seine Erzählung eingebracht hat.
In dieser Interdiskursivität besonderer Art (Autorendiskurs innerhalb des Film-
discours) zeigen sich die Besonderheiten der Lynch’schen Erzählweise sehr deutlich:
Als Vorgesetzter der FBI-Agenten initiiert er die Detektion am Mordfall von Teresa
Banks, die schließlich zum Verschwinden seines Agenten Chester Desmond führen
wird. Sein Auftrag ist damit genauso fehlgeschlagen, wie der »Auftrag« des Autoren
an die Erzählung, eine Kriminalerzählung zu forcieren.
223 Nochimson, Martha P. (1997). S. 196.
224 Die Betonung auf „good Dale“ rekurriert auf die Folge 30 der Serie, in der wir den von BOB besessenen bösen Dale
Cooper außerhalb des fantastischen Systems sehen: „The Dale that has left lodge is ’evil’, and Annie’s few brief words
are a consolation of TWIN PEAKS viewers left with the f inal image of the ’pure’ Dale Cooper, transformed into the psy-
chopathic ’Bob’.“ Alexander, John [1995]. S. 138.
225 Hahn, Johan G. (1993). S. 227.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 77
Die Probleme, die extradiegetisch zu diesem »Scheitern« des Genres geführt ha-
ben, liegen nach Georg Seeßlens Meinung in der Schwerhörigkeit Coles begründet:
„Wenn David Lynch mit seiner Rolle als Cole mehr als eine kleine Pointe im Sinn hat, so
hat er in dieser Einstellungsfolge kenntlich gemacht, wie der Autor, so sehr er sich auch
in Pose werfen und schreien mag, die Kontrolle über seine Figuren verlieren muss.“226
Der FBI-Chef kann seine Agenten genauso wenig verstehen und begreift den Ein-
bruch des Fantastischen in die Realität (in Form des Auftauchens des Agenten Philip
Jeffries) genauso wenig wie die Zuschauer. Hierin manifestiert sich eine Grundhaltung
Lynchs, die er immer wieder betont: Er hat als Autor kein Deutungsmonopol auf die
Erzählungen.227
Eine Aussage Lynchs hierzu sei exemplarisch herausgegriffen:
„Leute wollen, daß man was erzählt, und in gewisser Weise verstehe ich das, aber re-
den nicht alle so ziemlich über das gleiche? Manche Vorgänge lassen sich einfach
nicht in Worte fassen [...] Es ist wie mit einem toten Autor: Man liest sein Buch, man kann
ihn nicht mehr fragen und hat trotzdem viel von dem Buch. Es spielt keine Rolle, was er
sich gedacht hat. Es wäre vielleicht ganz interessant, aber es spielt keine Rolle. Was ich
Ihnen über meine Intentionen bei meinen Filmen erzählen könnte, ist irrelevant.“228
Dieser »tote Autor« (auch im Barthes’schen Sinne) wird bei Lynch selbst zum Inter-
preten des Kunstwerks. Daher verwundert es auch nicht, dass Lynch sich für TWIN
PEAKS - FIRE WALK WITH ME gerade die Rolle eines FBI-Detektives ausgesucht hat, denn
Detektive haben für sein Weltverständnis eine besonderen Bedeutung:
„In meinen Augen ist ein Detektiv eine absolut magische Figur, denn Rätsel (mysteries)
sind für mich das Größte. Alles ist geheimnisvoll, und wir sind alle Detektive. Selbst Wis-
senschaftler sind Detektive, und alle halten sie nach Spuren und Hinweisen Ausschau,
um das große Rätsel zu lösen. Es gibt so viele Detektive auf der Welt - und so viele Rät-
sel.“229
4.6. Die Wiederkehr des Erzählens in der Postmoderne
Zahlreiche Elemente haben in der vorausgegangenen Untersuchung die Ver-
dopplung (und Dekonstruktion) des Genrebegriffs in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME be-
legt. „Verbindet das Publikum mit dem Genre feste Erwartungen hinsichtlich Thema,
Stoff, Dramaturgie oder Ausstattung“230
, so findet es sich bei TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH
ME mit einem Film konfrontiert, der diese Erwartungshaltung ständig konterkariert. Die
Zeichen, Motive, Personen, ja sogar der Autor selbst durchkreuzen das Unterfangen,
die Filmerzählung und –sichtung in konventionalisierenden Bahnen verlaufen zu las-
sen.
226 Seeßlen, Georg (42000). S. 138.
227 Oft behauptet er sogar, sie nicht einmal selbst zu verstehen.
228 David Lynch zit. n. Rodley, Chris (1998). S. 45.
229 David Lynch zit. n. Fischer, Robert (1997). S. 292.
230 Rother, Rainer (1997). S. 142.
SPIEGELBILDER TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: DIE VERDOPPLUNG DES GENRES SEITE 78
Damit wird ein Aspekt filmtheoretischer Überlegungen zum Genrebegriff reflektiert,
der diesem unterstellt, dass „der umgangssprachliche Gebrauch von Genrenamen
überhaupt durch Unschärfe, wenn nicht gar durch pragmatische Beliebigkeit“231
ausgezeichnet ist. Lässt der postmoderne Film, mit seinen Referenzen an die Filmge-
schichte und seinen Zitaten von Filmbeiträgen und Genremustern den Genrebegriff
allein schon fragwürdig erscheinen, so erfährt dieser in den Hybrid-Filmen David
Lynchs seinen Todesstoß. Zugunsten einer subjektiven Zuschauerperspektive verzich-
tet Lynch auf den Einsatz konventionalisierter Zeichen zur Erleichterung der Filmlektü-
re.
In TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME bricht Lynch mit dem Projekt, Film als doppelcodier-
tes Kunstwerk auf einer zweiten Ebene als Referenz an die Filmgeschichte zu verste-
hen. Ein Projekt, das für die Fernsehserie TWIN PEAKS durchaus noch gegolten hat: „Der
FILM TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME hingegen nimmt die ironische, postmoderne Gestal-
tung der Fernsehserie wieder zurück.“232
, schreibt Georg Seeßlen mit Blick auf die Iro-
nie der Serie, die im Film in der Tat nicht mehr zu finden ist. Aber auch in einer ande-
ren Hinsicht wendet Lynch sich hier von der Doppelcodierung ab, hin zu einer Ver-
dopplung des Genrebegriffs.
In TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME greift die Verdopplung von der Erzählung auf das
Genre über: Dort wo die Genrekonventionen durch Aspekte der Erzählung ad ab-
surdum geführt werden, verdeutlichen sie dem Zuschauer ihre Funktionsweise und
führen zu einer Zweideutigkeit, die vom Zuschauer Entscheidungen fordert, wie etwa
den Film als „fantastischen“ vs. „realitätsnahen“ Film zu sehen. Damit deutet sich
bereits eine Potenz an, die in LOST HIGHWAY wenig später noch offensichtlicher formu-
liert wird: Der Film bekommt selbst die Potenz eines Essays, der – selbstreflexiv – Theori-
en reflektiert.
231 Rother, Rainer (1997). S. 142.
232 Seeßlen, Georg (42000). S. 129.
SPIEGELBILDER SEITE 79
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 80
5. LOST HIGHWAY: Die Verdopplung des Mediums
5.1. Synopsis
LOST HIGHWAY ist in drei »Sätze« gegliedert.233
Im ersten wird uns die Geschichte von
Fred Madison (Bill Pullman), einem Jazz-Saxophonisten, erzählt. Eines Morgens erhält
er durch die Gegensprechanlage seiner Haustür die Nachricht „Dick Laurant is
dead.“ Als er zum Fenster geht, um nachzusehen, wer vor der Haustür steht, ist dort
niemand mehr. Einzig das Jaulen von Polizeisirenen ist zu vernehmen [1]234
. Am selben
Abend bereitet sich Fred auf einen Auftritt in der »Luna Lounge« vor. Seine Frau Re-
née (Patricia Arquette) mag ihn an diesem Abend nicht begleiten, weil sie - wie sie
vorgibt - ein Buch lesen möchte [2]. Nach einem ekstatischen Auftritt ruft Fred zuhau-
se an, doch niemand nimmt ab [3]. Als er wieder zuhause ist, liegt Renée schlafend
im Bett [5]. Am darauffolgenden Morgen findet sie vor dem Haus einen unbeschrifte-
ten Briefumschlag mit einer Videokassette [6]. Gemeinsam schauen sie sich das Band
an. Es zeigt Außenaufnahmen ihres Hauses [7]. Am selben Abend erzählt Fred Renée
von einem Traum den er hatte. Danach schlafen beide miteinander [8]. Eine am
nächsten Morgen vorgefundene zweite Videokassette zeigt nun schon mehr als jene
am Vortag: Eine Kamerafahrt durch das Haus der Madisons, die im Schlafzimmer
endet, wo Fred und Renée (?) schlafend im Bett gezeigt werden [10 - 11]. Renée ver-
ständigt die Polizei, doch die zwei herbeigerufenen Beamten (John Roselius & Lou
Eppolito) können keine Einbruchsspuren finden [12 - 13].
Am Abend sind Fred und Renée zu einer Party bei Andy (Michael Massee), einem
Bekannten Renées, eingeladen. Dort lernt Fred einen ominösen Fremden (Robert
Blake) kennen, mit dem er eine unheimliche Unterhaltung führt [15]. Als Fred sich spä-
ter bei Andy erkundigt, wer der Fremde sei, sagt dieser ihm, dass es sich um einen
Freund Dick Laurants handele. Fred erinnert sich an die Nachricht, die er durch seine
Türsprechanlage erhalten hat. Kurz darauf verlässt das Ehepaar Madison die Party
[16]. Auf der Rückfahrt verrät Renée Fred, dass Andy ihr einmal einen Job angebo-
ten habe und sie in daher kenne. Zu Hause angekommen durchsucht Fred zunächst
das Haus, weil er glaubt, dass dort jemand eingebrochen ist; jedoch hat er sich ge-
irrt. Am nächsten Morgen findet Fred eine dritte Kassette vor dem Haus. Er schaut sie
233 Diese Dreiteil ung w ird nicht nur von zahlreichen Interpreten angenommen, Lynch erwähnt sie auch selbst in einem
Interview: Chris Rodley: „Das erste Drittel des Films ist sehr streng, langsam und voller Grauen; sobald wir Fred und Renées
Haus verlassen und in Pete Daytons Leben treten, ändern sich Optik, Atmosphäre und Tempo radikal.“ David Lynch: „[...]
Der Film hat unterschiedliche Teile, und jeder Teil stellt eigene Anforderungen.“ David Lynch zit. n. Rodley, Chris (1998).
S. 300 f. Und: David Lynch: „Genau. Ich denke mir Filme gerne in Sätzen angelegt wie in der Musik.“ Bill Krohn: „Und
wieviele Sätze wären es in diesem Fall?“ David Lynch: „Drei.“ David Lynch zit. n. Krohn, Bill (1997). S. 13.
234 Sequenznummern: Vgl. Sequenzübersicht im Anhang (8.3.1.).
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 81
sich an: Sie zeigt ihn im Schlafzimmer über dem zerstückelten Körper seiner Frau.
Schnitt.
Im Polizeirevier wird Fred des Mordes an Renée beschuldigt [23]. Er wird als Mörder
verurteilt und kommt in die Todeszelle [24]. Bei einem Hofgang bricht Fred vor Kopf-
schmerzen zusammen [26]. Ein Gefängnisarzt (David Byrd) verabreicht ihm ein
Schlafmittel doch in seiner Zelle werden Freds Kopfschmerzen immer heftiger. In einer
Kaskade von verschwommenen und verzerrten Bildern erleben wir eine Art Meta-
morphose Freds [27 - 29]. Hier endet der erste Teil des Films.
Am darauffolgenden Morgen entdeckt die Wache, dass sich Fred nicht mehr in
seiner Zelle befindet. Anstelle seiner sitzt nun der junge Automechaniker Pete Dayton
(Balthazar Getty) dort. Er muss schließlich freigelassen werden und wird von seinen
Eltern (Al Garret & Heather Stevens) Heim gebracht [30 - 31]. Die Polizei observiert ihn
jedoch rund um die Uhr [32]. Pete, der verletzt ist, sich aber an nichts erinnert, erholt
sich zunächst von allem im heimischen Garten [33]. Am Abend wird er von seinen
Freunden zu einem Diskobesuch abgeholt [34 - 35].
Bald darauf geht Pete wieder zu seiner Arbeit in »Arnie’s Garage«. Arnie (Richard
Pryor) gibt uns zu verstehen, dass Pete sehr lange nicht dort war [36]. Pete wird dort
von Mr. Eddy (Robert Loggia), dem Boss eines kriminellen Pornorings, besucht. Dieser
hat Probleme mit seinem Mercedes, die Pete beseitigt. Er nimmt Pete mit auf eine
Spritztour, auf der Pete das Problem beheben soll [37 - 38]. Während der Fahrt fährt
dem Mercedes ein anderes Auto dicht auf. Mr. Eddy ist erzürnt, bremst den Wagen
aus und zieht den Fahrer mit Hilfe seiner beiden Bodyguards aus dem Auto. Er
schlägt ihn schwer zusammen. Daraufhin wird Pete wieder zu seinem Arbeitsplatz
gefahren [39 - 40]. Am Abend trifft sich Pete mit seiner Freundin Sheila (Natasha
Gregson Wagner). Sie lieben sich in Petes Auto - immer unter der verdeckten Beob-
achtung der Polizei. [41 - 42].
Mr. Eddy sucht Pete tags darauf ein weiteres Mal auf, um sein Auto inspizieren zu
lassen. Er wird begleitet von Alice Wakefield (ebenfalls Patricia Arquette), in die Pete
sich auf den ersten Blick verliebt. Abends kehrt diese allein zu Petes Arbeitsplatz zu-
rück, um sich mit ihm zu verabreden [44 -45]. In der Folge erleben die beiden eine
leidenschaftliche Affäre [46 - 51]. Pete versucht derweil immer noch herauszufinden,
was in jener Nacht geschehen ist, an deren Ende er im Gefängnis aufgewacht ist.
Seine Eltern scheinen etwas zu wissen, wollen es ihm aber nicht verraten [52]. Bald
schon findet Mr. Eddy heraus, dass Alice ihn mit Pete betrügt. Er besucht Pete an
seinem Arbeitsplatz und spricht eine unmissverständliche Warnung aus [53]. Nichts-
destotrotz treffen sich Alice und Pete weiter in Motels. Alice, die von Mr. Eddy loszu-
kommen versucht, schmiedet mit Pete einen Plan. Sie will einen ihr bekannten Neu-
reichen - Andy - überfallen. Während sie diesen sexuell ablenkt, soll Pete ihn über-
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 82
wältigen [55 - 58]. Als Pete sie fragt, woher Alice Mr. Eddy kenne, erzählt sie ihm, wie
sie in die Pornobranche eingestiegen ist [57].
Heimgekehrt erwartet Pete bereits die eifersüchtige Sheila, die sich nun von ihm
trennt. Sie weist darauf hin, dass Pete sich sehr verändert habe seit „jener Nacht“
[59]. Als sie weg ist, klingelt das Telefon. Pete wird von Mr. Eddy und einem ihm Frem-
den (jener unheimliche Fremde, dem Fred auf der Party begegnete) bedroht.
Scheinbar soll er ermordet werden [60]. Pete ist sehr verstört, fährt jedoch wie verab-
redet zu Andys Haus, um mit Alice den Raubüberfall zu begehen. Er überrascht An-
dy wie geplant, tötet ihn jedoch bei einem Zweikampf [61 - 63]. Während Alice und
Pete die Beute zusammenraffen, läuft im Hintergrund die ganze Zeit ein Pornofilm mit
Alice als Darstellerin. Pete ist sehr verstört und erleidet scheinbar einen Nervenzu-
sammenbruch. Beide fliehen mit Andys Auto in die Wüste, wo sie das Diebesgut an
einen Alice bekannten Hehler verkaufen wollen [65]. Hier endet der zweite Teil des
Films.
Als Pete und Alice den Hehler zunächst nicht antreffen, nutzen sie die Zeit, um auf
dem Wüstenboden im Autoscheinwerferlicht miteinander zu schlafen [67]. Irgend-
wann steht Alice einfach auf und geht in das Haus des Hehlers. Nun ist es wieder
Fred Madison, der sich aus dem Wüstenboden erhebt [68]. Dieser trifft nun auf den
mysteriösen Mann von Andys Party, der ihm sagt, dass Alice gar nicht Alice heiße,
sondern Renée. Als der Mann auf Fred zukommt, flieht er mit dem Auto. Er hält beim
»Lost Highway«-Hotel [69]. Darin halten sich auch Renée und Dick Laurant (auch
Robert Loggia) auf, die eine Affäre miteinander haben [70 - 71]. Nachdem diese
miteinander geschlafen haben, geht Renée. Fred überrascht Dick Laurant und kid-
nappt ihn. Als er ihn in seinem Kofferraum einsperrt, wird er vom Hotelzimmer aus von
dem mysteriösen Mann beobachtet [73].
Irgendwo in der Wüste hält Fred an. Als er den Kofferraum des Autos öffnet, springt
ihm Dick Laurant entgegen. Fred kann sich seines Angriffs jedoch erwehren, weil er
von jemandem (dem mysteriösen Mann) ein Messer gereicht bekommt, mit dem er
Laurant die Kehle durchschneidet. Der mysteriöse Mann erscheint und erschießt Dick
Laurant [73]. Währenddessen ist die Polizei in Andys Wohnung und hat den Raub-
überfall entdeckt. Als sie Petes Fingerabdrücke finden, leiten sie eine Fahndung
nach diesem ein [74]. Fred steigt in den Wagen und fährt zurück zu seinem Haus
[75]. Dort steigt er aus, klingelt und spricht „Dick Laurant is dead.“ in seine Gegen-
sprechanlage [76]. Als die Polizei ebenfalls bei Freds Haus ankommt, flieht dieser mit
dem Auto - dicht gefolgt von zahlreichen Polizeiwagen. Auf einem Highway in der
Wüste verschwimmen die Bilder von Fred abermals und eine weitere Metamorphose
kündigt sich an [77].
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 83
5.2. Aufblende: LOST HIGHWAY über die Wahrheit
„Über die Erzählstruktur von LOST HIGHWAY, einem komplexen Geflecht paralleler
Welten und Identitäten, das seine zahlreichen Rätsel nicht ohne weiteres preisgibt, ist
viel geschrieben worden.“235
, bemerkt Chris Rodley. Und in der Tat handelt es sich bei
David Lynchs siebtem Kinofilm um ein äußerst komplex arrangiertes Erzählwerk, das
seine Struktur nicht auf den ersten Blick preisgibt.
Der Plot von LOST HIGHWAY hat zu zahlreichen, methodisch äußerst vielfältig ange-
legten Analysen eingeladen. Von „eine Fahrt zur Hölle, kaschiert als Ehedrama“236
(also eher »dramatologisch« motivierten Untersuchungen) bis hin zur Einschätzung,
der Film sein „ein virtuoses Spiel mit den Wirkungen von Kommunikationstechniken“,
und stelle eine Art „anthropomorphe Medientheorie“237
dar (also eine eher medien-
theoretische Einschätzung) reichen die Interpretationen. Das Ergebnis ist jedoch bei
allen Untersuchungen dasselbe: Jede Analyse führt zwar zu intersubjektiv prüfbaren
Ergebnissen, die sich jedoch kontradiktorisch gegenüber anderen Deutungsmöglich-
keiten verhalten.
Auffällig ist der hohe Grad an medialer Autothematisierung, den Lynch innerhalb
LOST HIGHWAYs inszeniert: Spielten Reflexionen über Medien, wie Telefon, Video, Schrift,
Fernsehen und Kino zwar schon bei seinen vergangenen Werken eine nicht unwich-
tige Rolle („Lynchs Filme reflektieren [..] grundsätzliche Probleme des Erzählens, die
nicht an das Medium Film gebunden sind“238
), so scheinen sie in LOST HIGHWAY gerade
durch ihr auffällig häufiges Auftauchen zum »Hauptdarsteller« des Films zu gerieren.
Dabei schneidet Lynch vor allem Fragen an, die den »Wahrheitswert« jener von den
Medien präsentierten Darstellung betreffen.
Rufen wir uns Petra Kallweits Untersuchungen über Selbstreferenz und Selbstreflexi-
on in Erinnerung:
„Arten der Selbstreflexion [...]:
• die Thematisierung von Medien und Mediensystemen aller Art, sei es Kino, Fernse-
hen, Theater, Telefon etc.;
• die Thematisierung des Films als Zeichensystem (also auch die Frage nach der Be-
deutung der jeweiligen Zeichen. [...]“239
Sie grenzt dabei bloße Medieninszenierungen von Selbstthematisierung strikt ab:
„Nicht das einmalige Zeigen einer Filmkamera oder eines Fernsehgeräts verleiht einem
Film den im Kontext ’moderner Ästhetik’ äußerst begehrten weil ästhetisch aufwerten-
den Titel ’selbstreflexiv’, es muß vielmehr aus dem Film ableitbar sein, welche Merkmale
dem jeweiligen Medium innerhalb des Films zugewiesen werden.“240
235 Rodley, Chris (1998). S. 291.
236 Fischer, Robert (1997). S. 274.
237 Schaub, Mirjam (1998). S. 72.
238 Kallweit, Petra (1998). S. 224.
239 Kallweit, Petra (1998). S. 214.
240 Kallweit, Petra (1998). S. 213.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 84
Auf LOST HIGHWAY scheint dieses Konzept der Selbstthematisierung genau zuzutref-
fen. Die Verdopplung des Mediums im Film soll daher im folgenden die Untersu-
chungsperspektive bilden, um LOST HIGHWAY auf dieser Ebene als Film über Medien
und über das Wahrheitsproblem der Medien einzuordnen.241
Die Analyseergebnisse
können darüber hinaus auch als ein weiterer »Bedeutungshorizont« des Films gewer-
tet werden.
5.2.1. Möbiusband: Das Ende der Erzählung als Erzählung ohne Ende
Der auffälligste Bruch mit den klassischen Erzählmustern zeigt sich am Ende von
LOST HIGHWAY, wenn es den Anschein erweckt, die erzählte Zeit der Handlung sei zir-
kulär strukturiert und laufe »in sich selbst« zurück. Die Filmhandlung offenbart erst an
diesem Phänomen gespiegelt ihre Rätselhaftigkeit: „Die zeitliche Verflechtung ist ein
weiterer Bestandteil der Unauflösbarkeit des Films. Damit erreicht LOST HIGHWAY eine
Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung“242
Lassen sich andere „Bestandteile der Unauflösbarkeit“ durchaus Genrekonven-
tionen zuordnen (etwa dem des Horrorfilms, mit seinen Doppelgängermotiven und
den Dämonen, die das Schicksal der Protagonisten leiten), so wendet sich die zeitli-
che Verflechtung von der Ebene der Handlung ab und dem Zuschauer zu: Nicht
Fred Madisons Problem ist die Rückkehr zu seinem Haus in #XIV/76, sondern das des
Zuschauers, der nun gezwungen wird, das Vorhergesehene in Beziehung zu dieser
Szene zu setzten. Die Sekundärliteratur verwendet daher passenderweise oft das Bild
der „Möbiusschleife“243
auf den Film an.
Diese Möbius-Struktur ist eine Referenz der Filmerzählung auf ihre eigenen Bedin-
gungen in zweifacher Hinsicht: Zum einen Verweist das Ende des Films auf seinen An-
fang, ja es ist sogar der Anfang aus einer anderen Perspektive heraus gezeigt. Zum
Anderen deutet die Szene auf die Eigenart ästhetischen Erzählens überhaupt hin,
Zeit zu konstruieren, an der sich Handlung entwickelt. Die Handlung in LOST HIGHWAY
scheint damit in sich stecken zu bleiben; scheint nicht voranzuschreiten, sondern zu
einer »Wiederkehr des Immergleichen« zu auszuarten. An dieser Stelle könnte der Film
ein weiteres Mal starten.
Der Effekt, der daraus für die Erzählung resultiert, ist für die angestrebte Auseinan-
dersetzung mit dem Medien fruchtbar: „die Verdoppelung von Zeitpunkten, Perso-
nen und Perspektiven auf der linearen discours-Achse macht jedoch im Umkehr-
schluß die logischen Widersprüche überhaupt als solche sichtbar und ’durchspiel-
bar’.“244
Diese Verdopplung geht zu Gunsten der Präsentation der Medien und zu
241 Bis Dato existiert keine Analyse des Films, die ihn als Diskurs über Medien untersucht.
242 Langer, Daniela (1998). S. 92.
243 Vgl. Neidhard, Didi (1998). S. 314, Blanchet, Robert (1997). S. 1 oder Seeßlen, Georg (42000). S. 155: „Ein endlos gefloch-
tenes Band“
244 Kallweit, Petra (1998). S. 224.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 85
Lasten der Bedingungen der Handlung (die damit gleichsam in den Hintergrund
rückt):
„David Lynch zerstört das, was wir den cinematographischen Horizont nennen können,
was nicht nur das Zurechtfinden im Newton-Kosmos, die lineare Konstruktion der Zeit,
die Eindeutigkeit des Raumes und die Identität (das mit sich selber eins sein) der Person
voraussetzt, sondern auch die Grammatik der Identifikationen.“245
In einer Hinsicht kann diesem Vorwurf jedoch widersprochen werden: Konstanten
enthält der Film sehr wohl. Gerade in der Tatsache, dass Lynch für verschiedene
Charaktere dieselben Schauspieler einsetzt, stiftet ja mit die Verwirrung: Ist Alice nun
Renée und ist Mr. Eddy Dick Laurant?246
Damit eröffnet Lynch den fantastischen Dis-
kurs des Doppelgängers und suggeriert gleichzeitig, dass dieser Diskurs zur Deutung
LOST HIGHWAYS angewandt werden kann. Zwei andere Charaktere stellen sich diesem
Versuch jedoch entgegen.
Zum einen ist es die Identifikation zwischen Fred Madison und Pete Dayton, die
nun tatsächlich ein und dieselbe Person zu sein scheinen (so lassen es zumindest die
in #V/29, #XI/68 und #XIV/77 angedeuteten Verwandlungen vermuten), jetzt jedoch
durch verschiedene Schauspieler verkörpert. Die andere Figur, die allerdings für bei-
de Deutungsvarianten benutzt werden kann, darf als die einzige Konstante des Films
gesehen werden: der Mystery Man247
. Von ihm, so scheint es, hängt die Kohärenz der
gesamten Erzählung ab.
5.2.2. Die Konstante: Mystery Man und das Medium
Der Mystery Man kann - wie der Name schon andeutet - als die mysteriöseste Figur
des Films angesehen werden, gerade weil sich seine Identität, seine Herkunft und
nicht zuletzt seine Ziele für den Zuschauer (und die Protagonisten) nicht offenlegen
(lassen). Er erfährt innerhalb der Sekundärliteratur die unterschiedlichsten Deutun-
gen: Goethe’scher „Mephistopheles“248
, „Dämon“249
, „Repräsentant des Anders-
wo“250
, „Verkörperung des Unheimlichen“251
, „Vampir“252
, „Incubus“253
, „Todessym-
bol“254
usw. Er wird identifiziert und verglichen mit Ben aus BLUE VELVET255
, Renée256
,
schlichtweg jeder Figur257
und sogar mit David Lynch258
.
245 Seeßlen, Georg (42000). S. 171.
246 Angemerkt sei hier noch einmal, dass diese Schauspielerverdopplung keineswegs mit der »Mehrfachrolle« gleichzu-
setzen ist, da das Phänomen der Identität, das dadurch erzeugt wird, grundlegender Bestandteil der Erzählung ist. Vgl.
Fußnote 47.
247 Im Film selbst wird dieser »Name« nicht verwendet. Einzig der Nachspann klärt uns über die mysteriöse Identität jener
Figur auf (oder eben auch nicht).
248 Blanchet, Robert (1997). S. 4 und Langer, Daniela (1998). S. 90.
249 Langer, Daniela (1998). S. 90.
250 Rodley, Chris (1998). S. 307.
251 Langer, Daniela (1998). S. 90.
252 Neidhard, Didi (1998). S. 314.
253 Woods, Paul A. (1997). S. 174.
254 Celeste, Reni (1997). S. 3.
255 Nochimson, Martha P. (1996). S. 214.
256 Nochimson, Martha P. (1996). S. 214.
257 Celeste, Reni (1997). S. 3.
258 Lyons, Donald (1997). S. 4
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 86
Paradoxerweise stellt der Mystery Man die unheimlichste Figur des Films dar, ob-
wohl er doch als einziger Charakter während des ganzen Handlungsverlaufs kon-
stant - und damit »nicht-fantastisch« - bliebt. Diese Unheimlichkeit lässt sich in vier
Punkten begründen:
• Im Unterschied zu den wechselnden Figuren des Film erweckt der Mystery Man als
Konstante den Eindruck, er habe die Metamorphosen und Wechsel zu verant-
worten und sei damit ein wahrer »Teufel« (was vom Griechischen »Diabolus« ab-
geleitet ist und so viel wie »Entzweier«, »Durcheinanderwerfer« oder »Verleumder«
bedeutet).259
• Als das Prinzip des Unheimlichen kann er gelten, weil er in private Kontexte ein-
dringt, wie er Fred Madison in #III/15 offenbart. Hier entsteht das Unheimliche aus
dem Heimeligen: Die Sicherheit des Hauses wird aufgelöst. Es spricht einiges dafür,
dass der Mystery Man diese Auflösung auf der manifesten Ebene der Erzählung
betreibt. Anne Jerslev diskutiert Freuds Begriff des »Unheimlichen«, der sich auf die
Figur des Mystery Man anwenden lässt:
„Das ’Heimliche’ ist demnach zugleich das Vertraute und das Versteckte. Und es ist nie
weit von dem Punkt entfernt, an dem es mit seinem Gegensatz zusammenfällt - dem
’Unheimlichen’. Das ’Unheimliche’ ist dann nicht nur der Gegensatz zur ersten Bedeu-
tung des ’Heimlichen’, sondern auch zur zweiten. Das ’Unheimliche’ wird das sichtbar
Gemachte schlechthin“260
• Der Mystery Man verkörpert aber auch die Rätselhaftigkeit des Films: Durch ihn
entstehen eine Reihe ungelöster Rätsel in der Erzählung von LOST HIGHWAY: Zu-
nächst bleibt er selbst undefiniert. Freds Frage nach seiner Identität quittiert er mit
einem zweideutigen Lachen [#III/15]. Er ist derjenige, der einige Verbrechen be-
geht (bzw. zu begehen scheint): Der Besitz der Kamera suggeriert, dass er die Vi-
deoaufnahmen im Haus der Madisons erstellt hat. Er ist es auch, der Dick Laurant
erschießt [#XII/73]. Und doch können diese Taten nicht allein ihm zugeschrieben
werden, weil entweder die bildlichen Belege dafür fehlen (z. B. beim Mord Renées
oder den Videoaufnahmen) oder die folgenden Bilder andeuten, dass er gar
nicht am Tatort war (z. B. bei Dick Laurants Ermordung). Durch sein Erscheinen in
den Mordszenen kann das Rätsel des „Whodunit“ nicht befriedigend geklärt
werden.
• Zuletzt können wir annehmen, dass der Mystery Man die Fähigkeit besitzt, sich
selbst dafür zu verdoppeln (vgl. #III/13). So nährt die Telefonszene in #III/15 die
Vermutung, der Mystery Man wäre an zwei Orten gleichzeitig. Er ist es auch, der
die Verdopplungen anderer Charaktere offenlegt. Er weist Fred darauf hin, dass
Renée und Alice identisch sind [#XII/72].
259 Für diesen Hinweis danke ich Ralf Beuthan.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 87
Aufbauend auf diesen Aspekten wollen wir für die folgenden Untersuchungen
den Mystery Man analog mit Reni Celeste als Mittlerfigur (als »Medium«) zwischen
den Charakteren auffassen:
„This Nameless Man will play a leading role in the film as that which stands between
doubles, between passages from one realm to the next, and between each individual
and itself. He exceeds the constraints of temporality and spatiality, moving from past to
present, from subject to subject, and occupying two spaces simultaneously. While
everyone in this film is trapped, everyone also partakes of this blackness that exceeds
limit and border.“261
Er soll daher (in Konsequenz aus den Sequenzen #III/15, #XI/68, #XII/72 und #XIII/73)
als Repräsentant und Versinnbildlichung der Medien und der ihnen zugeschriebe-
nen Funktion in LOST HIGHWAY angesehen werden.
Der Mystery Man scheint also in vielerlei Hinsicht den archimedische Punkt in LOST
HIGHWAY zu bilden - sowohl für die Kohärenz also auch für die Deutung der Erzählung.
Dabei könnte er als Argument für eine rationale (LOST HIGHWAY als Sinnbild für psychi-
sche Störung Fred Madisons) und für eine irrationale (LOST HIGHWAY als Horrorfilm) Les-
art herangezogen werden. Diese beiden Lesarten wollen wir im Folgenden kurz ein-
ander gegenüberstellen.
5.2.3. Wirklichkeit und Wahnsinn
Georg Seeßlen betont die beiden Interpretationsmöglichkeiten LOST HIGHWAYS, die
er als „zwei Deutungsebenen“ bezeichnet:
„Auf der ersten Ebene könnte LOST HIGHWAY gelesen werden als die Geschichte eines
Mannes, der auf jede Phase einer unglücklichen Beziehung mit einem neuerlichen schi-
zophrenen Schub reagiert, oder, anders herum gesagt, der mit jeder Erkenntnis über
das Wesen seiner Frau einen größeren Apparat an Phantasietätigkeit in Gang setzt, um
eine reziproke Selbsterkenntnis zu verweigern.“262
Dieses psychiatrische Krankheitsbild - wollte man es auf eine konstruierte Figur
übertragen und damit voraussetzen, sie hätte eine »Persönlichkeit« - wird in der
Fachliteratur als »Psychogene Fuge« bezeichnet: Ein mentaler Zustand, „der darin
besteht, sein ganzes Leben zu verleugnen und in eine neue Identität zu schlüp-
fen“263
. Der Begriff der musikalischen Fuge lässt sich darüber hinaus gewinnbringend
auf LOST HIGHWAY anwenden: Sie ist eine musikalische Form, bei der
„eine erste Stimme ein dominantes Thema anfängt, das nach Beendigung von einer
zweiten Stimme übernommen wird, während die erste einen freien Kontrapunkt dazu
weiterentwickelt usw. Kurz eine strenge musikalische Form, die dem möbiusartigen
Aufbau von LOST HIGHWAY recht nahe steht.“264
Dieser Interpretation stehen jedoch einige Elemente der Erzählung entgegen. Wol-
len wir nicht annehmen, dass das uns vermittelte Bild eine reine Subjektive (Sicht)
260 Jerslev, Anne (1996). S. 30 f. Vgl. auch: Freud, Sigmund (1919). S. 552 - 592. Freud, der das Unheimliche hier an Hand von
E. T. A. Hoffmanns Erzählung DER SAMDMANN darstellt, liefert damit zugleich den Parallelbezug des Stoffes zu LOST HIGHWAY:
Die Doppelgängerfiguren, die Metamorphosen, das »anthropomorphe Böse« uvm.
261 Celeste, Reni (1997). S. 3.
262 Seeßlen, Georg (42000). S. 170.
263 Blanchet, Robert (1997). S. 3.
264 Blanchet, Robert (1997). S. 3 f.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 88
Freds darstellt265
, so lassen sich z. B. die Videokassetten, die außer von Fred auch von
den Polizeibeamten gesehen werden oder die Tatsache, dass der Mystery Man eine
Figur ist, die ebenso von anderen Protagonisten wahrgenommen wird, nicht erklären.
Ebenso sind die Figuren Pete und Alice fest in bestehende soziale Kontexte einge-
fügt, auf die andere Figuren referieren und die außerhalb von Freds (Wahn–
)Vorstellung existieren. Alles in allem wäre die Erzählung LOST HIGHWAYS zu komplex und
zu stimmig, um eine Wahnvorstellung sein zu können. Daher schlägt Georg Seeßlen
eine zweite „Ebene“ vor:
„Auf der nächsten Ebene ist LOST HIGHWAY ein »phantastischer Film«, der freilich die
grundlegende Dramaturgie des Genres außer Kraft setzt, nämlich daß das Phantasti-
sche eine Kraft ist, die (aus moralischen Gründen in der Regel) in das Alltägliche ein-
bricht, um nach erheblichen Opfern und Ansprüchen (für den Augenblick jedenfalls)
wieder daraus vertrieben zu werden. Tatsächlich verknüpfen sich das Phantastische
und das Alltägliche zu einer Meta-Struktur“266
Wie Seeßlen bereits bemerkt, ist auch die Interpretation LOST HIGHWAYS als fantasti-
scher Film vor Probleme gestellt: Es wird keineswegs geklärt, warum Fred von dem
Dämon (dem Mystery Man) besessen ist oder verfolgt wird. Innerhalb des Horrorfilm-
genres sind solche Erklärungen zur Herbeiführung der Katharsis267
jedoch unerlässlich.
Auch werden keine Erklärungen für das ambivalente Verhalten des Mystery Mans
gegeben (als Feind von Fred in #III/13, als dessen Verbündeter in #XII/73) oder für die
Metamorphose, in der Fred zu Pete wird - dass es eine Erklärung hierfür gibt, wird zwar
oft angedeutet, jedoch nicht ausgeführt.
LOST HIGHWAY hält sich somit in einem Spannungsfeld zwischen divergierenden und
sich teilweise ausschließenden Genres und Deutungsmöglichkeiten auf. Dies macht
ihn zu einem charakteristischen Film David Lynchs der an verschiedenen Stellen seine
Abneigung gegen objektive Deutungsmöglichkeiten von Kunst vorgebracht hat (Vgl.
Kapitel 4.6.).
Was LOST HIGHWAY jedoch auf jeden Fall zu sein scheint, ist „ein kleiner Diskurs über
das Medium“268
, der sich nicht nur auf die von Seeßlen hier angesprochene Sequenz
(#II/13) beschränkt sondern in zahlreichen Sequenzen des Films geführt wird. Daher
wollen wir das Spannungsverhältnis zwischen den beiden „Deutungsebenen“ noch
ein wenig aushalten, um durch eine medientheoretische Analyse Argumente zu
sammeln und etwas mehr Klarheit in die Erzählstruktur des Films zu bringen.
5.3. Telefonieren: Dial M for Madison
265 Dagegen spricht schon allein, dass a) Fred oft genug das Objekt des Kamerablicks ist und b) dass es auch Szenen
gibt, in denen Fred nicht auftaucht und von denen er nicht wissen kann.
266 Seeßlen, Georg (42000). S. 170.
267 Katharsis soll hier im aristotelischen Sinne als das dramaturgische Moment, welches aus !"!#$ und %#&#$ resultiert,
verstanden werden. Das heißt nicht, dass Horrorfilmmerzählungen sich - wie Aristoteles es für Dramen vorschreibt - in
einer, für den Zuschauer erleichternden Wendung auflösen müssen, sondern dass überhaupt Auflösungen angeboten
werden, die die Erzählung wenigstens innerhalb eines fantastischen Diskurses verstehbar machen.
268 Seeßlen, Georg (42000). S. 162.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 89
LOST HIGHWAY vereint insgesamt acht Telefonszenen [#I/4, #II/12, #III/15, #VII/36,
#VIII/48, VIII/49, #IX/54 und #IX/60] und zwei telefonähnliche Szenen, in denen durch
eine Gegensprechanlage kommuniziert wird [#I/1 und #XIV/76] in seiner Erzählung.
Dem Telefonieren wird eine herausragende Stellung innerhalb der Kommunikation
zwischen den Protagonisten eingeräumt. Es etabliert zahlreiche Handlungsmomente
und begründet durch seinen Einsatz häufig die Unheimlichkeit der Erzählung. Darin
ähnelt seine Verwendung dem Telefonmotiv im Thriller:
„Kommunikationsmittel wie das Telefon vermitteln dem Individuum ein Gefühl subjekti-
ver Sicherheit, im Thriller aber wird gerade diese Sicherheit nachhaltig zerstört. Ebenso
wie andere Objekte erweist sich auch das Telefon als mehrdeutig: es dient nicht nur zur
Mobilisierung der Polizei in höchster Not, sondern kann durch mißbräuchlichen Einsatz
auch Quelle oder sogar Teil eines Mordplans werden.“269
Was Klaus-Peter Koch hier als das »Telefonmotiv im Thriller« beschreibt, lässt sich
eins zu eins auf LOST HIGHWAY übertragen: Das Telefon wird hier benutzt:
• für »normale« Kommunikationsakte [#VII/36, #VIII/45],270
• als Instrument zum Hilferuf [#II/12],
• als Instrument zum Planung und Androhung von Verbrechen [#IX/60],
• als Instrument zum Planung und Verabredung von »Betrug« [#VIII/49, #IX/54],
• als Instrument zur Überwachung von Personen [#I/4, #III/15].
5.3.1. Arnie telefoniert
Besonderheiten telefonischer Kommunikation zeigen sich schon im Telefonat, das
Arnie mit einem Kunden führt [#VII/36]. Offenbar wird am Telefon der Verkauf eines
Autos besprochen:
Arnie (ins Telefon): „There’s nine people down here. You can ask seven of them. If you
get that price from one of ’em I Iet you ask the other two.“
Der Beweischarakter, der allgemeinhin bei Vis-à-vis-Kommunikation einem referier-
ten Gegenstand zugesprochen werden kann, lässt sich bei der telefonischen Ver-
handlung des selben Gegenstandes kaum erreichen. Der angesprochene Kunde
Arnies kann seinen Augen nicht, soll dafür aber seinen Ohren umso mehr trauen. Ar-
nie, der, um die Schlagkraft seines Argumentes zu untermauern, auch bereit wäre,
alle anwesenden Mitarbeiter ans Telefon zu holen, um den Preis des referierten Ge-
genstandes zu bestätigen271
, antizipiert damit das Misstrauen seines Kunden.
5.3.2. Renée und Alice telefonieren
269 Koch, Klaus-Peter (1991). S. 209.
270 Doch selbst diese »normalen« (also nicht in die Beschreibung Kochs zu rechnenden) Telefonate stellen keineswegs
Alltagstelefonate dar, wie sich in 5.3.1. und 5.3.2. zeigen wird.
271 Dass dieser »Autoritätsbeweis« (in Form von: „Sie können auch Y fragen. wenn X ihnen etwas anderes sagt.“) an
dieser Stelle so eigenartig witzig gerät, scheint in der Darstellung schwarzer Protagonisten bei Lynch allgemein zu beru-
hen. In einer Szenen in BLUE VELVET [dort: #II/11] wird der schwarze Protagonist - der übrigens ebenso wie Arnie körperlich
behindert ist - als witzige Figur dargestellt. Darin jedoch ein Anzeichen für einen bei Lynch bestehenden »Rassismus« zu
sehen, wie dies in der Sekundärliteratur verschiedentlich geäußert wird [vgl. etwa Pfeil, Fred (1993). S. 251.], scheint mir
jedoch fragwürdig.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 90
In der Telefonszene #VIII/45 wird ein Missbrauch telefonischer Kommunikation dar-
gestellt. Alice, die von Pete zunächst abgelehnt wurde, ruft sich ein Taxi. Sie benutzt
den Telefonanruf bei der Taxigesellschaft zur »Erpressung« Petes, die sich in etwa for-
mulieren ließe als: „Wenn du dich nicht anders entscheidest, bin ich weg und deine
Chance ist vertan.“ Und in der Tat reagiert Pete auf diese subtile Drohung. Nach-
dem Alice das Taxiunternehmen erreicht und bereits einen Wagen bestellt hat, greift
Pete in das Gespräch ein:
Alice (ins Telefon): „Hello, Van & Ice? Could I have the number for a vanguard? Cab.“
Alice (ins Telefon): „Hello, Yes. I need a taxi. Arnie’s garage. The corner of fifths and …“
Pete kommt von hinten auf sie zu und nimmt ihr den Hörer aus der Hand.
Pete (ins Telefon): „Hello? We not gonna need that cab. Thanks.“ Pete hängt auf.
Das Telefonat ist damit beendet und nach einem Schnitt sehen wir die beiden
bereits in einer heftigen Sexszene. Das »Spiel«, dass Alice im weiteren Verlauf der
Handlung mit Pete spielt, findet in dieser Telefonszene seinen Anfang: Sie kontrolliert
seine Handlungen weitestgehend und nutzt dies zu ihrem Vorteil aus.
Das Telefonat Arnies und das oben beschriebene Telefonat Alices lassen sich -
wenngleich sie bestimmte Eigenarten telefonischer Kommunikation bereits andeuten
- noch als konventionelle Telefongespräche bezeichnen. Aus diesem Muster fallen
jedoch drei andere Gespräche des Films deutlich heraus.
Es besteht eine auffällige Ähnlichkeit zwischen dem Anruf Renées bei der Polizei
[#II/12] und den Anrufen Alices bei Pete [#IX/54 und #IX/60]. In allen drei Sequenzen
wird der geschminkte Mund der Frau(en) in Großaufnahme gezeigt, wie er die Worte
in den Telefonhörer haucht. Frank Schnelle wertet diese Einstellungen als Referenz an
den film noir: Nach ihm werden die Telefonate gezeigt „in der Film noir-typischen De-
tailaufnahme ihres Mundes - eine stilisierte Variation einer Einstellung, die Renée beim
Telefonat mit dem Polizeirevier zeigte“272
.
Einen Hinweis darauf, dass LOST HIGHWAY Referenzen an den film noir anstellt, liefert
David Lynch selbst am Beginn seines Drehbuchs: „A 21st Century Noir Horror Film“273
.
Diesen Hinweis relativiert er jedoch an anderer Stelle: „Ja, das ist Mumpitz.“274
Neben
dieser dennoch offensichtlichen Anspielung leisten die drei Sequenzen einiges zur
Hypothese, dass es sich bei Renée und Alice um ein und dieselbe Figur handelt.
Die Angst, die sich in den Worten Renées ausdrückt, wenn Sie der Polizei am Tele-
fon von den Videoaufnahmen berichtet, findet ihre Entsprechung zwar nicht in Rein-
form bei den Telefonszenen mit Alice, doch auch in #VIII/49 mischt sich Furcht unter
den verschwörerischen Unterton, Mr. Eddy habe die heimliche Affäre zwischen ihr
272 Schnelle, Frank (1997). S. 97.
273 Lynch, David & Giff ord, Barry (1995). S. 1.
274 David Lynch zit. n. Rodley, Chris (1998). S. 309. Vgl. auch Fußnote 229.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 91
und Pete entdeckt.275
Damit entspricht Alice sehr wohl dem Film noir-Typ der blonden
»femme fatale«:
„In LOST HIGHWAY ist eines der bad girls blond. Alice Wakefield steht für dieses unge-
wöhnliche Frauenbild und wird von Lynch entsprechend dargestellt: Sie ist eine femme
fatale (oder sogar: eine femme diabolique), deren roter Mund deswegen bei einem
Telephonat mit Pete, ganz wie in einem Film noir, in einem close up gezeigt wird.“276
Alice legt Pete zwar die Gefahr, in der sie sich befinden, offen dar, deutet jedoch
mit ihren Worten „I miss you.“ bereits an, dass es trotzdem weitergehen wird und
bringt damit Pete auch zukünftig in Gefahr. Einen Tag später bewahrheiten sich
beider Befürchtungen, als Mr. Eddy Pete einen Besuch abstattet und ihm eine un-
missverständliche Drohung ausspricht [#IX/53].
5.3.3. Fred und Pete telefonieren
Die in #I/1 von Fred empfangene und in #XIV/76 von Fred entsendete Botschaft
„Dick Laurant is dead.“ wird innerhalb LOST HIGHWAYS wie ein Telefonat inszeniert,
weswegen wir sie als solches interpretieren dürfen.
Auch hier zeigen sich die Besonderheiten telefonischer Kommunikation deutlich.
Die Tatsache, dass wir nur ein Ende des Kommunikationskanals zu sehen bekommen,
wirkt hier doppelt: Der Film beginnt mit einem Mysterium, das - so wird zu verstehen
gegeben - wichtig für das Verständnis der Erzählung ist und beiden nach und nach
geklärt werden muss, wer am anderen Ende gesprochen hat. Weiterhin führt uns die-
se Szene auch in die Kommunikationssituation des Films, die Grundsätzlich eine
Ohnmachtssituation ist, ein. LOST HIGHWAY ist ein Film des Informationsgefälles, so könn-
te man formulieren. Mal weiß der Zuschauer weniger als die Protagonisten, mal weiß
ein Protagonist mehr als ein anderer, mal scheint es so, als wisse ein Protagonist alles -
immer jedoch bleibt dieses Wissen ein Geheimnis, das zu keiner Zeit Preis gegeben
wird. Der Film kokettiert mit seinen Geheimnissen und macht sich diese gleichsam
zum Erzählprinzip.
In unserem Fall bekommen wir (und Fred Madison) die Information „Dick Laurant is
dead.“, deren Sinn sich in der Tat erst viel später klärt. Nur verhält es sich so, dass er
durch Fred Madison selbst aufgeklärt wird, denn er ist es (scheinbar) auch, der auf
der anderen Seite des Informationskanals spricht; eine voraussetzungsreiche Annah-
me: „Fred Madison spricht mit sich selbst, vermittelt durch ein Medium und sichtbar
gemacht durch zwei unterschiedliche Perspektiven, er ist also gleichzeitig Sprecher
und Adressat, vorausgesetzt man eliminiert die zeitliche Differenz.“277
Nur wenn wir also die logische Grundvoraussetzung, dass eine Person nicht an
zwei Orten gleichzeitig existieren kann, fallen lassen und zusätzlich noch anerkennen,
275 „I think he [Mr. Eddy, S. H.] suspects something. We have to be careful. I miss you.“
276 Sternagel, Jörg (2000). S. 10. Dort werden die Referenzen Lynchs an den Film noir noch weiter ausgeführt.
277 Kallweit, Petra (1998). S. 224.
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dass Zeit nicht notwendig linear verlaufen muss, können wir dem zustimmen. In jedem
anderen Fall ist es unmöglich, dass Fred Madison Sender und Empfänger der Bot-
schaft ist - leistet also das Medium »Telefon« (bzw. »Gegensprechanlage«) Unmögli-
ches. Dass sich dieses Kommunikationsphänomen dennoch alternativ erklären lässt,
zeigt sich in Kapitel 5.6.2.
Das nächste Telefonat, dessen wir gewahr werden, wird gar nicht erst angenom-
men. Es steht für die fünfte Kategorie von Telefonsequenzen in LOST HIGHWAY, dem
Telefon als Instrument der Überwachung. Fred ruft aus der Luna Lounge zu Hause an,
um Renée zu sprechen [#I/4]. Wir sehen ihn an einen Münzfernsprecher gelehnt, in
rotes Licht getaucht. Das Rufzeichen ertönt. Im Gegenschnitt: Das leere Schlafzimmer
mit dem klingelnden Telefon, an das niemand herangeht. Martha Nochimson deu-
tet diesen Anruf so: „the stylized sound of the phone ringing vainly in Fred’s empty
house is virtually Fred himself screaming for Renée.“278
Fred, der zu argwöhnen scheint, dass Renée ihn betrügt (dies lässt sich auch der
Unterhaltung in #I/2 entnehmen), wird gewahr, dass seine Frau ihn angelogen hat,
als sie sein Angebot, ihn in die Luna Lounge zu begleiten abgelehnt hat, um zu Hau-
se ein Buch zu lesen. Freds Anruf hatte zum Zweck, diese Lüge zu entlarven. Das Tele-
fon kann hier als Instrument zur Überwachung angesehen werden - und damit als
Mittel zur Informationsbeschaffung und als Beweismittel (bzw. Indiz) für Renées Abwe-
senheit. Überhaupt ist das Überwachungsmotiv in LOST HIGHWAY zentral: Die Geset-
zeshüter überwachen Pete [#VI/32, #VII/40, #VIII/48, #IX/51] und Fred [#II/13, #XIV/76],
der Mystery Man überwacht Fred [#XII/72] usw.
Als Fred wenig später heimkehrt [#i/5], liegt Renée schlafend im Bett. Für ihn er-
weckt es den Eindruck, sie sei eventuell doch dagewesen als er anrief, habe jedoch
geschlafen. Der (konventionelle) Gegenschuss auf den klingelnden Telefonapparat
in #I/4 hat uns jedoch die »Wahrheit« über den Betrug offenbart. In dieser Sequenz
hätte Fred dem Telefon noch Glauben schenken dürfen.
Pete wird in vier Sequenzen sprichwörtlich das »Opfer« von Telefonaten. In #VIII/45
dient das Telefon - wie sich in 5.3.2. gezeigt hat - dazu, ihn emotional zu erpressen. In
#VIII/49 soll ihm der Anruf Alices Angst einjagen (was - wie sich an seinem Ge-
sichtsausdruck ablesen lässt - auch funktioniert). In #IX/54 wird er von Alice zum
Komplizen für eine Raubüberfall bestellt und in #IX/60 wird Pete schließlich von Mr.
Eddy und dem Mystery Man telefonisch mit dem Tode bedroht.
Gerade dieses letzte Gespräch veranschaulicht die Verwendung telefonischer
Kommunikation im Thriller nachhaltig. Mr. Eddy überantwortet Pete in folgendes Ge-
278 Nochimson, Martha P. (1996). S. 210.
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spräch mit dem Mystery Man, indem er ihn (den Telefonhörer) an den Mystery Man
weiter reicht:
Mystery Man (ins Telefon): „We’ve met before, haven’t we?“
Pete (ins Telefon): „I don’t think so. Where is it you think we’d met?“
Mystery Man (ins Telefon): „At your house. Don’t you remember?“
Pete (ins Telefon): „No. No, I don’t.“
Mystery Man (ins Telefon): „In the east, the far east, when a person is sentenced to
death their send to a place where they can’t escape. Never knowing when an execu-
tioner may step up behind them and fire a bullet into the back of their head.“
Pete (ins Telefon): „What’s goin’ on?“
Mystery Man (ins Telefon): „It’s been a pleasure talking to you.“
Pete erinnert sich offensichtlich nicht an den Mystery Man, als dieser ihm sagt, dass
er ihn vorher schon einmal getroffen habe (und das auch noch bei Pete zu Hause).
Zum Einen festigt das Gespräch die o. g. Charakterisierung des Mystery Man als be-
drohliches Element der Filmhandlung. Gerade weil Pete ihn nicht (er)kennt, kann die
von ihm offensichtlich als Drohung ausgesprochene Beschreibung über Hinrichtungs-
formen im fernen Osten funktionieren. Der Mystery Man deutet an, dass Pete sich in
genau der beschriebenen Situation des Delinquenten befindet. Sein Scharfrichter ist
ihm unbekannt. Das Bild von ihm, das beim Telefonieren ausgespart wird, muss durch
Pete ergänzt werden. Darin äußert sich ein wichtiges Defizit telefonischer Kommuni-
kation, das in LOST HIGHWAY ausgenutzt wird, um die Atmosphäre der Bedrohung zu
etablieren.
Die Bedrohung ist dramaturgisch genau kalkuliert: „Die Strukturen der Kommunika-
tion, ihre ungewollten und beabsichtigten Störungen können so zum dramaturgi-
schen Mittel werden, indem sie thematisiert werden und durch ihre Thematisierung
gewinnen sie dramaturgische Kraft.“ Die Suspense, die dadurch entsteht, dass der
Zuschauer im Gegensatz zu Pete zur akustischen Drohung das Bild (im für Filmtelefo-
nate nicht unüblichen Schuss-Gegenschuss-Verfahren) präsentiert bekommt, ver-
kehrt sich in dieser Szene in ihr Gegenteil: Auch der Zuschauer weiß nichts von einem
solchen Treffen zwischen Pete und dem Mystery Man. Allein in der Anlehnung dieser
Sequenz an ein früheres Telefonat zwischen Fred und dem Mystery Man [#III/15] wer-
den Hinweise geliefert, die sich allerdings nicht vollständig entschlüsseln lassen.
Das gesamte Gespräch zwischen Pete und dem Mystery Man dient weiterhin als
Beleg dafür, dass Fred Madison und Pete Dayton identische Person sind. Wir werden
angehalten, die Szene über ihren reinen Informationsgehalt hinaus (die Bedrohung
Petes durch Mr. Eddy unter Zuhilfenahme des Mystery Mans) als Schlüssel für das
Entwirren des erzählerischen Bruchs nach #V/29 anzusehen. Der Mystery Man dient
unserer Spekulation als Medium.
5.3.4. Der Mystery Man telefoniert
Gehen wir ein paar Sequenzen zurück, um das Telefonat, das Fred mit dem My-
stery Man führt [#III/15] (und das demjenigen, dem Pete in #IX/60 zum Opfer fällt, so
ähnelt) genauer zu untersuchen.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 94
Auf der Party bei Andy finden eine Reihe bedeutsamer Zusammenkünfte und
Vorgriffe auf den Rest des Filmes statt. Fred trifft dort zum ersten Mal auf den Mystery
Man. Die Beziehung zwischen Andy und Renée wird nun vollends sichtbar, wenn er
sie umarmt und sie ihn liebevoll anstößt [1]279
. Außerdem wird das Beziehungsdreieck
Dick Laurant - Fred Madison - Mystery Man etabliert (das im zweiten Teil LOST HIGH-
WAYS dem Dreieck Mr. Eddy - Pete Dayton - Mystery Man weicht).
Zentral für dieses Segment und auch für die angestrebte Betrachtung ist jedoch
das Gespräch zwischen Fred und dem Mystery Man [5 - 34], das zum größten Teil [15
- 32] als Telefongespräch realisiert ist. Petra Kallweit sieht in dieser Telefonsequenz ei-
nen der »theoretische Schwerpunkte« des Films:
„Ein zeichen- und erkenntnistheoretisches Experiment findet sich im ersten Drittel des
Films in Madisons Telefongespräch mit dem Mystery Man, der sich gleichzeitig in Freds
Haus und im räumlich entfernten Haus von Andy - neben Madison stehend - befindet.
Diese Paradoxie kann - will man nicht der fantastischen Variante folgen - wiederum nur
durch die Annahme aufgelöst werden, daß es sich entweder um zwei verschiedene
Personen handelt oder eine technische Manipulation, einen Trick, in keinem Fall aber
um Realität.“280
Durch die von Lynch inszenierte Ausblendung des Ambientes wird die Aufmerk-
samkeit vollständig auf diese Szene gelenkt, als böte sie den Schlüssel zum Verständ-
nis des Films: Die Kamera zeigt (in Schuss-Gegenschuss-Montage) unbewegt Pro- und
Antagonisten in Großeinstellungen und bietet so einen genauen Zugang zu beider
Mimik. Die Partygäste werden optisch durch eine kurze Brennweite, die Partymusik
und -geräusche akustisch durch einen atmosphärischen Soundtrack in den Hinter-
grund verbannt [4]. „Eine simple Verlagerung auf eine andere Tonquelle reißt den
Raum auf in zwei Parallelwelten.“281
Die Konzentration der Szene liegt also eindeutig
auf Fred und dem Mystery Man und lässt ein wichtiges Gespräch erwarten.
Die Rahmenbedingungen dieses Gespräches werden jedoch schon zu Beginn
vom Mystery Man gestört. Sein Aussehen (das „Mephistopheles“-weiß geschminkte
Gesicht, die gedrungene Statur und das verunsichernde Lächeln) korrespondiert mit
einer die ganze Szene anhaltenden leichten Obersicht auf ihn. Fred wird damit von
vornherein nichtexistente Überlegenheit suggeriert. Dies bestätigt der Dialog: Der My-
stery Man kennt Fred, dieser jedoch ihn nicht [6 - 9]. Aber der eigentliche Bruch, so-
wohl auf der Gesprächsebene der beiden, also auch die Seh- und Hörgewohnhei-
ten des Zuschauers betreffend, findet während dieses Telefonates statt.
Fred telefoniert mit der Person, die ihm genau gegenüber steht. Er ist darüber äu-
ßerst verwirrt und erkundigt sich, die Unlogik der Situation akzeptierend, bei seinem
Gegenüber am Telefon, wie er in sein Haus gelangt sei. Als dieser ihm offenbart: „You
invited me.“ [27] und „It is not my custom to go where I’m not wanted.“ [28], scheint
279 Einstell ungsnummern: vgl. Einstellungsprotokoll im Anhang (8.3.2.).
280 Kallweit, Petra (1998). S. 223.
281 Philipp, Claus (1997). S. 31.
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Fred die Orientierung zu verlieren (besonders daran zu erkennen, dass er heftig zu
zwinkern beginnt - fast einer Übersprunghandlung ähnlich). Die gleichzeitige An- und
Abwesenheit seines Gegenübers zwingt ihn, entweder an seinem Verstand, an der
körperlichen Präsenz des Mystery Man oder an der Funktionstüchtigkeit des Mediums
zu zweifeln. Er scheint sich für die erste Option zu entscheiden, obwohl auch einiges
gegen das Medium ins Feld geführt werden könnte, dessen Gebrauch hier ästheti-
sche verdoppelt wird:
„Lynch richtet mit seiner Party-Szene die mediale Überzeugungskraft gegen sich selbst
ein, weil hier ein Signifikant sein Signifikat zerstört. Der Glaube, das, was medial vermit-
telt sei, entspräche einer wie auch immer gearteten Wirklichkeit, verkehrt sich in die
totale Verunsicherung des medialen Gebrauchs. Die Unheimlichkeit der Telefonszene
besteht schlicht darin, daß ein Anwesender als Abwesender spricht (was wir alle ja
beim Telefonieren tun), nur daß sich die Stimme wirklich von ihrem Körper entfernt, eine
eigene Richtung einschlägt und als zweite Stimme zu uns zurückkehrt. Lynch macht
damit die ganz normale Spaltung, die uns jede Benutzung eines Kommunikationsmedi-
ums immer schon aufbürdet, erfahrbar.“282
In den darauf folgenden Einstellungen [29 - 31] lachen der Mystery Man und sein
Doppelgänger am anderen Ende der Leitung über Freds Frage „Who are you?“ Das
Lachen erfolgt fast synchron und dass es von zwei Personen stammt, ist einzig am
Frequenzunterschied zwischen dem Ton aus dem Telefon und dem des Gegenübers
erkennbar. Fred wird in seiner Verwirrung nun vom Mystery Man allein gelassen. Er hat
ihn - wenn er seiner Rede glauben schenken darf - in sein Haus eingelassen. Alles was
dieser jetzt dort anrichtet, scheint in Freds Verantwortung zu liegen.
Der unheimliche Effekt wird durch die Verdopplung des Mystery Man, die Identifi-
kation mit dem völlig desorientierten Fred Madison und die geschilderte Mise en
scène geleistet. Der Zuschauer erwartet nicht, dass Fred aus dieser Situation flüchtet;
zu interessant und wichtig erscheint sie.
Die nicht nur für Telefongespräche notwendige Voraussetzung, die der Film zu
ignorieren scheint, liegt - wie in #I/1 und #XIV/76 - abermals in der Leugnung des Sat-
zes des ausgeschlossenen Widerspruchs: Dass der Mystery Man sowohl vor Fred steht
als auch bei ihm zu Haus das Telefongespräch führt, impliziert, dass er zugleich vor
ihm steht und doch wiederum nicht, denn keine Person existiert zur gleichen Zeit
zweimal (ein Hinweis der in LOST HIGHWAY nicht trivial ist).
Der Horror der Situation entsteht, als Fred nicht mehr genötigt wird, den Mystery
Man, mit dem er telefoniert, zu visualisieren. Er steht ja vor ihm. Dieser scheint zu sich
selbst am anderen Ende der Leitung eine geistige Verbindung zu besitzen, wenn er
Fred am Telefon sagt: „I told you I was here.“ [24 - 25] und doch wiederum nicht,
wenn er die Frage Freds: „How’d you do that?“, [25] noch nicht kennt und sich von
ihm erst telefonisch stellen lassen muss: „How did you get inside my house?“ [27]. Der
282 Schaub, Mirjam (1998). S. 71.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 96
Eindruck, es handele sich um einen oder um zwei Mystery Men wechselt damit. Dies
wird besonders für den Zuschauer problematisch:
„Sie sehen sich genötigt, die ’überzählige Stimme’ entweder einer dritten, anderen,
noch unbekannten Person zuzuordnen, oder aber den Mystery Man zu einer Ausgeburt
von Fred Madisons Geist zu erklären. Beide Versuche müssen scheitern. Indem Lynch
auf eine innerpsychische Darstellungsweise (mit frei flottierenden Schwimmbildern, wie
wir sich [sic: ’sie’, S. H.] aus der cinematographischen Ikonologie zu Genüge kennen)
zugunsten einer außerphysischen verzichtet, macht die Spaltung nicht bei Madison,
sondern ’infiziert’ die gesamte Wirklichkeitsordnung des Films.“283
Auf die Frage nach der Identität des Mystery Man gibt es dann folgerichtig auch
keine befriedigende Antwort. Sein Lachen kann interpretiert werden als: „Wissen sie
das etwa nicht?“ (und nährt damit die Annahme, Fred sei wahnsinnig) oder als
„Welchen von uns beiden meinst du?“ (das wäre ein Indiz für die tatsächliche Dop-
pelexistenz des Mystery Man). Die Unsicherheit über die Identität des Mystery Man
reiht sich nahtlos in die oben beschriebenen Geheimnisse des Films ein und wird zu-
sätzlich auf den Zuschauer übertragen. Denn diesem, der wohl die gleiche Frage auf
den Lippen hat, wird ebenso »ins Gesicht« gelacht.
Maurice Lahde interpretiert Freds Akzeptanz des unmöglichen mit einer »Kontroll-
zwang«, der sich bereits in der Telefonsequenz #I/4 äußert und seine Erweiterung in
den von ihm gefundenen Videotapes findet:
„Die Videoaufnahmen seiner Wohnung und das Telefonat mit dem Mystery Man do-
kumentieren sein zwanghaftes Bedürfnis nach Kontrolle und zugleich die zunehmende
Verzerrung seiner Wahrnehmung, die in der Mitte des Films als eine Situation unerträg-
lich geworden ist, schließlich völlig umkippt und ihm von allem bisher Geschehenen das
Gegenteil vorgaukelt.“284
5.4. Videofilme(n): I like to remember things my own way
Video (Kassetten und Kameras) ist das zweite wichtige Medium in LOST HIGHWAY.
Neben ihrer reinen Präsentation finden sogar Gespräche über sie statt. Damit errei-
chen sie einen höheren Wirklichkeitsstatus bei den Protagonisten: Das Telefon wurde
benutzt, missbraucht und über sein nicht korrektes Funktionieren wurde sich stumm
gewundert. Im Fall des Mediums Video gehen die Protagonisten dazu über, explizite
Aussagen darüber zu machen, was sie davon halten und was sie daran beunruhigt.
5.4.1. Die Tapes: Überwachen und schlafen
283 Schaub, Mirjam (1998). S. 71.
284 Lahde, Maurice (1998). S. 109 f.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 97
Die von Fred und Renée gefundenen Videotapes im ersten Teil LOST HIGHWAYS stel-
len MacGuffins dar.285
Fast könnte man sie als Drohbriefe bezeichnen: Keine Auf-
schrift, kein Absender und das darauf enthaltene Bildmaterial gibt Anlass zur Sorge.
Die erste Szene, in der die Aufnahmen auftauchen [#II/6 - 7] kann von beiden
noch herunter gespielt werden: Wir sehen auf dem Tape eine schwarzweiße286
Au-
ßenaufnahme ihres Hauses, eine Fahrt bis zur Haustür und langsam auf diese zu -
dann endet der Film im Rauschen. „Must be from a real astate Agent.“, ist Renées
Reaktion, „Maybe“, Freds Antwort. Dass beide damit ihre Unsicherheit über ihren
Fund überspielen, wird nicht nur durch Renées gezwungenes Lachen deutlich: Unter-
legt wird das Screening mit einem bedrohlichen Soundtrack und eine ruckhafte An-
näherung an den Bildschirm: Fernseher in Halbnah, dann in Nah und schließlich füllt
das Videobild in Detailaufnahme das ganze Bild, wenn das Kameraauge die Woh-
nungstür erreicht hat. Deutlicher lässt sich der Versuch, in das Haus (die Privatsphäre
der Madisons) einzudringen kaum beschreiben.
Dieser Einbruchsversuch ist beim zweiten Tape geglückt [#II/10 - 11]. Renée findet
die zweite Kassette früh morgens. Fred ist schon wach. Er fragt sie, ob sie sie sich ge-
meinsam ansehen wollen - als sie nicht gleich kommt, drängt er. Wieder zeigt der
Fernseher zunächst die Außenaufnahmen. Renée: „It‘s the same thing.“ Ein Schnitt
im Videobild, verbunden mit einem lauten Störgeräusch. Fred: „No, it isn’t.“ Dann
erleben wir eine Kamerafahrt durch die Wohnung der Madisons, als „schwebe die
Videokamera (mit Weitwinkelobjektiv) an der Decke“287
. Die Fahrt führt uns durch
einen dunklen Flur direkt ins Schlafzimmer, wo wir zwei schlafende Körper zu sehen
bekommen.288
„Der Effekt dieser Bilder, die nur ein paar Sekunden lang sind und für sich betrachtet
nichts Bedrohliches zeigen, ist unbeschreiblich, ihre Implikation ebenso graueneinflö-
ßend wie schwindelerregend. Wer hat die Aufnahmen gemacht? Wie hat er sie ge-
macht? Diese beiden Fragen, auf die es keine rationale Antwort geben kann, sind
wichtiger als die des Warum.“289
Entgegen Robert Fischers Behauptung nehmen wir einmal an, das „warum“ könn-
te doch wichtig sein. Diese Videoaufnahmen des/eines schlafenden Paares destruie-
ren den Glauben an die Sicherheit des Heims und die Privatsphäre, eine „televisual
invasion of privacy“290
, wie Paul Woods es bezeichnet. Allein die Perspektive verdeut-
285 Bezeichnenderweise behält Lynch den im vergangenen Kapitel attestierten Dreischritt auch hier bei: Drei Kassetten
an drei verschiedenen Tagen. Die Tatsache, dass Lynch eine vierte Szene, in der Renée eine Kassette f indet, aus dem
Film entfernt hat (so, wie er die vierte Schrankszene aus BLUE VELVET entfernt hat), kann als Hinweis darauf gewertet
werden, dass diese Dreistruktur auch in LOST HIGHWAY erzählerisch durchaus motiviert ist.
286 Interessanterweise sind alle Filmprojektionen innerhalb LOST HIGHWAYs schwarzweiß, was sicherlich nicht mit dem
technischen Entwicklungsstand der Geräte zusammenhängt. Dieses Schwarzweiß formuliert vielmehr eine doppelte
Abgrenzung der Bilder a) von der Wirklichkeit der Protagonisten und b) von der Wirklichkeit der Präsentation LOST HIGH-
WAYS als Film.
287 Fischer, Robert (1997). S. 276.
288 Das Videobild ist derart mit Störungen überseht, dass nicht genau zu erkennen ist, wer im Bett liegt; eine Tatsache,
die ein weiteres Moment der Unsicherheit über das, was passiert, in den Film bringt.
289 Fischer, Robert (1997). S. 277.
290 Woods, Paul A. (1997). S. 177.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 98
licht den Charakter der Aufnahme: Es ist ein »Über«wachungsvideo. Dieser Einbruch
bleibt nicht ohne Folgen für das Verhalten von Fred und Renée. Sie ruft die Polizei,
sicher in dem Glauben, dass sie und Fred gefilmt worden seien: „Someone broke in
and taped us while we slept.“291
Das Leben im Hause Madison ist damit in die Nähe eines Lebens im panoptischen
Gefängnis gerückt. Sie können nicht wissen, wann sie bei was beobachtet werden.
Die potentielle Fremdkontrolle muss zu gesteigerter Selbstkontrolle führen, solange bis
der Autor dieser unerhörten Bilder gefunden und bestraft ist, denn: „Die einzige Bot-
schaft dieser Bilder ist ihre Kälte.“292
Und diese Kälte überträgt sich nun auf die Atmo-
sphäre im Haus.
Das dritte Video sieht sich Fred allein an [#IV/22]. Abermals sehen wir die Außen-
aufnahme, wieder die Fahrt durch das Haus, die im Schlafzimmer endet. Doch dies-
mal hat sich dort eine andere Szene abgespielt. Fred ist gebeugt über dem zerstü
kelten Leichnam von Renée zu sehen.
Auffällig ist hier, dass die Videopräsentation einmal unterbrochen wird durch ei-
nen deutlichen Blick der Kamera auf die Szene (zu erkennen an der höheren Auflö-
sung des Bildes und dem Wechsel von Schwarzweiß zu Farbe). „This last tape frag-
ment is intercut with present-tense, color footage of Fred discovering the corpse. Who
shot that? Who slew whom? What time is it?“293
Dies zieht uns als bislang unbehelligte
Beobachter des Ehedramas der Madisons in die Szene hinein: Wir sind es, die in die-
sem Augenblick auf die Bluttat hinab schauen. Dies suggeriert bereits die Annähe-
rung des Kamerablicks an den Fernseher, der die Videoaufnahmen wiedergab - ei-
ne Annäherung, die in der totalen Vereinnahmung der Kinoleinwand durch das Vi-
deobild kulminierte: „Auch wir sind rettungslos in das Spiel allfälliger Beobachtung
einbezogen, und auch wir wissen nicht, ob wir die Dinge mit der Kraft der Vision oder
der Objektivität einer Überwachungskamera sehen“294
Für »Außenstehende« (wie die Polizei, die ihren Verdacht sowieso auf Fred konzen-
triert) bekommt dieses dritte Video Beweischarakter: „Fred über der Leiche von Re-
née: Er hat sie ermordet.“ Aber genauso gut kann das Bild bedeuten, dass er sie er-
mordet aufgefunden hat. Diese Annahme wird noch gestützt durch seinen verzwei-
felten Blick in die ihn von oben beobachtende Videokamera und seinen erschreck-
ten Ruf nach Renée, als er diese Aufnahmen in seinem Fernsehgerät sieht. Warum er
allerdings erst durch das Video gewahr wird, dass Renée tot ist, bleibt ungeklärt. Wir
stehen allein mit der scheinbar objektiven Aussage des Mediums Video da:
291 Dass das Schlafzimmer das Ziel dieses Amateurvideofilmers ist, ist kein Zufall: Es ist der Ort des Hauses, der am intimsten
ist. Die Veröffentlichung der Bilder dieses Raums haben zwangsläufig pornografischen Charakter und so ist es folgerich-
tig, wenn Schnelle behauptet: „die Videokassetten tauchen als Pornovideos wieder auf.“ Schnelle, Frank (1997). S. 97.
292 Seeßlen, Georg (42000). S. 162.
293 Lyons, Donald (1997). S. 2. Hervorhebungen durch mich.
294 Seeßlen, Georg (42000). S. 163.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 99
„So wie die Telefon-Stimme einen abwesenden Körper virtuell ’anwesend’ macht, hält
die Videoaufzeichnung eine unwirklich gewordene Vergangenheit aktualisierbar und
präsentierbar. Was auf den Videobändern zu sehen ist, muß - nach den Konventionen
unseres medialen Gebrauchs - stattgefunden haben, ebenso wie das Gespräch auf
dem Mobiltelefon stattfindet, weil nicht nur Fred und der Mystery Man, sondern weil
auch wir, die Film-ZuschauerInnen, es bezeugen können. Wir haben es ja mit eigenen
Ohren gesehen.“295
5.4.2. Bilder schießen
Die andere Seite der Kamera - ja: die Kamera selbst - wird in LOST HIGHWAY ebenso
gezeigt und thematisiert. Hierfür stehen zwei Sequenzen: #II/13 und #XI/68.
In der ersten dieser Szenen bekommen wir den - nach Frank Schnelle - „wichtig-
sten Satz des Films“296
zu hören, der in folgendem Gespräch zwischen Fred, Renée
und den Polizisten Al und Ed, die das mysteriöse Auftauchen der Videos untersu-
chen, formuliert wird:
Al (zu Fred und Renée): „Do you own a video camera?“
Renée (zu Al): „No. Fred hates them.“
Fred (zu Al und Ed): „I like to remember things my own way.“
Al (zu Fred): „What do you mean by that?“
Fred (zu Al): „How I remember them. Not necessarily the way they happened.“
Hierin finden wir zunächst eine „’Objektivitätszuweisung’ an das Medium Kame-
ra“297
. Ein Dissens zwischen Realität und medialer Virtualität eröffnet sich: Was ist
Wahrheit? Ist es das, was sich abbilden lässt oder das, an das wir uns erinnern? Der
Wahrheitsbegriff, den Fred Madison hier verwendet, steht in einem Spannungsver-
hältnis zwischen diesen beiden Möglichkeiten, die einander ausschließen.
Übertragen wir seine Aussage auf seinen Umgang mit den Medien (nicht nur der
Kamera, sondern auch dem Telefon in #I/1, #I/4 und #III/15), so zeigt sich die Konse-
quenz überdeutlich: Freds Wahrheitsbegriff entspringt eben nicht der
»Wahr«nehmung, sondern der Verbindung zwischen dieser und seiner Vorstellung
von dem, was wahr sein kann: Nur so kann er die Unlogik der Telefon-Sitaution mit
dem Mystery Man [#III/15] aushalten und nur so kann er den Widerspruch (zu Ungun-
sten von Renée) klären, warum er vergeblich versucht, sie zu Hause zu erreichen
(#I/4), obwohl sie doch später [#I/5] dort gewesen zu sein scheint.
Sein Wahrheitsbegriff wird schließlich auch auf das unmögliche Verhältnis zwischen
den Sequenzen #I/1 und #XIV/76 übertragbar: In der ersten Szene erinnert er sich
nicht daran, dass er es selbst ist, der mit sich spricht. Er benutzt die Gegensprechan-
lage genau so wie jeder andere, der in einem solchen Fall nicht wissen kann, wer von
der anderen Seite her zu ihm spricht. Er geht ans Fenster und schaut, ob er jeman-
den vorm Haus sieht. Als er sich auf der Party daran erinnert, dass Dick Laurant tot ist
[#III/16], weiß er nicht mehr, von wem er diese Information hat. Seine Aussage über
den Wahrheitswert medialer Mitteilungen hindert ihn daran, auf Andys Frage zu
295 Schaub, Mirjam (1998). S. 71.
296 Schnelle, Frank (1997). S. 96.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 100
antworten: „Das hat man mir gestern durch die Gegensprechanlage mitgeteilt.“
Seine Nicht-Reaktion auf die Frage lässt sich deuten als „Ich weiß es einfach, weil ich
mich daran erinnere und nicht, weil es mir durch die Gegensprechanlage mitgeteilt
wurde.“
Freds Umgang mit dem Mystery Man schließlich verhält sich analog zu seinem Me-
dienumgang. Nehmen wir einmal an, dass Fred ihn in die Erzählung des Films einführt,
um bestimmte »Links« zwischen Ereignissen zu schaffen, so klärt sich auch, warum der
Mystery Man ihm einmal feindlich gegenüber und dann wieder konspirativ zur Seite
steht. Durch ihn begründet er, warum jemand im Haus ist (und auch wer im Haus ist),
der die Videoaufnahmen erstellt. Er dient ihm dazu die Entfremdung von seiner Ehe-
frau zu »visualisieren«, wenn er Renée in #II/9 von seinem Traum berichtet, in dem sie
»different« war und kurz darauf ihr Gesicht durch das des Mystery Man ausgetauscht
ist. Fred macht ihn für die Dinge verantwortlich, die in seiner Umgebung geschehen
und die er sonst nicht erklären könnte.
Der Mystery Man bedient sich in #XI/68 selbst eines Mediums: Als Pete sich wieder
in Fred zurück verwandelt, findet er den Mystery Man vor, der ihm zunächst erklärt,
dass Alice Wakefield und Renée ein und dieselbe Person sind. Daraufhin verfolgt er
Fred mit einer Videokamera, als wäre diese eine Waffe. Diese Videokamera könnte
dazu gedient haben, die Bilder in Freds Wohnung »geschossen« zu haben: „When,
at the end of the film, the Mystery Man comes at Fred with a video camera grotes-
quely connected to him as if it were his eye, it is clear that the tapes are the produc-
tion of Fred’s most toxic part of himself.“298
Diese Hypothese wird gestützt durch das Gespräch, das Fred mit dem Mystery
Man auf der Party bei Andy geführt hat und in dem dieser ihm klar gemacht hat,
dass er gerade in seinem Haus sei. Er ermöglicht uns und Fred damit abermals Zu-
sammenhänge herzustellen:
„seine [Freds, in #XI/68, S. H.] Flucht wird durch den Sucher der Videokamera gefilmt.
(Tatsächlich ist also auch dieses Wesen, das zugleich an verschiedenen Orten sein kann
und nur kommt, wenn es eingeladen ist, zweigeteilt, hat eine freundliche und eine mör-
derische Seite, oder anders gesagt ist zugleich ein Gegenüber, das Reflexion ermög-
licht, und ein Es, das entfesselt wird durch die dunklen Phantasien von Lust und Ra-
che.“299
Georg Seeßlen unterstützt damit die Interpretation des Mystery Man als eine von
Fred durchaus ambivalent konstruierte »Figur der Erklärung«.
5.5. Foto - Kino - Fernsehen
297 Kallweit, Petra (1998). S. 217.
298 Nochimson, Martha P. (1996). S. 213.
299 Seeßlen, Georg (42000). S. 168.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 101
Die dritte Form medialer Selbstthematisierung in LOST HIGHWAY betrifft die bildge-
benden Medien Fotografie, Film und Fernsehen300
. Auch sie werden von Lynch in zen-
tralen Szenen auf durchaus ungewöhnliche Weise eingesetzt, um eine Reflexion über
ihren Gebrauch zu evozieren. In zwei Sequenzen wird dies besonders deutlich.
5.5.1. Bild und Abbild in Andys Haus
Nachdem Alice Pete zum Raubüberfall auf Andy verführt hat, wird Pete in Andys
Haus von einer medialen Kakophonie überwältigt [#X]. Pete betritt das Haus und
wird von einem schwarzweißen Stummfilm überrascht. Der Film offenbart die Verflech-
tung Alices in den Pornoring von Andy und Mr. Eddy (von dem sie Pete bereits in
#IX/56 f. erzählt hatte). Pete sieht die Projektion eines dieser Pornofilme, der das lust-
verzerrte Gesicht Alices zeigt, im Geschlechtsverkehr rhythmisch vor und zurückwip-
pend. Die eifersüchtigen Verdächtigungen, die Fred gegenüber Renée hatte, bestä-
tigen sich hier auf eine unleugbare Weise: Pete wird dazu gezwungen (halten wir uns
weiterhin an die von Fred in #II/13 formulierten These), die Dinge zu sehen „wie sie
passiert sind“. Damit verliert er die Kontrolle über seine famme fatale und wird ge-
wahr, dass sie ihn missbraucht hat, um Andy zu überfallen und sich selbst zu berei-
chern.
Pete wird in seinem Schrecken jäh von Andy unterbrochen, den er in einem Zwei-
kampf tötet: Er wirft ihn mit dem Kopf gegen die Ecke eines Tisches, in der er mit der
Stirn stecken bleibt. Erschreckt sagt er zu Alice, die dazu gekommen ist: „We’ve killed
him.“ Nach kurzem Zögern wendet sie ein: „You’ve killed him.“ und lässt damit ihre
wahren Absichten erkennen.301
Ein weiterer Hinweis (oder: zusätzliche Verwirrung) erhalten wir in der Szene, in der
Pete ein Foto entdeckt, das Alice neben Renée (!), Mr. Eddy und Andy zeigt. Er fragt
sie „Is that you? Are both of them you?“, weil ihm die »Ähnlichkeit« der beiden Frau-
en auffällt. Alice, die in diesem Moment mit der Plünderung von Andys Leichnam
beschäftigt ist, hält inne, tritt hinzu und deutet auf die blonde Frau „That’s me.“ Für
eine Weile könnte Pete beruhigt sein, denn die Aussage des fotografischen Mediums
bewahrheitet sich nicht: Er sieht nicht »doppelt« und dennoch bekommt er Nasen-
bluten.302
Hier bildet das Photo nun die Unmöglichkeit ab, die Fred in der Telefonsze-
ne mit dem Mystery Man noch visualisieren musste: Ein Mensch kann zweimal zur sel-
ben Zeit am selben Ort sein.303
300 Wir können ausschließen, dass es sich bei der Wiedergabe der Ereignisse in #XIII/73 um eine Videoeinspielung han-
delt, da kein Videogerät (und keine Kassetten) zugegen sind, sondern der Mystery Man Di ck Laurant ein portables TV-
Gerät reicht, dessen Antenne er zuvor aus dem Gerät zieht - es also auf Empfang vorbereitet.
301 Später äußert sie diese Pete gegenüber noch deutlicher: „You’ll never have me.“ [#XI/67]
302 Seit ERASERHEAD ist spontanes Nasenbluten in Lynchs Filmen immer ein sicheres Zeichen dafür, dass der Blutende mit
einer ihm unangenehmen Wahrheit konfrontiert wird.
303 Dass es sich bei beiden Frauen doch um ein und dieselbe (nämlich um Renée) handelt erfahren wir und Fred später
vom Mystery Man [#XI/68] und wenn die Polizei den Tatort observiert und auf dem Foto nur noch Renée zwischen Dick
Laurant und Andy steht.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 102
In einer finalen Einstellung in Andys Haus bekommen wir dessen Leiche in Detailan-
sicht zu sehen: Die Kante des Tisches steckt ihm mehrere Zentimeter tief im Kopf; seine
Augen starren unterhalb der Tischplatte tot ins Leere, während Blut über die Tisch-
platte läuft. Nach Didi Neidhard „übernimmt nun die Kamera den pornografischen
Blick des zuvor projizierten Pornos und zeigt uns den toten Andy in Großaufnah-
me.“304
5.5.2. Bild und Abbild in der Wüste
Nachdem Pete sich wieder in Fred zurück verwandelt und mit Hilfe der Medien
genug Informationen gesammelt hat, um zu entlarven, dass Renée ihn mit dem Mr.
Eddy (der nun wieder Dick Laurant ist) betrügt, entführt er diesen und richtet ihn in
der Wüste hin. Hierbei unterstützt ihn der Mystery Man und abermals kommen Medi-
en zum Einsatz; diesmal nicht, um die Tat zu leugnen, sondern um sie zu rechtferti-
gen.
Nachdem Dick Laurant von Fred mit Hilfe des Mystery Man überwältigt wurde (der
zwar nicht zugegen war, aber offensichtlich für Fred immer zur Stelle ist, wenn er seine
Hilfe benötigt), möchte er gern wissen, warum er umgebracht werden soll: „What do
you guys want?“ Daraufhin reicht ihm der Mystery Man einen portablen Fernseher.
Dieser präsentiert ihm Bilder aus den von ihm produzierten Pornofilmen (so können wir
annehmen). Und auch in dieses Screening schaltet sich das Bild LOST HIGHWAYS ein:
Das flimmernde, schwarzweiße Bild wird durch scharfe Farbbilder ersetzt, die uns in
die Szenerie des Pornofilms versetzen. Gezeigt werden pornografische Szene zwischen
Renée und mehreren Personen, die als Film auf eine Leinwand projiziert werden,
während Dick Laurant, Renée, Andy und andere eine Orgie feiern.
Das ist der Grund, warum Fred Dick Laurant umbringen will: Die Videoaufnahme,
die in diesem Moment Dick Laurant noch einmal vorführt, „wie die Dinge passiert
sind“, hat auch Fred die Augen darüber geöffnet, wie seine Frau ihn betrogen hat.
Die Darstellung auf dem Fernseher bricht jäh ab und zeigt nun Fred und den Mystery
Man, wie sie im selben Augenblick vor Dick Laurant stehen. In der Verdopplung die-
ses Bildes wird das Medium abermals dazu benutzt, das Unmögliche möglich zu ma-
chen, denn niemand sonst ist dort mit den dreien in der Wüste, der gleichzeitig diese
Aufnahmen erstellen könnte. „Das Fernsehen blickt überall hin, in die Vergangenheit,
die Gegenwart wie die Zukunft. Oder: es gibt keine Zeit, wo es das Medium gibt.“305
Nun wird Dick Laurant nun der Dinge gewahr, „wie sie passieren“: Fred und der
Mystery Man stehen vor ihm - er »sieht« damit seinem Tod entgegen. „Now you can
hand it back.“, fordert der Mystery Man von Dick Laurant seinen Fernseher zurück.
Letzterer weiß nun genug und benötigt das Medium nicht mehr, um über die Reali-
304 Neidhard, Didi (1998). S. 315.
305 Seeßlen, Georg (42000). S. 176.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 103
tät aufgeklärt zu werden. Dann erschießt der Mystery Man Dick Laurant und in der
nächsten Einstellung ist Fred allein mit dessen Leichnam und hält den Revolver in der
Hand. Wieder hat der Mystery Man ihm hilfreiche Dienste dabei geleistet, als Medium
die Sicht auf die Wahrheit zu strukturieren und auch diesen Mord zu rechtfertigen.
Aber er hat an dieser Stelle auch die Motivation für die Erzählung LOST HIGHWAYS ge-
schaffen:
„Indem Fred im Laufe der Handlung Dick Laurant tötet, schafft er die Voraussetzung
dafür, daß diese Handlung überhaupt erst ihren Verlauf nehmen kann, bezeichnen-
derweise dafür, daß der Brief [...] qua die Nachricht von Tode Dick Laurants ’wie im-
mer’ seinen Bestimmungsort erreicht.“306
5.6. Abblende: Die Wahrheit über LOST HIGHWAY
Wenden wir uns wieder von der Erzählung ab und den Erzählstrukturen LOST HIGH-
WAYS zu. Daniela Langer verknüpft die Verwendung der Medien im Film mit einer an
ihn grundsätzlich zu stellenden Frage:
„Die Videokamera dient der Objektivierung und Festschreibung von Tatsachen, ist
eben ein Mittel zur Aufdeckung der Wahrheit, so als könnten die Menschen nicht an-
ders als im Video ’wahr’ zu erscheinen. Diese Wahrheit ist zugleich ein Todesurteil auf-
grund begangener Taten: Dick Laurant stirbt erst, als er auf einem Bildschirm, den ihm
der Mystery Man reicht, in einer dreifachen Verschachtelung sich selbst und Renée bei
der Betrachtung eines Pornofilms sieht. Auch die Videobänder zeigen Fred - als Objekt
- so, wie er wirklich ist: als Mörder; und Fred selbst betont die Objektivität von Video als
Medium, wenn er gegenüber der Polizei erklärt, warum er keine Videokamera besitzt
[...]. Diese Aussage verleitet zu der Frage, inwieweit LOST HIGHWAY als Film denn die
Wahrheit erzählt.“307
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn wie schon zuvor in TWIN PEAKS - FI-
RE WALK WITH ME konstruiert Lynch in LOST HIGHWAY ein Genre-Hybrid, dass sich sowohl
rational als auch nicht-rational lesen lässt. Anders als jedoch TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH
ME deuten die Zeichen, die für die jeweilige Lesart sprechen, nicht auf eine Auflösung
der Geschehnisse hin, sondern führen diese ad absurdum (wie in 5.2.3. bereits ange-
deutet wurde). Spielen wir zum Schluss nun einmal jede Lesart für sich durch.
5.6.1. Die Dinge, wie man sie im Kopf hat
Diese Phrase - von Fred geäußert - könnte als Angriffspunkt für eine psychologische
Lesart LOST HIGHWAYS dienen, die sich in etwa so formulieren ließe: „A graphic investi-
gation into parallel identity crises.“308
Danach wäre die Erzählung folgendermaßen zu
klären:
Fred Madison leidet unter der Wahnvorstellung, seine Frau Renée betrüge ihn. Er
testet sie und sein Verdacht erhärtet sich mehr und mehr: Andy scheint ein Verhältnis
306 Blanchet, Robert (1997). S. 4.
307 Langer, Daniela (1998). S. 91.
308 Lynch, David & Gifford, Barry (1995). S. 1. Dies stellt einen der Einführungssätze des Drehbuches dar, mit dem Lynch
seine Story kategorisieren wollte. Vgl. auch S. 92.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 104
mit ihr zu haben. Daraufhin tötet er sie aus Eifersucht, wird ertappt und zum Tode
verurteilt. In der Gefängniszelle erleidet er einen Nervenzusammenbruch, in dessen
Folge er halluziniert jemand anderer zu sein. Seine Geschichte wiederholt sich jedoch
selbst in dieser alternativen Identität: Wieder ist es dieselbe Frau, die ihn missbraucht
und betrügt und ihm zu verstehen gibt, dass er sie niemals ganz besitzen kann. Dar-
aufhin löst sich seine Vorstellung jemand anderer zu sein wieder auf und er spielt im
Gedanken die Rache an den Menschen, die ihn betrogen haben, durch.
Eine solche psychologische Lesart wird von zahlreichen Autoren unterstützt. Vor al-
lem Daniela Langer hält diese Deutung für plausibel. Dabei werden von ihr sowohl
die Personen aus Freds Umgebung als auch das Ambiente, in dem er sich aufhält,
funktionalisiert:
„Das Haus [der Madisons, S.H.] ist Abbild der Seele. Diese äußerlich sichtbare Entfrem-
dung zwischen den beiden ist wiederum nichts anderes als das, was allein in Fred ge-
schieht, eine äußere Spiegelung seiner Schizophrenie und speziell des Phänomens der
Depersonalisation. In diesem Zustand herrscht ein Gefühl des Losgelöstseins vor, als ob
man ’in einem Film’ leben würde und ein ’außenstehender Beobachter der eigenen
geistigen Prozesse’ oder ’des eigenen Körpers’ wäre.“309
Nach Langer stellen die gefundenen Videokassetten „Freds Zustand [...] der De-
personalisation“310
dar, die Spiegel, in denen sich Fred und Pete analog spiegeln ste-
hen ganz konventionell für „Schizophrenie [.. und] Selbstentfremdung“311
und die
Verwandlung Fred in Petes (und umgekehrt) wird erklärt als „dissioziative Identitäts-
störung [... bzw.] Identitätsspaltung“312
.
Diese Deutung, wie auch obige interpretative Nacherzählung halten einer ge-
naueren Untersuchung kaum Stand, weil sie zu viele Details außer Betracht lassen:
Befindet sich die Erzählung von LOST HIGHWAY bereits zu Anfang innerhalb dieser psy-
chogenen Fuge? Wie sonst wäre der Schleifenaufbau der Handlung zu erklären, der
doch schon vor Freds Identitätsspaltung auftritt? Könnte die Erzählung nicht ebenso
als eine »psychogene Fuge« Petes bezeichnet werden313
, die LOST HIGHWAY nur zufäl-
lig/willkürlich »falsch herum« erzählt (dies deutet doch die Schleifenform des Films
an)? Warum sind einige Protagonisten verdoppelt (Mr. Eddy/Dick Laurant, Ali-
ce/Renée) und andere nicht (der Mystery Man, Andy, die Polizisten)? Immerhin er-
hielten doch Dick Laurant und Andy innerhalb dieser angenommenen Verschwö-
rungshypothese Freds dieselbe Bedeutung als Liebhaber von Renée und die Polizi-
sten als Observierer. Es lassen sich weitere Beispiele für die Unzulänglichkeit dieser
309 Langer, Daniela (1998). S. 87.
310 Langer, Daniela (1998). S. 87 f.
311 Langer, Daniela (1998). S. 88.
312 Langer, Daniela (1998). S. 88.
313 Die chiastisch aufgebaute Betrugserzählung könnte aber auch durchaus von Dick Laurants Perspektive aus formuliert
werden, denn so, wie Dick Laurant Fred mit Renée betrügt, betrügt Pete Dick Laurant mit Alice. Berücksichtigt man nun
noch, dass Pete und Fred »erzählerisch« und Alice und Renée »schauspielerisch« identifiziert werden, offenbart sich der
möbiusartige Aufbau der Filmhandlung deutlich.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 105
Hypothese finden. Robert Blanchet bringt die Kritik an dieser Interpretation auf den
Punkt:
„Obwohl an der These von der psychogenic fugue natürlich vieles stimmen mag, [...]
hinterläßt sie bei uns jedoch unweigerlich einen schalen Geschmack [...] eine Ausle-
gung, die selbst mit beiden Beinen auf der Erde steht und daher die unheimlichen
Aspekte der Geschichte auf die Ebene eines ’alles nur ein böser Traum’ [...] degradie-
ren muß.“314
Eine solche Erzählung würde zahlreiche der verwendeten Elemente gar nicht be-
nötigen. Wäre dies die »rationalistische Intention« Lynchs gewesen, die er zwar mit
seiner Kategorisierung vornimmt (vgl. Fußnote 308), jedoch, wie bereits angeführt, sel-
ber als „Mumpitz“ abtut, hätte er bestimmte Elemente nicht einführen dürfen, um
diese Lesart zu konterkarieren. Die Intentionalität, die Daniela Langer mit ihrer Deu-
tung implizit unterstellt, muss und kann also zu Gunsten einer ambivalenten (ja: sub-
jektivistischeren) Deutungsvielfalt zurückgewiesen werden.
5.6.2. Die Dinge, wie sie passiert sind
Richten wir unser Augenmerk daher auf eine alternative Lesart, die sich ebenfalls
an der Aussage Fred Madisons entzünden kann, und die damit einen wesentlich
kritischeren Aspekt auf die Phänomene Virtualität und Realität zulässt.
Wenn wir uns permanent verdeutlichen, dass wir selbst gerade Opfer einer media-
len Täuschung werden, lässt sich LOST HIGHWAY in etwa so formulieren: Der Film ist als
Schleife konstruiert und soll auf der discours-Ebene den Eindruck erwecken, Zeit ver-
fließe in zwei Richtungen. Der Film montiert Szenen unterschiedlicher Räume anein-
ander, die durch konventionalisierte Verfahren der Darstellung den Eindruck erwec-
ken sollen, hier fände so etwas wie »Verwandlung« oder »Verdopplung« statt. Der
Film führt innerhalb seiner Erzählung Medien vor, deren Verwendungsweise uns so-
wohl in der Realität als auch innerhalb von Filmhandlungen vertraut sind und bricht
diese Verwendungsweisen, mit dem Effekt, die Erzählung zu chiffrieren.
Mit Hilfe dieser Sichtweise auf den Film lassen sich die vormals opaken Bilder aus-
deuten. Beispielsweise zeigt uns die Kameraperspektive, die in #II/11 auf dem Video
zu sehen ist, nichts anderes, als eine mögliche Perspektive von Film: Für einen Film ist
der Kamerawinkel, aus dem Fred und Renée beobachtet werden eben nicht un-
gewöhnlich. Einige Szenen später scheint diese Sichtweise bestätigt zu werden: Als
die Polizei auf dem Dach ist und Fred hoch schaut315
[#II/13], um die Kameraperspek-
tive nachvollziehen zu können, wird damit die Zuschauerperspektive eingenommen.
Auf diese Weise bezieht Lynch den Zuschauer seiner Filme als reflektierende Instanz in
314 Blanchet, Robert (1997). S. 4.
315 Fred und Pete blicken in zahlreichen Szenen LOST HIGHWAYS nach oben, als würden sie spüren, (von uns) beobachtet
zu werden.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 106
die Filmhandlung mit ein: „Auch wir sind rettungslos in das Spiel allfälliger Beobach-
tung einbezogen“316
, schreibt Georg Seeßlen.
LOST HIGHWAY erzählt zwar eine Geschichte über Eifersucht, Intrigen und Mord, prä-
sentiert uns aber auch „a world where time is dangerously out of control.“317
Diese
Welt ist eine (Film-)Welt der Medien. Medien, die - wie die vorangegangenen Unter-
suchungen zu zeigen versucht haben - der Erfahrung völlig neue Paradigmen unter-
breiten: Die Wirkung geht nicht notwendig der Ursache voraus, die Zeit verläuft nicht
notwendig linear, verschiedene Räume können ineinander »verschachtelt« sein oder
Entfernungen existieren nicht.
All diese Implikationen, die sich radikal gegen die Alltagswahrnehmung wenden,
unterbreitet LOST HIGHWAY innerhalb seiner Konzeption von »Medien im Film«. Dabei
führt uns Lynch fortwährend vor Augen, dass wir einen Film sehen, der das Unmögli-
che möglich macht, weil er eben ein Film ist. Durch die Montage von Bildern sind Ef-
fekte, wie die o. g., leicht zu erzielen: Zwei aneinander montierte Szenen können ver-
schiedene diegetische Zeiten und Räume verknüpfen, die Kausalität verkehren und
die Zeit umdrehen. Dafür liefert LOST HIGHWAY genügend Hinweise:
• Das rückwärts brennende Haus, das zwischen die Sequenzen geschnitten wird
und scheinbar nur für sich selbst steht [#V/29, #X/65].
• Der Durchgang von Freds zu Petes Identität, der sich wie durch einen sich öffnen-
den Vorhang vollzieht [#V/29]
• Das häufige Verschwimmen des Filmbildes, die Verwacklungseffekte, die uns ei-
nen schlecht eingestellten Filmprojektor vermuten lassen und keineswegs aus-
schließlich Subjektiven der Protagonisten darstellen [#V/29, #IX/50, #IX/53 f., #IX/59,
#X/63 - 64, #XIV/77]
Diese Details verdoppeln LOST HIGHWAY als »Film über Medien«. Er reflektiert damit
nicht nur Medien innerhalb seiner Erzählung, sondern wirft die Frage auf: Was ist das
Medium Film im Kontrast zu den in ihm verwendeten Medien? Anstatt diese Frage in
einen rein theoretisch-akademischen Diskurs einzubetten, formuliert Lynch sie lieber
ästhetisch:
„Lynch bedient sich über weite Strecken der Mittel des narrativen Kinos und läßt uns
glauben, wir erlebten so etwas wie eine ’normale’ Geschichte. So sucht man - zumin-
dest beim ersten Sehen - fortwährend nach Erklärungen, Lösungen, logischen Zusam-
menhängen und tappt schließlich durch ein Labyrinth, dessen Ausgang nicht nur schwer
zu finden ist, sondern zugemauert scheint.“318
Damit verkehrt der Autor den »Sinn« seiner Erzählung in Nonsens. Es kommt gar
nicht mehr darauf an, LOST HIGHWAY zu verstehen, sondern vielmehr, zu reflektieren,
316 Seeßlen, Georg (42000). S. 163.
317 Lynch, David & Giff ord, Barry (1995). S. 1. Auch dies einer der Einführungssätze des Drehbuches.
318 Schnelle, Frank (1997). S. 93.
SPIEGELBILDER LOST HIGHWAY: DIE VERDOPPLUNG DES MEDIUMS SEITE 107
warum wir ihn nicht verstehen können. Einen analogen Vorschlag unterbreitet Petra
Kallweit:
„Extrapoliert man diese Beobachtungen zu einem ’semiotischen Gesamtkonzept’ des
Films, so könnten sich Differenzen (vorher - nachher; innen - außen; hier - dort) als reine
discours-Phänomene erweisen, denen kein Punkt der histoire mehr entspricht. Bedeu-
tung wäre dann - folgt man dieser Lesart - ein reiner Signifikanten-Effekt, also eine Illusi-
on.“319
In der Reflexion des Zuschauers über die Bedingungen der Möglichkeit und Un-
möglichkeit, dieses „semiotische Gesamtkonzept“ zu entschlüsseln, liegt die Stärke
des Filmes und darin eröffnet sich uns die hinter den Bildern geführte Auseinanderset-
zung mit den Problemen medialer Kommunikation und Präsentation.
Mit LOST HIGHWAY erreicht Lynch damit ein Niveau, das nicht weiter zu steigern ist.
Die Reflexion ist so weit vor die Narration gerückt, dass diese kaum noch erkennbar
ist. Was David Lynch nun noch bleibt, ist die Rückkehr zu ganz traditionellen Erzähl-
formen, an denen er die an LOST HIGHWAY »geschulten« Zuschauer nun prüft. Daher
heißt sein auf LOST HIGHWAY folgender Film auch A STRAIGHT STORY.
319 Kallweit, Petra (1998). S. 224.
SPIEGELBILDER SEITE 108
„Es mußte ein Ohr sein, weil das Ohr ein Eingang ist. Er steht offen, man kann ein-
dringen und gelangt in fremde Gefilde …“ (David Lynch)
SPIEGELBILDER SCHLUSS SEITE 109
6. Schluss
„Der Apparat der Lynch-Exegese wächst schnell.“320
, konstatiert Birgit Flos. David
Lynch gilt als einer der Filmautoren, die dadurch, dass sie die Zuschauer ernst neh-
men und jenseits jeglicher Berieselung Filme drehen, die sich eindeutigen Lesarten
sperren, beim Publikum, bei der Filmkritik und nicht zuletzt innerhalb der akademi-
schen Diskussion »beliebt« sind. An Lynchs Filmen lassen sich - wie die vergangenen
Kapitel zu zeigen versuchten - zahlreiche Phänomene filmischer Wirkung extrapolie-
ren. Vollziehen wir diese zusammenfassen nach.
6.1. Zusammenfassung
BLUE VELVET offenbarte sich als Film, der die Doppelcodierung dazu benutzt, um
sich selbst in der Filmgeschichte zu verorten und gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass
es durchaus möglich ist, der Misere moderner Erzählformen zu entkommen, indem er
deren Projekt des Fortschrittes nicht weiter schreibt. Lynch setzt vielmehr Verfahren
ein, die mit Hilfe von Referenzbeziehungen diese Filmgeschichte dazu benutzten, um
aus »Altem« »Neues« zu konstruieren. Ein solches Vorgehen setzt voraus, dass der Zu-
schauer aktiv wird und die Referenzen entschlüsselt.
TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME erweiterte dieses Projekt, indem darin das System, das
den Zuschauer zur Passivität anhält, dekonstruiert wird. Gerade innerhalb der Gen-
res, werden wir mit Tableaus konfrontiert, die unsere Erwartungshaltung dazu benut-
zen, immergleiche Verfahren der Erzählung endlos zu repetitieren. Die Zeichen, die
innerhalb der Erzählung auf das Genre verweisen, wurden von Lynch in TWIN PEAKS -
FIRE WALK WITH ME bewusst dazu »missbraucht«, um die Kritik am Genrebegriff auszu-
formulieren. Die vermeintliche Undurchsichtigkeit des Filmes ließ sich auf diese Weise
überwinden: Indem wir nachvollzogen haben, dass es gerade die Erwartungshal-
tungen waren, die uns die Sicht auf die mögliche Bedeutung verstellt haben.
LOST HIGHWAY schließlich führte die Zuschauerinstanz als notwendiges »Korrektiv« für
eine aus den »Fugen« geratende Erzählung in diese ein. Durch die Thematisierung
der Darstellungsweisen im Film wurden wir dazu angehalten, LOST HIGHWAY als einen
Film über Medien zu sehen, der sich schließlich selbst als »Inhalt eines Mediums« (als
Bild auf einem Filmstreifen) erkennen ließ.
Es wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass diese Deutungen keine Ob-
jektivität für sich beanspruchen. Dagegen verwehrt sich nicht nur der Autor selbst
320 Flos, Birgit (1997). S. 24.
SPIEGELBILDER SCHLUSS SEITE 110
(indem er das Prinzip des „Geheimnisses“ hochhält), sondern ebenso eine den Unter-
suchungen vorangestellte Theorie der Verdopplung: Die Tatsache, dass zur Dechif-
frierung von Bedeutung eine intellektuelle Instanz (eben der Zuschauer) benötigt
wird, die Bedeutung je auch dem Zusammenhang ihrer eigenen Filmsozialisation her-
stellt, muss jeden Ausschließlichkeitsanspruch zu Gunsten einer Pluralität von Sichtwei-
sen zurückweisen.
Allerdings war es verschiedentlich notwendig, Interpretationen der Sekundärlitera-
tur zu relativieren, wenn diese entweder auf ungenauen Beobachtungen gründend
irrtümliche Schlüsse zogen, oder wenn die Ergebnisse (aufgrund der ihnen zugrunde
liegenden Methoden), eben jenen o. g. Ausschließlichkeitsanspruch für sich geltend
machen wollten. David Lynch scheint gerade dieser totalitären Sichtweise auf seine
Werke in besonderer Weise »entgegenzufilmen«. Dies soll anhand der psychoanalyti-
schen Lesart von BLUE VELVET als Ausblick einer weiter zu führenden Untersuchung des
Lynch’schen Œuvres skizziert werden.
6.2. Ausblick: Theorie à la Lynch
Gerade BLUE VELVET scheint für psychoanalytische Lesarten besonders anfällig zu
sein. In zahlreichen Facetten stellt der Film psychoanalytische Klischees aus, um sie für
eine Deutung anzubieten.321
Diese doch recht offensichtlichen Zeichen führten bei
zahlreichen Untersuchungen zu einer auf ideologischen Prämissen basierenden Fehl-
einschätzung des Films. Beispielhaft können dafür die Untersuchungen Barbara
Creeds gelten:
„David Lynch’s film Blue Velvet threatens to make interpretation redundant, so openly
does it flaunt its Freudian themes and narrative. But to argue that this puts the film some-
how ’beyond’ analysis not only falls into the intentionalist fallacy, it also misses the more
interesting and disturbing question about fantasy and spectatorship which BLUE VELVET
opens up.“322
Creed versucht - ausgehend von der sog. „Urszene“ - einerseits die Erzählung BLUE
VELVETS als ein ödipales Drama (im freudianischen Sinne) zu reflektieren und anderer-
seits die Blickkonstellationen, die zwischen dem Zuschauer und dem Film bestehen
als Verdopplung des Gezeigten zu interpretieren: Der Zuschauer soll - indem er zu-
sammen mit Jeffrey Frank und Dorothy beim Geschlechtsverkehr beobachtet [BLUE
VELVET: #III/20] - mit Jeffrey identifiziert und sich über seine Rolle als Voyeur im Kino be-
wusst werden.
321 Einen sehr knappen und erschöpfenden Überblick über diese Lesarten bietet James Lindroth. Vgl. Lindroth, James
(1990). S. 163 f.
322 Creed, Barbara (1988). S. 97.
SPIEGELBILDER SCHLUSS SEITE 111
Verschiedenes spricht gegen eine solche Lesart BLUE VELVETS. Das Verhältnis David
Lynchs zur Psychoanalyse ist ein recht eindeutiges, wie er in einem Interview mit Chris
Rodley betont:
Rodley: Sie [eine Filmwissenschaftlerin, S. H.] hatte viel über Psychoanalyse und Film ge-
arbeitet und ihre Reaktion auf BLUE VELVET war: »Diese Filmemacher tun es nur für sich
selbst!« Anders ausgedrückt, der Film hatte sie so gut wie überflüssig gemacht. Er hatte
keinen Subtext. Alles lag gut sichtbar an der Oberfläche.
Lynch: Direkt vor der Nase, ja! [Lacht]
Rodley: Der Film scheint nahezu perfekt gewisse Freudsche Themen und Theorien zu illu-
strieren - in extremer, unverdünnter Form. War das beabsichtigt?
Lynch: Sagen wir mal so: Mein Verstand hat mich nie gebremst. Deshalb betone ich
immer wieder, daß Filmemachen etwas Unbewußtes ist. Worte sind im Weg. Rationales
Denken ist im Weg. Es kann einen völlig blockieren. Doch wenn das Unbewußte als un-
verfälschter Strom zutage tritt, hat das Medium Film großartige Mittel, ihm Gestalt zu
verleihen. Er ist die ideale Sprache.“323
Zunächst scheint die Psychoanalyse in BLUE VELVET kritisch verwendet worden zu
sein. Indem Lynch diese Lesart so offensichtlich anbietet, scheint er bereits anzudeu-
ten, dass es sich bei ihr um eine falsche Fährte handelt. Das haben später die Dar-
stellungen der Zeichen, die auf ein bestimmtes Genre deuten (TWIN PEAKS - FIRE WALK
WITH ME) und die im Film abgebildeten Medien, die auf das Problem der Wahrheit
filmischer Aussagen hinweisen (LOST HIGHWAY) verdeutlicht.
Damit scheint die psychoanalytische Interpretation Blue Velvet als eine ausschließ-
liche bereits im Vorfeld von David Lynch unterlaufen zu werden, wie in der Sekundär-
literatur an zahlreichen Stellen vermutet wird. Anne Jerslev formuliert diesen Ansatz:
„BLUE VELVET verweist bewußt und mit spielerischer Ironie auf die Freudsche Psycho-
analyse […] Der parodistische Ton kann zugleich davor warnen, sich mit einem
Freudschen Interpretationsschlüssel zu begnügen.“324
In der Konsequenz daraus wird
die Untersuchung Barbara Creeds von Roger Luckhurst ob ihrer Ausschließlichkeit kriti-
siert:
„Creed’s psychoanalytic narrative stops the flow of the film’s narrative; more import-
antly it fails to discover the ’double’ structure of the text, and the precise echo of the
apartment scene later played out at Meadow Lane between Jeffrey and Frank, an
equivalent ritual of violence: the same signalling phrase that Frank is about to ’make a
scene’ (’Now it’s dark’)“325
Die Tatsache, dass „wir Lynch lieber eine gewisse Kenntnis psychoanalytischer Pa-
radigmen zusprechen“326
sollten, weist aber noch auf eine weitere Perspektive hin,
die in seiner o. g. Interviewaussage enthalten ist: Den Einsatz des Films als Instrument
der Theoriekritik und damit als Beitrag zur Theorie selbst. Davon ist nicht nur die Psy-
choanalyse betroffen, sondern - wie sich gezeigt hat - auch andere Bereiche von
Film- und Medientheorie.
323 Rodley, Chris (1998) S. 189.
324 Jerslev, Anne (1996). S. 137.
325 Luckhurst, Roger (1989). S. 179.
326 Blanchet, Robert (1997). S. 11.
SPIEGELBILDER SCHLUSS SEITE 112
In der Sekundärliteratur kommt diese Ebene der Betrachtung seit Lynchs hoch-
gradig selbstreflexiven Filmen TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME und LOST HIGHWAY vermehrt
zur Sprache. Seine Filme werden jetzt nicht mehr ausschließlich dem postmodernen
Projekt mit seinen doppelcodierten Filmbildern unterstellt, sondern gewinnen seither
auch Bedeutung als Filme, die über die »Bedingungen ihrer Möglichkeit« reflektieren
und sich damit durchaus als filmische (filmgewordene) Theorie betrachten lassen.
Petra Kallweit und Georg Seeßlen bringen dies auf den Punkt: „Lynchs Filme reflek-
tieren somit grundsätzliche Probleme des Erzählens“327
. „Lynchs Filme wollen niemals
‚natürlich‘ erscheinen (auch nicht nach der Logik eines natürlichen Traumes), sie
wollen den Prozeß der Komposition selbst mit darstellen.“328
Mit diesem „reflektieren“
und „wollen“ wird Lynch von beiden Interpreten als eine bewusste Instanz angese-
hen, die die Filme aktiv als Theorie abfasst. Auf diese Weise tritt David Lynch in seinen
Filmen als Sprecherinstanz auf329
und erfüllt die in der Einleitung zitierte Forderung
Alexandre Astrucs: Er nutzt die „Kamera als Federhalter“, um seine Filme als Beitrag zu
einer (wenn auch populärwissenschaftlich formulierten) Filmwissenschaft zu formulie-
ren. Dieser Beitrag konnte aus allen drei Filmen neben deren Erzählung herausgele-
sen werden.
Catherine Coulson, eine langjährige Mitarbeiterin und Schauspielerin David
Lynchs formuliert dessen Vorgehensweise sinnentsprechend: „»David is a scientist. [...]
He gives great attention to detail, process and deduction reasoning. The way he
examines a problem, dissects it and solves it is very scientific.«“330
Daher wäre Lynchs
Werk nicht allein als ein Beitrag zur Filmgeschichte, sondern darüber hinaus auch als
ein Beitrag zur Filmtheorie zu verstehen, deren Anliegen es ist, diese Filmgeschichte mit
Hilfe einer Ästhetik der Verdopplung filmisch lesbar zu machen.
327 Kallweit, Petra (1999). S. 224.
328 Seeßlen, Georg (42000). S. 220.
329 Auch als Schauspieler, wie im Fall von TWIN PEAKS und TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME (Vgl. Kapitel 4.5.4.).
330 Catherine E. Coulson zit. n. Rother, Larry (1990). S. 19.
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 113
7. Quellen und Literaturverzeichnis
7.1. Quellen
! Lynch, David. BLUE VELVET, USA 1985, LaserDisc Widescreen Edition, Verleih: Warner Home Video,
1991, 121 Minuten.
! Lynch, David. TWIN PEAKS - FIRE W ALK WITH ME, USA 1992, LaserDisc Widescreen Edition, Verleih: New Li-
ne Home Video, 1993, 134 Minuten.
! Lynch, David. LOST HIGHWAY, USA 1996, LaserDisc Widescreen Edition, verleih: PolyGram Video,
1997, 134 Minuten.
! Lynch, David. TWIN PEAKS - DER FILM (dt. Fassung von TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME), USA 1992, LaserDisc,
Verleih: VCL, 128 Minuten.
! Lynch, David. Twin Peaks. USA 1989 - 1991. 10 Videotapes, Verleih: Screen Entertainment, ca. 28
Stunden.
! Lynch, David. BLUE VELVET Screenplay. Internet. Dunn, Mike (Hrsg.). David-Lynch-Net:
http://www.mikedunn. com/lynch/. (2000a)
! Lynch, David/Gifford, Barry. LOST HIGHWAY Screenplay. Internet. Dunn, Mike (Hrsg.). David-Lynch-
Net: http:// www.mikedunn.com/lynch/. (2000b)
! Lynch, David/Engels, Bob. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME Screenplay. Internet. Dunn, Mike (Hrsg.). Da-
vid-Lynch-Net: http://www.mikedunn.com/lynch/. (2000c)
7.2. Monografien und Sammelbände
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! Atkinson, Michael. BLUE VELVET. London: BFI 1997. 81 S.
! Brooker, Peter. Postmodern After-Images. A Reader In Film, Television And Video. New York: Arnold
1998. 294 S.
! Chion, Michel. David Lynch. London: BFI 1996. 210 S.
! Fischer, Robert. David Lynch. Die dunkle Seite der Seele. München: Heyne 31997. 392 S.
! Harbers, Stefan. Amerikanische Gesellschaftsbilder in den Filmen David Lynchs. Alfeld: Coppi
21997. 83 S.
! Hofmann, Frank. Moderne Horrorfilme. Rüsselsheim: Verlag Frank Hofmann 21994. 182 S.
! Jerslev, Anne. David Lynch. Mentale Landschaften. Wien: Passagen 1996. 214 S.
! Kaleta, Kenneth C. David Lynch. New York: Twayne 1993. 207 S.
! Lavery, David (Ed.). Full of Secrets. Critical Approaches to TWIN PEAKS. Detroit: Wayne State Univ.
Press 1995. 281 S.
! Neale, Stephen. Genre. Wiltshire: Antony Rowe Ltd. 51996. 74 S.
! Nochimson, Martha P. The Passion of David Lynch. Austin: Texas Univ. Press 1997. 273 S.
! Pabst, Eckahard (Hrsg.). „A Strange World“ Das Universum des David Lynch. Kiel: Verlag Ludwig
1999. 334 S.
! Rodley, Chris (Hrsg.). David Lynch. Lynch über Lynch. Frankfurt am Main: Verlag der Autoren 1998.
353 S.
! Rother, Rainer (Hrsg.). Sachlexikon Film. Reinbeck: Rowohlt 1996. 336 S.
! Schnelle, Frank (Red.). BLUE VELVET. Retro-Filmprogramm 51. München: Verlag Uwe Wiedleroither
21992, 49 S.
! Seeßlen, Georg. David Lynch und seine Filme. Marburg: Schüren 42000. 223 S.
! Seeßlen, Georg. Der pornographische Film. Frankfurt/Main: Ullstein 21994. 431 S.
! Seeßlen, Georg. Thriller. Kino der Angst. Reihe: Grundlagen des populären Films. Marburg: Schüren
1995. 300 S.
! Truffaurt, François. Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Heyne: München
201998. 335 S.
! Woods, Paul A. Weirdsville USA. The obsessive universe of David Lynch. London: Plexus 1997. 192 S.
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 114
7.3. Aufsätze und Einzelanalysen
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David Lynch’s „BLUE VELVET“ and „WILD AT HEART“. Berlin 1991. In: Leinwandträume. Film & Gesell-
schaft, S. 92 - 109.
" Anon. (Parkett). Ist David Lynch (wirklich) wichtig? 1991. In: Parkett 28, Juni 1991, S. 141 - 151.
" Astruc, Alexandre. Die Geburt einer neuen Avantgarde: Die Kamera als Federhalter. In: Blümlinger,
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" Bodmer, Michel. Von Zwergen und anderen Riesen. Zürich 1992. In: Zoom 1/1992, S. 14 f.
" Bouzereau, L. BLUE VELVET: An interview with David Lynch. New York 1987. In: Cineaste 3/1987, S. 39.
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" Jenkins, Steve. BLUE VELVET. London 1987. In: Monthly Film Bulletin Vol. 54, Nr. 639, April 1987, S. 99 f.
" Kallweit, Petra. Anmerkungen zu Selbstreflexion und Selbstreferenz in TWIN PEAKS und LOST HIGHWAY. In:
Pabst, Eckhard (Hrsg.). a. a. O. (1999). S. 213 - 229.
" Kämmerling, Christian. Kafka macht mir gute Laune. München 1990. SZ Magazin, 21.9.1990, S. 36 - 38.
" Koch, Klaus-Peter. Sicherheit versus Bedrohung: Telefonmotive im Thriller. In: Forschungsgruppe Te-
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Volker Spiess GmbH 1991. S. 207 - 219.
" Koll, Gerald. Alphabet der Liebe. Graz 1999. In: Blimp (No. 40), Heft 40, 1999, S. 5 - 13.
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8/97. S. 8 - 14.
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" Lahde, Maurice. „We live inside a dream.“ David Lynchs Filme als Traumerfahrungen. In: Pabst,
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" Langer, Daniela. Die Wahrheit des Wahnsinns. Zum Verhältnis von Identität, Wahnsinn und Gesell-
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" Latham, Rob. There’s No Place Like Home: Simulating Postmodern America in THE WIZARD OF OZ and
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" Meinhardt, Matthias. Dick Laurant ist tot! Oder warum sich die Kritik zu „LOST HIGHWAY“ in nachfol-
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" Schreyer, Klaus. Die Matinee, der Meisterdenker und die Medienkunde. Plädoyer für den Beklag-
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" Seeßlen, Georg. Einsame Monster: Junge Männer: Die sonderbare Welt des David K. Lynch. Frank-
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" Wilckens, Peter. Die Abgründe der Gewalt - David Lynchs Kino-Idylle. Frankfurt/Main 1996. In: BJF
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7.4. Internetessays
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http://cinetest.philo.at/magazine/circvit.html
@ Celeste, Reni. LOST HIGHWAY: Unvelling Cinema’s Yellow Brick Road. In: http://www.mailbase.
ac.uk/lists/film-philosophy/files/paper.celeste.html
@ Deppner, Martin/Thiele, Jens. Das Bild hinter dem Bild. Bildspiegelungen in David Lynchs BLUE VELVET.
In: http://www.davidlynch.de/BILD.HTM (zuerst in: Joachim Paech [Hrsg.]. Film, Fernsehen und die
Künste. Strategien der Intertextualität. Stuttgart 1996.).
@ Herrmann, Max. LOST HIGHWAY. In: Artechock - Das Kulturmagazin. http://www.artechock.de/arte
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@ Herzogenrath, Bernd. On the LOST HIGHWAY: Lynch and Lacan, Cinema and Cultural Pathology. In:
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@ Höltgen, Stefan. David Lynchs ERASERHEAD als surrealistischer Film. Jena 1999. In: http://www.uni-
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@ Höltgen, Stefan. Unheimliche Stimmen. Telefonieren im unheimlichen Film. Jena 1998. In:
http://www.uni-jena.de/~c5stho/lh.html
@ Lorenz, Christoph. Die ästhetische Codierung autopoietischer Strukturen und Prozesse am Beispiel
von David Lynchs TV-Serie TWIN PEAKS. In: http://www.davidlynch.de/tpkonstrukt.html
@ Schaub, Mirjam. Das Kino, die Sichtbarkeit, der Blick und seine Unsichtbarkeit, dargelegt u. a. am
Beispiel von David Lynchs Film ’LOST HIGHWAY’. In: http://userpage.fu-
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@ Sternagel, Jörg. Elemente des Film noir in den Filmen ERASERHEAD (1977), BLUE VELVET (1986) und LOST
HIGHWAY (1996) von David Lynch. In: http://www.davidlynch.de/updateframe.html
7.3. Abbildungen
! Blue Velvet: Seite 22: #V/33, Seite 45 (2. Bild v. o.): #III/18, Seite 110: #I/4.
! TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: Seite 1: #III/11, Seite 53: #XI/50.
! REAR WINDOW (USA 1956, Regie: Alfred Hitchcock). Verleih: Paramount: Seite 45, 1. Bild v. o.
! PSYCHO (USA 1961, Regie: Alfred Hitchcock). Verleih: Paramount: Seite 45, 3. Bild v. o.
! LOST HIGHWAY: Seite 45, 4. Bild v. o.: #XI/72, Seite 80 (von o. n. u.): #XIV/76, #III/15, #XI/68, #XI/68.
8. Anhang
8.1. BLUE VELVET
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 117
8.1.1. Segmentübersicht: BLUE VELVET
#
Beginn
Inhalt
0
Anfang
1
0’00:00
Titel
2
0’01:22
Prolog
I
Jeffrey als Unschuldiger
3
0‘03:25
Jeffrey besucht seinen Vater im Krankenhaus
4
0’05:08
Jeffrey entdeckt das abgeschnittene Ohr
5
0’06:27
Jeffrey im Polizeirevier bei Inspektor Williams
6
0’07:50
Mit dem Ohr beim Leichenbeschauer
7
0’08:11
Polizeiliche Untersuchung der Fundstelle
8
0’08:27
Jeffreys Spaziergang
9
0’10:00
Jeffreys Besuch bei Inspektor Williams (1)
10
0’11:23
Jeffrey und Sandy gehen zur Lincoln-Road
II
Erster Kontakt mit der Unterwelt
11
0’14:55
Im Eisenwarenladen
12
0’15:38
Jeffreys und Sandys Vorbereitungen
13
0’18:42
Jeffrey als Kammerjäger in Dorothys Wohnung
14
0’23:15
Jeffrey und Sandy planen weiter
III
Jeffrey als Perverser
15
0’26:00
Im Slow-Club
16
0’28:23
Jeffrey und Sandy vor dem Deep-River-Appartment
17
0’30:15
Jeffrey bricht bei Dorothy ein
18
0’33:05
Jeffrey Im Schrank (1): Franks Anruf bei Dorothy
19
0’36:32
Dorothy entdeckt Jeffrey
20
0’40:19
Jeffrey Im Schrank (2): Frank besucht Dorothy
21
0’45:22
Jeffrey tröstet Dorothy
22
0’49:43
Jeffreys Albtraum
IV
Jeffrey als Detektiv
23
0’50:36
Im Eisenwarenladen: Jeffrey verabredet sich mit Sandy
24
0’51:13
Vor der Kirche: Jeffreys und Sandys Gespräch im Auto
25
0’55:16
Jeffrey besucht Dorothy (1)
26
0’56:30
Jeffrey im Slow-Club
27
0’57:42
Jeffrey bespitzelt Frank
28
0’59:18
Jeffrey berichtet Sandy von seinen Beobachtungen
29
1’03:33
Jeffrey besucht Dorothy (2)
30
1’04:50
Dorothy schläft mit Jeffrey
V
Jeffrey als Opfer
31
1’07:39
Frank überrascht Dorothy und Jeffrey
32
1’08:50
Beginn der Spritztour
33
1’09:54
Bei Ben
34
1’15:09
In Dreams (1)
35
1’17:35
Ende der Spritztour
36
1’19:55
In Dreams (2)
VI
Jeffrey als Polizist
37
1’23:11
Der Tag danach
38
1’24:45
Jeffrey telefoniert mit Sandy & Das Frühstück
39
1’25:44
Jeffrey auf der Polizeiwache
40
1’26:37
Jeffrey besucht Inspektor Williams (2)
VI
Jeffrey als Richter & Henker
41
1’30:00
Jeffrey holt Sandy von zuhause ab
42
1’32:01
Die Party
43
1’24:15
Heimfahrt mit Problemen
44
1’37:57
Jeffrey, Dorothy und Sandy zuhause bei Sandy
45
1’40:28
Jeffrey und Sandy telefonieren: Die Versöhnung
46
1’41:45
Jeffrey in Dorothys Wohnung
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 118
#
Beginn
Inhalt
47
1’44:20
Die Polizeiaktion
48
1’45:08
Frank kommt zu Dorothys Wohnung
49
1’47:26
Im Schrank (3): Showdown
VII
Schluss
50
1’50:57
Epilog
51
1’53:57
Schlusstitel
bis
1’55:08
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 119
8.1.2. Sequenzprotokoll: „Prolog“
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 120
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 121
8.1.3. Sequenzprotokoll: „Epilog“
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 122
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 123
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 124
8.2. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME
8.2.1. Segmentübersicht: Twin Peaks - Fire walk with me
#
Beginn
Inhalt
0
Prolog
1
0’00:00
Titel & Mord an Teresa Banks
2
0’02:56
Fargo, North Dakota: Desmond im Einsatz
3
0‘04:18
»Private Portland Airport«: Lil
4
0’05:40
Desmont und Stanley fahren nach Dear Meadow
I
Ermittlungen im Mordfall »Teresa Banks«
5
0’07:38
Im Sheriff’s Office von Dear Meadow
6
0’11:45
Die Obduktion Teresa Banks‘
7
0:15:00
Eireen’s Diner
8
0’19:26
»Fat Trout« Trailer Park
9
0’23:30
Deportation von Teresa Banks nach Portland
10
0’25:04
Chester Desmond findet den Ring und verschwindet
III
Vorstellung: FBI Special Agent Dale Cooper
11
0’26:55
Philadelphia, FBI Office, 16. Februar, 10:10 Uhr: „Philip Jeffreys“
12
0’31:15
Cooper auf dem »Fat Trout« Trailer Park in Dear Meadow
IV
Vorstellung: Laura Palmer (1. und 2. Tag)
13
0’33:47
Laura in der Highschool: Ein Schultag
14
0’39:20
Laura und Donna: Falling in Space
V
Laura Palmers Probleme
15
0’42:03
Die fehlenden Seiten des Tagebuchs: Laura bei Harold
16
0’46:45
Visions from „another place“
17
0’47:00
Philadelphia: Cooper und Rosenfield
18
0’48:11
Laura begegnet den Tremonds und bekommt das Bild geschenkt
19
0’50:02
Lauras Begegnung mit BOB: Der Verdacht
20
0’53:00
Abendessen im Hause Palmer
21
0’56:38
Vorm Schlafengehen
22
0’59:22
Lauras Traum: Im Bild der Tremonds (Der Ring)
VI
Laura Palmers dunkle Seiten (3. Tag)
23
1’04:52
Shelly und Leo, Bobby braucht Drogen (Anruf bei Leo und Jacques)
24
1’06:50
Lauras Vorbereitungen für den Besuch der »Bang-Bang-Bar«
25
1’08:55
Begegnung mit der Log-Lady & In der »Bang-Bang-Bar«
26
1’10:05
»Questions in a world of blue«: Laura als Prostituierte
27
1’15:25
Die Orgie im »Road-House«
VII
Lauras Verdacht erhärtet sich (4. Tag)
28
1’24:60
Der Tag danach: Laura und Donna
29
1’26:22
Leland und Laura im Auto (1): Begegnung mit MIKE
30
1’28:34
Rückblende (1): Leland und Teresa Banks
31
1’29:27
Im Auto (2): Angst und Verwirrung
32
1’30:00
Rückblende (2): Leland entdeckt Lauras „Nebenjob“
33
1’30:58
Im Auto (3): Laura fragt Leland (vgl. 19)
34
1’32:45
Laura erinnert sich an den Ring aus ihrem Traum & Visionen
35
1’33:46
Rückblende (3): Leland tötet Teresa Banks
VIII
Lauras Drogensucht (5. Tag)
36
1’34:14
In der Schule: Laura und Bobby
37
1’35:18
Drogendeal im Wald: Bobby wird zum Mörder
IX
Laura erkennt Lelands zweite Identität (6. Tag)
38
1’40:50
James besucht Laura
39
1’42:20
Lauras nächtlicher Besuch von Bob/Leland
40
1’46:24
Frühstück im Hause Palmer (7. Tag)
41
1’47:58
In der Schule
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 125
#
Beginn
Inhalt
42
1’48:58
Laura braucht Drogen von Bobby
43
1’50:00
Lauras Vorbereitungen für die Nacht mit Jacques, Leo und Ronnette
X
Lauras Tod
44
1’52:22
James und Lauras fahrt durch die Nacht
45
1’58:45
Das Treffen mit Jacques, Leo und Ronnette
46
2’00:00
Leland greift ein
47
2’01:40
Die Entführung / MIKE will helfen
48
2’02:17
Im Eisenbahnwaggon
49
2’04:35
Laura nimmt Theresas Ring / Mord / »Wrapped in plastic«
XI
Epilog
50
2’06:31
Scenes from »another place«: Pain and Sorrow
51
1’09:00
COOPER und LAURA
52
2’12:07
Schlusstitel
bis
2’14:30
8.2.2. Tabelle „Zeichenkategorien in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME“
Zeichen der
Serienreferenz
Zeichen medialer
Verdopplung
Zeichen als Sym-
bole i. e. Sinne
Narratologische
Zeichen
Zeichen ohne (er-
kennbare) Referenz
Der Ventilator
TV-Flimmern
Die blaue Rose
Uhren
blaue Rose
Der Ring
Lauras Tagebuch
Der Ring
Der Mais
Die Ampel
Lichtflackern
Das Engel-Bild
Der Ventilator
Der Affe
Buchstabe unter dem
Fingernagel
Buchstabe unter dem
Fingernagel
Das weiße Pferd
(#IX/39)
zerstörtes TV-
Gerät (#I/1)
Lauras zweites Gesicht
(#V/15)
Das weiße Pferd
(#IX/39)
Strommasten &-
drähte
Das Bild der
Tremonds
Videokamera
(#III/11)
Lelands zweites Ge-
sicht (#XI/50)
Kaffee
Titelbild (#IV/13)
Engel
Masken
MIKE / Philip Gerard
Cooper auf dem
Monitor (#III/11)
Annie
Blackburn
Lil
BOB / Leland
Laura Palmer
Judy
MAN FROM ANOTHER
PLACE
Teresas Nachbarin
Chalfonts /
Tremonds
Leute von „above a
convenience store“
Annie
Blackburn
Philip Jeffries
Harold Smith
Die Loglady
„Let’s rock!“
Elektrizität
Farbe „Rot“
„Let’s rock“
Das Verschwinden
Der Arm
Der Arm
Der Arm
Der Arm
Der Arm
„Diane“
Jodeln
„Garmonbozia“
Segmente #I - #III
Black Lodge
Farbe „Blau“
Feuer
Lauras Tagebuch
Zweiteilung des Films
„Garmonbozia“
Der Filmtitel:
„Fire walk with me“
Der Filmtitel:
„Fire walk with me“
Bilder
Charaktere
Motive
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 126
8.2.3. Sequenzprotokoll: „FBI Headquarter“
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 127
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 128
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 129
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 130
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 131
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 132
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 133
8.3. LOST HIGHWAY
8.3.1. Segmentübersicht: LOST HIGHWAY
#
Beginn
Inhalt
I
Exposition: Freds Welt
0
0’00:00
Titles
1
0‘02:27
Fred am Morgen
2
0‘04:45
Abends, Abschied von Renée
3
0’06:24
Im Jazz-Club
4
0’07:10
Telefonat nach Hause
5
0’08:10
Wieder zu Haus & Suche nach Renée
II
Die Videos
6
0’09:07
Morgens & Renée findet Video 1
7
0’11:09
Renée und Fred sehen Video 1
8
0’11:42
Nachts in der Wohnung, Fred träumt, Sex mit Renée
9
0’16:01
Freds erste Vision & Traum
10
0’17:45
Morgens & Renée findet Video 2
11
0’20:00
Renée und Fred sehen Video 2
12
0’20’50
Renée ruft die Polizei
13
0’21:29
Polizei im Haus
III
Die Party bei Andy
14
0’26:00
Party bei Andy (Anfang)
15
0’27:30
Fred und Mystery Man (Telefonat)
16
0’30:15
Party bei Andy (Ende)
IV
Mord an Renée
17
0’31:34
Fred und Renée im Auto & Heimfahrt
18
0’32:29
Fred durchsucht das Haus
19
0’33:48
Fred und Renée vorm Haus
20
0’34:29
Nachts, Fred geht in die Dunkelheit
21
0’38:00
Morgens, Fred und Video 3
22
0’39:00
Fred sieht Video 3
V
Verurteilung und Gefängnis
23
0’40:00
Polizeirevier
24
0’40:19
Fred kommt ins Gefängnis
25
0’41:30
Fred in der Todeszelle
26
0’42:50
Hofgang und Zusammenbruch
27
0’43:28
Fred beim Gefängnisarzt
28
0’45:00
Fred in der Todeszelle und Wärter
29
0’46:40
Visionen: brennendes Haus, Highway, Pete
VI
Exposition: Petes Welt
30
0’49:04
Wärter findet Pete & Identifizierung & Eltern
31
0’51:20
Pete und Eltern kehren Heim
32
0’52:07
Observierung
33
0’52:45
Pete im Garten
34
0’54:08
Pete und Freunde in Petes Haus
35
0’55:09
In der Disko
VII
Pete und Mr. Eddy
36
0’56:19
In Arnies Garage (1)
37
0’57:39
Mr. Eddy besucht Pete in Arnies Garage (1)
38
0’58:50
Mr. Eddys und Petes Spritztour (Anfang)
39
1’00:00
Exkurs: Dicht auffahren
40
1’03:33
Mr. Eddys und Petes Spritztour (Ende)
41
1’05:00
Pete, Nachts zu Hause
42
1’05:40
Pete und Sheila, Nachts im Auto & Sex & Observierung
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 134
#
Beginn
Inhalt
43
1’08:45
In Arnies Garage (2)
44
1’09:45
Mr. Eddy besucht Pete in Arnies Garage (2) & Alice
VIII
Pete und Alice
45
1’11:45
Abend in Arnies Garage, Alice besucht Pete
46
1’15:02
Alice und Pete Sex (1)
47
1’16:51
Alice und Pete im Auto
48
1’17:10
Alice und Pete Sex (2) & Observierung
49
1’17:46
Alice ruft Pete zu Hause an
IX
Petes Welt bricht zusammen
50
1’18:45
Petes Visionen & Flimmern
51
1’20:00
Alice und Pete Sex (3)
52
1’20:45
Petes Gespräch mit seinen Eltern
53
1’23:00
Mr. Eddy besucht Pete in Arnies Garage (3) & Drohung
54
1’24:20
Telefonat: Pete und Alice
55
1’24:30
Pete und Alice im Hotel
56
1’26:00
Alice erzählt von Mr. Eddy und Andy
57
1’27:28
Exkurs: Retrospektive „In Mr. Eddys Haus“
58
1’30:20
Alice und Pete schmieden einen Überfallplan
59
1’32:20
Petes Streit mit Sheila & Trennung
60
1’34:11
Telefonat: Mr. Eddy und Mystery Man rufen Pete an
X
In Andys Villa
61
1’36:25
Pete fährt zu Andys Haus und bricht ein
62
1’38:30
Pete schlägt Andy nieder & Gespräch mit Alice
63
1’39:15
Pete tötet Andy & Plünderung
64
1’41:00
Petes Visionen & Schmerzen & Gespräch mit Alice
65
1’45:12
Pete und Alice fliehen in die Wüste
XI
In der Wüste (Die Rückverwandlung)
66
1’46:00
Ankunft beim Haus in der Wüste
67
1’48:00
Sex in der Wüste
68
1’51:47
Petes Verwandlung in Fred & Mystery Man
XII
Lost Highway Motel
69
1’54:00
Fred fährt zum Lost-Highway-Hotel
70
1’54:32
Renée und Dick Laurant Sex im Motel und Fred
71
1’55:15
Renée und Dick Laurant nach dem Sex
72
1’56:20
Fred kidnappt Dick Laurant & Mystery Man
XIII
Fred tötet Mr. Eddy
73
1’57:30
In der Wüste: Kampf, Mystery Man, Hinrichtung
74
2’01:19
Polizei bei Andy
75
2’02:05
In der Wüste, morgens
XIV
Ende und ein neuer Anfang
76
2’02:25
Fred bei seinem Haus
77
2’03:30
Verfolgungsjagd und Verwandlung
78
2’04:45
End Titles
bis
2’08:22
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 135
8.3.2. Sequenzprotokoll „Die Party bei Andy“
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 136
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 137
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 138
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 139
Gliederung
1. Einleitung................................................................................................................................. 2
1.1. Einführung in die Thematik ............................................................................................... 2
1.2. Aufbau der Arbeit und Methode ..................................................................................... 3
1.3. Abgrenzung..................................................................................................................... 5
1.4. Biografische und filmografische Notiz zu David Lynch .................................................... 5
2. Theorie und Methode.............................................................................................................. 8
2.1. Der postmoderne Film...................................................................................................... 8
2.1.1. Frank Burke: Multiple Coding.................................................................................... 8
2.1.2. Ernst Schreckenberg: Verdopplung als Postmodernität ........................................... 9
2.1.3. Franz Derendinger: Verdopplung und Ironie.......................................................... 10
2.1.4. Franz Loquai: FilmimFilm ......................................................................................... 11
2.2. Die Ästhetik der Verdopplung........................................................................................ 12
2.2.1. Die Verdopplung der Erzählung ............................................................................. 12
2.2.2. Die Verdopplung des Genres................................................................................. 13
2.2.3. Die Verdopplung des Mediums .............................................................................. 14
2.3. Abgrenzung zu den Verfahren »moderner« Intertextualität............................................ 15
2.3.1. Anleihen: Pastiche und Plagiat............................................................................... 15
2.3.2. Anklagen: Parodie, Persiflage, Travestie und Satire................................................ 16
2.3.3. Anspielungen: Hommage, Collage und Adaption ................................................ 16
2.4. Die Methode Lynch........................................................................................................ 17
2.4.1. Zeitlosigkeit.............................................................................................................. 18
2.4.2. Negationen............................................................................................................. 19
2.4.3. Bild und Ton ............................................................................................................ 19
2.4.4. Spiegelbilder........................................................................................................... 19
2.4.5. Meta-Motivik ........................................................................................................... 20
3. BLUE VELVET: Die Verdopplung der Erzählung ......................................................................... 23
3.1. Synopsis ......................................................................................................................... 23
3.2. Unpresenting BLUE VELVET ................................................................................................ 26
3.3. Close the gaps: BLUE VELVET als Traum............................................................................ 28
3.3.1. Traum-Zeit................................................................................................................ 30
3.3.2. Traum-Ort ................................................................................................................ 30
3.3.3. Traum-Handlung ..................................................................................................... 30
3.3.4. Traum-Figuren ......................................................................................................... 31
3.3.5. Traum-Logik ............................................................................................................ 32
3.3.5. Traum-Probleme...................................................................................................... 33
3.4. Inside the Dream............................................................................................................ 33
3.4.1. Einschlafen: Detailanalyse zum „Prolog“ ................................................................ 34
3.4.1.1. Einstellungen 1 - 8 ............................................................................................ 34
3.4.1.2. Einstellungen 9 - 17 .......................................................................................... 36
3.4.1.3. Einstellungen 18 - 22 ........................................................................................ 37
3.4.1.4. Einstellungen 23 - 25 ........................................................................................ 38
3.4.2. Erwachen: Detailanalyse zum „Epilog“................................................................... 40
3.4.2.1. Einstellungen 1 - 9 ............................................................................................ 40
3.4.2.2. Einstellungen 10 - 16 ........................................................................................ 40
3.4.2.2. Einstellungen 17 - 20 ........................................................................................ 41
3.5. BLUE VELVET als Referenz................................................................................................... 42
3.5.1. THE WIZARD OF OZ (1939)........................................................................................... 42
3.5.2. UN CHIEN ANDALOU (1929)......................................................................................... 43
3.5.3. PEEPING TOM (1959).................................................................................................. 43
Exkurs: David Lynch und Alfred Hitchcock............................................................................... 46
a) Figuren ............................................................................................................................. 46
aa) REAR WINDOW (1953) .................................................................................................. 46
ab) PSYCHO (1961)............................................................................................................ 46
ac) VERTIGO (1957)............................................................................................................ 47
ad) THE BIRDS (1962) .......................................................................................................... 47
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 140
ae) FRENZY (1971).............................................................................................................. 48
b) Motive.............................................................................................................................. 48
ba) Der Blick ..................................................................................................................... 48
bb) Die Frau als Opfer...................................................................................................... 49
bc) Der einsame Held ....................................................................................................... 49
bd) Der Ort des Privaten als Schauplatz des Verbrechens............................................... 49
c) Erzählstrategien................................................................................................................. 50
ca) MacGuffins in BLUE VELVET............................................................................................ 50
cb) MacGuffins in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME .................................................................50
cc) MacGuffins in LOST HIGHWAY ........................................................................................ 51
cd) MacGuffins?............................................................................................................... 52
4. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME: Die Verdopplung des Genres.................................................... 54
4.1. Synopsis ......................................................................................................................... 54
4.2. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME - Ein Film mit sieben Siegeln ................................................ 57
4.3. Konspirative Zeichen...................................................................................................... 59
4.3.1. Zeichen der Serienreferenz ...................................................................................... 60
4.3.2. Zeichen medialer Verdopplung.............................................................................. 61
4.3.3. Zeichen als Symbole ............................................................................................... 61
4.3.4. Narratologische Zeichen......................................................................................... 61
4.3.5. Zeichen ohne (erkennbare) Referenz...................................................................... 62
4.4. »Fell a victim!« - Detailanalyse zu #V/22 ......................................................................... 63
4.4.1. Das Bild, die Wahrheit und das Märchen davon (1 - 23) ...................................... 63
4.4.2. Der Angriff der übrigen Zeit auf die Gegenwart (24 - 59)....................................... 65
4.4.3. Videohallucination? (60 - 67)................................................................................. 70
4.5. Doppelfiguren................................................................................................................ 71
4.5.1. The wounded and the visionary Laura Palmer....................................................... 72
4.5.2. Leland Palmer - das irrationale Motiv..................................................................... 74
4.5.3. Dale Cooper - Calling from the future.................................................................... 75
4.5.4. Gordon Cole - der Ruf des Autoren ....................................................................... 76
4.6. Die Wiederkehr des Erzählens in der Postmoderne ........................................................ 77
5. LOST HIGHWAY: Die Verdopplung des Mediums....................................................................... 80
5.1. Synopsis ......................................................................................................................... 80
5.2. Aufblende: LOST HIGHWAY über die Wahrheit .................................................................. 83
5.2.1. Möbiusband: Das Ende der Erzählung als Erzählung ohne Ende ........................... 84
5.2.2. Die Konstante: Mystery Man und das Medium ....................................................... 85
5.2.3. Wirklichkeit und Wahnsinn ...................................................................................... 87
5.3. Telefonieren: Dial M for Madison ................................................................................... 88
5.3.1. Arnie telefoniert....................................................................................................... 89
5.3.2. Renée und Alice telefonieren.................................................................................. 89
5.3.3. Fred und Pete telefonieren...................................................................................... 91
5.3.4. Der Mystery Man telefoniert..................................................................................... 93
5.4. Videofilme(n): I like to remember things my own way................................................... 96
5.4.1. Die Tapes: Überwachen und schlafen.................................................................... 96
5.4.2. Bilder schießen........................................................................................................ 99
5.5. Foto - Kino - Fernsehen ................................................................................................ 100
5.5.1. Bild und Abbild in Andys Haus.............................................................................. 101
5.5.2. Bild und Abbild in der Wüste ................................................................................ 102
5.6. Abblende: Die Wahrheit über LOST HIGHWAY.................................................................103
5.6.1. Die Dinge, wie man sie im Kopf hat...................................................................... 103
5.6.2. Die Dinge, wie sie passiert sind.............................................................................. 105
6. Schluss.................................................................................................................................109
6.1. Zusammenfassung ....................................................................................................... 109
6.2. Ausblick: Theorie à la Lynch......................................................................................... 110
7. Quellen und Literaturverzeichnis.......................................................................................... 113
7.1. Quellen ........................................................................................................................ 113
SPIEGELBILDER ANHANG SEITE 141
7.2. Monografien und Sammelbände................................................................................ 113
7.3. Aufsätze und Einzelanalysen ........................................................................................ 114
7.4. Internetessays............................................................................................................... 116
7.3. Abbildungen................................................................................................................ 116
8. Anhang ............................................................................................................................... 116
8.1. BLUE VELVET .................................................................................................................... 116
8.1.1. Segmentübersicht: BLUE VELVET............................................................................... 117
8.1.2. Sequenzprotokoll: „Prolog“ .................................................................................. 119
8.1.3. Sequenzprotokoll: „Epilog“................................................................................... 121
8.2. TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME.......................................................................................... 124
8.2.1. Segmentübersicht: Twin Peaks - Fire walk with me ................................................ 124
8.2.2. Tabelle „Zeichenkategorien in TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME“.................................125
8.2.3. Sequenzprotokoll: „FBI Headquarter“................................................................... 126
8.3. LOST HIGHWAY ................................................................................................................ 133
8.3.1. Segmentübersicht: LOST HIGHWAY ........................................................................... 133
8.3.2. Sequenzprotokoll „Die Party bei Andy“ ................................................................ 135
Gliederung .............................................................................................................................. 139
ERKLÄRUNGEN
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und nur unter
Verwendung der angegebenen Hilfsmittel und Literatur angefertigt habe.
Jena, 2000-06-15
Seitens des Verfassers bestehen keine Einwände, die vorliegende Magisterarbeit
für die öffentliche Benutzung in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek zur
Verfügung zu stellen.
Jena, 2000-06-15
Spiegelbilder
Anhang
Seite 119
8.1.2. Sequenzprotokoll: „P rolog“
#
Zeit
Bildinhalt
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Tonspur
Musikspur
1
0’01:3
2
Blauer Himmel mit wenigen Wolken.
Weißer Lattenzaun mit sieben roten
Rosen davor. Vögel fliegen am Himmel.
Nah /
Schwenk:
n. unten
Untersicht
Vogelgezwitscher
Choral: „Blue Velvet“1
„She wore Blue …
2
0’01:3
7
Überblendung: Hintergrund: Gebäude,
davo r Bäume, davo r eine Straße.
Vordergrund: Rotes Feuerwehrauto fährt
von links nach rechts. Darauf ein
winkender Mann und ein Dalmatiner.
Totale /
Schwenk:
links ! rechts
Normal
-
„Velvet. Bluer than velvet
was the night.“
3
0’01:4
6
Überblendung: Weißer Lattenzaun.
Davor ca. 30 gelbe Tulpen.
Nah /
Fix
US
-
„Softer than satin was the
light …“
4
0’01:5
2
Überblendung: Straße mit Schülerlotse,
der STOP-Schild in der Hand hält. Er
winkt acht Kinder über die Straße.
Totale /
Fix
Normal
-
„from the stars. She wore
…“
5
0’01:5
8
Überblendung: Einfamilienhaus, Auto
rechts daneben, Garten mit weißem
Zaun davor. links: ähnliches Haus.
Totale /
Fix
Normal
-
blue velvet.“
6
0’02:0
2
Mann mit Hut (Tom Beuamont) sprengt
Rasen vo r seinem (weißen) Haus.
Halbtotale /
Fix
Normal
Wasserspritzen
„Bluer than velvet where
her eyes.“
7
0’02:0
8
Innen: Frau auf einem Sofa, mit einer
Tasse Kaffee auf dem Schoß sieht nach
rechts und trinkt aus der Tasse.
Nah /
Fix
Normal
-
„Warmer than may her
tender …“
8
0’02:1
2
Innen: Gegenschuss zu #7: Fernseher mit
Schwarzweißfilm, zeigt in Großaufnahme
Hand mit Revo lver, die sich von rechts
nach links bewegt.
Nah
(TV: Groß) /
Fix
(TV:
Schwenk:
rechts !
links)
Normal
(TV:
Normal)
-
„… sighs. Lo ve was …“
9
0’02:1
6
Wie 6: Tom Beuamont sieht nach rechts
unten, bewegt sich leicht hin und her.
Amerikan. /
Fix
Normal
Wasserspritzen
„… ours.“
10
0’02:2
0
Wasserhahn an der Hauswand mit
grünem Schlauch. Die Dichtung ist
defekt, Wasser spritzt nach links.
Groß /
Fix
OS
Wasserspritzen
Leichtes Dröhnen (vom
Überdruck)
„Ours …“
11
0’02:2
2
Wie 9: Tom Beuamont zieht am
Schlauch, bewegt sich nach links.
Schaut nach hinten rechts.
Amerikan. /
Fix
Normal
Wasserspritzen
„… a lo ve I held tightly.“
12
0’02:2
Grüner Schlauch wickelt sich um einen
Detail /
Normal
Wasserspritzen
„Feelin‘ the …“
1 # 1 bis # 24: Blue Velvet. Musik & Text: Bernie Wayne & Lee Morris. Gesang: Bobby Vinton.
Spiegelbilder
Anhang
Seite 120
#
Zeit
Bildinhalt
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Tonspur
Musikspur
6
dünnen Ast und wird abgeklemmt.
Fix
Zischen vom Wasserüberdruck
13
0’02:2
7
Wie 9: Tom Beuamont zieht weiter am
Schlauch.
Amerikan. /
Fix
Normal
Wasserspritzen
„… rapture …
14
0’02:2
9
Wie 10 : Wasser spritzt aus dem
gesamten Dichtungsring.
Detail /
Fix
Normal
Wasserspritzen
lauteres Dröhnen vom Überdruck
„… gro w.“
15
0’02:3
1
Wie 12 .
Detail /
Fix
OS
Wasserspritzen
lauteres Dröhnen vom Ü berdruck
16
0’02:3
2
Wie 14 .
Detail /
Fix
Normal
Lautes Dröhnen
„Like a …“
17
0’02:3
3
Wie 9: Tom Beuamont versucht durch
Schütteln des Schlauches diesen zu
entwirren.
Er dreht sich nach rechts, wirft den Kopf
nach Hinten, verliert fast den Hut,
greift sich mit schmerzverzerrtem Gesicht
sich in den Nacken.
Amerikan. /
Fix
Normal
Lautes Dröhnen
„… flame burning brightly
…“
18
0’02:3
7
Tom Beuamont liegt auf dem Rasen
(Kopf links, Füße rechts), hebt den
spritzenden Schlauch. Wasser schießt
nach oben.
Halbtotale /
Fix
Drausicht
Sehr lautes Dröhnen.
Tom Beaumont stöhnt vor
Schmerz.
„… but when she left, …“
19
0’02:4
2
Unscharf: Sprühende Wassertropfen. Der
Wasserstrahl spritzt hin und her.
Detail /
Schwenk
nach unten
Normal
Sehr lautes Dröhnen.
Wassersprühen.
„… go ne …“
20
0’02:4
6
Tom Beaumont liegt auf dem Boden.
Im Vordergrund ist ein Hund, der mit
den Vorderpfo ten auf dem rechten Bein
des Mannes steht, nach dem nach
oben spritzenden Wasserstrahl schnappt
und bellt.
Aus dem Hintergrund ko mmt ein kleines
Kind.
Halbtotale /
Fix
leichte OS
Sehr lautes Dröhnen.
Wassersprühen.
Hundegebell
„… was the glo w of blue
…“
21
0’02:4
8
Wie 18 : Der Hund beißt nach dem
Wasserstrahl.
Nah /
Fix
Normal
bis leichte
OS
Weiter anschwellendes Dröhnen.
Wassersprühen.
Hundegebell
„… velvet.“
22
0’02:5
3
Zeitlupe: Der Hund schnappt nach dem
Wasserstrahl.
Groß /
Fix
Normal
Weiter anschwellendes Dröhnen.
Wassersprühen.
„But in my heart …“
23
0’02:5
6
Ausschnitt des Rasens in Nahaufnahme.
Nah /
Schwenk
links ! rechts
Normal
Weiter anschwellendes Dröhnen.
Wassersprühen.
„… there’ll always be“
24
0’03:0
4
Rasen: einzelne Grashalme. Fahrt
hindurch ins Dunkle auf ein schwarzes
Gewimmel zu.
Detail /
Fahrt vo r
Normal
Wassersprühen bzw. lautes Zischen
„precious and warm, a
memory through the years.“
(ausgeblendet)
Spiegelbilder
Anhang
Seite 121
#
Zeit
Bildinhalt
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Tonspur
Musikspur
Dröhnen.
25
0’03:2
3
Überblendung: 3 bis 4 Käfer, die
übereinander krabbeln und miteinander
kämpfen.
Detail /
Fix
Normal
Geknister vom Krabbeln.
Dröhnen.
bis
0’0 3:2
9
8.1.3. Sequenzprotokoll: „Ep ilog“
#
Zeit
Bildinhalt
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Tonspur
Musikspur
1
1‘55:2
7
aus Weißblende: Jeffreys Ohr
Jeffreys schlafendes Gesicht
Jeffrey erwacht.
Zoom: Detail
! Groß /
Fix
Normal
Vogelgezwitscher
„And the mysteries of love
come clear. And dance in
…“2
2
1‘55:5
9
Baumäste mit Rotkehlchen
Rotkehlchen bewegt den Kopf.
Halbnah /
Fix
US
Vogelgezwitscher
„…light.“
3
1‘56:0
1
Jeffreys lächelndes Gesicht
Jeffrey liegt auf einer Gartenliege.
Groß /
Fix
DS
Vogelgezwitscher
-
4
1‘56:0
4
Baumäste mit Rotkehlchen
Rotkehlchen bewegt den Kopf .
Halbnah /
Fix
US
Vogelgezwitscher
„In you ….“
5
1‘56:0
7
Jeffreys lächelndes Gesicht
Jeffrey liegt auf einer Gartenliege.
Groß /
Fix
DS
Sandy: „Jeffrey! Lunch is ready!“
Jeffrey: „Okay!“
-
6
1‘56:1
2
Jeffrey auf der Liege.
Hintergrund: Sandy steht in der Haustür
und geht ins Haus.
Jeffrey steht auf, g eht zum Haus.
Jeffrey bleibt stehen, sieht nach hinten
links und ruft.
Halbnah /
Fix
Normal
Jeffrey: „How’re you doin’ ?“
„In me. And show that we
…“
7
1‘56:2
7
Hinten: Inspektor Williams (rechts) mit
einer Gartenharke und Tom Beaumont
(links), wie er etwas auf einem
Gartentisch herrichtet.
Totale /
Fix
Normal
Inspektor Williams: „Hey Jeffrey!“
Tom Beaumont: „Hey Jeff! Feel
much better now, Jeff.“
Jeffrey (OFF): „Good deal, Dad“
„are Love.“
8
1‘56:3
0
Jeffery dreht sich nach links und geht
auf die Haustür zu.
Halbnah /
Fix
Normal
-
Instrumental
9
1’55:3
3
Im Haus: Tante Barbara und Sandy in
der Küche vorm Fenster.
Nah /
Fix
Normal
Tante Barbara: „Sandy! Look!“
(deutet auf das Fenster)
Instrumental
10
1’56:3
5
Fenster: Draußen auf dem Fensterbrett
sitzt ein (mechanisches) Rotkehlchen
Nah /
Fix
Normal
OFF: Eine der beiden Frauen lacht
gedämpft
Instrumental
2 #1 bis #19: Mysteries of Love. Musik: David Lynch & Angelo Badalamenti. Text: David Lynch. Gesang: Julee Cruise.
Spiegelbilder
Anhang
Seite 122
#
Zeit
Bildinhalt
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Tonspur
Musikspur
und bewegt sich (mechanisch).
11
1’56:3
8
Jeffrey kommt in die Küche
Jeffey ruft durch eine Tür in anderen
Raum.
Amerikan. /
Schwenk:
links ! rechts
Normal
Jeffrey: „Lunchtime!“
Instrumental
12
1’56:4
1
Auf einem weißen Sofa sitzen Mrs.
Beaumont und Mrs. Williams.
Beide schauen in die Kamera.
Halbnah /
Fix
Normal
Mrs. Beaumo nt: „Okay Jeffrey.“
Mrs. W illiams: „Sounds goo d.“
Instrumental
13
1’56:4
4
Jeffrey in der Küche. wendet sich nach
rechts und geht nach rechts zu Sandy
und Tante Barbara.
Jeffrey, Sandy und Tante Barbara sehen
zum Fenster.
Amerikan. /
Schwenk:
links ! rechts
Normal
Sandy: „Jeffrey. Come over here
and look at this.“
Sandy: „L ook!“
Instrumental
14
1’56:5
1
Fenster. Draußen sitzt das Rotkehlchen
und bewegt den Kopf. Es hat einen
Käfer im Schnabel.
Nah /
Fix
Normal
Jeffrey (OFF): „Yeah, I saw him
outside.“
Instrumental
15
1’56:5
4
Jeffrey, Sandy und Tante Barbara sehen
nach rechts zum Fenster.
Jeffrey sieht Sandy an.
Sandy sieht zu Jeffrey.
Jeffrey nickt Sandy zu.
Nah /
Fix
Normal
Jeffrey (zu Sandy): „Maybe the
robins are here?
Tante Barbara: „I do n’t see how
they can do that. I could never
eat a bug.“
Sandy (zu Jeffrey): „It’s a strange
world, isn’t it?“
Instrumental
16
1’57:1
5
Rotkehlchen auf der Fensterbank,
(näher als [10]).
Der Käfer im Schnabel bewegt sich.
Groß /
Fix
Normal
-
„Sometimes a wind …“
17
1’57:1
9
Überblendung: weißer Lattenzaun mit
ca. 30 gelben Tulpen davor. die Tulpen
wiegen sich leicht im Wind.
Nah /
Fix
Normal
-
„blows.“
18
1’57:2
3
Zeitlupe: Ein rotes Feuerwehrauto fährt
von links nach rechts. Auf dem Wagen
ein Mann (winkend) und ein Dalmatiner.
Halbnah /
Schwenk:
links ! rechts
Normal
-
„And the mysteries of love
…“
19
1’57:3
0
Weißer Lattenzaun. Sechs rote Rosen
davo r. links: Eine Rose ohne Kopf.
Hinten: Himmel mit Wolken.
Nah /
Fix
Normal
-
„… come clear.“
20
1’57:3
4
Überblendung: Junge mit Spielhut
(Rückansicht) geht nach hinten ins Bild,
Arme ausgebreitet, auf eine Bank zu.
Dorothy sitzt auf der Bank und lächelt.
Nah
Schwenk:
links ! rechts
Normal
-
(Mysteries of Lo ve
Instrumental blendet über in
Blue Star3):
3 #20: Blue Star: Musik: Angelo Badalamenti & David Lynch (Nach Wayne/Morris/Vint on: B lue Velvet), Text: David Lynch. Gesang: Isabella Rosselini.
Spiegelbilder
Anhang
Seite 123
#
Zeit
Bildinhalt
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Tonspur
Musikspur
Sie nimmt das Kind in die Arme, hebt
das Kind hoch, lächelt zuerst, schaut
dann leicht besorgt.
Schwenk nach links oben in den Himmel
(Bild wird unscharf).
Schwenk
nach oben
US
„And I still can see Blue
Velvet through my tears.“
bis
1’5 8:3
2
Erläuterungen: OS = Obersicht, US = Untersicht, DS = Draufsicht,
! (bei Kameraperspektive) kennzeichnet fließende Brennweitenänderungen (Zo oms).
Spiegelbilder
Anhang
Seite 126
8.2.2. Sequenzprtokoll: „FBI Hea dq uarter“
#
Zeit
1. B ildebene
2. B ildebene
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Ton
1
0’25:55
Glocke auf dem Dach des FBI-
Hauptquartiers. Bildunterschrift
„Philadelphia“
*
Nah
Schwenk
hoch
Normal
Musik: anschwellender HiHat
2
0’27:01
Innen: Gordon Co les Büro. Coo per
kommt von links zur Tür herein und
geht auf Cole zu.
Cole und Co oper im Bild.
Cooper kniet vor Coles Tisch.
*
Halbnah !
Nah
Schwenk
links
Normal
[Soundtrack: leichte Jazzmusik]
Cooper: „Go rdon! It’s 10:1 0 am
on February 16th.“
3
0‘27‘14
Gegenschuss: Co le schaut zu
Cooper, dann auf seine Uhr, dann
wieder zu Cooper
*
Nah
Fix
Normal
[Soundtrack: leises Summen]
4
0‘27‘18
Gegenschuss: Co oper (kniend)
spricht zu Gordon.
*
Nah
Fix
Normal
[Soundtrack: leises Summen]
Cooper: „I was warried abo ut
today because of a dream I told
you about.“
5
0’27:22
Gegenschuss: Gordo n sieht
fragend zu Co oper
*
Nah
Fix
Normal
[Soundtrack: leises Summen]
6
0’27:24
Flur. In der Mitte an der Decke ist
eine Überwachungskamera
befestigt.
Cooper kommt von rechts, geht bis
zur Kamera, bleibt stehen, dreht sich
um und schaut in die Kamera.
*
Amerikan.
Fix
Normal
[Soundtrack: leises Summen]
[Soundtrack: unheimlicher]
7
0’27:33
Überwachungsmonitor mit Coo per
darauf, der direkt in die Kamera
sieht.
*
Nah
Fix
leichte
OS
[Soundtrack: unheimlicher]
8
0‘27‘36
(Wie 6 ). Cooper sieht in die
Kamera, wendet sich um und geht
nach links durch eine Tür.
*
Amerikan.
Fis
Normal
[Soundtrack: unheimlicher, leise]
9
0’27:38
Im Kontrollraum: Wächter
überwacht die Monitore. Auf dem
mittleren verschwindet Cooper
gerade im Bildrand. Cooper kommt
von rechts in den Wachraum und
geht auf die Monitore zu. Er schaut
auf den mittleren.
*
Nah
Fix
Normal
[Soundtrack: unheimlicher, leise]
10
0’27:41
(wie 7). Mittlerer Monitor zeigt den
leeren Flur.
*
Nah
Fix
Normal
[Soundtrack: unheimlicher, leise]
11
0‘27‘44
(wie 9). Coo per geht nach rechts
aus dem Raum.
*
Nah
Fix
Normal
[Soundtrack: unheimlicher, leise]
Spiegelbilder
Anhang
Seite 127
#
Zeit
1. B ildebene
2. B ildebene
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Ton
12
0‘27‘45
(wie 7). Coo per erscheint auf dem
Monitor ( vo n links) und sieht direkt
in die Kamera.
*
Nah
Fix
leichte
OS
[Soundtrack: unheimlicher, leise]
13
0’27:48
(wie 6). Coo per sieht in die Kamera
und geht dann nach rechts aus
dem Bild.
*
Nah
Fix
leichte
OS
[Soundtrack: unheimlicher, leise]
14
0’27:50
(wie 9). Coo per kommt von rechts
in den Wachraum, geht auf die
Monitore zu und schaut wieder auf
den mittleren.
*
Nah
Fix
Normal
[Soundtrack: unheimlicher, leise]
15
0’27:53
(wie 7). Der leere Flur.
*
Nah
Fix
Normal
[Soundtrack: unheimlicher, leise]
16
0’27:55
Ecke des Flurs. Links FBI-Logo an der
Wand, rechts: USA-Fahne. Eine
blaue Fahrstuhltür (Nr. 7) öffnet sich.
*
Amerikan.
Fix
Normal
[Soundtrack, wird bedrohlicher]
Laute Geräusche der sich
öffnenden Tür.
17
0’2 8:02
(wie 6): Coo per kommt von links
und schaut in die Kamera.
*
Nah
Fix
leichte
OS
[unheimlicher Soundtrack mit
rückwärts gespielten Passagen]
18
0’28:06
(wie 16). Jeffries kommt aus dem
Fahrstuhl und geht schnell nach
vorn, rechts aus dem Bild.
*
Amerikan.
leichter
Schwenk
nach Rechts
Normal
[unheimlicher Soundtrack mit
rückwärts gespielten Passagen]
Geräusch des aus dem Fahrstuhl
kommenden Jeffries (R-V)
19
0’28:10
(wie 6). Coo per schaut in die
Kamera und g eht nach links ab.
Hinter ihm sieht man jetzt Jeffries auf
die Kamera zugehen.
*
Nah
Fix
Normal
[unheimlicher Soundtrack mit
rückwärts gespielten Passagen]
20
0’28:16
(wie 9). Copper schaut auf den
mittleren Monitor und sieht sich
immer noch vor der Kamera stehen!
*
Nah
Fix
Normal
(Mon.:
leichte
OS)
[unheimlicher Soundtrack mit
rückwärts gespielten Passagen]
21
0‘28:18
(wie 7). Coo per auf dem Monitor.
Hinter ihm kommt Jeffries näher und
geht links an ihm vorbei.
*
Amerikan.
Fix
leichte
OS
[unheimlicher Soundtrack mit
rückwärts gespielten Passagen]
22
0’28:22
Cooper, rechts neben ihm eine USA-
Fahne. Er schaut nach rechts und
geht nach links ab.
*
Nah
Fix
Normal
[unheimlicher Soundtrack]
Cooper (ruft): „Gordon!“
23
0’28:24
(wie 6). Er schaut nach rechts und
rennt nach vorn, rechts aus dem
Bild.
*
Nah
Fix
Normal
[unheimlicher Soundtrack]
Cooper (ruft): „Gordon!“
24
0‘28:27
(wie 2). Jeffries kommt ins B üro,
zögert und geht dann weiter.
*
Nalbnah
Fix
Normal
[unheimlicher Soundtrack]
Cooper (OFF, ruft): „Gordon!“
Spiegelbilder
Anhang
Seite 128
#
Zeit
1. B ildebene
2. B ildebene
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Ton
25
0’28:29
Gordons B üro. Hinten links: Albert
Rosenfield; vorn: Jeffries, hinten
rechts: Gordo n..
*
Halbtotale
Fix
Normal
Gordon (ruft): „Philip?“
26
0’28:31
(wie 2). Jeffries weiter vorn, Cooper
kommt herein gelaufen. Albert
kommt von rechts ins Bild und sieht
zu Jeffries.
Cooper läuft um Jeffries herum und
schaut ihn an. Jeffries schaut
verstört umher.
Jeffries gestikuliert belehrend.
Cooper wendet sich zu Cole.
*
Nalbnah
Fix
Normal
Cole (OFF, ruft): „Is that you?“
Albert: „Philip?“
Cole (OFF, ruft): „Coo per, meet
the long lo st Philip Jeffries. You
may have heared fro m him from
the academy.“
Jeffries: „Well now. I’m no t gonna
talk abo ut Judy. In fact we’re not
gonna talk about Judy at all.
We’re go nna keep her out o f it.“
Cooper: „Go rdon?“
27
0’28:54
(wie 25). Hinten links: Albert.
Hinten rechts: Gordo n Cole.
Vorn, MItte: Philip Jeffries.
Mitte rechts: Coo per.
*
Halbtotale
Fix
Normal
Cole (ruft): „I know Coop!“
28
0’28:55
(wie 2). Jeffries deutet auf Cooper.
Albert geht auf Jeffries zu.
Einblendung: Fensehflimmern.
»Hüpfender Mann«1 (HM) bewegt sich
hin und her (Nah)
Ausblendung Fernsehflimmern.
Halbnah
Fix
Normal
[unheimlicher Soundtrack mit
rückwärts gespielten Passagen],
Fernsehrauschen
Jeffries (zu Cole): „Who do you
think this is there?“
Albert: „Suffered some bumps on
the old noggin‘, eh, Phil?“
„Cole (ruft): „What to hell did he
say …“
29
0’29:02
(wie 27).
Einblendung: Fernsehflimmern.
HM wird aus- und wieder
eingeblendet.
Halbtotale
Fix
Normal
Gole (ruft): „… there, Albert?
That’s Special Agent Dale
Cooper.“
30
0’29:05
Links: Cole hinter seinem
Schreibtisch. Rechts: Jeffries.
Schwarzblende
Einblendung des HM zwischen Cole
und Jeffries.
Halbtotale
Fix
Normal
Cole (ruft): „For god sakes,
Jeffries. Where the hell have you
been?“
31
0’29:07
*
HM mit roten Anzug und einem Ast in
der Hand. Er schreit.
Fernsehflimmern wird eingeblendet.
Amerikan.
Fix
Normal
[Dröhnender Soundtrack]
Cole (OFF, ruft): „For go d sakes,
Jeffries. You’ ve been gone for
damn near two years!“
32
0’29:10
*
»Room o ver a convenience store«:
Hinten, links: HM.
Halbtotale
Fix
OS
[Soundtrack: Jazzmusik2 von 3 2 -
61 und rückwärts gespielte
1 Die Bezeichnung beruht auf den Schlusstit eln des Films.
Spiegelbilder
Anhang
Seite 129
#
Zeit
1. B ildebene
2. B ildebene
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Ton
Hinten, Mitte: Mrs. Tremond und ihr
Enkel.
Hinten, rechts: Holzfäller.
Vorne, links: »Man fro m another
place« (MFAP).
Vorn, rechts: BOB.
Elemente]
Jeffries (OFF): „I want to tell you
everything …“
Stromknistern.
33
0’29:13
*
Holzfäller, der neben einem Radio
sitzt. Starkes Lichtflackern.
Nah
Fix
Normal
Jeffries (OFF): „… but I don’t
have a lot …“
34
0‘29‘14
*
MFAP an einem Tisch sitzend.
Groß
Fix
Normal
Jeffries (OFF): „… to go on.“
MFAP (R-V3): „Garmonb ozia“
Fernsehrasuchen
35
0’29:17
*
Eine Schüssel mit Maisbrei.
Fernsehflimmern.
Groß
Fix
Normal
MFAP (R-V): „This is a …“
36
0’29:20
*
(wie 34). MFAP streicht über den Tisch.
Fernsehflimmern.
Groß
Fix
Normal
MFAP (R-V): „… Fo rmica table.“
Jeffries (OFF): „Oh believe me …“
Fernsehrauschen.
37
0’29:25
*
MFAPs Hände streichen über eine
grünen Tisch.
Fernsehflimmern.
Detail
Fix
Normal
MFAP (OFF): „Green is its color.“
Jeffries (OFF): „… I saw them.“
Fernsehrauschen
38
0’29:29
*
MFAPs Gesicht
Fernsehflimmern
Groß
Fix
Normal
Jeffries (OFF) : „It was a dream.
We live …“
39
0’29:34
*
BOB mit geschlossenen Augen.
Er öffnet die Augen.
Fernsehflimmern
Nah
Fix
Normal
Jeffries (OFF) : „… inside a
dream!“
Fernsehrauschen.
40
0’29:38
*
Mrs. Tremond sieht nach rechts dann
nach rechts unten.
Nah
Fix
Normal
Fernsehrauschen
41
0’29:4
*
Pierre Tremond sitzt auf einem Sofa
und zeigt nach vorn, rechts.
Fernsehflimmern
Amerikan.
Fix
Normal
Pierre Tremond (R-V): „Fell a
victim.“
42
0’29:46
*
(wie 34). MFAP spricht, hält einen
Ring.
MFAP lacht.
Groß
Fix
Normal
MFAP (R-V): „With this ring I thee
wed.“
Jeffries (OFF): „The ring!. They …
MFAP (R-V): lacht.
Jeffries (OFF) : „… lived above a
convenience store.“
43
0’29:59
*
(wie 33): Der Ho lzfäller schlägt 2 mal
auf sein linkes Bein (R-V).
Amerikan.
Fix
Normal
2 Klatschgeräusche (R-V).
2 Theme from TWIN PEAKS - FIRE WALK WITH ME. Music: Angelo Badalamenti.
3 R-V : Tonaufnahmetechnik, bei der der Text rückwärts eingesprochen wird, dann wird dies wiederum rückwärts abgespielt, so dass der Text nun „vorwärts“ zu hören ist, jedoch mit stark
verfremdeten Betonungen. Die R-V- Texte erscheinen alles als Untertitel am unteren Bil drand.
Spiegelbilder
Anhang
Seite 130
#
Zeit
1. B ildebene
2. B ildebene
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Ton
Fernsehflimmern.
44
0’30:01
*
Kamerafahrt aus einer Mundhöle
heraus.
Fernsehflimmern.
Detail
Fahrt rückw.
Normal
Mund (R-V): „Electricity.“
45
0’30:07
*
Überblendung: HM im Rauch.
Fernsehflimmern
Amerikan.
Fix
Normal
Jeffries (OFF) : „Listen up, listen
carefully. I’ve been to o ne of their
meetings.
46
0‘30‘12
*
(wie 32). Bob klatscht in die Hände
(R-V). HM hüpft rückwärts auf eine
Bühne.
Halbtotale
Fix
OS
Klatschgeräusch (R-V).
47
0’30:16
*
Eine Zimmerecke
Fix
Normal
*
48
0’30:18
*
Überblendung: Die rotenVorhänge
des »Black Lodge«
Fix
Normal
*
49
0’30:19
*
Pierre Tremond mit einer weißen
Maske vo rm Gesicht.
Groß
Fix
Normal
Jeffries (OFF) : „Hell, god, they’ve
been there. No, I …“
50
0’30:21
*
(wie 49) Gesicht näher. Er lüftet die
Maske und hält sie wieder vor’s
Gesicht.
Detail
Fix
Normal
Jeffries (OFF) : „… found
something.“
51
0’30:26
*
(wie 50), no ch näher. Er lüftet die
Maske: darunter Ein Affengesicht. Er
hält die Maske wieder vor’s Gesicht.
Detail
Fix
Normal
Jeffries (OFF) : „And than there
they were!“
52
0’30:33
Jeffries schreiendes Gesicht.
»Black Lo dge«: BOB und MFAP gehen
durch den Vorhang hinaus.
Fernsehflimmern.
Halbtotale
(Groß)
Fix (Fix)
OS
(Normal)
Jeffries: schreit.
53
0’30:40
Jeffries schreiendes Gesicht.
Fernsehflimmern.
Nah
Fix
Normal
Jeffries: schreit.
Fernsehrauschen.
54
0’30:41
Jeffries sitzt zwischen Cooper und
Albert (beide stehen und sind v om
Knie bis zur Schulter zu sehen).
Jeffries gestikuliert wild.
Fernseflimmern.
Nah
Fix
Normal
*
55
0’30:42
*
Fernsehflimmern.
*
*
Fernsehrauschen.
56
0’30:42
(wie 54)
Fernsehflimmern.
Nah
Fix
Normal
*
57
0’30:43
(wie 55)
Fernsehflimmern.
*
*
Fernsehrauschen.
58
0’30:44
(wie 54)
Fernsehflimmern.
Nah
Fix
Normal
Cole (OFF, ruft): „He’s gone!“
59
0’30:44
(wie 55)
Fernsehflimmern
*
*
Fernsehrauschen.
60
0’30:45
Stromdrähte, dann Strommast.
Fernsehflimmern.
Halbtotale
Schwenk
nach rechts
US
Cole (OFF, ruft): „He’s gone!
Albert …“
61
0’30:46
Ein leerer Stuhl
*
Nah
OS
Cole (OFF, ruft): „… call the front
Spiegelbilder
Anhang
Seite 131
#
Zeit
1. B ildebene
2. B ildebene
Kamera
Gr. / Bew.
Kamera
Persp.
Ton
Fix
desk!“
62
0’30:48
(wie 2). Albert am Telefon, Cooper
steht in der Tür.
*
Halbtotale
Fix
Normal
Albert: „I’ve go t the front desk
now. He was never here.“
63
0’30:50
Gordon Co le hinter seinem
Schreibtisch, leicht nach vorn
gebeugt.
*
Amerikan.
Fix
Normal
Albert (OFF): „And news fro m
Dear Meadows: …“
[Soundtrack: R-V-Töne]
64
0’30:53
Gordon Co le näher: Stellt etwas an
seinem Hörgerät ein.
*
Nah
Fix
Normal
Albert (OFF): „Agent Chester
Desmond has dissappeared.“
Cooper: „Go rdon!“
[Soundtrack: R-V-Töne]
65
0’30:59
Gordon Co le vorm
Überwachungsmonitor, sieht sich
die Aufnahme aus Einstellung 26 an.
Cooper macht ein Standbild, als er
und Jeffries auf dem Monitor zu
sehen sind.“
*
Nah
Fix
Normal
[Soundtrack: R-V-Töne]
66
0’31:01
vorn: Go rdon Cole (steht seitlich),
dahinter Cooper (steht seitlich).
Beide schauen zum Monitor
(rechts). Coo per hält die
Fernbedienung.
*
Amerikan.
Fix
Normal
Cooper: „He was here!“
Cole: „But where did he go?“
[unheimlicher Soundtrack]
67
0’31:15
(wie 65)
*
Nah
Fix
Normal
Cole: „And where is Chester
Desmond?“
[unheimlicher Soundtrack]
bis
0’31:15
Spiegelbilder
Anhang
Seite 135
8.3.2. Sequenzprotokoll „Die P arty b ei And y“
#
Zeit
Bildinhalt
Perspektive
Kamera
Größe / Bewegung
Ton
0
0:26‘1
2
Überblendung: Fred und Renée vor ihrem
Haus ! Party in Andys Haus
Normal ! OS
Nah ! Halb totale
(atmosphärische Musik ! rhythmische Musik1)
1
0‘26‘1
2
Swimmingpool, blaues Licht, zahlreiche
Gäste.
weibl. Gast und Andy umarmen und küssen
sich.
Andy dreht sich um.
Andy umarmt Renée, Fred (links).
Renée gibt Fred ihr leeres Glas.
Renée stolpert etwas nach Hinten, wird vo n
Andy gehalten, dreht sich zu Andy und
stößt ihn an.
Fred geht ins Haus.
Gäste im Hintergrund.
Fred geht zur Bar und bestellt.
Barmann gibt Fred das Glas. Fred trinkt zwei
Gläser,
dreht sich nach links.
Fred trinkt zweites Glas aus.
OS
Normal
Normal
Normal
Normal
Normal
Normal
leichte OS
Normal
Normal
Halbtotal /
Schwenk links
Nah / links und
hoch
Nah / Fix
Nah / Fahrt rückw.
Nah / Fix
Nah / Fahrt rückw.
Nah !
Amerikanisch
Amerikanisch / Fix
Amerikanisch /
Schwenk links
Nah ! Gro ß / Fix
(rhythmische Musik und Stimmen von der Party)
Sie: „Hey Andy! Pretty Party!“
Andy: „You look great.“
Sie: „Thank you.“
Renée: „Fred. Please.“ (drängelnd): „Please!“
Fred: „A double Scotch is needed.“
Barkeeper: „OK“
2
0‘27‘4
1
Gäste betreten den Raum. In deren Mitte:
Der Mystery Man.
Blick über Freds Schulter.
Normal
Halbnah / Fix
(rhythmische Musik und Stimmen von der Party)
3
0‘27‘4
5
Freds Gesicht vo n links.
Normal
Nah / Fix
(rhythmische Musik und Stimmen von der Party)
4
0‘27‘4
9
Mystery Man kommt von der Tür die Treppe
hinab auf Fred zu.
Blick über Freds linke Schulter.
Mystery Man steht vor Fred und lächelt.
Blick über Freds linke Schulter
leichte US
! Normal
leichte OS
Halbnah / Schwenk
links
Zoom: Halbnah !
Nah
(rhythmische Musik und Stimmen von der Party)
(Musik blendet über in düsteren Soundtrack
5
0‘27‘5
7
Freds Gesicht vo n links in der rechten
Bildhälfte.
Normal
Groß / Fix
-
6
0‘27‘5
Mystery Mans Gesicht (lächelnd) in der
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man: „We’ve met before, haven’t
1 Barry Adamson „Something wicket this way comes“ (Edit-Version)
Spiegelbilder
Anhang
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#
Zeit
Bildinhalt
Perspektive
Kamera
Größe / Bewegung
Ton
9
linken Bildhälfte, Haare oben außerhalb
des Bildes
we?“
7
0‘28‘0
5
(wie 5). Fred schüttelt den Kopf wendet sich
nach rechts aus dem Bild.
Wendet sich zurück.
Normal
Groß / leicht
Schwenk nach
rechts
Groß / leicht
Schwenk nach links
Fred: „I do n’t think so.“
Fred: „Where was that you think, we’ve met?“
8
0‘28‘1
4
(wie 6)
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man: „At your house. Don’t you
remember?“
9
0‘28‘1
9
(wie 5). Fred schüttelt den Kopf und lächelt
unsicher.
Normal
Groß / Fix
Fred: „No, No I don’t. Are you sure?“
10
0‘28‘2
5
(wie 6)
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man: „Of course. As a matter of fact:
I’m there right now.“
11
0‘28‘3
4
(wie 5). Lächeln weicht langsam
Verwirrung.
Normal
Groß / Fix
Fred: „What do you mean: You’re there right
now?“
12
0‘28‘4
2
(wie 6)
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man: „At your house.“
13
0‘28‘4
6
(wie 5). Kopf leicht nach links geneigt.
Etwas nickend.
Normal
Groß / Fix
Fred: „That’s fuckin‘ crazy man.“
14
0‘28‘5
3
(wie 6). Zieht Handy hervor (nicht sichtbar)
leichte OS
Groß / Fix
-
15
0‘28‘5
6
Hände von Mystery Man ziehen Handy
hervor, Antenne aus, schalten ein, reichen
es nach oben rechts aus dem Bild.
OS
Nah ! Gro ß / Fix
(Piep-Geräusch, als das Handy eingeschaltet
wird)
16
0‘28‘5
9
(wie 6)
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man: „Call me!“
17
0‘29‘0
2
(wie 5). Nickt, blinzelt und schürzt die
Lippen.
Normal
Groß / Fix
-
18
0‘29‘0
6
(wie 15). Mystery Man überreicht Fred das
Handy.
OS
Groß / Fix
Mystery Man: „Dial …“
19
0‘29‘0
8
(wie 5). Kopf leicht nach links geneigt.
Fred schaut nach unten auf das Handy.
Normal
Groß / Fix
Mystery Man: „… your number!“
20
0‘29‘1
2
(wie 6)
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man: „Go ahead!“
21
0‘29‘1
5
(wie 5). Fred blickt nach unten.
Normal
Groß / Fix
(Tipp- und Frequenzwahlgeräusche vom
Handy)
22
0‘29‘1
6
Handy in Freds linker Hand. Er tippt mit
rechts.
OS
Groß / Fix
(Tipp- und Frequenzwahlgeräusche vom
Handy)
23
0‘29‘1
8
(wie 5). Schaut vo m Handy auf zum Mystery
Man.
Hebt das Handy mit der rechten Hand ans
Normal
Groß / Fix
(Tipp- und Frequenzwahlgeräusche vom
Handy)
(2 mal Signal „Leitung frei“)
Spiegelbilder
Anhang
Seite 137
#
Zeit
Bildinhalt
Perspektive
Kamera
Größe / Bewegung
Ton
rechte Ohr.
24
0‘29‘2
5
(wie 6). Mystery Man lächelt.
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man (am Telefon, OFF): „I told you …“
25
0‘29’2
5 (2)
(wie 5). Handy am Ohr. Blickt zu Mystery
Man.
Zieht Handy vom Ohr.
Normal
Groß / Fix
Groß / Zo om o ut
Mystery Man (am Telefon, OFF): „… I was here.“
Fred: „Ho w’d you did it?“
26
0‘29‘3
6
(wie 6)
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man: „Ask me!“
27
0‘29‘3
9
(wie 5). Fred zögert, reißt dann das Handy
zum Ohr.
Normal
Groß / Fix
Fred (ins Handy): „How’d you get inside my
house?
Mystery Man (am Telefon, OFF): „You inv ited
me.“
28
0‘29‘4
8
(wie 6)
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man (am Telefon, OFF): „It is not my
custom to go where I’m not wanted.“
29
0‘29‘5
1
(wie 5). Fred mit dem Handy am Ohr.
Normal
Groß / Fix
Fred: „Who are you?“
30
0‘29‘5
6
(wie 6). Lacht.
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man (am Telefon, OFF) & Mystery Man
Lachen (synchron)
31
0‘29‘5
8
(wie 29). Schaut zu Mystery Man.
Normal
Groß / Fix
Mystery Man (am Telefon, OFF) & Mystery Man
Lachen (synchron)
32
0‘30‘0
0
(wie 6). Lacht und verzerrt das Gesicht.
leichte OS
Groß / Fix
Mystery Man (am Telefon, OFF): „Give me back
my phone!“
33
0‘30‘0
4
(wie 29). Nimmt Handy vom Ohr.
Normal
Groß / Fix
(Geräusch v om Zusammenklappen des
Handys)
34
0‘30‘1
0
(wie 6)
Mystery Man wendet sich von Fred ab, g eht
die Treppe hinauf (in den Bildhintergrund).
leichte OS
Normal
Groß / Fix
Groß ! Nah /
Schwenk links
Mystery Man: „It’s been a pleasure talking to
you.“
(Partygeräusche und Musik blenden wieder
ein.)
35
0‘30‘2
2
Fred (links im Bild) blinzelt verwirrt.
Normal
Nah / Fix
-
36
0‘30‘2
5
Partygäste auf der Treppe.
Normal
Halbnah / Fix
-
37
0‘30‘2
9
Fred (Bild linke Mitte)
Renée kommt vo n links ins Bild. Fred geht
(eilig) hinter Renée nach links, bleibt vor
Andy stehen, sieht über die linke Schulter.
Fred und Andy. Fred deutet mit der Hand.
Normal
Normal
Normal
Nah / Zoo m out
Nah / Schwenk links
Nah / Fix
Renée: „I thought your were getting me a
drink.“
Fred (zu Renée): „Just a minute.“
Fred: „Andy, …“
Fred: „… who is that guy on the stairs?“
38
0‘30‘4
1
Mystery Man auf der Treppe mit anderen
Gästen.
US
Amerikanisch / Fix
Fred (OFF): „The guy in black.“
39
0‘30‘4
4
Fred (rechts), Andy (links). Freds Blicke
gehen von der Treppe zu Andy.
Normal
Nah / Fix
Andy: „I do n’t know his name. It’s a friend of
Dick Laurant‘s, I think.“
Spiegelbilder
Anhang
Seite 138
#
Zeit
Bildinhalt
Perspektive
Kamera
Größe / Bewegung
Ton
Andy (links nur 1/3 im Bild).
Fred sieht verwirrt zu Andy.
(Musik wird unheimlicher)
Fred: „Dick Laurant?“
40
0‘30‘5
5
Fred (rechts nur 1/3 im Bild), Andy
(Bildmitte)
sieht kurz zu Fred.
Normal
Nah / Fix
Andy: „Yeah. I belive so.“
41
0‘30‘5
9
Renée steht an der Bar und hält ein Glas.
Normal
Amerikanisch / Fix
-
42
0‘31‘0
1
Andy (links nur 1/3 im Bild) Fred (B ildmitte).
Normal
Nah / Fix
Fred: „But Dick Laurant is dead, isn’ t he?“
43
0‘31‘0
6
Fred (rechts nur 1/3 im Bild), Andy
(Bildmitte) lächelt verwirrt.
Normal
Nah / Fix
Andy: „He is? I didn’t think you knew Dick? How
do you know he’s dead?“
44
0‘31‘1
3
(wie 42). Fred schüttelt den Kopf (leicht
geneigt).
Normal
Nah / Fix
Fred: „I do n’t. I don’ t know him.“
45
0‘31‘2
1
(wie 43). Schaut v on Fred nach rechts.
Normal
Nah / Fix
Andy: „Dick can’t be dead.“
Andy (agressiv ): „Who told you he was dead?“
46
0‘31‘2
6
Renée kommt zu den beiden.
Renée (allein in der Bildmitte)
Normal
Groß / Schwenk
links
Renée: „Who …“
47
0‘31‘2
8
Fred (Bildmitte), Andy (fast links außerhalb)
dreht sich nach links zu Renée.
Normal
Groß / Fix
Renée: „… honey?“
48
0‘31‘2
9
Renée (Bildmitte), Freds Kinn ( linke obere
Bildecke). Sie schaut zu ihm hinauf.
Leicht OS
Groß / leichter
Schwenk links
Renée: „Who is dead?“
49
0‘31‘3
3
(wie 40). Renée (Bildmitte) schaut beide
abwechselnd an.
Normal
Nah / Fix
Fred: „Let’s go ho me …“
50
0‘31‘3
4
Andy (links), Renée (rechts), Fred hinter
Renée. Fred und Renée gehen nach rechts
aus dem Bild.
Andy (am linken Bildrand).
Normal
Normal
Amerikanisch /
Fahrt hoch
(Handkamera)
Nah / Handkamera
Fred: „… now! We’re leaving now.“
51
0‘31‘4
0
Party-Raum. Fred und Renée kommen die
Treppe hinauf.
Gehen nach rechts aus dem Bild.
Normal
Halbnah !
Halbtotal /
Handkamera
Fred: „We never should have come here in the
first place.“
bis
0‘3 1‘4 6
Erläuterungen: OS = Obersicht, US = Untersicht, ! kennzeichnet fließende Brennweitenänderungen (Zoo ms).