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DIGITALE KOMPETENZEN IN DER LEHRE
Entwicklungen, Herausforderungen und innovative
Lösungsansätze für Studierende an der TU Graz
von Martin Ebner, Sarah Edelsbrunner, Bettina Mair, Walther Nagler, Sandra Schön
An der TU Graz werden seit 2007 Studienanfänger*innen
systematisch zu ihrem Umgang mit IT und digitalen Kommu-
nikationswerkzeugen befragt. Diese Langzeitstudie, die auf
Selbsteinschätzungen der befragten Studienanfänger*innen
basiert, dokumentiert bedeutsame Veränderungen: Während
die E-Mail-Nutzung kontinuierlich zurückgeht, gewinnen Lern-
videos zunehmend an Bedeutung. Überdies zeigte sich wäh-
rend der Phasen des pandemiebedingten Distanzlernens so-
gar ein Rückgang in der Nutzung von tragbaren Ladegeräten.
Diese Veränderungen werfen wichtige Fragen auf: Wie steht
es um die digitalen Kompetenzen von Studienanfänger*in-
nen? Welche Unterstützungsangebote benötigen sie für die
Entwicklung ihrer digitalen Kompetenzen? Und welche Skills
werden in Zukun! eine verstärkte Rolle spielen?
Um diese Fragen zu beantworten, wurden im Jahr 2021 erst-
mals die digitalen Fähigkeiten von Studienanfänger*innen
im Rahmen der jährlichen Welcome-Days-Befragung nä-
her analysiert. Die ausgewählten Items entstammen einer
Studie der Uni Graz, bei der im Jahr 2019 digitale Kompeten-
zen von Erstsemestrigen an allen steirischen Hochschulen
erfasst wurden. Die TU Graz ergänzte zusätzlich ein Item zur
Nutzung oener Lizenzen.
Die Ergebnisse der letzten drei Jahre zeigen ein interessantes
Bild: Entgegen der Erwartungen hat sich das Niveau der digi-
talen Kompetenzen kaum verändert. In einigen Bereichen ist
sogar ein leichter Rückgang zu verzeichnen.
Ein erster Vergleich der Daten von 2019 und 2021 ergab, dass
sich die digitalen Kompetenzen der Studienanfänger*innen
in den beiden Kohorten kaum unterschieden – ein angesichts
der pandemiebedingten Digitalisierung überraschendes Er-
gebnis. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet der Umgang
mit digitalen Signaturen, der sich deutlich verbesser t hat
– vermutlich eine Folge der verstärkten Online-Kommunika-
tion während der Pandemie.
Die Erhebung wurde in den Welcome-Days-Befragungen der
TU Graz 2022 und 2023 fortgeführt, wobei jeweils über 1000
Studierende teilnahmen. Die Befragten konnten ihre Kompe-
tenzen in fünf Kategorien einordnen, von „!"#$%&''$()$'*"#+$
,'-$.&))$()$/.(*/('0$bis zu 1!"#$%(''($2*"#$3,+$&,)$,'-$%&''$
&,"#$456/.(2($ .7)('08 Die Auswertung der Daten zeigt, dass
kaum signifikante Kompetenzsteigerungen bei späteren
Jahrgängen festgestellt werden konnten. In einigen Berei-
chen war sogar ein minimaler Rückgang zu verzeichnen, wie
Abbildung 1 veranschaulicht.
Dabei muss allerdings nochmals ergänzt werden, dass die Er-
hebungen lediglich auf den Selbsteinschätzungen der befrag-
ten Studienanfänger*innen basieren und keine Beurteilung
durch Dritte erfolgte.
Als Reaktion auf diese Erkenntnisse entwickelte die TU Graz
einen innovativen Massive Open Online Course (MOOC). Dieser
kostenlos e Kurs trägt den Namen „Digitale Kompetenzen für Stu-
dienanfängerinnen und Studienanfänger“ und wird als Freifach
angeboten. Besonders hervorzuheben ist dabei die enge Zusam-
menarbeit mit Studierenden bei der Konzeption des Kurses, wo-
durch praxisnahe und relevante Inhalte garantier t werden.
Der MOOC basiert auf dem europäischen Kompetenzrahmen
9*3:62; sowie der österreichischen Erweiterung 9*3:62;$
<8<$=>? die digitale Kompetenzen in verschiedenen Bereichen
beschreiben. Der Kurs ist ebenso kohärent mit der aktuellen
Version DigComp 2.3 AT (Bundeskanzleramt Österreich, 2024).
Die Kursinhalte decken fünf zentrale Themenbereiche ab:
■Umgang mit digitalen Lernplattformen:
Studierende lernen, sich auf Plattformen wie Moodle oder
anderen universitären Lernplattformen zurechtzufinden,
Aufgaben abzugeben und Lernmaterialien zu organisieren.
■Schreiben und Präsentieren mit digitalen Medien:
Ein wichtiger Schwerpunkt liegt auf der Nutzung von
Textverarbeitungsprogrammen und Tools zur Erstellung
von Präsentationen, die in akademischen Kontexten
eingesetzt werden.
■Datensicherheit und Datenschutz:
Der Kurs vermittelt grundlegende Kenntnisse darüber,
wie persönliche Daten geschützt und sicherheitsrelevante
Einstellungen vorgenommen werden können, um den
eigenen digitalen Fußabdruck zu kontrollieren.
■Digitale Kommunikation und Zusammenarbeit:
Hier lernen die Studierenden, wie sie digitale Tools
eektiv für die Kommunikation und Zusammenarbeit in
Projekten nutzen können, darunter auch Tools für
kollaboratives Arbeiten.
■ Rechte und Lizenzen: Ein weiteres wichtiges Thema
ist die Nutzung von digitalen Inhalten im Einklang mit
Urheberrechten und Open-Access-Lizenzen, was im
akademischen Umfeld von großer Bedeutung ist.
Erscheinen in: Digital [Future] Skills. DUH Lab Magazin (2024). S. 32-34
TU Graz. https://epaper.tugraz.at/paper/118/1/desktop
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Der MOOC wurde als Selbstlernkurs konzipiert, der sich flexibel
in den Studienalltag integrieren lässt. Ein besonderes didak-
tisches Merkmal des Kurses ist sein dialogorientierter Ansatz:
In entspannter Café-Atmosphäre diskutieren zwei Personen in
Videosequenzen über die verschiedenen Themen, was zu einer
natürlichen und verständlichen Vermittlung der Inhalte beiträgt.
Teilnehmende können die Inhalte eigenständig erarbeiten und
ihr Wissen durch Quizfragen testen. Schließen die Studierenden
den MOOC und eine dazugehörige Lehrveranstaltung an der
TU Graz erfolgreich ab, erhalten die Studierenden ein Zertifikat
und ECTS-Punkte, die als Freifach im jeweiligen Studium ange-
rechnet werden können.
Die Resonanz auf den MOOC ist beeindruckend: Seit seiner
Einführung im Wintersemester 2021/2022 verzeichnet der
Kurs jährlich fast 500 Anmeldungen, wobei etwa die Häl!e der
Teilnehmenden den Kurs erfolgreich abschließt und ein Zerti-
fikat erhält. Diese Zahlen blieben in den Folgejahren konstant
hoch – im Studienjahr 2022/23 registrierten sich 501 Studie-
rende, und es wurden 218 Zertifikate generier t. Auch 2023/24
setzte sich dieser Trend fort mit 524 Anmeldungen und 239
verliehenen Zertifikaten.
Darüber hinaus steht der Kurs auf der Plattform iMooX.at als
Open Educational Resource (OER) zur Verfügung, sodass er
auch von anderen Bildungseinrichtungen oder interessierten
Personen außerhalb der TU Graz genutzt werden kann.
Vom Denken ins Tun
Hier geht‘s
zum MOOC!
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Ich kann mit Suchmaschinen rasch
die gewünschten Informationen ändern.
Ich kann Daten z wischen verschiedenen Geräten austauschen.
Ich kann schr i!liche Arbeiten (z. B. Aufsät ze) unter Einsat z
digitaler Me dien vorbereiten und verfassen.
Ich kann Prof ileinstellungen zum Schutz pers önlicher Daten
in den sozialen Netzwe rken anpassen.
Ich kann mit einer Lernplattform arbeiten (z . B . Moodle, LMS.at).
Ich kann mithilfe digitaler Tools mit anderen Personen
Dokumente erstellen und Informationen verwalten.
Ich kann mit einem Tabellenkalkulationsprogr amm
(z. B. Excel, Calc) Berechnungen durchführen.
Ich kann eine digitale Signatur
(z. B. Handysignatur, Bürgerkarte) einrichten und eins etzen.
Ich kann meine Daten sicher n und sie im Fall
eines Computerdefek ts wiederhers tellen.
Ich kann Medien (z. B. Fotos) unter Beachtung von
Copyright – und Datenschutz-Vorgaben verwenden.
Ich kann eine V irtual-Private-Network-Verbindung
(VPN-Verbindung) einrichten .
Ich kann Webanwendungen ges talten
(z. B. Website mit Word Press erstellen).
Ich kann Res sourcen mit oenen Lizenzen
(z.B. CC BY-SA, CC BY) suchen und korrek t verwenden.
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
2023 2022 2021
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\6"#)"#,.%6'F(5('C$C,5$='&.M)($-*3*+&.(5$B62;(+('C('$D6'$
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Während der MOOC wichtige Grundkompetenzen vermit-
telt, entwickelt sich die digitale Welt ständig weiter. Neue
Technologien wie Künstliche Intelligenz, Big Data und das
Internet der Dinge erfordern zusätzliche Fähigkeiten, wie
beispielsweise
■KI-Kompetenz:
Studierende sollten die Grundprinzipien und
Anwendungsmöglichkeiten von KI verstehen.
■Datenkompetenz:
Die Fähigkeit, große Datenmengen zu analysieren
und zu interpretieren, wird immer wichtiger.
■Digitale Ethik: Ein verantwortungsvoller Umgang
mit digitalen Technologien ist entscheidend für die
Gestaltung unserer digitalen Zukun!.
■Kreative Problemlösung:
Die Fähigkeit, digitale Werkzeuge innovativ
einzusetzen, um gesellscha!liche Herausforderungen
zu bewältigen.
Wichtig ist: Nicht alle digitalen Zukun!skompetenzen
müssen bereits zu Studienbeginn vollständig ausgebil-
det sein. Vielmehr geht es darum, eine grundlegende
digitale Mündigkeit zu entwickeln – die Fähigkeit, sich in
einer zunehmend digitalisier ten Welt zurechtzufinden
und digitale Prozesse zu verstehen und einzusetzen.
Durch die kontinuierliche Anpassung ihrer Lehrangebote
und die Antizipation zukün!iger Entwicklungen trägt die
TU Graz dazu bei, ihre Studierenden optimal auf die Her-
ausforderungen der digitalen Zukun! vorzubereiten.
DIGITALE KOMPETENZEN IN DER FORSCHUNG
Neue Kompetenzen und
Rollen im Forschungs-
datenmanagement
von Ilire Hasani-Mavriqi und Alexander Bardel
In der modernen Forschung sind Daten von zentraler Bedeu-
tung, doch ihre exponentiell wachsende Menge stellt Wissen-
scha!ler*innen vor enorme Herausforderungen. Angesichts
des zunehmenden Rufs nach Transparenz und Reproduzier-
barkeit wird eine professionelle Datenkuration unerlässlich. In
diesem komplexen Gefüge übernehmen zwei Schlüsselrollen
eine zentrale Bedeutung: Data Stewards und Data Champions
– Expert*innen, deren Tätigkeitsfeld sich über schlichte Daten-
verwaltung hinaus erstreckt. Als Hüter*innen der Informatio-
nen fördern sie deren Genauigkeit, Konsistenz und unterstüt-
zen bei der Einhaltung relevanter Vorschri!en.
Ihre Rolle markiert einen Paradigmenwechsel hin zu einer fle-
xibleren, bereichsspezifischen Datenverantwortung, die den
komplexen Anforderungen moderner Forschungslandscha!en
gerecht wird. Die traditionelle, zentralisierte Datenverwaltung,
bei der einzelne Teams die Kontrolle über große Datenmen-
gen innehaben, stößt zunehmend an ihre Grenzen. Dieser
Umstand führt häufig zu Überlastungen, Verzögerungen und
letztlich auch Engpässen. Die Engpässe können in Form von
Verarbeitungs-, Zugris – und Qualitätsproblemen au!reten,
wenn viele Nutzer*innen gleichzeitig auf die Daten zugreifen
möchten. Überdies stoßen solche Modelle bei wachsenden
Datenmengen an Grenzen was ihre Skalierbarkeit betri%.
In Reaktion auf diese Herausforderungen entsteht ein neuer,
dezentraler Ansatz im Forschungsdatenmanagement, der
Verantwortung in den Mittelpunkt stellt. Dies bringt auch
neue Rollen mit sich, die innovative Fähigkeiten erfordern:
von der geschickten Handhabung von Datenklassifizierungen
und Anonymisierungstechniken bis hin zur Kunst, komplexe
Ideen verständlich zu vermitteln und verschiedene Interessen-
gruppen zusammenzubringen.
Data Stewards fungieren in diesem Kontext als Dirigent*in-
nen des Datenorchesters. Sie vermitteln zwischen Forschung
und IT-Infrastruktur, während sie gleichzeitig die Balance
zwischen Open-Data-Initiativen und dem Schutz sensibler
Informationen wahren. Data Champions wiederum agieren
als Botscha!er*innen der Open-Science-Bewegung. Sie set-
zen sich für Transparenz und Nachnutzbarkeit ein, ohne dabei
den Schutz geistigen Eigentums aus den Augen zu verlieren.
Das RDM-Team (Research Data Management-Team) der TU Graz
steht Wissenscha!ler*innen bei der Erstellung von Datenma-
nagementplänen (DMPs), der Optimierung ihrer RDM-Praktiken
und der Publikation von Forschungsdaten zur Seite. Dabei set-
zen sie auf innovative Lösungen wie DAMAP
1
oder das TU Graz
Repository.