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Stimmenlabor Basel: Transformatives Lernen für Klimagerechtigkeit

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Dieser Artikel reflektiert die ersten Erfahrungen des Stimmenlabors Basel, einer partizipativen Veranstaltungsreihe, die das Ziel verfolgt, in Basel (Schweiz) den Diskurs zur Klimagerechtigkeit zu stärken durch gegenseitiges Zuhören, Perspektivenwechsel und gemeinschaftliches Aushalten von Unsicherheit und Nichtwissen. Ausgehend davon, dass die sozialen Herausforderungen, die sich in Hinblick auf & aus den Folgen der Klima-und Biodiversitätskrise ergeben, immens sind und es in diesem Kontext auch zu affektiver Polarisierung kommt, wurde ein Ansatz gesucht, der ganz bewusst das Erleben von "sozialem Kitt" durch persönliche Begegnung und tiefergehenden Austausch ins Zentrum stellt. Dies bewusst in Abgrenzung zur Suche nach konkreten Lösungen und zu Diskursen in abgeschlossenen Echoräumen. Das Stimmenlabor bringt gezielt Akteure zusammen, die sich politisch nicht einig sind, sich normalerweise nicht begegnen und einander dadurch auch nur selten oder nie zuhören (hier konkret: Mitglieder des Gewerbeverbands und Klimaaktivist:innen). Die dialogische Begegnung dieser unterschiedlich denkenden Bevölkerungsgruppen wird mit dem Ziel angestrebt, die Empathie für die Anliegen und legitimen Wünsche, Hoffnungen, Ängste, Bedürfnisse zu wecken und zu vergrössern. Als Ort des potentiellen transformativen kollektiven Lernens bietet das Stimmenlabor einen Raum für unterschiedliche, divergierende Meinungen und verschieden empfundene Herausforderungen. In dieser Analyse werden die zentralen Aspekte des Laborkonzepts beleuchtet. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Ebene der Prozessgestaltung, in welcher es darum ging, individuelle und kollektive liminale Räume, also Übergangsräume zu öffnen, in denen Empathie und Perspektivwechsel durch Begegnung und Gespräch ermöglicht werden sollen. Er untersucht einerseits das Projektteam, in dem bereits beide Parteien vertreten sind und somit auch gegenläufige Positionen bezüglich Klimagerechtigkeit, vertrauens-und respektvoll zusammenarbeiten. Andererseits konzentriert es sich auf die Gestaltung des dialogischen Zusammenkommens. Hierbei insbesondere auch auf die Momente, die einen Raum des inneren Berührtwerdens ermöglichen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Beitrag des Stimmenlabors zur Schaffung von resonanz-und beziehungsorientierten Ansätzen der Nachhaltigkeit. Der Artikel baut auf Ansätzen kollektiven transformativen Lernens auf. Es untersucht, wie solche Ansätze im Rahmen von Reallaboren,
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Stimmenlabor Basel: Transformatives Lernen für Klimagerechtigkeit
Anaïs Sägesser, Annette Graul, Martin Föhn, Silvia Henke
Abstract
Dieser Artikel reflektiert die ersten Erfahrungen des Stimmenlabors Basel, einer partizipativen
Veranstaltungsreihe, die das Ziel verfolgt, in Basel (Schweiz) den Diskurs zur Klimagerechtigkeit zu
stärken durch gegenseitiges Zuhören, Perspektivenwechsel und gemeinschaftliches Aushalten von
Unsicherheit und Nichtwissen. Ausgehend davon, dass die sozialen Herausforderungen, die sich in
Hinblick auf & aus den Folgen der Klima- und Biodiversitätskrise ergeben, immens sind und es in diesem
Kontext auch zu affektiver Polarisierung kommt, wurde ein Ansatz gesucht, der ganz bewusst das
Erleben von “sozialem Kitt” durch persönliche Begegnung und tiefergehenden Austausch ins Zentrum
stellt. Dies bewusst in Abgrenzung zur Suche nach konkreten Lösungen und zu Diskursen in
abgeschlossenen Echoräumen. Das Stimmenlabor bringt gezielt Akteure zusammen, die sich politisch
nicht einig sind, sich normalerweise nicht begegnen und einander dadurch auch nur selten oder nie
zuhören (hier konkret: Mitglieder des Gewerbeverbands und Klimaaktivist:innen). Die dialogische
Begegnung dieser unterschiedlich denkenden Bevölkerungsgruppen wird mit dem Ziel angestrebt, die
Empathie für die Anliegen und legitimen Wünsche, Hoffnungen, Ängste, Bedürfnisse zu wecken und zu
vergrössern. Als Ort des potentiellen transformativen kollektiven Lernens bietet das Stimmenlabor
einen Raum für unterschiedliche, divergierende Meinungen und verschieden empfundene
Herausforderungen. In dieser Analyse werden die zentralen Aspekte des Laborkonzepts beleuchtet.
Dieser Artikel konzentriert sich auf die Ebene der Prozessgestaltung, in welcher es darum ging,
individuelle und kollektive liminale Räume, also Übergangsräume zu öffnen, in denen Empathie und
Perspektivwechsel durch Begegnung und Gespräch ermöglicht werden sollen. Er untersucht einerseits
das Projektteam, in dem bereits beide Parteien vertreten sind und somit auch gegenläufige Positionen
bezüglich Klimagerechtigkeit, vertrauens- und respektvoll zusammenarbeiten. Andererseits konzentriert
es sich auf die Gestaltung des dialogischen Zusammenkommens. Hierbei insbesondere auch auf die
Momente, die einen Raum des inneren Berührtwerdens ermöglichen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Beitrag des Stimmenlabors zur Schaffung von resonanz- und
beziehungsorientierten Ansätzen der Nachhaltigkeit. Der Artikel baut auf Ansätzen kollektiven
transformativen Lernens auf. Es untersucht, wie solche Ansätze im Rahmen von Reallaboren,
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insbesondere im Stimmenlabor, Anwendung finden. Es bietet somit eine Analyse der Erfahrungen des
Stimmenlabors Basel und zeigt auf, wie dieser spezifische Ansatz einen Beitrag zur inneren
Transformation und schlussendlich Klimagerechtigkeit leisten kann.
Einführung
Im Kontext des globalen Überschreitens von 6 der 9 planetaren Belastbarkeitsgrenzen (siehe Rockström
et al. 2023, Steffen et al. 2015, Rockström et al. 2009a&b) wurde im Kanton Basel-Stadt durch den
zivilgesellschaftlich organisierten gemeinnützigen Verein Basel2030 eine Initiative lanciert, die die
Verankerung der Klimagerechtigkeit und deren Umsetzung bis 2030 in der kantonalen Verfassung
vorsieht. In einer kantonalen Volksabstimmung 2022 wurde der Gegenvorschlag der Legislativen
angenommen, der eine Umsetzung bis 2037 vorsieht.
Basel2030 als klimaaktivistische Organisation hat sich nach diesem grossen Erfolg nicht etwa aufgelöst,
sondern verpflichtet, auch die Umsetzung zu begleiten und sicherzustellen, dass Basel2030 dort genau
hinschaut, wo die Transformation (noch) nicht stattfindet und in einem ständigen Dialog mit Politik und
Verwaltung darauf aufmerksam macht. Auch wenn viele Organisationen und Akteur:innen in Basel
bereits sehr aktiv sind, ist es dennoch nach wie vor so, dass es zu wenige nicht-konfrontative
Berührungspunkte gibt zwischen jenen Akteur:innen, die sich bereits seit Jahren für das Thema
einsetzen, und jenen, die sich erst jetzt damit beschäftigen (müssen).
In Basel ist es so, dass der Gewerbeverband zwar grundsätzlich auch daran arbeitet, die gesetzten Ziele
Treibhausgasreduktion umzusetzen, dass aber einige Massnahmenvorschläge die von Basel2030
unterstützt werden, dort auf Widerstand stossen. So hatte beispielsweise der Gewerbeverband
federführend die Stadtklimainitiativen bekämpft und nimmt politisch somit eine Gegenposition zu
Basel2030 ein.
Methoden & Theoretischer Hintergrund
In der Herangehensweise an das folgende Reallaborexperiment, haben wir uns an Ansätzen aus dem
kollektiven transformativen Lernen orientiert. Dies aus dem Grund, dass innere Dimensionen grosse
Hebel sind für die gesellschaftliche Transformation hin zu Nachhaltigkeit (Woiwode et al. 2021)
Transformatives Lernen (TL) hat sich seit der Prägung des Begriffs durch Mezirow im Jahr 1978 zu
einem über vier Jahrzehnte erforschten Gebiet entwickelt. Ursprünglich im Bildungskontext verankert,
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gewinnt es nun auch außerhalb dieser Domäne an Bedeutung, wie die Arbeit von Hoggan und Finnegan
(2023) zeigt. TL basiert auf sozialen Praktiken, ist offen für vielfältige Wissenswege und ermöglicht so
einen epistemologischen Wandel (Boström et al., 2018). Formenti und Hoggan-Kloubert (2023)
betonen, dass die Grenzen zwischen Handeln und Lernen verschwimmen, insbesondere wenn es um
verschiedene Formen von Bewegungen und Aktionen geht, die zunehmend als TL-Prozesse außerhalb
formaler Bildungskontexte betrachtet werden. TL ermöglicht einen Paradigmenwechsel, doch dies
geschieht effektiv nur durch kollektive Akzeptanz, was die Bedeutung der Einführung von TL in
Gemeinschaften unterstreicht.
Zentrale Elemente des TL-Prozesses sind Übergänge durch liminale Räume, die betont werden (z.B.
Förster et al. 2019, oder ausgelöst durch Ehrfurcht, Kolmar 2021), mit Fokus auf kollektiven
Einstellungen und Fähigkeiten, diese liminalen und komplexen Räume zu betreten und zu navigieren (z.B.
Ritter & Zamierowski 2021). Diese liminalen Räume werden durch sogenannte “Edge Emotions” (Mälkki
2019) ausgelöst, die aus einer Differenzerfahrung heraus entstehen. Die Schaffung von "sicher genug"
Bedingungen in diesen Räumen durch eine mitfühlende Haltung ist entscheidend, damit neue
Bedeutungsperspektiven entstehen können (Singer-Brodowski et al. 2022). Liminale Räume, oder auch
Übergangsräume, sind also Orte des Nichtwissens und der Unsicherheit. Es sind Orte, wo bisherige
Bedeutungsperspektiven nicht mehr funktional sind und sich neue (noch) nicht bilden konnten (siehe
auch Singer-Brodowski et al. 2022, Land et al., 2014; Förster et al., 2019). Es sind Zwischenräume, in
denen das, was bisher stabil war, fluide wird (Mälkki & and Green, 2014, p. 8 in Singer-Brodowski et al.
2022).
Hoggan und Hoggan-Kloubert (2022) unterstreichen einen adaptiven Ansatz für TL, der sich von einer
vorschreibenden Haltung löst. Sie betonen, dass spezifische Transformationen aus dem gesellschaftlichen
Dialog entstehen sollten, anstatt vorherbestimmt zu sein. Spiering (2023) hebt hervor, dass
Transformationswissenschaft und Aktionsforschung viele Gemeinsamkeiten haben, da beide
transdisziplinäre Methoden anwenden.
TL erfordert eine epistemologische Veränderung und muss in der Praxis verankert sein, um zu einem
transgressives Lernen zu werden, das sich von konventionellen Normen befreit (Boström et al., 2018).
Diese Transformation liegt an einer transdisziplinären Schnittstelle und bezieht Materie, Emotionen,
Spiritualität (Escobar 2017) sowie verschiedene Arten des Wissens (Denken, Fühlen, Wahrnehmen,
Intuieren nach Jung 1947) ein.
Akomolafe (2021) hebt hervor, dass wir in Zeiten der Dringlichkeit innehalten und Raum für die
relationale Dimension schaffen sollten. Auch beim kollektiven TL gilt es gerade in Räumen mit einer
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hohen Diversität an Teilnehmenden, nicht zu viel zu wollen, sondern sachte in eine Erfahrung, die
vielleicht für einige am Learning Edge liegt, überzuleiten.
Dieser Artikel verfolgt das Ziel, die Konzepte des TL mithilfe eines konkreten Praxisbeispiels fruchtbar
zu machen. Dabei wird besonders die entscheidende Verschiebung von TL zu transgressivem Lernen
untersucht. Während TL bereits eine bedeutende epistemologische Veränderung erfordert und eine
Verankerung in der Praxis vorsieht, geht transgressives Lernen noch einen Schritt weiter. Es befreit sich
nicht nur von konventionellen Normen, sondern durchbricht aktiv bestehende Grenzen und setzt sich
mit etablierten Paradigmen kritisch auseinander. In diesem Sinne bietet transgressives Lernen ein
Potenzial für tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen und eine umfassende Transformation des
Denkens und Handelns, was im vorliegenden Beispiel im Kontext Klimagerechtigkeit besonders relevant
ist.
Fallbeispiel: Stimmenlabor Basel
Die Eventvorbereitung für das Stimmenlabor Basel fand über einen mehrmonatigen Prozess in einer
kleinen Kerngruppe von 5 Personen statt, zu der später noch die Facilitatorin dazustiess. Da der
Gewerbeverband klassisch hierarchisch mit Rollenfunktionen wie bspw. Präsident organisiert ist, wurde
der Gewerbeverband in diesem Gremium durch eine Person, den Präsidenten selbst, repräsentiert. Der
aktivistisch organisierte und gemeinnützige Verein Basel2030 hingegen wurde durch vier Personen
repräsentiert und Entscheide wurden stets kollektiv gefällt. Die Idee hinter dem frühzeitigen Einbinden
des Gewerbeverbands (als Antipode zum Verein Basel2030) war folgende: nur, wenn der
Gewerbeverband diese Veranstaltung als die eigene versteht und mitgestaltet, nur wenn die Mitglieder
und Zielgruppen des Gewerbeverbandes in vertrautem Duktus und vertrauter Sprache eingeladen
werden, wenn die Veranstaltung in einem für sie angemessenen Setting stattfindet, nur dann werden
diese Menschen erreicht. Das gemeinsame Organisieren eines solchen Events, wo Parteien
zusammengebracht werden, die sich politisch nicht einig sind, sich normalerweise nicht begegnen und
einander dadurch auch nur selten oder nie zuhören, erfordert Vertrauen, Dialog und immer wieder
Kompromisse. Entscheidend war dabei, dass zwischen dem Präsidenten des Gewerbeverbands und
einem Mitglied von Basel2030 bereits eine lose Freundschaft bestand und auch während des gesamten
Prozesses immer wieder bilaterale Treffen zum Mittagessen stattfanden, wo der Dialog gepflegt wurde
und ein stabiles Beziehungsgeflecht gewoben wurde.
Kompromisse in der Vorbereitung gab es insbesondere in Bezug auf Gestaltung der Einladung, Apéro
und auch der verwendeten Sprache. Dabei war es wichtig, immer wieder von individuellen Erwartungen
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und Selbstverständlichkeiten zurückzutreten und das Gemeinschaftliche zu suchen, das erklärte Ziel
über diverse Irritationen nicht aus dem Blick zu verlieren sowie sich darüber klar zu werden und
auszusprechen, wo es Uneinigkeiten gibt. Bei den Uneinigkeiten galt es dann zu akzeptieren, dass nicht
alle aufgelöst werden können, resp. müssen. Das heisst auch innerhalb des Vorbereitungsteams, gab es
verschiedene und tiefe Momente des Lernens, des sich Reinlehnens und auch wieder Zurücklehnens, des
sich selbst Hinterfragens und des vorsichtigen Schauens, was denn möglich ist.
Das Event war in Bezug auf Agenda, Sprache und Ankündigung so strukturiert, dass sich die Zielgruppe
eingeladen fühlte zu kommen und nicht bereits durch die Verwendung von spezifischer Sprache im
Voraus Barrieren entstanden und von einer Teilnahme abschreckten. Die Teilnehmenden, die seitens
Gewerbeverband eingeladen wurden, kamen zu einem Anlass einer vertrauten Institution, konnten
sicher sein, vertraute Menschen anzutreffen und vertraute Praktiken (bspw. Inputrefereate) zu erleben.
Umgekehrt sollte es Eingeladenen aus dem Kreis der Bewegung von Basel2030 ähnlich gehen (bspw.
Ankündigung des Austausches unter den Teilnehmenden).
Am Vortag des Events gab es zudem eine kantonale Volksabstimmung, wo die beiden Parteien explizit
gegensätzliche Position bezogen hatten. Im Vorbereitungsteam wurde dies zwar zur Kenntnis
genommen, aber nicht spezifisch diskutiert, da alle wussten, dass der Entscheid in der Hand der
Stimmbürger:innen liegen würde. Nichtsdestotrotz gab es Befürchtungen, ob und inwiefern sich das
Resultat der Abstimmung auf die Stimmung und die Bereitschaft des Dialogs und des Zuhörens
auswirken würden, ob es dennoch möglich würde von den bereits bezogenen Positionen wieder einen
Schritt zurückzumachen zu den darunterliegenden Bedürfnissen: zu dem, was uns Sorge bereitet und
was uns Mut macht.
Die meisten der etwa 100 Teilnehmenden trafen bereits vor Beginn des Anlasses ein und wurden alle
von den verschiedenen Mitgliedern des Organisationsteams persönlich und herzlich begrüsst. Die
Intention dahinter war, ein Gefühl des Willkommenseins und der Sicherheit, “ich darf hier sein” zu
schaffen. Die Bestuhlung war eine klassische Konzertbestuhlung aufgrund des Raumes. Die Begrüssung
wurde von den beiden einladenden Organisationen gemeinschaftlich getätigt. Um von Anfang an das
Dialogische mit einzubringen, wurden die Teilnehmenden bereits ganz zu Beginn aufgefordert sich in 2
Runden à je 3 Minuten mit ihren Nachbar:innen (auch Sitzreihe hinter und vor ihnen auszutauschen) zu
folgenden Fragen auszutauschen: Runde 1) was hat euch heute hierher gebracht; Runde 2) was kommt
euch beim Begriff "Klimagerechtigkeit" in den Sinn? Die Intention an dieser Stelle war, die
Teilnehmenden von Anfang an in die Rolle von aktiven Gestalter:innen zu bringen und zu vermitteln,
dass es genau um sie und den Austausch untereinander geht.
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Anschliessend gab es eine kurze Inputpräsentation aus dem Regierungsrat, sowie zwei fachliche Inputs
aus dem Gewerbe: den einen zu «Wandel der Architektur in Zeiten der Klimakrise» und den anderen
zu «Klimaziele in der Wertschöpfungskette verfolgen». Hier war die Intention einerseits, eine
thematische Rahmung zu geben, vertraute Formate zu nutzen und gleichzeitig auch gedanklich zu öffnen
und den Bezug zu den eigenen Herausforderungen als Gewerbetreibende oder Klimaaktivist:innen zu
machen.
Dies wurde abgerundet durch 2 Minuten ganz bewusster kollektiver Stille. Einem Halten des Raumes,
wo eine konzentrierte Stille sich ausdehnen konnte. Eine kollektive Erfahrung mit einer Intensität, die
später auch in einigen der Rückmeldungen erwähnt wurde. Dies war der Auftakt zu der angekündigten
Diskussionsrunde, die in ihrer Gestaltung wohl für die meisten Teilnehmenden eher überraschend und
ungewöhnlich war. Sie kann als 1. Phase des TL Prozesses nach Mezirow (2000) bezeichnet werden, wo
eine Differenzerfahrung gemacht wird (Grund et al. 2024 bezeichnen es als “Novel experience”, die
sowohl angenehme als auch unangenehme Emotionen auslösen kann).
Der folgende Austausch wurde mit den folgenden Dialog Prinzipien eingeführt:
A. Von sich aus sprechen: Ich-Perspektive
B. Gemeinsam Verantwortung tragen
C. Aufmerksam, mit freudiger Offenheit und “Gwunder”
Die Dialogprinzipien, wie wir sie formuliert haben, speisen sich aus unterschiedlicher Quelle.
Insbesondere auch aus Circle Formaten, wie sie in verschiedenen indigenen Traditionen seit vielen
Generationen überliefert werden. David Bohm hat diese dann in seinen Dialogformaten übernommen,
die wiederum bspw. Otto Scharmer, Art of Hosting und andere Facilitator:innen Schulen beeinflusst
haben. Wir haben hier einen schweizerischen “touch” eingeführt, indem wir das deutsche Wort Neugier
(im Englischen curiosity) mit dem schweizerdeutschen Wort “Gwunder” übersetzt haben, dass das
“Wunderbare”, das Warten, Hoffen, sich Öffnen, dem Wunder, das sich vielleicht durch das Gegenüber
zeigen mag, beinhaltet.
Damit wurden die Teilnehmenden in einen von der Methode “1-2-4-all” (Liberating Structures)
inspirierten Austausch eingeladen. Nach den Minuten der Stille, fanden sie sich zu 2er Gruppen. Die
explizite Einladung war es an dieser Stelle (noch) nicht zu diskutieren, sondern sich stattdessen ganz
bewusst entweder in die Rolle Sprecher:in oder Zuhörer:in zu begeben. Um eine tragende Struktur zu
geben, die ein Entfalten ermöglicht, gab es ein klares Zeitmanagement, mit dem Anschlagen einer
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Klangschale, das via Mikrofon resp. Lautstärker verstärkt wurde. Die Leitfragen waren vom Team, das
hinter der Stimmenlabor stand, sorgfältig ausgewählt und viel diskutiert worden “Klimagerechtigkeit
2037: Was bereitet mir Sorge, was macht mir Mut?”. Dabei wurde absichtlich der explizite Bezug zum
Thema, nämlich Klimagerechtigkeit 2037 gemacht. Bewusst war hierbei allerdings nicht eine technische
Terminologie wie etwa Netto Null gewählt worden. Mit der nächsten Frage nach der Sorge, ging es ganz
darum einen Raum zu schaffen, wo Ängste um Verlust, Veränderung, vielleicht auch Trauer, Frustration
und Zorn ihren Platz haben und benannt werden konnten, um dann den Raum zu öffnen für die
Hoffnung, das Weite, das sich erst noch zu Manifestierende. Bei diesem ersten Austausch spricht je eine
Person für 4 Minuten, wobei die andere nur zuhört, anschliessend gab die Person, die zugehört hat, eine
kleine Rückmeldung zu dem, was sie gehört hat, in einem nächsten Schritt wurden die Rollen getauscht.
In einem TL Lernprozess passierte hier einerseits die emotionale Auseinandersetzung bezogen auf die
Frage nach Mut und Hoffnung und andererseits wird durch eine Rückmeldung des Gehörten ein
Reflektionsprozess zu den zugrundeliegenden Weltbildern angestossen. Im besten Fall führt dies zu einer
Reflektion, einem Hinterfragen der eigenen Annahmen und Perspektive und einem gegenseitigen
Nachfragen zur Klärung.
Nachher wurden die 2-er Gruppen eingeladen sich zu Vierergruppen zusammenzuschliessen und zu der
Frage: “Was hat sich in unserem Austausch gezeigt?” Für die Dokumentation der Erkenntnisse wurden
eckige Kärtchen verteilt für die Frage “Was wurde klar, welche Einsichten hatten wir?“. Hier gab es
bpsw. Rückmeldungen, die einen normativen Rahmen (Es braucht Gesetze & Vorschriften, Anreize)
vorschlagen, solche die stark vom Individuum ausgehen (Jeder muss bei sich selbst anfangen), solche
die eher das Problem hervorheben und die Komplexität des Problems und Stimmen, die mehr Diskurs
fordern (alle Rückmeldungen auf Kärtchen in Abb. 1)
Für die nachfolgende Frage „Welche (neuen) Fragen haben wir?” wurden ovale Kärtchen verteilt. Hier
traten grundsätzliche Fragen zu Klimagerechtigkeit aber auch zum gesellschaftlichen Miteinander, zu
Verhaltensänderungen und zu effektiven Massnahmen (siehe Abb.2).
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Abb. 1: Kärtchen zu “Was wurde klar, welche Einsichten haben wir?”
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Abb. 2: Kärtchen zu “Welche (neuen) Fragen haben wir?”
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Zum Abschluss wurde noch eine Mentimeter Abfrage durchgeführt, wo in Echtzeit die Antworten aller
Teilnehmenden für alle sichtbar projiziert wurden. Dieses auch hier wiedergegebene Bild (Abb. 3)
vermag eine kurze Impression der Vielstimmigkeit zu vermitteln. Anschliessend gab es noch einen langen
Apéro, wo der Dialog weiterging.
Abb. 3: Mentimeter Umfrage
Analyse
Auswertung der Stimmen danach
Im Nachgang der Veranstaltung haben wir den Teilnehmenden einen kurzen Fragebogen verschickt.
Darauf gab es 28 Rückmeldungen. Die Teilnehmenden wurden gefragt auf einer Skala von 1-5 gefragt,
ob ihre Erwartungen erfüllt worden waren (wobei 5 für übertroffen stand), Median war eine 4. Hier
ein paar Antworten auf die Frage “Was hat Sie am meisten überrascht?": "Die Bereitschaft zum Dialog, die
Offenheit der Dialoge, und die gute und konstruktive Stimmung.” “Den Mut, mit Methoden des tiefen Zuhören,
Dyaden, eine Minute Stille in dieses Forum zu gehen! Und dass die Teilnehmenden das offensichtlich nur wenig
irritiert, sondern gut mitgewirkt haben.” “Die Lebhaftigkeit des Austauschs.” das die Anwesenden tatsächlich aus
ganz verschiedenen Kreisen kamen. Dies als Beispiele positiver Rückmeldungen. Überraschende Momente
sind Momente, wo wir in ein Staunen kommen und es Raum für Ehrfurcht” (im englischen Original
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“awe”) gibt (siehe auch Kolmar 2021). Diesen Begriff verwenden wir an dieser Stelle bewusst, obwohl er
sowohl in der Alltagssprache als auch im wissenschaftlichen Diskurs eher unüblich ist. - Die Idee der
Ehrfurcht bedeutet, dass wir eine Entgrenzung des bisher als möglich Erachteten erfahren und somit in
einen liminalen Raum treten, wie er auch im transformativen Lernen beschrieben wird.
Viele der Anwesenden haben erfahren, dass in dieser ungewöhnlichen Mischung von politisch
polarisierten Gruppen, durch den mutigen Einsatz von dialogischen Formaten, Räume geschaffen werden
können, die ein ganz anderes Zusammenkommen und eine neue kollektive Erfahrung ermöglichen.
Kritische Rückmeldungen zur Frage des Überraschtseins gab es zwei: “Der Wissensstand der
Teilnehmenden.” “Die Oberflächlichkeit, der Smalltalk, die Unbeschwertheit, Leichtigkeit des Seins in Anbetracht
der Dramatik des Themas.” Dies weist auf eine gewisse Enttäuschung hin, dass die Ernsthaftigkeit der
Thematik zu wenig aufgenommen wurde.
Auswertung der Organisator:innen:
Die Organisator:innen trafen sich im Nachgang des Anlasses zu einem Debriefing von 90 Minuten. Alle
äusserten sich sehr zufrieden zu dem Anlass. Hier eine Zusammenfassung aus diesem Austausch:
Die Erkenntnisse aus dem vorliegenden Anlass verdeutlichen die Möglichkeit des Zuhörens, des
Einfühlungsvermögens für andere Perspektiven und der Schaffung eines Raums für vielfältige Standpunkte
zu Fragen von Klimagerechtigkeit und nachhaltigem Leben. Eine sorgfältige Vorbereitung und Moderation
sind hierbei entscheidend, wobei auch die räumlichen Mikrostrukturen einen Beitrag leisten.
Die Evaluation des Anlasses sowie direkte Rückmeldungen unterstreichen den Erfolg dieser Initiative.
Neben erwarteten Erkenntnissen, wie etwa der enormen Herausforderung, fallen besonders
überraschte Stimmen ins Gewicht. Teilnehmer äußerten ihre Verblüffung darüber, dass ein solcher
Austausch überhaupt möglich sei, und betonten die Bereitschaft zum Dialog, die Offenheit und die
konstruktive Atmosphäre. Es gab sowohl am Anlass selbst als auch in der Folge eine grosse Zahl von
Menschen, die direkt auf die Organisator:innen und die Facilitatorin zugegangen sind und sich bedankt
haben. Der Event wurde von Teilnehmenden als “hoffnungsvoll” bezeichnet und der Mut zur Stille und
die Nutzung einer Klangschale in einem solchen Kontext wurden von vielen der Teilnehmenden als
extrem positiv erfahren. Im Nachgang zu diesem Austausch wurde an eine der Organisator:innen auch
noch herangetragen, dass es einzelne Teilnehmende seitens Gewerbeverband gab, für die diese
ungewohnten Praktiken irritierten, die aber im selben Atemzug benannten, dass für sie der Abend
trotzdem gelungen war.
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Dieses Halten von Stille war aus Sicht der Facilitatorin im Sinne der Begleitung eines TL Prozesses
zentral: für die Teilnehmenden, war ein gemeinsames in die Stille treten komplett unerwartet in einem
solchen Setting und unter Berücksichtigung der Einladenden. Dies konnte deshalb eine
Differenzerfahrung auslösen, die bei einigen wohl auch eine starke emotionale Reaktion herbeigeführt
hat. Es sind diese Momente der gemeinsam gehaltenen Stille, die den kollektiven liminalen Raum geöffnet
haben, wo das Alte (die Erwartungen) plötzlich nicht mehr gelten und das Neue noch nicht spürbar war:
Wo dem Unwissen über das Künftige Raum eingeräumt wurde und plötzlich ein “presencing” (Scharmer
2009) stattfand.
Gezeigt hat sich auch, dass die Inputs kurz sein müssen und dass es ein genaues Briefing braucht, damit
sie den Rahmen nicht sprengen. Ein Fokusthema, das sich auch vergleichend besprechen liesse, wäre
besser als zwei völlig divergente Ansätze für die Umsetzung von Nachhaltigkeit.
Insgesamt aber wurde das Hauptziel des ersten Stimmenlabors erreicht: die Schaffung eines
Experimentierraums, in dem Menschen aufeinandertreffen, die sich normalerweise aufgrund
unterschiedlicher Realitäten hinsichtlich gesellschaftlicher Veränderungen kaum oder nie (freiwillig)
begegnen würden. Die erfolgreiche Zusammenführung von Vertretern des Gewerbeverbands und der
Klimabewegung ermöglichte es ihnen, miteinander zu sprechen, zuzuhören und sich über Mut sowie
Sorgen auszutauschen eine Möglichkeit, die dazu beiträgt, die Kluft zwischen verschiedenen "Bubbles"
zu verringern.
Dieser Perspektivwechsel wird für alle Seiten eine Lern- und Übungsaufgabe darstellen, vergleichbar mit
dem Training eines "sozialen Muskels", um gemeinsam die anstehenden gesellschaftlichen
Herausforderungen zu bewältigen. Das Stimmenlabor beabsichtigt, auch zukünftig einen Beitrag dazu zu
leisten und Räume, wo transformatives Lernen möglich wird zu öffnen.
Schlussfolgerung und Ausblick
Dieser Artikel bietet eine Analyse der Erfahrungen des Stimmenlabors Basel und zeigt auf, wie das
speziell ausgearbeitete Lern- und Diskussionsformat einen Beitrag zu Perspektivwechsel und
transgressiven Lernmomenten führen könnte. Dies wiederum braucht es, um eine basisdemokratische
Form von Dialog zu finden, damit eine Gesellschaft gemeinsame Ziele für eine zu erreichende
Klimagerechtigkeit mittragen kann. Das Stimmenlabor hat auch gezeigt, dass es absolut wichtig ist, dies in
einer lokalen Dimension anzugehen, auch wenn die Probleme immens und global sind, können nur lokale
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Anstrengungen sich gegenseitig verstärken. In dieser Richtung wird das "Stimmenlabor" weitere Anlässe
konzipieren und durchführen.
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Interessenkonflikt-Erklärung
Die Autor:innen sind gleichzeitig Initiant:innen oder Beteiligte am beschriebenen Stimmenlabor. Für die
wissenschaftliche Auswertung gab es keine Finanzierung. Das erste Stimmenlabor selbst wurde von der Stadt Basel,
dem Gewerbeverband, der römisch-katholischen Kirche und dem Jesuitenorden finanziert.
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The stability and resilience of the Earth system and human well-being are inseparably linked1–3, yet their interdependencies are generally under-recognized; consequently, they are often treated independently4,5. Here, we use modelling and literature assessment to quantify safe and just Earth system boundaries (ESBs) for climate, the biosphere, water and nutrient cycles, and aerosols at global and subglobal scales. We propose ESBs for maintaining the resilience and stability of the Earth system (safe ESBs) and minimizing exposure to significant harm to humans from Earth system change (a necessary but not sufficient condition for justice)⁴. The stricter of the safe or just boundaries sets the integrated safe and just ESB. Our findings show that justice considerations constrain the integrated ESBs more than safety considerations for climate and atmospheric aerosol loading. Seven of eight globally quantified safe and just ESBs and at least two regional safe and just ESBs in over half of global land area are already exceeded. We propose that our assessment provides a quantitative foundation for safeguarding the global commons for all people now and into the future.
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This article provides an overview of the literature on transformative learning over the previous 45 years, describes its current condition as a relatively mature collection of theories, and calls for greater clarity, new iterations of theory, and productive and substantive steps forward. It then provides an overview of the contributions in this issue of New Directions for Adult and Continuing Education.
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Transformative learning has become one of the most prominent learning theory in regard to sustainable development. It holds enormous potential for explaining and accompanying learning processes related to processes of transformation for sustainability, especially due to its emphasis on changing meaning perspectives in discussions with others in spaces free of coercion. In addition, it inspires learners and educators to pay particular attention to emotional challenges when they engage in critical thinking. This theoretical paper explores the potential of transformative learning theory by examining informal learning environments where people do not explicitly intend to learn but learning happens en passant or incidentally. It shows the ability of transformative learning theory to explain what can happen on the level of individual learning, organizational learning, learning in multi-professional networks, and learning in transdisciplinary or transformative research cooperation processes. Based on this analysis, recommendations can be derived to stimulate, enable, and accompany transformative learning processes for sustainability.
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This paper examines how a systems sensing—or felt-sense—approach and orientation to inquiry and systemic constellation practice might help social change organizations cultivate capacities to better navigate complexity, both in their outer-facing work and internal dynamics as teams and as individuals. We present a pilot study of systemic constellation practice, sharing the experience of participants during and after the practice, as well as our own reflexive process. Currently an undertheorized and underutilized approach within systems thinking work, systems sensing and systemic constellation, can reveal less visible but nevertheless foundational dynamics at play in an organizational body, and can help create more awareness through widening ways of knowing in the organizational playground. We explore how the facilitated collective sense-making process of systemic constellation engages subtle ways of knowing specifically energetic, relational, and embodied knowing, building on what Heron and Reason (2008) have called an “extended epistemology.” As we suggest, these more subtle ways of knowing warrant further study, particularly as they may contribute to action research methods and foster a more participatory culture of transformation at both an organizational and societal level.
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This article provides a rationale for inner transformation as a key and hitherto underresearched dimension of sustainability transformations. Inner transformation relates to various aspects of human existence and interactions such as consciousness, mindsets, values, worldviews, beliefs, spirituality and human–nature connectedness. The article draws on Meadows’ leverage points approach, as places to intervene in a system, to reveal the relevance of inner transformation for system change towards sustainability. Based on insights from a series of dialogue and reflection workshops and a literature review, this article provides three important contributions to sustainability transformations research: first, it increases our conceptual understanding of inner transformation and its relevance for sustainability; second, it outlines concrete elements of the inner transformation-sustainability nexus in relation to leverage points; and third, it presents practical examples illustrating how to work with leverage points for supporting inner transformation. In sum, the paper develops a systematized and structured approach to understanding inner transformation, including the identification of deep, i.e., highly influential, leverage points. In addition, it critically discusses the often contentious and divergent perspectives on inner transformation and shows related practical challenges. Finally, current developments in inner transformation research as well as further research needs are identified.
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The planetary boundaries framework defines a safe operating space for humanity based on the intrinsic biophysical processes that regulate the stability of the Earth system. Here, we revise and update the planetary boundary framework, with a focus on the underpinning biophysical science, based on targeted input from expert research communities and on more general scientific advances over the past 5 years. Several of the boundaries now have a two-tier approach, reflecting the importance of cross-scale interactions and the regional-level heterogeneity of the processes that underpin the boundaries. Two core boundaries—climate change and biosphere integrity—have been identified, each of which has the potential on its own to drive the Earth system into a new state should they be substantially and persistently transgressed.
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The article synthesizes literature relating to the recent development of the theory of transformative learning (TL) and societal changes using three exemplary fields of study: (1) Civic education and democratic transformations, (2) TL for sustainability and ecology, and (3) TL in the context of migration (and especially for refugees). This article contends that in the literature, TL is considered a promising answer to an urgent search for conceptual and practical tools to address the wicked problems of our time. We see, however, also the potential pitfall of TL if used as a buzzword or understood as a comprehensive reeducation program designed from above that ignores human agency and the emotional, relational, and political challenges of transformation.
Chapter
The rapidly changing environment requires an ability for critical reflection. In this chapter, I suggest that our abilities to engage in transformative learning and critical reflection on our taken-for-granted assumptions may be significantly strengthened by gently yet critically harnessing ‘edge-emotions’ as our guiding friends in the processes of learning and development. The theory of edge-emotions argues that resistance to reflection is deeply rooted in the biology of emotions and cognitive functions acting together in favour of self-preservation. This chapter offers an understanding of the dynamics of edge-emotions and suggests ways in which we can learn to harness edge-emotions in practice for supporting critical reflection and transformative learning.
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In Designs for the Pluriverse Arturo Escobar presents a new vision of design theory and practice aimed at channeling design's world-making capacity toward ways of being and doing that are deeply attuned to justice and the Earth. Noting that most design—from consumer goods and digital technologies to built environments—currently serves capitalist ends, Escobar argues for the development of an “autonomous design” that eschews commercial and modernizing aims in favor of more collaborative and placed-based approaches. Such design attends to questions of environment, experience, and politics while focusing on the production of human experience based on the radical interdependence of all beings. Mapping autonomous design’s principles to the history of decolonial efforts of indigenous and Afro-descended people in Latin America, Escobar shows how refiguring current design practices could lead to the creation of more just and sustainable social orders.