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Institutionelle Diskriminierung und rechte Stimmungsmache: Dynamiken und Triebkräfte des Antiziganismus

Authors:
#6 | Sommer 2024
>blickwinkel
rechtsextreme phänomene | jugendkulturen | jugendarbeit
© Florian Boillot
Antiziganismus bzw. Rassismus gegen Rom*nja und Sin-
ti*zze ist in Deutschland und Europa allgegenwärtig: In
allen Lebensbereichen, darunter Arbeit, Bildung, Wohnen
und Gesundheit, erfahren Rom*nja und Sinti*zze massive
individuelle, institutionelle und strukturelle Diskriminie-
rung. Angehörige der Minderheit werden kriminalisiert,
stigmatisiert oder marginalisiert und sind nicht ausrei-
chend vor rechtsextremer Gewalt geschützt. Gleichzeitig
sind die Erfahrungen der von Antiziganismus Betroenen
in der öentlichen Debatte bisher kaum präsent. Daher ist
die sechste Ausgabe des >blickwinkels dieser spezischen
Form des Rassismus gewidmet.
Antiziganismus hat in Deutschland eine lange und gewalt-
volle Geschichte, zu der auch der staatlich organisierte
Antiziganismus –
Rassismus gegen Rom*nja
und Sinti*zze
INHALT
2 | Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze –
ein europäisches Problem
David Nikolic und Stefan Pavlovic, Rroma
Informations Centrum e.V.
5 | Institutionelle Diskriminierung und rechte
Stimmungsmache: Dynamiken und
Triebkräfte des Antiziganismus
Tobias Neuburger, Zentrum für
Antisemitismusforschung
11 | Amaro Dikhipe – Unser Blick: Bildungsarbeit
zu Antiziganismus mit Betroenen
Carmen Glink Buján, Amaro Foro e. V.
Bewohner*innen und Aktivist*innen bei einer Kundgebung
gegen die Entmietung von von Rom*nja bewohnten
Häusern in Berlin-Friedrichshain im Dezember 2021.
2>blickwinkel # 6 | Sommer 2024
Genozid der Nationalsozialisten an Rom*nja und
Sinti*zze zählt. In einem einleitenden Text gehen
David Nicolic und Stefan Pavlovic auf die historische
Dimension des Antiziganismus in Deutschland ein.
Aber auch in der Gegenwart sind Rom*nja und Sin-
ti*zze immer wieder institutioneller Diskriminierung
und rechter Stimmungsmache ausgesetzt. Tobias
Neuburger stellt in seinem Artikel das Verhältnis von
antiziganistischen Einstellungen und staatlicher Aus-
grenzung von Rom*nja und Sinti*zze vor. Dabei zeigt
er auch die Bedeutung des antiziganistischen Feind-
bildes im Rechtsextremismus auf. In Deutschland
sind es bisher vor allem Selbstorganisationen von
Nahezu jede Person, die in Deutschland die mittlere
Reife erlangt, wird während ihrer schulischen Lauf-
bahn mindestens einmal mit der Geschichte des Na-
tionalsozialismus konfrontiert. Der Zweite Weltkrieg,
Konzentrationslager und Holocaust sind deshalb
Schlagwör ter, unter denen sich die meisten Menschen
etwas vorstellen können. Anders sieht es aus, wenn
es um den Porajmos geht. Im Kontext des Nationalso-
zialismus werden Rom*nja und Sinti*zze meistens nur
als Randnotiz erwähnt, obwohl auch sie Opfer eines
grausamen Genozids geworden sind. Noch heute wird
auf deutschen Schulhöfen »Zigeuner« als Beleidigung
verwendet und gesellschaftlich häug toleriert. Der
weitverbreitete Mythos, das Wort sei von »ziehen-
der Gauner« abgeleitet, wird von den meisten Lingu-
ist*innen abgestritten. Wahrscheinlicher ist, dass es
sich bei der rassistischen Fremdbezeichnung um eine
Ableitung aus dem griechischen Wort »αθιγγανοι«
(ausgesprochen »athinganoi«) handelt, welches so
viel wie »unberührbar« bedeutet. Die englische, eben-
falls rassistische Fremdbezeichnung »gpsies« ist auf
den Trugschluss zurückzuführen, Rom*nja würden
aus Ägpten (»egptians«) stammen.
Leider sind die Fremdbezeichnungen immer noch
geläuger als die korrekte Bezeichnung Rom*nja
und Sinti*zze. Und obwohl diese mit zehn bis zwölf
Millionen die größte Minderheit Europas darstellen,
ist der Mehrheitsgesellschaft wenig über Rom*nja
und Sinti*zze bekannt. Dazu gehört auch der Fakt,
dass der Ursprung der europäischen Minderheit
im Nordwesten der indischen Halbinsel liegt. Von
diesem Gebiet aus verbreiteten sich Rom*nja und
Sinti*zze seit dem Hochmittelalter westwärts, ver-
mutlich notgedrungen aufgrund von Kriegen, bis die
ersten von ihnen schließlich im 13. bis 14. Jahrhun-
dert in Europa ankamen. Dabei sind die Sinti*zze als
Teilgruppe neben den Rom*nja zu betrachten, die
seit dem 15. Jahrhundert in Mitteleuropa ansässig
ist. Die ersten Aufzeichnungen von Rom*nja auf
deutschsprachigem Gebiet datieren auf 1407. In die-
sen frühen Dokumenten werden der Volksgruppe
einige positive Attribute zugeschrieben. Besonders
hervorgehoben sind in diesen Texten die ausgepräg-
ten musischen Begabungen und Sprachkompeten-
zen der Neuankömmlinge – Stereotype, die sich bis
heute halten.
Rom*nja und Sinti*zze, die sich gegen Antiziganismus
wehren und Betroene unterstützen. Carmen Glink
Buján berichtet von einem Wochenende mit jungen
Romnja, die gemeinsam zu Identität, Stereotypen
und Diskriminierung arbeiteten.
Der Begri »Antiziganismus« ist umstritten, weil
er die rassistische Fremdbezeichnung reproduziert.
In Anerkennung der Tatsache, dass die Debatte um
einen angemessenen Begri des Phänomens noch
nicht abgeschlossen ist, ist dieser >blickwinkel sowohl
mit »Antiziganismus« als auch mit »Rassismus gegen
Rom*nja und Sinti*zze« überschrieben.
Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze
ein europäisches Problem
DAVID NIKOLIC UND STEFAN PAVLOVIC, RROMA-INFORMATIONS-CENTRUM e. V.
>blickwinkel # 6 | Sommer 2024 3
ROM*NJA-FEINDLICHKEIT – EINE ERFINDUNG DER NATIONALSOZIALISTEN?
Obwohl der Porajmos, der systematische Völkermord,
dem mindestens 500.000 Sinti*zze und Rom*nja zum
Opfer elen, das tragischste Kapitel in der Historie der
Volksgruppen darstellt, wäre es falsch, zu behaupten,
Rom*njafeindlichkeit sei eine Erndung der National-
sozialisten. Vielmehr nutzten diese bereits seit der
frühen Neuzeit bestehende und in der Mehrheitsbe-
völkerung etablierte Vorurteile und rassistische Stig-
matisierungen als Fundament für ihre Gräueltaten.
Schon am 4. September 1498, weniger als ein Jahr-
hundert nach dem Ankommen der ersten Rom*nja
im Gebiet des Heiligen Römischen Reichs Deutscher
Nation, erklärte der Reichstag in Freiburg »zigeuner«
als vogelfrei und forderte die Vertreibung dieser »uß
den landen teutscher nacion«. Das Hauptargument
für diesen Beschluss stellte die Vermutung dar, die
Rom*nja seien eigentlich muslimische Spion*innen
und Missionär*innen aus dem osmanischen Reich –
ungeachtet der Tatsache, dass die Mehrheit der loka-
len Rom*nja-Communities dem christlichen Glauben
angehörte. Auch außerhalb der deutschsprachigen
Gebiete ereilte die Rom*nja kein leichtes Schicksal.
So wurden sie in den Donaufürstentümern Moldau
und Walachei seit ihrer Ankunft im 14. Jahrhundert
und bis ins Jahr 1856 als Sklav*innen und Leibeigene
gehalten. Dabei kam es nicht selten vor, dass Familien
entzweit und Kinder von ihren Eltern getrennt wur-
den. Da Rom*nja-Familien in solchen Fällen versuch-
ten, ihre Kinder wieder zu sich zu holen, entstand das
Vorurteil des Kinderraubs, welches sich schnell in ganz
Europa verbreitete. Der omnipräsente Hass sowie die
ständige Vertreibung aus Städten und Provinzen, mit
denen sich die Rom*nja konfrontiert sahen, zwang
sie zudem de facto dazu, ständig von einem Ort zum
nächsten zu migrieren. Das Klischee des in Wohnwä-
gen lebenden Nomad*innenvolks ist somit ebenfalls
hinfällig, da dieser nicht sesshafte Lebensstil kei-
neswegs freiwillig praktiziert wurde.1 Zum Ende des
19. Jahrhunderts, nach der deutschen Reichsgrün-
dung, wurden – in besonderem Maße in Bayern – eine
Mehrzahl an diskriminierenden Gesetzen gegenüber
den Rom*nja und Sinti*zze beschlossen. Zudem wur-
den Listen geführt, auf welchen alle auf deutschem
Gebiet lebenden Rom*nja und Sinti*zze registriert
© Picture Alliance | Britta Pedersen
Besucher*innen am Denkmal
für die ermordeten Sinti und
Roma in Berlin. Ob das 2012
eingeweihte Denkmal auch in
Zukunft in seiner ursprünglichen
Form bestehen bleiben kann, ist
unsicher, denn Pläne für den Bau
einer S-Bahn-Strecke gefährden
den Gedenkort.
1 Uta Andresen (1997): Vogelfrei
und immer auf der Flucht. Tages-
zeitung vom 25.10.1997.
4>blickwinkel # 6 | Sommer 2024
waren. Diese Listen ermöglichten es dem NS-Regime
später, Massendeportationen eektiv durchzuführen.
Wenige Wochen vor den Olympischen Spielen 1936
in Berlin wurde am Rande der Stadt ein Zwangslager
errichtet, in das die lokale Rom*nja- und Sinti*zze-
Bevölkerung deportiert wurde. Die hierfür errich-
tete Wohnwagensiedlung bediente bewusst das
Klischee des unzivilisierten und nicht anpassungs-
fähigen Nomad*innenvolks und wurde zum Drehort
für einige Propagandalme, die diese rassistischen
Stigmatisierungen bestätigten. Zwei Namen, die im
Rahmen der pseudowissenschaftlichen und faschis-
tisch-ideologisch geprägten »Rassenforschung«
der Nationalsozialisten eine tragende Rolle spielten,
waren der Kinderarzt Robert Ritter und die Anthro-
pologin Eva Justin. D ie beiden führten unter anderem
Messungen durch, um anhand von morphologischen
Merkmalen wie der Nasenlänge und dem Kopfum-
fang aufzuzeigen, dass sich die »Zigeuner« von der
»arischen Rasse« klar unterscheiden würden. Neben
Vermessungen von Körperteilen wurden grausame
Experimente, vor allem an Kindern und Jugendli-
chen durchgeführt, bei denen unter anderem deren
Schmerz- und Giftresistenz untersucht wurde. Viele
junge Rom*nja und Sinti*zze starben an den Folgen
dieser pseudowissenschaftlichen Experimente oder
wurden durch die Nationalsozialisten sterilisiert.
Besonders makaber: Die beiden Rassenforscher*in-
nen erlitten, auch nach dem Ende des NS-Regimes,
niemals Konsequenzen für die von ihnen verübten
Gräueltaten. Im Gegenteil – Eva Justin war ab 1948
als Kinderpsychologin (!) in Frankfurt am Main tätig,
während Robert Ritter ab 1947 die »Fürsorgestelle
für Gemüts- und Nervenkranke« sowie die Jugend-
psychiatrie in derselben Stadt leitete.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Eva Justins
»Rassenstudien« in mehreren osteuropäischen Län-
dern als legitimes wissenschaftliches Material aner-
kannt und verbreitet. Das führte dazu, dass ohnehin
vorhandene rom*njafeindliche Ressentiments mit-
hilfe dieser rassistischen Studien bekräftigt wur-
den. Bis heute werden Rom*nja in ebendiesen Län-
dern sowohl auf dem Wohnungs- als auch auf dem
Arbeits- und Bildungsmarkt diskriminiert. So wird in
Tschechien und der Slowakei bis heute ein signi-
kant hoher Anteil an Kindern unabhängig von ihrer
schulischen Leistung in Sonderschulen geschickt
und so systematisch von der Mehrheitsgesellschaft
abgekapselt. Auch in der jüngeren Geschichte kam es
wiederholt zu antiziganistisch motivierten Straftaten
gegenüber Rom*nja. Die prominentesten Beispiele
hierfür sind die sogenannten »ethnischen Säube-
rungen« im Rahmen der Jugoslawienkriege und spä-
ter im Kosovo, bei denen ganze Rom*nja-Siedlungen
zerstört und die ansässige Bevölkerung vertrieben
wurde, sowie die zwischen 2008 und 2009 in Ungarn
an Rom*nja verübte Mord- und Anschlagserie.2
Auch in Deutschland kommt es immer wieder zu
Gewalttaten verschiedenster Art gegen die größte
Minderheit Europas. So listet die Melde- und Infor-
mationsstelle Antiziganismus für das Jahr 2022
621 entsprechende Fälle auf. Davon bezog sich ein
gemeldeter Fall auf extreme Gewalt, 17 umfassten
Angrie, 334 Diskriminierungen, vier Sachbeschädi-
gungen, elf Bedrohungen und 245 verbale Angrie.3
Im Jahr 2023 machte dann ein rechtsextremer Über-
fall auf eine Roma-Familie aus Bosnien Schlagzeilen.
Die Familie war von Berlin in die brandenburgische
Landstadt Lieberose gezogen. »Wir wurden vom
Vermieter und den Nachbarn sehr gut aufgenom-
men und haben uns darauf gefreut, hier zu leben«,
beschrieb Enisa B. die Ankunft in Lieberose. Doch
innerhalb nur weniger Tage erfuhr die Familie wie-
derholt Gewalt, Bedrohungen und Beleidigungen.
Aus Angst vor weiterer Gewalt machte sie nicht
öentlich, eine Roma-Familie zu sein. Am späten
Freitagabend, die Kinder schliefen bereits, häm-
merte plötzlich ein alkoholisierter Mann an das Fens-
ter der Wohnung. Wie sich später herausstellt, war
er polizeibekannt. Er habe mehrmals neonazistische
Parolen gerufen und auch den Hitlergruß gezeigt,
berichtete Enisa B. Die Frau sei aus der Wohnung
getreten, um den Mann zum Gehen aufzufordern.
»Verschwindet von hier«, habe der Mann ihr gedroht.
Auch am nächsten Tag war die Familie rassistischer
Gewalt und Bedrohungen ausgesetzt, weshalb sie
Lieberose uchtartig wieder verließ. Solche Gewalt,
auch gegen Kinder und Jugendliche, ist leider kein
Einzelfall, wie die Berichte der Melde- und Informa-
tionsstelle Antiziganismus zeigen.4
ZUM WEITERLESEN
Arnulf Scriba (2015): Der Völ-
kermord an Sinti und Roma.
In: Lebendiges Museum On-
line, Deutsches Historisches
Museum. Online auf dhm.de.
Bundeszentrale für politische
Bildung: Antiziganismus.
Online auf bpb.de.
Gedenkstätten in Ba-
den-Württemberg: Sinti und
Roma – Antiziganismus. De-
nition und Stereotype. Online
auf gedenkstaetten-bw.de.
DAS ECHO DER NS-ZEIT
2 Zum Weiterlesen: Diljana Lam-
breva (2014): Antiziganistischer
Rassismus – ein osteuropäisches
Problem? Bundeszentrale für
politische Bildung.
3 Melde- und Informationsstelle
Antiziganismus (2022): Antiziga-
nistische Vorfälle in Deutschland.
Berlin.
4 Julius Geiler: »Im Haus vor Neo-
nazis verbarrikadiert«. Bosnische
Familie ieht aus Brandenburg.
Tagesspiegel, 10.08.2023.
>blickwinkel # 6 | Sommer 2024 5
Institutionelle Diskriminierung und rechte
Stimmungsmache: Dynamiken und Triebkräfte
des Antiziganismus
TOBIAS NEUBURGER, ZENTRUM FÜR ANTISEMITISMUSFORSCHUNG
In regelmäßigen Zeitabständen lässt die Einstellungs-
forschung mit neuen Zahlen auorchen. Die Ableh-
nung von Sinti*zze und Rom*nja, so bezeugen es die
Erhebungen der »Mitte-Studien«1 oder der »Leipziger
Autoritarismus Studie2, verharrt seit vielen Jahren
auf konstant hohem Niveau. Unabhängig von ihren
erhebungstechnischen Unterschieden verweisen
beide Langzeitstudien übereinstimmend darauf, dass
antiziganistische Einst ellungsmuster wenig t abuisiert
sind und bis weit in die sogenannte gesellschaftliche
Mitte hinein geteilt werden.
Auällig ist, dass antiziganistische Einstellungsmus-
ter keineswegs isoliert auftreten, sondern »zumeist
mit anderen Formen der Abwertung«3 einherge-
hen. Der Antiziganismus ist – im Sinne eines Ticket-
denkens4 sowohl Moment eines sozialdarwinis-
tischen Menschenbildes5 als auch Ausdruck eines
umfassenderen Autoritarismus. Denn antiziganis-
tische Einstellungen, das belegen die empirischen
Befunde der Umfrageforschung, stehen in einem
engen und negativen Zusammenhang mit der »Ein-
schätzung der Legitimität« und der »Unterstützung
Nichtsdestotrotz gibt es einige Lichtblicke in der
jüngeren Geschichte der Rom*nja und Sinti*zze. So
fand am 8. April 1971 der erste Weltromakongress
in London statt. Bei diesem wurde Romanes als
ozielle Sprache sowie »Roma« als Eigenbezeich-
nung des Volkes festgelegt. »Rom/Romni« bedeutet
»Mensch« auf Romanes. Mit der Rom*nja-Flagge
und der Hymne (Djelem Djelem) wurden zudem
zwei wichtige Symbole für die Identität und das
nationale Selbstverständnis der Rom*nja etabliert.
Am 17. März 1982 erkannte der damalige Bundes-
kanzler Helmut Schmidt den Völkermord an Rom*nja
und Sinti*zze seitens des NS-Regimes oziell an,
am 24.Oktober 2012 wurde mit der Erönung des
Denkmals für die im Nationalsozialismus ermorde-
ten Sinti und Roma Europas in Berlin ein Ort des
Gedenkens und Erinnerns errichtet. Mittlerweile
arbeiten europaweit NGOs und Vereine für die poli-
tische und gesellschaftliche Emanzipation der loka-
len Rom*nja- und Sinti*zze-Communities sowie für
die Sichtbarmachung der Historie und aktuellen
Problematiken der Minderheit. Dabei ist der Begri
»Antiziganismus«, der sich seit den 1980ern eta-
bliert hat, heutzutage unter Rom*nja-Aktivist*innen
umstritten, da er den Wortstamm der rassistischen
Fremdbezeichnung enthält.
ZUNEHMENDE SELBSTORGANISATION DER EUROPÄISCHEN ROM*NJA UND SINTI*ZZE
RROMA INFORMATIONS CENTRUM e. V.
Das Rroma Informations Centrum e.V., eine von vie-
len Organisationen, die sich dem Rom*nja- und Sin-
ti*zze-Aktivismus verschrieben haben, bietet seit
2013 historische Stadtrundgänge in Berlin an, bei wel-
chen u.a. das Denkmal für die im National sozialismus
ermordeten Sinti und Roma Europas sowie die
Gedenkstätte, die an das 1936 errichtete Zwangsla-
ger erinnert, besucht werden. Weitere Informationen
auf rroma-info-centrum.de.
1 Andreas Zick, Beate Küpper und
Nico Mokros (Hrsg.) (2023).
2 Oliver Decker et al. (Hrsg.)
(2022).
3 Susanne Pickel et al. (2022),
hier 196.
4 Mit dem Begri des Ticket-
denkens bezeichnen Theodor W.
Adorno und Max Horkheimer ein
Syndrom des versteinerten Den-
kens, das sich gerade nicht durch
Erfahrung begründet, sondern an
vorgefertigten Klischees orien-
tiert. Vgl. Theodor W. Adorno und
Max Horkheimer (2006), 210.
5 Susanne Pickel und Toralf Stark
(2022), 5.
6>blickwinkel # 6 | Sommer 2024
der Demokratie als Staatsidee«6. Wer antiziganisti-
sche Einstellungen teilt, lehnt also häug auch die
Demokratie als Herrschaftsform ab und spricht der
repräsentativen Demokratie keine Legitimität zu. Vor
diesem Hintergrund kann es kaum verwundern, dass
bei einer Zustimmung zu antiziganistischen Aussa-
gen auch »das Vertrauen in die politischen Institu-
tionen leidet«7.
Das Problem des Antiziganismus sollte aber keines-
wegs auf solcherart individuell und kollektiv geteilte
Bewusstseinsphänomene reduziert werden. Bereits
ein üchtiger Blick in Geschichte und Gegenwart
legt ein eindrückliches Zeugnis davon ab, dass es
sich dabei vielmehr um ein »tief im gesellschaftli-
chen« und im institutionellen »Leben eingeschlif-
fenes Schema«8 handelt. Auf der politisch-rechtli-
chen Ebene drängt der Antiziganismus – unter sich
wandelnden gesellschaftlichen Kontextbedingun-
gen – immer wieder auf »den Ausschluß der Sinti
und Roma aus der Gemeinschaft der Staatsbürger«9
und Rechtssubjekte. Das heißt also: Antiziganismus
besteht nicht nur darin, unerwünschte andere als
minderwertig zu stigmatisieren. Darüber hinaus
begründet und legitimiert er auch institutionelle
Strategien ihres gesellschaftlichen Ein- und Aus-
schlusses und dient in letzter Konsequenz somit
dazu, sie als rechtlos zu denieren.10
© Florian Boillot
Parade zum Welt-Roma-Tag am
8. April 2023. Der Internationale
Aktionstag erinnert an den
ersten Welt-Roma-Kongress
1971 und dient als Protesttag
gegen Rassismus, Verfolgung,
Unterdrückung und Ausgrenzung.
6 Susanne Pickel et al. (2022),
196.
7 Ebd.
8 Franz Maciejewski (1996),
hier 11.
9 Ebd., 17.
10 Vgl. auch Wolf-Dietrich Bukow
(2016), 323–349.
>blickwinkel # 6 | Sommer 2024 7
NÄHRBODEN FÜR RECHTE STIMMUNGSMACHE
Antiziganistische Bild- und Vorstellungswelten sind
seit Jahrhunderten tief in das kulturelle Gedächt-
nis Europas eingeschrieben11 und bilden daher ein
weitgehend unhinterfragtes Fundament für die wie-
derkehrende Diskriminierung und Ausgrenzung von
Sinti*zze und Rom*nja. Erklärungsbedürftig bleibt in
diesem Zusammenhang aber die Frage, warum und
»unter welchen besonderen lebensgeschichtlichen«
und institutionellen »Bedingungen der Rassismus
sich im Kopfe, d.h. im Bewußtsein, der einzelnen Indi-
viduen durchsetzt.«12 Diese Frage ist keineswegs nur
von theoretischem Interesse, sondern gerade auch
vor dem Hintergrund handlungspraktischer Gegen-
strategien von kaum zu unters chätzender Bedeutung.
Auch wenn es keine einfachen Antworten auf diesen
komplexen und verwickelten Problemzusammen-
hang gibt, so tritt am Beispiel des Antiziganismus
ein wesentliches Merkmal hervor, das auch bei ande-
ren Formen des Ressentiments beobachtet werden
kann: Gerade weil der Antiziganismus gesellschaft-
lich wenig tabuisiert ist und eine weithin akzeptierte
Form eines europaweiten Rassismus darstellt,13 bie-
tet er einen Nährboden für wiederkehrende rechte
Stimmungsmache und eine bürgerschaftliche »Akti-
vität ›von unten‹, welche den Staat drängt«, die
»institutionelle und rechtliche Diskriminierung« von
Sinti*zze und Rom*nja »auszuweiten«14 . Nicht nur die
Geschichte, sondern auch die Gegenwart bezeugt,
dass für die staatliche Ausgrenzungs- und Verfol-
gungspraxis stets eine »Eigeninitiative der Bevölke-
rung«15 konstitutiv ist.
Dieses arbeitsteilige Wechselspiel aus ›bürger-
schaftlichem‹ Engagement einerseits und staat-
lich-behördlicher Diskriminierungspraxis anderer-
seits hat sich bis heute nicht verloren. Als 1992 in
Rostock-Lichtenhagen ein Pogrom gegen die Bewoh-
ner*innen der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbe-
werber (ZAst) und eines Wohnheims für ehemalige
vietnamesische Vertragsarbeiter*innen im soge-
nannten Sonnenblumenhaus stattfand, war der
Antiziganismus ein Kernbestandteil der Gewaltdy-
namik. Nachdem sich die ausländer- und asylfeind-
liche Stimmung seit 1990 immer weiter zuspitzte
und auch gegen geüchtete rumänische Rom*nja
richtete, durfte sich der rassistische Mob wenige
Wochen nach dem Rostocker Po grom in seinen For-
derungen und als »Vollstrecker des Volkswillens«16
bestätigt fühlen: Im September 1992 schloss die
Bundesregierung mit Rumänien das erste Rücküber-
nahmeabkommen im wiedervereinigten Deutsch-
land ab. Dieses zielte in erster Linie auf die massen-
hafte Abschiebung von Rom*nja.17
ANTIZIGANISMUS IM DISKURS UM MIGRATION
Vergleichbare Dynamiken, wie im Kontext der Über-
fremdungs- und Asyldebatten Anfang der 1990er,
können – knapp 20 Jahre später – auch im Zusam-
menhang mit dem Prozess der sogenannten EU-Süd-
osterweiterung beobachtet werden. Denn nachdem
Rumänien und Bulgarien 2007 Mitglieder der Europä-
ischen Union wurden, hat sich europaweit ein neuer
Rassismus formiert,18 der sich in Deutschland in ers-
ter Linie gegen eine als »Armutszuwanderung« stig-
matisierte EU-Migration richtete.19 Dieser Abwehr-
diskurs über angebliche »Armutszuwanderer« und
»Sozialtouristen« wurde im Kern mit antiziganisti-
schen Wissensbeständen begründet.
Die Konjunktur dieses migrationspolitischen Pro-
blemdiskurses lässt sich auch anhand des öentli-
chen Sprachgebrauches nachzeichnen. Um nur einige
Beispiele zu nennen: Das geügelte Wort »Sozial-
tourismus« wurde 2013 zum Unwort des Jahres
gewählt.20 Im Europawahlkampf 2014 plakatierte die
NPD den Slogan »Wir sind nicht das Sozialamt der
Welt« und die AfD sekundierte auf ihren Plakaten
nahezu gleichlautend »Wir sind nicht das Weltsozial-
amt«. 21 Auf einer CSU-Klausurtagung Anfang 2014
wurde die programmatische Losung »Wer betrügt,
der iegt«22 ausgegeben und wenig später positio-
nierte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mit
den Worten »Die EU ist keine Sozialunion«23. Bereits
2011 hatte der damalige bayerische Ministerpräsi-
dent Horst Seehofer in einer Rede beim politischen
Aschermittwoch der CSU versprochen, dass »wir
uns in der Berliner Koalition […] bis zur letzten Pa-
trone [sträuben] und niemals nachgeben, dass wir
eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme
11 Zur kulturhistorischen Tiefen-
dimension des Antiziganismus
siehe exemplarisch Klaus Michael
Bogdal (2011), 14.
12 Peter Schmitt-Egner (1976),
350–404, hier 398.
13 Vgl. Aidan McGarry (2017).
14 Sebastian Winter, 111–128,
hier 111.
15 Ebd., 112.
16 Hans-Peter Killguss (2013),
98–111, hier 100.
17 bpb.de (07.04.2011).
18 Zu europäischen Dimension
des Antiziganismus siehe exem-
plarisch Giovanni Picker (2017).
19 Weiterführend zum deutsch-
sprachigen Diskurs siehe bei-
spielsweise Markus End (2014).
20 Vgl. Fumiko Lipp (2014).
21 Vgl. Jakob Augstein (2014).
22 Vgl. Katharina Schuler (2014).
23 Vgl. Kathrin Haimerl (2014).
8>blickwinkel # 6 | Sommer 2024
bekommen«24. Auf dem politischen Aschermitt-
woch 2015 heizte er der Parteibasis, wie schon 2011
auf dem Deutschlandtag der Jungen Union, mit den
Worten »Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze
Wel25 ein.
Rückblickend kann festgestellt werden, dass die
rechte Stimmungsmache zwar bereits unmittelbar
nach den 2007 erfolgten EU-Beitritten Rumäniens
und Bulgariens einsetzte, aber die Rhetorik des politi-
schen Tagesgeschehens erst mit einigen Jahren Ver-
zögerung auch bundesweit zu dominieren begann.
Dies hat insbesondere damit zu tun, dass der (sozial)
rechtliche Ausschluss der neuen Unionsbürger*innen
in einem Übergangszeitraum von sieben Jahren weit-
gehend aufrechterhalten werden konnte, ihre Freizü-
gigkeitsrechte erheblich eingeschränkt blieben und
die Niederlassung in Deutschland damit entschei-
dend erschwert wurde. So bewahrheitet sich am Bei-
spiel der ethnisierten EU-Migration die allgemeinere
Beobachtung, dass das »Gespenst der Migration«26
immer dann als bedrohlich wahrgenommen wird,
wenn bestehende Macht- und Ohnmachtsverhält-
nisse in Bewegung geraten und eine Situation juris-
tischer Minderwertigkeit27 nicht aufrechterhalten
werden kann. In einen solchen zeitlichen Kontext ist
auch ein damals in der Öentlichkeit viel beachtetes
Positionspapier des Deutschen Städtetages einzu-
ordnen. Angesichts der auslaufenden Übergangsre-
gelungen befürchtete der Deutsche Städtetag darin
eine nicht zu bewältigende Völkerwanderung von als
Rom*nja stigmatisierten rumänischen und bulgari-
schen Unionsbürger*innen, deren »Einreise« lediglich
»oziell […] zum Zwecke der Arbeitssuche«28 erfolge.
© Amaro Foro / Marina Hoppmann
Junge Romnja in der
Auseinandersetzung
mit antiziganistischen
Bildern und der eigenen
Diskriminierungserfahrung.
Das Bild ist im Rahmen des
Fotoprojekts Amaro Dikhipe
von Amaro Foro entstanden.
24 Vgl. Michael Vosatka (2018).
25 Vgl. Paul Munzinger (2015).
26 Serhat Karakayali (2015), 11.
27 Vgl. Étienne Balibar (1993), 48.
28 Deutscher Städtetag (2013), 3.
>blickwinkel # 6 | Sommer 2024 9
Es ist geradezu desillusionierend, zu sehen, wie stark
sich die Sprachbilder aus der Zeit um das Jahr 2013
mit jenen von Anfang der 1990er ähneln. Schon in
den 1990ern hatten mehrere Städte – insbesondere
im Ruhrgebiet – angesichts der Migration rumäni-
scher Rom*nja mit einem Hilferuf (»Die Städte sind
am Ende«) die rechten Stimmungslagen aufgegrien
und sahen den »sozialen Frieden in unseren Städten
gefährdet«.29 Besondere Sorgen bereitete dem groß-
städtischen Spitzenverband zwei Jahrzehnte später
erneut »der Erhalt des sozialen Friedens in der Stadt-
gesellschaft«30, der aber nicht nur durch Rom*nja,
sondern darüber hinaus auch durch rechtsextreme
Akteur*innen31 herausgefordert werde. Entspre-
chend verwiesen die im Deutschen Städtetag ver-
einten Großstädte auf ein »Gefährdungspotential«,
das dadurch entstehe, »dass die Probleme vor Ort
als Projektionsäche für rechtsextremes Gedanken-
gut«32 dienten. Aus dieser Feststellung folgerte die-
ser großstädtische Lobbyverband allerdings nicht,
dass der rechten Stimmungsmache und dem anti-
ziganistischen Gerücht über Rom*nja entschieden
entgegenzutreten sei. Im Gegenteil wurde – einer
Logik des Appeasements folgend – eine Ausweitung
der institutionellen und rechtlichen Diskriminierung
eingefordert.33
Das antiziganistische Feindbild ist ein konstitutiver
Bestandteil der Ideologie der extremen Rechten –
auch in der rassistischen Erzählung des Ethnoplura-
lismus, wie sie sich in den vergangenen Jahrzehnten
innerhalb der ›neuen‹ Rechten etabliert hat. Selbst
wenn der Antiziganismus nicht immer programma-
tisch herausragt, ist er in der völkischen Hetzpropa-
ganda gegen »Überfremdung« und »Asylut« bereits
ideologisch angelegt – auch dort, wo er (noch) nicht
explizit formuliert wurde.34 Darüber hinaus stellt Anti-
ziganismus ein strömungsübergreifendes Feindbild
der extremen Rechten dar.35 Ein strömungsüber-
greifendes Feindbild, das sich zudem besonders gut
dazu eignet, an mehrheitsgesellschaftliche Diskurse
anzuknüpfen, weil es auch in bürgerlichen Milieus
der gesellschaftlichen Mitte verankert ist. Deshalb ist
der Antiziganismus ein verlässlicher Begleiter migra-
tionspolitischer Überlastungs- und Gefahrendiskurse
– von rechten outlaws bis hinein in Kreise etablierter
Politik, die sich auf beschämende Weise immer wie-
der aufs Neue zu Erfüllungsgehilfen antiziganisti-
scher Stimmungsmache macht.
KONSTITUTIVER BESTANDTEIL DES RECHTSEXTREMISMUS
LITERATUR
Theodor W. Adorno und Max Horkheimer (2006):
Dialektik der Aulärung. Philosophische Frag-
mente. Frankfurt a.M.: Fischer, 210.
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Deutscher Städtetag (2013): Positionspapier. Fra-
gen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulga-
rien. Berlin.
29 o.V. (1990), 34–37, hier 35.
30 Deutscher Städtetag (2013), 4.
31 Weiterführend zur rechten
Stimmungsmache siehe ins-
besondere AK Antiziganismus
(Hrsg.) (2015).
32 Deutscher Städtetag (2013),
10.
33 Diese Forderung wurde ab
2013. auch politisch in die Tat
umgesetzt. Die entsprechende
kommunale Praxis habe ich ge-
meinsam mit Christian Hinrichs
in einer Fallstudie untersucht. Vgl.
Tobias Neuburger und Christian
Hinrichs (2023).
34 Vgl. Killguss (2013), 103.
35 Vgl. Alexandra Graevskaia und
Stefan Vennmann (2015), 18–27.
10 >blickwinkel # 6 | Sommer 2024
Markus End (2014): Antiziganismus in der deut-
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und Kulturzen trum Deutscher Sinti und Roma:
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Alexandra Graevskaia und Stefan Vennmann
(2015): »Extreme Rechte: In den Strömungen
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ziganismus (Hrsg.), Stimmungsmache. Extreme
Rechte und antiziganistische Stimmungsmache
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7.1 .2014, https://tinyurl.com/bdebkx, Zugri:
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Andreas Zick, Beate Küpper und Nico Mokros
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treme und demokratiegefährdende Einstellungen
in Deutschland 2022/23. Bonn: Dietz.
>blickwinkel # 6 | Sommer 2024 11
In Zeiten einer erstarkenden Rechten muss nicht nur
die Rechtsextremismusprävention in der Dominanz-
gesellschaft gestärkt werden. Ebenso ist es wichtig,
von Diskriminierung betroene Jugendliche zu bil-
den und ihnen Raum zur Entfaltung und für Empo-
werment zu ermöglichen. Hierbei geht es nicht nur
um die individuelle Förderung dieser Jugendlichen.
Denn historisch betrachtet waren es immer mar-
ginalisierte Gruppen, die sich in besonderem Maße
für eine gerechtere Gesellschaft eingesetzt haben
und somit sozialen Wandel vorantrieben. Auch die
Fortschritte, die in Deutschland in den letzten Jahr-
zehnten in Bezug auf Antiziganismus gemacht wur-
den, sind weniger das Ergebnis wohlwollender Politik
oder einer sich mehrheitlich kritisch positionieren-
den Zivilgesellschaft, sondern den unermüdlichen
Kämpfen der Aktivist*innen aus den Communities
der Rom*nja und Sinti*zze zu verdanken. Und noch
immer gibt es viel zu tun. Denn Rom*nja erfahren
weiterhin in allen Lebensbereichen Antiziganismus.
Das zeigen Erhebungen beispielsweise der Berliner
Dokumentationsstelle Antiziganismus von Amaro
Amaro Dikhipe – Unser Blick: Bildungsarbeit zu
Antiziganismus mit Betroenen
CARMEN GLINK BUJÁN, AMARO FORO e. V.
© Amaro Foro / Andi Weil
Das Fotoprojekt Amaro
Dikhipe: Romnja und Nicht-
Romnja gemeinsam für eine
selbstbestimmte Darstellung der
Community in den Medien.
12 >blickwinkel # 6 | Sommer 2024
In ganz Europa sind Rom*nja von verschiedenen Bil-
dungsausschlüssen betroen. Für Kinder und Jugend-
liche sind Diskriminierungserfahrungen, die sie in der
Schule machen, besonders schwerwiegend. Das zeigt
auch die Erfahrung meiner Kolleginnen bei DOSTA.
Die Fallmeldungen der Dokumentationsstelle belegen
etwa, dass Kindern, die für Rom*nja gehalten wer-
den, häug Schul- und Kitaplätze verwehrt werden.
Geüchtete sind hiervon besonders betroen. Ohne
Wissen über die immensen kumulativen Diskriminie-
rungen, die Rom*nja beispielsweise in der Republik
Moldau erf ahren, werden ihnen legitime Fluchtgründe
grundsätzlich abgesprochen. So wurden Kindern aus
Moldau wiederholt widerrechtlich Schulplätze in Ber-
lin verwehrt mit der Begründung, sie würden in ein
paar Monaten wieder abgeschoben. Alternativ könne
man ihnen stattdessen ein Spor tprogramm anbieten.1
Auch die Coronakrise hat antiziganistische Einstellun-
gen bei Entscheidungsträger*innen im Bildungsbe-
reich oenbart. Beispielsweise wurden während der
Pandemie in Berlin an viele Kinder aus der Community
keine Tablets ausgeteilt, da »diese Leute nicht wüssten,
Gruppenarbeit im Rahmen eines
Workshops zu Antiziganismus
in den Medien von Amaro
Foro e.V. Der Berliner Verein
setzt seit mehreren Jahren ein
Modellprojekt zur Sensibilisierung
von Medienschaenden für
Antiziganismus um.
ANTIZIGANISMUS IM BEREICH BILDUNG
1 Vgl. Dokumentation antiziga-
nistischer Vorfälle 2021 & 2022,
21. Als Download auf
amaroforo.de.
Foro e.V. (kurz: DOSTA) oder der Unabhängigen
Kommission Antiziganismus. Auch in Austausch-
runden von Betroenen wird die Omnipräsenz des
Antiziganismus im Alltag immer wieder bestätigt.
Auf die Frage, wo sie Antiziganismus erfahren, ant-
worten sie: überall.
© Amaro Foro / Andi Weil
>blickwinkel # 6 | Sommer 2024 13
REPRÄSENTATION UND SELBSTERMÄCHTIGUNG:
EIN PROJEKTWOCHENENDE MIT ROMNJA IN BERLIN
In Anbetracht dessen, dass Kitas, Schulen und Uni-
versitäten für viele Rom*nja alles andere als sichere
Räume des Lernens und der persönlichen Entfaltung
sind, ist es umso wichtiger, freie Bildungsangebote
für von Rassismus betroene Jugendliche zu schaf-
fen. Im Folgenden möchte ich daher exemplarisch
von der Veranstaltung »Amaro Dikhipe – Unser Blick«
berichten, die Amaro Foro e.V. in Kooperation mit
dem Dachverband Amaro Drom e.V. im Sommer 2023
durchgeführt hat. An diesem Wochenende lag der
Fokus auf antiziganistischen Bildern und einer selbst-
bestimmten Repräsentation. Denn in der Arbeit mit
von Diskriminierung betroenen Jugendlichen sind
aktivierende Momente und Räume zur autonomen
Handlung besonders wichtig. Dazu kommt, dass es
für Betroene (auch mit viel politischem Vorwissen)
wichtig und hilfreich sein kann, sich mit Antiziganis-
mus auch theoretisch zu beschäftigen sowie mehr
über die historischen Entwicklungen und Erschei-
nungsformen zu lernen. Das hilft, dem eigenen
Erlebten einen Namen zu geben und sich bewusst
zu machen, dass man als Projektionsäche für tra-
dierte Ressentiments der Dominanzgesellschaft
missbraucht wird – und dass diese Ressentiments
nichts mit der eigenen Person zu tun haben. Auch
in der deutschen Medienlandschaft werden immer
wieder nahezu unveränderte, jahrhundertealte anti-
ziganistische Klischees in Wort und Bild verbreitet.
Diese Bilder haben einen Einuss darauf, wie Rom*nja
gesehen und behandelt werden und können daher
schwerwiegende Konsequenzen für ihr Leben haben.
Ein Wochenende lang haben wir deswegen mit
Romnja zwischen 16 und 26 Jahren über Antiziganis-
mus im Bild und die Potenziale diskriminierungssen-
sibler Fotograe gesprochen.
Alle Teilnehmerinnen hatten zu dem Workshop ein
Bild von Rom*nja mitgebracht, das ihnen beson-
ders aufgefallen war. Einige hatten Portraitfoto-
graen von ihren Vorbildern, wie zum Beispiel der
Anwältin Nizaqete Bislimi oder der Schauspielerin
Alina Serban ausgewählt. Sie sprachen davon, wie
»stark und cool« diese Frauen seien, erzählten ihre
beeindruckenden Lebensgeschichten und warum
sie genau diese Bilder besonders aussagekräftig
und schön nden. Anschließend setzten wir uns in
einem Gallery Walk mit Pressebildern zum Schlag-
wort »Roma« auseinander Nachdem alle ihre Asso-
ziationen notiert hatten, vermittelten wir Hinter-
grundwissen zu Antiziganismus in Fotograe und
Presse und diskutierten gemeinsam über die Bilder,
um die Wirkung antiziganistischer Stereotype zu
veranschaulichen. Außerdem konnten wir uns in
diesem vertraulichen Rahmen zu Sexismus allge-
mein sowie der Sexualisierung und Exotisierung von
Rom*nja in Bildern austauschen. Die von Sexismus,
Klassismus, Rassismus und Antiziganismus betroe-
nen Jugendlichen erkannten alle auf den ersten Blick
die antiziganistischen Diskurse hinter den Presse-
bildern. Aus unseren Workshops mit weißen deut-
schen Medienschaenenden wissen wir, dass diesen
die antiziganistischen Stereotype meist zunächst
nicht auallen, häug aus Mangel an Wissen oder
Sensibilisierung.
wie man mit Sachen peglich umgeht«2. Damit wurde
ihnen die Teilnahme am Online-Unterricht unmög-
lich gemacht. »Im Bereich der Bildung werden junge
Menschen mit selbst- oder fremdzugeschriebenem
Roma-Hintergrund häug Opfer von rassistischem
Mobbing, sowohl seitens der Mitschüler*innen als
auch durch Lehrkräfte. Betroene berichten von täg-
lichen antiziganistischen Beschimpfungen im Schul-
alltag. Schüler*innen und Lehrer*innen nutzen die
rassistische Fremdbezeichnung. So werden rassisti-
sche Äußerungen und diskriminierende Sprache im
Schulalltag normalisier3. 2022 wurde sogar ein Fall
von Misshandlung durch eine Lehrkraft gemeldet:
»Ein Kind wurde von einer Lehrerin geschlagen, belei-
digt und immer wieder rassistisch diskriminiert. Aus
diesem Grund wollte das Kind nicht mehr zur Schule
gehen, weswegen der Familie eine Geldstrafe wegen
Schulversäumnis ausgesprochen wurde. Das Kind hat
schlussendlich die Schule gewechselt«.4 Die alltägliche
Gewalt, die heranwachsende Rom*nja in der Schule
erfahren, führt in manchen Fällen also sogar dazu,
dass sie der Schule fernbleiben. Doch anstatt den
Antiziganismus im Bildungssystem anzugehen und
Konsequenzen für Täter*innen zu implementieren,
wird von Politik und Medien unreektiert das Stereo-
typ der »bildungsfernen Roma« befeuert.
2 DOSTA 2023, 20.
3 Ebd.
4 DOSTA 2023, 21.
14 >blickwinkel # 6 | Sommer 2024
© Amaro Foro / Andi Weil
Gemeinsam entwarfen die
Jugendlichen im Workshop Bilder
über Community, Empowerment,
Aktivismus, Stolz und Identität.
WIE ANTIZIGANISMUS DARSTELLEN?
Anschließend konnten die Teilnehmerinnen selbst
aktiv werden. Der Fotograf Andi Weiland von Gesell-
schaftsbilder e.V. teilte sein Wissen und seine Erfah-
rungen zu diskriminierungssensibler Fotograe und
gab praktische Tipps für die Produktion inhaltlich und
technisch hochwertiger Fotos. Das Erlernen und Aus-
bauen praktischer und technischer Fähigkeiten kann
sehr empowernd wirken, zum Beispiel indem es neue
Perspektiven auf mögliche Hobbys und Berufswün-
sche erönet. Das wurde auch von den Teilnehmerin-
nen bestätigt. Sie waren froh über die Möglichkeit,
selbst aktiv zu gestalten.
Außerdem sprachen wir darüber, in welchen Berei-
chen ihres Lebens die Jugendlichen Diskriminierung
erfahren, aber auch, was für sie Symbole positiver
Bezüge zu ihrer Identität sind. Mit verschiedenen
Requisiten ausgestattet, begannen die Jugendlichen,
selbst Bilder zu machen – auf Wunsch mit technischer
Unterstützung durch zwei professionelle Fotograf*in-
nen oder im inhaltlichen Austausch mit meiner Kolle-
gin und Vorstandsmitglied Violeta Balog. Gemeinsam
erstellten die Teilnehmerinnen Symbolbilder zu Anti-
ziganismus in Behörden, in der Schule und im Inter-
net, ebenso wie Bilder über Community, Aktivismus,
Stolz, Empowerment und Identität. Nach einer kurzen
Einführung in die Bearbeitung von Bildern präsentier-
ten die Jugendlichen ihre Lieblingsbilder und deren
Aussage kurz. Dabei wurde deutlich, dass sie viel
darüber nachgedacht hatten, wie so schwierige The-
men wie Antiziganismus, aber auch die Identität als
Romni dargestellt werden kann, ohne problematische
Fremdzuschreibungen und Stereotype zu reprodu-
zieren. So beschloss zum Beispiel eine Teilnehmerin,
Rassismus in (Schul)Büchern zu visualisieren, ohne die
rassistische Fremdbezeichnung zu zeigen. Für andere
Fotos nutzten die Jugendlichen einen Antiziganis-
mus-Stempel, um zu verdeutlichen, dass Rom*nja von
>blickwinkel # 6 | Sommer 2024 15
Durch die gemeinsame Arbeit zu Identität, Diskrimi-
nierung und Stereotypen entstand ein Raum, in dem
sich junge Romnja über ihre unterschiedlichen Erleb-
nisse, Erfahrungen, Coping-Strategien und Wünsche
austauschen konnten. Diskriminierungserfahrungen
wie sexistische Kommentare, übergriges Verhalten
von Journalisten im eigenen Wohnhaus bis hin zu
Gewalt durch Neonazis wurden geteilt. Die Stärke des
Projektwochenendes ging aber über den Austausch
zu Antiziganismus hinaus. Den jungen Frauen wur-
den auch Handlungsmöglichkeiten mit einem realen
Einuss auf die deutsche Medienlandschaft aufge-
zeigt, an denen sie sich aktiv und kreativ beteiligt
haben. Denn die an dem Wochenende entstandenen
Fotos sind seitdem im Fotopool5 von Amaro Foro e.V.
zu nden. Hier stellen wir Journalist*innen kostenfrei
selbstbestimmte, diskriminierungsfreie Bilder zur
Verfügung, um eine Alternative zu den vielen vorur-
teilsbehafteten Fotos der großen Bildagenturen zu
bieten. Mit ihren Bildern tragen die jungen Frauen
also aktiv dazu bei, die Darstellung von Rom*nja in der
Presse langfristig zu verbessern. Außerdem haben sie
Empfehlungen und Forderungen an Medienschaf-
fende formuliert, die in ein Handbuch für Journa-
list*innen eingehen werden.
Besonders schön und wichtig war die wertschät-
zende und unterstützende Gruppendynamik. Die
älteren Teilnehmerinnen, die bereits arbeiten, stu-
dieren oder stärker aktivistisch organisiert sind, nah-
men eindeutig eine Vorbildfunktion für die jüngeren
ein. Die Berliner Jugendlichen vernetzten sich und
bekamen dadurch Zugang zu Programmen anderer
Selbstorganisationen. So waren viele der Teilneh-
merinnen auch einen Monat später beim Bundesju-
gendtreen von Amaro Drom e.V. dabei. Das zeigt,
dass der Workshop eingebunden ist in einen lang-
fristigen Empowerment- und Organisierungsprozess
junger Rom*nja, der nur zu unser aller Vorteil sein
kann. Ich kann es jedenfalls kaum abwarten, ein Bild
mit einem ihrer Namen im Credit in einer großen
Tageszeitung zu sehen.
ZUM WEITERLESEN
DOSTA (2023): Dokumentation
antiziganistischer Vorfälle
2021 & 2022. Als Download
auf amaroforo.de.
Bundesministerium des
Innern, für Bau und Heimat
(2021): Perspektivwechsel.
Nachholende Gerechtigkeit.
Partizipation. Bericht der
Unabhängigen Kommission
Antiziganismus. Als Down-
load auf bmi.bund.de.
DIVERSITY IN MEDIA
Seit 2020 setzt Amaro Foro e.V. das Modellpro-
jekt »Diversity in Media« zur Sensibilisierung von
Medienschaenden für Antiziganismus um. Denn
Antiziganismus ist in deutschen Medien nach wie vor
allgegenwärtig und wirkt sich deshalb auch auf poli-
tische Debatten und Entscheidungen aus – und auf
den Lebensalltag von Menschen mit tatsächlichem
oder zugeschriebenem Roma-Hintergrund. Amaro
Foro e.V. hat deshalb ein Weiterbildungsangebot
für Medienschaende entwickelt, das individuelle
Beratung , Sensitivity Reading, Blattkritiken und klas-
sische Weiterbildungen mit verschiedenen Schwer-
punkten beinhaltet. Gemeinsam mit Expert*innen
und Fotograf*innen aus den Sinti- und Roma-Com-
munitys hat der Verein zudem einen eigenen Foto-
pool erarbeitet und stellt Medienschaenden ein
Glossar zur Verfügung. Ende 2024 wird Amaro Foro
e.V. umfassendes Handbuch für Medienschaende
herausgeben. Weitere Infos auf amaroforo.de.
DIE DARSTELLUNG VON ROM*NJA LANGFRISTIG VERBESSERN
der deutschen Gesellschaft immer wieder abgestem-
pelt werden. In staatlichen Stellen, zum Beispiel der
»Ausländerbehörde«, haben viele der jungen Frauen
schon erfahren, welche Folgen Stempel auf das
eigene Leben haben können. Auf einem anderen Bild
wurde ein Sticker mit der Aufschrift »Antiziganismus
stoppen« jemandem über den Mund geklebt. In solch
starken Bildern werden die Stimmen der Jugendlichen
vernehmbar und ihr Blick auf die Gesellschaft sichtbar.
Den Teilnehmerinnen war es wichtig, sich auch »stark
und lächelnd« darzustellen. »Das Bild ist bestärkend.
Es könnte für Themen wie Roma Resistance und
Empowerment benutzt werden. Roma sind nicht nur
Armut und Elend.« Auch die Roma-Flagge und ihre Far-
ben kamen auf den Fotos häug zum Einsatz. Ein Bild
zeigt beispielsweise eine Teilnehmerin, die die Flagge
wie ein Superheldinnen-Cape trägt: »Ich bin Romni.
Ich schäme mich nicht! Vielleicht könnte man das Bild
zum Welt-Roma-Tag oder auch in Social-Media-Kam-
pagnen benutzen.«
5 amaroforo.de/media-pool-
category/alle/
Fachstelle Rechtsextremismusprävention
cultures interactive e. V.
Mainzer Str. 11  12053 Berlin
Tel. +4930 60 40 19 50
Fax +49 30 60 40 19 46
info@cultures-interactive.de
www.cultures-interactive.de
Redaktion: Marie Jäger, Lena Schulze Frenking, Niklas Vögeding
V.i.S.d.P.: Silke Baer
Grak/Layout: Conny Agel, sevenminds
>blickwinkel erscheint im Rahmen der Tätigkeit der Fachstelle
Rechtsextremismus prävention (cultures interactive e.V.) als Teil des
bundesweiten Kompetenznetzwerk Rechtsex tremismusprävention.
Die Veröentlichungen stellen keine Meinungsäußerung des BMFSFJ
oder des BAFzA dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autor*innen
die Verantwortung.
Religiös begründeter Extremismus wird
in erster Linie als Männerphänomen
wahrgenommen. Erst seit der Diskussion
um den Umgang mit Rückkehrer*innen aus Syrien und dem
Irak geraten auch Frauen* zunehmend in den Vordergrund.
Dennoch fehlt es bisher meist an sekundärpräventiven gen-
dersensiblen Projekten, die die Bedürfnisse von Mädchen*
und jungen Frauen* in den Blick nehmen. Deshalb hat cultures
interactive e.V. 2021/2022 den Bedarf an sekundärpräventi-
ven Projekten für Mädchen* und junge Frauen* im Bereich des
religiös begründeten Extremismus in Berlin erhoben. Dabei
zeigt sich, dass die vorhandenen Präventionsangebote bisher
nicht ausreichen, um die Bedarfe besonders bei gefährde-
ten Mädchen* zu decken. Sekundärpräventive Angebote für
junge Frauen* und Mädchen* sind daher weiterhin notwen-
dig, ebenso wie genderreektierte Ansätze, mit denen junge
Frauen* gezielt erreicht werden.
Die Bedarfsanalyse können Sie als PDF auf cultures-interactive.
de herunterladen oder die gedruckte Ausgabe bestellen.
Auch auf Gaming-Plattformen werden po-
litische Debatten und Fragen des Zusam-
menlebens verhandelt: Sind Frauen echte
Gamer*innen? Welche Charaktere werden als cool, anspre-
chend, interessant oder völlig abwegig empfunden? Wie wer-
den unterschiedliche Religionen in historischen, aber auch in
Kriegsspielen dargestellt? Dazu kommt, dass Akteur*innen des
Rechtsextremismus und des islamisch begründeten Extremis-
mus längst Spiele, Plattformen und Gaming-Ästhetik für sich
entdeckt haben und strategisch einsetzen. Auch deshalb ist es
wichtig, sich mit Jugendlichen darüber auseinander zu setzen,
was ihnen im Gaming begegnet. Von 2020 bis 2023 hat cultures
interactive e.V. ein eigenes Game mit zugehörigen Editoren für
die Präventionsarbeit entwickelt und mit Jugendlichen erprobt.
Nun stellt eine Handreichung Erfahrungen und pädagogische
Ansätze aus dem Projekt vor. Außerdem sind in der Broschüre
über 20 game-bezogene Methoden inklusive Kopiervorlagen für
die pädagogische Arbeit mit Jugendlichen enthalten.
Die Handreichung kann auf cultures-interactive.de herunterge-
laden oder als gedrucktes Exemplar bestellt werden.
Handreichung für die
politische Bildungsarbeit im
Bereich Gaming
Junge Frauen* im Fokus
der Präventionsarbeit
Gefördert
durch die
Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag
beschlossenen Haushaltes.
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