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Antisemitismus vor und nach dem 7. Oktober - Historische Kontinuitäten, Erscheinungsdimensionen und empirische Befunde

Authors:
  • Kompetenzzentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung

Abstract

Antisemitismus ist in der Menschheitsgeschichte eine der ältesten Formen von gruppenbezogener Gewaltpraxis, die sich in unterschiedlichen historischen und gesellschaftlichen Kontexten fortlaufend aktualisiert. Als flexibles und identitätsstiftendes Feindbild wird das antisemitische Ressentiment insbesondere im Kontext gesellschaftlicher Krisen virulent. Der vorliegende Artikel führt in die aktuellen Dispositionen des Antisemitismus ein. Dafür wird eine Begriffsbestimmung vorgenommen und Erscheinungsdimensionen werden ausgelotet. Danach vertiefen wir aktuelle antisemitische Dynamiken aus jüdischen Perspektiven anhand von Befunden aus einer von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geförderten qualitativen Studie zu den Auswirkungen des 7. Oktobers 2023 auf jüdische und israelische Communitys in Deutschland.
Fachdebatten aus der
Präventionsarbeit
Ligante
ISSN: 2628-7080
Der Nahostkonikt als Katalysator
Ligante Ausgabe #7Fachdebatten aus der Präventionsarbeit
Ausgabe #7
Antisemitismus und (antimuslimischer) 8
Rassismus in der Migrationsgesellschaft
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts 24
durch extremistische Gruppen
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit 44
Der Nahostkonflikt
als Katalysator
Agentur für partizipative Integration gUG (API) | Aktion Courage e.V. |
Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V. (AGB) | Akzeptanz Vertrauen
Perspektive e. V. (AVP) | Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz
Hamburg e. V. (ajs) | basis & woge e. V. | beRATen e. V. – Verein für jugend- und
familienpädagogische Beratung Niedersachsen | Cultures Interactive e.V. |
Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. – CJD Nord | FITT-Institut für
Technologietransfer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes
gGmbH | Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e. V. | 180 Grad Wende e. V. |
Grüner Vogel e.V. | Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH | HennaMond e.V. |
IFAK e. V. – Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit |
INSIDE OUT e.V. | Interdisziplinäres Zentrum für Radikalisierungsprävention und
Demokratieförderung e.V. (IZRD) | Jugendstiftung Baden-Württemberg | Kreuzberger
Initiative gegen Antisemitismus KIgA e.V. | Landesarbeitsgemeinschaft Mobile
Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e. V. | LeO e.V. – Verein für
Lebensorientierung Duisburg | Mosaik Deutschland e.V. | Multikulturelles Forum e. V. |
RAA Berlin e.V. | Rat muslimischer Studierender und Akademiker e. V. (RAMSA) |
RE/init e.V. | Ruhrwerkstatt Kultur-Arbeit im Revier e. V. | Sozialdienst muslimischer
Frauen e.V. (SmF) | Stuttgarter Jugendhaus gGmbH (stjg) | Türkische Gemeinde in
Deutschland e.V. (TGD) | Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. (TGS-H) |
ufuq.de | Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit (VAJA e. V.) |
Vereinigung Pestalozzi gGmbH | Violence Prevention Network gGmbH |
Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD)
2
Disclaimer
Die in der Schriftenreihe Ligante veröffentlichten
Artikel spiegeln nicht zwangsläufig die Meinungen der
BAG RelEx wider. Für inhaltliche Aussagen tragen
die Autor*innen die Verantwortung.
Antisemitismus, Rassismus und
Radikalisierung in Deutschland
Der Nahostkonflikt
als Katalysator
2
Einleitung 4
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus 8
in der Migrationsgesellschaft
Antisemitismus vor und nach dem 7. Oktober 9
Historische Kontinuitäten, Erscheinungsdimensionen
und empirische Befunde
Marina Chernivsky und Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai
Muslimfeindlichkeit in Deutschland 16
Ein gesellschaftliches Lagebild
Dr. Yasemin El-Menouar
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch 24
extremistische Gruppen
Spaltung statt Einheit 25
Die Reaktionen internationaler islamistisch-extremistischer
Gruppierungen auf den 7. Oktober und den Krieg zwischen
Israel und der Hamas
Jakob Guhl
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts 32
in den sozialen Medien
Eine Betrachtung der islamistischen Kanalgruppe der Peripherie
des religiös begründeten Extremismus (PrE)
Dr. Friedhelm Hartwig
Aktuelle Instrumentalisierungen des Nahostkonflikts 38
Ein phänomenübergreifender Vergleich
Dr. Piotr Suder und Tariq N. Butt
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit 44
Zwischen Polarisierung und Chance 45
Islamismusprävention nach dem 7. Oktober
Ulrike Hoole und Axel Schurbohm
Auswirkungen des Anschlags vom 7. Oktober 2023 an Schulen 52
Einblicke in die Arbeit der Praxisstelle Bildung und Beratung
gegen Antisemitismus
Désirée Galert
Über die BAG RelEx 58
Die BAG RelEx 59
Wer macht was und wo? 60
Impressum 64
Inhalt
4
Liebe Leser*innen,
der Nahostkonflikt wird immer wieder von islamistischen Gruppen und
Akteuren aufgegriffen und für ihre Zwecke instrumentalisiert. Beson-
dere Brisanz erlangte das Thema durch den Angriff der Hamas auf Israel
am 7.Oktober 2023, die sich daran anschließende militärische Offensi-
ve Israels und den Krieg in Gaza und Israel. Diese jüngste Eskalation des
Nahostkonflikts beschäftigt auch die Gesellschaft in Deutschland auf
unterschiedlichen Ebenen. Sie spiegelt sich nicht zuletzt in öffentlichen
Debatten, Talkshows oder Diskussionen im Klassenraum wider und be-
feuert antisemitische, aber auch antimuslimisch-rassistische Narrative.
Die zum Teil sehr polarisierend und emotional geführten Auseinander-
setzungen sowie der gesellschaftliche Umgang mit dem Konflikt in
Deutschland haben auch Auswirkungen auf die Prävention von religiös
begründetem Extremismus. Aus diesem Grund widmen wir uns in der
Ligante#7 dem Nahostkonflikt und seinen Auswirkungen auf das Radi-
kalisierungsgeschehen, die Demokratieförderung sowie auf die Präven-
tionsarbeit in Deutschland.
Zum Einstieg in den Themenkomplex werden die beiden Phänomene
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus in der Migrationsge-
sellschaft beleuchtet. Zunächst stellen Marina Chernivsky (Kompetenz-
zentrum für antisemitismuskritische Bildung und Forschung; OFEK e. V.)
und Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai (Fachhochschule Potsdam) Erschei-
nungsformen und historische Kontinuitäten von Antisemitismus dar, be-
vor sie anhand von Befunden aus einer qualitativen Studie die Auswir-
kungen des 7.Oktobers 2023 auf jüdische und israelische Communitys
in Deutschland in den Blick nehmen. Im darauffolgenden Artikel be-
tont Dr.Yasemin El-Menouar (Bertelsmann Stiftung), dass antimuslimi-
sche Ressentiments bereits vor der jüngsten Eskalation im Nahen Osten
stark verbreitet waren, durch die seit dem 7. Oktober stark aufgeheizte
Situation jedoch weiter verstärkt werden könnten. Sie plädiert dafür,
insbesondere in dieser Situation Muslimfeindlichkeit und Antisemitis-
mus nicht gegeneinander auszuspielen.
Im zweiten Kapitel werden die Auswirkungen des Nahostkonflikts und
des Kriegs in Gaza und Israel auf das Radikalisierungsgeschehen the-
matisiert und dabei spezifische extremistische bzw. antidemokratische
Gruppen in den Fokus genommen. In Artikel drei analysiert Jakob Guhl
(Institute for Strategic Dialogue) die Reaktionen internationaler islamis-
tisch-extremistischer Gruppierungen auf den 7. Oktober und schluss-
folgert, dass sich bei genauerer Betrachtung eine Vielzahl ideologischer,
politischer und taktischer Unterschiede zwischen diesen Bewegungen
Einleitung
5Einleitung
offenbart. Im vierten Artikel legt Dr. Friedhelm Hartwig (modus|zad)
den Fokus auf die Instrumentalisierung des Nahostkonflikts in den sozi-
alen Medien und diskutiert, wie der Nahostkonflikt von in Deutschland
aktiven islamistischen Akteuren aufgegriffen wird. Dabei konstatiert er,
dass es sich bei dem Nahostkonflikt um ein wiederkehrendes Thema
handelt, und geht auf zentrale Narrative und Entwicklungen ein. Dass
nicht nur islamistische Akteure den Nahostkonflikt für ihre Zwecke
nutzen, wird in Artikel fünf von Dr.Piotr Suder und Tariq N.Butt (ExPO,
IFAK e. V.) aufgegriffen. Sie nehmen eine phänomenübergreifende Per-
spektive ein und beleuchten die Instrumentalisierung des Nahostkon-
flikts durch Gruppen aus dem islamistischen und rechtsextremen Lager
sowie der militanten Linken.
Mit dem dritten Kapitel wendet sich die Ligante#7 der Präventionspraxis
zu. In Artikel sechs geben Ulrike Hoole und Axel Schurbohm (BAG RelEx)
einen Überblick über die Auswirkungen der jüngsten Eskalation des Nah-
ostkonflikts auf die verschiedenen Arbeitsbereiche der Radikalisierungs-
prävention. Abschließend geht Désirée Galert (Kreuzberger Initiative ge-
gen Antisemitismus KIgA e. V.) auf die Herausforderungen ein, vor denen
Präventionsakteure speziell an Schulen stehen. Dabei erläutert sie Fallstri-
cke sowie Umgangsformen und pädagogische Ansätze, die sich im Umgang
mit dem Thema „Nahostkonflikt“ als sinnvoll erwiesen haben.
Die Ligante#7 zeigt, dass die Anschläge der Hamas vom 7. Oktober 2023
sowie der aktuelle Krieg in Gaza und Israel nicht nur geopolitische, son-
dern auch tiefgreifende gesellschaftliche Auswirkungen in Deutschland
haben. Die Autor*innen untersuchen Antisemitismus und (antimuslimi-
schen) Rassismus sowie die Instrumentalisierungen der Geschehnisse
durch extremistische Gruppen. Mit Blick auf die Präventionspraxis wer-
den Strategien und Ansätze aufgezeigt, um diesen Herausforderungen
wirksam zu begegnen und einen konstruktiven Umgang mit dem Nah-
ostkonflikt zu fördern. Mit der Ligante#7 wollen wir die Bedeutung einer
differenzierten Auseinandersetzung unterstreichen, um Ressentiments
und Radikalisierung präventiv zu adressieren und das demokratische
Miteinander in Deutschland zu stärken.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.
Die Koordination der BAG RelEx
Oktober 2024
6
7
Antisemitismus
und (antimuslimi-
scher) Rassismus
in der Migrations-
gesellschaft
9
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus in der Migrationsgesellschaft
Ansemismus vor und nach dem 7. Oktober
Antisemitismus ist in der Menschheitsgeschichte eine der ältes-
ten Formen von gruppenbezogener Gewaltpraxis, die sich in un-
terschiedlichen historischen und gesellschaftlichen Kontexten
fortlaufend aktualisiert. Als flexibles und identitätsstiftendes
Feindbild wird das antisemitische Ressentiment insbesondere
im Kontext gesellschaftlicher Krisen virulent. Der vorliegende
Artikel führt in die aktuellen Dispositionen des Antisemitismus
ein. Dafür wird eine Begriffsbestimmung vorgenommen und Er-
scheinungsdimensionen werden ausgelotet. Danach vertiefen
wir aktuelle antisemitische Dynamiken aus jüdischen Perspek-
tiven anhand von Befunden aus einer qualitativen Studie zu den
Auswirkungen des 7. Oktobers 2023 auf jüdische und israeli-
sche Communitys in Deutschland.
Historische Kontinuitäten,
Erscheinungsdimensionen
und empirische Befunde
Marina Chernivsky, Kompetenzzentrum
für antisemitismuskritische Bildung
und Forschung sowie OFEK e. V.,
und Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai,
Fachhochschule Potsdam
Antisemitismus – eine Begriffsbestimmung
Erscheinungsdimensionen
Nach der vorchristlichen antiken Judenfeindschaft ist der christ-
liche Antijudaismus eine der ältesten Quellen der Judenfeind-
schaft (Botsch, 2014). Die klassischen Strukturmerkmale der
Judenfeindschaft wurzeln in religiösen Stereotypen und in der
christlich-jüdischen Distinktion. Sie bleiben aufgrund ihrer
gleichbleibenden Funktionalität und ideologischen Anteile über
Jahrhunderte hinweg erhalten. Ab dem Mittelalter entwickelten
sich weitere soziale, kulturelle, politische und rassistische For-
men des Antisemitismus. Die verschiedenen Ideologieelemente
verbanden sich in der politischen Radikalisierung und rassisti-
schen Pseudowissenschaft des Antisemitismus im 20. Jahr-
hundert und grundierten die Verfolgung und Vernichtung von
Jüdinnen und Juden in der Shoah. Der moderne (politische)
Antisemitismus des 19.Jahrhunderts löste die religiöse Juden-
feindschaft jedoch nicht auf, beide Dimensionen tradieren sich
bis in die Gegenwartsgesellschaft hinein (ebd.).
Nach dem Ende des Nationalsozialismus entwickelte sich der
Post-Shoah-Antisemitismus, der keine gänzlich neue Form des
Antisemitismus darstellt, sondern eine Verwobenheit von klas-
sischem Antisemitismus mit Elementen der postnationalsozia-
listischen Schuldabwehr (Salzborn, 2020). Im Kern der Abwehr
steht die Idee, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit dem
Massenmord an Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus
die nationale deutsche Identität diffamiere (Bergmann, 2006).
Im dominanzgesellschaftlichen Umgang mit der Vergangenheit
zeigt sich eine Dissonanz zwischen der öffentlichen Anerken-
nung einerseits und den verbreiteten innerfamiliären Abwehr-
und Verteidigungserzählungen andererseits (Lorenz-Sinai, 2022).
Dieses Spannungsverhältnis erzeugt Aggression und verstärkt
die Aversion, Ablehnung und den Hass gegenüber Jüdinnen
und Juden (Chernivsky, 2017).
Antisemitismus vor und
nach dem 7. Oktober
Der Angriff auf Israel und das Massaker vom
7. Oktober sowie der Krieg zwischen Israel
und der Hamas in Gaza haben auch in
Deutschland massive Auswirkungen auf die
jüdischen und israelischen Communitys.
10
Eine zentrale Funktion des Post-Shoah-Antisemitismus ist dabei
die Ermöglichung eines Abwehrverhältnisses zum Nationalso-
zialismus als Versuch, die „Geschichte dadurch abzuschließen,
dass man die Opfer diskreditiert und sich selbst in eine Position
sekundärer Unschuld versetzt“ (Messerschmidt, 2014, S. 67).
Dabei wird Jüdinnen und Juden zum einen die Mitschuld an ihrer
eigenen Verfolgung angelastet, zum anderem wird ihnen im Kon-
text des Nahostkonfliktes ein kollektiver Täterstatus zugeschrie-
ben (Chernivsky, 2017).
So speist sich auch der israelbezogene Antisemitismus aus den
klassischen, modernen und sekundärantisemitischen Dimensio-
nen und greift den Staat Israel stellvertretend für alle Jüdinnen
und Juden an. Die Zuschreibung der einseitigen Schuld am Nah-
ostkonflikt und der ultimativen Täterschaft bildet die Struktur
des israelbezogenen Antisemitismus. Diese antisemitische Di-
mension zeigt sich in einer rigiden Ablehnung des Staates Isra-
el, in der Dämonisierung sowie Delegitimierung seiner Existenz
oder in der Gleichsetzung der israelischen Politik mit der Ideo-
logie und Politik im Nationalsozialismus (u. a. Rensmann, 2021).
Dabei handelt es sich um eine spezisch deutsche, postnatio-
nalsozialistische Moralkommunikation (Bergmann & Erb, 1991),
aber auch um eine global wirksame antiimperialistische (antizi-
onistische) Ideologie und Weltanschauung (Holz & Haury, 2021).
Marina Chernivsky
ist Psychologin und Verhaltenswissenschaftlerin. Sie
forscht zu Antisemitismus in Institutionen und leitet
das von ihr gegründete Kompetenzzentrum für anti-
semitismuskritische Bildung und Forschung sowie die
Beratungsstelle OFEK e. V. Bis 2017 war sie Mitglied
im Zweiten Unabhängigen Expertenkreis Antisemitis-
mus des Deutschen Bundestages und ist Mitherausge-
berin des 2017 erschienenen Antisemitismusberichts.
Prof. Dr. Friederike Lorenz-Sinai
ist Erziehungswissenschaftlerin und Sozialarbeiterin
und hat die Professur für Methoden der Sozialen
Arbeit und Sozialarbeitsforschung am Fachbereich
Sozial- und Bildungswissenschaften der Fachhoch-
schule Potsdam inne. Sie forscht zu Antisemitismus als
biografische Erfahrung und in institutionellen Kontex-
ten, zur Aufarbeitung von (sexualisierter) Gewalt sowie
zum Alltagserleben im Strafvollzug.
Beide Autorinnen forschen am gemeinsamen Bereich
des Kompetenzzentrums für antisemitismuskritische
Bildung und Forschung und der FH Potsdam im Rah-
men einer institutionalisierten Forschungskooperation.
11
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus in der Migrationsgesellschaft
Ansemismus vor und nach dem 7. Oktober
Definitorische Zugänge
Der Begriff Antisemitismus steht als Sammelbezeichnung für alle
Formen der Judenfeindschaft. Deshalb ist es wichtig, die Entste-
hungskonstellationen wie auch Funktionen des Antisemitismus
stets in ihrer sozialen (Dis-)Kontinuität zu betrachten, um einer
begrifflichen Unschärfe vorzubeugen. Weder das antike Bild von
Jüdinnen und Juden, das sich zwischen Idealisierung und Ableh-
nung bewegt, noch die spätere christliche Judenfeindschaft oder
der nationalistische und rassistische Antisemitismus sind allein
durch abstrakte historische Kontinuitäten zu erklären. Auch die
unterschiedlich ausgeprägte Bereitschaft der Mehrheitsgesell-
schaft, sich an der Verfolgung von Jüdinnen und Juden zu betei-
ligen, erklärt den Fortbestand antisemitischer Ideologien.
Antisemitismus kann als Ressentiment, Verschwörung, Hass
sowie als Alltagsdiskriminierung, politische Agitation, kollekti-
ve und staatliche Gewalt bis hin zur Vernichtung umschrieben
werden (Fein, 1987, S. 67). Antisemitismus entfaltet sich immer
aus der jeweiligen Gesellschaft heraus, die ihn hervorbringt, und
spiegelt gleichzeitig den Stand ebenjener Gesellschaft wider
(Goldenbogen & Kleinmann, 2021, S. 11). Tief in der europäi-
schen Geschichte verwurzelt, stellt Antisemitismus zudem eine
Art Bekenntnis zu einer antiaufklärerischen, völkisch-nationa-
listischen, antidemokratischen Gesellschaftsform dar (Volkov,
2000, S. 25f.). Die antisemitischen Topoi der „Übermacht“, der
„Illoyalität“ oder „Fremdartigkeit“ fundieren das antimoderne
antisemitische Weltbild und führen dazu, die komplexen gesell-
schaftlichen Verhältnisse in Form einer angeblichen „jüdischen
12
Macht“ entlarven zu wollen (Rensmann, 2013, S. 164). Das Ver-
ständnis von Antisemitismus als sozial hergestellter Konstrukti-
on ist dabei zentral; daran zeigt sich, dass Antisemitismus unab-
hängig von der Präsenz oder dem Verhalten von Jüdinnen und
Juden existiert und als Projektion auf alles Jüdische zu verstehen
ist. Die (psychische) Triebkraft des Antisemitismus ist im Affekt-
haushalt seiner Träger*innen verankert. Das Motiv ist oft eine
bis zum Hass reichende (kollektive) Aversion, die durch soziale
Dynamiken befeuert und unter Umständen gewaltsam zum Aus-
druck gebracht wird (Pohl, 2010, S. 41f.).
Antisemitismus richtet sich gegen Jüdinnen und Juden, jüdische
Einrichtungen sowie gegen als jüdisch markierte Personen oder
Gruppen wie auch gegen den Staat Israel und manifestiert sich
in allen gesellschaftlichen Bereichen und Milieus. Das antise-
mitische Ressentiment verbleibt nie auf der abstrakten Einstel-
lungsebene, sondern liefert die Begründung für alltägliche und
strukturelle Diffamierung, Beleidigung, Bedrängung, Bedrohung,
Unterdrückung bis hin zu extremer Gewalt, Gewaltverherrli-
chung und Terroranschlägen. Die Beständigkeit antisemitisch
motivierter Übergriffe, Straftaten und Anschläge zeugt von der
ungebrochenen Wirkmächtigkeit des Antisemitismus als Gewalt-
und Diskriminierungspraxis (Chernivsky & Lorenz-Sinai, 2022).
Gleichwohl rückt das Verständnis von Antisemitismus als Alltags-
erfahrung erst seit wenigen Jahren ins Blickfeld der Forschung
(Zick et al., 2017). Die Hinwendung zu jüdischen Perspektiven auf
Antisemitismus gilt als eine paradigmatisch neue Entwicklung im
Antisemitismusdiskurs (Goldenbogen & Kleinmann, 2021).
Antisemitismuserfahrungen nach dem 7. Oktober
Der Angriff auf Israel und das Massaker vom 7. Oktober sowie
der Krieg zwischen Israel und der Hamas in Gaza haben auch
in Deutschland massive Auswirkungen auf die jüdischen und is-
raelischen Communitys. Auch wenn sich dieser Terroranschlag
gegen die Zivilbevölkerung in die Reihe anderer Anschläge ein-
fügt, wird dieser Angriff in seiner Qualität als besonders schwer-
wiegend eingeschätzt (Hestermann, 2024). Mit ihrem gezielten,
unterschiedslosen Morden, den Geiselnahmen und dem Quälen
von Menschen aller Altersgruppen demonstrieren die militan-
ten wie auch zivilen Täter ihren Vernichtungswillen. In der ge-
sellschaftlichen Aushandlung des Terrors und Kriegs in Israel
und Gaza überwiegen – auch in Deutschland – antisemitische
Demonstrationen sowie Deutungen, in denen der brutale Angriff
auf Zivilist*innen in Israel als Widerstand gerahmt wird. Anti-
semitismus in Deutschland zeigt sich seitdem wieder offener
(Chernivsky & Lorenz-Sinai, 2024).
Der betreffende Samstag wird als lebensver-
ändernder „Einschnitt“ eingeordnet, der die
Wahrnehmung der Gegenwart und Zukunft
grundlegend verändert.
13
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus in der Migrationsgesellschaft
Ansemismus vor und nach dem 7. Oktober
Unsere Studie1 zu den Auswirkungen des 7. Oktobers untersucht
Erfahrungen jüdischer und israelischer Communitys in Deutsch-
land. Hierfür arbeiten wir mit erzählanregenden Erhebungsver-
fahren (Rosenthal, 2015). Mit dem folgenden Stimulus leiten
wir die narrativen Interviews und Gruppendiskussionen ein:
„Welche Bedeutung hat für Dich der 7.Oktober? Was verbindest
Du mit diesem Ereignis?“ Dadurch haben die Interviewten die
Möglichkeit, ihren Erzählfluss selbstbestimmt zu strukturie-
ren, ohne thematisch gelenkt zu werden (ebd.). Die bisher über
90Interviewpartner*innen2 kommen u. a. aus Deutschland, der
Ukraine oder Israel. Neben Interviews mit Erwachsenen aller
Altersgruppen werden auch Interviews mit Jugendlichen und
Gruppendiskussionen mit jüdischen Schüler*innen geführt. Die
Auswertung erfolgt über die Entwicklung eines materialumfas-
senden Codiersystems im Sinne der Grounded Theory (Clarke,
2012) sowie über Sequenzanalysen.
Die Interviewten beginnen ihre Eingangserzählung überwiegend
mit einer detailreichen Schilderung ihres Erlebens am 7.Okto-
ber. Der betreffende Samstag wird als lebensverändernder „Ein-
schnitt“ eingeordnet, der die Wahrnehmung der Gegenwart und
Zukunft grundlegend verändert. Interviewpartner*innen schil-
dern, wie sie und ihre Angehörigen das Ausmaß des Angriffs erst
nach und nach realisieren, dass die Menschen vor Ort schutzlos
überwältigt werden und dass Sicherheitssysteme und Terrorab-
wehr nicht greifen. Einzelne Personen setzen ihre subjektiven
Deutungen des 7.Oktobers in Verbindung mit anderen Anschlä-
gen in Israel, nehmen Bezug auf den Überfall auf die Ukraine im
Februar 2022, den Anschlag auf die Synagoge in Halle (Saale)
im Jahr 2019, den Wehrhahn-Anschlag in Düsseldorf im Jahr
2000 oder thematisieren ihre Erfahrungen mit Antisemitismus
als Teil ihrer Sozialisation in ihren Herkunftsländern. Deutlich
wird, wie diese Zäsur einerseits eingeordnet wird in jüdische
Kollektiverfahrungen historischer Verfolgung und vergange-
ner Terroranschläge. Andererseits wirkt der Anschlag als neue
Erschütterung, bei deren Verarbeitung bisherige Praktiken der
Bewältigung nicht greifen. Dieser Umstand begründet sich auch
aus der paradoxen Situation, in der sich die Studienteilnehmen-
den benden: Sie sehen sich einem eliminatorisch-antisemiti-
schen Angriff in Israel ausgesetzt. Zugleich erleben sie, wie ih-
nen selbst und anderen Jüdinnen und Juden in den weltweiten
Reaktionen auf den Angriff die Schuld dafür zugewiesen wird
und die Täter entlastet werden.
„Eine genozidale Botschaft“ – Auswirkungen
kollektiv-antisemitischer Gewalt
Terroranschläge stellen eine Form extremer Gewalt dar. Der An-
griff vom 7. Oktober auf Israel sendet eine eliminatorisch-anti-
semitische Botschaft, die durch die regelmäßig veröffentlichten
Videos der gequälten Geiseln psychologisch weiter inszeniert
wird. Ein Interviewpartner fasst dies wie folgt in Worte:
„[I]ch würde eigentlich diesen Angriff auch so beschreiben
[…], dass eine genozidale Botschaft gesendet wurde an (.)
die Juden und Jüdinnen weltweit so auch verstanden ha-
ben.“ (Interviewpartner, Ende20)
Deutlich wird hier ein Erfahrungswissen in verschiedenen histo-
rischen Kontexten. So erinnern Interviewpartner*innen, wie sie
sofort nach dem Anschlag an seine Folgen denken mussten – für
Israel, für jüdische Communitys weltweit und für die Zivilbe-
völkerung in Gaza. Viele schildern, dass sie emotional noch mit
diesem Tag verhaftet sind. Die Zeit sei seitdem gefühlt „stehen
geblieben“ und fühle sich an wie ein „nicht zu Ende“ gehender
„Albtraum“. Interviewpartner*innen ordnen das Ausmaß der
Gewalt im Sinne eines Zivilisationsbruches ein, als „die unterste
Schublade an Grausamkeit, was Menschen anderen Menschen
antun können“ (Interviewpartnerin, Anfang40). Geschildert wird
auch eine grundlegende Differenzerfahrung zum nicht jüdischen
Umfeld in der Deutung der Ereignisse.
„[M]any things happened in our lives as Israelis or Jews or
Jewish Israelis (..) but we we never imagined anything even
close to the scale [ …] we thought we were very very safe
where we were I mean it’s a relative thing but we thought we
were protected by our own systems […] we have other trau-
mas but in our living lifetimes in this Generation (..) yeah I
don’t think anything in this relation to my connection to Isra-
el and my family being there my friends being there, I don’t
think anything will ever be the same.“ (Interview11)
Dieser Interviewpartner deutet andere Traumata als Teil kol-
lektivbiograscher Erfahrungen vorheriger Generationen an.
Für seine Generation ordnet er das Ausmaß des 7. Oktobers
als zuvor unvorstellbar ein. Die Erfahrungswelt in Bezug auf
den 7.Oktober teilt er in ein Davor und Danach. Einen Groß-
teil der Interviewten beschäftigt zudem die Frage der Auswan-
derung. Manche beschreiben, dass sie erstmalig eine Aliyah3
ernsthaft in Erwägung ziehen. Zugleich thematisieren einige,
insbesondere jene, die bereits als Kinder oder Erwachsene aus
der Ukraine migriert sind, ihre Einschätzung, aktuell nirgend-
wo hinzukönnen.
1  Die bundesweite Studie wurde ermöglicht durch die Förderung
der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: https://zwst-
kompetenzzentrum.de/auswirkungen-des-terrors-in-israel-seit-
dem-7-10-23-auf-jued-community-in-dl/ [10.07.2024].
2  Stand der Erhebungen: Juni 2024.
3  Der Begriff Aliyah (Hebräisch für „Aufstieg“) bezeichnet die
Einwanderung von Jüdinnen und Juden nach Israel als Land der
Vorfahr*innen.
14
Reaktionen des privaten und beruflichen Umfelds
Studienteilnehmer*innen thematisieren ähnliche Reaktionen
ihres nicht jüdischen Umfelds auf das Massaker und den Krieg
in Israel und Gaza. Unmittelbar nach dem 7.Oktober erleben
einzelne Interviewpartner*innen mitfühlende Nachfragen und
Reaktionen, die sie als wichtig und wohltuend hervorheben. Als
schmerzhaft beschreiben zahlreiche Personen die geteilte Erfah-
rung des „Solidaritätsentzug[s]“. In ihrer Wahrnehmung wird ihr
Schmerz durch das nicht jüdische Umfeld vorwiegend ignoriert.
Jedoch werden sie im persönlichen Kontakt, in privaten Situa-
tionen und auf sozialen Netzwerken mit rigorosen Statements
zum Nahostkonflikt konfrontiert und teilweise bedrängt. Ge-
schildert werden Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz
und im Rahmen des Studiums. Sicherheitsbedürfnisse werden
ignoriert und eine Auseinandersetzung mit gemeldeten anti-
semitischen Äußerungen explizit verweigert. Viele Interviewte
berichten von verkleinerten Netzwerken und Freundeskreisen.
Teilweise enden Freundschaften infolge des 7.Oktobers, wie es
im folgenden Auszug aus einer Gruppendiskussion mit jüdischen
Religionslehrer*innen deutlich wird:
„[O]ft werden solche Entscheidungen ja auch von den Leuten
getroffen, ohne es zu thematisieren, also bei mir ist es so, ich
hatte noch aus der Zeit, bevor ich an der Schule gearbeitet
hab, habe ich 10Jahre an der Uni [..] unterrichtet, hatte ein
großes Netzwerk in [Ort] und da sind 95 Prozent weggebro-
chen seit dem 7.Oktober (.) also Leute, die mich auf Face-
book entfreundet haben, die E-Mails nicht mehr beantwor-
ten […], auch Leute, mit denen ich noch Kontakt habe, auch
komplett ignorieren, also die sich verhalten, als wäre nichts
passiert (.) Nachbarn, die sich verhalten, als wäre nichts
passiert, obwohl allen im Haus klar ist, dass wir jüdisch sind
[…], was ich sehr bedrückend fand, sind nicht unbedingt die
propalästinensischen Demos, sondern die ganzen Leute, die
einfach nichts tun ((mehrere stimmen zu)), so tun, als wäre
gar nichts gewesen […].“ (Gruppendiskussion mit jüdischen
Religionslehrer*innen)
Die Ablehnungserfahrung nach dem 7. Oktober ist weitreichend:
Sie umspannt die digitalen und beruflichen Kontakte bis hin zu
den unmittelbaren Nachbar*innen. Die Zustimmung aus der ge-
nannten Diskussionsrunde weist dieses Erleben als kollektiv ge-
teilte Erfahrung aus.
Resümee
Anhand der Interviews wird deutlich, dass die Zäsur des 7. Ok-
tobers durch das soziale Umfeld verstärkt wird. Jahrzehntelang
wurde Antisemitismus eher abstrakt als biograsch wirksam
eingeordnet. Antisemitische Strukturen treffen jedoch real exis-
tierende Menschen und bringen generationsübergreifend weit-
reichende Effekte hervor. Eine Perspektive auf Antisemitismus
als Teil sozialer Praxis und als biograsche Erfahrungskategorie
ist daher grundlegend für denitorische Bestimmungsversuche.
Denn eine theoretische Bezugnahme auf Antisemitismus als
vermeintliche Frage von Meinungen oder politischen Positionen
geht oft einher mit einer Vorstellung von jüdischer Abwesenheit.
Deutlich wird dies aktuell in der indifferenten bis affektiven Be-
zugnahme auf den Terror und Krieg in Israel und Gaza sowie in
der offenen wie subtilen antisemitischen Gewalt. Antisemitis-
mus triggert traumatische Erfahrungen, schränkt die Teilhabe
von Jüdinnen und Juden am gesellschaftlichen Alltagsleben und
ihre Zukunftsperspektiven ein. Die vorherrschende Perspektive
auf Antisemitismus im Kontext von abstrakten Einstellungen
oder vereinzelten Vorfällen lässt sich durch eine konsequente
Subjektorientierung erweitern, mit der eine Beziehung zu anti-
semitischen Realitäten von Jüdinnen und Juden in der Gegen-
wartsgesellschaft hergestellt wird. Dass die Frage nach der De-
nition, Relevanz und Virulenz des Antisemitismus nicht losgelöst
davon beantwortet werden kann, wer und wen die Bestimmung
trifft, ist eine paradigmatisch neue Sichtweise in der Diskussion
und Forschung zu Antisemitismus.
15
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus in der Migrationsgesellschaft
Ansemismus vor und nach dem 7. Oktober
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16
Ein gesellschaftliches
Lagebild
Dr. Yasemin El-Menouar,
Bertelsmann Stiftung
Muslimfeindlichkeit
in Deutschland
Die antisemitischen und antimuslimischen Vorfälle, die nach
dem 7. Oktober 2023 verstärkt auftraten, zeigen, dass die
Religionsfreiheit als eines der wichtigsten Grundrechte in
Deutschland unter Druck steht. In den zwei Monaten nach der
Eskalation im Nahen Osten gab es fast so viele antisemitische
Übergriffe wie im gesamten Jahr 2022. Auch antimuslimische
Delikte nahmen deutlich zu. Im Jahr 2023 registrierte die Po-
lizei 1464 islamfeindliche Straftaten mehr als doppelt so
viele wie im Vorjahr, in dem 610Delikte dokumentiert wurden
(BMI, 2024). Besonders stark stieg die Zahl nach dem Angriff
der Hamas auf Israel am 7.Oktober. Zudem wurden insgesamt
1926 antimuslimische Vorfälle seitens der Beratungsstellen
dokumentiert, an die sich Betroffene gewandt haben (CLAIM,
2024). Dabei ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da
nur ein Bruchteil der antimuslimischen Vorfälle gemeldet wird
(UEM, 2023).
Eine im Dezember veröffentlichte Auswertung des Religions-
monitors (El-Menouar & Vopel, 2023) zeigt, wie stark antisemi-
tische und antimuslimische Ressentiments bereits vor den Er-
eignissen des 7.Oktobers in Deutschland verbreitet waren und
damit einen gefährlichen Nährboden für Ausschreitungen und
Übergriffe bieten. Im Spätsommer 2022 stimmten rund 40Pro-
zent der Befragten antisemitischen Aussagen mit Israelbezug
zu, und etwa jede*r Zweite teilte antimuslimische Aussagen.
Es ist zu befürchten, dass beide Formen menschenfeindlicher
Einstellungen seither weiter an Zustimmung gewonnen haben.
Die in ihnen wirkenden Vorurteilsstrukturen unterscheiden sich:
Während Antisemitismus den Einfluss von Jüdinnen und Juden
verschwörungsideologisch überhöht, steht hinter Muslimfeind-
lichkeit oft die pauschale Annahme einer Rückständigkeit sowie
Bedrohlichkeit von Menschen, die als muslimisch wahrgenom-
men werden. Der im Sommer 2023 veröffentlichte Bericht des
Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit (UEM) hält
fest, dass dadurch bewusst oder unbewusst eine „Fremdheit“
oder Feindseligkeit konstruiert werde. Dies könne zu vielschich-
tigen Ausgrenzungs- und Diskriminierungsprozessen führen,
die bis hin zu Gewaltanwendungen reichen können.
Der vorliegende Beitrag widmet sich der Muslim*innenfeind-
lichkeit und nimmt dabei erstens die Einstellungen in der deut-
schen Bevölkerung gegenüber dem Islam und den Muslim*innen
anhand der Daten des Religionsmonitors 2023 genauer in den
Blick. Zweitens wird der Frage nachgegangen, welche Auswir-
kungen das antimuslimische Klima auf die muslimische Bevöl-
kerung hat. Dem ist der UEM – in dem ich ebenfalls Mitglied war –
teils mit eigenen Auftragsstudien nachgegangen. Die Daten wur-
den vor dem Angriff der Hamas im Oktober 2023 und dem da-
durch weiter eskalierten Krieg in Nahost erhoben. Sie werfen aber
ein Licht auf das gesellschaftliche Klima und wichtige zugrunde
liegende Faktoren, die helfen, die seit dem 7.Oktober aufge-
flammten Debatten zum Thema besser einzuordnen.
Eine Verortung des Islamismus innerhalb des
muslimischen Mainstreams rückt ihn unzu-
lässig in die gesellschaftliche Mitte und trägt
damit zu einer Stärkung dieser religiös ver-
brämten Ideologie bei.
17 Muslimfeindlichkeit in Deutschland
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus in der Migrationsgesellschaft
Antimuslimische Vorbehalte in Deutschland
Eine Mehrheit der Bevölkerung (52 Prozent) sieht im Islam
eine Bedrohung. Dieser Anteil ist seit zehn Jahren unverändert
hoch (El-Menouar, 2024). Der Vergleich mit den Daten des Re-
ligionsmonitors 2013 zeigt, dass sich Vorbehalte gegenüber
Muslim*innen und ihrer Religion auf einem hohen Niveau halten
und mittlerweile festgesetzt haben.
Besonders deutlich wird die Sonderstellung des Islams, wenn
seine Wahrnehmung mit den anderen Religionen verglichen
wird. So wird in Deutschland nicht nur das Christentum, son-
dern auch der Buddhismus und der Hinduismus mehrheitlich
als bereichernd erlebt; nur wenige – zwischen 10 und 20Pro-
zent der Befragten – sehen in diesen Religionen vornehmlich
eine Bedrohung (El-Menouar & Vopel, 2023).
Das weitverbreitete Negativbild von Muslim*innen und ihrer
Religion wird genährt durch unterschiedliche Zuschreibungen,
die mit migrationspolitischen Debatten, kulturellen Wertvor-
stellungen sowie Fragen von religiösem Extremismus verknüpft
sind. Antimuslimische Vorurteile beziehen sich häug auf die
Vorstellung der Selbstabschottung (Diekmann & Janzen, 2024).
So ist in großen Teilen der nicht muslimischen Bevölkerung die
Ansicht verbreitet, Muslim*innen würden lieber unter sich blei-
ben (74Prozent), lebten gern in eigenen Stadtteilen (70 Pro-
zent), seien frauenfeindlich (65Prozent) und riefen zu Gewalt
auf (48Prozent). Dass diese Vorurteile wenig mit der Lebens-
realität der muslimischen Bevölkerung gemein haben, wird
durch verschiedene Studien belegt (bspw. Pfündel, Stichs &
Tanis, 2021; Halm & Sauer, 2017; Becher & El-Menouar, 2013;
Vopel & El-Menouar, 2015). Noch verbreiteter sind Vorurteile
gegenüber dem Islam als Religion. Sie sind mit der Vorstel-
lung verbunden, der Islam sei grundsätzlich mit „westlichen“
Werten unvereinbar und gewaltbereit. So sind rund drei Viertel
der nicht muslimischen Befragten der Meinung, der Islam sei
rückständig und verweigere sich neuen Realitäten. Ebenso groß
ist der Anteil derer, die den Islam für frauenfeindlich halten
oder glauben, islamistische Terrorist*innen fänden Rückhalt
in dieser Religion.
Vorurteile sind zunächst abstrakte, pauschalisierende Vorstel-
lungen und müssen sich nicht in abwertenden und benach-
teiligenden Verhaltensweisen äußern. Die Ergebnisse des Re-
ligionsmonitors weisen aber darauf hin, dass es einen engen
Zusammenhang gibt zwischen negativen Stereotypen und dis-
kriminierenden Verhaltensintentionen gegenüber der muslimi-
schen Bevölkerung. 58Prozent der nicht muslimischen Befrag-
ten haben ein Problem damit, in einen Stadtteil zu ziehen, in
dem viele Muslim*innen leben. Dies ist bemerkenswert vor dem
Hintergrund der weitverbreiteten Vorstellung, Muslim*innen
würden sich selbst abschotten. Für etwa jede*n Zweite*n
spielt die Religionszugehörigkeit für die Wahl eines Politikers
oder einer Politikerin eine Rolle: So würden 51Prozent eine*n
Bürgermeister*in allein deswegen nicht wählen, weil sie oder
er eine muslimische Religionszugehörigkeit hat. Zudem äußert
mehr als jede*r Vierte die Bereitschaft, eine Partei zu wählen,
die sich explizit gegen Muslim*innen richtet.
Dies belegt, dass sich negative Vorurteile auf den Alltag der
muslimischen Bevölkerung auswirken können. Insbesondere
die Unterstellung, Muslim*innen seien anfällig für Extremismus,
hat deutliche Auswirkungen auf die Verhaltensabsicht und löst
den stärksten Distanzierungsreflex aus.
Diskriminierungserfahrungen in der
muslimischen Bevölkerung
Der Religionsmonitor zeigt, dass der Islam und die muslimi-
sche Bevölkerung unter Extremismusverdacht stehen, obwohl
sich die Zahl der Islamist*innen unter Muslim*innen in Deutsch-
land laut Verfassungsschutzbericht auf einem Niveau von unter
1Prozent bewegt. Die muslimische Bevölkerung ist eine vielfäl-
tige Glaubensgemeinschaft mit unterschiedlichen Ausdrucks-
weisen und Glaubensverständnissen. Islamischer Extremismus
steht außerhalb eines allgemein akzeptierten Glaubensspekt-
rums und wird – auch von Muslim*innen – als eine gefährliche
Randerscheinung betrachtet. Eine Verortung des Islamismus
innerhalb des muslimischen Mainstreams rückt ihn unzulässig
in die gesellschaftliche Mitte und trägt damit zu einer Stärkung
dieser religiös verbrämten Ideologie bei. Zudem führt diese
Einordnung zu einer Verunsicherung in der Öffentlichkeit und
lässt breite Bevölkerungskreise daran zweifeln, ob es über-
haupt noch möglich ist, zwischen von der Religionsfreiheit
gedeckter religiöser Praxis und extremistischen Lesarten des
Islams zu unterscheiden. Eine Gleichsetzung von Islam und
Islamismus ist beispielsweise im Zusammenhang mit der Eska-
lation in Nahost nach dem 7.Oktober sichtbar geworden: Men-
schen mit familiären Bezügen nach Gaza wurden in den öffent-
lichen Debatten häug pauschal in die Nähe der Hamas gerückt,
was der Instrumentalisierung einiger Kundgebungen durch
Extremist*innen Vorschub geleistet hat. Viele der sogenann-
ten propalästinensischen Demonstrationen wurden pauschal
verboten, was aus verfassungsrechtlicher Perspektive als pro-
blematisch eingestuft wurde (vgl. z.B. Wintermantel & Wrase,
2023). Nicht zuletzt führt dieser Generalverdacht zu Ausgren-
zung und Anfeindungen von Muslim*innen und so wahrgenom-
menen Menschen.
18
Dr. Yasemin El-Menouar
ist Senior-Expertin bei der Bertelsmann Stiftung und
leitet seit 2014 das Projekt Religionsmonitor, das sich
mit der Rolle von Religion und religiöser Vielfalt für
den gesellschaftlichen Zusammenhalt befasst. Zuvor
leitete die promovierte Soziologin Forschungspro-
jekte im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz
(DIK), und forschte am Sozialwissenschaftlichen Insti-
tut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU)
sowie als Associate Fellow der Deutschen Gesell-
schaft für Auswärtige Politik (DGAP). Sie ist Mitglied
des vom Bundesinnenministerium berufenen Unab-
hängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit (UEM),
Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Islamkol-
leg e. V. (IKD) in Osnabrück sowie Gründungsmitglied
der Experteninitiative Religionspolitik (EIR).
19 Muslimfeindlichkeit in Deutschland
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus in der Migrationsgesellschaft
Laut einer repräsentativen Erhebung des Bundesamtes für
Migration und Geflüchtete aus dem Jahr 2020 berichtet rund
ein Drittel der Personen mit Wurzeln aus einem muslimisch
geprägten Herkunftsland von regelmäßigen Diskriminierungs-
erfahrungen im Alltag, die von subtilen Herabwürdigungen bis
hin zu Beschimpfungen und Gewalt reichen (Stichs & Pfündel,
2023). Besonders betroffen sind Personen, die sichtbare reli-
giöse Symbole tragen. Dies betrifft auch Lebensbereiche, die
entscheidend für die gesellschaftliche Teilhabe sind. Insge-
samt berichtet rund die Hälfte der Muslim*innen von Benach-
teiligungserfahrungen auf dem Wohnungsmarkt (50 Prozent),
bei der Stellensuche (39Prozent) und während der Schulzeit
durch Lehrkräfte (39 Prozent) (ebd.). Dies bestätigen auch ex-
perimentelle Studien: So werden Muslim*innen beispielsweise
bei gleicher Qualikation deutlich seltener zu Bewerbungsge-
sprächen eingeladen (Weichselbaumer, 2016).
Eigene Analysen der Daten Muslimische Perspektiven auf Islam-
und Muslimfeindlichkeit (Zick et al., 2023), die im Auftrag des
UEM erhoben wurden, zeigen, dass überdurchschnittlich häug
junge muslimische Männer im Alter von 18 bis 35Jahren von
massiven und regelmäßigen Anfeindungen berichten. Auch
Frauen mit Kopftuch sind überdurchschnittlich häug betroffen.
Die Ergebnisse weisen zudem darauf hin, dass sich Diskrimi-
nierungserfahrungen auch auf die psychische Gesundheit und
das Zugehörigkeitsgefühl der Betroffenen auswirken: Je stärker
die Befragten nach eigenen Angaben von Muslimfeindlichkeit
betroffen sind, umso häuger berichten sie über empfundenen
Stress. Diese Erlebnisse führen bei rund der Hälfte der regel-
mäßig Betroffenen dazu, dass sie bestimmte Orte meiden und
Auswanderungsgedanken hegen – teils aus Angst, erneut über-
fallen zu werden (UEM, 2023). Qualitative Untersuchungen zei-
gen, dass muslimische Jugendliche und junge Erwachsene, die
bereits in dritter und vierter Generation hier leben, teilweise mit
Protest und „Reethnisierungsprozessen“ auf Ausgrenzungser-
fahrungen reagieren (Zick et al., 2023). In diesen Fällen wird
die eigene Migrationsgeschichte neu verortet und besonders
betont, was auch mit der Aneignung politischer Positionen von
Akteuren aus den Herkunftsländern verbunden sein kann. Eine
weitere Bewältigungsstrategie ist die Schaffung sogenannter
Safe Spaces, in denen sie sich mit anderen Jugendlichen und
jungen Erwachsenen mit ähnlichen Erfahrungen treffen, um
sich über das Erlebte und ihre Sorgen auszutauschen. Bera-
tungsstellen werden dagegen äußerst selten aufgesucht, was
einerseits auf mangelnde Kenntnis und andererseits auf man-
gelndes Vertrauen ofziellen Stellen gegenüber zurückzuführen
ist (UEM, 2023).
Die antisemitischen und antimuslimischen
Vorfälle, die nach dem 7. Oktober 2023 ver-
stärkt auftraten, zeigen, dass die Religions-
freiheit als eines der wichtigsten Grundrechte
in Deutschland unter Druck steht.
20
Persönliche Kontakte und differenziertes Wissen
als Korrektiv
Welche Faktoren begünstigen antimuslimische Haltungen und
wie können wir ihnen vorbeugen? Ein Vergleich zwischen West-
und Ostdeutschland zeigt, dass das Negativbild des Islams in
Ostdeutschland mit 59 Prozent etwas stärker ausgeprägt ist
(El-Menouar & Vopel, 2023). Das Bildungsniveau hat nur einen
geringen dämpfenden Effekt, denn auch unter Personen mit
Hochschulreife empnden 48Prozent den Islam als Bedrohung.
Statistisch relevanter sind Altersunterschiede: Mit zunehmen-
dem Alter wird das Islambild negativer. 63Prozent der Perso-
nen, die 70Jahre oder älter sind, erleben den Islam als bedroh-
lich, während nur ein Drittel der 16- bis 24-Jährigen den Islam
als Bedrohung sieht (ebd.).
Eine Erklärung dürfte sein, dass jüngere Menschen – in Schule,
Studium und Ausbildung – eher in einem vielfältigen Umfeld auf-
wachsen und interreligiöse Kontakte als Normalität erleben. In
die gleiche Richtung weist ein weiterer Befund des Religionsmo-
nitors: So fällt die Wahrnehmung des Islams positiver aus, wenn
in der eigenen Nachbarschaft Menschen mit Migrationshinter-
grund leben. Diese Ergebnisse sind eine erneute Bestätigung
der sogenannten Kontakthypothese (Allport, 1954): Persönliche
Begegnungen können Vorbehalte verringern. Dabei ist die Qua-
lität des Kontakts von entscheidender Bedeutung (Pettigrew,
1998). Kontakte auf Augenhöhe wie Freundschaftskontakte
sind dabei am wirksamsten und können der Entstehung von
Vorbehalten vorbeugen. Wichtig ist, dass dabei gemeinsame In-
teressen und Ähnlichkeiten im Vordergrund stehen und weniger
die Unterschiede.
Wenn persönliche Kontakte zu Muslim*innen oder Menschen
mit Migrationsgeschichte fehlen, wie es in ländlichen Regionen
und Teilen Ostdeutschlands der Fall ist, treten sogenannte pa-
rasoziale Kontakte an deren Stelle; bspw. ersetzen aus Medien
entnommene Informationen über Muslim*innen reale Alltagser-
fahrungen. Dies weist auf die Bedeutung der öffentlichen und
medialen Debatten für die Prägung der Bilder hin, die viele Men-
schen von Muslim*innen und ihrer Religion haben. Daraus lässt
sich schließen, dass die verbreiteten antimuslimischen Vorur-
teile häug nicht auf persönlichen Erfahrungen fußen. Eher ist
diese Wahrnehmung Folge öffentlicher Debatten und einer me-
dialen Berichterstattung, in denen der Islam und muslimisches
Leben überwiegend als islamistische Gewalt zum Thema wird
(UEM, 2023).
Seit dem muslimfeindlichen Attentat in Hanau im Februar 2020
und der Berufung des UEM im September desselben Jahres
durch den damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer ist
Muslimfeindlichkeit in Deutschland stärker in den öffentlichen
Fokus gerückt. Dies zeigt sich auch in den Daten des Religions-
monitors 2023. In der deutschen Gesellschaft nden antimus-
limische Vorurteile breite Zustimmung, aber auch differenzie-
rende Aussagen (Diekmann & Janzen, 2024). 83Prozent der
Befragten sind sich bewusst, dass es sowohl strenggläubige
als auch weniger strenggläubige Muslim*innen gibt, was dem
Vorurteil widerspricht, Muslim*innen seien religiös homogen.
85Prozent erkennen, dass Handlungen einzelner Muslim*innen
oft der ganzen Gruppe zugeschrieben werden. 60Prozent glau-
ben, dass Muslim*innen häug benachteiligt oder angefeindet
werden, und 69Prozent denken, dass sie Rassismus erfahren.
In Deutschland existieren Vorurteile und differenzierende Per-
spektiven nebeneinander. Personen können Vorurteile haben
und gleichzeitig ein Bewusstsein für die Benachteiligung von
Muslim*innen besitzen. Vertiefende Analysen zeigen jedoch,
dass differenzierende Gegennarrative zwar antimuslimischen
Vorurteilen nur bedingt entgegentreten, aber diskriminieren-
de Verhaltensabsichten verhindern können. Vor allem das Be-
wusstsein über Diskriminierung und Rassismus kann verhindern,
dass vorhandene Vorurteile in ausgrenzende Verhaltensweisen
umschlagen. Dies unterstreicht die Wirksamkeit von Gegendis-
kursen im Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung.
Die Ergebnisse weisen zudem darauf hin,
dass sich Diskriminierungserfahrungen
auch auf die psychische Gesundheit und
das Zugehörigkeitsgefühl der Betroffenen
auswirken.
21 Muslimfeindlichkeit in Deutschland
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus in der Migrationsgesellschaft
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass antimuslimische Vor-
behalte bereits vor der Eskalation im Nahen Osten am 7.Okto-
ber 2023 stark verbreitet waren. Es ist anzunehmen, dass sich
die Situation angesichts der polarisierten Debatten auch in
Deutschland verschärft hat und antimuslimische Vorbehalte
weiter zugenommen haben. Die Befunde des Religionsmonitors
weisen jedoch auch auf Lösungswege hin: Differenzierung in
Debatten trägt dazu bei, den gesellschaftlichen Zusammenhalt
auch in herausfordernden Zeiten zu stärken.
Die Erkenntnisse über Gegennarrative und ihr Potenzial, die be-
nachteiligende Wirkung von Vorurteilen einzudämmen, unter-
stützen dies. Auch wenn das heute noch nicht greifbar ist, kann
eine solche differenziertere Wahrnehmung von Muslim*innen
und ihrer Religion in Deutschland dazu beitragen, bestehende
antimuslimische Vorurteile zu dekonstruieren und damit auch zu
verdrängen. Dabei geht es insbesondere darum, zwischen funda-
mentalistisch gesinnten Minderheiten – wie islamistischen Strö-
mungen – und der breiten Vielfalt muslimischer Glaubenshal-
tungen zu unterscheiden. Hierzu gehören auch fromme und kon-
servative Haltungen, denen ebenso wenig pauschal die Demo-
kratieverträglichkeit abgesprochen werden darf wie christlich-
konservativen Positionen. Insbesondere in der aufgeheizten Si-
tuation angesichts des eskalierten Nahostkonflikts ist Umsicht
geboten und darauf zu achten, dass Muslimfeindlichkeit und
Antisemitismus nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Damit sich differenzierende Gegendiskurse entfalten können
und im Alltag für die Menschen erfahrbar werden, braucht es
mehr Kontakte untereinander – und insbesondere mehr inter-
religiöse Kontakte auf Augenhöhe. Durch Bildungsformate kann
differenziertes Wissen aktiv vermittelt werden. Und schließlich
muss mehr über gelingende Erfahrungen des Zusammenlebens
und alltägliche Solidarität untereinander berichtet werden, da-
mit sich differenzierende Bilder über die Vielfalt muslimischen
Lebens durchsetzen können und um Vorurteilen etwas entge-
gensetzen zu können.
Gerade in der aktuellen Situation ist es wichtig – vor allem in
der medialen und zivilgesellschaftlichen Diskussion – gezielt die
Gegennarrative zum Konflikt zwischen Menschen jüdischen und
muslimischen Glaubens zu stärken. Dafür stehen erfolgreiche
jüdisch-muslimische Gemeinschaftsprojekte wie das Dialogpro-
jekt „Schalom Aleikum“ und das Begegnungsprojekt „meet2re-
spect“. Es gibt zudem zahlreiche jüdisch-muslimische Initiati-
ven, die sich gemeinsam für einen Frieden in Nahost einsetzen.
Der Einsatz gegen Muslimfeindlichkeit und andere Formen der
Menschenfeindlichkeit braucht beides: kognitive Auseinander-
setzung sowie eine Ansprache der affektiven Ebene. Genau das
leisten persönliche Begegnungen und Gespräche zwischen den
Menschen. Dafür spielen persönliche Begegnungen wie auch
die Berichterstattung und Diskussion in den klassischen und so-
zialen Medien eine entscheidende Rolle. Indem wir vielfältige
Kontakte fördern und die Menschen und ihre Geschichte in den
Blick bringen, stiften wir Zusammenhalt.
22
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23 Muslimfeindlichkeit in Deutschland
Antisemitismus und (antimuslimischer) Rassismus in der Migrationsgesellschaft
24
Instrumentalisierung
des Nahostkonflikts
durch extremistische
Gruppen
25 Spaltung sta Einheit
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch extremistische Gruppen
Infolge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und des darauf-
folgenden Israel-Hamas-Kriegs reagierten auch islamistisch-
extremistische Bewegungen.5 Hierbei variierten die Reaktionen
zwischen den verschiedenen Akteuren je nach ihren spezischen
Prioritäten und ihrem ideologischen Rahmen. Bei genauerer Be-
trachtung offenbart sich eine Vielzahl ideologischer, politischer
und taktischer Unterschiede zwischen den islamistisch-extre-
mistischen Bewegungen.
So erklärten die hier analysierten Gruppen zwar durchweg ihre
Solidarität mit den Palästinenser*innen, aber äußerten sich teil-
weise auch kritisch zur Hamas oder erwähnten sie überhaupt
nicht. Zudem lässt sich eine sehr eindeutige Trennlinie zwischen
den Akteuren der sogenannten Achse des Widerstands und
ihren Gegnern ausmachen. Und zuletzt gibt es zwischen isla-
mistisch-extremistischen Bewegungen erhebliche taktische
Unterschiede in Bezug auf die Frage, ob nicht staatliche Grup-
pen und ihre Anhänger*innen die Palästinenser*innen durch
Anschläge auf jüdische, israelische oder westliche Ziele unter-
stützen sollten oder ob es die Aufgabe mehrheitlich muslimi-
scher Staaten wäre, aufseiten der Palästinenser*innen militä-
risch in den Krieg einzugreifen.
Zum Begriff islamistischer Extremismus
Islamistische Extremisten möchten einen totalitären islami-
schen Staat errichten (oder erhalten, falls ein solcher Staat
bereits existiert), in dem Gruppen, die von den eigenen religiö-
sen Vorstellungen abweichen, entweder implizit, explizit oder
gewaltsam unterdrückt und benachteiligt werden (Comerford
et al., 2023, S.48). Unter diese breite Denition fällt ein gro-
ßes Spektrum an Bewegungen und Gruppen. In diesem Artikel
wird der Fokus vor allem auf salastisch-jihadistische Gruppen,
schiitisch-islamistisch extremistische Akteure, die Taliban so-
wie die islamistisch-extremistische Gruppe Hizb ut-Tahrir ge-
richtet, die Demokratie und Menschenrechte ablehnt und statt-
dessen die Errichtung eines globalen Kalifats anstrebt.
Am 7. Oktober 2023 überquerten Kämpfer der Hamas und wei-
terer militanter palästinensischer Gruppen die Grenze zwischen
dem Gazastreifen und dem Süden Israels und verübten einen
groß angelegten Terrorangriff, bei dem laut israelischen Behör-
den über 1143Menschen (darunter 767Zivilist*innen) getötet
und über 250 als Geiseln genommen wurden (France24, 2023).
In den Wochen und Monaten nach dem 7.Oktober verschärfte
Israel zunächst die Blockade des Gazastreifens, führte Luftan-
griffe durch und begann ab Ende Oktober mit einer Bodeninvasi-
on. Laut Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsmi-
nisteriums in Gaza wurden seit dem 7.Oktober mehr als 36800
Palästinenser*innen durch das israelische Vorgehen getötet
(OCHA, 2024a, Stand 5.Juni).4
Die Reaktionen internatio-
naler islamistisch-extre-
mistischer Gruppierungen
auf den 7.Oktober und den
Krieg zwischen Israel und
der Hamas
Jakob Guhl, Institute for Strategic Dialogue
Spaltung statt Einheit
4  Seit Beginn des Kriegs wird debattiert, ob die vom Gesundheitsmi-
nisterium in Gaza vorgelegten Zahlen glaubwürdig sind, da sie nicht
unabhängig überprüft werden können. Einige Politiker*innen und
Journalist*innen argumentieren, dass die Hamas Vorteile daraus
ziehen könnte, höhere Zahlen zu melden. Allerdings wurden die
Zahlen des Gesundheitsministeriums in der Vergangenheit auch
vom US-Außenministerium verwendet und von Menschenrechtsor-
ganisationen als zuverlässig eingestuft (Ioanes, 2024).
5  Durch den zeitlichen Fokus des Artikels auf die Reaktionen auf den
7. Oktober 2023 soll nicht suggeriert werden, dass der Israel-Pa-
lästina-Konflikt, die Geschichte der Hamas oder die Positionierung
der analysierten Akteure zum Nahostkonflikt auf diesen Zeitraum zu
reduzieren sind.
26
Die in diesem Artikel diskutierten Akteure positionieren sich
durchweg zumindest rhetorisch propalästinensisch. Es ist da-
rauf hinzuweisen, dass dies im Umkehrschluss nicht bedeutet,
dass die internationale propalästinensische Protestbewegung,
die auch in Deutschland von erheblicher ideologischer Vielfalt
gekennzeichnet ist (Gargosch, 2023), per se islamistisch-extre-
mistische Positionen vertritt.
Solidarität mit den Palästinenser*innen, aber gespal-
ten gegenüber der Hamas
Trotz der großen ideologischen, theologischen und geogra-
schen Vielfalt innerhalb des internationalen islamistischen
Extremismus waren diese Akteure nach dem 7. Oktober 2023
zumindest oberflächlich in ihrer Unterstützung der Palästinen-
ser*innen vereint. Die verschiedenen Bewegungen und Grup-
pen betonten durchweg die Gerechtigkeit der palästinensischen
Sache. Zudem wurde der Anschlag der Hamas verteidigt oder
sogar explizit gutgeheißen und als legitime Reaktionen auf die
israelische Besatzung beschrieben.
So erklärte beispielsweise Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) in einem
Video mit dem Titel „Unterstützung für unser Volk in Gaza“ nicht
nur ihre Solidarität mit den Palästinenser*innen, sondern lobte
explizit auch die Qassam-Brigaden („die Helden Gazas“) dafür,
sich gegen die „israelischen Tötungsmaschinen“ erhoben zu ha-
ben (Jihadology, 2023).
Der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah, Hassan
Nasrallah, gratulierte ebenfalls bereits am 7. Oktober dem
widerständigen palästinensischen Volk und den heldenhaften
Kämpfern der palästinensischen Gruppierungen, […] für die
weitreichende und von Gott unterstützte heldenhafte Operati-
on, die einen vollständigen Sieg verspricht“. Nasrallah ergänzte,
dass der Anschlag auch eine Botschaft an die Länder in der Re-
gion sei (vor allem Saudi-Arabien), die ihre diplomatischen Be-
ziehungen mit Israel normalisieren wollen (Daoud, 2023).
Der oberste Führer des iranischen Regimes Ayatollah Ali
Khamenei (2023) feierte den Anschlag und verteidigte das
Recht der Hamas und der Palästinenser*innen, auch israeli-
sche Zivilist*innen direkt anzugreifen. Dies sei als „Antwort auf
die Verbrechen“ des „zionistischen Usurpationsregimes“ legi-
tim. Zugleich bestritt das iranische Regime, vorab von den An-
schlagsplänen gewusst zu haben. Dies war auch ein zentrales
Thema einer groß angekündigten Rede von Nasrallah am 3.No-
vember, in der er den Terrorangriff der Hamas als rein palästi-
nensische Operation beschrieb (Daoud, 2023). In der Rede be-
hauptete Nasrallah zudem, dass der Anschlag zeige, dass Israel
tatsächlich fragiler als ein „Spinnennetz“ sei (Byman, 2023).
Der „Spinnennetz“-Vergleich ist eine Referenz auf eine bekan-
nte Rede Nasrallahs aus dem Jahr 2000, wenige Tage nach
dem Abzug israelischer Truppen aus dem Südlibanon, der nach
der israelischen Intervention in den libanesischen Bürgerkrieg
1982 besetzt gewesen war.
Obwohl der Terrorangriff vom 7. Oktober durchweg als legitim
betrachtet wird, bedeutet dies nicht, dass im Hinblick auf die
Hamas ebenfalls Einigkeit besteht.
Erst zwei Wochen nach den Anschlägen vom 7. Oktober reagier-
te der sogenannte Islamische Staat (IS) und bezog sich in den
eigenen verzögerten Statements beispielsweise nicht nament-
lich auf die Hamas. Obwohl es verständlich sein mag, aufgrund
der gezielten Gewalt gegen Zivilist*innen und der extremen
Brutalität Parallelen zwischen der Hamas und dem IS zu zie-
hen, sollte darauf hingewiesen werden, dass der IS die Hamas
sowohl aus ideologischen als auch aus politischen Gründen
ablehnt. Während der IS Nationalstaaten als unislamisch ver-
urteilt, möchte die Hamas einen solchen Staat gründen. Auch
die Anwendung des islamischen Rechts im Gazastreifen hält
der IS für nicht streng genug. Politisch lehnt der IS die Hamas
auch wegen der Unterstützung durch den Iran ab, als dessen
Handlanger er sie betrachtet. Zusätzlich lehnt der IS (anders als
die Hamas) die Teilnahme an demokratischen Wahlen strikt ab
und bezeichnet dies als eine nicht islamische Neuerung (bid’ah),
die der Götzenanbetung (shirk) gleichkomme. Die Hamas hinge-
gen geht im Gazastreifen aktiv gegen salastisch-jihadistische
Gruppen wie den IS vor. Insgesamt sind die Unterschiede so
fundamental, dass es nicht überraschen sollte, dass der IS die
Hamas zu Apostaten erklärt hat (Fiennes, 2023).
Auch die Reaktion der afghanischen Taliban auf den 7. Oktober
el verhalten aus. Zwar erklärten die Taliban ihre Solidarität mit
dem palästinensischen Volk und verurteilten den „Genozid“ in
Gaza, äußerten sich aber nicht positiv zur Hamas. Hierbei ist
zu beachten, dass die Taliban in den vergangenen Jahren mit
wenigen Ausnahmen nicht die Nähe zur Hamas gesucht haben,
obwohl diese die Machtübernahme der Taliban im August 2021
explizit begrüßt hatten.
Die vielleicht wichtigste Trennlinie zwischen
den verschiedenen hier analysierten islamis-
tisch-extremistischen Organisationen ist die
Positionierung zur sogenannten Achse des
Widerstands.
27 Spaltung sta Einheit
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch extremistische Gruppen
Die Achse des Widerstands und ihre Gegner
Die vielleicht wichtigste Trennlinie zwischen den verschiedenen
hier analysierten islamistisch-extremistischen Organisationen
ist die Positionierung zur sogenannten Achse des Widerstands.
Die Achse des Widerstands ist ein Bündnis staatlicher und nicht
staatlicher Akteure im Nahen Osten, das sich vor allem gegen
den Einfluss der USA in der Region, gegen Israel und deren Ver-
bündeten positioniert. Neben dem iranischen Regime, Hisbollah,
Hamas, Ansar Allah (besser bekannt als die Huthis) und schiiti-
schen Milizen im Irak wird auch das syrische Baath-Regime zur
Achse des Widerstands gezählt. Das iranische Regime gilt dabei
als Führungsmacht innerhalb des Bündnisses, das vor allem auf
Hisbollah und irakische Milizen erheblichen Einfluss ausübt.
Die Position der Hamas innerhalb der Achse des Widerstands ist
ebenfalls komplex. Im Jahr 2012 erklärte die Hamas ihre Unter-
stützung für die syrische Revolution gegen das Assad-Regime.
Dies führte zum temporären Bruch mit dem iranischen Regime
und der Hisbollah, die im syrischen Bürgerkrieg militärisch auf
der Seite des Assad-Regimes kämpften. Erst ab 2017 gab es
wieder Annäherungsversuche zwischen Hisbollah und Hamas
und später auch zum Iran (Caero, 2024).
Verschiedene Akteure innerhalb der Achse des Widerstands
griffen nach dem 7. Oktober nicht nur rhetorisch, sondern auch
militärisch in den Konflikt zwischen Israel und der Hamas ein.
Bereits am 8. Oktober begann die Hisbollah mit Raketenan-
griffen auf militärische Ziele, aber auch auf Infrastruktur und
Wohngebiete im Norden Israels. Es folgten israelische Vergel-
tungsschläge durch Drohnenangriffe, zunächst primär gegen
Ziele im Süden Libanons, aber später auch gegen Ziele weit
im Landesinneren.
28
Am 19. November 2023 begannen zudem die Huthis Handels-
schiffe mit vermeintlichen Verbindungen zu Israel im Roten Meer
anzugreifen. In ihrer Propaganda, die gerade auch in den sozia-
len Medien weit jenseits islamistisch-extremistischer Netzwer-
ke Anklang ndet, stellten die Huthis diese Angriffe als einen
Akt der Solidarität mit den Palästinenser*innen dar. Zudem flo-
gen die Huthis am 13.April 2024 als Teil des iranischen Vergel-
tungsschlags auf Israel nach der Bombardierung des iranischen
Konsulats in Damaskus ebenfalls Drohnenangriffe auf Israel.
Infolge dieser Angriffe erfuhren die Huthis auch innerhalb der
westlichen propalästinensischen Protestbewegung erhebliche
Sympathie (Fiennes, 2024). Der Slogan „Yemen, Yemen, make
us proud, turn another ship around“ war beispielweise auch auf
Demonstrationen in Berlin zu hören (Focus Online, 2024).
Umfragen weisen darauf hin, dass die militärischen Operatio-
nen der Achse des Widerstands seit dem 7. Oktober ihre Po-
pularität innerhalb der Region erhöht haben (Palestinian Center
for Policy and Survey Research, 2023; Arab Center Washington
DC, 2024; Washington Institute, 2024). Die Rolle der Achse des
Widerstands wird allerdings von etlichen islamistisch-extre-
mistischen Gruppierungen überaus kritisch gesehen. Vor allem
die militärische Unterstützung des iranischen Regimes und der
Hisbollah für das Assad-Regime im syrischen Bürgerkrieg wird
hierbei thematisiert.
Ein Sprecher der syrischen HTS beispielsweise kritisierte die
Achse des Widerstands trotz deren Einsatz für die palästinen-
sische Sache scharf und warf ihr vor, „die arabische und mus-
limische Bevölkerung in Syrien, im Libanon, im Irak und im
Jemen getötet und vertrieben“ zu haben und „Dörfer und Städ-
te im Norden des befreiten Syriens“ (in von HTS kontrollierten
Gebieten) systematisch zu bombardieren (Jihadology, 2023).
HTS versuchte gleichzeitig den Kampf für die Befreiung der
Palästinenser*innen als gemeinsame Aufgabe der weltweiten
Gemeinschaft der Muslime (Umma) darzustellen, aber dabei die
Rolle des Iran und der Achse des Widerstands zu relativieren,
und warf ihnen Doppelmoral vor. So wies HTS auf die Paralle-
len zwischen der israelischen Bombardierung des Gazastreifens
und der Bombardierung Nordsyriens durch die syrische und rus-
sische Luftwaffe hin (Jihadology, 2023).
Im Kontext des Kriegs zwischen Israel und der
Hamas waren innerhalb islamistisch-extre-
mistischer Bewegungen verschiedene takti-
sche Positionierungen zu beobachten.
29 Spaltung sta Einheit
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch extremistische Gruppen
Der IS ist ebenfalls ein erbitterter Gegner der Achse des Wider-
stands und des iranischen Regimes, welches das Kalifat des IS
in Syrien und dem Irak militärisch bekämpft hatte. So verübte
der IS im Januar 2020 einen Bombenanschlag auf eine Ge-
denkveranstaltung für den 2020 bei einem US-amerikanischen
Drohnenangriff getöteten Qasem Soleimani im iranischen Ker-
man, bei dem 84Menschen getötet wurden. Am Tag darauf rief
der IS erneut zu weltweiten Anschlägen auf jüdische und christ-
liche Zivilist*innen auf und rechtfertigte den Anschlag auch
damit, dass trotz des aktuellen Konflikts der Iran ein wichtiger
Feind bleibe. Allerdings schien es, als ob der IS sich dazu genö-
tigt sah, eine Rechtfertigung dafür zu liefern, weshalb die eige-
nen Militäraktionen nach dem 7.Oktober nur wenig konkreten
Bezug zu Palästina hatten. So behauptete der IS beispielsweise,
dass die Anschläge in aus IS-Sicht „unislamischen“ Regimen
der palästinensischen Sache zumindest indirekt dienen würden
(Washington Institute, 2024c).
Aufrufe zu Anschlägen oder staatlichen
Militärinterventionen?
Im Kontext des Kriegs zwischen Israel und der Hamas waren in-
nerhalb islamistisch-extremistischer Bewegungen verschiede-
ne taktische Positionierungen zu beobachten. Dies betraf auch
die Frage, ob Gewalt legitim sei, um die Palästinenser*innen zu
unterstützen. Zudem gab es unterschiedliche Ansichten dazu,
ob die Gewalt von den Anhänger*innen nicht staatlicher Grup-
pen oder von mehrheitlich muslimischen Staaten ausgeführt
werden soll.
30
So rief al-Qaida die im Westen lebenden „Söhne der Umma“
dazu auf, ihre „Brüder zu unterstützen“, indem sie „die Zionis-
ten töten und beschimpfen“ (Smith & Webber, 2024). Der IS rief
im al-Naba-Newsletter ebenfalls weltweit zu weiteren Angriffen
gegen Jüdinnen und Juden, aber auch gegen arabische Staaten
auf (Washington Institute, 2024c).
Im Kontrast zu solchen Aufrufen zu terroristischen Anschlägen
forderten einige islamistisch-extremistische Akteure ein mili-
tärisches Eingreifen mehrheitlich muslimischer Staaten in den
Krieg zwischen Israel und der Hamas. So forderte die britische
Sektion der Gruppe Hizb ut-Tahrir (HuT) unter dem Hashtag
#ArmiesToAqsa und im Rahmen von Demonstrationen vor den
türkischen und ägyptischen Botschaften in London Armeen isla-
mischer Staaten zur „Befreiung Palästinas“ auf (Ali, 2024). HuT
wendete sich also direkt an Staaten, stellte aber explizit klar,
dass dies keine Aufforderung an ihre Anhänger*innen sei, selbst
Gewalt anzuwenden (Ali, 2024).
Ausblick
Diese Analyse der Reaktionen islamistisch-extremistischer Ak-
teure zeigt, dass die Solidarität mit den Palästinenser*innen und
die Ablehnung Israels erhebliche Mobilisierungsfaktoren dar-
stellen. Obwohl die hier analysierten Gruppen zwar durchweg
ihre Solidarität mit den Palästinenser*innen erklären, offenbart
sich eine Vielzahl ideologischer, politischer und taktischer Un-
terschiede zwischen den islamistisch-extremistischen Bewe-
gungen. So wird die Hamas zum Teil ausgesprochen kritisch
gesehen oder überhaupt nicht erwähnt. Auch die Trennlinie zur
sogenannten Achse des Widerstands bleibt aufgrund ihrer Rolle
bei der militärischen Verteidigung des Assad-Regimes im syri-
schen Bürgerkrieg äußerst umstritten. Zudem werden taktische
Unterschiede deutlich, vor allem in Bezug auf die Frage, ob nicht
staatliche oder staatliche Gewalt die legitime Antwort auf die
Situation in Gaza darstelle.
Jakob Guhl
ist Senior Manager beim Institute for Strategic Dia-
logue (ISD), wo er in der Digital Research Unit und
für das ISD Germany arbeitet. Seine Forschungs-
schwerpunkte sind Rechtsextremismus, islamisti-
scher Extremismus, Hassrede, Desinformation und
Verschwörungstheorien. Als ISD-Experte wurde
Guhl mehrfach von der Bundesregierung eingeladen,
seine Forschungen über Online-Hass dem deutschen
Justizministerium, Innenministerium und Familienmi-
nisterium vorzustellen und Handlungsempfehlungen
zur Prävention gegen Rechtsextremismus und Antise-
mitismus auszusprechen. Jakob Guhl hat einen MA in
Terrorismus, Sicherheit und Gesellschaft vom King’s
College London.
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32
vermitteln. Die aktuellen Ereignisse selbst rücken dabei in den
Hintergrund. Im Folgenden wird auf Grundlage des bpb-Basis-
monitorings herausgearbeitet, welchen Stellenwert der Nahost-
konflikt in der PrE innehat und in welcher Form er aufgegriffen
wird. Dabei liegt der Fokus auf der islamistischen Kanalgruppe,
mit den vier Kanälen Muslim Interaktiv, Generation Islam, Reali-
tät Islam und Botschaft des Islam.7
Entwicklungen seit dem 7. Oktober 2023
Verfolgt man die Daten auf YouTube bis zum Jahr 2015 zurück,
so wird der Nahostkonflikt regelmäßig um den Fastenmonat
Ramadan thematisiert.8 Anlass dazu bieten z. B. die zahlrei-
chen Zusammenstöße rund um die al-Aqsa-Moschee und den
Tempelberg in Jerusalem. Rückblickend scheint der Nahostkon-
flikt im Jahr 2021 mit den blutigen Zusammenstößen im West-
jordanland und Kämpfen gegen die Hamas in Gaza eine erste
intensive, mehrere Monate andauernde Kommunikation in den
sozialen Medien erzeugt zu haben. Eine weitere intensive Phase
ist zu Beginn des Jahres 2023 erkennbar. Schon im Vorfeld zum
7.Oktober 2023 greifen Gruppen der PrE den Israel-Palästina-
Konflikt auf, und veröffentlichen monatlich Videos zum Thema.
Die Zahl der Videos, die Höhe der Aufrufe und die anhaltenden
Debatten verschiedener Onlinecommunitys, ob innerhalb oder
außerhalb der PrE, zeigen jedoch seit dem 7.Oktober 2023 eine
Intensität, wie sie bislang noch nicht im bpb-Basismonitoring
dokumentiert wurde.
Krisen und Konflikte sind zentrale Themen in der Peripherie
des religiös begründeten Extremismus (PrE)6 (Hartwig & Hänig,
2021). Das Spektrum reicht von individuellen Krisen im Alltag
über innermuslimische Kontroversen oder Kritik an gesellschaft-
lichen Missständen in Deutschland bis hin zu Konflikten und Krie-
gen weltweit (Baaken & Hartwig, 2020; Hartwig, Hänig & Seelig,
2022). Im Mittelpunkt stehen in der PrE Krisen, von denen
mehrheitlich muslimisch geprägte Länder oder Bevölkerungs-
gruppen betroffen sind. Der Nahostkonflikt ist ein regelmä-
ßig wiederkehrendes und zudem hochemotional aufgeladenes
Thema. Die Akteure der PrE nutzen ihn daher häug, um ihrem
Publikum auf diesem Weg zentrale Narrative ihrer Weltsicht zu
Eine Betrachtung der
islamistischen Kanalgruppe
der Peripherie des
religiös begründeten
Extremismus (PrE)
Dr. Friedhelm Hartwig, modus|zad
Instrumentalisierung des
Nahostkonflikts in den
sozialen Medien
6  Die PrE ist ein Arbeitsbegriff, den modus|zad während der vom
Bundesministerium des Inneren für Bau und Heimat geförderten
Monitoring-Projekte ABAT (2019) und KorRex (2020) entwickelt und
eingeführt hat. PrE steht für eine Konstellation von ca. 200 deutsch-
sprachigen Kanälen, die zumeist sunnitisch-fundamentalistische
Botschaften verbreiten und als nicht jihadistisch einzustufen sind.
Zumeist liegen ihre stark polarisierenden Botschaften in den Rand-
bereichen zur Glaubens- und Meinungsfreiheit. Umfassende Infor-
mationen zum Monitoring-Projekt ndet man auf der bpb-Webseite
„Randbereiche des Extremismus auf YouTube, TikTok und Instagram“
(bpb, o.J.) und auf modus|zad Monitorings und Trendanalysen.
7  Im Monitoring werden drei Kanalgruppen unterschieden: salas-
tische, islamistische und hybride Kanäle. Die Kanäle der islamisti-
schen Kanalgruppe der PrE konzentrieren sich besonders häug
auf politische und gesellschaftliche Themen. Thematische
Schwerpunkte der salastischen Gruppe sind religiöse Themen
und Erziehung. Die hybride Kanalgruppe bietet eine eigenständige
thematische Mischung mit starken inhaltlichen Überschneidungen
zu den beiden zuvor genannten.
8  Der aktuelle Datensatz für die YouTube-Analyse dieses Artikels um-
fasst 37 Schwerpunktkanäle mit ca. 21 532 Videos. Der Zeitraum
für die Längsschnittanalyse erfasst Videos vom 01.01.2015 bis
30.05.2024.
33
Instrumentalisierung des Nahostkonikts
in den sozialen Medien
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch extremistische Gruppen
Die Kanäle der PrE reagierten in den ersten Tagen nach dem
7. Oktober 2023 zurückhaltend. Abul Baraa sendete z. B. auf
seinem Kanal „Abul Baraa Tube“ den Mitschnitt eines Videos
von Michael Lüder mit einem historischen Rückblick zum Nah-
ostkonflikt. Die Kontextualisierung des Massakers in einer ver-
meintlichen Vorgeschichte, in der Israel die komplette Schuld an
der blutigen Konfliktgeschichte zugewiesen wird, war eine der
ersten Reaktionen in der PrE. Hinzu kommt ein großes Schwei-
gen oder verharmlosende Äußerungen hinsichtlich der Nach-
richten über das Massaker der Hamas (Hartwig, Seelig, Jung, &
Ahmed, 2023). Bei Influencer*innen ndet man zudem Versatz-
stücke, die bis hin zur Genugtuung über das Massaker reichen
und die Einleitung einer neuen Phase der Geschichte ankündi-
gen, in der Israel untergehen werde (Actuarium: 07.10.2023).
Seitdem ist eine weitgefächerte Onlineprotestbewegung von
Akteuren aus dem salastischen Spektrum, Influencer*innen,
ihren Communitys, Rap- und Nashid-Künstler*innen (Redlion:
03.12.2023) entstanden. In der laufenden Analyse auf TikTok
ist bereits erkennbar, dass Versatzstücke zentraler Narrative
der PrE zum Nahostkonflikt auch die Protestbewegung der ju-
gendlichen TikTok-Nutzer*innen prägen (Schnabel & Berendsen,
2024)9 Durch die Mobilisierung in den Social Media sehen sie
ihre Chance, die Stimmung in Deutschland in Bezug auf Israel
grundlegend zu verändern. Erste Erfolge sähe man bereits durch
die zunehmenden propalästinensischen Proteste und ein vor-
sichtigeres Verhalten der Regierung (Maestro: 03.03.2024).
Wie greifen islamistische Akteure in Deutschland den
Nahostkonflikt in den sozialen Medien auf?
Zwei Narrativstränge treten in der PrE regelmäßig deutlich her-
vor: die umfassende Delegitimierung demokratischer Gesell-
schaften und sämtlicher Regierungen im Mittleren Osten sowie
die Pflicht aller Muslim*innen zur umfassenden Distanzierung
von der Mehrheitsgesellschaft in Deutschland (Hartwig, Hänig &
Seelig, 2022). Beide Narrativstränge begründen die Akteure der
vier Kanäle mit einer eigenständigen und angeblich autonomen
islamischen Identität. Sie werden zudem als einzige Lösungs-
wege dargestellt, die von Allah verpflichtend vorgegeben seien.
Beide Narrativstränge prägen auch die aktuellen Deutungen der
PrE-Kanäle zum 7.Oktober 2023 und dem nachfolgenden Gaza-
krieg. Ziel ihrer Botschaften ist jedoch überwiegend die Verän-
derung der Situation in Deutschland (Hartwig et al., 2023).
Der Nahostkonflikt wird in der PrE besonders von Kanälen the-
matisiert, die im bpb-Basismonitoring der islamistischen Grup-
pe zugeordnet werden. Dabei treten deutlich Kanäle hervor, die
ideologisch eine große Nähe zur in Deutschland verbotenen
Hizb ut-Tahrir zeigen. Zu ihnen gehören Generation Islam (GI),
Realität Islam (RI), Muslim Interaktiv (MI) und der besonders
populäre Kanal Botschaft des Islam (BDI) (Hartwig et al., 2023).
Auf den ersten Blick scheinen die Kanäle unabhängig voneinan-
der zu agieren und für sich zu stehen. Eine Längsschnittanalyse
ihrer Narrative zeigt jedoch eindeutige inhaltliche Überschnei-
dungen. Gemeinsam bilden diese vier Kanäle eine Formation
in der PrE, die durch ihre Kombination aus konvergierenden In-
halten und unterschiedlichen Kommunikationsstrategien einzig-
artige Synergien schaffen (Hartwig & Hänig, 2021). Seit dem
7.Oktober 2023 erreicht diese Formation besonders hohe Reich-
weiten (Hartwig et al., 2023). Ihre Deutungen des Konfliktes
haben nicht nur einen starken Einfluss auf die salastische Ka-
nalgruppe der PrE, sondern auch auf Influencer*innen des pop-
kulturellen Milieus.
Thematisch konzentrieren sich die drei Kanäle GI, RI und MI
auf politische und gesellschaftliche Schwerpunkte. In Ergän-
zung dazu übernimmt der Kanal BDI die Aufgabe, ein genaue-
res Verständnis von islamischer Identität, Erziehung und Moral
im Sinne der zuvor genannten Kanäle auszuformulieren und zu
verbreiten. Dazu nutzt BDI das unterhaltsame und emotional
berührende Storytelling-Format, das besonders häug auch
in populären englischsprachigen Kanälen zu nden ist. Ana-
lysen im Projekt KorRex zeigen, dass ca. 17% der Videos in
der PrE aus englischsprachigen Kanälen kopiert und übersetzt
wurden (KorRex, 2020).10 In dem Interviewformat „Erzähl mal“
oder in Videos zum aktuellen Gazakrieg lädt BDI jedoch auch
Content hoch, der inhaltlich die politischen und gesellschaftli-
chen Botschaften der drei zuvor genannten Kanäle bekräftigt.
9  Die Analyse wird Teil einer zukünftigen Publikation des bpb-Basis-
monitorings sein.
10  Die am häugsten für eine Umarbeitung von Content genutzten
englischsprachigen Kanäle in der PrE sind „Merciful Servant“ (GB),
„The Daily Reminder“ (Sri Lanka), „TheProphetsPath“ (Kanada) und
„iLoveUAl-lah“ (USA).
Dr. Friedhelm Hartwig
studierte Islamwissenschaften, Arabistik und evan-
gelische Theologie in Bochum und promovierte am
Graduiertenkolleg für gegenwartsbezogene Orient-
forschung in Bamberg. Anschließend arbeitete er als
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibnitz Zentrum
Moderner Orient in Berlin. Von 2016 bis 2018 war er
in mehreren digitalen Präventionsprojekten für Vio-
lence Prevention Network gGmbH tätig. Seine aktuel-
len Arbeitsschwerpunkte bei modus|zad liegen in der
anwendungsbezogenen Forschung an der Schnittstel-
le zwischen Theorie und Praxis, dem beschleunigten
Wissenstransfer sowie der Vernetzung von Präventi-
onsprojekten. Für modus|zad entwickelt er seit 2019
die Forschungslinie Monitoring und Trendanalysen
(ABAT, KorRex, bpb-Basismonitoring). Sein besonde-
res wissenschaftliches Interesse gilt der Analyse von
Narrativen, Mainstreamingprozessen und der inter-
nationalen Vernetzung extremistischer Akteure.
34
Während die Akteure von GI, RI und MI namentlich bekannt sind,
präsentiert sich BDI anonym und zeigt seine Akteure nur ange-
schnitten in Kameraperspektiven von hinten. Anonymität ist ein
wichtiges Mittel in der PrE, um bestimmten Content als beson-
ders konspirativ und vor dem Publikum als vermeintlich zensur-
gefährdet darzustellen (Hartwig & Hänig, 2021).
Die Kanäle GI und RI bedienen sich dagegen eher konservativ
wirkender Frontalvorträge, mit denen man Analysen oder Kom-
mentare präsentiert. Bisweilen versuchen die beiden Kanäle
auch, durch Hashtagkampagnen das Onlinepublikum zu mobi-
lisieren (z. B. #Nichtohnemeinkopftuch). Eine neuere Entwick-
lung ist das häuge öffentliche Auftreten eines Sprechers von GI,
Ahmed Tamim, auf zahlreichen propalästinensischen Demons-
trationen seit dem 7. Oktober 2023.
Für MI, den jüngsten Kanal in der Gruppe, sind dagegen medi-
enwirksame öffentliche Aktionen in Kombination mit professio-
nell gestaltetem Social-Media-Content charakteristisch. Die
Sprecher*innen des Kanals bezeichnen ihre Aktivitäten als poli-
tischen Aktivismus. Dementsprechend vermitteln bereits die
ersten Videos von MI in ihrer gut umgesetzten Dramaturgie
und Bildsprache Entschlossenheit und Tatkraft. In ihren Aktio-
nen treten die Akteure von MI im uniformen Schwarz mit einem
einheitlichen Branding auf. Teilnehmende an den Demonstratio-
nen, Sicherheitskräfte und die anwesende Presse erscheinen
wie Statist*innen in einer gut vorbereiteten Inszenierung, so-
dass sie dadurch die rhetorisch ausgefeilten Botschaften noch
verstärken.11 Während auf YouTube nur wenige, aber professio-
nell anmutende Videos zu nden sind, liegt der Social-Media-
Schwerpunkt von MI auf der derzeit besonders bei Jugendlichen
populären Plattform TikTok.12 Ihr Vorgehen erinnert an die medi-
enwirksamen Aktivitäten der Identitären Bewegung.
Seit dem 7. Oktober 2023 treten jedoch nicht nur die inhaltlichen
Übereinstimmungen zwischen den vier Kanälen deutlich hervor.
Sie zeigen auch viel offener eine gegenseitige Unterstützung bei
Kritik, wie man es seit einigen Wochen zum Schlagwort Kalifat
nachverfolgen kann (RI, 13.04.2024 und GI, 02.06.2024).
11  Aufschlussreich zur Inszenierung von MI ist die Analyse von ZAPP
(29.05.2024).
12  Die TikTok-Accounts von MI sind mehrfach gesperrt worden, wobei
die Sprecher*innen weiterhin auf ihren eigenen Accounts Content
hochladen konnten. MI ist weiterhin intensiv auf YT-Shorts,
Instagram und Twitter/X aktiv.
Generell ist die Sprache in der islamistischen
Kanalgruppe gegenüber Persönlichkeiten
aus Politik, Medien, Wissenschaft oder zivil-
gesellschaftlichen Institutionen scharf und
beleidigend.
35
Instrumentalisierung des Nahostkonikts
in den sozialen Medien
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch extremistische Gruppen
Aktuelle Narrative der islamistischen Kanalgruppe
Alle vier Kanäle der islamistischen Gruppe propagieren das Ka-
lifat als Lösung für den Nahostkonflikt und Konflikte in islami-
schen Ländern. Hinweise auf Forderungen nach einem Kalifat
in Deutschland können aus den vorliegenden Daten des bpb-
Basismonitorings nicht nachgewiesen werden. Die aktuelle
Debatte um die angeblichen Forderungen dieser Akteure nach
einem Kalifat in Deutschland zeigt vielmehr, dass man genau re-
cherchieren sollte, was von diesen medienafnen Akteuren ge-
sagt wird, und zudem abwägen sollte, welche schwerwiegenden
Folgen es haben kann, wenn man sich undifferenziert äußert.
Die Akteure der islamistischen Gruppe und darüber hinaus auch
wichtige Influencer*innen (Actuarium, 07.05.2024) greifen Un-
genauigkeiten zu ihrem Vorteil sofort auf und sehen sich in ih-
ren schweren Vorwürfen bestätigt: Politik, Medien und Experten
würden Hetze, Lügen, Heuchelei betreiben und angeblich die
Religions- und Meinungsfreiheit von Muslim*innen unterdrü-
cken. So betont MI in seinen Videos ein „Kalifat als Lösung für
den Nahen Osten“ und weist öffentliche Kritik, die daraus auch
eine Forderung nach einem Kalifat in Deutschland heraushört,
als Hetze gegen Muslime zurück (05.05.2024). Unterstützung
ndet MI ebenso bei GI (04.02.2024) und RI (05.05.2024).
BDI spricht dagegen auch offener von einem „Kalifat als Lösung
für die gesamte Menschheit“ (12.11.2023). Die Dynamik dieser
Debatte zeigt deutlich, dass in der Kritik an diesen Akteuren
mehr Sorgfalt vonseiten der Politik, Medien und Expert*innen
angebracht ist.
36
Auch die Geschichtsbilder der vier Kanäle sind in den Deutungs-
versuchen bei Influencer*innen im popkulturellen Milieu wie-
derzunden. Schwere Vorwürfe gegen Israel sind z. B. mit den
Begriffen Kolonialismus oder Apartheid verbunden (Actuarium,
07.10.2023). In nationalstaatlichen Grenzen und Regierungs-
systemen sehen die vier Kanäle eine der Hauptursachen für die
Ungerechtigkeit und anhaltenden Konflikte in der Region. Die
Grenzen seien eine Folge der kolonialen Ordnung, die nach dem
Ende des Kalifats durch westliche Kolonialmächte in der Region
geschaffen wurde. Ihr Fortbestand sei ein Mittel, um weiterhin
die muslimische Bevölkerung der Region zu schwächen und zu
unterdrücken. Entsprechend werden die aktuellen Regierungen
im Nahen Osten von den vier Kanälen als Verräter“, „Vasallen“
oder „Lakaien“ westlicher Staaten diffamiert. Der Staat Israel
übernimmt in diesem Narrativ die Funktion eines Brückenkopfes,
um die Herrschaft des „Westens“ in der Region aufrechtzuerhal-
ten. BDI propagiert dazu auch einen Geschichtsentwurf, der laut
einer prophetischen Offenbarung fünf Epochen umfasst. Zurzeit
befände man sich in der Epoche der Gewaltherrschaft, auf die
ein Kalifat und schließlich das Jüngste Gericht folgen würden
(Hartwig et al., 2023).
Die Situation in Deutschland steht häug im Mittelpunkt der Vi-
deos. Zentraler Aufhänger ist immer wieder der Begriff Staats-
räson, der vielfach als Anlass von den vier Kanälen genutzt wird,
um der Regierung und der angeblich unzureichenden Bericht-
erstattung in den Medien „Heuchelei“ und „Doppelmoral“ vor-
zuwerfen. Auch diese Argumentation ist in zahlreichen Videos
des popkulturellen Milieus zu nden (Actuarium, 24.11.2023;
Marcelluswallace, 01.03.2024; Maestro, 31.10.2023).
Generell ist die Sprache in der islamistischen Kanalgruppe ge-
genüber Persönlichkeiten aus Politik, Medien, Wissenschaft oder
zivilgesellschaftlichen Institutionen scharf und beleidigend. Die
diffamierenden Vorwürfe richten sich auch gegen andersdenken-
de muslimische Persönlichkeiten sowie pauschal gegen Imame
und islamische Verbände in Deutschland. Ihnen werden Untätig-
keit und Kollaboration mit staatlichen Institutionen unterstellt.
Sie gelten in ihrem Verständnis ebenfalls als „Verräter“ (Hartwig
et al., 2023). Ein besonderes Charakteristikum von RI ist dabei
die Verwendung von negativen Wortschöpfungen („Assimila-
tionsagenda“, „Wertediktatur“), die auch den Sprachgebrauch
von GI oder MI prägen. Verknüpft mit dem Nahostkonflikt dienen
sie zu einer umfassenden Delegitimierung der demokratischen
Strukturen und Politik in Deutschland. Insgesamt sehen die vier
Kanäle jedoch Hass und Hetze nur von ihren Feindbildern aus-
gehend, wobei Wortanalysen ihrer Videos reichlich Nachweise
für hasserfüllte und beleidigende Formulierungen der Akteure
selbst gegen Andersdenkende erbringen (Hartwig et al., 2023).
Zentrale Fragen zum Nahostkonflikt werden von den Akteuren
der PrE und Influencer*innen des popkulturellen Milieus nicht
gestellt, z. B.: Welche Ziele verfolgt die Hamas? Wie begründet
die Hamas das Massaker vom 7.Oktober 2023 und die Geisel-
nahmen? Offenbar scheint kein Interesse daran zu bestehen,
welche Motive diese Terrororganisation leiten und welches
Selbstverständnis sie prägt. Dagegen wird das Feindbild Israel
als zionistischer Staat, der durch koloniale Strukturen und ein
Apartheidsregime geprägt sei, fortwährend propagiert (Hartwig
et al., 2023). Auch hier sind zahlreiche Versatzstücke im popkul-
turellen Milieu zu nden. Der Staat Israel als zionistisches Pro-
jekt erscheint als Verkörperung des absoluten Bösen, eng ver-
bunden mit den ständig wiederholten schweren Vorwürfen wie
Genozid und Völkermord (Aggressionsprobleme, 03.03.2024),
wobei deutlich antisemitische Einstellungen erkennbar sind
(Actuarium, 03.05.2024).13
13  Antisemitismus in der PrE wird Teil einer Publikation am Ende
des Jahres im bpb-Basismonitoring sein. Wichtige Erkenntnisse
zu Antisemitismen im Nahostkonflikt nden sich auch in den
Publikationen des Projektes „Decoding Antisemitism“
(Becker et al., 2024).
Die Dynamik dieser Debatte zeigt deutlich,
dass in der Kritik an diesen Akteur*innen
mehr Sorgfalt vonseiten der Politik, Medien
und Expert*innen angebracht ist.
37
Instrumentalisierung des Nahostkonikts
in den sozialen Medien
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch extremistische Gruppen
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38
Aktuelle Instrumentalisie-
rungen des Nahostkonflikts
Mit dem Fokus auf die Bereiche Islamismus, Rechtsextremismus
und Linksextremismus soll die mögliche Existenz anderer For-
men der Instrumentalisierung (z. B. christlicher Fundamentalis-
mus) nicht bestritten werden. Es stellt vielmehr eine Gewichtung
im Sinne des Mobilisierungspotenzials dar.
Wir verstehen unter Instrumentalisierung die Nutzung des Kon-
flikts für die eigenen politischen Zwecke. Ziel kann es sein, be-
stimmte Ideologien und Feindbilder zu verbreiten, die eigene
Position zu legitimieren, politische Gegner*innen und Feinde zu
diskreditieren oder die eigene Anhängerschaft zu vergrößern.
Letztlich geht es um die Transformation der gesellschaftlichen
Verhältnisse im Sinne der eigenen Weltanschauung.
„Avantgarde des islamischen Widerstandes gegen, die
Zionisten‘ und den Westen
Israelbezogener Antisemitismus stellt eine zentrale ideologi-
sche Säule des Islamismus dar, und die Ablehnung Israels gehört
seit Jahren zu den Hauptthemen islamistischer Onlineaktivisten
(Hartwig & Hänig, 2021, S. 12). Im Folgenden wird der Blick vor
allem auf die öffentliche Kommunikation in sozialen Medien und
auf den Streaming-Plattformen YouTube und TikTok gerichtet.
Im Zentrum stehen dabei die Gruppierungen Realität Islam (RI),
Generation Islam (GI) und Muslim Interaktiv (MI), die der verbo-
tenen islamistischen Organisation Hizb-ut-Tahrir zugerechnet
werden (Baron, 2021; BMI, 2024). Der Nahostkonflikt wird als
Ausdruck eines vermeintlich weltweiten Vorgehens des Westens
und der Zionist*innen gegen den Islam und die Muslim*innen im
Rahmen einer ungerechten kolonialen und imperialen Ordnung
dargestellt (Schubert, 2021, S. 3). Israel bildet in dieser Lesart
eine Speerspitze dieser Herrschaftsstruktur, die es zu überwin-
den gelte. Hierbei wird an die Gemeinschaft der Muslim*innen,
die Umma, appelliert, sich mit den Palästinenser*innen zu so-
lidarisieren und sich für die Entstehung eines islamischen Ka-
lifats jenseits nationalstaatlicher Grenzen einzusetzen. Nur so
könnten diese vermeintlichen und realen Ungerechtigkeiten
überwunden und die Palästinenser*innen befreit werden (MI,
2023a). Hierbei werden zahlreiche drastische Bilder der Opfer
des Krieges präsentiert, um die Zuschauerschaft zu mobilisie-
ren (MI, 2024; GI, 2024). Die Gruppierungen inszenieren sich
in ihren Videos als Avantgarde eines Widerstands gegen den
„Zionismus“ und Israel wird grundsätzlich die Existenzberech-
tigung abgesprochen. Dies zeigt sich mitunter an Formulierun-
gen wie „das sogenannte Israel“ oder daran, dass Israel häug
in Anführungszeichen gesetzt wird.
Die Terroranschläge der Hamas vom 7. Oktober 2023 und der
damit begonnene Krieg haben weltweite Reaktionen hervorgeru-
fen. Gewaltsame Übergriffe auf Jüdinnen und Juden sind mas-
siv angestiegen (Bundesverband RIAS, 2023). Der Verfassungs-
schutz verzeichnete allein im Oktober 2023 1342 antisemitische
Straftaten im Vergleich zu 208 antisemitischen Straftaten im Jahr
zuvor (BMI, 2024). Gleichzeitig wird die aktuelle Situation zur
Agitation gegen Migrant*innen genutzt und Muslim*innen sehen
sich mit einem Generalverdacht des Antisemitismus konfrontiert
(Cheema, 2023). Daraus ergibt sich eine besondere Relevanz für
die Präventionsarbeit.
Der Artikel diskutiert aktuelle Instrumentalisierungen des Nah-
ostkonflikts in der Bundesrepublik Deutschland aus einer phä-
nomenübergreifenden Perspektive. Die eingenommene phäno-
menübergreifende Perspektive bezieht sich auf konzeptionelle
Überlegungen und verschiedene Ansätze, die mehrere extremis-
tische Phänomene sowie deren Gemeinsamkeiten, Unterschiede
und Wechselwirkungen berücksichtigen. Dies erscheint hilfreich,
da auch in der Präventionspraxis die Problemlage einseitig be-
handelt wird.
Ein phänomenübergrei-
fender Vergleich
Dr. Piotr Suder und Tariq N. Butt, IFAK e. V.
Während es in der Vergangenheit v.a. darum
ging, Muslim*innen zu mobilisieren, sind die
Gruppierungen dazu übergegangen, auch die
Mehrheitsgesellschaft anzusprechen und für
ihre Positionen zu gewinnen.
39 Aktuelle Instrumentalisierungen des Nahostkonflikts
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch extremistische Gruppen
Zu einem zentralen Argumentationsmuster hat sich zudem die
Kritik einer einseitigen Solidarisierung von Politik und Medien mit
Israel entwickelt. Restriktive Maßnahmen gegen propalästinen-
sische Demonstrationen sowie Äußerungen von Politiker*innen
und eine Berichterstattung, die vor allem in der Anfangsphase
des Gazakrieges das Leid der palästinensischen Zivilbevölke-
rung nach Ansicht einiger Kritiker*innen zu wenig berücksichtigte,
bilden für islamistische Gruppierungen willkommene Anknüp-
fungspunkte, um ihr Narrativ einer Meinungsdiktatur und ihr Op-
fernarrativ zu verbreiten (Cheema, 2023). In diesem Zusammen-
hang wird immer wieder auf die Meinungsfreiheit verwiesen und
selbstbewusst die deutsche Regierung für ihre Politik der Waffen-
lieferungen und Parteinahme für Israel kritisiert sowie Rede- und
Demonstrationsverbote in Deutschland angeprangert. Während
es in der Vergangenheit v. a. darum ging, Muslim*innen zu mo-
bilisieren, sind die Gruppierungen dazu übergegangen, auch die
Mehrheitsgesellschaft anzusprechen und für ihre Positionen zu
gewinnen (RI, 2024; GI, 2023). Die Gruppierungen vermeiden es
weitgehend, abfällig von Jüdinnen und Juden zu sprechen und
bedienen sich stattdessen des Feindbildes „Zionist“. Ziel ist es,
dass sich die Bevölkerung von der ofziellen Politik distanziert
und eine antiisraelische Haltung entwickelt (MI, 2023b). Religiö-
se Narrative spielen dabei eine untergeordnete Rolle.
„Grenzschließung als oberstes Ziel“
Die rechtsextreme Szene in Deutschland ist heterogen und zeigt
unterschiedliche Positionen zu den Konfliktparteien. Je stärker
der Bezug zum Nationalsozialismus, desto deutlicher werden
antijüdische und antiisraelische Ressentiments. Verschwörungs-
narrative nden sich aber nicht nur bei offen antisemitischen
Akteur*innen des Rechtsextremismus. Allen Teilen der extremen
Rechten gemeinsam ist die Instrumentalisierung des Nahostkon-
flikts für migrationspolitische Zwecke. Überfremdungsnarrative
und die Behauptung, der Konflikt werde durch Migration nach
Deutschland importiert, dienen zur Formulierung von Zuwande-
rungsbeschränkungen und Abschiebungsplänen.
40
Das neonazistische Spektrum des Rechtsextremismus lehnt
den Staat Israel klar ab. Die Terroranschläge vom 7. Oktober
werden als legitimer Befreiungskampf gloriziert, und es kommt
zu Solidaritätsbekundungen mit den Palästinenser*innen. So
hängte der Kreisverband Dortmund von Die Heimat (ehem. NPD)
vier Tage nach den Anschlägen der Hamas eine Palästinaflagge
und ein Banner mit der Aufschrift „Der Staat Israel ist unser
Unglück“ auf (BMI, 2024). Im Geiste der antisemitischen Pa-
role „Die Juden sind unser Unglück“ wird Israel sowohl für die
Eskalation im Nahen Osten als auch für Missstände in Deutsch-
land verantwortlich gemacht. Gleichzeitig zeigen laut der Partei
Der Dritte Weg (DDW) die bundesweiten Pro-Palästina-Demons-
trationen den „Grad der Überfremdung“ an, da diese überwie-
gend von „Arabern und anderen Migranten“ getragen seien
(DDW, 2023). Die antiisraelische Haltung und die Solidarisie-
rung mit palästinensischen Nationalbestrebungen sind mit ei-
nem klaren Bekenntnis zur „forcierten Remigration von Aus-
ländern“ verbunden. Diese sollten in „ihren Heimatländern für
ihre Sache einstehen und direkt im Nahen Osten gegen den
Zionismus kämpfen“ (DDW, 2023).
Im Spektrum der sogenannten Neuen Rechten nden sich ähn-
liche Positionen unter ethnopluralistischen Vorzeichen. Im Ge-
gensatz zu neonazistischen Gruppierungen wird jedoch für eine
Äquidistanz zu den Konfliktparteien im Nahen Osten plädiert,
um Spaltungen im rechten Lager zu vermeiden und die innen-
politischen Auswirkungen des Nahostkonflikts zu fokussieren.
Vor dem Hintergrund der Verschwörungsvorstellung des „gro-
ßen Austauschs“ überlegt Martin Sellner, wie die Reaktionen der
Öffentlichkeit auf antiisraelische Agitationen in Deutschland für
die eigenen Remigrationsbemühungen genutzt werden könn-
ten (Sellner, 2023). Langfristig müsse für Sellner die deutsche
Staatsräson gegenüber Israel überwunden werden. Dies be-
deute jedoch nicht, dass Abschiebungen, die mit der deutschen
Staatsräson begründet würden, zu kritisieren seien. „Schuld-
kultpatrioten“ sollten laut Sellner nicht als Kooperationspartner
für Einbürgerungsbeschränkungen und Ausbürgerungen ver-
schreckt werden (ebd.).
41 Aktuelle Instrumentalisierungen des Nahostkonflikts
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch extremistische Gruppen
Aufgrund der Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall durch
den Verfassungsschutz und der Bewertung mehrerer Landesver-
bände als sicher rechtsextrem wird im Folgenden die Alternati-
ve für Deutschland (AfD) erwähnt (BMI, 2024). Dabei darf nicht
übersehen werden, dass es nach wie vor rechtsdemokratische
Teile innerhalb der Partei gibt. In der AfD gibt es zwei Linien zur
Eskalation des Nahostkonflikts: eine, welche die Solidarität mit
Israel betont, und eine, die Äquidistanz zu den Konfliktparteien
fordert. Beide Linien verbinden ihre Positionen mit migrations-
politischen Forderungen nach Zuwanderungsbeschränkungen
und Rückführungen. So erklärte die Antisemitismusbeauftragte
der AfD, Beatrix von Storch, in einer Pressemitteilung, sie werde
sich weiterhin „gegen importierten Antisemitismus engagieren“
(AfD-Bundestagsfraktion, 2023). Antisemitismus in der Bundes-
republik sei vor allem ein Einwanderungsproblem.
„Der Nahostkonflikt als vorderste Front der globalen
Befreiungsbewegung“
Das linksextreme Spektrum ist vielfältig und teilt sich bezüg-
lich des Nahostkonflikts anhand der Ausrichtung zum Antizio-
nismus. Die Ideologie des Antizionismus richtet sich gegen die
jüdische Nationalbewegung (Zionismus) und den Staat Israel.
Ursprünge des linken Antizionismus liegen in der Sowjetunion
unter Stalin und der Neuen Linken.
Ein Teil der extremen Linken lehnt den Antizionismus ab, da
er als geopolitische Reproduktion des Antisemitismus gese-
hen wird. Beispielhaft wurde am autonomen Szeneobjekt Rote
Flora nach den Terroranschlägen vom 7.Oktober ein Plakat mit
der Aufschrift „Killing Jews is not Fighting for Freedom!“ ange-
bracht (BMI, 2024). Dies stellt eine szeneinterne Reaktion auf
Instrumentalisierungsversuche durch andere Teile der extre-
men Linken dar.
Besonders Gruppierungen aus dem antiimperialistischen und
marxistisch-leninistischen Spektrum nutzen die erneute Eska-
lation für ihre politische Agitation. Die mittlerweile verbotene
Vorfeldorganisation der Popular Front for the Liberation of Pa-
lestine (PFLP), Samidoun, veranstaltete nach den Anschlägen
eine Jubelfeier in Berlin-Neukölln (BMI, 2024). Sie sehen diese
als erfolgreiche Beispiele für antiimperialistischen Widerstand.
Ihrer Ansicht nach ist der Kampf gegen den Zionismus die vor-
derste Front der globalen Befreiungsbewegung.
Die Jugendorganisation Young Struggle (YS) der Marksist Leninist
Komünist Parti (MLKP) veröffentlichte drei Tage nach den An-
schlägen eine Erklärung, in der sie den Terroranschlag als „lan-
desweiten Volksaufstand der palästinensischen Widerstandsbe-
wegung“ bezeichnet, mit dem man sich solidarisieren müsse (YS,
2023). Sie beschwören eine „Einheitsfront der Völker“, wobei
der Kampf gegen Israel die vorderste Front einer globalen Be-
freiungsbewegung darstellt. Auffällig ist der instrumentelle Cha-
rakter: Palästinenser*innen dienen als Projektionsfläche für die
eigenen Revolutionsfantasien. Ansätze, die eine Koexistenz oder
sogar Kooperation zwischen Palästinenser*innen und Israelis
anstreben, werden abgelehnt.
Die Gruppe Kommunistische Organisation (KO) kritisiert in ei-
nem Artikel jene Teile der Solidaritätsbewegung mit den Paläs-
tinenser*innen, die sich von den Terroranschlägen, der Gewalt
und den Geiselnahmen distanzieren (KO, 2024). Sie sehen in der
„al-Aqsa-Flut“ eine erfolgreiche Aktion gegen die Besatzungs-
macht, die volle Unterstützung verdiene. Vorstellungen einer
Zweistaatenlösung oder eines Bündnisses zwischen palästinen-
sischen und israelischen Arbeiter*innen werden abgelehnt, da
sie den „siedlerkolonialen Charakter des zionistischen Projekts
Israel“ verkennen würden. Ziel müsse es sein, „das Existenz-
recht Israels eindeutig zu verneinen“ und „die Befreiung ganz
Palästinas zu fordern“, um die Welt von Kolonialismus, Imperia-
lismus und Kapitalismus zu befreien.
Phänomenübergreifender Vergleich
Betrachtet man die untersuchten Gruppen der Phänomenberei-
che Islamismus, Rechtsextremismus und Linksextremismus, so
lassen sich Gemeinsamkeiten im Widerstandsdispositiv, im Ver-
schwörungsdenken und in der Konstruktion homogener Kollektiv-
identitäten feststellen.
Unter dem „Widerstandsdispositiv“ (Nössing, 2022) wird ein
Komplex von Erzählungen, Handlungen und Aktionen verstanden,
der die eigene Position als widerständig darstellt und rechtfer-
tigt. Dabei geht es sowohl um die Legitimation nach außen als
auch nach innen im Sinne des Selbstverständnisses. Es kann im
Kontext dieser Untersuchung als Brückennarrativ verstanden
werden, da es unabhängig von der ideologischen Ausrichtung
geteilt wird und auf ideologische Schnittmengen und damit ver-
bundene Kooperationsmöglichkeiten verweist. Die untersuchten
Phänomenbereiche verstehen sich als notwendiger Widerstand
gegen eine bedrohliche Übermacht. Was aber diese Übermacht
ist, gegen die Widerstand geleistet werden soll, bleibt bei allen
Gruppierungen diffus.
Wir verstehen unter Instrumentalisierung die
Nutzung des Konflikts für die eigenen politi-
schen Zwecke.
42
Im Verschwörungsdenken, das immer auch antisemitisch ge-
prägt ist, ndet sich eine weitere Gemeinsamkeit. Das islamisti-
sche Bild des Westens, die rechtsextremistische Vorstellung vom
„Großen Austausch“ und auch der linksextremistische Antiimpe-
rialismus funktionieren als Welterklärungen strukturell ähnlich,
indem abstrakte gesellschaftliche Prozesse konkretisiert und die
Verantwortung für gesellschaftliche Miss- und Zustände auf das
verborgene Wirken einer ominösen Gruppe zurückgeführt wer-
den (Salzborn, 2022). Die damit verbundenen Feindbilder wie
„Globalisten“, „Zionisten“ etc. verhalten sich äquivalent zum an-
tisemitischen Bild der Juden“. Dieser diffusen Übermacht wird
ein vermeintlich homogenes und vermeintlich konkretes Kollek-
tiv gegenübergestellt.
Die untersuchten Phänomene teilen dabei die Konstruktion von
Identitätsfantasien, sei es als „Umma der wahren Muslim*innen“,
als „Nation der wahren Deutschen“ oder als „Gemeinschaft der
unterdrückten Völker“. Diese Identitäten bilden die Grundlage
der jeweiligen Politik, und im Namen dieser kollektiven Einheiten
wird Widerstand geleistet. Obwohl das vermeintliche Wohl der je-
weiligen Gruppe als Rechtfertigung für das eigene Handeln dient,
werden Individualität und Subjektivität innerhalb dieser Identi-
tätskonstruktionen nicht zugelassen. Daraus resultiert nicht nur
eine aggressive Haltung gegenüber dem vermeintlichen „Außen“
der eigenen Gruppe, sondern auch ein repressiver Zwang nach
innen (Salzborn, 2022).
Trotz dieser Gemeinsamkeiten ist es wichtig, die Unterschiede
nicht aus den Augen zu verlieren. Zwar funktionieren die kollek-
tiven Identitätskonstruktionen strukturell ähnlich, inhaltlich un-
terscheiden sie sich jedoch. Während der rechtsextremistische
Ethnopluralismus eine gewisse Nähe zu linksextremistischen
Volksbefreiungsideen aufweist, kommt die Identitätskonstrukti-
on im Islamismus ohne ethnische Kategorien aus. Auch aus dem
geteilten Verschwörungsdenken und dem damit verbundenen
Widerstandsdispositiv kann nicht unmittelbar auf eine gemein-
same Politik geschlossen werden. Zwar sind gemeinsame Ko-
operationen über die Grenzen der jeweiligen Weltanschauungen
hinweg empirisch feststellbar, insbesondere bei antiisraelischen
Aktionen, Kampagnen und Demonstrationen kommt es zu Allian-
zen (BMI, 2024). Zugleich zeichnen sich jedoch Bruchlinien ab,
die eine längerfristige und vertiefte Zusammenarbeit bislang aus-
schließen. Die rechtsextremistische Forderung nach „Remigrati-
on“ im Kontext der aktuellen Eskalation steht in starkem Kontrast
zum Selbstverständnis von Linksextremismus und Islamismus.
Fazit
Der phänomenübergreifende Vergleich der Instrumentalisie-
rungen des Nahostkonflikts im islamistischen, rechtsextremen
und linksextremen Spektrum zeigt, dass es zugrunde liegende
Strukturen gibt, die von allen Phänomenbereichen geteilt wer-
den. Dazu gehören das Widerstandsdispositiv, Verschwörungs-
denken und die Konstruktion homogener und kollektiver Iden-
titäten. Diese Erkenntnis des Vergleichs erscheint vor allem für
die primärpräventive Arbeit mit heterogenen Zielgruppen rele-
vant. Ausgehend von Gemeinsamkeiten können Präventionspro-
gramme und -strategien entwickelt werden. Ein Vorteil dabei ist,
dass nicht Teile der Zielgruppe stigmatisiert und unter General-
verdacht gestellt werden. Vielmehr zeigt sich das Problem als
gesamtgesellschaftliches Phänomen, das anhand sogenannter
Extremist*innen veranschaulicht und diskutiert werden kann.
Auch der Bezug zur sogenannten Mitte der Gesellschaft kann er-
öffnet werden, indem kritisch reflektiert wird, inwiefern sich die
propagierten Narrative auch in breiteren Bevölkerungsschich-
ten wiedernden.
Dr. Piotr Suder
ist Sozialwissenschaftler und interessiert sich seit
Jahren für die Themen Migration, Rassismuskritik
und religiös begründeter Extremismus. In seiner Dis-
sertation setzte er sich mit Legitimierungsprozessen
von Moscheebauprojekten und der Vernetzung von
muslimischen Gemeinden auseinander. Seit 2015
arbeitet er für den Verein für multikulturelle Kin-
der- und Jugendhilfe (IFAK e. V.) und leitet dort das
Projekt „Extremismus Prävention Online“ (ExPO).
Darüber hinaus ist Piotr Suder freiberuflich als
Dozent und politischer Bildner für verschiedene
zivilgesellschaftliche Organisationen, Behörden und
Hochschulen tätig.
Tariq N. Butt
studiert Sozialwissenschaft, Medienwissenschaft und
Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum. Seine
Arbeitsschwerpunkte sind Antisemitismus, Rassis-
mus, Rechtsextremismus und Islamismus. Seit Januar
2024 ist er Bildungsreferent im Projekt „Extremismus
Prävention Online“ (ExPO) bei IFAK e. V.
43 Aktuelle Instrumentalisierungen des Nahostkonflikts
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts durch extremistische Gruppen
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44
10 Etwa 75 % der ausgereisten Personen schlossen sich dem IS an, die
übrigen gingen zu den Al-Qaida-nahen Gruppen in Nordwestsyrien.
Auswirkungen auf die
Präventionsarbeit
45 Zwischen Polarisierung und Chance
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit
Zwischen Polarisierung
und Chance
Der Anstieg antisemitischer und israelfeindlicher Äußerungen
und Übergriffe war sowohl in den sozialen Medien als auch auf
Demonstrationen zu beobachten. Hier vermischen sich legitimer
Protest gegen reale Missstände und das Leid der palästinensi-
schen Zivilbevölkerung im Gazastreifen mit pauschalisierenden
Zuschreibungen und Legitimation von Gewalt, Hasspropaganda
und teilweise islamistischer Ideologie. Debatten in Bezug auf
Antisemitismus in muslimisch oder arabisch geprägten Commu-
nitys waren in der Folge zunehmend durch starke Polarisierung
und pauschalisierende Zuschreibungen geprägt. Insbesondere
fand eine Verlagerung der Verantwortung für Antisemitismus,
obwohl dieser ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt,
auf arabisch/muslimisch gelesene Personen statt (El-Menouar &
Vopel, 2023, S. 3). Besonders wurde dabei das Problem eines
vermeintlich importierten Antisemitismus betont. In diesem Zu-
sammenhang wurden nicht nur Forderungen nach Abschiebun-
gen von Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft bei anti-
semitischen Äußerungen oder Straftaten laut, sondern sogar
danach, in diesen Fällen „integrationsunwilligen“ Personen mit
doppelter Staatsbürgerschaft den deutschen Pass zu entziehen
(Schlünz, 2023). Von mehreren Politiker*innen wurde die Auffor-
derung an arabische und muslimische Personen gerichtet, sich
von den Gewalttaten der Hamas zu distanzieren, womit ihnen
allein begründet durch Herkunft oder Religion pauschal der Ver-
dacht unterstellt wurde, die Terrororganisation zu unterstützen.
Nicht zum ersten Mal wurden damit Antisemitismus und anti-
muslimischer Rassismus gegeneinander ausgespielt.
Eine starke Polarisierung mit wenig Raum für Zwischentöne
charakterisiert also derzeit die öffentlichen Debatten; ein Um-
stand, den wiederum islamistische Akteur*innen für sich zu
nutzen wissen.
Der palästinensisch-israelische Konflikt (auch Nahostkonflikt)
ist derzeit nicht nur das Thema, das Islamist*innen online wie
offline beschäftigt, sondern auch eines der zentralen Themen
der Islamismusprävention – zumindest in einigen Arbeitsberei-
chen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Auswirkun-
gen des Angriffs der Hamas auf Israel am 7.Oktober 2023 auf
die Arbeit der zivilgesellschaftlichen Präventionspraxis, die die
BAG RelEx beobachten konnte. Welche Herausforderungen se-
hen zivilgesellschaftliche Präventionsakteure für ihre praktische
Arbeit? Welche Veränderungsbedarfe werden diskutiert und
welche Rahmenbedingungen sind angesichts der verschärften
Situation für erfolgreiche zivilgesellschaftliche Präventionsar-
beit notwendig?
Der 7. Oktober und die Polarisierung der Debatten um
Nahostkonflikt und Antisemitismus
Prävention ist immer vor dem Hintergrund gesamtgesellschaft-
licher Debatten und Konfliktlagen zu verorten und wird von die-
sen beeinflusst. Der 7. Oktober 2023 und der darauffolgende
Gazakrieg beeinflussten mediale, politische und gesamtgesell-
schaftliche Debatten in Deutschland stark und trugen zu einer
Zuspitzung bereits vorhandener Konflikte bei, was sich in einer
starken Zunahme sowohl antisemitischer als auch antimuslimi-
scher Vorfälle äußerte (vgl. El-Menouar in diesem Band).
Islamismusprävention
nach dem 7. Oktober
Ulrike Hoole und Axel Schurbohm,
BAG RelEx
Fast ausnahmslos stellen sich die Fachkräfte
jedoch die Frage, welche Auswirkungen die
aktuelle Situation auf das Radikalisierungs-
geschehen der nächsten Jahre haben wird.
46
Verschärfte Bedingungen für zivilgesellschaftliche
Präventionsarbeit
Der Nahostkonflikt, besonders in Phasen militärischer Eskalati-
on, wurde bereits in der Vergangenheit in islamistischer Propa-
ganda auch in Deutschland aufgegriffen und wirkt für diese als
wichtiges Mobilisierungsmoment (Schubert, 2022, S. 4). Ähnli-
ches ist seit dem 7.Oktober zu beobachten – der Angriff der Ha-
mas und die darauffolgende militärische Eskalation des Konflikts
werden von islamistischen Gruppen unterschiedlicher Couleur
gezielt instrumentalisiert, um zu radikalisieren und zu mobilisie-
ren. Das äußert sich z. B. in vermehrter Aktivität in den sozialen
Medien, Aufrufen zu Demonstrationen und aus dem dschiha-
distischen Spektrum auch in Aufrufen zu Anschlägen. Nicht nur
antisemitische Einstellungen, sondern auch die reale Bedrohung
für jüdische und israelische Personen und Einrichtungen sowie
die Anzahl antisemitischer Straftaten sind gestiegen (BfV, 2023;
Korge, 2023).
Beobachtungen aus dem Schulkontext
Praktiker*innen aus den Bereichen der Primär- und Sekundär-
prävention beobachten, dass ihre (meist) jugendlichen Ziel-
gruppen seit dem 7.Oktober 2023 viel stärker als zuvor mit isla-
mistischen Inhalten in den sozialen Medien konfrontiert sind.
Die Verbreitung und der Konsum islamistischer Inhalte mit
direktem Bezug zum Angriff der Hamas und zum Gazakrieg
sind in den sozialen Medien enorm angestiegen (Hartwig et al.,
2023, S. 4, 32). Durch den hoch emotionalisierten Fokus dieser
Inhalte auf das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung ge-
lingt es Islamist*innen gut, Jugendliche zu erreichen, was sich in
einer teilweise sehr einseitigen Identikation äußert (vgl. auch
Schnabel & Berendsen, 2024, S. 29ff.). Diese Akteur*innen nut-
zen auch die bereits angesprochenen polarisierenden Debatten
und antimuslimische Stimmungsmache für sich und sprechen
z. B. von einer „Dämonisierung aller Muslime“ (Hartwig et al.,
2023, S. 7f.). Die Verbreitung von selektiven Informationen trägt
zu einseitigem Wissen über den Nahostkonflikt bei Jugendlichen
bei. In der Präventionspraxis wird teils auch mangelndes Wissen
über die Zeit des Nationalsozialismus und die Shoah beobachtet.
Zudem ist bei Jugendlichen ein Vertrauensverlust in Demokratie
und Medien zu beobachten, es werden Sprechverbote und De-
legitimierung der eigenen Positionen wahrgenommen. Dies wird
von islamistischen Akteur*innen noch bestärkt, indem diese z. B.
von einem „Meinungsdiktat zur bedingungslosen Solidarität mit
Israel“ sprechen (ebd.).
Ulrike Hoole
ist seit 2021 Fachreferentin für religiös begründeten
Extremismus bei der BAG RelEx. Sie hat Arabistik
und Internationale Beziehungen (BA), Middle East
Politics (MSc) und Islamwissenschaft (MA) in Leeds,
Kairo, London und Berlin studiert. Ihr inhaltlicher
Fokus lag dabei auf islamischen politischen Ideologi-
en sowie islamistischen Organisationen in der MENA-
Region. Sie ist ausgebildete Systemische Beraterin
(DGSF) und verfügt über praktische Erfahrung in der
Beratung von Jugendlichen mit Fluchterfahrung und
in der Primärprävention von islamistischem Extre-
mismus an Schulen.
Axel Schurbohm
ist Sozialarbeiter und seit 2020 als Fachreferent für
religiös begründeten Extremismus für die BAG RelEx
tätig. Zuvor arbeitete er in unterschiedlichen Pro-
jekten der Radikalisierungsprävention bei der Türki-
schen Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. sowohl
in primär- als auch tertiärpräventiven Angeboten.
Darüber hinaus unterstützte er durch seine be-
raterische Tätigkeit für die Beratungsstelle Veritas
Betroffene von Verschwörungserzählungen.
Er ist zertifizierter Systemischer Berater, Coach und
Supervisor (DGSF).
47 Zwischen Polarisierung und Chance
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit
Die Polarisierung gesamtgesellschaftlicher Debatten spiegelt
sich ebenso im Schulkontext wider, wo teils sogar eine Fron-
tenbildung zwischen Jugendlichen und Lehrkräften stattndet,
wobei Jugendliche sich häug stark mit der Zivilbevölkerung
in Gaza identizieren, während sich Lehrkräfte mit Israel so-
lidarisieren. Bei Lehrkräften wird eine starke Unsicherheit im
Umgang mit dem Konflikt wahrgenommen. Diese Unsicherheit
äußert sich auf unterschiedliche Weise, etwa in einer Tabuisie-
rung des Konflikts, andererseits aber auch in Überreaktionen
und vorschnellen Repressionen und Verboten von Symbolen mit
Palästinabezug, selbst wenn diese nicht für eine Unterstützung
der Hamas stehen. Mit Bezug auf den Nahostkonflikt wird von
Fachkräften der Präventionsarbeit zudem berichtet, dass Lehr-
kräfte antisemitische und/oder israelkritische Äußerungen von
Jugendlichen vorschnell mit muslimischer und/oder arabischer
Identität verknüpfen. Generell zeigt sich hier, was Präventions-
akteure auch in der Vergangenheit schon beobachtet haben:
dass Vorurteilshaltungen, z. B. in schulischen Kontexten, häug
mit rassistischen und ressentimentgeleiteten Diskursen in Me-
dien und Politik einhergehen (KN:IX, 2021).
48
Auswirkungen auf Ausstiegs- und
Distanzierungsarbeit
Auch in Angeboten der tertiären Prävention, also Ausstiegs-
und Distanzierungsbegleitung im Kontext Islamismus, zeigen
sich Herausforderungen für die Praktiker*innen, die sich aus
den Folgen des terroristischen Angriffs der Hamas am 7. Okto-
ber und dem darauffolgenden Krieg in Gaza entwickelt haben.
Durch die Unsicherheit und Überforderung der pädagogischen
Fachkräfte und Lehrer*innen in Schule und offener Kinder- und
Jugendhilfe sowie Politik und Medien im Umgang mit dem
hochemotionalen Thema haben die Anfragen an die Beratungs-
stellen rapide zugenommen. Auch Monate nach dem Wieder-
aufflammen des Konflikts benden sich die Zahlen weiterhin
auf einem hohen Niveau. Es hat sich jedoch, so die Berichte aus
den Beratungsstellen, lediglich die Quantität, nicht aber die
Qualität verändert. Anfragen sind also in der Regel in den be-
nannten Unsicherheiten im Umgang mit dem Konflikt und weni-
ger mit einer tatsächlichen Zunahme von Radikalisierungen bei
jungen Menschen begründet.
Daraus ergeben sich für die Kolleg*innen der Beratungspraxis,
mit denen sich die BAG RelEx in unterschiedlichen Formaten im
engen und vertrauensvollen Austausch bendet, Herausforde-
rungen, die auf den ersten Blick überraschen mögen. So ist es
nicht die Belastung von bestehenden Beratungsbeziehungen
durch den Konflikt oder eine höhere Emotionalität, die im Kon-
text von Beratungen aufzufangen und zu bearbeiten sind, son-
dern im Wesentlichen zwei Aspekte, welche die Berater*innen in
den letzten Monaten an ihre Grenzen oder auch darüber hinaus
gebracht haben. Zum einen ist es die schiere Masse an Anfragen,
welche die Beratungsstellen zu bewältigen haben. Zum anderen
spüren die Berater*innen eine enorme Verantwortung bezüglich
einer Weiterbearbeitung oder Beendigung einer der vielen Anfra-
gen. Denn um die Zahl der Anfragen auch nur annähernd bewälti-
gen zu können, müssen sie schnelle Entscheidungen treffen, bei
denen sich die Frage stellt, ob die erste und kurze Einschätzung
eines Sachverhalts die richtige war.
49 Zwischen Polarisierung und Chance
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit
Bezüglich laufender Beratungen und neu aufgenommener Be-
ratungsfälle spielt der Nahostkonflikt aktuell jedoch keine bzw.
eine sehr untergeordnete Rolle. Berater*innen berichten, dass
Klient*innen sich innerhalb der Beratungsprozesse vor allem mit
sich selbst und der Bewältigung ihrer eigenen Situation ausei-
nandersetzen und der Nahostkonflikt sowie dessen Verhand-
lung in Deutschland keine größere Relevanz für diese Prozesse
entfalten. Fast ausnahmslos stellen sich die Fachkräfte jedoch
die Frage, welche Auswirkungen die aktuelle Situation auf das
Radikalisierungsgeschehen der nächsten Jahre haben wird.
Zwar wird aus einer Vielzahl von Gründen keine Ausreisewelle
erwartet, wie sie sich in den 2010er-Jahren nach Syrien und
in den Irak gezeigt hat. Es wird jedoch aufgrund des gesell-
schaftlichen Umgangs sowie der politischen und medialen
Bearbeitung des Themas, die durch extremistische Gruppen
unterschiedlicher Ideologien in ihrer Ansprache genutzt wer-
den, mit einer zukünftigen Zunahme der Radikalisierung jun-
ger Menschen gerechnet.
Herausforderungen und Chancen
für Präventionsakteure
Präventionsakteure stehen vor der Herausforderung, Antise-
mitismus und den Nahostkonflikt mit allen Zielgruppen, auch
arabisch/muslimisch gelesenen Communitys, zu bearbeiten.
Gleichzeitig gilt es, dabei den Kontext polarisierender gesell-
schaftlicher Debatten, die ein pauschalisierendes Bild musli-
misch und arabisch gelesener Menschen vermitteln, nicht außer
Acht zu lassen. Denn diese Debatten verstärken Ablehnungser-
fahrungen bei den so in den Blick genommenen Jugendlichen.
Eine der größten Herausforderungen besteht aktuell darin, an-
tisemitische Einstellungen zu bearbeiten, ohne gleichzeitig
rassistische Ressentiments zu bedienen und ohne muslimisch/
arabisch gelesenen Personen das Gefühl zu geben, dass nur ih-
nen antisemitische Einstellungen zugeschrieben werden. Wenn
Präventionsakteure jedoch multiple Perspektiven in ihrer Arbeit
einbeziehen und mit Jugendlichen das offene Gespräch suchen,
sehen sie sich teils mit Vorwürfen konfrontiert, Antisemitismus
und Islamismus zu verharmlosen oder mit dem Hinweis auf Dis-
kriminierung und Rassismus zu relativieren (Müller, 2023).
Über den Nahostkonflikt und Antisemitismus zu sprechen, ist
durch die gesellschaftliche Polarisierung und die Emotionalisie-
rung des Themas noch schwieriger geworden als zuvor. Durch
den Terrorangriff der Hamas sind die Aufmerksamkeit für das
Phänomen Islamismus und damit auch Anfragen an Präventions-
akteure enorm gestiegen. Bei zivilgesellschaftlichen Trägern ist
in der Folge die Arbeitsbelastung stark gewachsen, jedoch meist
ohne dass personelle sowie nanzielle Ressourcen adäquat der
Situation angepasst wurden. Zudem stehen Präventionsakteure
durch die starke öffentliche Aufmerksamkeit für den Nahost-
konflikt und damit verbundene islamistische Radikalisierungs-
prozesse unter starkem Erwartungsdruck, als „Feuerlöscher“ zu
agieren. All das hat die Bedingungen für Präventionsarbeit in den
letzten Monaten erschwert.
Nach dem 7. Oktober haben sich jedoch auch neue Chancen
für Prävention und Demokratieförderung ergeben. Fachkräfte
berichten, dass die Hochkonjunktur der Aufmerksamkeit für
das Thema Islamismus auch zur Folge hat, dass die Offenheit
für außerschulische Präventions- und Demokratieförderungs-
angebote vielerorts gestiegen ist. Es existiert eine höhere Be-
reitschaft, z. B. von Schulen, Beratungsangebote und Präven-
tionsprojekte anzunehmen und dafür zeitliche Ressourcen be-
reitzustellen. Die aktuelle Krisensituation kann somit auch als
Türöffner dienen, um neue, im besten Fall langfristige Koopera-
tionen zu etablieren.
Auch können das große Interesse am israelisch-palästinensi-
schen Konflikt und die aktuelle Bereitschaft vieler, sich für De-
mokratie und für Frieden im Nahen Osten einzusetzen, nicht nur
als Herausforderung, sondern auch als Chance für Präventions-
akteure betrachtet werden. Diskussionen über den Konflikt bie-
ten gute Anknüpfungspunkte für Fachkräfte, auch über kritische
Positionen ins Gespräch zu kommen und junge Menschen dar-
über hinaus in ihrem Engagement für Demokratie zu bestärken.
Prävention ist immer vor dem Hintergrund
gesamtgesellschaftlicher Debatten und Kon-
fliktlagen zu verorten und wird von diesen
beeinflusst.
50
Handlungsstrategien & Veränderungsbedarf
In der Präventionslandschaft existieren bereits vielfältige Projek-
te und Ansätze zum Thema Nahostkonflikt, die sich bewährt ha-
ben. Die Situation nach dem 7.Oktober hat jedoch verdeutlicht,
dass noch mehr Wissensvermittlung zu diesem Thema benötigt
wird. Genauso wichtig erscheint es, mehr Räume zu schaffen, in
denen offen diskutiert werden kann und vielfältige Perspektiven
Gehör nden. Dies gilt insbesondere für den Schulkontext, da
dieser für viele Jugendliche einer der wenigen Orte ist, an dem
sie mit gegensätzlichen Meinungen konfrontiert werden. Unter-
schiedliche Betroffenheiten, auch und gerade in Deutschland
müssen dabei berücksichtigt werden. Das schließt die postna-
tionalsozialistische Dimension der deutschen Debatte um den
Nahostkonflikt ebenso ein wie die Realität einer postmigranti-
schen Gesellschaft in Deutschland mit all ihren unterschied-
lichen Perspektiven. Unterschiedliche Perspektiven zu Wort
kommen zu lassen, bedeutet nicht, allen Positionen gegenüber
neutral sein zu müssen – menschenfeindliche Haltungen müs-
sen klar als solche benannt und diesen widersprochen werden
(Fereidooni, 2024). Jedoch können Jugendliche nur lernen,
andere Positionen zu hören, anzuerkennen, auszuhalten und
darüber zu diskutieren, wenn diese überhaupt erst artikuliert
werden dürfen. Daher darf das Sprechen über den Konflikt im
Allgemeinen und den Angriff der Hamas im Besonderen nicht
tabuisiert werden, wie es nach dem 7.Oktober teilweise gesche-
hen ist. Dabei gilt es, sowohl den terroristischen Angriff der Ha-
mas zu verurteilen und dessen Opfer anzuerkennen als auch
über das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung im an-
schließenden Gazakrieg zu sprechen. Durch den Fokus auf Em-
pathie und Multiperspektivität kann polarisierten öffentlichen
Diskursen entgegengewirkt werden. Fachkräfte sind hierbei
nicht weniger als ihre Zielgruppen aufgerufen, ihre eigene Posi-
tionierung in Bezug auf diesen Konflikt, der so häug als Projek-
tionsfläche dient, zu reflektieren.
Angesichts des enormen Anstiegs islamistischer Inhalte mit
direktem Bezug zum Angriff der Hamas und zum Gazakrieg in
den sozialen Medien werden außerdem mehr und vor allem
langfristigere Projekte für Medienbildung und Onlineprävention
(z. B. digital streetwork) benötigt, um Desinformation, Islamis-
mus und Antisemitismus in den sozialen Medien etwas entge-
genzusetzen.
Rahmenbedingungen erfolgreicher Präventionsarbeit
Präventionsarbeit wird immer von gesamtgesellschaftlichen
Debatten beeinflusst. Die nach dem Angriff der Hamas auf Is-
rael am 7.Oktober 2023 enorm polarisierten Diskussionen in
Deutschland in Bezug auf den Gazakrieg und den Nahostkonflikt
erschweren die Bedingungen für erfolgreiche zivilgesellschaft-
liche Präventionsarbeit. Islamist*innen wissen die aufgeheizte
Stimmung für sich zu nutzen, um Anhänger*innen zu gewinnen.
Differenzierte Stimmen in der öffentlichen Debatte müssen da-
her lauter werden, zudem muss anerkannt werden, dass Anti-
semitismus und (antimuslimischer) Rassismus gesamtgesell-
schaftlich und nicht lediglich in bestimmten (konstruierten)
Gruppen verbreitet sind.
Auch ist eine langfristige Förderung zivilgesellschaftlicher De-
mokratiearbeit und von Präventions- und Monitoringprojekten
gefragt. Islamistische Mobilisierungsschübe wurden immer
wieder von dramatischen Ereignissen (z. B. dem 11. Septem-
ber 2001) ausgelöst (KN:IX, 2024). Das Phänomen Islamismus
verläuft demnach in langfristigen Wellenbewegungen. In Kon-
sequenz muss Islamismusprävention kontinuierlich gefördert
werden, um auf Entwicklungen, wie gerade ausgelöst durch den
Nahostkonflikt, schnell und professionell reagieren zu können.
Es ist wenig nachhaltig, stattdessen abhängig von der Aufmerk-
samkeitskonjunktur neue, kurzfristige Projekte zur Bekämpfung
bestimmter Phänomene zu fördern, die gerade im gesellschaft-
lichen und politischen Fokus stehen.
Unabhängig von der Zuspitzung des Nahostkonflikts nach dem
7. Oktober sind dieser und andere globale Konflikte langfristig
wiederkehrende Themen für Präventionsarbeit. Akteur*innen
unterschiedlicher Facetten des islamistischen Spektrums nut-
zen Konflikte wie den Nahostkonflikt für sich und sprechen mit
ihren Inhalten in Deutschland vor allem Personen an, die das
Gefühl haben, ihre Perspektive werde in öffentlichen Debatten
nicht wahrgenommen. Prävention ist gefragt, der islamistischen
Instrumentalisierung z. B. des Nahostkonflikts entgegenzuwir-
ken und alternative Angebote zu schaffen, die sich an demo-
kratischen Werten orientieren. Indem eben jene Konflikte auf-
gegriffen werden, werden konstruktive, multiperspektivische
Diskussionen ermöglicht und die Zielgruppen für die Instrumen-
talisierung dieser Konflikte durch extremistische Akteur*innen
sensibilisiert. Der digitale Raum sollte dabei immer mitgedacht
werden. Damit wirken Demokratieförderung und Islamismus-
prävention gesellschaftlicher Spaltung und Ausgrenzung entge-
gen und tragen somit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei.
Diskussionen über den Konflikt bieten gute
Anknüpfungspunkte für Fachkräfte, auch
über kritische Positionen ins Gespräch zu
kommen und junge Menschen darüber hin-
aus in ihrem Engagement für Demokratie
zu bestärken.
51 Zwischen Polarisierung und Chance
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit
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publikationen/impuls-1/ [15.07.2024].
52
Auswirkungen des Anschlags
vom 7. Oktober 2023
an Schulen
Die Praxisstelle wurde 2018 vom Berliner Senat als Reaktion auf
die Zunahme antisemitischer Vorfälle als zentrale Anlaufstelle
für Berliner Schulen gegründet. Schwerpunkte sind Beratung,
Durchführung von Projekttagen und Fortbildung von Lehrkräf-
ten sowie die Qualizierung von Teamer*innen für den Einsatz in
Schulen. Am häugsten werden Schulveranstaltungen zum The-
menfeld „Nahostkonflikt“/israelbezogener Antisemitismus ange-
fragt, gefolgt von Verschwörungsideologien. Dies ist einem he-
terogenen Lernumfeld geschuldet; manche Klassen bestehen
vollständig aus muslimisch sozialisierten Schüler*innen, in vielen
Klassen bestehen mehrheitlich familiäre Bezüge zur Region Isra-
el/Palästina.
Sobald bestimmte Ereignisse in der Region passieren, wie z. B.
eine der schwersten militärischen Auseinandersetzungen seit
2014 im Mai 2021, ndet dies auch Eingang in die Schulen und
wird dort verhandelt. Bemerkenswert ist hierbei, wie damit auf
welcher Ebene umgegangen wird.
Erhöhtes Beratungsaufkommen: Zur Situation direkt
nach dem 7.Oktober 2023
Die Terroranschläge der Hamas vom 7.Oktober 2023 und ihre
Nachwirkungen stellen in der Auseinandersetzung mit dem
„Nahostkonflikt“ eine Zäsur da. Die Anfragen nach Fortbildungen
und Angeboten für Schüler*innen sind so sprunghaft gestiegen
wie noch nie zuvor. Dadurch änderten sich die Arbeitsrouti-
ne und die Arbeitsbelastung bei der KIgA enorm. Hinzu kamen
große emotionale Herausforderungen vor allem für jüdische
Kolleg*innen oder für die freiberuflichen Teamer*innen, welche
die vielfältigen Angebote der Praxisstelle Bildung und Beratung
an Schulen durchführen. Bereits am Wochenende des 7./8.Ok-
tobers 2023 gab es erste Beratungsanfragen von Lehrkräften.
Sie hatten Angst, in die Schulen zu gehen und sich mit starken
Reaktionen konfrontiert zu sehen und die aufkommenden hoch
emotionalisierten Debatten nicht angemessen führen zu können.
Seit Jahren begleitet der Themenkomplex „Nahostkonflikt“ und
damit in Verbindung stehend israelbezogener Antisemitismus die
tägliche Arbeit der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus,
KIgA e. V., und speziell der Praxisstelle Bildung und Beratung.
Im Folgenden wird auf die spezischen Herausforderungen an
Schulen seit dem 7.Oktober 2023 und auf dessen Auswirkungen
für das Team der KIgA selbst eingegangen. Dabei wird diskutiert,
welche Umgangsformen und pädagogischen Ansätze sich als
sinnvoll erwiesen haben und welche Fallstricke es gibt. Zudem
wird darauf eingegangen, welche Bedarfe von unterschiedlichen
Zielgruppen artikuliert wurden und wie Best-Practice-Beispiele
aussehen könnten. Die Auseinandersetzung mit dem „Nahost-
konflikt“ und die damit in Verbindung stehenden Problemkon-
stellationen sind hochaktuell, geopolitisch brisant, für viele
Menschen Teil ihrer Identität und haben auch in Deutschland
eine immer größere Bedeutung. In diversen Projekten der KIgA
spielte und spielt das eine gewichtige Rolle.14
Einblicke in die Arbeit
der Praxisstelle Bildung
und Beratung gegen
Antisemitismus
Désirée Galert, KIgA e. V.
14 Bei „Discover Diversity – between the present and the past“
wurde politische Bildung mit und für geflüchtete(n) junge(n)
Menschen konzipiert. Gemeinsam mit der Stiftung Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft (EVZ) vergab die KIgA mehrmals
den EVZ Foundation Award for Jewish-Muslim Solidarity und vor
Kurzem erschien das interviewbasierte Buch „Ich sehe was, was
du nicht siehst. Deutschland. Israel. Einblicke.“ (KIgA, 2024).
53
Auswirkungen des Anschlags vom 7. Oktober 2023
an Schulen
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit
Auch die Art der Beratung veränderte sich insofern, als anstatt
klassischer Projekttage deutlich öfter unmittelbar beraten und
interveniert werden musste, teilweise direkt aus dem jeweiligen
Setting heraus, z. B. in den Pausen zwischen den Schulstunden.
Zudem wurden mit einem Vorlauf von 1–2 Tagen kurzfristig
Austauschrunden angesetzt. Zwischen dem 7. Oktober 2023
bis Jahresende fanden zusätzlich 800 Einzel- und Gruppenbe-
ratungen statt: persönlich, per Telefon und per E-Mail. Das ist
ungefähr siebenmal mehr als die durchschnittliche Anzahl an
jährlichen Beratungen.
Bedarfe und Herausforderungen:
Eine erste Einordnung
Die Reaktionen auf die Terroranschläge und deren Auswirkun-
gen an den Schulen waren sehr divers und reichten von einer
Nichtthematisierung von Schüler*innen und/oder Lehrkräften
über eine tägliche Auseinandersetzung mit der Thematik, von
extern begleitet oder lediglich schulintern bis hin zu körper-
lichen Auseinandersetzungen. Neben großen Unsicherheiten
seitens der Lehrkräfte in Bezug auf die Thematisierung der
Geschichte des Konflikts oder den Umgang mit der aktuellen
Situation waren vor allem sehr viel persönliche Betroffenheit
und Engagement festzustellen, sich dem Thema empathisch
und nachhaltig zu widmen.
Dies spiegelte sich auch bei den freiberuflichen Teamer*innen
der Praxisstelle wider, zu denen sowohl jüdische als auch musli-
mische Teamer*innen gehören. Viele der Teamer*innen sind poli-
tisch aktiv, engagieren sich z. B. für LGBTQI+-Rechte und be-
schäftigen sich seit Jahren mit dem „Nahostkonflikt“, israelbezo-
genem Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus. Das
beinhaltet diverse Dilemmatasituationen und führt mitunter zu
Identitätskonflikten. Der gemeinsame Austausch zu den Terror-
anschlägen der Hamas und der Situation der palästinensischen
Zivilbevölkerung im Gazastreifen war und ist enorm wichtig, um
Emotionen artikulieren zu können und sich gegenseitig zu stär-
ken. Zudem startete in der Zeit eine neue Qualizierungsreihe
für den Einsatz in Schulen und in der Woche nach den Terroran-
schlägen waren die zwei Module zum Thema „Nahostkonflikt“/
israelbezogener Antisemitismus angesetzt. Aufgrund der Aktu-
alität des Themas wurden die Module trotzdem durchgeführt,
aber entsprechend angepasst, indem z. B. die aktuelle Situation
in den Schulen sowie der Einsatz und die Zweckmäßigkeit spezi-
scher pädagogischer Zugänge reflektiert wurden.
Die Themen der Austauschrunden, Fortbildungen und Projekt-
tage mit diversen Zielgruppen waren vielfältig und bestimm-
te Problemkonstellationen wurden sowohl bei Lehrkräften,
Sozialarbeiter*innen als auch bei Schüler*innen gleichermaßen
deutlich. Es zeigte sich erneut, dass der Austausch zwischen
unterschiedlichen Ebenen in Schulen und außerschulischen
Trägern unabdingbar ist, um sinnvolle Handlungsoptionen
auszuloten, Strategien für einen diskriminierungs- und antise-
mitismussensiblen Umgang mit den Schüler*innen, aber auch
zwischen Kolleg*innen zu entwickeln und Präventionskonzep-
te neu zu denken oder überhaupt an der jeweiligen Schule zu
implementieren. Daraus ist eine Handreichung entstanden. Sie
dient Schulen als Orientierung, wie ein sinnvoller Umgang mit
der aktuellen Situation aussehen kann und welche Fallstricke zu
berücksichtigen sind (KIgA, 2023).
Désirée Galert
studierte in Berlin und Griechenland Islamwissen-
schaft, Politikwissenschaft und Ethnologie mit dem
Abschluss Magistra Artium an der Freien Universität
Berlin. Ihre Schwerpunkte sind Kultur und Religion
in säkularen und liberalen Gesellschaften, In- und
Exklusionsmechanismen, antimuslimischer Rassismus,
interreligiöser Dialog und Anerkennungspolitiken
religiöser Minderheiten im christlich geprägten
Europa und Deutschland. Bevor sie zur KIgA kam,
war sie u. a. bei EPIZ Berlin und der Registerstelle
Berlin-Mitte tätig, welche unter anderem rassistische,
antisemitische, islamophobe und homophobe Vorfälle
registriert und dokumentiert. Bei der KIgA hat sie seit
2018 die Leitung und Koordination der Praxisstelle
Bildung und Beratung inne, die vom Berliner Senat
für Schulen eingerichtet wurde, um bei antisemi-
tischen Vorfällen beratend zur Seite zu stehen.
Weiterhin entwickelt, implementiert und evaluiert
sie Workshops und Projekttage für Lehrkräfte und
Schüler*innen sowie Methodenschulungen für die
Teamer*innen der KIgA.
54
Das „Nicht-Darüber-Sprechen-Können“
und seine Auswirkungen
Besonders auffällig war und ist die Angst der Lehrkräfte, mit den
Schüler*innen in Gespräche zu gehen. Das berührt insbesonde-
re den (Nicht-)Umgang mit Emotionen, sowohl mit den eigenen
als auch mit denen der Schüler*innen: Trauer, Wut, Betroffen-
heit, Angst, Hilflosigkeit.
Daran gekoppelt ist eine permanente Überforderung mit dem
Themenkomplex „Nahostkonflikt“ und dem Verstehen-Können
diverser Positionen und Konfliktlinien. Auch wenn es nicht alle
Lehrkräfte gleichermaßen betrifft und es viele gibt, die sich so-
wohl der Bedeutung des Konflikts als Lebensrealität vieler Men-
schen in Deutschland als auch der Notwendigkeit bewusst sind,
sich damit auseinanderzusetzen: Dieses Phänomen ist nicht erst
seit dem 7.Oktober 2023 zu beobachten, sondern zieht sich wie
ein roter Faden durch die Debatten. Auch Geschichtslehrkräfte
geben selbstkritisch an, viel zu wenig darüber zu wissen. Sie sind
daher in der Konsequenz nicht in der Lage, adäquat auf proble-
matische Äußerungen und Falschinformationen vonseiten der
Schüler*innen und mitunter auch Kolleg*innen zu reagieren so-
wie rote Linien in der Gesprächsführung zu erkennen, welche die
Grenzen zum Antisemitismus markieren. Lehrkräfte aus ande-
ren Fachbereichen, bei denen es keine offensichtlichen Berüh-
rungspunkte zur Thematik gibt, beschreiben oft ihre Ohnmacht.
Diese führte dazu, das Thema bewusst nicht anzusprechen und
zu hoffen, dass auch die Schüler*innen dies nicht tun würden.
So gab es noch Anfang 2024 Lehrkräfte in Fortbildungen, die es
aus ihrer Perspektive erfolgreich geschafft hätten, das Thema
„Nahostkonflikt“/israelbezogener Antisemitismus, die Terroran-
schläge der Hamas, die Situation der israelischen Geiseln und
der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu umschiffen.
Diese Haltung des Nicht-Darüber-Sprechen-Wollens oder -Kön-
nens, insbesondere aus einer machtvolleren Position heraus,
führte zu sehr viel Unmut und starken Reaktionen unter den
Schüler*innen. Es waren einige Schulpsycholog*innen in den
Austauschrunden dabei, die berichteten, dass sie wegen an-
derer Themen zu persönlichen Gesprächen mit Schüler*innen
an die Schulen kamen und sich unmittelbar und unvorbereitet
mit diversen Emotionen im Nachgang der Terroranschläge aus-
einandersetzen mussten. Die Schüler*innen artikulierten, sie
hätten sonst keinen anderen Raum dafür, mit den Lehrkräften
könnten sie nicht darüber sprechen, weil sich diese jeglichen
Gesprächen verweigern würden.
In einer von der Praxisstelle angebotenen Onlineaustauschrun-
de mit 80Teilnehmenden war eine jüdische Lehrkraft anwesend,
die sich an ihrer Schule vonseiten der Schulleitung und ihres
Kollegiums mit der Situation allein gelassen fühlte. Sie sah sich
zunächst in der Vorstellungsrunde gezwungen, ein Plädoyer für
Menschlichkeit zu halten, was zu sehr vielen Emotionen in der
Gruppe führte. Das begleitende Team gab der Lehrkraft zu ver-
stehen, dass dies in diesem Raum als betroffene Person nicht
notwendig sei und sie hier mit 79 weiteren Menschen im Raum
sei, die das Thema auch berühre, die es ebenfalls wichtig fänden
und sich gegen Antisemitismus einsetzen würden.
Inhaltliche Einordnung und Wissensvermittlung
Ähnliche Fälle wurden vielfach in diversen Beratungssettings
offenbar. Das berührt einen wichtigen Punkt: Die deutliche Ver-
urteilung des Angriffs der Hamas als Terrorakt mit islamistischer
Motivation blieb vielerorts aus. Dass vor allem junge Menschen
des Nova-Musikfestivals und viele Friedensaktivist*innen in den
Kibbuzim Be’eri und Kfar Aza getötet oder als Geiseln genommen
wurden, wurde kaum in Beziehung dazu gesetzt. Das wirft Fra-
gen der eigenen Haltung zu Menschenrechten auf. Hinzu kommt
eine große Unwissenheit über die Hamas selbst als Ableger der
Muslimbruderschaft, welche Ziele sie z. B. ausgehend von ihrer
Charta verfolgt, dass sie im Vergleich zur El Fatah in den paläs-
tinensischen Autonomiegebieten eine dezidiert religiös-islamis-
tische Partei ist und dass nicht alle Palästinenser*innen Hamas-
Anhänger*innen sind (Steinberg, 2023). Viele Schüler*innen
hätten diese Orientierung vonseiten der Lehrkräfte gebraucht.
In der Regel waren die Lehrkräfte die Bezugspersonen, die von
den Schüler*innen mit Fragen überhäuft wurden auf der Suche
nach Unterstützung, um die Komplexität des Konflikts in An-
sätzen zu begreifen. Notwendig wäre dies vor allem auch ange-
sichts von Fake News im virtuellen Raum gewesen wie z. B. bei
TikTok, Instagram und YouTube sowie monoperspektivischer
Berichterstattung durch staatsnahe ausländische Medien, die
mitunter im Elternhaus konsumiert werden.
Der Ansatz, eine offene und diskriminie-
rungssensible Gesprächsatmosphäre zu
schaffen, in der sich die Schüler*innen mit
ihren Fragen und Emotionen öffnen können,
hat sich bewährt.
55
Auswirkungen des Anschlags vom 7. Oktober 2023
an Schulen
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit
Auf der Ebene kurzfristiger Interventionen rief uns eine Lehrkraft
in einer 5-Minuten-Pause an. Nicht arabischsprachige musli-
misch sozialisierte Schüler*innen zeigten ihr, ohne Kenntnis der
Quelle, eine vermeintliche Sure aus dem Koran. Mit diesem Text
sollte bewiesen werden, dass es nun sinngemäß zum Jüngsten
Tag zwischen Jüdinnen und Juden und Muslim*innen gekom-
men sei. Das Team der Praxisstelle übersetzte den arabischen
Text und ordnete ihn ein. Es handelte sich wie vermutet nicht um
eine Sure aus dem Koran, und tatsächlich konnte die Lehrkraft
im Laufe der nächsten Tage kritisch mit den Schüler*innen ins
Gespräch gehen, die sich dann auch einsichtig zeigten. Einer-
seits ist das ein gelungenes Beispiel dafür, wie die gemeinsame
Auseinandersetzung mit vermeintlich validen Informationen zu
einer Dekonstruktion von Fake News führen kann. Da dies je-
doch kein Einzelfall war, stellt sich andererseits die Frage, wie
Lehrkräfte flächendeckend auf solche Situationen vorbereitet
werden können, wenn nicht unmittelbar die Expertise außer-
schulischer Träger in Anspruch genommen werden kann.
Hier wird zudem eine andere Problemlage sichtbar: die Norma-
lisierung extremistischer Diskurse und die Fehlinterpretation
religiöser Grundlagen. Oft ist es schwierig, vor allem für Lehr-
kräfte, dies zu erkennen oder zu unterscheiden. In der Regel
sind diese Haltungen jedoch kein Ausdruck einer bewussten
und spezischen Koranauslegung durch die Schüler*innen
selbst, sondern sie fußen auf einem ungenauen Wissen über
den Islam oder über die Inhalte des Korans sowie einer fal-
schen oder verkürzten Vermittlung religiöser Grundlagen durch
in vielen Fällen nicht näher zu bestimmende Instanzen.
56
Überlagerung mit anderen Themen
Thematisch ging es nach dem 7. Oktober 2023 vonseiten der
Schulen ausschließlich um den „Nahostkonflikt“, israelbezoge-
nen Antisemitismus und den Umgang mit der aktuellen Situati-
on. Erst seit Ende des Jahres verschob sich der Fokus leicht von
der Auseinandersetzung mit vielfältigen und starken Emotionen
hin zur Wissensvermittlung über die Konfliktgeschichte und in-
tensiveren Dekonstruktion von einseitigen Narrativen.15
Diese Verschiebung ist nicht immer stringent, weil sich die Art
der Angebote tagesaktuell stark verändern kann, sobald be-
stimmte Ereignisse in der Region stattnden und medial auf
spezische Weise vermittelt werden. Dadurch werden jedoch
andere Themen überlagert, die ebenfalls bedeutsam sind; im
Schulkontext bekommen sie in der Regel nicht die Aufmerk-
samkeit, die notwendig wäre, um z. B. Schüler*innen widerstän-
diger gegen menschenverachtende Haltungen zu machen. Bei-
spielweise sollte sich eine bereits vor dem 7.Oktober 2023 an-
gesetzte Fortbildung für Lehrkräfte anlässlich des Gedenktags
der Novemberpogrome 1938 auf Wunsch der Schule mit dem
„Nahostkonflikt“ und dem Umgang mit der aktuellen Situation
widmen und nicht, wie ursprünglich geplant, dem sekundären
Antisemitismus und der (Nicht-)Erinnerung an die Shoah. Die
Fallstricke dessen waren der Schule nicht bewusst.
Daran anknüpfend wird oft nicht genug reflektiert, dass sich
jüdische Schüler*innen und Lehrkräfte an der Schule benden,
was nicht immer offensichtlich ist, die aber geschützt werden
müssen. Die Frage nach geschützten Räumen für diverse Ziel-
gruppen wird in der Regel zu selten gestellt. In den Projektta-
gen zeigte sich außerdem, dass sehr viele Schüler*innen nichts
von dem durch CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft bei
einem Treffen im November 2023 aufgedeckten Geheimplan
gegen Deutschland der Neuen Rechten mitbekommen hatten.
Demnach war ihnen auch nicht klar, wie dadurch die Demokratie
angegriffen wird, welche menschenverachtenden und rassis-
tischen Implikationen dieser Plan hat und welches Gefühl von
Unsicherheit und Ausgrenzung dies bei Menschen auslöst, die
keine deutsche Herkunftsgeschichte haben. Ebenso verhielt es
sich mit der Wahl des ersten von der AfD gestellten Oberbür-
germeisters in Pirna/Sachsen im Dezember 2023. Vonseiten der
Schule wurde dies kaum thematisiert.
Die Frage nach geschützten Räumen für
diverse Zielgruppen wird in der Regel zu sel-
ten gestellt.
Durch die emotionale Aufladung des „Nahostkonflikts“, nicht erst
seit dem 7.Oktober 2023 und seinen Auswirkungen, entsteht oft
eine Schieflage, was Bedarfe, zielgruppenorientierte Maßnahmen
und die Setzung von Themenschwerpunkten anbelangt und un-
terschiedliche Dilemmata sichtbar macht. Andere internationale
Konflikte wie der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine oder die
aktuelle Situation auf dem Balkan, die z. B. Schüler*innen auf-
grund ihrer persönlichen Bezüge betreffen, treten dadurch oft in
den Hintergrund. In einer heterogenen Klassengemeinschaft wird
das spätestens dann zum Problem, wenn sich die betreffenden
Schüler*innen nicht genügend aufgefangen oder gehört fühlen
und sich in der Folge zurückziehen. In einer klassenübergreifen-
den Austauschrunde mit Schüler*innen berichtete ein türkisch-
stämmiger Schüler, dass sein Vater ihm verboten hätte, auf einer
propalästinensischen Demonstration in Berlin mitzulaufen, mit
der Begründung: „Wenn bei uns in der Türkei Menschenrechte mit
Füßen getreten werden, geht hier auch niemand für uns auf die
Straße.“ Der Schüler verurteilte die Ermordung von Zivilist*innen,
vor allem von Kindern und Frauen, durch die Hamas scharf, hät-
te aber gern aus Solidarität gegenüber seinen palästinensischen
Freunden auf die humanitäre Lage der palästinensischen Zivilbe-
völkerung aufmerksam gemacht.
Best-Practice-Beispiele und Ausblick
Das Team der Praxisstelle führte vielfältige Gespräche mit
Schüler*innen, die gemessen an der schwierigen Ausgangslage
produktiv waren. Trotz der allgemeinen Belastung und Anstren-
gung sowie persönlicher Betroffenheit lohnte sich dieses inten-
sive Engagement. Es gab viele gute Momente in den diversen
Settings, in denen z. B. Empathie gezeigt oder entwickelt und
Verständnis für diverse Perspektiven deutlich wurde. Diskussi-
onen um die Bedeutung von Solidarität führten in vielen Fällen
zu einem kritischen und selbstreflexiven Hinterfragen einseitiger
Solidaritätsbekundungen. Dies spiegelten wir den Lehrkräften
und auch den freiberuflichen Teamer*innen regelmäßig. Die Be-
deutung der Beziehungsarbeit und ein aktiver Umgang mit Emo-
tionen werden insbesondere beim Themenkomplex „Nahostkon-
flikt“ sichtbar. Krieg, Leid, Terror und damit diskursiv verknüpft
antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus in Deutsch-
land sind Phänomene, die einen Großteil der Schüler*innen und
Lehrkräfte bewegen und betreffen. Verstärkt wird das durch die
Flut an gewaltvollen Bildern, denen sich kaum jemand entzie-
hen kann und die vor allem von jungen Menschen nicht adäquat
verarbeitet werden können. Durch die Bewusstmachung und
Einbeziehung von Emotionen entwickeln sich Individuen über-
haupt erst zu politischen Subjekten (Besand et al., 2019); eine
Erkenntnis, die etwa im Bereich der Demokratiepädagogik be-
sonders wertvoll sein kann.
15  Im Zuge dessen wurde die Unterseite „75 Jahre Staatsgründung
Israel“ der Bildungsplattform Anders Denken weiter mit
Materialien bestückt (Anders Denken, o.J.).
57
Auswirkungen des Anschlags vom 7. Oktober 2023
an Schulen
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit
Literatur
Anders Denken (o. J.). 75 Jahre Staatsgründung Israel.
Abgerufen von: https://www.anders-denken.info/
75-jahre-staatsgruendung-israel [13.06.2024].
Besand, Anja, Overwien, Bernd & Zorn, Peter (Hrsg.) (2019).
Politische Bildung mit Gefühl. Bonn: BpB.
KIgA (2023). Umgang mit dem „Nahostkonflikt“ und der aktu-
ellen Situation an Schulen. Abgerufen von: https://www.kiga-
berlin.org/wp-content/uploads/2023/11/240222_KIgA_
Handreichung_Screen.pdf [13.06.2024].
KIgA (2024). Ich sehe was, was Du nicht siehst. Deutschland.
Israel. Einblicke. Abgerufen von: https://www.kiga-berlin.org/
news/ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst-deutschland-israel-
einblicke/ [13.06.2024].
Steinberg, Guido (2023). Die Muslimbruderschaft und die
Hamas – Zu den ideologischen Wurzeln von islamistischem
Judenhass und Antisemitismus. Abgerufen von: https://www.
swp-berlin.org/10.18449/2023A65/ [02.07.2024].
Der Ansatz, eine offene und diskriminierungssensible Gesprächs-
atmosphäre zu schaffen, in der sich die Schüler*innen mit ih-
ren Fragen und Emotionen öffnen können, hat sich bewährt.
Dies zeigt sich oft schon direkt zu Beginn eines Projettags:
Schüler*innen fassen trotz der kurzen Kennenlernphase schnell
Vertrauen. Ein besonderer Fokus von Präventionsangeboten
sollte auf der Stärkung von Widerspruchstoleranz, auf der Wahr-
nehmung und Reflexion vielfältiger Perspektiven und auf der
Entwicklung von Handlungsoptionen für ein demokratisches
Miteinander im Schulkontext liegen. Insbesondere bei der The-
matisierung des „Nahostkonflikts“ muss ein Schwarz-Weiß-Den-
ken aufgebrochen werden, um z. B. einseitige Schuldzuweisun-
gen zu vermeiden. Es hat sich gezeigt, dass die Auseinander-
setzung mit Friedensbemühungen und -initiativen auf unter-
schiedlichen gesellschaftlichen Ebenen in Israel/Palästina und
Deutschland zum einen dazu beiträgt, Gefühle von Ohnmacht
zu entkräften. Dass nicht nur auf staatlicher Ebene Politik ge-
macht wird, sondern ebenso durch eine engagierte Zivilgesell-
schaft, ist jungen Menschen oft nicht bewusst. Zum anderen
wird dadurch entkräftet, es gäbe nur die eine oder die andere
Seite, die sich unversöhnlich gegenüberstehen würden.
Als Reaktion auf die Notwendigkeit, Austauschräume für Lehr-
kräfte zu schaffen, haben wir als Beratungsstelle nach dem
7. Oktober 2023 einen regelmäßigen Jour xe eingerichtet.
Ebenso ist es unabdingbar, dass sich die Kooperationen zwi-
schen Schulen und außerschulischen Trägern intensivieren und
je nach aktuellen Herausforderungen und Bedarfen anpassen
müssen. So sind die Chancen gegeben, gemeinsam nachhaltiger
an den jeweiligen Themen zu arbeiten und sich zu unterstützen.
Es sollten insbesondere für junge Menschen diskriminierungs-
sensible und effektive Angebote geschaffen werden. Denn die-
se stärken sie längerfristig, zeigen ihnen Teilhabemöglichkeiten
auf und machen sie z. B. widerständiger gegen Widerspruchsin-
toleranz und extremistische Positionen.
58
Über die BAG RelEx
Über die
BAG RelEx
59
Über die BAG RelEx
Die BAG RelEx
Als Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG
RelEx) fördern und unterstützen wir die bundesweite Vernetzung von
zivilgesellschaftlichen Akteuren, die sich für eine erfolgreiche und nach-
haltige Prävention gegen religiös begründeten Extremismus engagieren.
Die BAG RelEx ist anerkannter Träger der politischen Bildung und wur-
de im November 2016 auf die Initiative von 25 zivilgesellschaftlichen
Trägern hin gegründet. Mit inzwischen fast 40 Mitgliedsorganisationen
aus dem ganzen Bundesgebiet stehen wir für die große Vielfalt an An-
sätzen und Maßnahmen in der Präventionsarbeit gegen religiös begrün-
deten Extremismus und spiegeln die langjährigen Erfahrungen im Ar-
beitsbereich wider.
Wir verstehen uns als Plattform und Schnittstelle zwischen zivilgesell-
schaftlichen Akteuren, Politik und Öffentlichkeit. Im Rahmen der BAG
RelEx fördern wir die Vernetzung von zivilgesellschaftlichen Akteuren
innerhalb des Themenfeldes des religiös begründeten Extremismus und
stärken den Austausch mit Akteuren angrenzender Arbeits- und Phä-
nomenbereiche sowie mit Politik, Verwaltung und Wissenschaft. Durch
verschiedene Formate möchten wir den fachlichen Austausch fördern,
Ansätze und Methoden weiterentwickeln und damit das Engagement
unserer Mitgliedsorganisationen stärken. Mit Angeboten für eine brei-
tere (Fach)Öffentlichkeit bieten wir die Möglichkeit, Einblicke in die ak-
tuellen Debatten unseres Arbeitsfeldes zu erhalten. Damit wollen wir
unter anderem das Bewusstsein für die Notwendigkeit zivilgesellschaft-
lichen Engagements gegen religiös begründeten Extremismus schärfen.
Wir sehen unseren Auftrag in der Verteidigung der Normen und Werte
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Grundgeset-
zes sowie der Demokratie. Ganz vorn stehen dabei die Achtung und der
Schutz der Menschenwürde und der mit ihnen verbundenen Rechte so-
wie das Demokratieprinzip und die Rechtsstaatlichkeit. Die BAG RelEx
ist konfessionell und parteipolitisch unabhängig.
Von 2020–2024 sind wir gemeinsam mit ufuq.de und Violence Prevention
Network im Kompetenznetzwerk „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX)
vertreten. Für unsere Arbeit im Rahmen von KN:IX werden wir durch
das Bundesprogramm Demokratie leben! des Bundesministeriums für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend(BMFSFJ) gefördert. Zusätzlich erhal-
ten wir eine FörderungderLandeskommission Berlin gegen Gewaltund
im Rahmen desLandesprogrammsHessen – aktiv für Demokratie und ge-
gen Extremismus.
Weitere Informationen finden Sie auf www.bag-relex.de.
60
Wer macht was und wo?
Auf dieser Karte sind unsere Mitgliedsorganisa-
tionen und internationalen Kooperationspart-
nerschaften abgebildet. Viele der Träger haben
mehrere Projekte in dem Themenfeld, wes halb
hier primär die Träger aufgelistet sind. Weitere
Informationen nden Sie auf den träger eigenen
Websites oder auf unserer Website.
www.bag-relex.de
60
4Berlin
25 Potsdam
3Bremen
1
Kiel
6
Bochum
Köln
10 Weimar
11
Frankfurt am Main
12
Sersheim
16
Stuttgart
17
Hamburg
2
18 Augsburg
Saarbrücken 13
8
Duisburg
5Dortmund
Düsseldorf
9
7Oberhausen und Mülheim
an der Ruhr
Heidelberg
14
19 Dahmen
20
Eupen
15
Recklinghausen
21 Halle (Saale)
22 Osnabrück 23 Hannover
24 Magdeburg
61
Über die BAG RelEx
Wer macht was und wo?
1 Kiel
Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V.
https://provention.tgsh.de
2 Hamburg
basis & woge e. V.
www.basisundwoge.de
Vereinigung Pestalozzi gGmbH
www.legato-hamburg.de
Legato – Fach- und Beratungsstelle für religiös
begründete Radikalisierung
AG Kinder- und Jugendschutz Hamburg e. V. (ajs)
www.ajs-hamburg.de/jugendphase-und-diverse-
lebenswelten-jule.html
Jugendphase und diverse Lebenswelten
3 Bremen
Verein zur Förderung akzeptierender
Jugendarbeit e. V. (VAJA)
www.vaja-bremen.de/teams/adero
Vereinigung Pestalozzi gGmbH
www.legato-praevention.de/legato-bremen/
– Legato – Fach- und Beratungsstelle für religiös
begründete Radikalisierung
4 Berlin
Aktion Courage e. V.
www.schule-ohne-rassismus.org
Akzeptanz, Vertrauen, Perspektive e. V. (AVP)
www.a-v-p.org/woran-wir-arbeiten/demokratiefoerderung
– streetwork@online
– CEOPS
cultures interactive e. V.
www.cultures-interactive.de
Grüner Vogel e. V.
www.gruenervogel.de
Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e. V.
www.gesichtzeigen.de
Interdisziplinäres Zentrum für Radikalisierungs-
prävention und Demokratieförderung e. V. (IZRD)
www.izrd.de
Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus e. V.
(KIgA)
www.kiga-berlin.org
Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration
und Demokratie e. V. (RAA Berlin)
www.raa-berlin.de
www.kiez-einander.de
Türkische Gemeinde in Deutschland e. V.
www.tgd.de/projekte
ufuq.de
www.ufuq.de
Violence Prevention Network gGmbH
www.violence-prevention-network.de
5 Dortmund
Multikulturelles Forum e. V.
www.multikulti-forum.de/de/gesellschaft-praevention
6 Bochum
Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe –
Migrationsarbeit e. V. (IFAK)
www.ifak-bochum.de
Beratungsnetzwerk Grenzgänger
Wegweiser. Gemeinsam gegen Islamismus
– re:vision
ExPO – Extremismus Prävention Online
7 Oberhausen und Mülheim an der Ruhr
Ruhrwerkstatt Kultur-Arbeit im Revier e. V.
www.ruhrwerkstatt.net/beratung/wegweiser
Wegweiser. Gemeinsam gegen Islamismus
8 Duisburg
Verein für Lebensorientierung e. V. (LeO)
www.leoev.org
62
9 Düsseldorf
Agentur für partizipative Integration (API) gUG
www.api-ug.de
Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V.
www.clearing-schule.de
– CleaRNetworking
Akzeptanz, Vertrauen, Perspektive e. V. (AVP)
www.a-v-p.org/woran-wir-arbeiten/demokratiefoerderung
14 Heidelberg
Mosaik Deutschland e. V.
www.mosaik-deutschland.de
15 Recklinghausen
RE/init e. V.
www.reinit.de/projekte/wegweiser
Wegweiser. Gemeinsam gegen Islamismus
16 Sersheim
Jugendstiftung Baden-Württemberg
www.demokratievorort.de/prevention
– PREvention – Fachstelle zur Prävention von religiös
begründetem Extremismus
17 Stuttgart
Stuttgarter Jugendhaus gGmbH
www.zukunftswelten.net
– Zukunftswelten
INSIDE OUT e. V.
www.io-3.de
Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit /
Streetwork Baden-Württemberg e. V. (LAG)
www.fexbw.de
– Fachstelle Extremismusdistanzierung
18 Augsburg
ufuq.de
www.ufuq.de/bayern
19 Dahmen
CJD Nord e. V.
https://bidaya-mv.cjd.de/de
Fachstelle Bidaya
10 Köln
HennaMond e. V.
www.hennamond.de
Rat muslimischer Studierender & Akademiker e. V.
(RAMSA)
www.ramsa-ev.de/projekte
Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V.
www.zentralrat.de
Sozialdienst muslimischer Frauen e. V. (SmF)
www.smf-verband.de/projekte/frauen-staerken-
frauen-gegen-radikalisierung
Frauen stärken Frauen – gegen Radikalisierung
180 Grad Wende e. V.
www.180gradwende.de
11 Weimar
cultures interactive e . V.
www.cultures-interactive.de
12 Frankfurt am Main
Violence Prevention Network gGmbH
www.beratungsstelle-hessen.de
13 Saarbrücken
FITT gGmbH
www.yallah-saar.de
Yallah! Fach- und Präventionsstelle Islamismus
und antimuslimischer Rassismus
63
Über die BAG RelEx
Wer macht was und wo?
20 Eupen/Belgien
Internationale Kooperationspartnerschaft
Kaleido Ostbelgien
www.wegweiser.be
Wegweiser Ostbelgien
21 Halle (Saale)
AVP e. V.
www.ceops.online
CEOPS
Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH
www.hal-jw.de/bereiche/gewalt-und-
radikalisierungspraevention
Fach- und Beratungsstelle SALAM Sachsen-Anhalt
Anlaufstelle Distanzierung und Deradikalisierung –
Distanz
22 Osnabrück
Vereinigung Pestalozzi gGmbH
www.kommunale-fachberatung.de
Kommunale Fachberatung
23 Hannover
beRATen e. V. – Verein für jugend- und
familienpädagogische Beratung Niedersachsen
www.beraten-niedersachsen.de
24 Magdeburg
Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH
www.hal-jw.de/bereiche/gewalt-und-
radikalisierungspraevention
Fach- und Beratungsstelle SALAM Sachsen-Anhalt
FRaP
25 Potsdam
Kreuzbgerger Initiative gegen
Antisemitismus e. V. (KIgA)
www.kiga-brandenburg.org
Fachstelle Antisemitismus Brandenburg
64
Die BAG RelEx wird im Rahmen von KN:IX gefördert.
Herausgegeben von
Bundesarbeitsgemeinschaft religiös
begründeter Extremismus e. V.
Jamuna Oehlmann, Rüdiger José Hamm
(Geschäftsführung)
Oranienstraße 58
10969 Berlin
Tel: +49 (0)30 921 262 89
info@bag-relex.de
www.bag-relex.de
Redaktion:
Charlotte Leikert, Frederik Braune
Lektorat:
Dr. Philipp Teichscher
www.text-dr.de
Layout:
agnes stein berlin
www.agnes-stein.de
Fotos:
Cengiz Karahan
www.kastudio.co
Druck:
Druckhaus Sportflieger
www.druckhaus-sportflieger.de
Stand: 01.10.2024
© BAG RelEx
ISSN: 2628-7080
Warum Ligante?
Die BAG RelEx versteht sich als zentraler Knotenpunkt
in einem Netzwerk, das aus zivilgesellschaftlichen
Trägern der Präventionsarbeit gegen religiös begründe-
ten Extremismus besteht. Wir verknüpfen jedoch nicht
nur Menschen und Organisationen innerhalb der Träger-
landschaft, sondern stellen auch Verbindungen zu an-
deren Netzwerken, Institutionen, Arbeitsbereichen und
Akteuren auf nationaler und internationaler Ebene her.
Ziele sind der Fachaustausch und die Weiterentwicklung
des Präventionsbereichs.
Mithilfe unserer Veranstaltungen und der Ligante
machen wir die Fachdebatten der Präventionslandschaft
einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Schließlich
fungiert die BAG RelEx als Kontaktstelle für Politik,
Verwaltung, Medien und Wissenschaft.
Ligante bedeutet Verknüpfung auf Esperanto. Esperanto
ist eine geplante Sprache, die vor dem Hintergrund
einer Kommunikation auf Augenhöhe entwickelt wurde.
Wir sehen in ihr den Versuch, eine möglichst hierarchie-
freie Kommunikation zu ermöglichen.
Die Veröffentlichungen stellen keine Meinungsäußerung
des BMFSFJ beziehungsweise des BAFzA oder der
weiteren Fördergeber dar. Für inhaltliche Aussagen
tragen die Autor*innen die Verantwortung.
Impressum
2
Fachdebatten aus der
Präventionsarbeit
Ligante
ISSN: 2628-7080
Der Nahostkonikt als Katalysator
Ligante Ausgabe #7Fachdebatten aus der Präventionsarbeit
Ausgabe #7
Antisemitismus und (antimuslimischer) 8
Rassismus in der Migrationsgesellschaft
Instrumentalisierung des Nahostkonflikts 24
durch extremistische Gruppen
Auswirkungen auf die Präventionsarbeit 44
Der Nahostkonflikt
als Katalysator
Agentur für partizipative Integration gUG (API) | Aktion Courage e. V. |
Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V. (AGB) | Akzeptanz Vertrauen
Perspektive e. V. (AVP) | Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz
Hamburg e. V. (ajs) | basis & woge e. V. | beRATen e. V. – Verein für jugend- und
familienpädagogische Beratung Niedersachsen | Cultures Interactive e. V. |
Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. – CJD Nord | FITT-Institut für
Technologietransfer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes
gGmbH | Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e. V. | 180 Grad Wende e. V. |
Grüner Vogel e. V. | Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH | HennaMond e. V. |
IFAK e. V. – Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit |
INSIDE OUT e. V. | Interdisziplinäres Zentrum für Radikalisierungsprävention und
Demokratieförderung e. V. (IZRD) | Jugendstiftung Baden-Württemberg | Kreuzberger
Initiative gegen Antisemitismus KIgA e. V. | Landesarbeitsgemeinschaft Mobile
Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e. V. | LeO e. V. – Verein für
Lebensorientierung Duisburg | Mosaik Deutschland e. V. | Multikulturelles Forum e. V. |
RAA Berlin e. V. | Rat muslimischer Studierender und Akademiker e. V. (RAMSA) |
RE/init e. V. | Ruhrwerkstatt Kultur-Arbeit im Revier e. V. | Sozialdienst muslimischer
Frauen e. V. (SmF) | Stuttgarter Jugendhaus gGmbH (stjg) | Türkische Gemeinde in
Deutschland e. V. (TGD) | Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e. V. (TGS-H) |
ufuq.de | Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit (VAJA e. V.) |
Vereinigung Pestalozzi gGmbH | Violence Prevention Network gGmbH |
Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. (ZMD)
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Muslimfeindlichkeit in Deutschland
  • Yasemin El-Menouar
El-Menouar, Yasemin (2024). Muslimfeindlichkeit in Deutschland. Ein gesellschaftliches Lagebild. Ligante #7, S. 16-22.
KN:IX talks Folge #22: Der Nahostkonflikt als Katalysator für Islamismus? Wie Hamas, IS und Al-Qaida den Nahostkonflikt instrumentalisieren und wo sie sich widersprechen
  • Kompetenznetzwerk
Kompetenznetzwerk "Islamistischer Extremismus" (KN:IX) (Hrsg.) (2024). KN:IX talks Folge #22: Der Nahostkonflikt als Katalysator für Islamismus? Wie Hamas, IS und Al-Qaida den Nahostkonflikt instrumentalisieren und wo sie sich widersprechen. Abgerufen von: https://kn-ix.de/podcast/folge-22/ [15.07.2024].
Politik und Pädagogik -Ein Zwischenruf in eigener Sache
  • Jochen Müller
Müller, Jochen (2023). Politik und Pädagogik -Ein Zwischenruf in eigener Sache. Abgerufen von: https://www.ufuq.de/ aktuelles/politik-und-paedagogik-nahostkonflikt/ [15.07.2024].
Impuls #1: Reflexionen über den Nahostkonflikt als Thema der selektiven und indizierten Präventionsarbeit
  • Kai E Schubert
Schubert, Kai E. (2021). Impuls #1: Reflexionen über den Nahostkonflikt als Thema der selektiven und indizierten Präventionsarbeit. Abgerufen von: https://kn-ix.de/ publikationen/impuls-1/ [15.07.2024].
75 Jahre Staatsgründung Israel
  • Literatur Anders Denken
Literatur Anders Denken (o. J.). 75 Jahre Staatsgründung Israel. Abgerufen von: https://www.anders-denken.info/ 75-jahre-staatsgruendung-israel [13.06.2024].
Umgang mit dem "Nahostkonflikt" und der aktuellen Situation an Schulen
  • Kiga
KIgA (2023). Umgang mit dem "Nahostkonflikt" und der aktuellen Situation an Schulen. Abgerufen von: https://www.kigaberlin.org/wp-content/uploads/2023/11/240222_KIgA_
Die Muslimbruderschaft und die Hamas -Zu den ideologischen Wurzeln von islamistischem Judenhass und Antisemitismus
  • Guido Steinberg
Steinberg, Guido (2023). Die Muslimbruderschaft und die Hamas -Zu den ideologischen Wurzeln von islamistischem Judenhass und Antisemitismus. Abgerufen von: https://www. swp-berlin.org/10.18449/2023A65/ [02.07.2024].
SmF) | Stuttgarter Jugendhaus gGmbH (stjg) | Türkische Gemeinde in
  • . V Frauen E
Frauen e. V. (SmF) | Stuttgarter Jugendhaus gGmbH (stjg) | Türkische Gemeinde in