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Zur Rolle der Spurengase für die Strahlungsbilanz der Erde - Thermodynamische Betrachtung; - published in Leibniz Online; - Zeitschrift der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e. V.

Authors:
  • Leibniz Society of Sciences Berlin

Abstract

The role of trace gases in the storage of heat in the atmosphere and in the exchange of energy between the atmosphere and the outer space is discussed. The molar heat capacities of the greenhouse gases water vapour, carbon dioxide and methane are only slightly higher than those of nitrogen and oxygen. The contribution of trace gases carbon dioxide and methane to heat storage is negligible. Water vapour, with its higher concentration and conversion energies, contributes significantly to heat storage in the atmosphere. Most of the heat in the greenhouse Earth is stored in nitrogen and oxygen, the main components of the atmosphere. The greenhouse gases act as converters of infrared radiation into heat and vice versa. They are receivers and transmitters in the exchange of energy with the outer space. The radiation towards space is favoured by decreasing density of the atmosphere and con densation of water vapour at increasing altitude compared to the reflection towards the surface of the earth. Predictions of the development of the climate over a century by extrapolation are critically assessed.
Leibniz Online, Nr. 53 (2024)
Zeitschri der Leibniz-Sozietät der Wissenschaen zu Berlin e. V.
ISSN 1863-3285 • DOI: 10.53201/LEIBNIZONLINE53
Zur Rolle der Spurengase für die Strahlungsbilanz der Erde
Thermodynamische Betrachtung
Helmut Ullmann
(Freital)
und Martin Bülow
(MLS, Dierhagen)
Veröffentlicht: 1. September 2024
Abstract
The role of trace gases in the storage of heat in the atmosphere and in the exchange of
energy between the atmosphere and the outer space is discussed. The molar heat capacities
of the greenhouse gases water vapour, carbon dioxide and methane are only slightly higher
than those of nitrogen and oxygen. The contribution of trace gases carbon dioxide and
methane to heat storage is negligible. Water vapour, with its higher concentration and con-
version energies, contributes significantly to heat storage in the atmosphere. Most of the
heat in the greenhouse Earth is stored in nitrogen and oxygen, the main components of the
atmosphere. The greenhouse gases act as converters of infrared radiation into heat and vice
versa. They are receivers and transmitters in the exchange of energy with the outer space.
The radiation towards space is favoured by decreasing density of the atmosphere and con-
densation of water vapour at increasing altitude compared to the reflection towards the
surface of the earth. Predictions of the development of the climate over a century by ex-
trapolation are critically assessed.
Resümee
Die Rolle der Spurengase für die Speicherung von Wärme in der Atmosphäre und für den Aus-
tausch von Energie zwischen Atmosphäre und All wird diskutiert. Die molaren Wärmekapazi-
täten der Treibhausgase Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid und Methan sind im Vergleich zu
denen von Stickstoff und Sauerstoff nur wenig höher. Der Beitrag der Spurengase Kohlen-
stoffdioxid und Methan zur Wärmespeicherung ist vernachlässigbar. Wasserdampf mit seiner
höheren Konzentration und seinen Umwandlungsenergien trägt wesentlich zur Wärmespeiche-
rung in der Atmosphäre bei. Die meiste Wärme im Treibhaus Erde ist im Stickstoff und Sauer-
stoff, den Hauptbestandteilen der Atmosphäre, gespeichert. Die Treibhausgase wirken als
Wandler von infraroter (IR) Strahlung in Wärme und umgekehrt. Sie sind Empfänger und Sen-
der beim Austausch von Energie mit dem All. Die Abstrahlung in Richtung All wird durch
abnehmende Dichte der Atmosphäre und Kondensation des Wasserdampfes mit zunehmen-
der Höhe gegenüber der Rückstrahlung zur Erdoberfläche begünstigt. Voraussagen zur Ent-
wicklung des Klimas über ein Jahrhundert durch Extrapolation werden kritisch bewertet.
Keywords/Schlüsselwörter
Greenhouse gases, carbon dioxide, water vapour, molar heat capacity, radiation balance,
heat reflection, energy of translation, energy of swinging, IR absorption/desorption, green-
house gases as heat-radiation transmitters
Treibhausgase, Kohlenstoffdioxid, Wasserdampf, molekulare Wärmekapazität, Strahlungs-
balance, Wärmerückstrahlung, Translationsenergie, Schwingungsenergie, IR-Absorption/
Desorption, Treibhausgase als Wärme-Strahlungs-Wandler
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1 Ausgangssituation
Mit der Lufthülle, den Oberflächen der Kontinente, den Meeresströmungen und dem Was-
serkreislauf bildet die Erdoberfläche eine Art Thermostat, der wie in einem Treibhaus
ein für das Leben günstiges Klima bietet. Eine Temperaturdifferenz von etwa +15°C nahe
der Erdoberfläche und von 18°C, von Satelliten gemessen, wird als Treibhauseffekt be-
zeichnet. Der Treibhauseffekt und die Ursachen seiner Schwankungen sind Gegenstand
der Klimaforschung. Wetter und Klima bilden auf Grund zahlreicher bekannter und weite-
rer unbekannter, sich gegenseitig beeinflussender Faktoren ein chaotisches System, dessen
Entwicklung nicht berechenbar ist. Klimavoraussagen über ein Jahrhundert beruhen bisher
weitgehend auf empirischen Zusammenhängen aus Beobachtungen, die wiederum an zu
kurzen Beobachtungszeiträumen kranken.
Von der elektromagnetischen Strahlung der Sonne mit ultraviolettem (UV), sichtbarem
und infrarotem (IR) Anteil gelangt etwa die Hälfte bis zur Erdoberfläche. Dort wird ein
Teil von erwärmten Flächen durch Wärmeleitung und Konvektion auf die Atmosphäre
übertragen. Ein anderer Teil wird in IR-Strahlung gewandelt und als Erdabstrahlung im IR-
Bereich zurückgestrahlt (Leitgeb 1990, S. 196). Die IR-Abstrahlung von der Erde wird in
der Atmosphäre von Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid, den sogenannten Treibhaus-
(TH) Gasen absorbiert und nach allen Seiten ausgestrahlt. Dieser letzte Prozess wird bisher
infolge des Anteils der Rückstrahlung in Richtung Erdoberfläche als der Auslöser eines
Wärmestaus in der Atmosphäre angenommen (Smith et al. 2021, S. 16).
1.1 Die CO2-T-Korrelation und ihre Unsicherheiten
Nach indirekten Bestimmungsmethoden betrugen die globalen Durchschnittstemperaturen
T über Zeiträume von Jahrmillionen bis über 20°C und die Kohlenstoffdioxid-Gehalte
einige 1000 Vppm. Perioden mit besonders hohen CO2-Gehalten und Temperaturen waren
Zeiten intensiver Entwicklung neuer Arten von Leben (Parmentola 2021, Rae et al. 2021).
Gegenwärtig befinden wir uns eher am unteren Ende der globalen Temperatur- und CO2-
Skalen; in diesem Bereich hat sich der Mensch entwickelt.
Die gegenwärtige Klimaforschung orientiert sich stark an einem empirischen Zusam-
menhang zwischen Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre und globaler Durchschnitts-
temperatur. Die in den letzten Jahrzehnten steigende globale Durchschnittstemperatur wird
der gewachsenen Konzentration von CO2 in der Erdatmosphäre angelastet. Sie erhöhte
sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts von 280 Vppm auf heutige 420 Vppm. Im gleichen
Zeitraum stieg die globale Temperatur an der Erdoberfläche um ca. 1,2 Grad (WMO 2023,
S. 223). Weil dieser Zeitraum mit der industriellen Entwicklung der Menschheit auf Basis
der fossilen Energierohstoffe zusammenfällt, wird der Temperaturanstieg dem vom Men-
schen freigesetzten CO2 zugeschrieben (IPCC 2023). Der Beginn dieses Zeitraums fällt
allerdings auch mit dem Ende der Kleinen Eiszeit zusammen. Die CO2-T-Korrelation des
vorindustriellen Zeitalters wurde bisher stets von den Betrachtungen ausgeklammert.
Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre wird seit 1958 auf dem Berg Mauna
Loa (Hawaii) gemessen, weitab von menschlichen CO2-Emissionen, an einem aktiven Vul-
kan gelegen. Dadurch verursachte Spitzenwerte werden korrigiert, sodass sie mit Messun-
gen anderer CO2-Observatorien übereinstimmen. Die CO2-Konzentrationen zeigen regio-
nale Abweichungen bis zu ± 25 ppm (Vahrenholt/Lüning 2020, S. 102). Der Anstieg der
weltweiten CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist zu 96 bis 97% natürlichen Ur-
sprungs. Nur 3 bis 4% lassen sich der Produktion und Energieerzeugung der Menschheit
zurechnen (Seifritz 1991, S. 15). Offen bleibt die Frage: Ist der steigende CO2-Gehalt der
Atmosphäre die Ursache der Temperaturerhöhung, oder veranlasst eine erhöhte Tempera-
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tur die Freisetzung von CO2 aus dem Meerwasser, dessen CO2-Gehalt weit größer ge-
schätzt wird als der in der Atmosphäre? Messungen der globalen oberflächennahen Durch-
schnittstemperatur liegen seit 1880 vor. Sie wird mit +15°C auf ein Zehntel-Grad genau
angegeben. An der Genauigkeitsangabe gibt es berechtigte Zweifel. So hat sich im Laufe
der Zeit die Zahl der Messstationen erhöht. Eine internationale Studie (Soon et al. 2023) zu
Messungen auf der Nordhalbkugel der Erde zeigte, dass die Zahl stadtnaher Messstationen
zehnmal größer war als die in ländlichen Gebieten. Das ergibt erhöhte Werte für die
Durchschnittstemperatur. Die Temperaturdifferenzen in der Atmosphäre reichen im Jah-
resmittel von +26°C am Äquator bis zu 35°C an den Polen, zeitweise auch kälter. Im
„Treibhaus“ herrschen zur selben Jahreszeit regional an verschiedenen Orten und Breiten-
graden, zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten große Temperaturunterschiede. Meeres-
und Luftströmungen können in kurzen Zeiträumen große Temperaturänderungen verursa-
chen. Der vertikale T-Abfall innerhalb der Troposphäre erreicht bis zu ihrem oberen Ende
(ca. 816 km Höhe) einen Wert von etwa 50°C.
Ein Ausgleich zwischen Sonneneinstrahlung und Erdabstrahlung über Zeiträume von
einem oder mehreren Jahren ist unter diesen Bedingungen nicht zu erwarten. Mit temporä-
rem Klimawandel über größere Zeiträume in verschiedenen Regionen, auch solchen mit
erheblichen Stressfaktoren für die Ökosphäre, muss wohl gerechnet werden.
1.2 Treibhauspotential und Strahlungsantrieb der Spurengase
Der Wärmestau im Treibhaus Erde wird den TH-Gasen H2O, CO2 und weiteren Spuren-
gasen (CH4, O3, N2O u.a.) zugeschrieben, die auf Grund ihrer molekularen Struktur IR-
Strahlung in Form von Schwingungen absorbieren. Die größte Wirkung, zwischen 36 und
70% je nach Klimazonen und Lufttemperaturen, geht vom Wasserdampf aus, dessen Kon-
zentration mit 3 bis 6% unter den TH-Gasen am höchsten ist (Rahmstorf 2007). Weil die
Freisetzung von Wasserdampf von menschlicher Aktivität unabhängig ist, wird sein Beitrag
zum TH-Effekt üblicherweise nicht weiter bewertet.
Die Klimawirksamkeit der übrigen TH-Gase wird nach zwei Größen gewichtet:
(1.) Das Treibhauspotential, Global Warming Potential (GWP), eines Gases ist die Maßzahl
für den Beitrag zur Erwärmung der Erdatmosphäre über einen Zeitabschnitt in der
Zukunft, in der Regel über 100 Jahre (GWP100) in Relation zur Wirkung der gleichen
Menge CO2 mit GWP=1. Der Anteil an wissenschaftlichen Stoffdaten im GWP-Wert
ist gering. Er beruht auf der Auswertung der IR-Absorptionsspektren. Der Wasser-
dampf, der den Großteil der IR-Strahlung absorbiert, ist nur in geringen Spektralberei-
chen (Wasserdampffenster) IR-durchlässig. Die TH-Spurengase werden nun nach ihren
Spektralanteilen im Wasserstofffenster bewertet. Die Spektralanalyse liefert lediglich ei-
ne Aussage über den Mechanismus der Wandlung zwischen elektromagnetischer Strah-
lung und Wärme, sagt jedoch nichts über Verweilzeiten von Wärme im Molekül aus.
Wesentlich umfangreicher ist der Anteil auf Erfahrung basierenden Wissens im GWP-
Wert, soweit man Entwicklungen in der Zukunft als „Erfahrung“ bezeichnen darf: So
etwa, in welcher Menge einzelne Stoffe in Zukunft produziert, in die Umwelt emittiert
und durch Umweltschutz reduziert werden, auch welche Verweilzeiten sie infolge che-
mischen Abbaus in der Atmosphäre haben. Die großen Zahlenwerte der GWP-Werte,
wie z.B. für Methan 28, Distickstoffoxid 298 und Schwefelhexafluorid 22 800 (Smith
et al. 2021), resultieren aus chemischer Beständigkeit der Verbindungen und ihrer An-
reicherung in der Atmosphäre. Die GWP-Werte werden periodisch aktualisiert (United
Nations FCCC 2014).
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(2.) Der Strahlungsantrieb, Radiation Forcing (RF in W/m2), gibt an, wie die Konzentrations-
zunahme eines Stoffes, von einer vorhandenen Hintergrundkonzentration ausgehend,
den Wärmeeintrag erhöht. Der Strahlungsantrieb ist ein Maß für die durch menschliche
Aktivitäten veränderte Wirkung der einfallenden Sonnenstrahlung auf die Erwärmung
der Erdatmosphäre. Gase verstärken die Wirkung, Aerosole schwächen sie ab. Vom
IPCC (IPCC 2019) wurde z.B. im Jahr 2019 der summarische Strahlungsantrieb im
Vergleich zum Referenzjahr 1850 angegeben: Nach Abzug kühlender Effekte durch
Aerosole beträgt er 2,72 W/m2. Die Beiträge der einzelnen Treibhausgase betragen in
W/m2: CO2 2,16, CH4 0,54, O3 0,47, HCKW 0,41, N2O 0,21. Die RF-Werte sind empi-
risch ermittelte Vergleichswerte, die periodisch neu bewertet werden.
Die nach verschiedenen Szenarien über ein Jahrhundert berechneten Klimaprognosen
beruhen auf der Basis dieser zwei komplexen, weitgehend empirischen Parameter unter
Einbeziehung solarer und planetarer Einflussgrößen.
2 Aufgabenstellung
Die Strahlungsbilanz zwischen Sonne und Erde und damit das Klima werden durch Ener-
giespeicherung in Form von Wärme und durch Energieabgabe in Form von IR-Strahlung
bestimmt. Dazwischen liegt die Transformation von IR-Strahlung in Bewegungsenergie der
Gasmoleküle (Wärme) und umgekehrt. Hier soll die Rolle drei- und mehratomiger Spuren-
gase für die Energiebilanz zwischen Sonneneinstrahlung und Erdabstrahlung anhand der
molaren Wärmekapazitäten bewertet werden. Der Wärmeaustausch wird als dynamischer
reversibler Prozess in der Strahlungsbilanz diskutiert.
2.1 Energieströme und Energiespeicher
Von der Solarkonstante, 1361 kW/m2 im All in Erdnähe, verbleiben im Mittel von Tag und
Nacht 343 W/m2 Energiestromdichte an der Erdoberfläche (IPCC 2014, 2019). Die tägli-
che Sonneneinstrahlung auf die gesamte Erde beträgt 1,06 × 1022 Joule. Das sind 0,8% der
in der Atmosphäre gespeicherten Energie von 1,26 × 1024 Joule, berechnet aus der Masse
der Luft in der Atmosphäre und ihrer spezifischen Wärmekapazität. Mehr Wärme kann die
Atmosphäre nicht aufnehmen. Die Energieproduktion der Menschheit betrug im Jahr 2022
ca. 6 × 1020 Joule (Statista 2023), d.h. 1,6 × 1018 Joule pro Tag, also 1,5 × 104 % der tägli-
chen Sonneneinstrahlung (alle Angaben sind Mittelwerte). Der sehr ungleich verteilte
Wärmefluss aus dem Erdmantel durch Zerfall radioaktiver Isotope sowie chemische Reak-
tionswärmen beträgt im Durchschnitt 87 mW/m2 (Pollack et al. 1993) und liegt damit in
der Größenordnung menschlicher Energieproduktion.
2.2 Molare Wärmekapazitäten der Gase in der Atmosphäre
Betrachten wir zunächst die Speichermöglichkeiten der Treibhausgase. Die molare Wärme-
kapazität Cp (Tabellensammlung 2023) gibt an, welche Menge an Wärme von einem Mol ei-
nes Gases maximal aufgenommen werden kann.
Die Cp-Werte einatomiger Gase (siehe Tab. 1a) und zweiatomiger Gase (siehe Tab. 1b)
sind unabhängig vom Atom- bzw. Molekulargewicht gleich groß, wie bereits in Ullmann
und Bülow (2023) sowie Ullmann und Bülow (2024) mitgeteilt worden ist. Einatomige Ga-
se haben für die Absorption von Energie nur Freiheitsgrade der Translation. Im Fall der
zweiatomigen Gase O2 und N2 mit Doppel- bzw. Dreifachbindungen kommen Freiheits-
grade der Rotation hinzu, wodurch sich die Werte der molaren Wärmekapazitäten um ca.
40 % im Vergleich zu jenen der einatomigen Gase erhöhen.
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Die Wärmekapazitäten dreiatomiger Gase, der sogenannten TH-Gase, sind um weitere
ca. 20 % größer als die der zweiatomigen Gase. Anhand der Beispiele Ethan und Propan ist
zu erkennen, dass die Molwärmen mit wachsender Zahl von Bindungen weiter zunehmen.
Über die Aktivierung von Valenz- und Deformationsschwingungen der Moleküle (Watts
2014, Czeslik et al. 2010) wird weitere Energie aufgenommen. Nach den Werten der Wär-
mekapazitäten ist allerdings nicht zu unterscheiden, wie viele der Freiheitsgrade gleichzeitig
angeregt sind. Multipliziert mit den geringen Konzentrationen der Spurengase, in Summe
weniger als 0,1 Vol.-%, können diese nicht merklich zur Wärmespeicherung in der Atmo-
sphäre beitragen. Nur H2O in Form von Dampf mit Konzentrationen im Prozent-bereich
der Atmosphäre und auch auf Grund der Wärmen seiner Phasenumwandlungen leistet
einen wesentlichen Beitrag zur Wärmespeicherung.
Tab. 1 Molare Wärmekapazitäten der Gase
a) Einatomige Gase
Element Atomgewicht Cp (J/mol K)
Helium 4 20,76
Neon 20 20,80
Argon 40 20,96
Xenon 131 20,96
b) Zweiatomige Gase
Verbindung Molgewicht Cp (J/mol K)
Wasserstoff H2 2 28,72
Stickstoff N2 28 29,1
Sauerstoff O2 32 29,2
Stickstoffmonoxid NO 30 30,27
Kohlenstoffmonoxid CO 28 29,43
0,78 N2, 0,21 O2, 0,01 Ar 28,96 28,96
c) Drei- und mehratomige Gase
Verbindung Molgewicht Cp (J/mol K)
Wasserdampf H2O 18 33,4
Kohlenstoffdioxid CO2 44 37,2
Methan CH4 16 35,4
Ammoniak NH3 17 35,02
Ethan C2H6 30 50,01
Propan C3H8 44 73,5
Die Werte (Tabellensammlung 2023) wurden bei verschiedenen Temperaturen (0°C, 25°C oder ohne
Temperaturangabe) und bei Normaldruck gemessen. Die Cp-Werte steigen mit der Temperatur
leicht an; das beeinflusst jedoch nicht die Abstufungen zwischen den Fällen a, b und c.
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Die Hauptmenge der Wärme in der Atmosphäre ist in Form kinetischer Energie Etrans der
Bewegung sämtlicher Gasmoleküle, also überwiegend N2 und O2, in der Atmosphäre ge-
speichert. Der TH-Effekt von 33 Grad verteilt sich also auf sämtliche Gase der Atmo-
sphäre entsprechend ihren Konzentrationsanteilen.
2.3 Wärmeaustausch mit dem All
Wärme in der Atmosphäre ist kinetische Energie, Ekin, der Gasmoleküle. Sie gelangt durch
Absorption von IR-Strahlung in TH-Gas-Moleküle, wo sie in Rotations (Erot)- und Schwin-
gungsenergie (Eswing) gewandelt und durch Stoßmechanismen als Translationsenergie (Etrans)
sämtlicher Moleküle in der gesamten Atmosphäre verteilt wird.
Ekin = Etrans + Erot + Eswing [1]
In einem gefüllten Gasraum stehen alle Moleküle durch Stöße ständig miteinander in Kon-
takt, wodurch die Energie in Form einer Gaußschen Glockenkurve verteilt wird. Die ther-
modynamischen Gesetze erlauben keine permanenten Hotspots unter den Molekülen. Der
2. Hauptsatz der Thermodynamik legt die Richtung des Wärmeflusses von den wärmeren
zu den kälteren Molekülen fest.
Die an Gasmoleküle gebundene Energie kann infolge der Schwerkraft, der die Molekü-
le unterliegen, nicht in das All abgegeben werden. Das kann nur in Form von elektro-
magnetischer Strahlung (IR-Photonen) erfolgen. Die TH-Gase funktionieren als Wandler:
Etrans Eswing Ephot [2]
Die durch absorbierte IR-Photonen angeregte Schwingungsenergie der TH-Gas-Moleküle
wird nicht nur als IR-Photon wieder abgegeben, sondern zum Teil über Stöße auch an die
Hauptbestandteile der Atmosphäre weitergeleitet. Umgekehrt kann Wärmeenergie der At-
mosphäre durch Stöße auch in Schwingungen der TH-Gas-Moleküle und schließlich in IR-
Photonen gewandelt werden. Anders hätte die im Stickstoff und Sauerstoff der Atmo-
sphäre gespeicherte Wärme keine Möglichkeit, in das All abzufließen.
Bei der Diskussion der IR-Rückstrahlung zur Erde als Ursache des Wärmestaus wird
bisher kein Unterschied in den Strahlungsintensitäten in allen Richtungen gesehen. Mit
steigender Höhe nimmt jedoch die Dichte der Atmosphäre nach der barometrischen Hö-
henformel und damit auch die Anzahl IR-absorbierender CO2-Moleküle ab: bis 5 km Höhe
etwa auf die Hälfte, bis 10 km auf ein Viertel. Dadurch wird eine mittlere freie Weglänge“
der IR-Quanten in Richtung All stets größer sein als in Richtung Erdoberfläche. Dieses
Verhältnis wird auch bei Verdoppelung der CO2-Konzentration erhalten bleiben. Mit zu-
nehmender Höhe und sinkender Temperatur entfällt durch Kondensation auch der Was-
serdampf als IR-Absorber. Der Ausgang für die IR-Strahlung in Richtung All bleibt also für
die Erdabstrahlung geöffnet.
In den bisherigen Wertungen der TH-Gase werden diese vor allem als Speicher und
Rückhalter von Wärme betrachtet. Ihre Funktion als Wandler und Sender von Energie ins
All bleibt unerwähnt. Wie der ständige Austausch von Energie nach Gleichung [2] im Ein-
zelnen vor sich geht, wurde bisher nicht untersucht: Wie lang ist eine zwecks Anschaulich-
keit formulierbare mittlere freie Weglänge von IR-Photonen bis zum Energieaustausch
durch Stoß? Wie ist die Verweildauer der IR-Quanten in den Molekülen bis zur Abgabe der
absorbierten Energie als IR-Photon oder als kinetische Energie an andere Moleküle? Bei
hoher Dichte der Moleküle wird der Austausch als Translationsenergie dominieren, in grö-
ßerer Höhe, bei geringer Dichte, wird die Energieabgabe in Form von IR-Photonen domi-
nieren. Ein Überwiegen der Rückstrahlung zur Erde und damit eine Störung des Strah-
lungsgleichgewichts ist nicht belegbar.
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3 Schlussfolgerungen
Die Hauptbestandteile der Atmosphäre, Stickstoff und Sauerstoff, tragen am meisten zur
Speicherung von Wärme im Treibhaus Erde bei. Die molaren Wärmekapazitäten der drei-
atomigen TH-Gase Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid, wie auch von Methan, sind nur
wenig höher im Vergleich zu den Hauptbestandteilen der Atmosphäre. Der Beitrag von
Kohlenstoffdioxid und Methan zur Wärmespeicherung ist auf Grund ihrer geringen Kon-
zentration vernachlässigbar. Nur Wasserdampf trägt dank seiner höheren Konzentration
und seinen Umwandlungsenergien wesentlich zur Wärmespeicherung in der Atmosphäre
bei.
Die TH-Gase wirken mit den Schwingungsfreiheitsgraden ihrer Moleküle als Wandler
von IR-Strahlung in Wärme und umgekehrt. Somit wirken sie als Empfänger und Sender
beim Austausch von Energie mit dem All. Die Abstrahlung in Richtung All ist gegenüber
der Rückstrahlung zur Erdoberfläche durch die abnehmende Dichte der Atmosphäre und
die Kondensation des Wasserdampfes mit in der Höhe sinkender Temperatur begünstigt.
Quantitative Kenntnisse zur Wandlung von IR-Photonen in Wärme und umgekehrt,
wie der Sättigungsgrad der Molekülschwingungen, die Verweildauer der Energie im Mole-
kül, die Wandlung von Translations- in Schwingungsenergie und die Freisetzung von IR-
Photonen durch Stöße, sind noch nicht untersucht worden.
Wetter und Klima sind auf Grund zahlreicher sich gegenseitig beeinflussender Faktoren
chaotische Prozesse, die man nicht vorausberechnen kann. Wenn nach Extrapolation we-
niger Daten wie der Temperatur-CO2-Abhängigkeit und den empirischen Werten für so-
wohl Treibhauspotential und Strahlungsantrieb über hundert Jahre Klimakatastrophen und
sogenannte Kipppunkte vorausgesagt werden, ist die Tür für die Entstehung von Ideolo-
gien geöffnet, die zu gewaltigen Transformationen des bisherigen menschlichen Lebens
führen können.
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We present a new estimate of the Earth's heat loss based on a new global compilation of heat flow measurements comprising 24,774 observations at 20,201 sites. On a 5° × 5° grid, the observations cover 62% of the Earth's surface. Empirical estimators, referenced to geological map units and derived from the observations, enable heat flow to be estimated in areas without measurements. Corrections for the effects of hydrothermal circulation in the oceanic crust compensate for the advected heat undetected in measurements of the conductive heat flux. The mean heat flows of continents and oceans are 65 and 101 mW m-2, respectively, which when areally weighted yield a global mean of 87 mW m-2 and a global heat loss of 44.2 × 1012 W, an increase of some 4-8% over earlier estimates. More than half of the Earth's heat loss comes from Cenozoic oceanic lithosphere. A spherical harmonic analysis of the global heat flow field reveals strong sectoral components and lesser zonal strength. The spectrum principally reflects the geographic distribution of the ocean ridge system. The rate at which the heat flow spectrum loses strength with increasing harmonic degree is similar to the decline in spectral strength exhibited by the Earth's topography. The spectra of the gravitational and magnetic fields fall off much more steeply, consistent with field sources in the lower mantle and core, respectively. Families of continental and oceanic conductive geotherms indicate the range of temperatures existing in the lithosphere under various surface heat flow conditions. The heat flow field is very well correlated with the seismic shear wave velocity distribution near the top of the upper mantle.
Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the IPCC [Core Writing Team
IPCC (2023): Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the IPCC [Core Writing Team: Hoesung Lee and José Romero (Eds.)].