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Digitalisierung der Arbeitswelten – die systemische Transformation verstehen. Ein Ausblick

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Abstract

Zusammenfassung Der Artikel analysiert die Digitalisierung der Arbeitswelten als systemische Transformation aus der Perspektive der drei Bewegungsdynamiken Durchdringung, Verfügbarmachung und Verselbstständigung. Mit Hilfe eines interdisziplinären Ansatzes werden die Wechselwirkungen zwischen Mikro-, Meso- und Makroebene beleuchtet. Betont wird die Bedeutung der sozialen, technischen und diskursiven Dimensionen dieses Wandels. Der Beitrag versteht sich als eine erste systematische Einordnung und fasst die digitale Transformation zum jetzigen Zeitpunkt nicht schon als eine von systemischer Qualität, sondern geht von einer proto-transformativen Situation aus.
SabinePfeiffer· ManuelNicklich·
MichaelHenke· MartinaHeßler·
MartinKrzywdzinski· IngoSchulz-Schaeffer
Hrsg.
Digitalisierung
der Arbeitswelten
Zur Erfassbarkeit einer systemischen
Transformation
Digitalisierung der Arbeitswelten
Sabine Pfeiffer · Manuel Nicklich ·
Michael Henke · Martina Heßler ·
Martin Krzywdzinski ·
Ingo Schulz-Schaeffer
(Hrsg.)
Digitalisierung der
Arbeitswelten
Zur Erfassbarkeit einer systemischen
Transformation
Hrsg.
Sabine Pfeiffer
Lehrstuhl für Soziologie am NCT
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen
Nürnberg, Deutschland
Michael Henke
Lehrstuhl für Unternehmenslogistik
TU Dortmund
Dortmund, Deutschland
Martin Krzywdzinski
WZB
Wissenschaftszentrum Berlin
Berlin, Deutschland
Manuel Nicklich
Friedrich-Alexander Universität
Nürnberg, Deutschland
Martina Heßler
Lehrstuhl für Technikgeschichte
TU Darmstadt
Darmstadt, Deutschland
Ingo Schulz-Schaeffer
Institut für Soziologie
Technische Universität Berlin
Berlin, Deutschland
ISBN 978-3-658-44457-0 ISBN 978-3-658-44458-7 (eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7
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bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.
Dieser Band und alle Beiträge erscheinen im Rahmen der ersten Phase des Schwerpunktprogramms 2267 „Digitalisie-
rung der Arbeitswelten“, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Der OpenAccess-Zugang wurde
finanziert durch das Koordinationsprojekt des SPP (Projektnummer 442171541) und durch das Referat Open Access der
FAU Erlangen-Nürnberg.
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Planung/Lektorat: Cori Antonia Mackrodt
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Inhaltsverzeichnis
Einführungsbeitrag
Digitalisierung der Arbeitswelten. Eine systemische
Transformation? ................................................. 3
Sabine Pfeiffer, Manuel Nicklich, Henke Michael, Heßler Martina,
Krzywdzinski Martin und Schulz-Schaeffer Ingo
Durchdringung
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters und
die Entwicklung von Computerdienstleistungen in der
Bundesrepublik .................................................. 37
Michael Homberg
Computer in der Fabrik. Die digitale Transformation in der
Produktionstechnik, 1950 bis 1990 ................................. 67
Nora Thorade und Julia Gül Erdogan
Analysing the Digital Traces of Collaborative Work in Large-Scale
Enterprise Collaboration Systems .................................. 89
Susan P. Williams and Petra Schubert
Flexibility in Digitalised Working Worlds: A Comparative
Perspective on the Use and Implications of Written Digital Work
Communication .................................................. 111
Anja-Kristin Abendroth and Laura Lükemann
V
VI Inhaltsverzeichnis
Organisationswandel und Wahrnehmung der Akzeptanz
von Digitalisierungsprozessen in Unternehmen infolge der
COVID-19-Pandemie ............................................. 135
Nina Delicat, Lorena Herzog, Martin Krzywdzinski,
Florian Butollo, David Wandjo, Jana Flemming, Christine Gerber
und Matthias Danyeli
Digitalisierung, soziale Klasse und Ungleichheit Homeoffice und
das Forschungsprogramm von DigiCLASS ......................... 161
Agnes Fessler, Hajo Holst, Isabell Mader, Steffen Niehoff
und Adrian Scholz Alvarado
Employers’ Muted Interest in Electronic Performance Monitoring
(EPM) ........................................................... 181
Luisa Wieser, Martin Abraham, Claus Schnabel, Cornelia Niessen
and Mauren Wolff
Verfügbarmachung
Analyzing Distributed Action in the Making by Comparing
Human-Robot Co-Work Scenarios ................................. 205
Ingo Schulz-Schaeffer, Tim Clausnitzer, Kevin Wiggert
and Martin Meister
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung und
Transformation von Wertschöpfung in der Teilefertigungsbranche .... 231
Florian Butollo, Lea Schneidemesser und Simon Scheffler
Exit, Voice, and Networks. Die Digitalisierung als Katalysator für
Widerspruch und Netzwerkbildung in Organisationen ............... 253
Lene Baumgart
Algorithmisches Management jenseits der Plattformökonomie.
Digitale Assistenzsysteme in Industrie und Logistik .................. 269
Patricia de Paiva Lareiro
Plattformen für Essenslieferungen in Deutschland. Ist
Selbstständigkeit (k)ein Thema? ................................... 287
Katharina Legantke
Inhaltsverzeichnis VII
Verselbständigung
The Social Paradigm of Automation ................................ 311
Michael Betancourt
Künstliche Intelligenz in der Praxis der Arbeit. Kontingenz und
Selektivität als Merkmale einer systemischen Transformation ........ 327
Michael Heinlein und Norbert Huchler
Digitalisierung als Strategie. Brüche und Widersprüche in der
Steuerung von Arbeit ............................................. 345
Konstantin Klur, Sarah Nies und Samuel Rieger
Ungleichheitsreproduktion im digitalisierten Arbeitsmarkt.
Bedingungen und Folgen virtueller Inszenierungen von
Arbeitskraft ..................................................... 371
Hans J. Pongratz
Alles unter Kontrolle? Autonomie- und
Kontrollwahrnehmung in digitalen Arbeitskontexten von
Hochzuverlässigkeitsorganisationen ................................ 391
Mona-Maria Bardmann, Matthias Klumpp, Laura Künzel
und Caroline Ruiner
Transformation erforschen
Die digitale Transformation von Arbeit vermessen und
verstehen. Ein interdisziplinärer und methodischer Dialog
zwischen Wirtschaftswissenschaft und Arbeitssoziologie ............. 415
Ronald Bachmann und Sabine Pfeiffer
Gender Forcing. Zur (Un)Sichtbarkeit wirkmächtiger
Genderkonstruktionen in Forschungsprozessen ..................... 443
Lene Baumgart, Katharina Braunsmann, Alice Melchior,
Jasmin Schreyer und Regina Wittal
Eröffnung neuer Vergleichsräume durch Co-Ethnografie.
Digitalisierung im Jugendamt und Krankenhaus .................... 459
Stefanie Büchner, Katharina Braunsmann, Korbinian Gall
und Justus Rahn
VIII Inhaltsverzeichnis
Ironies of automation revisited. Eine experimentelle Studie zur
Mensch-Technik-Interaktion bei der Arbeit mit autonomen
Systemen ........................................................ 477
Martin Krzywdzinski, Philip Wotschack, Gergana Vladova
und Norbert Gronau
Wie nehmen Arbeitnehmende die Digitale Transformation und
ihre Auswirkungen wahr? Validierung eines Messinstruments auf
Basis der Theory of the Smart Machine ............................. 503
Richard Guse, Scott Thiebes, Phil Hennel, Christoph Rosenkranz
und Ali Sunyaev
Mixed-Method Approaches to Capture Digitalisation. The Case
of Networked Digital Technology Permeation in German Hospitals .... 531
Alice Melchior, Sebastian Schongen and Reinhard Pollak
Schlussbetrachtung
Digitalisierung der Arbeitswelten die systemische
Transformation verstehen. Ein Ausblick ............................ 559
Sabine Pfeiffer, Manuel Nicklich und Jasmin Schreyer
Einführungsbeitrag
Digitalisierung der Arbeitswelten. Eine
systemische Transformation?
Sabine Pfeiffer, Manuel Nicklich, Henke Michael,
Heßler Martina, Krzywdzinski Martin
und Schulz-Schaeffer Ingo
Teile dieser Einführung basieren auf dem Initialantrag zum DFG-Schwerpunktprogramm
2267„Digitalisierung der Arbeitswelten“ (vgl. dazu die Kurzfassung Henke et al. 2018).
S. Pfeiffer (B)·M. Nicklich
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland
E-Mail: sabine.pfeiffer@fau.de
M. Nicklich
E-Mail: manuel.nicklich@fau.de
H. Michael
Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, Dortmund, Deutschland
E-Mail: michael.henke@tu-dortmund.de
H. Martina
TU Darmstadt, Darmstadt, Deutschland
E-Mail: hessler@pg.tu-darmstadt.de
K. Martin
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialwissenschaften, Berlin, Deutschland
E-Mail: martin.krzywdzinski@wzb.eu
S.-S. Ingo
TU Berlin, Institut für Soziologie, Berlin, Deutschland
E-Mail: schulz-schaeffer@tu-berlin.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_1
3
4 S. Pfeiffer et al.
1 Ein interdisziplinärer Blick auf die Digitalisierung
von Arbeit als Transformation
Das 2021 gestartete DFG-Schwerpunktprogramm 2267 „Digitalisierung der
Arbeitswelten“ vertrat von Beginn an die These, die Digitalisierung der Arbeits-
welten vollziehe sich als eine systemische Transformation, die alle Institutionen-
systeme der Arbeitsgesellschaft grundlegend und nachhaltig verändert. In der
ersten Förderphase erforschten 15 geförderte und acht assoziierte Projekte die
digitale Transformation als ein Zusammenwirken von drei Prozessdimensionen,
in denen dieser soziotechnische Wandel sozial vorbereitet, technisch ermöglicht
und diskursiv ausgehandelt sowie gesellschaftlich bewältigt wird.
Obwohl zum Zeitpunkt der Erstellung des SPP-Initialantrags (Henke et al.
2018) schon zahlreiche Studien über die Digitalisierung von Arbeit existier-
ten, war und ist ein Großteil der Forschung zum Thema fachwissenschaftlich
stark fragmentiert und oft orientiert an einzelnen technischen Phänomenen. Das
SPP dagegen ist angetreten, die gesellschaftlichen Bedingungen und Bearbei-
tungsformen der aktuellen Digitalisierung für die Arbeitsgesellschaft als Ganzes
zu erforschen. Der Blick richtet sich dabei insbesondere auf die Dynamik und
Wirkmacht dieser systemischen das heißt ungleichzeitigen, wechselwirken-
den und widersprüchlichen Transformation. Interdisziplinär analysieren dazu
sozial-, wirtschafts- und geschichtswissenschaftliche Disziplinen die sich voll-
ziehenden Neukonfigurationen von Arbeit und Technik, die damit verbundenen
vielschichtigen Dynamiken des Wandels und veränderte Formen und „Orte“ der
Wertschöpfung.
Weder historisch noch empirisch noch theoretisch ist Digitalisierung bis-
lang eindeutig operationalisiert. Das SPP traf daher bewusst zunächst keine
theoretischen oder empirischen Vorentscheidungen zum Begriff der digitalen
Transformation. Um den interdisziplinären Bezug zwischen den verschiedenen
Projekten, empirischen Feldern und methodischen wie theoretischen Zugriffen
systematisch zu ermöglichen, ist das gesamte Vorhaben und damit auch dieser
Band konturiert von einer doppelten Heuristik:
Erstens geht es theoretisch-konzeptionell um die Bestimmung von drei über-
greifenden, ineinander wirkenden bzw. verflochtenen Bewegungsdynamiken:
Durchdringung (z. B. von digitalen Arbeitsprozessen), Verfügbarmachung
(z. B. von Daten über einzelne Arbeitshandlungen) und Verselbstständigung
(z. B. von datengetriebenen Wertschöpfungsketten).
Zweitens und quer dazu erforscht das SPP entlang einer empirisch-analytisch
ausgerichteten Heuristik die digitale Transformation (1) auf der Mikroebene
Digitalisierung der Arbeitswelten. 5
im Wechselspiel von Arbeitssubjekten bzw. -praktiken mit digitalen Arte-
fakten, (2) auf der Mesoebene im Wechselspiel von Unternehmens- und
Netzwerkstrukturen und digitalen Systemen, und (3) auf der Makroebene
(arbeits-)gesellschaftlicher Institutionengefüge und digitaler Infrastrukturen.
Die in diesem Band versammelten Beiträge stellen Ergebnisse der Forschungsar-
beiten des SPP aus der ersten Förderphase (2020–2023) vor. Diese Forschungen
zielten zwar darauf ab, Einzelphänomene der Digitalisierung zu untersuchen und
die interdisziplinäre Anschlussfähigkeit dieser Arbeiten herzustellen. Sie orien-
tierten sich aber bereits an der hier einleitend zunächst nur kurz vorgestellten
Heuristik der Bewegungsdynamiken der Digitalisierung als einer systemischen
Transformation der Arbeitswelten. Für die zweite, 2023 beginnende Förder-
phase soll ein übergreifendes gesellschaftsanalytisch-historisches Verständnis der
Digitalisierung als systemische Transformation erarbeitet werden (Abb. 1).
Abb. 1 Heuristiken und Perspektiven des SPP „Digitalisierung der Arbeitswelten“
6 S. Pfeiffer et al.
2 Zur Ausgangsthese: Digitalisierung der
Arbeitswelten als systemische Transformation
Unter dem Begriff der Digitalisierung wird seit einigen Jahren eine neue Qua-
lität der informationstechnischen Durchdringung verschiedenster wirtschaftlicher
und gesellschaftlicher Sphären diskutiert, deren Potenzial zusammengenommen
als grundlegender Wandel von gesamtgesellschaftlichem Ausmaß gesehen wird.
Besonders weitreichende Veränderungen werden im Bereich der Arbeitswelt
erwartet. Die Rede von einer „vierten industriellen Revolution“ (Schwab 2016;
Siepmann 2016) bringt dies ebenso zum Ausdruck wie die Diskussion über
Arbeit 4.0 (BMAS 2016). Gerechnet wird mit einer neuen Qualität des Wan-
dels, der mit bisherigen Formen der Informatisierung nicht mehr zu fassen sei.
Dies wird vor allem auch mit der Vielzahl und Unterschiedlichkeit neuer digita-
ler Technologien begründet: von Big Data bis zu künstlicher Intelligenz (KI) und
Machine Learning; von adaptiver oder kollaborativer Robotik bis zum 3D-Druck
und schließlich mit umfassenden Formen der Vernetzung von realen und virtuel-
len Welten in cyber-physischen Systemen (dem Internet der Dinge) oder am/im
Körper getragenen Wearable Devices.
Befürwortende Stimmen aus Industrie und Industriepolitik verbinden mit die-
sen technischen Optionen positive Prognosen für die Weiterentwicklung des
Industriestandortes und treiben sie als Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ gezielt
voran (Kagermann et al. 2013; agiplan et al. 2015). Von BMBF und BMWi initi-
ierte und moderierte Plattformen zu den Themen „Industrie 4.0“ und „Lernende
Systeme“ binden unterschiedlichste Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft
sowie die Sozialpartner ein und sollen so den Prozess gesellschaftlich gestaltbar
machen. Das BMAS hat parallel unter dem Titel „Arbeiten 4.0“ einen Diskurs
über die sozial- und arbeitspolitischen Auswirkungen gestartet. Akademische Ein-
ordnungen diagnostizieren entweder eine neue Entwicklungsstufe des digitalen
oder kybernetischen Kapitalismus (Betancourt 2015; Nachtwey und Staab 2015;
Buckermann et al. 2017; Staab 2019; Pfeiffer 2022), neue Chancen einer digita-
len sozialen Marktwirtschaft (z. B. Wambach und Müller 2018) oder eine vierte
Medienepoche der Menschheitsgeschichte (Baecker 2018). Jenseits des Hypes um
„Industrie 4.0“ sind sich Visionen und Mahnungen, Befürwortende und Kritisie-
rende weitgehend einig, dass die gegenwärtige Stufe der informationstechnischen
Durchdringung die Arbeitswelt grundlegend verändert wird, wie sich bereits heute
vielfach erkennen lässt. Vor dem Hintergrund dieser technischen Entwicklun-
gen und der sie begleitenden gesellschaftlichen Diskurse ist es das Ziel des
Digitalisierung der Arbeitswelten. 7
SPP, die sich im Zuge der Digitalisierung abzeichnenden, grundlegenden Ver-
änderungen der Arbeitswelt empirisch zu erfassen, historisch einzuordnen und
gesellschaftswissenschaftlich zu analysieren.
Das SPP befasst sich mit der Frage, ob der soziotechnische Prozess der
Digitalisierung den Charakter einer systemischen Transformation hat und was
diese dann ausmacht. Mit dem Begriff der systemischen Transformation bezeich-
nen wir einen multidimensionalen Wandlungsprozess, der Arbeitsprozesse auf
der betrieblichen Mikroebene, Wertschöpfungsketten und Branchenstrukturen auf
der Mesoebene und das Institutionensystem des Arbeitsmarktes verändert. Dar-
über hinaus wirkt er sich auf andere, mit ihm verbundene gesellschaftliche
Institutionen auf der Makroebene aus.
In den vielfältigen und stark differenzierten Arbeitswelten wird die Digitalisie-
rung unterschiedlich aufgenommen, ausgehandelt und gestaltet mit wiederum
uneinheitlichen und wechselwirksamen Folgen. Deshalb ist ein differenzierter
Zugriff auf das Forschungsfeld notwendig. Es geht nicht darum, „die“ Digita-
lisierung und ihre Folgen für „die“ Arbeitswelt aus verschiedenen disziplinären
Sichtweisen additiv zu beleuchten. Ziel des Vorhabens ist vielmehr, den Prozess
der Digitalisierung als systemische Transformation in seiner Vielschichtigkeit,
Widersprüchlichkeit und Ungleichzeitigkeit bzw. Pluritemporalität verstehbar zu
machen. Nachfolgend wird daher der Forschungsstand nicht entlang disziplinärer
Schneidungen, sondern zunächst entlang dreier inhaltlich-leitender Fragestel-
lungen beleuchtet: Die digitale Transformation der Arbeitswelt wird als ein
Prozess soziotechnischen Wandels begriffen, der (1) durch eine neue Stufe
informationstechnischer Durchdringung technisch ermöglicht wird, der (2) durch
Auseinandersetzungen mit früheren Stufen der Informatisierung und Automati-
sierung von Arbeit sozial vorbereitet worden ist und der (3) gegenwärtig von
Akteuren aus Industrieverbänden und Wirtschaftsunternehmen, Gewerkschaften,
Wirtschafts-, Forschungs- und Arbeitspolitik, Wissenschaft und gesellschaftlicher
Öffentlichkeit diskursiv ausgehandelt und regulativ, betrieblich, institutionell und
letztlich gesellschaftlich bewältigt und damit konkret gestaltet werden muss.
2.1 Technisch ermöglicht: Neue Qualität der
Digitalisierung
In der aktuellen gesellschaftlichen Debatte werden die Begriffe „Digitalisie-
rung“ und „Industrie 4.0“ zwar häufig als rhetorische Begriffe verwendet, um für
technische Zukunftsversprechen zu werben und forschungs- und industriepoliti-
sche Agenden voranzutreiben. Nichtsdestotrotz gibt es, darin ist Hirsch-Kreinsen
8 S. Pfeiffer et al.
und ten Hompel (2017, S. 358) zuzustimmen, „durchaus überzeugende Argu-
mente dafür, dass gegenwärtig ein technologischer Entwicklungsschub Platz
greift, dessen strukturelle Konsequenzen bislang kaum absehbar sind“. Die
Geschichtswissenschaft diskutiert seit Längerem die Periodisierung technologi-
scher Entwicklungen (von der Informatisierung über die „Computerisierung“ bis
zur Digitalisierung). Erste Arbeiten ordnen technologische Verschiebungen in
den Arbeitswelten zeitlich ein und diskutieren die Frage der „Neuheit“ (vgl.
Danyel 2012; Hachtmann 2015). Aus der technischen Perspektive ist das Neue
der Digitalisierung der Arbeitswelten durch zwei zentrale Merkmale gekennzeich-
net: erstens durch eine umfassende und durchgängige digitale „Vernetzung aller
menschlichen und maschinellen Akteure über die komplette Wertschöpfungsket-
te“ und zweitens durch „die Digitalisierung und Echtzeitauswertung aller hierfür
relevanten Informationen“ (Roth 2016, S. 4), also durch die cyber-physische
Integration der Arbeits- und Produktionsprozesse in Raum und Zeit mit den
auf sie bezogenen digitalen Datenbeständen. Siepmann (2016) sieht in diesem
Zusammenhang fünf wesentliche Neuerungen in der industriellen Produktion:
(1) vertikale und horizontale Integration aller unternehmensinternen Systeme,
(2) dezentrale Intelligenz, (3) dezentrale Steuerung, (4) durchgängiges digitales
Engineering und (5) cyber-physische Produktionssysteme (vgl. auch Bauernhansl
et al. 2014). Aber nicht nur die industrielle Produktion ist betroffen: Lernende
Systeme halten Einzug in die medizinische Diagnostik und in das Finanz- und
Versicherungswesen (Contractor und Telang 2017; Skilton und Hovsepian 2018);
Crowdworking und Crowdsourcing-Plattformen verändern Innovationsprozesse
(Leimeister und Zogaj 2013;Nagle2018; Petriglier et al. 2018); neue Robotik
soll den industriellen Käfig verlassen, aber auch im Pflege- und Dienstleistungs-
bereich eingesetzt werden (Compagna et al. 2011; Decker et al. 2017; Pfannstiel
et al. 2017) und ganze Gebäude und Städte sollen „smart“ werden (Meier und
Portmann 2016; Morandi et al. 2016). Quer zu gewachsenen Branchen-, Berufs-
und Qualifikationsschneidungen scheint keine unserer vielfältigen Arbeitswelten
von den neuen Technologien unberührt zu bleiben. Besonders markant zeigt sich
die neue Qualität der durchgängigen digitalen Vernetzung im Bereich der soge-
nannten Plattform- oder Gig-Ökonomie. Diese „Uberization“ (Davis 2015) wird
möglich durch das radikale Senken der Transaktionskosten, wodurch nicht nur
völlig neue Geschäftsmodelle (Langley und Leyshon 2017), sondern auch neue
und prekäre Formen der Solo-Selbstständigkeit entstehen (Kenney und Zysman
2016;Huws2017).
Digitalisierung der Arbeitswelten. 9
2.2 Sozial vorbereitet: Gesellschaftliche
Voraussetzungen
Jede neue technische Möglichkeit, die als Innovation gesellschaftlich wirk-
sam wird, wird nur als soziotechnische Innovation wirksam (Hirsch-Kreinsen
2014) und trifft unweigerlich auf Pfadabhängigkeiten (Hirsch-Kreinsen 2018).
Selbst radikale Veränderungen basieren auf graduellen Transformationsprozessen
(Dolata 2011). Die historische Forschung belegt dies unter anderem am Bei-
spiel der Industrialisierung und der Frage der „Revolution“ (vgl. Hahn 2005).
Das bedeutet für das SPP, dass nicht nur die technischen, sondern ebenso die
sozialen Ermöglichungsbedingungen der digitalen Transformation in den Blick
zu nehmen sind, die ohnehin nur analytisch trennbar sind. Aus sozialwissen-
schaftlicher Perspektive können Veränderungen auf der betrieblichen Mikroebene
und auf der Makroebene der Arbeitsmarktregulierung als Voraussetzungen der
heutigen Digitalisierung aufgefasst werden. So hat die sozialwissenschaftliche
Forschung zu Lean-Production-Konzepten in den 1990er und 2000er Jahren
die systematische Standardisierung von Arbeitsprozessen beschrieben (Springer
1999). Weiter zurückreichende Vorläufer der Standardisierung (Danyel 2012)
schufen die Grundlage für die heutige Implementierung digitaler Technologien
und die damit verbundene Objektivierung von Wissen und Etablierung neuer
Kontrollformen. Diese Mechanismen verdichten sich aktuell zum Phänomen eines
„digitalen Fließbands im Büro“ (Boes et al. 2018). Die Deregulierung der Arbeits-
märkte und Förderung atypischer Beschäftigungsverhältnisse (Emmenegger et al.
2012) haben bereits vor der Plattformökonomie zu einer Segmentierung in Kern-
und Randbelegschaften geführt (Castel und Dörre 2009). Das zeitlich und ört-
lich entgrenzte Arbeiten ist längst so weit verbreitet, dass Auswirkungen der
damit verbundenen neuen Formen von Belastung ebenso erforscht werden wie
neue Chancen für die Vereinbarkeit (Heiden und Jürgens 2013; Carstensen 2015;
Messenger et al. 2017). Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive schuf das in
den 1990er Jahren entwickelte Konzept des „Business Process Reengineering“
(Johansson et al. 1994) eine wichtige Voraussetzung für die heutigen Prozesse
der Digitalisierung. Daten- und kennzahlenbasierte Prozessoptimierung und Kon-
zentration auf Kernkompetenzen zählten zu dessen Kernelementen. Mit dem
Outsourcing vieler Aufgaben und Offshoring (Boes und Kämpf 2011) entwickel-
ten sich netzwerkförmige Strukturen (Sydow und Auschra 2022) sowie Formen
digital und global verteilter Arbeit und damit Vorläufer von Crowdwork und
Plattformökonomie.
10 S. Pfeiffer et al.
2.3 Diskursiv ausgehandelt, gesellschaftlich bewältigt:
Gesellschaftliche Bearbeitung
Gesellschaftliche Diskurse, die technische Neuerungen als vielversprechende
Technologien thematisieren und Zukunftsbilder ausmalen, wie der Einsatz die-
ser Technologien die gesellschaftliche Wirklichkeit verändern (verbessern, ver-
schlechtern) wird, tragen zur Entstehung (oder Verhinderung) dieser vorgestellten
zukünftigen Wirklichkeiten bei. Denn diese möglichen soziotechnischen Zukünfte
aktivieren innovationsrelevante Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und
gesellschaftlicher Öffentlichkeit als Unterstützer und Förderer oder als Kritiker
und Opponenten. Diese Mobilisierung mündet dann gegebenenfalls in ein Agenda
Setting, mit dessen Hilfe immer konkretere Schritte ausgearbeitet und vereinbart
werden, die eine zunächst nur vorgestellte soziotechnische Zukunft herbeifüh-
ren sollen (Lente und Rip 1998; vgl. Borup et al. 2006). „Industrie 4.0“ ist ein
in diesem Sinne hochgradig realitätswirksames Technologieversprechen (Hirsch-
Kreinsen 2016). Die zahlreichen dazu geführten Diskurse (Matuschek 2016;
Pfeiffer 2017) sind weder ein reines „Visioneering“ (McCray 2012), initiiert von
akademischen Technikentwicklern zur Fördermittelakquise, noch echte partizipa-
tive Technikgestaltungsprozesse, wie sie etwa in der Technikfolgenabschätzung
vorgesehen sind (Simonis 2013; Lüder 2014). Die aktuell zu beobachtenden
Diskurse sind selbst ein Phänomen der gesellschaftlichen Bearbeitung der Digita-
lisierung und der Aushandlung unterschiedlicher Interessen. Sie verlassen mit den
beteiligten Akteuren die politischen Arenen der institutionalisierten Plattformen
und dringen vor in gewerkschaftliche Gremien, bilden sich ab in verbandspoli-
tischen Strategien und müssen schließlich auf betrieblicher Ebene sehr konkret
in Technik- und Arbeitsgestaltungsprozessen umgesetzt werden. Echte Beteili-
gungsprozesse der betroffenen Beschäftigten (Luo 2017; Totterdill 2017)sind
dabei noch ebenso selten, wie neue Formen einer Mitbestimmung 4.0 (Haipeter
2018).
Zur gesellschaftlichen Bearbeitung der aktuellen Digitalisierung werden
zunehmend auch zeithistorische Studien relevant. Das gilt insbesondere für eine
auf die Arbeitswelt gerichtete Geschichtsschreibung, die von Problemlagen der
Gegenwart ausgeht (Doering-Manteuffel et al. 2008; Andresen et al. 2011;Süß
und Süß 2011). So sind betriebliche Erfahrungen mit früheren Automatisierungs-
ansätzen wie etwa am Beispiel der „Halle 54“ (Heßler 2014) aufschlussreich
für das Verständnis, warum heute im Zukunftsbild von Industrie 4.0 betont der
„Mensch im Mittelpunkt“ steht. Aus historischer Perspektive sind auch Erfahrun-
gen der Gewerkschaften mit früheren Automatisierungsschüben zentral, um deren
Digitalisierung der Arbeitswelten. 11
Strategien im Umgang mit der aktuellen digitalen Transformation der Arbeitswelt
einzuordnen (Hindrichs et al. 2000; Platz 2010; Andresen 2014;Uhl2014).
3 Empirische Analysedimensionen der
Digitalisierung der Arbeitswelten
Mit der Annahme der systemischen Qualität der Transformation stellen sich ange-
sichts dieser Herausforderungen neue Fragen an die Erfassung und Erfassbarkeit
des Wandels von Arbeit quer zu den etablierten Disziplingrenzen und jen-
seits der bekannten empirischen Methoden, Forschungsparadigmen und Verfahren
der Datengewinnung und -interpretation. Umfassende empirische Untersuchun-
gen des Digitalisierungsprozesses sind selten. In der sozial-, wirtschafts- und
geschichtswissenschaftlichen Forschung stehen zwar zahlreiche bewährte Ansätze
zur Untersuchung einzelner Phänomene bereit, aber deren Anwendbarkeit und
Reichweite werden angesichts des transformativen Charakters und der Strahlkraft
der aktuellen Entwicklungen angezweifelt. Ein zentrales Ziel der hier versammel-
ten Forschungen aus der ersten Förderphase des SPP war daher, das theoretische
und methodische Repertoire der mit Arbeit und Technik befassten Teildisziplinen
systematisch weiterzuentwickeln. Insbesondere sollten inter- und transdisziplinäre
Perspektiven im Hinblick auf die Digitalisierung der Arbeitswelt entwickelt wer-
den. Damit verbunden war eine systematische Überprüfung der Tragfähigkeit und
Reichweite vorhandener Analysekonzepte und Theorien für den Untersuchungs-
gegenstand. Diese gilt es gegebenenfalls zu modifizieren bzw. zu erweitern und
miteinander zu verknüpfen. Nach wie vor besteht vor allem Bedarf an Grundla-
genforschung, die das Verhältnis von Arbeit und Technik systematisch fasst und
den Eigensinn der Technik ernst nimmt, ohne technikdeterministisch zu operieren,
sowie die transformative Dynamik nicht in ein Vorher und Nachher spaltet und
diese stattdessen multitemporal konzipiert. Zudem darf Technik nicht auf einzelne
Artefakte reduziert, sondern sollte als ein Ensemble von Artefakten, Infrastruktu-
ren, Praktiken und Regelsystemen aufgefasst werden. Auf diese Weise kann die
Analyse von Arbeitsprozessen auf betrieblicher Ebene mit übergeordneten Fragen
und Analyseebenen verbunden werden.
Das Schwerpunktprogramm will mittels Grundlagenforschung die Theorie-
, Methoden- und Konzeptentwicklung zum Prozess der Digitalisierung der
Arbeitswelt vorantreiben. Dies umfasst eine Untersuchung des Digitalisierungs-
prozesses auf allen relevanten Analyseebenen von der gesellschaftlichen Regu-
lierung über Branchen und Industrien, Wertschöpfungsketten, Einzelbetriebe und
Arbeitsprozesse bis hinunter zur Ebene des Arbeitsplatzes und des arbeitenden
12 S. Pfeiffer et al.
Individuums. Insbesondere gilt es, auf empirischer Grundlage auch die wech-
selseitige Verschränktheit verschiedener Analyseebenen zu berücksichtigen, um
so den systemischen Charakter des sich vollziehenden Transformationsprozesses
angemessen in den Blick zu bekommen und konzeptionell fassen zu können.
Anhand der empirischen Einzelprojekte und ihrer in diesem Band versammel-
ten ersten Ergebnisse soll der Prozess der Genese, der Implementation und des
Einsatzes digitaler Technik im Arbeitsprozess sowie deren Einbettung in die
Organisation (einschließlich der durch sie bedingten Veränderung bzw. Auflö-
sung von Betriebsgrenzen und Virtualisierung von Arbeitsprozessen) in seiner
Wechselwirkung mit ökonomischen, politischen, kulturellen und institutionellen
Rahmenbedingungen systematisierend analysiert und theoretisiert werden. Das
schließt explizit auch historische und gesellschaftstheoretische Sichtweisen ein.
Entfaltet wird damit eine Perspektive, die vermittelt über die Weiterent-
wicklung und Verbindung unterschiedlicher disziplinärer Ansätze, Theorien und
Methoden der Arbeits(markt)-, Technik-, Wirtschafts-, Geschichts- und Orga-
nisationsforschung der Erfassung und der Erfassbarkeit der Digitalisierung von
Arbeit als systemischem Transformationsprozess dient. Dies beinhaltet auch, Kon-
tinuitäten und Brüche in ihrer Entwicklung zu berücksichtigen und insbesondere
die wechselseitige Verschränktheit der nachfolgend skizzierten Analyseebenen zu
durchdringen.
Für die Erforschung der Digitalisierung der Arbeitswelt in ihrer Qualität als
systemische Transformation werden die drei vorgestellten Dimensionen (soziale
Vorbereitung, technische Ermöglichung, soziale Aushandlung und Gestaltung)
zu orientierenden Leitfragen. Dabei geht es vor allem um die Verbindungen
zwischen diesen drei Dimensionen, wobei jeweils auch die historischen Linien
und Temporalitäten sowie Kontinuitäten und Brüche betrachtet werden. Mit
diesen drei Leitfragen zielt das SPP insgesamt auf eine grundlagenorientierte
gesellschaftswissenschaftliche Analyse der digitalen Transformation der Arbeits-
welten, durch die grundlegende Prozessdynamiken und Strukturbildungsprozesse
des interessierenden soziotechnischen Wandels identifiziert, ihre Entstehungsbe-
dingungen rekonstruiert und ihre Wirkungsweisen erklärt werden sollen. Der
bisherige gesellschaftswissenschaftliche Forschungsstand zu den aktuellen Digita-
lisierungsprozessen lässt sich am präzisesten entlang von den drei Analyseebenen
beschreiben, die auch eine zentrale empirische Heuristik des Forschungspro-
gramms bilden werden. Diese sind erstens die Digitalisierung der Arbeitssubjekte
und -praktiken, zweitens die Digitalisierung von Unternehmen und Wertschöp-
fungsketten und drittens die Digitalisierung von (arbeits-)gesellschaftlichen Insti-
tutionengefügen. In den Blick genommen werden damit die Mikro-, Meso- und
Digitalisierung der Arbeitswelten. 13
Makroebene der transformativen Wirkungen und Voraussetzungen der Digitali-
sierung.
3.1 Digitalisierung von Arbeitssubjekten und
Arbeitspraktiken
Im Diskurs über zukünftige gesellschaftliche Folgen der digitalen Transformation
der Arbeitswelt haben solche Diagnosen besondere öffentliche Aufmerksamkeit
erfahren, die drastische Auswirkungen auf Arbeit und Beschäftigung prognosti-
zieren. Dies sind vor allem Prognosen zu quantitativen Beschäftigungseffekten der
Digitalisierung. Beträchtlichen Widerhall hat eine zuerst 2013 publizierte Studie
von Frey und Osborne gefunden, in der die Wahrscheinlichkeit abgeschätzt wird,
mit der Berufstätigkeiten zukünftig der Computerisierung und Automatisierung
zum Opfer fallen. Auf Grundlage einer Einzelbetrachtung von 702 unterschied-
lichen Berufen kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass für 47 % aller
Arbeitsplätze in den USA ein hohes Risiko bestehe, in den nächsten 10 bis
20 Jahren automatisiert zu werden (Frey und Osborne 2017). Andere Studien
mit vergleichbaren methodischen Ansätzen sagen für Deutschland zwar weniger
dramatische Zahlen voraus (Bonin 2015; Dengler und Matthes 2015), zeichnen
aber für einzelne Tätigkeiten ebenfalls hohe Substituierungspotenziale. Diese auf
Makrodaten und Zukunftsprognosen orientierte Forschung erfasst allerdings kaum
die Komplexität des Zusammenspiels neuer Technologien auf der Mikroebene
konkreten Arbeitshandelns im betrieblichen Kontext (Pfeiffer und Suphan 2020).
Insbesondere in der arbeitssoziologischen Diskussion wird daher Kritik an die-
sen Diagnosen formuliert. Diese Forschungstradition betont die zentrale Rolle
betrieblicher Strategien und arbeitspolitischer Leitbilder im Hinblick auf die
Folgen der Implementierung von Technik und verneint einen deterministischen
Zusammenhang zwischen Technik, Qualifikationen und Beschäftigung (vgl. Pfeif-
fer 2018). Bereits seit den 1970er Jahren zeigten Studien (Kern und Schumann
1970), dass die Automatisierung je nach betrieblicher Strategie und Tätigkeitsbe-
reich sowohl Re- als auch Dequalifizierungspotenziale aufwies. Die bereits in den
1960er und 1970er Jahren kursierenden Prognosen einer technikbedingten Mas-
senarbeitslosigkeit (vgl. Woirol 1996) erfüllten sich nicht. Der Bruch mit technik-
deterministischen Perspektiven wurde vollends Ende der 1980er Jahre vollzogen,
als die Diskussion über neue Produktionskonzepte und Lean Production einsetzte.
Dabei zeigten sich ländervergleichend unterschiedliche Organisations- und Tech-
nikstrategien. Deutlich wurde, dass Automatisierung kein Königsweg zu höherer
Produktivität und Qualität war, sondern dass organisationsbezogene Faktoren
14 S. Pfeiffer et al.
wesentlich die Leistungsfähigkeit der Unternehmen beeinflussten (Sauer 1991;
Adler 1992; Jürgens et al. 1993).
Diese Diskussionen prägen die Arbeitssoziologie bis heute. In den ersten Ana-
lysen zur Digitalisierung von Arbeitsprozessen (Hirsch-Kreinsen et al. 2018;
Huchler und Pfeiffer 2018) wird die Bedeutung betrieblicher Akteurskonstel-
lationen und Strategien betont (Kuhlmann und Schumann 2015). So analysiert
etwa Haipeter (2018), wie sich das Handeln von Management und Betriebsrä-
ten und die Besonderheiten des jeweiligen Produktionsprozesses auf den Einsatz
der Technologien und deren Folgen für Arbeit auswirken. Ein Befund dieser
Forschung ist das strukturkonservative Verhalten der Betriebe und der gra-
duelle Charakter der Veränderungen, der bislang die Arbeitsorganisation und
Qualifikationsstrukturen kaum verändere (Butollo et al. 2018; Hirsch-Kreinsen
2018).
Dieser Argumentation widerspricht allerdings der Ansatz der Informatisierung
(Pfeiffer 2004; Baukrowitz et al. 2006; Schmiede 2015; Boes et al. 2016), der ab
Mitte der 1990er Jahre die Prozesse der Einführung von Computern und Inter-
net in Betrieben analysiert. Informatisierung wird hier als ein langer historischer
Prozess der Standardisierung und Objektivierung von Wissen aufgefasst. Dar-
aus resultieren Prognosen einer zunehmenden digitalen Kontrolle von Arbeit und
der Entwicklung eines „digitalen Fließbands im Büro“ (Boes et al. 2018). Aktu-
elle Studien in der Tradition der Labour Process Theory verwenden ähnliche
Begründungen, wenn sie die Rolle von Kontrollinteressen des Managements bei
der Gestaltung digitaler Technologien im Betrieb hervorheben (vgl. Levy 2015;
Moore 2018).
Geschichtswissenschaftliche Studien gelangten zu vergleichbaren Schlussfol-
gerungen wie die arbeitssoziologische Forschung. Einige Studien untersuchten
die subjektiven Erfahrungen, Wahrnehmungen und Reaktionen von Beschäftig-
ten in Prozessen beschleunigten technologischen Wandels (Schemmer 2018).
Andere analysierten die Haltungen, Reaktionen und Strategien von Gewerkschaf-
ten (Hindrichs et al. 2000; Andresen 2014) und konzentrierten sich auf die
Möglichkeiten der Gestaltung des technologischen Wandels (Automatisierung/
Digitalisierung) durch gewerkschaftliche Akteure (Platz 2010;Uhl2014). Tech-
nologiepolitische Akteure, Unternehmen oder IT-Fachkräfte gerieten allerdings
bislang kaum in den Blick der geschichtswissenschaftlichen Forschung.
Als relevant für ein Verständnis des aktuellen Transformationsprozesses erwei-
sen sich zudem Arbeiten aus dem Kontext der Computergeschichte, insbesondere
wo sie die Einführung des Computers in der Logistik, in Verwaltungen und
Banken ab den 1950er Jahren untersuchen (Klenke 2008; vgl. auch Hürlimann
et al. 2009). Sie zeigen den damit verbundenen Wandel der Organisationen, der
Digitalisierung der Arbeitswelten. 15
Arbeitsprozesse und Praktiken sowie die Probleme der Anfangsphase und den
Widerstand von Arbeitnehmer*innen auf. Sie machen deutlich, dass die Einfüh-
rung des Computers oft mit dem Bestreben nach Verfügbarmachung, Kontrolle
von Daten und der Durchdringung von Prozessen einherging, um Wachstum zu
bewältigen, Kosten zu sparen und Prozesse effizienter zu steuern.
Eine wichtige Anregung und Herausforderung für die arbeitssoziologische
und geschichtswissenschaftliche Diskussion kommt aus der Techniksoziologie.
Das Konzept der „sociomateriality“ (Orlikowski und Scott 2008;Leonardietal.
2012) etwa betont, dass Technik gegenüber dem menschlichen Handeln weder
neutral und noch beliebig prägbar ist. Die digitalen Technologien repräsentieren
demnach eine Regulierungsform funktionaler Vereinfachung, Standardisierung,
Objektivierung und Automatisierung. In der Akteur-Netzwerk-Theorie ist die
Handlungsträgerschaft von Technik das zentrale Motiv (Latour 2005). In der
deutschen Diskussion haben Schulz-Schaeffer und Rammert (2002) erklärt, dass
Arbeitsprozesse als Systeme „verteilten Handelns“ zwischen menschlichen und
nichtmenschlichen Akteuren aufgefasst werden müssen. Diese techniksoziologi-
schen Argumente weisen auf eine mögliche Verselbstständigung der Technik hin
und sind somit zentral für die Analyse der Digitalisierung als systemischer Trans-
formation. Arbeitsbezogene Dimensionen spielen in der techniksoziologischen
Forschung jedoch meist keine Rolle.
Auf der Mikroebene werden Transformationsprozesse im Wechselspiel von
Arbeitssubjekten und Arbeitspraktiken mit digitalen Artefakten untersucht. Arbeits-
subjekte stehen dabei in unterschiedlichen Positionen und Rollen im Mittelpunkt,
etwa als Technologieentwickelnde, als Industrie- und Dienstleistungsarbeitende,
die neue Technologien anwenden, oder als solche, die sich jenseits gängiger
Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse befinden (Solo-Selbstständige in der
Crowd- und Plattform-Ökonomie). Erforscht wird, wie die Arbeitssubjekte mit
digitalen Technologien umgehen (auch im Unterschied zum Umgang mit vor-
digitalen Technologien) und sich diese aneignen, aber auch, wie sich mit den
Prozessen einer steigenden Durchdringung, Verfügbarmachung und der Ver-
selbstständigung Handlungskorridore für die Arbeitssubjekte neu konturieren.
Aufseiten der digitalen Artefakte sind zahlreiche technologische Entwicklungen
wie Algorithmen, vernetzte Systeme, Roboter, Wearable Devices wie Datenbrillen
oder „smarte“ Textilien relevant, die sich unterschiedlich auf die Arbeitspraxis
und das Arbeitsvermögen der Subjekte auswirken.
16 S. Pfeiffer et al.
3.2 Digitalisierung von Unternehmen und
Wertschöpfungsketten
Eine weitere Gruppe von Studien zur digitalen Transformation befasst sich
mit den Konsequenzen der Digitalisierung für Wertschöpfungsketten und Unter-
nehmen, denn mit zunehmender digitaler Vernetzung und cyber-physischer
Integration von Wertschöpfungsketten können sich auch Unternehmungen virtu-
ell organisieren. Der sozialwissenschaftliche Diskurs dreht sich vor allem darum,
dass an die Stelle betrieblicher Beschäftigungsverhältnisse freiberufliche Tätig-
keiten treten, die je nach Bedarf über das Internet vermittelt und abgewickelt
werden. Als Vorläufer dieser Entwicklung gelten Crowdwork- und Gigwork-
Plattformen (Benner 2015;Schmidt2017) und die mit ihnen verknüpfte Tendenz
zur „Uberization“ (Davis 2015). Da sich ein beträchtlicher Teil der arbeitsrecht-
lichen, sozialpolitischen und sozialpartnerschaftlich festgelegten Regulierungen
der Arbeit auf betrieblich organisierte Arbeit bezieht, wird befürchtet, dass eine
mit der digitalen Transformation einhergehende Entbetrieblichung von Arbeit zu
einer umfassenden Deregulierung von Arbeitsverhältnissen führt. Hinzu kommt,
dass zentrale Akteure der Plattformökonomie neue Marktordnungen durchsetzen
(vgl. Kirchner und Beyer 2016). Wenige große Internetkonzerne kontrollieren
diese neuen Märkte (vgl. Dolata 2015) und definieren die neuen Marktordnungen.
Gleichzeitig werden die korrespondierenden alten Märkte und ihre institutionellen
Strukturen geschwächt. Zusammen mit der Entbetrieblichung von Arbeit entsteht
so die Gefahr, dass die Position von Beschäftigten ausgehöhlt wird.
Allerdings erlaubt der Forschungsstand hier noch keine sicheren Aussagen.
Auf der einen Seite belegen erste empirische Studien, dass die Beschäftigung
im Bereich der Plattformökonomie zumindest in den europäischen Ökonomien
immer noch relativ niedrig ist (Leimeister und Zogaj 2013); zudem zeigen sich
Grenzen der Entbetrieblichung (Krzywdzinski 2018). Auf der anderen Seite
berichten Ford und Honan (2017), wie eine indonesische Plattform zur Ver-
mittlung von Motorradtaxis die Regulierung in einem bislang nicht regulierten
informellen Sektor ermöglicht.
In wirtschaftswissenschaftlichen Forschungen zu Unternehmen und Wert-
schöpfungsketten wird die digitale Transformation als grundlegender, teils kri-
senhafter Wandlungsprozess zweiter Ordnung verstanden, der sich aus vielen
kleinen, graduellen Schritten des Wandels erster Ordnung speist (Huy und Mintz-
berg 2003;Burke2017). Dabei wird der Top-down-Charakter der Transformation
betont und von einem systematischen statt von einem organischen Wandel gespro-
chen (Müller-Stewens und Lechner 2011). Dieser habe das Potenzial, bisher
geltende Prinzipien des Managements und der Unternehmensorganisation infrage
Digitalisierung der Arbeitswelten. 17
zu stellen (Choudary 2015). Demnach verändert sich die Rolle des Manage-
ments dahingehend, dass eine Verschiebung von der Ressourcenkontrolle zur
Ressourcenorchestrierung im Netzwerk, von der internen Prozess- zur exter-
nen Interaktionsoptimierung und vom „customer value“ zum „ecosystem value“
stattfindet. Für die Struktur bestehender Industrien und Wertschöpfungsketten
impliziert die Plattformökonomie damit tiefgreifende Umbrüche, die traditionelle
Leitbranchen entmachten könnten. Dadurch werden nicht nur Geschäftsmodelle
grundlegend umgebaut, sondern auch Regularien zur Verteilung und Gestaltung
von Finanzflüssen (Kenney und Zysman 2016).
Auf der Ebene der Produktion und Logistik werden Prozesse der Individua-
lisierung von Produkten und der Autonomisierung von Wertschöpfungsketten
diskutiert (Hompel und Henke 2017). Die Individualisierung von Produkten gilt
als einer der zentralen Wettbewerbsfaktoren der heutigen Zeit (Spath 2013), die
durch Produktionsflexibilisierung und Logistikautonomisierung realisiert werden
soll. Dies bedeutet eine Loslösung der Logistik von physischer Lokalität, eine
Vernetzung aller Komponenten, Produktionsorte und Finanzflüsse sowie die Nut-
zung autonomer Transportsysteme. Logistikketten sollen sich nach Bedarf und
auf Basis von Mikrotransaktionen autonom regulieren. Diese „Social Networked
Industry“ (Hompel und Henke 2017) erfordere gänzlich neue Management-
kompetenzen und -konzepte sowie ökonomische Prinzipien, worüber in den
Wirtschaftswissenschaften jedoch kontrovers diskutiert wird (Schuh 2014;Henke
et al. 2017; Rüegg-Stürm und Grand 2017).
Studien auf der Mesoebene befassen sich mit den Transformationsprozessen im
Wechselspiel von Unternehmens- und Netzwerkstrukturen und digitalen Systemen.
Hierbei wird untersucht, wie Arbeits- und Produktionsprozesse, Geschäftsmodelle
und Wertschöpfungskette durch digitale Technologie und deren Management
neu und umstrukturiert werden (z. B. Plattformarchitekturen, vernetzte und
cyber-physische Systeme, Blockchain/Distributed Ledger). Betrachtet werden
auch die organisierten Akteure und Akteursgruppen, die diese Entwicklungen
vorantreiben. Analysiert werden Aushandlungsprozesse um die Gestaltung der
Digitalisierung innerhalb und außerhalb von Unternehmen sowie historische Pro-
zesse beispielsweise zur Service-Automatisierung oder zu CIM. Ebenso zentral
sind Fragen der Genese von Technologien, wo sie entstehen (Labore, Experi-
mentierräume oder Lernfabriken) und welchen industriepolitischen Strategien sie
dienen (ob nun Venture Capital getriebener Unternehmen im Silicon Valley oder
etwa traditioneller Industrieunternehmen in Deutschland).
18 S. Pfeiffer et al.
3.3 Digitalisierung und (arbeits-)gesellschaftliches
Institutionengefüge
Der Zusammenhang zwischen Digitalisierung und einem grundlegenden Wandel
gesellschaftlicher Institutionen und Regulierungssysteme wird mittlerweile breit
diskutiert. Verschiedene geschichtswissenschaftliche Studien haben die formie-
rende Wirkung solcher Diskurse und gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse auf
Einsatzformen von Technologien hervorgehoben (Uhl 2014; Heßler 2014, 2015a,
2015b; Schwarz 2015). Die Dynamik des heutigen Digitalisierungsdiskurses ist
bereits Gegenstand wissenschaftlicher Analysen (Matuschek 2016; Reischauer
2018; Wilkesmann und Wilkesmann 2018). So verdeutlicht Pfeiffer (2017), dass
dieser Diskurs nicht einfach auf technologische Innovationen reagiert, sondern
von transnationalen Akteuren und nationalen Interessenverbänden gestiftet und
befördert wird. Dabei werden technologie- und industriepolitische Konzepte mit
einer Deregulierung des Arbeitsmarktes verknüpft.
Aktuell zeigt sich auch für Deutschland (etwa Hanau et al. 2018), dass insbe-
sondere die Plattformökonomie existierende arbeitsrechtliche und sozialpolitische
Regulierungsformen unterminiert, indem sie einen Beschäftigungsbereich schafft,
für den das Arbeitsrecht und Rechte wie Koalitionsfreiheit und Mitbestimmung
nicht gelten und der nicht in die Sozialversicherungssysteme integriert ist. Nacht-
wey und Staab (2015) führen verschiedene dieser Entwicklungen zur Diagnose
des digitalen Kapitalismus zusammen (vgl. auch Staab 2016), der sich ausdrü-
cke durch die Marktmacht von Internetkonzernen, durch die Entstehung neuer
Kontrollformen im Arbeitsprozess (digitaler Taylorismus), durch eine mit der
Entbetrieblichung von Arbeit verbundene Deregulierung und schließlich durch
Arbeit on demand als neuem Arbeitskrafttyp.
Solche Diagnosen zur digitalen Transformation der Arbeitswelt können sich
bisher kaum auf belastbare empirische Befunde stützen. Die quantitativen
Beschäftigungseffekte der digitalen Transformation sind offen und umstritten,
genauso wie die Größe und Wachstumsdynamik der Plattformökonomie. Ebenso
wenig ist gesagt, dass plattformvermittelte Arbeit notwendig zu einer Deregu-
lierung von Arbeit führt. Darüber hinaus müssen sich alle Einschätzungen, die
den disruptiven Wandel betonen, fragen lassen, ob sie nicht die Beharrungskräfte
bestehender institutioneller Strukturen und historisch gewachsener Pfadabhän-
gigkeiten unterschätzen (Hirsch-Kreinsen 2018). Insgesamt scheinen die in den
Gesellschaftsdiagnosen zur digitalen Transformation der Arbeitswelt versammel-
ten Aussagen eher dazu geeignet zu sein, den Forschungsbedarf zu benennen, als
bereits befriedigende Antworten zu liefern.
Digitalisierung der Arbeitswelten. 19
Die Perspektive der Makroebene schließlich nimmt Transformationsprozesse
im Wechselspiel von (arbeits-)gesellschaftlichem Institutionengefüge und digitalen
Infrastrukturen in den Blick und konzentriert sich auf neue globale Netzwerk-
und Raumformierungen. Dabei gilt es, die (technischen, diskursiven und sozia-
len) Treiber der Digitalisierung auf gesellschaftlicher Ebene zu identifizieren und
die institutionellen Rahmenbedingungen für den Digitalisierungsprozess sowie
deren fortlaufende Modifikation zusammen mit dem Wandel der technologischen
Basis gesellschaftlicher (Re-)Produktion zu erfassen. Im Mittelpunkt stehen die
Dynamiken der (De-/Re-)Institutionalisierung von Erwerbsgefügen und Arbeits-
markt, die damit verbundene Transformation sozialer und (post-)industrieller
Strukturen und die Herausbildung neuer sozialer Ungleichheiten oder dispa-
rater Teilhabechancen. Wichtig ist auf dieser Analyseebene der internationale
Vergleich unterschiedlicher Produktions- und Wohlfahrtsmodelle sowie neuer
Konfigurationen transnationaler Macht- und Herrschaftsgefüge.
3.4 Zeitliche Dynamiken historische Einordnungen
Auf diesen drei Analyseebenen werden zudem Temporalitäten und gesellschaftli-
che Verlaufsdynamiken ernst genommen, Verhältnisse von Kontinuität und Bruch
untersucht sowie frühere Technikdiskurse und Governance-Formen aktuellen
Transformationsprozessen digitaler Arbeitswelten gegenübergestellt.
Während gegenwärtige Diskurse das Disruptive der digitalen Transforma-
tion betonen (vgl. Abschn. 2), verweisen historische Forschungen auf lange
zurückreichende Vorläufer, auf die zeitliche Vielschichtigkeit und die Paral-
lelität kontinuierlicher und diskontinuierlicher Entwicklungen sowie auf die
gesellschaftliche Bedeutung von Zukunftsdiskursen. Die historische Einordnung
vermeintlich neuer Phänomene der digitalen Transformation und ihrer gesell-
schaftlichen Wahrnehmung nimmt das SPP auf allen drei analytischen Ebenen
systematisch in den Blick.
Wenn die These zutrifft, dass der aktuelle soziotechnische Wandel der Arbeits-
welt die Qualität einer systemischen Transformation besitzt, dann heißt dies auch,
dass es ein Wandel ist, der alle drei Ebenen (Mikro, Meso, Makro) zugleich (aber
mit unterschiedlichen Temporalitäten) betrifft und bei isolierter Betrachtung einer
dieser Ebenen nur unzulänglich erfasst werden kann. Allerdings gelangen For-
schungen, die alle Aspekte des Wandels mit einem Blick zu erschließen suchen,
bestenfalls zu empirisch plausibilisierten gesellschaftsdiagnostischen Aussagen,
nicht aber zu empirisch fundierten Analysen des Wandels.
20 S. Pfeiffer et al.
4 Theoretisch-konzeptionelle Heuristik der
Bewegungsdynamiken Beiträge in diesem Band
Der Forschungsverbund geht von der These aus, dass die digitale Transformation
der Arbeitswelten übergreifend durch drei allgemeine Bewegungsdynamiken cha-
rakterisiert ist: Durchdringung, Verfügbarmachung und Verselbstständigung, die
sich in unterschiedlicher Ausprägung auf den Analyseebenen finden lassen. Mit
diesem analytischen Dreiklang soll einerseits die Multi-Dimensionalität des als
systemisch angenommenen Transformationsprozesses berücksichtigt, andererseits
die Analyse des aktuellen soziotechnischen Wandels in seiner historisch-sozialen
Vorbereitung und Einordnung ermöglicht werden. Zudem bietet diese nach-
folgend skizzierte Heuristik konzeptionelle Anschlussstellen für die beteiligten
Disziplinen der Sozialwissenschaften, Geschichtswissenschaft und Wirtschafts-
wissenschaften.
4.1 Neue Qualität der Durchdringung
Wir beobachten erstens eine neue Qualität informationstechnischer Durchdrin-
gung der sozialen Wirklichkeit. Sie bietet neue Formen und Intensitäten des
Zugriffs auf soziale Prozesse, Menschen und ihre Handlungen und ist so allge-
genwärtig, dass sie die Teilhabe jenseits des Digitalen zunehmend verhindert und
soziale Zuschreibungen sowie Öffnungen und Schließungen digital zu präformie-
ren droht. In der Arbeitswelt geht mit der informationstechnischen Durchdringung
eine steigende Transparenz von Geschäfts- und Arbeitsprozessen einher. Diese
zeigt sich auf verschiedenen Ebenen:
Auf Basis digitaler Infrastrukturen wird die Beherrschung von Daten und ihrer
Analyse zu einem zentralen Element von (datenbasierten) Geschäftsmodellen
und tritt an, Erfahrungswissen, Gewährleistungstätigkeiten und Expertenberufe
ersetzen zu wollen.
Die gesamte Wertschöpfungskette wird digital durchdrungen und vernetzt
dabei Kunden, Unternehmen, Lieferanten und Dienstleister in Echtzeit. Vom
Kundenauftrag ausgehend werden dabei alle Schritte und damit auch alle
Arbeitsprozesse systemisch vernetzt und transparent. Beschäftigte, Anlagen
und einzelne Komponenten tauschen Informationen über digitale Infrastruktu-
ren aus und werden Teil dezentraler, selbstregulierter Systeme.
Digitalisierung der Arbeitswelten. 21
Einzelne Tätigkeiten und die Arbeitsperson (nicht mehr nur deren Arbeitskraft
und -leistung) werden von digitalen Technologien durchdrungen. Arbeits-
schritte, auch in der Wissensarbeit, werden in Echtzeit transparent und
kontrollierbar. Die für Robotik nötigen Metadaten und die bei Wearables
anfallenden Vitaldaten ermöglichen vor allem über Muster- und Zeitverlaufs-
vergleiche neue Zugriffstiefen in Leib und Verhalten des Menschen in der
Arbeit.
Mit Durchdringung als erster Dimension unserer Heuristik nähern wir uns der
digitalen Transformation im ersten Teil des Buches. In sieben Beiträgen befas-
sen wir uns mit Durchdringung im Sinne neuer Formen und Intensitäten des
Zugriffs auf soziale Prozesse, Menschen und ihre Handlungen sowie einer
Allgegenwärtigkeit, die Teilhabe jenseits des Digitalen zunehmend verhindert:
Michael Homberg blickt dabei in seinem Beitrag „Datenarbeit. Der Anbruch
des digitalen Zeitalters und die Entwicklung von Computerdienstleistungen in
der Bundesrepublik“ aus einer historischen Perspektive auf die zunehmende
Verbreitung des Computers. Über die Identifikation von unterschiedlichen
Phasen zeigt Homberg dynamische wie auch verzögernde Momente in der
fortschreitenden Durchdringung auf.
Nora Thorade und Julia Gül Erdogan befassen sich in ihrem Beitrag „Compu-
ter in der Fabrik. Die digitale Transformation in der Produktionstechnik, 1950
bis 1990“ mit sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und technischen Fakto-
ren, die insbesondere mittelständische Betriebe bei der digitalen Wende vor
Herausforderungen stellte. Dabei zeigen sie aus einer historischen Perspektive
auf, dass die Digitalisierung der Arbeit in der Fertigung nicht von Innovatio-
nen, sondern von Aushandlungsprozessen zwischen alter und neuer Technik
geprägt war.
Susan P. Williams und Petra Schubert untersuchen in „Analysing the digital
traces of collaborative work in large-scale enterprise collaboration systems“
Veränderungen in kollaborativen Arbeitsprozessen und -praktiken, wie sie
sich für Einzelpersonen, Arbeitsgruppen und Organisationen ergeben. Mit
einer innovativen, IT-gestützten Methode entwickeln die Autor*innen einen
neuen Zugriff auf die Art und Weise, wie Arbeitspraktiken geformt wer-
den und die Nutzung von Kollaborationstechnologien die Koordinierung der
täglichen Arbeit beeinflussen sowie ein Verständnis davon, wie Kollaborations-
plattformen in Organisationen zusammengestellt, angenommen und verbreitet
werden.
22 S. Pfeiffer et al.
Anja-Kristin Abendroth und Laura Lükemann stellen in ihrem Beitrag „Fle-
xibility in Digitalised Working Worlds. A Comparative Perspective on the
Use and Implications of Written Digital Work Communication“ Flexibilisie-
rungspotenziale in den Mittelpunkt und fragen nach möglichen Konflikten
von Arbeit und Privatleben. In ihrer international vergleichenden Studie
machen die Autor*innen deutlich, inwiefern die nationale Familien- und
Arbeitsmarktpolitik bei der Durchdringung von schriftlicher digitaler Arbeits-
kommunikation eine Rolle spielen und diese die Flexibilitätsinteressen der
Arbeitnehmer*innen sowie die Reaktion der Vorgesetzten auf diese Interessen
fördern.
Im Beitrag „Organisationswandel und Wahrnehmung der Akzeptanz von
Digitalisierungsprozessen in Unternehmen infolge der COVID-19-Pandemie“
zeigen Nina Delicat, Lorena Herzog, Martin Krzywdzinski, Florian Butollo,
David Wandjo, Jana Flemming, Christine Gerber und Matthias Danyeli, dass
Fragen der Arbeitsorganisation und der Akzeptanz von Digitalisierungsmaß-
nahmen durch die Coronakrise an Bedeutung gewonnen haben. Der Beitrag
zeichnet nach, wie sich im Zuge der Pandemie der vielzitierte Digitalisie-
rungsschub vollzogen hat und wie mit der Zeit auch die Akzeptanz von
Digitalisierungsmaßnahmen zugenommen hat.
Agnes Fessler, Hajo Holst, Dimitri Isabell Mader, Steffen Niehoff und
Adrian Scholz Alvarado thematisieren in „Digitalisierung, soziale Klasse und
Ungleichheit. Homeoffice und das Forschungsprogramm von DigiCLASS“
Ungleichheiten in den Digitalisierungserfahrungen. Zentral für die unter-
schiedlichen Erfahrungen in Bezug auf die kommunikations- und informa-
tionstechnisch durchdrungene Arbeit sind die berufliche Position und die
Arbeitsorganisation.
Um die Durchdringung digitaler Überwachungstechnologien zu analysieren,
beleuchten Luisa Wieser, Martin Abraham, Claus Schnabel, Cornelia Niessen
und Mauren Wolff in „Employers‘ Muted Interest in Electronic Performance
Monitoring (EPM)“ das Interesse von Führungskräften an der Kontrolle ihrer
Beschäftigten mit digitalen Monitoring-Methoden. Der Beitrag zeigt, dass bei
Überlegungen zu digitalen Überwachungstechnologien am Arbeitsplatz ein
Zusammenspiel von technologischen Merkmalen und sozialen Kalkulations-
prozessen zu berücksichtigen ist.
Digitalisierung der Arbeitswelten. 23
4.2 Neue Qualität der Verfügbarmachung
Zweitens zeigt sich eine neue Qualität der Verfügbarmachung. Unter diesem
Begriff fassen wir zunehmende Möglichkeiten des Zugriffs (Zugang, Eigentum,
Transparenz, Kontrolle) auf Ressourcen aller Art (Infrastrukturen, Informationen,
Dinge, Arbeitskräfte) zusammen. Der Zugang zu Informationsressourcen wird
bereits durch die vermehrte digitale Repräsentation von Wissen aller Art und
die damit verbundene Verringerung von Medienbrüchen enorm gesteigert, aber
auch durch die beiläufige Datenerzeugung als Nebenprodukt digital abgewickelter
Aktivitäten (Metadaten, Datenschatten) und die ortsbezogenen wirksamen Sen-
soriken flächendeckend aktiver digitaler Komponenten. Immer häufiger wird es
möglich, einzelne Arbeitsschritte medienvermittelt durchzuführen, als singuläre
Arbeitsaufträge digital zu vergeben und Arbeit damit zeitlich und räumlich von
Unternehmen und Betrieb als Ort ökonomischer Wertschöpfung und sozialer Teil-
habe zu entkoppeln. In der Plattformökonomie entstehen zudem neue Formen der
Arbeitsteilung und -koordination, die arbeitsorganisatorische (und auch arbeits-
regulative) Begrenzungen der betrieblichen Organisation von Arbeit aushebeln.
Neue Formen der Bereitstellung von (digitalen und menschlichen) Ressourcen
ergeben sich über eine neue Qualität der Verfügbarmachung insbesondere von
digitalen Infrastrukturen (Internet der Dinge, Cloud, mobile Endgeräte, Distri-
buted Ledger),
digitalen Datenmengen, die von Geräten wie Menschen permanent in enormen
Mengen erzeugt und zunehmend dynamisch ausgewertet (Big Data Ana-
lytics) oder für Voraussagen (Predictive Analytics, Machine Learning) genutzt
werden, und
Arbeitskräften, die etwa durch Crowdwork-Plattformen bedarfsabhängig pro
Aufgabe „zur Verfügung gestellt“ werden.
Der zweiten Dimension unserer Heuristik der Verfügbarmachung im Sinne
zunehmender Möglichkeiten des Zugriffs auf Ressourcen aller Art widmen sich
fünf Beiträge:
In „Analyzing distributed action in the making by comparing human-robot co-
work scenarios“ möchten Ingo Schulz-Schaeffer, Tim Clausnitzer, Kevin Wiggert
und Martin Meister verstehen, wie Ideen über die Verteilung von Arbeits-
aufgaben zwischen menschlichen und künstlichen Arbeitskräften entwickelt,
im Laufe der Zeit ausgebaut und schließlich umgesetzt werden. Es werden
24 S. Pfeiffer et al.
zwei Möglichkeiten aufgezeigt, wie Roboterarbeit für Arbeitsaufgaben verfüg-
bar gemacht werden kann, die zuvor für Roboter unzugänglich waren: durch
Umverteilung von Arbeitsschritten auf Beschäftigte und durch Neudefinition
von Arbeitsaufgaben.
Florian Butollo, Lea Schneidemesser und Simon Scheffler möchten in ihrem
Beitrag „Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung und Transformation
von Wertschöpfung in der Teilefertigungsbranche“ die häufige Konzentration
der Analyse auf Produktionstechniken überwinden. Sie befassen sich daher
insbesondere mit der Verfügbarmachung der Produkte, das heißt mit der Ein-
bettung in neue Formen der Distribution des Marketings, des Vertriebs
und der Logistik. Der Beitrag zeigt, dass die Digitalisierung der Distributi-
onskanäle die Unternehmen verfügbarer für Kunden macht und dadurch die
Spielräume für die beteiligten Akteure verändert.
Lene Baumgart thematisiert in ihrem Beitrag „Exit, Voice, and Networks.
Die Digitalisierung als Katalysator für Widerspruch und Netzwerkbildung
in Organisationen“ die Möglichkeit und Praktik von Interessenartikulation
mithilfe von Plattformen. Dabei wird insbesondere herausgearbeitet, wie die
Verfügbarmachung digitaler Technologien in Arbeitsorganisationen die Inter-
essenartikulation jenseits der Formalstruktur ermöglichen kann. Gleichzeitig
werden allerdings die Tendenzen zur Kooptation betont.
Patricia de Paiva Lareiro blickt mit dem Text „Algorithmisches Manage-
ment jenseits der Plattformökonomie. Digitale Assistenzsysteme in Industrie
und Logistik“ auf die Eröffnung und Begrenzung von Handlungsspielräumen
durch digitale Technologien. Sie untersucht die algorithmische Kontrolle, die
gerade in konventionellen Beschäftigungsformen eingebettet in vielschichtige
Kontrollprozesse stattfindet, in unterschiedlichen Settings.
In „Plattformen für Essenslieferungen in Deutschland. Ist Selbstständigkeit
(k)ein Thema?“ stellt Katharina Legantke die generelle These der „Ube-
rization“ infrage und blickt stattdessen auf die Bedingungen, wie Gigwork-
Plattformen über ihre Arbeitsmodelle und damit die Art und Weise der
Verfügbarmachung von Arbeitskraft entscheiden. So führt ein Zusammenspiel
mehrerer Faktoren dazu, dass beispielsweise ein Modell der Selbstständigkeit
in Deutschland unattraktiver wird.
Digitalisierung der Arbeitswelten. 25
4.3 Prozess der Verselbstständigung
Von neuer Qualität sind drittens Prozesse der Verselbstständigung. Neben
Dynamiken der Skalierung und Beschleunigung (insbesondere in der Platt-
formökonomie) geht es dabei vor allem um eine neue Stufe der Delegation
menschlicher Tätigkeiten an Technik (Selektions-, Optimierungs- und Problem-
lösungsentscheidungen durch autonome, selbstlernende Algorithmen). Besonders
prägnant zeigt sich die Verselbstständigung bei der Nutzung maschinellen Ler-
nens und künstlicher Intelligenz. Solche autonomen Technologien werden bereits
in der Personalrekrutierung und für Diagnosen in so unterschiedlichen Fel-
dern wie Krankenhäusern und der industriellen Instandhaltung eingesetzt. Auch
Verselbstständigung wird auf verschiedenen Ebenen sichtbar:
auf der Ebene von Algorithmen, wenn diese nicht nachvollziehbar sind, weil
sie als Betriebsgeheimnis bewusst unzugänglich gehalten werden, oder weil
dies, etwa im Fall des maschinellen Lernens, technisch nicht mehr möglich
ist;
auf der Ebene von cyber-physischen (also vernetzten) Systemen, in denen
Menschen, Anlagen, Materialien und Komponenten interagieren, und denen
die Fähigkeit zur Selbstregulation und autonomen Abwicklung von Mikro-
transaktionen zugeschrieben wird.
Als die vielleicht qualitativ umfassendste Bewegungsdynamik unserer Heuristik
steht die Verselbstständigung für einen Prozess, in dem sich Entitäten aus ihrer
Verkoppelung lösen und unabhängig voneinander werden können. Auch für diese
Dimension stehen sechs Beiträge:
Michael Betancourt befasst sich in seinem Beitrag „The ‚Social Paradigm‘
of Automation“ mit der Ersetzung von Arbeit. Dabei beleuchtet er unter-
schiedliche soziale, kulturelle und ästhetische Ansprüche an Maschinen und
die soziale Bedeutung der industriellen Fabrik, die letztlich die Umsetzung
der Automatisierung formen und einschränken.
In dem Beitrag „Künstliche Intelligenz in der Praxis der Arbeit. Kontingenz
und Selektivität als Merkmale einer systemischen Transformation“ öffnen
Michael Heinlein und Norbert Huchler das Spektrum technischen Wirkens
von künstlicher Intelligenz und fragen nach dem Verhältnis neuer Handlungs-
möglichkeiten und Einschränkungen durch den Einsatz von KI. Dabei wird
aufgezeigt, dass die verstärkte Durchdringung von Arbeit und Gesellschaft
mit KI neue Quellen für Kontingenz und Selektivität mit sich bringt.
26 S. Pfeiffer et al.
Konstantin Klur, Sarah Nies und Samuel Rieger möchten in ihrem Beitrag „Di-
gitalisierung als Strategie. Brüche und Widersprüche in der Steuerung von
Arbeit“ zwischen theoretisch-abstrakten Analysen sozioökonomischer Ent-
wicklungen und disparater Empirie konkreter Arbeitsprozesse vermitteln und
knüpfen hierfür an den „Betriebsstrategieansatz“ an. Um die identifizierten
Dynamiken zu verstehen, verweisen die Autor*innen darauf, dass neben den
stofflichen und ökonomischen Anforderungen immer auch die Subjektivität
der Beschäftigten in die Analyse einbezogen werden muss.
In „Ungleichheitsreproduktion im digitalisierten Arbeitsmarkt. Bedingungen
und Folgen virtueller Inszenierungen von Arbeitskraft“ blickt Hans J. Pongratz
auf eine sich zunehmend verselbstständigende digitale Beschäftigungsindus-
trie und deren Folgen für die Verteilung von Erwerbschancen. Dabei wird im
Ergebnis vor allem auf die Verschärfung bereits bestehender Ungleichheiten
am Arbeitsmarkt verwiesen, wodurch Plattformdienste und Softwareangebote
als erweiterter Inszenierungsraum dienen.
Mona-Maria Bardmann, Matthias Klumpp, Laura Künzel und Caroline Ruiner
thematisieren in „Alles unter Kontrolle? Autonomie- und Kontrollwahrneh-
mung in digitalisierten Arbeitskontexten von Hochzuverlässigkeitsorganisa-
tionen“ die Beziehung der unterschiedlichen Heuristiken. Sie machen deut-
lich, dass die beobachteten Dynamiken in unterschiedlichem Maße und in
verschiedenen Kombinationen auftreten, abhängig von dem entsprechenden
Arbeitsumfeld.
4.4 Erfassung und Erfassbarkeit
Der mutmaßlich systemische Charakter der Transformation erfordert nicht nur
konzeptionell neue Zugriffe, wie dies die drei Bewegungsdynamiken als „Instru-
mente“ interdisziplinärer Theoriebildung ermöglichen sollen. Er benötigt zudem
eine Reflexion über die neuen Anforderungen der empirischen Erfassung und
über die Grenzen der Erfassbarkeit eines vieldimensionalen und multitemporalen
Transformationsprozess „in the making“. Es schließen sich also auch methodi-
sche Fragen an, denen sich weitere sechs Beiträge im letzten Teil des Buches
widmen:
Ronald Bachmann und Sabine Pfeiffer verfolgen in ihrem Text „Die digitale
Transformation von Arbeit vermessen und verstehen. Ein interdisziplinärer
Digitalisierung der Arbeitswelten. 27
und methodischer Dialog zwischen Wirtschaftswissenschaft und Arbeitsso-
ziologie“ einen Ansatz, der Sichtweisen, Methodiken und Resultate unter-
schiedlicher Disziplinen sichtbar machen möchte. Im Ergebnis arbeiten die
Autor*innen Punkte heraus, wo auch über Disziplingrenzen hinweg angesetzt
werden kann, um digitale Transformation zu erforschen.
Lene Baumgart, Katharina Braunsmann, Alice Melchior, Jasmin Schreyer und
Regina Wittal problematisieren in ihrem Beitrag „Gender Forcing. Zur (Un-
)Sichtbarkeit wirkmächtiger Genderkonstruktionen in Forschungsprozessen“
die Vorstellung von genderneutralen Forschungsprozessen. Die Autor*innen
heben mit der Entwicklung des Begriffs Gender Forcing und der Dif-
ferenzierung unterschiedlicher Typen die Wirkmächtigkeit von Gender in
Forschungsprozessen und die daraus resultierenden Folgeprobleme hervor.
Stefanie Büchner, Katharina Braunsmann, Korbinian Gall und Justus Rahn
stellen mit ihrem Beitrag „Eröffnung neuer Vergleichsräume durch Co-
Ethnografie. Digitalisierung im Jugendamt und Krankenhaus“ einen weiteren
Ansatz zur innovativen Erforschung digitaler Transformation vor. Im Mittel-
punkt steht eine Form der Teamethnografie, die Einblicke in Ähnlichkeiten
und Unterschiede von digitalen Infrastrukturen fallförmig arbeitender Organi-
sationen eröffnet.
Martin Krzywdzinski, Philip Wotschack, Gergana Vladova und Norbert Gronau
rücken in ihrem Text „Ironies of automation revisited. Eine experimen-
telle Studie zur Mensch-Technik-Interaktion bei der Arbeit mit autonomen
Systemen“ das holistische Prozesswissen im Kontext autonomer Systeme
in den Mittelpunkt. Sie reflektieren dabei experimentelle Laborstudien für
die soziologische Arbeits- und Technikforschung. In diesem Zusammenhang
arbeiten die Autor*innen mehrere Kriterien heraus, deren Berücksichtigung
für neue Perspektiven interdisziplinärer Arbeitsforschung im Kontext der
Digitalisierung zentral ist.
Richard Guse,Scott Thiebes, Phil Hennel, Christoph Rosenkranz und Ali Sunyaev
stellen sich die Frage „Wie nehmen Arbeitnehmende die digitale Transforma-
tion und ihre Auswirkungen wahr?“. Sie entwickeln dazu ein Messinstrument
auf Basis der Theory of the Smart Machine (TSM). In dem Beitrag wird dieses
Instrument validiert und darüber werden Faktoren identifiziert, um die digitale
Transformation zu erfassen und weiter zu strukturieren.
In „Mixed method approaches to capture digitalization. The case of networked
digital technology permeation in German hospitals“ entwickeln Alice Melchior,
Sebastian Schongen und Reinhard Pollak eine Vorlage, um die digitale Trans-
formation mit einer Kombination von Methoden erfassen zu können. Dabei
28 S. Pfeiffer et al.
wird deutlich, dass erst diese Kombination ein umfassendes Verständnis der
digitalen Transformation möglich macht.
Auf dieser Basis möchten wir die Digitalisierung als „systemische Transformati-
on“ beschreiben und aufzeigen, inwiefern diese alle institutionellen Systeme der
Arbeitsgesellschaft grundlegend und nachhaltig verändern kann. Die Tragweite
dieser Phänomene geht dabei über eine bloße Beobachtung des gesellschaft-
lichen Wandels hinaus. Dieser Sammelband erlaubt zwar erste tiefergehende
Einsichten, dennoch wollen wir in den nächsten drei Jahren den empirischen und
theoretischen Einblick in die durch die Digitalisierung getriebene systemische
Transformation weiter befördern.
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mons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt
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jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Durchdringung
Automobilfertigung gestern; Foto: Werner Bachmeier, Ebersberg
36 Durchdringung
Automobilfertigung heute; Foto: Werner Bachmeier, Ebersberg
Datenarbeit. Der Anbruch des
digitalen Zeitalters und die
Entwicklung von
Computerdienstleistungen in der
Bundesrepublik
Michael Homberg
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die Ausbildung und Entwicklung von IT-
Dienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er bis 1990er
Jahren. Er rekonstruiert dazu in historischer Perspektive die Voraussetzun-
gen und Dynamiken der Entstehung dieser neuen Branche und erkundet die
Rolle der Computerindustrie, ihrer Infrastrukturen, Expert*innen und eines
neuen digitalen Knowhows in der anbrechenden „Dienstleistungsgesellschaft“.
Anhand des Computereinsatzes in Industrie, Handel und Verwaltung wer-
den so dynamische und verzögernde Perioden der deutschen Digitalgeschichte
erkennbar.
Schlüsselwörter
Geschichte des digitalen Zeitalters IT-Dienstleistungsbranche
Industriepolitik Wandel der Arbeitswelten Bundesrepublik Deutschland
1 Wege ins digitale Zeitalter
Die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelten zählt zu den hervorstechen-
den Kennzeichen unserer Gegenwart. Dabei ist die aktuelle Ordnung des digitalen
Zeitalters das Ergebnis langanhaltender Wandlungsprozesse. Inzwischen sind der
Computer und sein Personal historisch geworden. So besitzen die Menschen
M. Homberg (B)
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Potsdam, Deutschland
E-Mail: homberg@zzf-potsdam.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_2
37
38 M. Homberg
und Maschinen des digitalen Zeitalters eine über sieben Dekaden währende
Geschichte. Angesichts beschleunigter Veränderungsdynamiken gelten die 1990er
Jahre manchen Autor*innen populärer Sachbücher bereits als „digitale Steinzeit“
(Lobe 2022). Indes grundieren von Anbeginn Euphorie und Ängste die lange und
wechselvolle Geschichte des digitalen Wandels. Auch in Deutschland gewann
dieser Wandel ab der Mitte der 1950er Jahre an Schwung. Aus zeithistorischer
Perspektive gehört die Etablierung des Computers daher zu den „wichtigsten
gesellschaftlichen Veränderungen der jüngeren globalen Zeitgeschichte“ (Bösch
2018,S.7).
Neuere Forschungen haben eindrücklich gezeigt, dass die allmähliche Verbrei-
tung von Computerwissen und -hardware in Industrie, Handel und Verwaltung,
aber auch in Militär, Polizei und Nachrichtendiensten bis 1970 eine wachsende
Zahl gesellschaftlicher Kontexte prägte und erhebliche soziale, politische und
kulturelle Folgen zeitigte. Der Wandel der Arbeitswelten im Gefolge des Com-
puters war in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Er war zum
einen die Konsequenz neuer technischer Möglichkeiten, das heißt zunächst der
zunehmenden Verbreitung von Großrechnern und später der Evolution der Mikro-
elektronik und des Ausbaus digitaler Netze in den „langen“ 1970er Jahren. Zum
anderen war der Wandel aber auch das Ergebnis neuer sozialer Dynamiken und
der Adressierung und Verarbeitung gesellschaftlicher Problemlagen, die die For-
men des Computereinsatzes nachhaltig veränderten (Gugerli 2018). Je komplexer
die Anwendungen der neuen Technik wurden, desto erfolgreicher waren auch
neuartige Programmier- und Beratungsdienste. So muss neben der Geschichte
der Hardware auch die Geschichte von Wartung, Reparatur und begleitenden
(Beratungs-)Services stärker als bislang in den Blick genommen werden (Russel
und Vinsel 2018; Krebs et al. 2018).
Im vorliegenden Beitrag wird die Ausbildung und Entwicklung von Compu-
terdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er bis 1990er
Jahren untersucht. Dazu wird ein historischer Überblick über die Vorausset-
zungen und Dynamiken der Entstehung dieser neuen Branche einer digitalen
Dienstleistungsökonomie gegeben und zugleich erkundet, wie der Wandel digita-
ler Infrastrukturen und die Emergenz digitaler Expert*innen und neuen digitalen
Know-hows diesen Prozess beeinflussten. Dies wird in drei Schritten geschehen.
Erstens werden einige historisch-systematische Beobachtungen zur Geschichte
des digitalen Zeitalters angestellt, um den Strukturwandel der Computerindustrie
ab den 1950er Jahren zu erklären. Zweitens wird ein kurzer Überblick über den
digitalen Wandel der Arbeitswelten und die Entwicklung der Branche der Com-
puterdienstleistungen in der Bundesrepublik gegeben. Und drittens wird am
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters 39
Beispiel der Debatte über die Frage „EDV in Eigenregie oder außer Haus?“
die sich verändernde Rolle von Computerdiensten und die (De-)Zentralisierung
von Ressourcen anhand ausgewählter Fallbeispiele näher diskutiert. Dabei geht es
insbesondere um die Frage, wie sich die Durchdringung der Arbeitsprozesse und
Unternehmensstrukturen durch digitale Technologien und die wachsende Bevöl-
kerung der Arbeitswelten durch das Personal der Computer-Spezialist*innen
auswirkte. Neben den politischen, rechtlichen und ökonomischen Kontexten soll
dazu stets auch die breitere, medial angeheizte Debatte über den Siegeszug des
Computers zur Sprache kommen.
2 Computergeschichte(n): Historische Perspektiven
Im Jahr 1970 publizierte eine Forschergruppe des Instituts für Arbeitsmarkt-
und Berufsforschung der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit eine „Analyse der
Entwicklung der Datenverarbeitung“ (Ulrich et al. 1970). Der darin skizzierte
historische Abriss, der bis in die Frühphase des 17. Jahrhunderts zurückreichte,
verzeichnete zwischen 1950 und 1970 eine gesteigerte Veränderungsdynamik, die
sich aus der voranschreitenden Durchdringung des „öffentlichen Lebens“ durch
den Computer ergab ablesbar sowohl im Bereich der Computerproduktion und
EDV-Anwendung, der Programmierung und Wartung von Anlagen, als auch im
Feld der Ausbildung von Computer-Spezialist*innen in der Bundesrepublik. Wie
hier, so kennzeichnete die Wahrnehmung, in einer Epoche beschleunigten, „revo-
lutionären“ Wandels zu leben, die Gegenwartsdiagnostik des digitalen Zeitalters.
Dabei hatten sich in und über die Bundesrepublik hinaus „Fachmänner“
von Beginn an in ihren Deutungen eines epochalen Wandels im Zeichen der
„Informationsgesellschaft“ (Fritz Machlup; Tadao Umesao; Karl W. Deutsch)
und „Wissensarbeit“ (Peter F. Drucker, Rob E. Lane, Daniel Bell) überschlagen
(vgl. dazu Stehr 2001,2022; Reinecke 2010). Neuere historische Forschungen
haben die gedanklichen Wurzeln und sprachlichen Implikationen dieser Konzepte,
die in die Sphäre des Managements und der Unternehmensberatung verwei-
sen, einer kritischen Analyse unterzogen (Hirschi 2020). Zwar avancierte die
„Digitalisierung“ über die Jahre zu einem schillernden „Modebegriff“ (Mertens
et al. 2017, S. 63–65; Leonhard 2013, S. 172) bzw. einem „Meta-Tag“ (Pfeiffer
2021, S. 9) der Auseinandersetzungen. Im Gegensatz zur bis heute allgegen-
wärtigen Revolutions- und Innovationsrhetorik gilt allerdings in der historischen
Forschung inzwischen als Konsens, dass die „digitale Transformation“ ein länger
währender, evolutionärer Wandlungsvorgang war, der sich als widersprüchlicher,
ambivalenter Prozess erwies und pluritemporale, aber auch räumlich verschiedene
40 M. Homberg
Dynamiken hervorbrachte (Homberg 2022a; Wichum und Zetti 2022; Heßler und
Thorade 2019;Bösch2018). Dabei sind Überlegungen zu digitalgeschichtlichen
Epochenschwellen angesichts der „digitalen Gräben“ zwischen Globalem Nor-
den und Süden (Homberg 2022b; Mullaney et al. 2021; van Dijk 2020) in
globaler Perspektive ebenso zu differenzieren wie die abweichenden Dynamiken
einer digitalen Durchdringung von Lebens- und Arbeitswelten.
In der Bundesrepublik gehörten ab Mitte der 1950er Jahre neben Indus-
trie, (Dienstleistungs-)Unternehmen und staatlichen Behörden auch (außer-)
universitäre Einrichtungen zu den Treibern des digitalen Wandels. Technolo-
giepolitische Weichen stellte die BRD vergleichsweise spät; nur zögerlich kam
es ab 1955 zur Förderung der EDV-Technik. Bundesweite Programme began-
nen ab 1967 (Homberg 2017;Bösch2018), wobei der Fokus zu Beginn stärker
der Förderung industrieller Forschung und Entwicklung und vor allem der Hard-
wareproduktion galt. Jedoch kam der Subventionierung der Hochschulen und der
Ausbildung, aber auch der DV-Anwendung in der Folge rasch größere Bedeu-
tung zu (Sommerlatte et al. 1982, S. 80, vgl. Leimbach 2010, S. 182–187).
Besonderheiten des deutschen Falls lagen neben der Dominanz kleiner und mit-
telständischer Unternehmen, die den Prozess des digitalen Wandels prägten und
verzögerten (Petzold 1985, S. 428–432; Leimbach 2010, S. 70), auch in den
komplexen Bedingungen des deutschen Föderalismus (Thießen 2022). Der Ein-
satz von Computern in der Wirtschaft, so ließe sich zuspitzen, diente primär der
Optimierung und Rationalisierung von Arbeitsprozessen. Hier waren Abrechnun-
gen und Buchhaltung wichtige Motoren der bundesdeutschen Computerexpansion
gewesen, noch bevor digitale Rechner oder auch Roboter zur Steuerung und Kon-
trolle in der Industrie zum Einsatz kamen. Zugleich indizierte die dynamische
Verbreitung des Computers im Handel und im Banken- oder Versicherungswesen
ab den 1950er Jahren aber auch weiterreichende gesellschaftliche Wandlungs-
prozesse, allen voran die Ausweitung von Massenkonsum und Wohlstand in der
Bundesrepublik (Bösch 2018, S. 13; Heßler 2015; Müller 2020).1
1Der Einsatz von Computern trug so entscheidend zum Ausbau der „Dienstleistungsgesell-
schaft“ in der Bundesrepublik bei, indem er beispielsweise schon ab den 1950er Jahren die
Logistik des Versandhaushandels, die Systeme der Buchung von Flug- und Bahnreisen im
Verkehrs- und Tourismussektor, aber auch die Prozesse im Bankwesen, mit der Durchsetzung
von Girokonten und elektronischen Zahlungskarten, gravierend veränderte.
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters 41
3 Datenarbeit: Die Geschichte der
Computerdienstleistungen
Der Siegeszug digitaler Dienstleistungen wird in aller Regel als rezentes Phä-
nomen wahrgenommen. Heute zählt die Branche der IT-Services inklusive
Beratungs- und Programmierdiensten, Systemtechnik und -integration sowie des
Betriebs von Rechenzentren und Cloud-Diensten, aber auch des weiten Felds des
Business Process Outsourcing zu den wichtigsten und zugleich stark wach-
senden weltweit. Inzwischen arbeiten über 50 Mio. Beschäftigte im IT-Service,
wobei der Jahresumsatz kürzlich die magische Schwelle von 1 Mrd. US-Dollar
überstieg (Statista 2023;Yost2017, S. 1). Allein in der Bundesrepublik waren
2021 über eine Million Menschen im Bereich „Software & IT-Services“ beschäf-
tigt (BITKOM 2022). Neben zahlreichen Gewinnern produzierte die Ausweitung
der Computerdienste in den letzten Jahren allerdings auch Verlierer. So wer-
den die zeitliche und räumliche Entgrenzung der Arbeitsbeziehungen durch
online-basierte Dienste und die gleichzeitig voranschreitende Erosion des Nor-
malarbeitsverhältnisses durch mobile und in vielen Fällen prekäre Arbeitsformen,
wie im Fall des Crowdworkings, als Kennzeichen eines neuen „digitalen Kapi-
talismus“ beschrieben, der eine „Enteignung von Arbeit“ und neue, neo-liberale
„Risikokaskaden“ hervorbringe (Staab 2019; vgl. dazu auch Gray und Suri 2019;
Pfeiffer 2021). In der Kritik an den neuen Ungleichheitsdynamiken im digitalen
Zeitalter, etwa durch gewerkschaftliche Akteure (vgl. z. B. Dierks 2017), erschien
„Datenarbeit“ als Symbol der neuen, digitalen Dienstleistungsökonomie des 21.
Jahrhunderts. Doch reichte ihre Geschichte wenigstens bis in die 1950er Jahre
zurück.
Um die Geschichte der EDV-Dienstleistungsbranche zu beschreiben, müs-
sen die vorhandenen Zahlen zur Bundesrepublik vor der Folie verschiedener
Erhebungs- und Auswertungsmethoden kritisch gelesen werden. Erste Studien aus
den 1970er Jahren postulieren ein starkes Wachstum des DV-Marktes (Jonas et al.
1975; Kirsch et al. 1979; Neugebauer et al. 1976,1980; Buttler und Simon 1987,
S. 50–58). In diesen Untersuchungen wurden allerdings vor allem Einzeldaten zu
Hardwareherstellern wie IBM und Siemens und deren Engagements in der Ent-
wicklung von Programmier- und Beratungsdiensten zusammengetragen; sie sind
daher ebenso schwer vergleichbar wie verallgemeinerbar. Erschwerend kam, wie
eine Erhebung konstatierte, die „unüberschaubare Zahl von Klein- und Kleinst-
firmen, die für kurze Zeit am Markt auftreten und z. T. wieder verschwinden“
hinzu, die einen neuen „Teilmarkt“ mit „niedrigsten Markteintrittsschranken“ her-
vorbrachte (Kloten et al. 1976, S. 153–155). Dennoch erlaubten die existierenden
Kennzahlen unabhängig von den exakten Umsatzvolumina der Branche eine
42 M. Homberg
Trendaussage, die das amerikanische Magazin Forbes zur auch für den deut-
schen Fall durchaus treffenden Formulierung von der „software industry“ als
„the growth industry’s growth industry“ veranlasste (Seneker 1981, S. 142; vgl.
auch OECD 1985, S. 10–17; EG 1986, S. 59–66; Müller 1990, S. 1–3). Schät-
zungen zufolge, lag die Zahl der unabhängigen „Software-Unternehmen“, deren
Jahresumsatz 1975 über 1 Million DM erreichte, in der Bundesrepublik bei rund
500. Im Jahr 1980 erreichten circa 750 Firmen diesen Wert, wobei rund 2650
Unternehmen in dieser Sparte existierten, die System- und Anwendungssoftware
entwickelten sowie EDV-nahe Dienste übernahmen (Neugebauer 1986, S. 2–5;
vgl. Dietz 1995; Leimbach 2010, S. 40–43).
Auch die Zahl der Beschäftigten wuchs beständig. Ende der 1970er Jahre
arbeiteten rund 100.000 Personen in der EDV (Homberg 2018, S. 110–112;
Bösch 2018, S. 28). Laut der Volkszählung 1987 waren rund 18 %, das heißt
rund 42.000 Personen, der knapp 228.000 „Informatiker“ als „Rechenzentrums-
und Benutzerservice-Fachleute“ tätig. Die DV-Beratung machte weitere 15.000
Personen aus, während etwa ein Drittel des Fachpersonals, mehr als 75.000
Personen, zu den „Softwareentwicklern“ zählte, darunter allein rund 45.000 Pro-
grammierer*innen (vgl. Dostal 2006, S. 95, 105, 111). Um die Jahrtausendwende
expandierte das Feld der „IT-Dienstleistungen“ noch einmal stark; allein zwischen
1998 und 2001 erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten um knapp 45 %, während
die IT-Branche um rund 15 %, von 710.000 auf knapp 820.000 Beschäftigte,
wuchs (Boes 2003, S. 137 f.; vgl. auch Hachtmann 2015, S. 219–222).
Das rapide Wachstum der Branche zwischen den 1950er und 1990er Jahren
erklärte sich auch aus dem Wandel der Computertechnik und der Praxis der Com-
puterdienstleistungen. Dabei gehörte die Bundesrepublik um 1960 nach den
USA und neben England und Frankreich zu den größten Computermärkten
der Welt, gemessen an der Zahl der installierten Rechner und der Höhe der zu
entrichtenden Monatsmieten für Computer (Jansen et al. 1969,S.33f.;Diebold
Deutschland GmbH 1970, S. i; Diebold Deutschland GmbH 1971, S. 203 f.;
Jacob und Jungemann 1972, S. 31–88, 181–188).2
Ausgangs der 1950er Jahre, als sich „frei“ programmierbare Computersysteme
zu verbreiten begannen, waren es noch vor allem die Hardwarehersteller, die
System- und Anwendungsprogramme „im Paket“ mit dem Rechner auslieferten,
die Anwender in eigenen DV-Schulen in der Nutzung des Systems ausbildeten
2Die Stärkung der deutschen Computer-Industrie avancierte in den 1960er und 1970er Jah-
ren zu einem zentralen Ziel der deutschen DV-Förderpolitik. Vgl. dazu Siemens & Halske,
TELEFUNKEN/AEG: Memorandum. Zur Lage der Forschung und Entwicklung der EDV-
Anlagen in Deutschland, München und Ulm, 09.06.1965, 35.77 LP 5, Bd. 8, Siemens Cor-
porate Archives.
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters 43
und begleitende Services wie die Einrichtung, Wartung und Reparatur des Sys-
tems in die Vertragsverhandlungen integrierten. In den 1960er Jahren übernahmen
dann im Fall größerer Anwender rasch eigene DV-Abteilungen die Entwick-
lung individuell zugeschnittener Anwendungslösungen (Gugerli 2018;Yost2017;
Campbell-Kelly 2003; Campbell-Kelly und Garcia-Swartz 2015; zur Bedeutung
von Einzellösungen vgl. bereits Neugebauer et al. 1976, S. 170–172; Neuge-
bauer et al. 1980, S. 62–67; Neugebauer et al. 1983, S. 11–15, 23–25).3Einige
Großkonzerne gründeten überdies Tochterunternehmen aus, um Computerdienst-
leistungen anzubieten, wie beispielsweise die Mannesmann-Datenverarbeitungs-
GmbH ab 19704oder den IT-Dienstleister VW-GEDAS ab 1983. Hinzu kamen
sukzessive auch externe Angebote herstellerunabhängiger „Software-Häuser“,
die nun Standardanwendungen entwickelten. Freie und kooperativ genutzte
Rechenzentren ergänzten herstellergebundene Hardwareangebote, die vor allem
kleinere und mittlere Betriebe, aber auch Selbstständige und Kleinunternehmer
(Jurist*innen, Mediziner*innen, Steuerberater*innen) nutzten und dies biswei-
len, wie im Fall der Volksbanken oder der DATEV, in genossenschaftlichen
Modellen (Nähr 1967;Heinrich1969, S. 87–103; Wolff 1971;Schwab1972,
S. 132; Straube 1972, S. 151–157; DATEV 1973;Oefing1982; Vollmer 1991;
Dube 1993; Böbel 1998).5
In der „Software-Krise“ 1968 (Naur und Randell 2001; vgl. Leimbach 2010,
S. 216–237) rückten die Entwicklung und Anpassung von Computerprogrammen
stärker in den Fokus und lösten den Bereich der Hardware als vorrangigen Kos-
tentreiber ab. Zugleich eröffnete das sogenannte Unbundling („Entflechten“) von
Hard- und Softwareproduktion neue unternehmerische Märkte. Dabei prägte von
3Zur Dominanz von Hardwareherstellern wie IBM in der Computerausbildung der BRD
vgl. Rösner (1978), S. 95 f. Zu diesem Modell der DV-Schulung vgl. überdies exempl. Sie-
mens, DV-Schulung, Kenngrößen 1957–1970; ZTB-Rundschreiben, Nr. 1197, 13.4.1967,
VD/Lehrzentren für Datenverarbeitung, 35.77 LP 5, Bd. 6; Heinz Janisch: 30 Jahre Siemens-
Datenverarbeitung, 1954–1984, München 1988, 35.77 LP 5, Siemens Corporate Archives.
Zudem bot das Control Data Institute ab 1967 auch herstellerunabhängige Dienste in der
BRD an.
4Vgl. dazu: Die ersten 35 Jahre… MDV, Broschüre, M 30.032d, DuSGZG, Mannesmann-
Archiv, Salzgitter AG-Konzernarchiv, Mühlheim.
5Zur wachsenden Bedeutung privater und staatlicher DV-Schulen vgl. Spiegel (1970); HR-
Film 1968. Die Bundes-Fachschule des DGB zählte im Bereich der EDV um 1970 zu
den größten Lehranstalten. Doch auch einzelne Computerservicebüros boten ihre Dienste
an. Allein das DATEV-Kolleg als genoss. Ausbildungszentrum bildete um 1970 über 1000
Mitarbeiter*innen am Computer aus; rund 30 Mio. Buchungen gingen da bereits über die
Rechner. Vgl. Chronologie DATEV-Kolleg [Word-Doc.]; DATEV (1970), S. 1 f. DATEV
Corporate Archives.
44 M. Homberg
Beginn ein Mangel an Programmierer*innen (Ensmenger 2010, S. 23–25; Hicks
2017, S. 225–240) und an DV-Arbeiter*innen (Schlombs 2023, S. 67), etwa im
Bereich des Lochkartenstanzens, die Entwicklung. Am Ende der Großrechner-Ära
erschlossen die „Mittlere Datentechnik“ der 1970er Jahre (Sebinger 1976;Com-
puterwoche 1977; Pleil 1982; vgl. auch Müller 2008,2012)6und die Verbreitung
der Personal Computer der 1980er und 1990er Jahre (Danyel 2012; Ehrmanntraut
2019; Albert 2019; Sarasin 2021;Halvorson2022) neue Anwendergruppen.
Immer mehr Unternehmen setzten so über die Jahre die neuen digitalen Tech-
niken ein. Der Computer spielte in diesem Prozess eine ambivalente Rolle:
Zum einen war er Impulsgeber einer Rationalisierung der Büro- und Industrie-
arbeit, zum anderen veränderte sich der Charakter der „Datenarbeit“ im Zuge
des digitalen Wandels auch selbst. So erlebte die EDV-Branche zwischen den
1950er und den 1990er Jahren einen gravierenden „Strukturwandel“. In den
Medien dominierte zu Beginn das Bild der (in aller Regel männlich imagi-
nierten) Programmierer (Gugerli 2015) als ebenso elitäre wie wunderliche und
geheimnisvolle „Menschen, die mit Maschinen sprechen“ (O’Brien 1961; vgl.
auch Bednarik 1965). In der Praxis allerdings zeigten sich schon von den 1960er
zu den 1970er Jahren deutliche Abweichungen von dieser Vorstellung: Während
die sich etablierende mathematisch-theoretische Disziplin der „Informatik“ durch-
aus zu einer männlichen Domäne avancierte und auch Karrieren in Unternehmen
im Bereich der EDV in vielen Fällen Männern vorbehalten blieben, war das
Programmieren, vor allem aber die Datenverarbeitung auch in der Bundesrepu-
blik über viele Jahre hinweg Frauen überlassen worden, die vorzugsweise als
„Datentypistinnen“, „Rechenmädchen“ und „Locherinnen“ arbeiteten (vgl. dazu
Driessen 1987, S. 187–190; Hoffmann 1987, S. 73–74, 125–153; Boß und Roth
1992, S. 195; Roth 1992, S. 93–99; Rohr und Zander 1992, S. 71 f.; Dietz 1995,
S. 28–43; Dostal 2006, S. 107, 158; Homberg 2018, S. 108–110). Noch 1978
suchte der genossenschaftlich organisierte Datendienstleister DATEV in einer
Stellenanzeige der Franken Rundschau ausdrücklich „Hausfrauen!“ und lockte
mit dem gewissen „Extra-Geld“ für „Extra-Wünsche“. „Berufskenntnisse“ seien
dazu „nicht erforderlich“, dafür aber biete das 850 Mitarbeiter*innen zählende
Rechenzentrum während der Arbeitszeiten (14.30 bis 23.00 Uhr) einen „Kreis
netter Kolleginnen“.7
6Hier waren Computerkonzerne und Büromaschinenhersteller wie Nixdorf, Triumph-Adler,
Kienzle, Taylorix oder auch Siemag aktiv. Neben dem Vertrieb von Hardware gehörten EDV-
Services wie die Programmierung und Wartung der Maschinen oder auch der Betrieb von
Rechenzentren zu den Angeboten einzelner Firmen.
7Vgl. Anzeige, Franken Rundschau, 16.3.1978. DATEV-Unternehmensarchiv, Nürnberg.
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters 45
Diese geschlechterbezogenen Ungleichheiten in der Computerindustrie über-
lagerten zudem allgemein herrschende Klassenunterschiede. So reichte das Spek-
trum der Computer-Fachleute um 1970 von hochausgebildeten und -bezahlten
Expert*innen, allen voran im Bereich Programmierung und IT-Beratung, bis hin
zu EDV-Arbeiter*innen, die als Operateur*innen, Sortierer*innen und Tabellie-
rer*innen tätig waren.8Dabei erwies sich gerade das Arbeiten in den Maschi-
nenräumen der Rechenzentren als geistig und körperlich strapaziös. Hier war das
Personal nicht selten einer hohen Lärmbelastung und schwierigen klimatischen
Bedingungen ausgesetzt; auch waren Akkordarbeit (in der Stapelverarbeitung)
und Schichtdienste an der Tagesordnung (vgl. Schramm 1976; Ullrich 1977,
S. 280–290; Wolters 1978; Schmidhäusler 1979; Neef 1979,1980;Röske1981;
Scheidel 1985; Karck 1985;Dahmen1985a).
Wie divers das Feld der „Computerberufe“ war, bezeugen die Mikrozensus
der 1970er und 1980er Jahre (vgl. Dostal 2006, S. 88–112; Leimbach 2010,
S. 301–03). Obschon es in den „langen“ 1970er Jahren zu einer Pluralisierung
der Karriere- und Ausbildungswege kam, dominierten auch weiter die Prakti-
ker*innen (Kienbaum 1978, S. 10, 17) „learning on the job“ lautete das Credo.
Entsprechend hatten viele Gründer*innen von Computerfirmen zuvor bereits bei
Hardwareherstellern oder großen DV-Anwendern gearbeitet, respektive ihre Aus-
bildung genossen. Mit der steigenden Zahl der (Fach-)Hochschulabsolvent*innen
wurden indes auch universitäre Spin-offs üblicher (Domsch et al. 1983, S. 50–
60; Neugebauer 1986, S. 1). Diese Tendenzen bewiesen sich exemplarisch im
Fall der SAP, für deren Gründung 1972 ein Quintett ehemaliger IBM-Mitarbeiter
verantwortlich zeichnete, ebenso wie im Fall des Instituts für Angewandte Infor-
mationsverarbeitung, aus dem, dank der Nähe zum Deutschen Rechenzentrum
(DRZ) und der Darmstädter TU, schon drei Jahre zuvor die „Software AG“
hervorgegangen war (vgl. Dietz 1995, S. 50–62; Leimbach 2008,2017).9
Die Angebote der DV-Dienstleistungsbetriebe waren derweil so verschie-
den wie die Wünsche der DV-Anwender. Zur Branche gehörten klassische
8Ein Arbeitsplatz in der „Datenarbeit“ das heißt im „Datenkreislauf“ von der Erfassung
der Daten über deren Eingabe und Verarbeitung bis zur Ausgabe zeichnete sich besonders
durch das Nebeneinander analoger und digitaler Prozesse aus. In den Service-Rechenzentren
wurden die von Kunden in Form von Papier-Formularen eingesendeten „Rohdaten“ noch
in den 1970er Jahren in computerlesbare, per Lochkarten und Magnetbändern gespeicherte
Daten überführt, bevor sie die Zentren als ausgedruckte Ergebnisse, postalisch oder gar per
Bote wieder verließen. Hieraus ergab sich eine Vielzahl unterschiedliche Jobs (vgl. z. B.
DATEV 1970,1973).
9Für dieses Modell stand auch der 1980 in Dortmund gegründete IT-Dienstleister Materna
GmbH. Vgl. Oral-History-Interview, Dr. Winfried Materna, Gründer und CEO, Materna
GmbH, 6.2.2023, Berlin.
46 M. Homberg
Programmierbüros, aber auch komplexere „Software-Häuser“, DV-Beratungen,
Rechenzentrumsbetreiber und sogenannte System-Häuser, die ihre Services an
konkrete Hardwaresysteme banden. Kleinere Programmierbüros waren besonders
zahlreich, den größten Anteil an den DV-Märkten besaßen die „Software-Häuser“.
Typologisch zu unterscheiden sind Firmen, die sich auch und gerade als Produkt-
entwickler sahen, wie SAP, das eigene real-time systems (R/1) pilotierte, und
solche, die vor allem das Dienstleistungsgeschäft oder auch hybride Modelle
betrieben. Die in Hamburg ansässige Scientific Control Systems (SCS), ein
Ableger der deutschen BP, übernahm beispielsweise die Auswahl von Compu-
tersystemen und dazu passende Programmierarbeiten, Schulungen und Training,
aber auch das Feld der Organisationsberatung. Zu den Kunden gehörten staat-
liche Einrichtungen ebenso wie deutsche Großunternehmen wie VW, Siemens
oder die Deutsche Bank, in denen nicht selten auch „Prestigegründe“ (Jaeggi
und Wiedemann 1963, S. 11–16; Leimbach 2010, S. 297 f.) für den Erwerb
von Computern ausschlaggebend waren. Zugleich erweiterten klassische Manage-
mentberatungen, wie die 1967 in München gegründete Firma Roland Berger,
Mitte der 1970er Jahre ihre angebotenen Leistungen im Bereich der Konzeption
und Implementierung von DV-Systemen und setzten hier eine wachsende Zahl
an Mitarbeiter*innen ein (Dietz 1995, S. 54–57; Leimbach 2010, S. 289–293,
298–300; Lippold 2016, S. 38–40).
4 Computer-Dienstleister in der Bundesrepublik
4.1 Zentralisierte Hardware, dezentrale Dienste: Die
Geschichte des Mathematischen Beratungs- und
Programmierungsdienstes“
Die Geschichte einer eigenständigen Branche von Computerdienstleistungen
begann Mitte der 1950er Jahre. Im Februar 1957 wurde der Mathematische
Beratungs- und Programmierungsdienst (mbp) als eines der ersten „Software-
Häuser“ Europas mit einem Stammkapital von 100.000 DM von 14 Unternehmen
in den Räumen der Dortmunder Industrie- und Handelskammer gegründet, dar-
unter die Hoesch AG als größte Anteilseignerin (25 %), lokale Industriebetriebe,
allen voran aus der Stahl- und Kohleindustrie und dem Maschinenbau, Ban-
ken und Handelskonzerne sowie Energieversorger. Die Idee zur Gründung einer
privatrechtlichen Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft im Feld der elektro-
nischen Datenverarbeitung hatte der promovierte Mathematiker Hans Konrad
Schuff, der bis zu seinem Tod 1968 Geschäftsführer von mbp blieb.
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters 47
Das Rechenzentrum Rhein-Ruhr, eine Betriebsabteilung von mbp, ging zwei
Jahre nach der Gründung des Unternehmens als erstes herstellerunabhängiges
Dienstleistungsrechenzentrum in der Bundesrepublik in Betrieb (vgl. Ellerbrock
2010, S. 35–37).10 Die Rechenanlage vom Typ X-1 der Firma Electrolo-
gica hatte die gigantische Summe von über 538.000 DM gekostet; zu den
Schwerpunkten gehörten Berechnungen im „technisch-mathematischen“ Bereich
(Mathematik/Physik, Baustatik, Operations Research), aber auch in der „kauf-
männischen Datenverarbeitung“ (Beratung, Organisation, Programmierung), etwa
zur Abwicklung der Finanz- und Lohnbuchhaltung (mbp 1968;Pärli1982). Um
1970 zählte die Belegschaft, wie ein leitender Manager in einer Ringvorlesung
vor angehenden Mathematiker*innen kundgab, rund 150 Personen, die meisten
davon (40) waren in der Programmierung großer Systeme tätig (Ringkolloquium
1972, S. 123–133). Dabei hatte das Gros des akademischen Personals ein Stu-
dium der Mathematik, Physik oder auch der Ingenieurs- und Betriebswirtschaften
abgeschlossen (wobei die Frauenquote bei mbp im wissenschaftlichen Personal
bei beachtlichen knapp 20 % lag11). Zwar gebe es Schulungen im Bereich der
Datenverarbeitung, „im Wesentlichen“ aber erfolge auch hier die „Ausbildung
‚on the job‘“. Voraussetzung für den „verantwortungsvollen und hochbezahlten“
Beruf des Programmierers, der nach einigen Jahren durchaus 3000 bis 5000 DM
verdienen könne, sei daher vor allem „Interesse und geistige Beweglichkeit“.
Angesichts steigender Konkurrenz, allen voran zu US-amerikanischen Firmen,
laute die Devise, „mobil“ und „flexibel“ zu bleiben, zumal der „Mitarbeiter“
das einzige „Produktionsmittel“ dieser neuen Industrie sei. Zur Kehrseite gehöre
indes, dass sich die Angestellten bei den Arbeitszeiten „nach den Maschinen [zu]
richten“ und so bisweilen auch Überstunden zu leisten hätten (Ringkolloquium
1972, S. 130 f.).
Um dem allgegenwärtigen Mangel an geeignetem Personal zu begegnen,
bildete mbp, zusammen mit dem Dortmunder Arbeitsamt, deshalb auch Fach-
personal aus und veranstaltete Programmierlehrgänge (Interview Hans Pärli, in
O’Brien 1961, S. 132; vgl. NDR-Film 1959; WDR-Film 1962). Zudem gab
die Firma das Magazin elektronische datenverarbeitung heraus, das rasch zu
einem der wichtigsten Fachorgane der Branche wurde. So war das Unternehmen
binnen weniger Jahre neben der 1962 von Friedrich A. Meyer gegründe-
ten Wilhelmshavener Firma ADV/Orga zu einem der Pionierunternehmen in
10 Zur Gründung vgl. Mathematischer Beratungs- und Programmierungsdienst GmbH, Hoe/
9316: Gesellschafterversammlungen | Gründung; Hoe/9317-9323: Gesellschafterversamm-
lungen, ThyssenKrupp Corporate Archives, Hoesch Archiv, Duisburg.
11 Angaben zur Personalstruktur des mbp, um 1970, K 1 Nr. 30690, Bd. 3, WWA Dortmund.
48 M. Homberg
der bundesdeutschen Geschichte der Computerdienstleistungen geworden, das
in der Folge stark expandierte. In den 1970er Jahren gründete mbp Niederlas-
sungen in der Bundesrepublik, in Frankreich, Großbritannien und in den USA.
Zum 25. Firmen-Jubiläum beschäftigte mbp 450 Mitarbeiter*innen und erreichte
einen Umsatz von rund 50 Mio. DM. 1993 wurde es an den amerikanischen
Konzern EDS veräußert, noch bis 2008 arbeiteten ehemalige Beschäftigte in Dort-
mund. Später übernahm HP den Konzern. Heute wird die Gründung von mbp
als „weitsichtige Wirtschafts- und Technologieförderung“ sowie als „Initial zur
Begründung des IT-Standortes“ gesehen (Ellerbrock 2010,S.35f.).
Aus der Geschichte des Computerdienstleisters mbp lassen sich drei Erkennt-
nisse über die Dynamiken des digitalen Zeitalters ziehen: Erstens zeigt der
Fall, dass die zu Beginn überragende Bedeutung zentralisierter Hardware
in Rechenzentren (Dommann et al. 2020) in den „langen“ 1970er Jahren
zusehends abnahm und dezentrale Arrangements und Beratungsangebote wich-
tiger wurden. Bis 1970 war „data work“ vielerorts vor allem „data center
work“ also „Rechenzentrumsarbeit“ gewesen, auch weil die Akquise von
Rechnern energie-, personal- und kostenintensiv und das Know-how rar waren.
Vor allem kleinere Firmen schlossen sich daher zusammen, teilten sich Rechen-
zeiten („Time-Sharing“) und nutzten die Dienste der „Software-Häuser“.12 Als
um 1970 neue, günstigere Formen des Computereinsatzes im Zeichen des
Mikrochips möglich wurden, entbrannte rasch eine „Make or Buy?“-Debatte
unter dem Slogan „EDV in Eigenregie oder außer Haus?“ (Komor 1970), die
auch die Erwartungen an Unternehmen wie mbp veränderte. Die Miniaturisierung
der Hardware, in deren Folge Klein- und Mikrocomputer in Büros und Fabriken
einzogen, aber auch der Ausbau digitaler Netze, die mobiles Arbeiten bzw. das
„Telearbeiten“ von zu Hause möglich machten, erforderten eine Ausweitung des
(Produkt-)Portfolios und eine Expansion in neue Segmente zur Optimierung von
Prozessen, die sich auch in den Angeboten der Firma widerspiegeln (mbp: Bilanz-
12 Bei den Anwendern von (Groß-)Rechenanlagen stachen noch in den 1970er Jahren Unter-
nehmen aus dem Elektro- und Maschinenbau heraus, wobei in vielen Industriezweigen, aber
auch im Handel und im Bank- und Versicherungswesen „Time-Sharing“ an der Tagesord-
nung war. Daneben eroberten allerdings alsbald die „mittlere Datentechnik“ und in der Folge
auch PCs die Büros, sodass die Relevanz von (Service-) Rechenzentren in den 1980er und
1990er Jahren zusehends schwand (Neugebauer et al. 1980, S. 18–20, 49–65, 80–83; Neu-
gebauer et al. 1983, S. 57–65; Neugebauer 1986, S. 35–44; mbp: Software-Markt 1987.
Markt Anbieter Trends, in: Firmenakte mbp Software und Systems GmbH, Dortmund,
K 1 Nr. 24365, Westfälische Wirtschaftsarchiv (WWA), Dortmund; BMWi 1990; Leimbach
2010, S. 240–243, 260–268, 298–305; Gugerli et al. 2014; Gugerli 2018; zu den USA vgl.
zudem Campbell-Kelly und Garcia-Swartz 2008;Hu2015).
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters 49
und Geschäftsberichte13; vgl. auch Pärli 1982, S. 155 f.; FAZ 1990 sowie allg.
Griese 1982, S. 147–150). So reichte das Spektrum alsbald von der Einrichtung
„technischer Systeme“ in den Bereichen Produktion und Management, aber
z. B. auch Verkehr über die Implementierung von Rechnernetzen und Kommu-
nikationssystemen bis hin zur Programmierung komplexer Einzellösungen und
der Installation, Wartung und Reparatur grafischer DV-Systeme. Dabei wurden
auch die lokal eingesetzten Berater*innen und ihr Know-how zusehends zu einer
mobilen, „teilbaren“ Ressource in der neuen, digitalen Dienstleistungsökonomie.
Zweitens kann man am Beispiel der Geschichte des mbp den digitalen
Wandel der Arbeitswelten in den Blick nehmen. So eroberten die digitalen
Expert*innen schnell die Unternehmen, transformierten Managementkonzepte
und wirbelten, nicht ohne Konflikte, etablierte betriebliche Hierarchien durchein-
ander. Dabei waren allerdings deutliche Unterschiede auszumachen zwischen den
neuen, elitären Angestellten, den Computer-Spezialist*innen, und der Masse der
Locher*innen, Maschinenbediener*innen und Programmierer*innen (vgl. dazu
allg. Jaeggi und Wiedemann 1963, S. 132–135, 182–195, 228 f.; Bednarik 1965,
S. 26–28, 103–118; Hoos 1966, S. 38–87; Brandt 1967; Fischer 1970; Altmann
und Kammerer 1970;Blau1971; MM-Industrie-Journal 1973; Hytha 1976;Hei-
bey et al. 1977; Neef 1979,1980;Briefs1980; Molitor 1984, S. 145–147;
Littek et al. 1991, S. 15–17; Boß und Roth 1992, S. 253–280; Hartmann 1995).
Zugleich beobachteten bereits die Zeitgenoss*innen die wachsende Gräben zwi-
schen Dienstleistern und Kunden. Eindrücklich rieten die Beiratsvertreter den
Computer-Fachleuten so am Rande einer Sitzung in der Hauptverwaltung der
Hoesch-Werke Mitte der 1970er Jahre dazu, ihr „Datenverarbeitungs-‚Chinesisch‘
[…] in eine allgemeinverständliche Sprache zu transponieren“.14 Das war auch
innerhalb des Hoesch-Konzerns wichtig, dessen Werkszeitung Werk & Wir wie
schon der Industrie-Film „Im Bruchteil von Sekunden“ den Siegeszug der Com-
puter in den 1960er und 1970er Jahren bildgewaltig inszenierte (Im Bruchteil
von Sekunden 1960; Werk & Wir 1970). In den Betrieben und Beteiligungen
der Hoesch Werke AG arbeiteten 1975 circa 50.000 Menschen, davon gehör-
ten rund 500 Personen zur Stabsstelle „Zentrale Datenverarbeitung“ (ZDH);
insgesamt waren 1250 Mitarbeiter*innen des Konzerns mit diversen „Compu-
terfragen“ betraut, darunter auch die Angestellten des mbp. Das konzerneigene
13 Zu Beginn lag der Fokus des Betriebs im Bereich der „Büro-Automation“. Vgl. Mathe-
matische Beratungs- und Programmierungsdienst, Mai 1957, Hoe/9316, TK Corp. Archives,
Hoesch Archiv, Duisburg. Zur Entwicklung vgl. die Bilanz- und Geschäftsberichte in K 1 Nr.
30689; 30690; S. 7, Nr. 1206, WWA, Dortmund.
14 Firmenakte mbp Software und Systems GmbH, Dortmund K 1 Nr. 30690, Bd. 1, WWA,
Dortmund.
50 M. Homberg
Rechenzentrum wurde im „Closed-shop-Betrieb“ geführt, sodass es einer Son-
dergenehmigung zum Betreten des Maschinenraumes bedurfte (Windfuhr 1976,
S. 1–5). Eine solche hermetische Abschottung des Rechenzentrums erregte auch
über mbp hinaus erheblichen Argwohn. So dokumentierte 1978 das Hörspiel
„Datenverarbeitung“ die Gegensätze zwischen Computer-Spezialist*innen und
Anwendern und verlieh dazu einer zynischen Kritik des Arbeitens in der EDV
Ausdruck (Wolters 1978; vgl. dazu Schaumann 1981, S. 111–116; Hischenhuber
1985, S. 142–144).
Drittens sind die Verwandlungen des Dienstleistungsbetriebs besonders ein-
drücklich vor der Folie des „Strukturwandels“ in NRW zu analysieren. Im
Herzen des Ruhrgebiets angesiedelt, war die Förderung der Computerindustrie
und angeschlossener Services auch eine Frage von Prestige und Image. Im
Land von „Kohle und Stahl“ (Raphael 2019, S. 465) avancierte der digitale
Wandel so zum Versprechen der „Zukunftsfähigkeit“ (Thießen 2022,S.68
73; vgl. auch Buchholz und Czierpka 2021, S. 145–167), wobei der Computer
in den 1960er und 1970er Jahren besonders den Krisendiagnosen („Jobkiller“)
angesichts des Zechensterbens und des langen „Abschieds vom Malocher“ (Hind-
richs et al. 2000) Vorschub leistete, bevor in den 1980er und 1990er Jahre
eine aktive Förderpolitik, inklusive millionenschwerer Subventionsprogramme,
ein neues „Landesbewusstsein“ etablieren sollte (Hitze 2010). Im Geiste die-
ser Gegenwartsdiagnostik wurde auch mbp in Fernsehsendungen, allen voran im
WDR, sowie in der Tagespresse als Sinnbild des digitalen Strukturwandels und
eines unumkehrbaren Trends hin zur „Dienstleistungsgesellschaft“ beschrieben.
Eine regionalhistorische Perspektive, die die Beziehungsgeschichten von kom-
munaler und landesstaatlicher Politik, Industrie und Verwaltungen in den Blick
nehmen will, kann aus diesem Fallbeispiel lernen.
4.2 Die „Infrastruktur“ der Datendienstleistungen:
Staatliche Förderungen, digitale Netze und
kommunale (Service-)Rechenzentren
Die Frage nach der Zentralisierung oder Dezentralisierung der Computeranlagen
und ihrer computergestützten Datendienste grundierte auch die Auseinanderset-
zung um die Relevanz von Rechenzentren. In den 1960er und 1970er Jahren
kam es in der Bundesrepublik zu einem regelrechten Boom der (Service-)
Rechenzentren. Um 1970 existierten so bereits über 500 Zentren, von denen
wenigstens 150 bis 200 exklusiv oder partiell für Dritte arbeiteten (vgl. Schneider
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters 51
1968, S. 87–95; Heinrich 1969, S. 77–83; Hellfors 1971, S. 5; MM-Industrie-
Journal 1972, S. 400; Fischer und Frimmel 1976, S. 9; Kloten et al. 1976, S. 130–
136; Oehler und Seibt 1980, letztere nennen rund 300 Service-Rechenzentren).15
Der Verband deutscher Rechenzentren (Lange-Hellwig 1972, S. 34–52; VDRZ
1980) versammelte das Gros dieser Serviceanbieter.
Die Frage „Kleincomputer oder Rechenzentrum“ (Schneider 1968)bewegte
dabei zusehends auch staatliche Planungsbehörden. Im März 1968 hatte das Bun-
deskabinett die Errichtung einer Koordinierungs- und Beratungsstelle für die
EDV in der Verwaltung beschlossen, die ein Bundesdatenbanknetz etablieren
sollte. Nur wenige Wochen später wurde die Gesellschaft für Mathematik und
Datenverarbeitung (GMD) gegründet, die sich der Systemplanung und Program-
mierung sowie der Erprobung von Modellsystemen widmete (BT 1968, S. 1–7;
vgl. Frohman 2020, S. 311–313). Der am 10. Februar 1970 gebildete Koopera-
tionsausschuss Automatisierte Datenverarbeitung, kurz KoopA ADV, unternahm
derweil den Versuch, die Sammlung und Verwaltung der Datenbestände in Bund,
Ländern und Kommunen zentral zu organisieren und zu koordinieren (Brinck-
mann und Kuhlmann 1990, S. 123–133; vgl. allg. Fleischhack 2016, S. 38–65,
69–79). Länder und Kommunen beschlossen die legislativen Grundlagen, um
den Datenverkehr in Form von „Informationssystemen“ zu synchronisieren.
In der Folge etablierte sich ein Netz kommunaler Datenverarbeitungszentra-
len, sogenannter Gebietsrechenzentren (KGRZ), die regionale Datendienste für
den öffentlichen Sektor anboten, beispielsweise die 1967 gegründete Aache-
ner Datenverarbeitungsgesellschaft, die vier Jahre später eingesetzte Anstalt
für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern oder das 1972 errichtete Kom-
munale Gebietsrechenzentrum Kassel. Das Journal Öffentliche Verwaltung und
Datenverarbeitung VD) berichtete über die Vorhaben zur Neuordnung des
Datenverkehrs. Bis 1978 gab es bereits über 100 kommunale Rechenzentren
15 Der Siegeszug der Rechenzentren gründete auch darin, dass sich bis in die 1970er Jahre,
als das Lesen und Verarbeiten von „Daten“ noch getrennte Vorgänge waren, deutsche Firmen
über Branchengrenzen hinweg im Dienste einer Automatisierung und Rationalisierung der
DV um zentrale Computerservices bemühten. Dabei wurden die Datensätze in den Rechen-
zentren in aller Regel sequenziell, ohne weitere Eingriffe der Nutzer, als (Loch-)Kartenstapel
(„batch-processing“) „abgearbeitet“. Dies änderte sich um 1970, als das interaktive Arbei-
ten über (online vernetzte) Dialogcomputer sich durchsetzte, wodurch dezentrale Modelle
üblicher wurden. Die Zahl der (Service-)Rechenzentren ging angesichts der Miniaturisie-
rung und des voranschreitenden Trends zur Dezentralisierung der Rechentechnik so bis
zum Ende der 1980er Jahre rapide zurück und lag um 1990 nur mehr bei rund 100 bis 150
Einrichtungen, wobei ein neuerlicher Trend zum „Outsourcing“ der Branche alsbald wie-
der neuen Schwung verlieh (vgl. Neugebauer et al. 1980, S. 89–92; Neugebauer et al. 1983,
S. 57; Vollmer 1991, S. 12; Buchholz 1992, S. 15–17; Leimbach 2010, S. 260–262, 382).
52 M. Homberg
(vgl. KGSt 1975,1981;ADV1987). Dabei war der Trend zur Vernetzung der
Computersysteme Ausdruck einer stärkeren Zentralisierung und „Bund-Länder-
Verflechtung“, wie sie in den 1970er Jahren generell charakteristisch war (Bösch
2018, S. 24 f., 29–32). Zugleich zeigte sich, dass der Ausbau digitaler Netze
und „Infrastrukturen“ (van Laak 2018) insbesondere von divergierenden ökono-
mischen und politischen Zielsetzungen, aber auch regionalem Kompetenzgerangel
und lokal-situativen Opportunitäten abhängig blieb (Thießen 2022, S. 64–68).
Eine zentrale Steuerungsinstanz war das Bonner Bundesministerium für das
Post- und Fernmeldewesen, das sowohl die Tarife des digitalen Datenverkehrs
kontrollierte als auch die bundesdeutschen Computermärkte zu regulieren ver-
suchte. Ausdruck des dirigistischen Plankalküls zur Förderung zentralisierter
DV-Dienste war die Gründung der Deutschen DATEL-Gesellschaft für Daten-
fernverarbeitung zum 1. Juni 1970, die im Dienste der Expansion der „Fernmel-
dewege“ und des „Ausbau[s] von Computer-Zentralen und deren Vermietung“
nach dem Modell des „Time-Sharings“ stand (Die ZEIT 1970; vgl. Novotny
1973;FAZ1975; vgl. auch Röhr 2021, S. 193–196). Zu den Gründern zählte,
neben der Deutschen Bundespost, ein Konsortium der Computerhersteller Sie-
mens, Nixdorf, AEG und Olympia. Das Ziel der DATEL war es in Kooperation
zum Deutschen Rechenzentrum klein- und mittelständischen Betrieben günstige
EDV-Anwendungen und -Dienste anzubieten.16 Der Traum erwies sich allerdings
als kurzlebig, da die Allianz binnen weniger Jahre am wiederholten Dissens über
organisationale, technologische und strategische Fragen zerbrach. Als Siemens
und AEG ihren Rückzug ankündigten und die DATEL in die Hände ausländi-
scher Wettbewerber (Générale de Service lnformatique Europe, GSI, Brüssel,
sowie INDELEC, Schweizerische Gesellschaft für elektrische Industrie, Basel)
geriet, sorgte sich der Bundestag im März 1975 um ein potenziell ausländi-
sches Netzwerkmonopol (BT 1975, S. 10857).17 Die Episode zeigt, wie stark
der Ausbau digitaler Netze und Computerservices zugleich eine Frage regiona-
ler und nationaler Förderpolitik war. So avancierten Rechenzentren zu kritischen
„Infrastrukturen“.
16 Zu den Zielen der DATEL vgl. Die Datel GmbH als EDV-Dienstleistungsunternehmen,
Broschüre, ca. 1973; DATEL-Report, 28.6.1973, B 106/99520; Datel-Intern, 25.10.1972, B
257/7166, Bundesarchiv Koblenz (BAK).
17 Zur Gründung und Geschichte der DATEL vgl. überdies allg. B 257/7164 B 257/7168;
B 257/20248 B 257/20253, BAK. Zur Geschichte des Deutschen Rechenzentrums vgl.
zudem: DRZ, N 24, Hessisches Staatsarchiv Darmstadt; DRZ, Bestand 504, Nr. 6655
Bestand 504, Nr. 6667; Bestand 507, Nr. 7641, Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden.
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters 53
4.3 Nationale Lösungen, internationale Verbindungen:
Computerdienstleistungen zwischen „Böblingen
und Bangalore“
Zu den wichtigsten Spielern im Bereich der Computerdienste in der Bundes-
republik gehörten US-amerikanische Computerhersteller, allen voran IBM, die
bereits ab den 1950er Jahren hardwarenahe Dienste wie die Programmierung
und Wartung von Maschinen anpries, wobei Vertrieb, Marketing und Beratung
in der Praxis durchaus verbunden waren. Bis in die 1970er Jahre etablierte IBM
ein dichtes Netz von Forschungs- und Entwicklungszentren rund um den Glo-
bus, darunter auch in Böblingen (gegr. 1953), und richtete in den 1990er Jahren
schließlich eine eigene IBM Consulting Group ein, die globale Datendienste und
strategische Beratungen anzubieten begann (FAZ 1972; Peter 1975, S. 75–79;
Rösner 1978, S. 88–97; Howe 1993; Ganzhorn und Barsuhn 2005;Yost2017,
S. 45–62, 177–210; Cortada 2019, S. 471–473).
Schon an der Schwelle der 1970er Jahre waren viele Computerhersteller und
-dienstleister dazu übergegangen, ihre Angebote zu „internationalisieren“. Zu
diesem Zweck kam es zum einen zur Gründung von Auslandsgesellschaften, die
wie im Fall von Siemens, Nixdorf und SAP auch deutsche Unternehmen zu
Global Playern im Bereich des Computerhandels werden ließen. Bisweilen began-
nen die Ausgründungen von Tochter-Firmen und Auslandsdependancen ebenso
wie die Verstärkung des Exports von Produkten in die USA, nach Großbritannien
oder nach Japan sogar noch vor der Konsolidierung am deutschen Markt, wie
der Expansionskurs der Software AG ab Mitte der 1970er Jahre bewies (Leim-
bach 2017; vgl. auch Leimbach 2010, S. 283–285, 393 f.). Zugleich gehörte
zur viel beschworenen „Internationalisierung“ der Handel von Maschinen, Pro-
grammen und Datendiensten ins Ausland, allen voran im Prozess der Anpassung
und Vereinheitlichung von IT-Prozessen in multinationalen Konzernen. Dabei
gab es durchaus kontroverse Debatten über den neuen Kurs und bisweilen auch
erhebliche Widerstände gegen den globalen Handel, etwa im Fall von Geschäfts-
beziehungen, die Systemhäuser wie SCS oder mbp zu autokratischen Staaten
anbahnten oder auch zu solchen, die wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen
in der Kritik standen, wie zu Südafrika in der Apartheid-Ära, zu Ägypten oder
auch zu Saudi-Arabien. Im September 1985 wurden die Rechenzentren der beiden
Konzerne gar Opfer von Bombenanschlägen (vgl. z. B. WDR-Film 1985; zum
Computer-Terrorismus vgl. zur Mühlen 1973;Dahmen1985b; Campbell 1988,
54 M. Homberg
S. 1–15; Campbell 2011, S. 17 f., 37–45).18 So wurden nationale Lösungen und
Ansprüche zusehends vor der Folie globaler Verflechtungen gelesen.
Zum anderen avancierte die Verlagerung von IT-Jobs, gerade im Bereich der
Computerdienste, in den 1990er Jahren zu einem markanten Zeichen der „Flexi-
bilisierung“ (Sennett 2000, S. 27–30) und „Globalisierung“19 der Arbeitswelten
in der Computerindustrie (Homberg 2018; vgl. allg. Söbbing 2015). Hier rück-
ten die Länder des Globalen Südens, allen voran Indien, in den Fokus auch der
bundesdeutschen Debatte: „Bangalore statt Böblingen?“ (Boes und Schwemmle
2005) lautete demnach um die Jahrtausendwende die Frage. Indische Firmen kon-
trollierten nun rund zwei Drittel des globalen IT-Outsourcings und erreichten
zudem bis 2007 einen Anteil von 45 % im Bereich Business Process Outsour-
cing (Mascarenhas 2010, S. 137). Neben der Auslagerung von Arbeitsplätzen und
Know-how in Callcentern nearshore und offshore etablierte sich auch eine Pra-
xis des „Bodyshoppings“, die Spezialist*innen rund um den Globus buchstäblich
in Bewegung brachte und so die „global verteilte Kopfarbeit“ antrieb (vgl. Boes
und Kämpf 2011; Feuerstein 2012; Sharma 2015; Mayer-Ahuja 2017). Die erste
Euphorie (Friedman 2005) um die Ausbildung neuer digitaler, global vernetzter
Arbeitsmärkte, in deren Zuge die Gegenwartsdiagnostik eine Einebnung globaler
Hierarchien und Ungleichheiten prognostizierte, wich indes rasch der Skepsis. So
blieben digitale Gräben zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden
vielerorts bestehen. In historischer Perspektive sind die emanzipatorischen Ver-
sprechen, die die vielgestaltigen Wege ins digitale Zeitalter grundierten, daher
kritisch zu bewerten. Hier erwies sich das Ringen um „digitale Unabhängig-
keit“ wie in Indien schon angesichts der Dynamiken von Kaltem Krieg und
Dekolonisierung, aber auch im Zeichen der neuerlichen, tektonischen Verschie-
bungen nach 1990 als ein bis heute hochgradig ambivalenter Prozess (Homberg
2022a,2022b).
5Fazit
Am Beispiel der wechselvollen Geschichte der Computerdienstleistungen in
der Bundesrepublik ab den 1950er Jahren lassen sich exemplarische Über-
legungen zum Einsatz von Computern in Industrie, Handel und Verwaltung
18 Vgl. Bekennerschreiben, Revolutionäre Zellen, Sep. 1985; Pressesammlung, NL 7
Schulze, WWA, Dortmund. Vgl. überdies: Hoe/1502; H/4847; Hoe/12725; Hoe/12726; v. a.
Hoe/12727, TK Corp. Archives, Hoesch Archiv, Duisburg.
19 Zur Einordnung und Kritik der Rede von „Globalisierung“ in den 1990er Jahren vgl. Eckel
(2018); Bach (2020) sowie grundlegend Schröder und Höhler (2005).
Datenarbeit. Der Anbruch des digitalen Zeitalters 55
diskutieren und darüber zugleich dynamische wie auch verzögernde Perioden
der deutschen Digitalgeschichte bestimmen. Überdies erlauben die Beobach-
tungen, den allgemeinen und ab den 1950er Jahren im Anschluss an die
Thesen Jean Fourastiés zusehends beschworenen, von Euphorie und Ängs-
ten begleiteten Wandel zu einer „Dienstleistungsgesellschaft“ (Gross 1983)an
einem sektoralen Beispiel kritisch zu beleuchten. Chronologisch lassen sich
drei Phasen unterscheiden: In der ersten Phase der 1950er und beginnenden
1960er Jahre vollzog sich die „Datenarbeit“ noch vorrangig in eigens ange-
legten, riesigen Rechenzentren, die zu einem Werkzeug der Optimierung und
Rationalisierung von Arbeitsprozessen wie Unternehmensstrukturen, aber auch
der Veränderung von Business-to-Business-Beziehungen wurden. In der zwei-
ten Phase der „langen“ 1970er Jahre richteten vor allem große Konzerne in der
Bundesrepublik eigene EDV-Querschnittsabteilungen ein und erprobten durch die
Entwicklung der Mikroelektronik dezentrale Wege der Datenverarbeitung, die im
Zuge des „Unbundlings“ von Hardware und Programmierdiensten auch dezentrale
(Unternehmens-)Beratungen im Bereich der Computer-Services hervorbrachten.
Hier erlebte die Bundesrepublik eine „Make or Buy?“-Debatte, die unter dem
Slogan „EDV in Eigenregie oder außer Haus?“ stand, wobei sich die Lösung des
„Time-Sharings“ und des vernetzten Datenaustauschs insbesondere für die vielen
klein- und mittelständischen Unternehmen in der BRD als probate Option erwies.
In der dritten Phase ab Ende der 1970er Jahre und vor allem in den 1980er und
1990er Jahren bildete sich alsdann parallel zum neuerlichen Trend zur Zentra-
lisierung von „Datendienstleistungen“ ein weites Netz von Berater*innen aus,
die die zunehmend global vernetzten Arbeitsprozesse zu begleiten und zu gestal-
ten begannen. Die lange Geschichte des Servicesektors spiegelte so in Diskurs
und Praxis die verzweigten bundesdeutschen Wege in die „digitale Gesellschaft“
wider (Bösch 2018; vgl. auch Gugerli und Zetti 2018).
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Computer in der Fabrik. Die digitale
Transformation in der
Produktionstechnik, 1950 bis 1990
Nora Thorade und Julia Gül Erdogan
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die Entwicklung der Mikroelektronik und ihre Aus-
wirkungen auf die industrielle Arbeitswelt der Fabrik. Er zeigt, dass die Digi-
talisierung graduell erfolgte, zu Teildigitalisierungen und -automatisierungen
führte und historische Wurzeln in der Standardisierung von Arbeitsprozessen
hatte. Dabei verfolgt der Beitrag die Entwicklung von der Einführung der
NC-Steuerung in den 1950er Jahren bis zum Einzug der Mikroelektronik in
den 1970er Jahren. Deutlich zeigt sich, die Ambivalenz von Alt und Neu in
der Techniknutzung. Denn auch die Digitalisierung der Arbeitswelt war von
Aushandlungsprozessen zwischen alter und neuer Technik sowie menschlicher
Einflussnahme geprägt und knüpfte an bestehende Leitbilder an. Der techni-
sche Wandel vollzog sich also nicht isoliert, sondern wurde von langen Linien
des Suchens, Ausprobierens und der Beständigkeit etablierter Arbeitsprozesse
gerahmt.
Schlüsselwörter
Fabrik Produktion Automatisierung Computergeschichte
Technikgeschichte
N. Thorade (B)
Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin, Berlin, Deutschland
E-Mail: thorade@technikmuseum.berlin
J. G. Erdogan
TU Berlin, Technikgeschichte, Berlin, Deutschland
E-Mail: kontakt@julia-erdogan.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_3
67
68 N. Thorade und J. G. Erdogan
1 Einleitung
Im Mai 1975 präsentierte die populärwissenschaftliche Zeitschrift Scientific
American auf der Titelseite einen programmierbaren 16-Bit-Mikrocomputer der
Teledyne Systems Company. In der Beschreibung wurde erklärt, dass dieses
winzige Gerät alle Aufgaben übernehmen könnte, für die bisher viel größere
Maschinen eingesetzt wurden. Detailliert wurde der Aufbau erläutert, um den
Leser*innen die Funktionsweise näherzubringen: „All told the system incorpo-
rates more than 100,000 transistors. It communicates with the outside world
through 120 leads, 30 on a side, the ends of which are visible at the edges of the
photograph.“ (Scientific American 1975, S. 4) Auch in der deutschen Wochenzeit-
schrift Der Spiegel wurde in dem Jahr begeistert von Mikrocomputern berichtet,
„die nun wohl endgültig die elektronische Revolution in jede Fabrikhalle und
jedes Büro, in die Arztpraxis und schließlich auch den privaten Haushalt tragen
dürften“ (Heißes Produkt 1975, S. 230).
Trotz aller Revolutionsmetaphorik stand der Mikroelektronik noch ein lan-
ger Weg bevor, bis sie die Arbeitswelt tiefgreifend veränderte. Sie befeuerte
zwar die Diskussionen über die Zukunft der Arbeit und die Automatisierung
der Arbeitswelt, durchdrang aber die sozialen und technischen Arbeitsprozesse in
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch nicht vollständig, sondern führte zu
Teildigitalisierungen und -automatisierungen im Betrieb. Diese langen Prozesse
der Durchdringung der Arbeit mit digitaler Technologie möchten wir in die-
sem Beitrag für die Arbeitswelt der Fabrik aufzeigen. Die Standardisierung von
Arbeitsprozessen im Zuge der Einführung digitaler Technologien und die Etablie-
rung neuer Formen der Informatisierung wurzeln in historischen Entwicklungen
(Vgl. Pfeiffer und Nicklich in diesem Band). Unser Ziel ist es, zu verdeutli-
chen, wie die Mikroelektronik eine technische Grundlage geschaffen hat, um
bereits bestehende Konzepte zur Automatisierung der Produktion weiterzuentwi-
ckeln und neue Konzepte zu formulieren, die bis heute wirken und nicht zuletzt
auch die Voraussetzungen für Ideen von der Smart Factory geschaffen haben. Die
Ergebnisse unserer historischen Forschung zur Fabrikarbeit und Automatisierung
belegen aber auch, dass die technische Umsetzung schwieriger war als angenom-
men und die vorhandene Technik letztlich mit den theoretischen Konzepten nicht
mithalten konnte.
Im Mittelpunkt steht somit die Frage, wie industrielle Arbeit von Menschen
auf digitalisierte Fertigungsmaschinen und Computer übertragen und wie diese
Umstellung verhandelt wurde. Dabei gilt es zu beachten, dass Innovationen
sowohl technischer Natur als auch von sozialen Voraussetzungen geprägt sind.
Zur Beantwortung gehen wir zunächst zurück in die 1950er Jahre und betrachten,
Computer in der Fabrik. Die digitale Transformation 69
wie die Einführung der NC-Steuerung mit der Vorstellung der Produktivitätsstei-
gerung durch Beschleunigung zusammengebracht wurde. Anschließend widmen
wir uns dem Einzug der Mikroelektronik in den 1970er Jahren und zeigen auf,
wie die stete Verbesserung der Werkzeugmaschine hinter die neuen Muster der
Fabrikorganisation und Fragen der Arbeitsqualität zurücktrat. Die Digitalisierung
wird in dieser Zeit zum Leitbild, das die Vorstellungen produktionstechnischer
Rationalisierung bis heute prägt.
Die Abwendung von traditionellen Werkzeugmaschinen und die Hinwendung
zu computergestützten Techniken stellten sich weder damals noch heute als völ-
lig neu dar. Es handelte sich auch zu keiner Zeit um eine technische Revolution,
die schlagartige und disruptive Veränderungen in der Fertigung hervorrief. Im
Gegenteil, die Digitalisierung der Fabrik erscheint viel kleinteiliger und weni-
ger revolutionär oder gradlinig, als es Begriffe wie „Industrie 4.0“ implizieren
(Heßler und Thorade 2019), und vollzog sich eher in graduellen Transformati-
onsprozessen. Insofern betont die Geschichte der Digitalisierung in der Fabrik
einmal mehr das ambivalente Verhältnis von Alt und Neu der Techniknutzung
(König 1990,1994; Edgerton 2008; Weber 2019). Letztlich fand die digitale
Technik nur Eingang in bereits existierende Systeme der industriellen Fertigung,
die Voraussetzungen für die digitale Wende geschaffen hatten.
Dabei weisen die Einführung verschiedener, neuer Werkzeugmaschinen in
die Fertigung und die Automatisierungsversuche seit den 1950er Jahren auch
immer wieder Gemeinsamkeiten auf. Diese betrafen die teilweise fehlende
Akzeptanz durch Mitarbeiter*innen und Führungspersonen sowie den Mehrauf-
wand und die hohen Kosten, die die Umstellung der industriellen Fertigung auf
neue digitale Technik mit sich brachte. Darum werden im Folgenden auch die
Praktiken der Fertigung und das Zusammenspiel von Mensch und Maschine her-
ausgestellt. Die Konditionen werden ferner anhand der produktionstechnischen
Veränderungen sowie den wirtschaftlichen Überlegungen in der Bundesrepublik
untersucht. Zudem spielte der historische Kontext eine wichtige Rolle für die
Digitalisierung der Arbeit in der Fabrik, denn auch Konsumverhalten, Individua-
lisierung und eine beginnende Schnelllebigkeit der Konsumgüter unterstützten
diese Prozesse (vgl. etwa Neumeier und Ludwig 2015; Reckwitz 2017). Wie
der Technikhistoriker Karsten Uhl jüngst für die Computer-Numeric-Control-
Maschinen (CNC-Maschinen) gezeigt hat, herrscht ein starkes „Kontrollnarrativ“
in der Geschichte der Automatisierung der Produktion vor, das nicht zuletzt auf
die Fokussierung der zeitgenössischen soziologischen Studien, „häufig mit direk-
tem Bezug auf den Historiker David Noble“ (Uhl 2021, S. 115), zurückzuführen
ist.
70 N. Thorade und J. G. Erdogan
Wir haben verschiedene ingenieurwissenschaftliche Fachzeitschriften, darun-
ter die VDI-Zeitschrift (VDI-Z) und die ZWF - Zeitschrift für wirtschaftliche
Fertigung, von den 1950er bis in die 1990er Jahre ausgewertet. Die in ihnen
enthaltenen Berichte über die zeitgenössischen Arbeiten der produktionstech-
nischen Forschung verdeutlichen, dass die Computerisierung der Fabrik ein
vielschichtiges Unterfangen war. Es lässt sich demnach nicht bestätigen, dass
die Automatisierung primär dem Zweck diene, den Arbeiter*innen die Kontrolle
über den Produktionsprozess entziehen zu wollen (Noble 1979, S. 18). Nobles
Argument, dass die Ingenieur*innen menschlichen Tätigkeiten misstrauen und
menschliche Entscheidungen als „menschliches Versagen“ (ebd.) auffassen wür-
den, das es durch die technische Entwicklung zu eliminieren gelte, kann aus den
betrachteten Zeitschriftenberichten nicht hinreichend gestützt werden. Vielmehr
zeigen diese, dass neben Diskursen über die Kontrollierbarkeit der Maschinen
überwiegend produktionstechnische Lösungen verhandelt wurden, mit denen auf
konkrete ökonomische Probleme reagiert werden sollte. Dabei wird deutlich,
dass die wirtschaftliche Gesamtsituation erheblich beeinflusste, wie über die
Einführung von Computerisierung und Automatisierung diskutiert wurde.
Wie der Wirtschaftsinformatiker und Organisationsforscher Peter Brödner
rückblickend herausstellte, wurde nämlich während der Automatisierungsschübe
„[i]ronischerweise […] regelmäßig der hohe Wert impliziten Wissens, der
Intuition, Kreativität und Handlungskompetenz menschlichen Könnens wieder-
entdeckt“ (Brödner 2018, S. 324). Tatsächlich begleitete die Frage nach dem
Menschen in der Produktion kontinuierlich die Beschäftigung mit der Automati-
sierung der Fabrik. Die Diskurse verhielten sich wie ein „Pendelschlag: Einmal
schlägt das Pendel in eine ausschließlich technikzentrierte Rationalisierungsstra-
tegie aus und dann wiederum auf dieser Basis in eine menschzentrierte“ (Klitzke
1993, S. 109). Ob die Reduzierung der menschlichen Arbeit ein Vorteil für die
Menschen im Sinne einer Befreiung oder ein Nachteil im Sinne einer Kon-
trolle und Entmachtung war, kann und soll in diesem Beitrag nicht abschließend
beantwortet werden.
2 Take-off durch Numerische Steuerung
In den 1950er Jahren wurde den westdeutschen Werkstätten eine flächende-
ckende Rückständigkeit bescheinigt und deren Modernisierung als vordringliches
Ziel der Industrie ausgegeben (Ambrosius 1993). Im Fokus standen Massenpro-
duktion und Rationalisierung sowie die Möglichkeiten der Automatisierung, die
Computer in der Fabrik. Die digitale Transformation 71
bislang allenfalls in der Großindustrie verfolgt worden waren. Die mittelstän-
dischen Betriebe des Maschinenbaus hingegen, die in Deutschland ein großes
industrielles Gewicht hatten, verfügten nur selten über eine modernere Maschi-
nenausstattung. Ein Großteil der Betriebe arbeitete mit einem Maschinenbestand
aus dem 19. Jahrhundert. Grundlegend hat die technikgeschichtliche Forschung
gezeigt, dass für die produktionstechnische Forschung, die wirtschaftlichen und
politischen Akteure in dieser Zeit die Massenproduktion das Maß der Dinge war
und daher die meisten Innovationen und Initiativen darauf ausgerichtet waren,
diese Produktionsform zu unterstützen. Einen wesentlichen Anteil an dieser Ori-
entierung, die maßgeblich durch Entwicklungen in den USA angestoßen wurde,
hatten die Programme zur Förderung der bundesdeutschen Industrie, die im Rah-
men des Marshall-Plans aufgestellt worden waren (Schlombs 2019; Hachtmann
und von Saldern 2010; König 2000, S. 76–90).
Die Fertigung in Deutschland war bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhun-
derts hinein ein zeitaufwendiger Arbeitsschritt, der in den Fabriken größtenteils
Fachkräften oblag und dessen Abläufe stärker auf gewissenhafte Ausführung als
auf schnelle, massenhafte Produktion ausgelegt waren. Die Arbeiter*innen folg-
ten in den Werkstätten dabei einem detaillierten Fertigungsplan. Dieser wurde in
den vorgelagerten Abteilungen der Produktionsvorbereitung von Ingenieur*innen
und anderen gut ausgebildeten Fachkräften erstellt. In den Werkstätten setzten
die Arbeiter*innen dann diese Fertigungspläne um, indem sie den Plan und die
Zeichnungen lasen, die Maschinen einstellten und bedienten sowie Berechnungen
und Korrekturen vornahmen. Jede dieser Aufgaben war in mehrere Arbeits-
schritte unterteilt, wobei einige mithilfe manuell gesteuerter Maschinen, andere
vollständig händisch ausgeführt wurden. Insbesondere das Einstellen von Maschi-
nen erforderte Berechnungen und manuelle Korrekturen, die sowohl intellektuell
anspruchsvoll als auch zeitaufwendig und fehleranfällig waren. Die Fehleranfäl-
ligkeit wurde dabei durch die repetitive Durchführung weiter verstärkt, weshalb
in der Reduzierung dieser Tätigkeiten eine gute Möglichkeit gesehen wurde,
Rationalisierungsreserven auszuschöpfen (Hirsch-Kreinsen 1993).
Die Überlegungen zur Beschleunigung und Vereinfachung setzten bei den
Funktionsweisen der Werkzeugmaschinen an. Insbesondere ging es um die Wei-
terentwicklung der Technik und die Reduzierung des Anteils menschlicher Arbeit.
In einem Artikel über die Automatisierung von Fräsmaschinen in der ZWF heißt
es:
„Alle unter dem Stichwort ‚Automation‘ geführten Diskussionen haben sachlich zum
Inhalt, daß Überlegungen angestellt werden, welche Maßnahmen zum Herabsetzen
72 N. Thorade und J. G. Erdogan
der Nebenzeiten und zum Ausschalten menschlicher Eingriffe in den Arbeitsablauf
getroffen werden können [sic!].“ (Erdmann 1958, S. 257)
Ein gängiges Argument wird hier deutlich: So müsse die Auslastung der Maschi-
nen verbessert werden, um die Produktivität grundlegend zu steigern. Als Ursache
für die schlechte Auslastung galt eine nicht optimale Zusammenarbeit von
Mensch und Maschine bzw. die physisch begrenzte Kapazität der Arbeitskräfte
(Uhl 2019). Die Numerische Steuerung bzw. Numeric Control (NC) versprach
eine solche Rationalisierung. Sie setzte bei der Umsetzung des Fertigungsplans
an und vereinfachte insbesondere das Einstellen und Steuern der Maschinen.
Die Veränderung durch die neue NC-Technik lässt sich beispielsweise für
den Arbeitsschritt der Bohrung erläutern: Die Arbeiter*innen konnten die Aus-
wahl und Positionierung des Bohrers oder die Drehzahl über ein Bedienpult
einstellen und die Maschine führte den Arbeitsschritt anschließend selbststän-
dig aus. Teilweise konnte die Maschine bereits anschließend den vorherigen
Schritt kontrollieren, indem etwa die Tiefe der Bohrung direkt nachgemessen
wurde. Einige NC-Maschinen verfügten über einen Lochstreifenspeicher, der
Informationen über die Einstellung der Werkzeugmaschine und die Abfolge der
Arbeitsschritte enthielt. Besonders für die Herstellung von kleinen und mittleren
Serien war die Speicherung der Daten ein großer Vorteil. Mussten die Arbei-
ter*innen hier zuvor immer wieder die gleichen Einstellungen an den Maschinen
vornehmen, bestand ihre Aufgabe nun nur noch darin, das Werkstück einzule-
gen und die Informationen aufzuspielen, beispielsweise über das Einlegen der
Speicher oder die Eingabe am Bedienpult. Durch einen Wechsel des Informa-
tionsträgers konnte die Maschine so innerhalb kurzer Zeit für andere Prozesse
eingestellt und damit ähnlich flexibel eingesetzt werden wie die vollständig von
Fachkräften gesteuerten traditionellen Maschinen (Feist 1960).
Weitere Rationalisierungsvorteile wurden den westdeutschen Ingenieur*innen
aus den USA berichtet: Demnach wurde durch die NC-Maschinen eine wesentli-
che Beschleunigung des Produktionsprozesses erreicht. Die Durchlaufzeit und die
notwendige Arbeitszeit verringerten sich, wodurch eine größere Menge produziert
werden konnte. Gleichzeitig war der Ausnutzungsgrad der Maschinen besser, da
sie seltener stillstanden als konventionelle Maschinen (Ray 1970;Schwarz2012).
Die Kehrseite bestand darin, dass die Einführung der neuen Technik kostspie-
lig und aufwendig war. So hatte bereits die erste Analyse der Wirtschaftlichkeit
in den USA in den 1950er Jahren ergeben, dass die Kosten der NC-Fertigung
teilweise über denen der konventionellen Fertigung lagen und somit die Wirt-
schaftlichkeit der NC-Steuerung nicht bestätigt werden konnte. Als wesentlicher
Grund dafür wurde die komplizierte Programmierung genannt (Spur 1991,
Computer in der Fabrik. Die digitale Transformation 73
S. 517). Obwohl die damaligen Maschinen nur einen geringen Anteil der not-
wendigen Steuerungen übernehmen konnten, wie Drehzahl oder Vorschub, war
die Programmierung der Maschinen voraussetzungsvoll. Sie erforderte sowohl
Fachwissen im Bereich der konventionellen Konstruktion und Maschinentechnik
als auch Kenntnisse im Bereich der Computersteuerung (Pollock 1964,S.99).
Während die traditionellen Maschinen von Fachkräften bedient werden konn-
ten, die meist aus handwerklichen Bereichen kamen, mussten nun zusätzlich
Programmierer*innen eingestellt und in den Arbeitsprozess eingebunden wer-
den. Für die Bedienung und den laufenden Betrieb waren weitere Fachkräfte
notwendig, die die Maschinen kontrollierten, warteten und reparierten. Insgesamt
hatten in den 1960er Jahren die NC-Steuerungen noch mit erheblichen Schwie-
rigkeiten zu kämpfen, sowohl auf technischer Ebene als auch im Bereich von
Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz.
In Deutschland zeigte sich in diesen Jahren eine Diskrepanz zwischen den
ingenieurwissenschaftlichen Ideen einer zukunftsfähigen Fabrik auf der einen
Seite und den Anliegen der Unternehmen und den Bedürfnissen der Arbeits-
kräfte auf der anderen Seite. Die Autor*innen in den Fachzeitschriften bewerteten
die NC-Steuerungen als zukunftsweisende Möglichkeit der Automatisierung jen-
seits der Massenproduktion. Die Unternehmen aber sahen vielfach gar keinen
Anlass zur Umstellung auf Numerische Steuerungen. Angesichts des organisato-
rischen Aufwands für die Betriebe, die das Personal schulen und die Arbeitspläne
anpassen mussten, schien der wirtschaftliche Nutzen nicht groß genug. Beson-
ders für jene mittelständischen Betriebe, die in den letzten Jahren erst in eine
konventionelle Werkzeugmaschine investiert und gute und eingearbeitete Mitar-
beiter*innen hatten, kam eine Umstellung eher nicht infrage. Die Probleme bei
der Einführung dieser neuen Maschinen, insbesondere die hohen Kosten und der
große Aufwand im Kontrast zu den zu erwartenden Vorteilen, führten zu einer
ambivalenten Einstellung gegenüber den NC-Maschinen.
Dennoch sahen viele Ingenieur*innen in NC-Maschinen die Lösung für die
produktionstechnischen und arbeitssoziologischen Probleme der Zeit. Siemens-
Ingenieur Werner Feist erwartete von den neuen Steuerungen beispielweise einen
doppelten Vorteil für die Produktionsarbeit: Die Arbeitskräfte würden vor einer
ermüdenden Tätigkeit bewahrt und könnten sich durch ihre gewonnene Zeit
wertvolleren Aufgaben widmen, darüber hinaus würde die Produktion so unab-
hängiger von den Menschen (Feist 1960). In dieser Argumentation wurden
NC-Maschinen als erster Schritt zur Automatisierung der Produktion betrach-
tet und die Einführung der Numerischen Steuerung als humane Entwicklung
verstanden. So heißt es in einem Bericht über die Automatisierung der Wälzfräs-
maschinen: „Sie tragen dazu bei, den Menschen von der eintönigen Ausführung
74 N. Thorade und J. G. Erdogan
immer wiederkehrender, gleichartiger Verrichtungen an Maschinen zu befreien
und ihn aus der zeitlichen Bindung an den Rhythmus technischer Anlagen zu
lösen.“ (Koop 1957, S. 222).
Solche Aussagen der Ingenieur*innen und Unternehmen zogen Reaktio-
nen der Gewerkschaften, der Politik und der Medienöffentlichkeit nach sich.
Automatisierung wurde nun mit der Entwertung und dem Verlust von Arbeits-
plätzen sowie dem Machtanspruch der Unternehmen gleichgesetzt. In diesen
Beschreibungen wurden die Arbeiter*innen zu Verlierer*innen des technologi-
schen Fortschritts einerseits und andererseits zu einem permanenten Hindernis
der wirtschaftlichen Rationalisierungsbestrebungen stilisiert, während technische
Lösungen Produktivität und Fortschritt versprachen (Heßler 2016).
Schließlich reichten das große Lob der neuen Maschinen und die berichteten
Vorteile nicht aus, um eine flächendeckende und länderübergreifende Durch-
dringung der Arbeitswelt mit dieser neuen Technik, eine Akzeptanz bei den
Arbeitskräften und in der Gesellschaft zu erreichen. Und dennoch markierte die
NC-Steuerung den Beginn der Automatisierung in den Werkstätten und gilt rück-
blickend als „Schlüsseltechnologie“ (Hirsch-Kreinsen 2004), die erste technische
Grundlagen für die digitale Transformation der Arbeitswelt schuf.
3 Vereinfachung, Flexibilisierung und Integration
Mitte der 1960er Jahre konkretisierte sich die Idee der Automatisierung. Dabei
kritisierten die Automatisierungsexperten Carl Martin Dolezalek und Günther
Ropohl die „Komplizierung der Maschinen, deren wirtschaftliche Berechtigung
in den meisten Fällen zweifelhaft ist“ (Dolezalek und Ropohl 1966, S. 1262). So
seien die in der Serienfertigung eingesetzten Universalmaschinen oftmals „über-
züchtet“ und nicht zuletzt Grund des Preisanstiegs von Maschinen zwischen 1950
und 1961 um 71 % (ebd.).
Eine Lösung versprach das Aufkommen von Mikroelektronik und Mikropro-
zessoren in den 1970er Jahren. Mit der zunehmenden Anzahl von Transistoren,
die auf einem Chip platziert werden konnten, war es möglich geworden, einen
Hauptprozessor mit elektronischen Schaltungen auf viel kleinerem Raum unterzu-
bringen. Eine solche Steuerung war in der Lage, einen Prozessrechner zu ersetzen.
Der durch die NC-Maschinen scheinbar greifbar gewordene Traum einer vollau-
tomatischen Fertigung war nun realistischer denn je. Die digitale Transformation
der Fabrik bekam neuen Schwung. Mikroprozessoren stießen durch ihre rela-
tiv geringen Anschaffungskosten und die vereinfachte Programmierung in vielen
Computer in der Fabrik. Die digitale Transformation 75
Bereichen einen Veränderungsprozess an (Hoffmann 1977; Zankl 2006), der zu
weiteren Innovationen führte.
Die allmähliche Durchdringung der Fertigung mit Mikroprozessoren setzte
in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre ein und zeigte sich in der industriellen
Fertigung zunächst in den neuen CNC-Steuerungen (Computerized Numerical
Control) der Werkzeugmaschinen. Die Motivation für die Einführung der neuen
Technik war eindeutig: Die Produktion sollte flexibler werden, sodass schneller
auf neue Produkte umgestellt oder kleinere Verbesserungen an einem Produkt
vorgenommen werden konnten (Hirsch-Kreinsen 1993, S. 93, 118, 127). Obwohl
die Mikrocomputer als wegweisende und revolutionäre Technik gefeiert wurden,
die CNC-Technik in ihren Grundzügen bereits entworfen worden war und ein-
mal mehr über die vollautomatische Fabrik diskutiert wurde, widmeten sich die
Unternehmen in den 1970er Jahren jedoch nur zögerlich der digitalen Transfor-
mation ihrer Fertigungsstätten. Die aufkommende Mikroelektronik wurde zwar
häufig als ein „Entwicklungssprung“ beschrieben, dennoch standen alte und neue
Technik in den Werkstätten noch lange nebeneinander. Darüber hinaus prägte die
alte Technik auch die neue, denn „selbst radikale Veränderungen basieren auf
graduellen Transformationsprozessen“ (Hirsch-Kreinsen 1993, S. 127). Der lang-
same Verlauf der Durchdringung ist durch Aushandlungsprozesse zwischen alten
und neuen Strukturen, traditionellen und innovativen Sichtweisen sowie durch
gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Konflikte gekennzeichnet.
In den 1970er und 1980er Jahren wurden verschiedene CNC-
Steuerungssysteme auf den Markt gebracht. Sie unterschieden sich je nach
Anwendungsgebiet in Größe und Umfang und konnten somit verschiedene
Bedürfnisse bedienen. In der Debatte über die Vorteile der Computerisierung
der Produktion und die Bedeutung der Arbeiter*innen differenzierten die
Ingenieur*innen zwischen manueller und maschineller Programmierung. Bei
der manuellen Programmierung blieb das Wissen um die Programme und die
Fertigung in der Werkstatt:
„Der Arbeitsvorbereiter berücksichtigt aufgrund seiner Erfahrung sowie anhand
innerbetrieblicher Karteien und Listen die Eigenschaften einer Maschine, bestimmt
Art und Reihenfolge der Bearbeitung, Spannmittel, Werkzeuge sowie Schnittauftei-
lung und gliedert alle Operationen in Einzelschritte, die dann von ihm programmiert
werden.“ (Hellwig et al. 1983, S. 356)
Dabei war der Programmaufbau in den meisten Fällen genormt und auf das
jeweilige Fertigungsziel optimiert. Bei der maschinellen Programmierung waren
76 N. Thorade und J. G. Erdogan
Computer mit einer entsprechenden Software ausgestattet, mit der sie den Steu-
erlochstreifen nach gleicher Norm erstellten. Mitte der 1980er war es bereits
möglich, dass dabei sämtliche Daten von den Computern automatisch ermit-
telt wurden und sogar die Schnittaufteilung und Werkzeugwege automatisch
erfolgten. Während solche komplexen Rechenleistungen zuvor nur auf Groß-
rechnern möglich waren, die sich außerhalb der Werkstätten befanden, konnten
die Programme nun auch auf Kleinrechnern laufen und somit in die Werkstatt
zurückkehren (Hellwig et al. 1983).
Wie bereits angedeutet unterschieden sich jedoch nicht nur die techni-
schen Komponenten, sondern auch die erforderlichen Qualifikationen der Mit-
arbeiter*innen. Beispielsweise nutzten die werkstattorientierten Steuerungen die
Qualifikation der erfahrenen Facharbeiter*innen, die nun selbsttätig die Program-
mierung, den Betrieb und die Kontrolle der Maschinen übernehmen konnten
(Malle 1990; Hirsch-Kreinsen 2004).
Im Rahmen ihrer empirisch angelegten Studien beschäftigten sich Horst Kern
und Michael Schumann in den 1970er Jahren mit jenen Arbeitskräften, die von
der Arbeit an den Maschinen zu Programmierer*innen der Maschinen umgeschult
wurden. Dabei trat die Frage immer wieder hervor, ob sich die Arbeitskräfte
durch diesen Funktionswechsel entmündigt oder herabgesetzt fühlten oder ihn
als Aufstieg und Machtgewinn interpretierten. Aus den sehr unterschiedlichen
Reaktionen der Arbeitskräfte auf die Automatisierung schlussfolgerten Kern
und Schumann, dass sich in der automatisierten Fabrik zwei wesentliche Wir-
kungsbereiche für den Menschen herausbildeten: Der eine Bereich umfasst
demnach das Programmieren und Kontrollieren in den Steuerungswarten und der
andere Bereich Aufgaben für geringqualifizierte Arbeiter*innen, die (noch) nicht
automatisiert waren (Kern und Schumann 1977).
Denn die Akteure in den produktionstechnischen Forschungsinstituten nah-
men nun ausgehend von der CNC-Steuerung der Werkzeugmaschinen die frühen
Überlegungen zur vollautomatischen Fabrik wieder auf und entwickelten das
Leitbild der ganzheitlichen, integrierten Fabrik auf Basis des Computereinsat-
zes weiter. Bereits in den 1960er Jahren hatte Friedrich Pollock Grundsätze zur
Automatisierung in der Fabrik formuliert:
„Der wichtigste methodische Grundsatz der Automation in der Produktionssphäre
ist die Integrierung der bisherigen diskontinuierlichen Einzelprozesse der Produktion
in einen zusammenhängenden, fließenden Gesamtprozeß, der mit Hilfe gekoppelter,
technisch höchstentwickelter Spezial- und Werkzeugmaschinen ausgeführt und von
elektronischen Geräten gesteuert und überwacht wird.“ (Pollock 1964, S. 14)
Computer in der Fabrik. Die digitale Transformation 77
Dieser Grundsatz schien über eine möglichst umfassende Computerisierung der
Teilbereiche eines Produktionsbetriebs sowie die anschließende Kopplung der
Produktionsbereiche zu einem Gesamtgefüge einlösbar geworden zu sein. Das
von Pollock formulierte Ziel, „die menschliche Arbeitskraft in den Funktionen
Bedienung, Steuerung und Überwachung von Maschinen sowie der Kontrolle der
Produkte soweit durch Maschinen zu ersetzen, daß vom Beginn bis zur Beendi-
gung des Arbeitsprozesses keine menschliche Hand das Produkt berührt“ (Pollock
1964, S. 13), schien nahe zu sein. Die ersten Umsetzungsversuche der vollauto-
matisierten Fertigung machten allerdings wegen der Störanfälligkeit der Anlagen
viel menschliches Eingreifen in die Produktionsprozesse erforderlich. Ein Beitrag
aus dem Jahr 1990 hielt so humorvoll fest: „Heere von Wartungstechnikern ver-
suchen, diese Produktionslinien am Laufen zu halten. Daraus ist folgender Witz
kolportiert worden. Jemand antwortet auf die Frage, was er unter mannloser Fer-
tigung verstehe: Ja, immer wenn etwas nicht läuft, schicken wir einen Mann los
…” (Martin 1990,S.93).
Die Konzepte der Akteure aus Industrie, Wissenschaft und Unternehmen
waren auf die klassischen Ziele der Industrie ausgerichtet: Kosten- und Zeitef-
fizienz, Qualität, Flexibilität und Sicherung der Marktposition. In wirtschaftlicher
Hinsicht war es in der Bundesrepublik aus verschiedenen Gründen notwendig
geworden, die Produktionstechnik weiterzudenken. Der Konkurrenzdruck auf
dem Weltmarkt war gestiegen, ebenso die Lohnnebenkosten. Die Konsumbe-
dürfnisse hatten sich ferner verändert. Insbesondere kürzere Produktlebenszyklen
und steigende Individualisierung waren die Folge. Deshalb befürchteten Inge-
nieur*innen, Ökonom*innen und Politiker*innen, dass mit den gängigen Produk-
tionsformen viele Unternehmensziele nicht mehr erfüllbar und die Zukunft des
Industriestandorts nicht mehr gesichert war. Gleichzeitig erhöhte sich der Druck,
die neuen Möglichkeiten der Mikroelektronik auszuschöpfen und die Fertigungs-
technik am Stand des wissenschaftlichen Wissens zu orientieren (Boernecke
1984).
Grundlegende Überlegungen kamen in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre
aus den USA und wurden Mitte der 1980er Jahre in der Bundesrepublik vor
allem von den Arbeitsgruppen an den Technischen Universitäten in Berlin und
Aachen sowie von großen Unternehmen aufgegriffen, weiterentwickelt und ver-
breitet (Thorade 2020). Auch die Förderlinien der Bundesregierung knüpften an
dieser Stelle an und unterstützten die Automatisierung mit speziellen Förder-
programmen (Bundesbericht Forschung IV 1972, S. 34–43). Bereits das zweite
und dritte Datenverarbeitungs-Programm, das von 1971 bis 1975 bzw. 1976 bis
1979 lief, hatte hier angesetzt und „Rechnerunterstütztes Entwickeln, Konstru-
ieren und Fertigen (CAD/CAM)“ mit 46 Mio. DM bzw. 66 Mio. DM gefördert
78 N. Thorade und J. G. Erdogan
(Grande und Häusler 1994, S. 162–69). Die Modernisierung der Produktion sollte
dabei sowohl die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie als
auch Arbeitsplätze sichern und insbesondere kleine und mittelständische Betriebe
unterstützen (Bundesbericht Forschung IV 1972, S. 34–43).
Zu dieser Zeit wurden auch erste konkrete Überlegungen angestellt, wie die
Fertigung mit den produktionsvorbereitenden Arbeitsbereichen verbunden wer-
den kann (Koenigsberger 1974). Das Aufkommen der Mikroelektronik trug zur
Realisierung dieser Ideen bei. Eine Schlüsselrolle wurde dabei dem Computer
Aided Design (CAD) und insbesondere der „Kopplung“ mit dem Computer Aided
Manufacturing (CAM) zugesprochen. Indem die Konstruktionszeichnung, die
Schnittaufteilung, die Gliederung der einzelnen Operationen in Einzelschritte und
die Erstellung der Stücklisten mit dem Computer erfolgte, konnten die Arbeitsab-
läufe beschleunigt werden. Zudem ließ sich mit dieser Kopplung von CAM und
CAD die Arbeit erleichtern, indem „der Mensch aus dem direkten Arbeitsprozess
sowohl zeitlich als auch räumlich entkoppelt wird“ (Hellwig et al. 1983, S. 356).
Hier zeigt sich die doppelte Richtung der Digitalisierung der Fabrik und ihrer
ingenieurwissenschaftlichen Ausdeutung in den 1970er und 1980er Jahren. Die
Durchdringung mit digitaler Technologie war einerseits das zentrale Element der
Rationalisierungsbemühungen und andererseits eine Möglichkeit, um die „Hu-
manisierung des Arbeitslebens“ voranzutreiben (Thorade 2020; Kleinöder et al.
2019). Unter diesem Schlagwort wurden ab 1974 vom Bundesministerium für
Forschung und Technologie finanzierte Forschungsprogramme betrieben, um vor
allem die Arbeitsbelastung und die damit einhergehenden gesundheitlichen Fol-
gen in verschiedenen Branchen zu verringern (Seibring 2011; Müller 2019). Die
Übertragung menschlicher Arbeit an Maschinen und damit im zunehmenden
Maße Computertechnik stellte dabei eine mögliche Antwort auf die Frage dar,
wie insbesondere in der Montage die Arbeitsbelastung verringert werden könne
(Abele et al. 1984, S. 466).
Allerdings fehle es in den Bereichen der Informationstechnologie, der Produk-
tionstechniken und in der Führung noch an Qualifikationen, wie der Ingenieur
Horst E. Hellwig und die Ingenieurin Ulrike Hellwig 1988 festhielten. Sie pro-
gnostizierten daher, dass es durchaus noch zehn Jahre dauern könne, bis das
benötigte technische Wissen für eine Digitalisierung der Produktion tatsächlich
in den Unternehmen angekommen sei und sinnvoll angewendet werde (Hellwig
und Hellwig 1988, S. 16). Damit betonten die beiden, wie wichtig das Personal
sowie dessen Wissen und Fähigkeiten in der Realisierung einer vollautomati-
sierten Fabrik sein würden. Sie resümierten: „Fehlendes Grundlagenwissen wird
die Realisierung […] stärker behindern als die Technik und fehlende Schnitt-
stellen.“ (Hellwig und Hellwig 1988, S. 16). Hier deutete sich an, dass sich die
Computer in der Fabrik. Die digitale Transformation 79
Digitalisierung der Fertigung nicht schlagartig durch die technischen Möglich-
keiten der Mikroelektronik vollziehen, sondern über Jahrzehnte soziotechnische
Anpassungen erfordern werde.
Als Problem wurde zudem gesehen, dass Aufgaben aus einem Unternehmen
ausgelagert wurden, was oftmals aufgrund der zunehmenden Komplexität von
Software notwendig geworden war. Dies führte einerseits zu einem Kompetenz-
verlust im fertigenden Unternehmen selbst, andererseits übernahmen Personen
die Programmierungen, die mit den Produktionsprozessen nicht vertraut waren,
was hohe Kosten und Fehleinschätzungen der Abläufe zur Folge haben konnte
(Malle 1990). Letztlich entschieden sich die meisten Betriebe zu einem schritt-
weisen Vorgehen, computerisierten nach und nach einzelne Fertigungsschritte,
um anschließend die weitere Integration zu realisieren. Die hohen Investiti-
onskosten, die notwendige Weiterbildung des Personals, aber auch die nicht
einzuschätzenden Vorteile wurden als Gründe genannt, warum die Einführung
der Computertechnologie in den Fabriken ins Stocken geriet. Die Problemanaly-
sen und Prognosen ähnelten dabei denen, die schon bei der Einführung von NC-
und CNC-Maschinen hervorgebracht worden waren (Brödner und Hamke 1970;
Noppen 1977; Seifert 1977).
Die Integration der Verfahren, Daten und Maschinen stieg ungeachtet dieser
Ambivalenzen zum Leitbild der technischen Weiterentwicklung auf und wirkte
sich auf die Position der Werkstätten in der Fabrik aus. Dies hatte zur Folge, dass
die Fabrik neu gedacht werden musste. Seit Ende der 1970er Jahre beflügelte
zudem ein „wirtschaftlicher Trendbruch“ die Bestrebungen um die Digitalisie-
rung der Fabrik. Das Marktgeschehen veränderte sich in kürzeren Intervallen als
zuvor, die Innovationsrhythmen wurden schneller und die Produktentwicklung
musste sich diesem Trend anpassen (Herrmann 1983, S. 269). „Die Beurteilung
der Fabrikation kann sich nicht mehr ausschließlich am Auslastungsgrad ihrer
Anlagen orientieren, sondern hat vielmehr das Ausmaß des Reaktionsspielrau-
mes (Flexibilität) als entscheidende Größe zu bewerten.“ (Stirnemann 1986,S.8)
Dies bedeutete den eigentlichen Durchbruch für die Digitalisierung in den Werk-
stätten und schuf damit wesentliche Voraussetzungen für weitere Überlegungen
und nächste Schritte der Automatisierung der Produktion.
Während die kleinen und mittleren Betriebe in den 1980er Jahren allmählich
computergestützte Technologien in Konstruktion und Fertigung einführten, wurde
in der Forschung bereits über den nächsten Schritt diskutiert. Im Mittelpunkt
standen die Flexiblen Fertigungssysteme (FFS) sowie Computer Integrated Manu-
facturing (CIM). Beide Konzepte begriffen die Integration als Grundlage, um die
digitale Wende in der Fabrik zum Erfolg zu führen. Flexibilität und Produktivität
sollten nun durch technische und organisatorische Anpassungen vereint werden.
80 N. Thorade und J. G. Erdogan
Ziel war es, den Materialfluss in den Werkstätten zu verbessern. Dabei wurde die
Verknüpfung verschiedener computergesteuerter Fertigungsschritte über Indus-
trieroboter, die sämtliche Handhabungs- und Transportfunktionen übernahmen,
als relativ einfache Lösung beschrieben (Vettin 1979; Rittershauser und Zapf
1985). Jedoch lassen sich FFS und CIM nicht als weitere Stufen der Automatisie-
rung verstehen, sondern als Reaktionen der Produktionstechnik auf die Probleme
der vorangegangenen Computerisierungsschritte.
Bereits in den 1960er und 1970er Jahren hatten deutsche Unternehmen zusam-
men mit der produktionstechnischen Forschung damit begonnen, Konzepte für
FFS zu entwickeln. Dabei lag der Fokus auf der Automatisierung und Flexi-
bilisierung von Produktionsprozessen. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand
die bessere Einbindung von NC-Maschinen in den Fertigungsablauf durch Pro-
zesssteuerung und Transportsysteme. Die Ergebnisse blieben jedoch hinter den
Erwartungen zurück, auch aufgrund mangelnder Realisierungen in den 1970er
Jahren (Dostal et al. 1982). In den 1980er Jahren schien es dann durch die
Nutzung von Computern zur Steuerung und Automatisierung von Prozessen,
die kontinuierlichen Fortschritte in der Konzeption von Werkzeugmaschinen, die
Entwicklung von Bearbeitungszentren und die Flexibilisierung von Transportsys-
temen möglich, integrierte Fertigungssysteme einzuführen (Warnecke 1988). Die
grundlegende Idee war, computergesteuerte Maschinen, Roboter, Förderbänder
und andere automatisierte Einrichtungen so zu kombinieren, dass die Produkti-
onsprozesse weitgehend ohne menschliche Intervention ablaufen konnten. Diese
sogenannte Vollautomatisierung bot Anlass für umfangreiche Diskussionen über
die Ersetzbarkeit des Menschen in der Fabrik. Dezidiert beschäftigten sich Stu-
dien mit den Arbeitsverhältnissen in FFS, denn durch die Automatisierung und
die Einführung von FFS wurde auch die wichtige Rolle des Menschen in die-
sen Systemen deutlich und sogar die Vorteile für die Arbeitskräfte im Hinblick
auf eine bessere Arbeitsgestaltung und Ergonomie sichtbar (Dostal et al. 1982;
Schultz-Wild 1986).
Auch die Entwicklung von CIM lässt sich als Reaktion auf die ausblei-
bende Durchschlagskraft von NC-Maschinen interpretieren. Zentral war dabei
die Beobachtung, dass die Schwierigkeiten in der Einführung und die ausblei-
benden Erfolge, technisch gesehen, durch die Abgeschlossenheit der Systeme und
den fehlenden Informationsaustausch zwischen den Abteilungen zustande kamen.
Integration bedeute aber eine Öffnung und Durchlässigkeit der Information im
gesamten Betrieb, wodurch dieser als ganzheitliches System gedacht wurde: „Als
primär auf den Gesamtprozeß bezogene Rationalisierung ist CIM darauf gerichtet,
sämtliche Betriebsbereiche informationstechnisch zu erfassen, ihr Zusammenspiel
Computer in der Fabrik. Die digitale Transformation 81
modellhaft abzubilden und sie auf der Basis eines einheitlichen Datenbestan-
des informationstechnisch zu integrieren.“ (Behr von und Hirsch-Kreinsen 1987,
S. 18) Im Mittelpunkt stand nun also der Informationsfluss, dem sämtliche tech-
nischen und organisatorischen Entscheidungen und Veränderungen untergeordnet
wurden.
Indem die Speicherung, Bearbeitung und der Austausch von Daten zu einem
zentralen Element der Fabrikkonzeption wurden, löste sich die Forschungsan-
strengung im Bereich der Produktion endgültig von den Maschinen und wandte
sich der Information zu. Damit wurde jener Weg fortgesetzt, der etwa dreißig
Jahre zuvor mit der Einführung Numerischer Steuerung angestoßen worden war.
Neben der Rationalisierung auf einer technischen Ebene rückte damit aber auch
die Humanisierung erneut in den Blick, da die CIM-Philosophie auch als Ende
der Arbeitsteilung gelesen wurde (Lay 1986; Kern und Schumann 1984). So sah
etwa der Wirtschaftsinformatiker August Wilhelm Scheer gerade in CIM die
Chance, die im Taylorismus umgesetzte Arbeitsteilung rückgängig zu machen.
Diese sei zu Zeiten Taylors notwendig gewesen, weil „die Informationsverarbei-
tungskapazität des Menschen begrenzt ist“ (Scheer 1989, S. 5). Digitale Technik
hingegen konnte alle Arbeitsbereiche und Fertigungsschritte durchdringen. Doch
dafür bedurfte es komplexer Umstellungsbemühungen, in denen einzelne Teil-
bereiche zunächst einmal ihr implizites Wissen in einer Form explizit machen
mussten, damit es in die Computer eingegeben werden konnte (Erdogan 2023,
S. 19–20). Wie die Technikhistoriker Michael S. Mahoney und David Gugerli in
Bezug auf die Informatisierung durch die Computerisierung festhielten, handelte
es sich bei den Bemühungen, die analoge Welt in der digitalen abzubilden, um
schwierige und langwierige Prozesse (Mahoney2005; Gugerli 2018).
Im Anschluss an die früheren Überlegungen wurde die Steigerung der Flexi-
bilität weiterhin als notwendig angesehen, um den Anforderungen des Marktes
sowie den häufigen technischen Veränderungen, die nicht zuletzt aus der schnel-
len Entwicklung der Mikroelektronik resultierten, gerecht zu werden. Doch die
Bereitschaft zur Umsetzung hielt sich abermals in Grenzen. Gründe, die gegen
CIM hervorgebracht wurden, waren wieder einmal die hohen Investitionskos-
ten, die erforderliche Weiterbildung sowie der große zeitliche Aufwand. Hinzu
kam, dass sich auch die Computertechnologie nun immer schneller wandelte
und teilweise inkompatible Angebote auf dem Markt zu finden waren. Hier
gerieten Unternehmen oft in eine Abhängigkeit durch bereits vorher getätigte
Investitionen. Zugleich bedeutete die Dynamik der technischen Neuerungen, dass
Erfahrungswissen bei den Angestellten zunehmend fehlte. Sie wollten sich oft
nicht erneut auf weitere Veränderungen einlassen, nachdem sich die vorherigen
Systeme gerade etabliert hatten (Erdogan 2023, S. 21–22). Die Befürworter*innen
82 N. Thorade und J. G. Erdogan
von CIM, aber auch spätere Forschungsarbeiten zum Wandel der Arbeitswelt
durch digitale Technologien, haben dabei die Persistenz institutioneller Struk-
turen und die durch historische Entwicklungen geprägte Pfadabhängigkeiten
unterschätzt (Hirsch-Kreinsen et al. 2018).
Es klaffte eine Lücke zwischen theoretischen und konzeptionellen Ideen
und der praktischen Umsetzung in den Betrieben. Neben wenigen Vorzeigepro-
jekten der Automatisierung behielt in den 1980er Jahren ein großer Teil der
Unternehmen traditionelle Organisationsformen bei und nutzte digitale Techno-
logien allenfalls dort, wo sie frühere manuelle Arbeitsschritte ersetzten, ohne
strukturelle Veränderungen zu erzwingen (Lay 1986). In der Folge entstanden
zahlreiche Insellösungen statt integrierter, vernetzter Produktionsprozesse, die in
den Visionen der Digitalisierung der Fabrik versprochen wurden.
4 Fazit: Digitalisierung der Fabrik
Die neuen Konzepte, die mit der Digitalisierung verbunden wurden, knüpften
an bestehende Leitbilder der Rationalisierung durch Automatisierung an, indem
sie nach Möglichkeiten zur Beschleunigung, Vereinfachung, Flexibilisierung und
Integration suchten. Die Innovation der digitalen Technik in den Werkstätten
war deshalb zunächst nicht so stark zu spüren, wie die Fachdiskussion und
die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der großen Industrieunternehmen
vermuten ließen. Vielmehr hielt die Parallelität alter und neuer Technik in den
Werkstätten noch lange an und führte im Falle von CIM zu Insellösungen und
Teilautomatisierungen. Vor allem in mittelständischen Betrieben stellte sich die
digitale Transformation als ein komplexer Prozess dar, in dem soziale, kulturelle,
wirtschaftliche und technische Faktoren zusammenkamen.
Die Forschung und Entwicklung im Bereich der Produktionstechnik löste sich
durch Computertechnik immer weiter von den traditionellen Vorstellungen, die
in der Arbeitsteilung und der Verbesserung der Maschinen die zentralen Auf-
gaben sahen. Stattdessen rückte seit den 1970er Jahren die Informatisierung in
den Mittelpunkt und die Organisation der Produktion wurde zum Kernelement
einer Fabrik der Zukunft. Wenngleich die Mikroelektronik die Produktion nicht
schlagartig revolutionierte, wurden durch sie weitere Schritte eingeleitet. Die
Computerisierung breiter Bereiche in der Fabrik und schließlich die Integrati-
onsphilosophie der 1980er Jahre setzten die speicherprogrammierbare Steuerung
ebenso voraus wie die Verfügbarkeit von günstigen und leistungsfähigen Mikro-
prozessoren.
Computer in der Fabrik. Die digitale Transformation 83
Die Mikroelektronik trug aller Schwierigkeiten zum Trotz entschieden dazu
bei, dass sich die Verfahren, die zur Programmierung der Steuerungen eingesetzt
wurden, der Umgang mit Informationen sowie die Arbeitswelt allmählich verän-
derten. Von ihr ging ein Beschleunigungseffekt auf die Digitalisierung aus, indem
sie nicht nur die technischen, sondern auch die wirtschaftlichen und praktischen
Anforderungen befriedigte, sodass analoge Technik nach und nach durch digitale
Technik ersetzt werden konnte. Hierfür waren aber auch vorangegangene Bemü-
hungen der Automation verantwortlich. Die Digitalisierung der Fabrik lässt sich
somit nicht als technische Revolution verstehen, sondern vielmehr als Verschie-
bung denn weder wurden Maschinen in der Fertigung vollständig abgelöst noch
war die Ausrichtung an Information wirklich neu. Die Mikroelektronik verstärkte
die Transformation der Fabrik zwar, sie baute jedoch auf vorherige technische
Entwicklungen sowie soziale Aushandlungsprozesse der Informatisierung und
Automatisierung in den fertigenden Unternehmen auf.
Die verschiedenen Phasen, in denen die industrielle Produktion auf digitale
Technik umgestellt werden sollte, waren alle zu Beginn mit ähnlichen Problemen
konfrontiert. Dies betraf technische Probleme und Störanfälligkeiten, fehlende
Akzeptanz und mangelnde Erfahrung mit den neuen Produktionsprozesse in den
Unternehmen sowie aufwendige Qualifizierungsmaßnahmen für die Beschäftig-
ten. Vor allem die Umstrukturierung der Prozesse und Arbeitsbereiche dauerte
länger, als vermutet worden war. Ferner wurden der Aufwand sowie die Kosten
für die kleinen und mittelständischen Unternehmen unterschätzt, die darüber hin-
aus durch vorherige Investitionen schon andere Pfade abseits der Großkonzepte
wie CIM beschritten hatten. Zudem hatten Ingenieur*innen, Politiker*innen und
Ökonom*innen den Bedarf bei diesen Unternehmen falsch eingeschätzt. Nicht
zuletzt wurde auch die Position des Menschen in der Fertigung immer wieder neu
verhandelt und menschliche Arbeit in der Wechselwirkung mit den Maschinen
neu bewertet.
Die Digitalisierung der Arbeit in der Fertigung war somit nicht so sehr von
Innovationen, als vielmehr von Aushandlungsprozessen zwischen alter und neuer
Technik sowie menschlicher Einflussnahme geprägt. Einerseits rief die Faszina-
tion für das Neue immer wieder die Vorstellung einer technischen Revolution
hervor, andererseits agierten die Betriebe zögerlich. Sie scheuten große Inno-
vationen, tiefgreifende Veränderungen, standen digitalen Technologien skeptisch
gegenüber und zeigten sich mit den bestehenden Möglichkeiten zufrieden. Der
technische Wandel der Arbeitswelt vollzieht sich somit nicht allein und losgelöst,
sondern wird gerahmt von langen Linien des Suchens und Ausprobierens sowie
von der Beständigkeit etablierter Arbeitsprozesse.
84 N. Thorade und J. G. Erdogan
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Analysing the Digital Traces
of Collaborative Work in Large-Scale
Enterprise Collaboration Systems
Susan P. Williams and Petra Schubert
1 Background and Context
In this chapter, we present an overview of the Collaboration and Coordination in
Networks of Work (2C-NOW) research project. The aim of 2C-NOW is to investi-
gate and theorise the sociotechnical change and transformations to work processes
and work practices arising from the appropriation and use of collaboration tech-
nologies to support distributed work in organisations. Funded in Phase 1 of the
DFG Priority Programme “SPP2267 Digitalisation of Working Worlds” (Henke
et al. 2018), 2C-NOW contributes to the overarching programme framework at
the micro- and meso-levels of activity; examining transformations to collaborative
work processes and practices as they arise for individuals, workgroups and orga-
nisations. In terms of the framework’s motion dynamics, the focus is primarily
on: permeating, understanding the ways work practices are being shaped, and are
shaping the use of collaboration technologies to coordinate everyday work; and
making available, investigating the ways collaboration platforms are assembled,
are adopted and diffuse across organisations. The study of how people use tech-
nologies to collaborate and coordinate work has a long history in the research
fields of computer-supported cooperative work (CSCW) and workplace studies
(Rogers 1993; Heath et al. 2000;Luffetal.2000;Schmidt2011; Schmidt and
Bannon 2013). A strength of this research lies in its acknowledgement of the
S. P. Williams (B)·P. Schubert
University of Koblenz, Koblenz, Deutschland
e-mail: williams@uni-koblenz.de
P. Schubert
e-mail: schubert@uni-koblenz.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_4
89
90 S. P. Williams and P. Schubert
situated nature of human activity. However, such studies tend to ‘privilege parti-
cular forms of cooperative work’, restricted to particular contexts and timeframes
(Monteiro et al. 2013, pp. 575–576). Whilst a micro-level focus on single-site,
small group interactions provides rich insights into the situated, contingent and
contextual nature of digital work, it provides limited insights into the wider,
meso-level systemic changes that are transforming work practices and the digi-
tal workplace. This requires trans-situated research designs that take a broader
perspective and accommodate ‘non-local constraints’ and ‘extended temporal sca-
les’ (Monteiro and Rolland 2012; Monteiro et al. 2013). To achieve this, and to
address the micro-, meso-, and temporal aspects of transformations to collabora-
tive work, our research programme follows a multi-method, multi-level research
design. We combine longitudinal company case studies, surveys and analyses of
work activity in operational collaboration systems. Thus, data is gathered from
both organisations and their employees and from the systems they are actively
using in their work. Organisational data is collected through interviews, surveys
and through regular interactive research workshops with the companies participa-
ting in the IndustryConnect Initiative, a university-industry research programme
involving 41 medium-to-large organisations from the DACH region (Williams and
Schubert 2017). These organisations are mostly manufacturing and service orga-
nisations from a range of industry sectors (e. g., automotive, chemical, insurance,
engineering), who have committed to working with the university research team
to share data and experiences. To date, in-depth case studies have been developed
with a subset of 13 key IndustryConnect organisations, representing a range of
company sizes and industries. Activity data and content data are captured from
the databases and file systems of collaboration systems that are in active use in
organisations. Such system-level data contains the sequences and outputs of user
activities and can be used to identify and analyse emerging work practices.
In this chapter, we focus primarily on the latter, that is, tracing collaborative
work through analysis of the activity and content data generated in enterprise
collaboration systems. In the following section, we present an overview of the
emerging collaboration technology landscape and present the findings of an empi-
rical study to examine the portfolios of collaboration software being implemented
in user organisations and the formation of enterprise collaboration platforms
(ECP). We describe the generic platform configuration and explain how this plat-
form provides the possibility for organisational workgroups to form digital group
workspaces to support different types of collaborative work. Based on these fin-
dings, we identify several methodological and analytical challenges relating to
the scale and scope, spatiality and temporality of these complex, distributed and
heterogeneous technological infrastructures as well as challenges regarding data
Analysing the Digital Traces of Collaborative Work 91
access. In Sect. 3, we address these challenges and present our work to develop
novel methods and tools to i) enable the capture and harmonisation of trace data
from these large information infrastructures, and ii) use the trace data to ana-
lyse and understand transformations to collaborative work and work practices.
The theoretical foundations for these methods are presented along with key illus-
trative examples of their application to examine transformations to collaborative
work processes. The chapter concludes with a summary of progress to date, an
outlook on the wider potential of digital trace analytics and our future research
imperatives.
2 The Collaboration Technology Landscape
Enterprise collaboration platforms (ECP) are complex, large-scale information
infrastructures (de Reuver et al. 2017) that are typically implemented by large
organisations to provide the technology infrastructure to support employee colla-
boration and the coordination of digital work (Leonardi et al. 2013; Williams and
Schubert 2018). They are increasingly being integrated with other work systems
such as enterprise resource planning (ERP), workflow management and document
management systems (Gewehr et al. 2017) to provide a unified space for digital
work (Leonardi et al. 2013). Spanning multiple global regions, business divisi-
ons and workgroups, ECPs are intricately interwoven sociotechnical ecosystems
‘created and cultivated on top of digital infrastructure’ (Constantinides et al. 2018,
p.381) forming complex assemblages of actors, artefacts, practices and processes
that interact with each other to create new ways of working and new spaces for
work to take place. They are also malleable and open to a process of interpretive
flexibility (Doherty et al. 2006), as evidenced during the COVID-19 pandemic,
when the users and uses of collaboration technologies increased substantially as
organisations adjusted to meet work from home mandates by providing employees
with systems and technologies to support remote working (Kamouri and Lister
2020). In the aftermath of the COVID-19 pandemic, many organisations imple-
mented a heterogeneous array of new remote and hybrid working arrangements
(Gratton 2021), bringing new levels of complexity to the study of transformations
to distributed and collaborative work. However, despite significant and growing
interest in the use of collaboration technologies to support and coordinate remote
and hybrid work, limited research attention has been directed towards providing
in-depth studies and empirical analyses of the mechanisms, strategies and actions
that are transforming collaborative work practices in complex, large-scale enter-
prise collaboration systems. Such empirically based studies are essential if we
92 S. P. Williams and P. Schubert
are to understand and theorise sociotechnical change and the digitalisation of
working worlds as they relate to the actual work practices and working lives of
individuals and workgroups, the primary focus of 2C-NOW.
2.1 Software Portfolios and Collaboration Platforms
In order to understand the transformations to work processes and work practices
arising from the appropriation and use of new technologies to support distributed
and collaborative work in organisations, it is first necessary to examine the com-
plex collaboration technology landscapes in use in organisations and identify the
collaboration software being implemented and the types of collaborative work
they support. Thus, we begin at the organisational level with an overview of the
findings of an empirical study to examine the complex collaboration technology
landscape in user organisations (Schubert and Williams 2022a). Investigating the
infrastructure for all areas of collaborative work is a complex task and requi-
res a classification scheme that is consistent with existing analytical frameworks
and is relevant for analysing the functionality bundles of contemporary commer-
cial collaboration software. For this, we purposefully reviewed and combined
existing analytical frameworks (Ellis et al. 1991; Bafoutsou and Mentzas 2002;
Riemer 2007; Williams and Schubert 2011; Schubert and Glitsch 2016) with an
in-depth functional analysis of existing software products. The resulting classifi-
cation schema, Areas of Collaborative Work (ArCoW), was used to structure an
online questionnaire to identify and classify the tools being used in organisations
(Schubert and Williams 2022a). The survey (and follow-up workshops) was con-
ducted with 23 user companies (members of the IndustryConnect initiative), who
collectively represent a total of almost one million employees. Our goal was to
characterise and understand the diversity of types of collaboration software that
user companies have implemented in practice (Schubert and Williams 2022b).
In the questionnaire the respondents identified all the collaboration software pro-
ducts that are currently implemented in their organisation. The survey findings
identify that organisations are far from providing a unified space for digital work;
there is currently no single integrated enterprise collaboration system that provi-
des comprehensive functionality and support for all forms of collaborative work
activity. Instead, organisations find themselves forced to combine many different
software products to meet all their collaborative work requirements, resulting
in heterogeneous portfolios of tools (from different vendors) with overlapping
(redundant) functionality (Fig. 1).
Analysing the Digital Traces of Collaborative Work 93
Fig. 1 Range of functionality contained in a typical collaboration software portfolio
These portfolios of collaboration software include lightweight tools for speci-
fic tasks such as file sharing (e. g. in network directories) or simple message
exchange (e. g. in chat tools) to more complex enterprise collaboration sys-
tems (ECS) that combine multiple functional components (e. g. workspaces with
activity stream, forum and Wiki) in one system.
Taken together, these portfolios of tools form the “enterprise collaboration
platform” (ECP), providing registered users of an organisation with a wide range
of tools to support their collaborative work (Schubert and Williams 2022b). The
analysis enabled us to conceptualise the generic structure of current enterprise
collaboration platforms in user organisations. Figure 2shows the generic form of
an ECP in which the applications are grouped by their functionality into basic
groupware tools (e-mail, notepad, network directories), content-oriented applica-
tions (web content management system (WCMS), Intranet, file share, surveys),
near-synchronous support (video conferencing, chat, visual boards) and a core
ECS with multiple components for joint work (e. g. workspaces that can contain
chat, blog, forum, Wiki, etc.).
The responses from the surveyed organisations confirm that there is currently
no single pre-existing ECP design, and that user organisations are building their
ECPs from many different software products either purposefully or in an ad hoc
Fig. 2 Enterprise collaboration platform (ECP)
94 S. P. Williams and P. Schubert
manner. However, the platform provides the necessary infrastructure on which to
build digital workspaces, where our attention now turns.
2.2 Digital Workspaces and Work Processes
A large percentage of the digitally-supported collaborative tasks in companies are
carried out in digital workspaces, the digital environments where organisational
units and project teams work together. Digital workspaces are created by selecting
and assembling the required functional components provided by the collaboration
platform (Fig. 3).
The creation of a new workspace starts when a workgroup is being formed.
As discussed above, the functionality offered by current ECPs is often broad and
decisions need to be made about the choice of the software components to sup-
port the different types of collaborative work. Some organisations recommend the
use of certain tools for specific work types. However, the process of forming a
digital workspace is frequently the outcome of negotiation among group mem-
bers. In some cases, for example, where the group includes external members
(e. g. customers), the specification of the collaboration software products (and
therefore the shaping of the workspace) may be a requirement of a project con-
tract. The design of each new workspace is dependent on the specific context of
use, the nature of the workgroup involved, the type of work being undertaken
and the affordances of the available technologies (Gerbl and Williams 2023).
Collaborative work processes are sequences of tasks, some of which are syn-
chronous, requiring employees to work together at the same time (e. g. using
a video conferencing tool), whereas other tasks are performed asynchronously
Fig. 3 ECP provides the technology to form workspaces
Analysing the Digital Traces of Collaborative Work 95
Fig. 4 Sequence of work tasks alternating between synchronous and asynchronous activity
where work is conducted sequentially, with one employee working independently
on a task then handing over the work products to another employee when their
part is done. Thus, an individual employee might be a member of multiple work-
groups and digital workspaces and move between them over a working day
(Fig. 4).
2.3 Methodological and Analytical Challenges
The complexity and scale of enterprise collaboration platforms and the diver-
sity of types of workgroups and forms of digital workspaces raises a number
of challenges for research investigating the transformation of collaborative work
processes. In the following, we outline three specific areas of impact that are parti-
cularly significant for the analysis of trace data captured from active collaboration
systems.
Scale and scope. As discussed above, ECPs are large-scale information infra-
structures supporting the work of hundreds (often thousands) of employees who
are widely dispersed (often globally) across the different departments and divisi-
ons of an organisation. Further, the scope of analysis is broad given the complexity
of the technology portfolios in use, the diversity of platform configurations and
the variety of workgroups being assembled. The scale and scope of collaboration
platforms and group workspaces requires the development of multi-system ana-
lytics methods capable of capturing and displaying data from multiple systems
and tracing work processes as they transition between different work types and
applications.
Spatiality and temporality. The growth (particularly following the COVID-19
pandemic) in distributed and hybrid workgroups brings greater attention to the
locations where workgroup members are conducting their work. The transitions
between work locations and types of work increase as employees move between,
96 S. P. Williams and P. Schubert
for example, home and office, and between different digital spaces. Our interest
is in understanding how work is coordinated across workgroups and how this
evolves over time, and this requires methods that enable us to move out of a single
site of activity so we can gather data across multiple spatial and temporal frames.
The distributed nature of the work under examination calls for research methods
that are capable of tracing activity across time and space to make the actions and
interactions between people and work artefacts visible and interpretable, revealing
the rhythms and flows of everyday work in hybrid and distributed workgroups.
Data access. A related challenge is that of data access. ECP and digital works-
paces are formed in closed platforms within an organisation; obtaining data access
permissions and handling the legal and organisational requirements for data pri-
vacy and data protection can be challenging for conducting research using system
data. In 2C-NOW, we collect activity-level data from our own platform UniCon-
nect, a large-scale enterprise collaboration system hosted for academic institutions
and their research partners with currently more than 3000 users. The platform is
hosted on SPARCI, a DFG-sponsored large research infrastructure (Großgerät)
(INST 366/7-1 FUGG). UniConnect contains over 12 years of data and provides
a unique testbed for developing and refining trace analytics methods and tools to
analyse collaborative processes and work practices. System data collection requi-
res special attention to research ethics and methods for compliant data collection,
data storage, pseudonymisation, anonymisation and confidentiality. All Indus-
tryConnect member organisations have signed a memorandum of understanding
agreeing to their participation in the long-term research programme and currently,
for the analysis of system data, we have access to samples of organisational data
provided by two IndustryConnect member organisations.
3 Analysing the Digital Traces of Collaborative
Work
To address the challenges outlined above, the first phase of the 2C-NOW project
has focused on the development of tools and methods to analyse the digital tra-
ces users leave when they interact with computer systems. In the following, we
describe the fundamentals of digital traces in enterprise collaboration systems and
introduce two approaches for investigating them: i) through analysis of activities
of users and ii) through the mediating role of digital documents and artefacts.
This work draws on, and contributes to, theoretical and methodological progress
in the emerging fields of computational ethnography (Beaulieu 2017;Abramson
Analysing the Digital Traces of Collaborative Work 97
et al. 2018), trace analytics (Geiger and Ribes 2011)andprocess mining (van der
Aalst 2016).
3.1 Events as Traces of User Activities
The analysis of event logs from ECP poses some significant challenges.
Process. The nature of work that is supported by collaboration software is
significantly different from the work carried out in what are referred to as process-
aware information systems (such as ERP or CRM systems), which support clearly
structured, recurring business processes. The collaborative work is more flexible
and less well-structured, in that the tasks may be carried out in unpredictable,
changing sequences.
Formats. In addition, the content and event logs of the different software sys-
tems store data (events and content) in different, proprietary formats. To date,
there are no tools available that can convert the proprietary formats into a uniform
format that contains enough information that it could be used for trace analytics.
This is the reason why we needed to develop new and specialised methods for
pre-processing and analysis. Data preparation requires an intricate process during
which data is collected, enriched, flattened, converted, abstracted and stored in
digital data spaces (Just, Schubert, et al. 2023). The analysis of these data spaces,
again, requires special methods based on a profound knowledge of the functiona-
lity available in the software and its ability to support use cases and collaboration
scenarios (Schubert 2023).
Trace analytics approach. The activities performed by users in information
systems are recorded as events stored in event logs. In enterprise collaboration
systems, many of the events relate to the manipulation of content items. Accord-
ing to database theory, there is a limited set of manipulations that a user can
perform on content; these are the basic (atomic) actions of create, read, update
and delete (CRUD). The CRUD actions together with the content type being
worked on (e. g. a Wiki page) provide a good starting point for investigating what
users are doing. These sequences of activities, e. g. when a blog post is created
by one user and then read and edited by another (blog.post.create, blog.post.read,
blog.post.edit) can be used to identify the sequences of actions that occur as users
work together on specific artefacts (e. g. a blog post).
Figure 5and 6show two (pseudonymised) real-world examples from the log of
HCL Connections (CNX), one of the leading integrated enterprise collaboration
systems in use by organisations. Fig. 5is an example of events in a forum and
98 S. P. Williams and P. Schubert
shows a discussion between three people on various topics over a period of two
months.
Figure 6displays the traces of joint work on pages in a Wiki and shows the
activities of five group members working on the same Wiki page over a period
of 5 months.
The academic field of Process Mining (PM) provides methods and tools for
the analysis of event logs (van der Aalst 2016). For PM to work successfully,
event logs need to be formatted using a standardised format (e. g. XES) so that
they can be processed by PM tools. As discussed above, this is a challenge for
the analysis of collaborative work since collaboration processes frequently span
multiple software products, which record user activity in their own proprietary
log format. The data from different systems must be enriched, transformed and
Fig. 5 Extract of a discussion between three people over a period of two months (pseudony-
mised)
Fig. 6 Activities of five group members working on the same Wiki page over 5 months
(pseudonymised)
Analysing the Digital Traces of Collaborative Work 99
aggregated before it can be used by PM tools. To address this issue, we deve-
loped a novel method for the harmonisation and aggregation of log files from
collaboration systems (Just, Schubert, et al. 2023). In this method, events are
described as ‘user actions on documents’ (Just and Schubert 2023). The concept
is formalised in the Collaborative Actions on Documents Ontology (ColActDOnt)
(Just and Schubert 2022). ColActDOnt specifies the concepts and properties of
collaboration events. A major part of the work in the first phase of 2C-NOW
focused on the aggregation and harmonisation of event logs from multiple colla-
boration systems. As explained previously, the digital collaboration infrastructure
in companies is not contained in one integrated system but consists of a portfo-
lio of software products developed by different software vendors (e. g. Microsoft
Skype, HCL Connections (CNX), Atlassian Jira). Every system comes with its
distinct way of logging events. Since the collaborative work of employees extends
across many software products, it is necessary to perform cross-system process
mining. For example, two colleagues might initiate a chat in Skype, create a Wiki
page containing meeting minutes in CNX, @mention a third colleague to loop
him in and then plan the discussed tasks in Atlassian Jira (Fig. 7). The actions
of these three users all relate to the same “collaboration process” and therefore
must be tracked across these three different systems.
A reliable method for trace ethnography hinges on the combination of kno-
wing what a person is really doing (in front of the screen) and the analysis of the
event logs created by the system (behind the screen). The ELI (Event Log Inter-
pretation) analysis, which is part of 2C-NOW, explicitly addresses the challenge
of combining real-world observation with digital logs. Four researchers inde-
pendently interpreted and (manually) assigned codes for “work types” to events
captured in the log files of three months of their own work activity (Schubert,
Fig. 7 Visualisation of the sequence of events in a simplified cross-system process example
100 S. P. Williams and P. Schubert
Fig. 8 Two workspaces revealing different work styles between two groups with a similar
purpose
Williams, et al. 2024). At the end of each cycle of coding, the identified codes
were discussed and agreed code definitions were added to a joint code book.
The code book was then used to create a software programme that automatically
assigns codes to future events. Figure 8shows an example of the type of analysis
that is now possible using the codes listed in the legend on the right side. The
bars show a comparison of the frequency of the codes found in two workspaces
that are used for thesameusecase, that is, the coordination of joint work in a
research group.
As can be seen, the identified codes differ between the two groups, reflecting
the different work styles and work routines in place in the two research groups.
Whilst the EIM workspace is focused on the collaborative work on documents
(enriching information), the BAS workspace is used mostly for the coordination
of tasks (administering tasks).
3.2 Social Documents as Traces of Collaborative Work
In addition to examining the events, actions and collaborative work types, it is
also of interest to investigate the digital artefacts that are being worked on. The
structure of the content in ECS can be described as social documents (Williams
et al. 2020). Social documents are the content (work products) that is created
through user activity and enhanced through interactions. They are initiated by the
create action of the user who creates the intellectual entity, that is, the starting
point (core) of the document. Once created, the intellectual entity can be enri-
ched by further content items by any author that has access to the document. This
way, the items of a social document can be read (R) and changed (U) and addi-
tional content elements can be created (C) and deleted (D) by multiple authors.
Social documents are compound documents and can contain multiple different
Analysing the Digital Traces of Collaborative Work 101
content types (e. g. a forum contains posts with responses and tags). This charac-
teristic makes the social document an ideal study object for examining the joint
interactions of people around specific content.
Using the representation of social documents defined in the Social Document
Ontology (SocDOnt) (Williams et al. 2020), concepts from graph theory were
used to develop the “Content Dashboard” application, a method and tool for
the graphical visualisation of social documents. Using data extracted from an
operational enterprise collaboration system (UniConnect), we used the Content
Dashboard to identify and display different types of social documents and define
their characteristic structure (Mosen et al. 2020). Figure 9shows the outputs of
this work to visualise cross-level aspects of social documents and documentary
practices. The left side a) represents the structural view showing the hierarchy of
concepts from the platform level down to the single item in a social document.
The right side b) shows the sequential view of how users work together around a
single document (a forum post) on the UniConnect platform.
Social documents consist of digital items that are created as people engage
in joint work. There are many different types of social documents in collabo-
ration systems (e. g. files, Wiki pages, forum topics or blog posts). They are
created ‘with the express intention of being interactive and collaborative’ (Haus-
mann and Williams 2016, p. 48) and they evolve over time. For example, when
an employee creates a forum post containing ideas for the improvement of a
work process, this content is then extended by others who attach comments to
the original content, add recommendations and tags and share it with other col-
leagues. These “attached” elements become important components of the original
post and show how discussion and activity evolves around the original topic. By
Fig. 9 a) Hierarchy of concepts, b) traces of collaborative activity around a document
(forum post)
102 S. P. Williams and P. Schubert
examining social documents as traces of collaborative activity, we were able to
gain insights into how employees are collaborating with each other to organise
and coordinate work within the enterprise collaboration platform (Williams et al.
2020). These constellations of work around social documents take very different
forms according to the type of work involved (Schubert et al. 2020).
Interpretation of structures. Different types of content allow interpretation of
the kind of work that is occurring in workspaces. Figure 10 shows a visualisation
of the content in two workspaces on the UniConnect platform. The functionality
and selected content types (blog, files, forum and Wiki) are identical in the two
workspaces. The graphical analysis, however, shows notable differences in the
structure of the content in the two spaces.
The explanation for this lies in the different purposes of the two spaces. The
left side of the figure shows the workspace of a project group, which is mostly
used for the preparation of workshops and the publication of the workshop minu-
tes and project findings. The image on the right side shows the workspace for
an organisational unit, which is mostly used for storing files and coordinating a
yearly schedule of events. The social document containing the schedule is seen
in the large round element in the lower right, representing the Wiki page that is
constantly changed when the schedule needs to be updated. Every edit generates
a new version of the page which leads to a graph structure that is constantly
Fig. 10 Visualisation of content (blog, files, forum and Wiki) in two different workspaces
on UniConnect
Analysing the Digital Traces of Collaborative Work 103
Fig. 11 Visualisation of content structure
growing. Such large social documents are frequently a signal for a coordination
mechanism.
Deriving interpretation from structure. The occurrence of certain content types
makes it possible to interpret what people are doing in the workspace. Figure 11
shows an example of our research to visualise the constellations of work around
different types of social documents and collaboration scenarios. It shows the con-
tent types in the workspace of the project group in separate images. As can
be seen, the collaborative work patterns that result from people (a) posting
news/informing is distinctively different from (b) sharing files”, (c) discussing
topics”or(d)“preparing and documenting workshops”.
104 S. P. Williams and P. Schubert
These visualisations tracing digital work can be further analysed to reveal
typical collaborative work practices and coordination mechanisms and to observe
how these are shaped and evolve over time.
The structure of social documents can also be used to analyse how work is
transformed over time. Figure 12 shows an observation of activity in a workspace
that is created and used for the same purpose every year.
The workspace is used to coordinate a university course including communi-
cation between participants, provision of learning materials as well as a forum
for questions and answers (Q&A). The number of students (150), their back-
grounds (enrolled study programmes) and the course content were the same over
the 8-year timeframe from 2015 to 2022 (years on the x-axis). The biggest trans-
formation occurred during the two COVID-19 years when the campus was closed
and all teaching was offered online. In the first year (2020) the amount of mate-
rial (# of documents shown on the y-axis) increased because the lectures were
now provided in videos instead of on-campus. In addition to videos, the material
for each week was summarised in a Wiki page, and a link to it was added to
the course schedule. At the same time, the discussions in the forum increased;
from 133 documents (questions and responses) in 2019 to 196 posts in 2020 (first
online year) and even 228 in 2021 (second online year). In 2022 this number went
back to 171 when the need to ask questions in the forum decreased due to the
possibility to ask them in class. The number of social documents containing the
lecture material, however, only increased for the first online semester and then
stayed the same. The reason for this is that the digital teaching material produ-
ced during Corona times remains useful and is thus still provided to supplement
on-campus teaching.
Fig. 12 Number of social documents created for Q&A (Forum) and course material
(Wiki+Files)
Analysing the Digital Traces of Collaborative Work 105
Events and social documents are both suitable instruments to study the inter-
actions among people in their joint work. Events allow us to follow the sequences
of activity of users in the system. Often, users do not work only on one single
social document at a time but alternate between different ones. A user might,
for example, create a Wiki page and then decide to upload a file before conti-
nuing with further edits to the Wiki page. The event log shows the occurrence of
actions over time. The growing social document graph, on the other hand, shows
the interactions of users around the same content.
4 Summary and Future Research Agenda
In this chapter, we have laid out the foundations for a new form of trace analytics
that is capable of tracing work activities and work products in large, distributed
information infrastructures such as enterprise collaboration platforms. We outline
the conceptual and practical challenges of analysing digital traces of user activi-
ties, which include that: i) user activities (and thus digital traces) are spread across
different software systems, the supporting software products have proprietary and
differing log formats, and there is no common standard for logging collaboration
events; ii) joint work processes are (in general) not linear, meaning employees
conduct their work across multiple work products and systems in flexible and
often spontaneous ways; iii) event logs are noisy; they contain many events that
are irrelevant and need to be filtered out and the analysis of work processes
requires the synthesis of additional attributes (e. g. document id, content type,
title) not available in the native event logs. These must be extracted by querying
other database tables; iv) the scale and scope of collaboration platforms and their
associated log data is very extensive, often involving thousands of users and mil-
lions of events and significant computing power and data storage to enable their
analysis; v) longitudinal research designs and data with a spatiotemporal view
are required to understand sociotechnical change and to visualise these changes
through the tracing of work practices over different locations and timeframes.
There are no standard tools for collaboration analytics, and it was there-
fore necessary to develop conceptual frameworks for all the involved concepts,
beginning with the enterprise collaboration platform, which is assembled from
company-specific portfolios of collaboration software tools. These platforms pro-
vide the possibility for workgroups to form workspaces, places for joint work
where work products (social documents) are created and stored. In addition, there
is also no standard framework for the description of digitally-supported work pro-
cesses that can be used for the analysis. We used inductive (explorative) research
106 S. P. Williams and P. Schubert
methods to develop such a framework. All this work was achieved through empi-
rical studies, surveys, organisational cases and in-depth analysis of existing tool
portfolios.
The strength of the developed methods is that they can be applied to examine
work in all kinds of platforms. We are currently investigating enterprise platforms,
but it would also be possible to examine gig economy platforms, as they have
the same components of functional, activity and content elements, which can be
analysed with trace analytics.
More work is required in the areas of data pre-processing and the creation
of rich harmonised data spaces for collaboration events from different collabora-
tion systems (e. g. HCL Connections, Microsoft 365, Atlassian Confluence/Jira,
Hyland Alfresco). However, the foundational concepts, methods and tools now
exist and the interesting work of investigating and interpreting transformations
to work processes and practices can now begin. Work is already underway to
interpret the threading of work between different systems, to examine the emer-
gence of work routines and work handover points and to trace the emergence
and shaping of collaborative work processes. Cross-system data stores, contai-
ning rich data descriptions that are linked to harmonised event logs, provide a
valuable data source for investigations to, for example, investigate social net-
works (how are people connected?), interaction patterns (who is working with
whom?), document types (what work products are being created, by whom?),
time (when are people working?) and space (where are people working?).
Overall, the field of trace analytics provides a vast potential for workplace stu-
dies and sociological studies of work. The methods developed in 2C-NOW now
enable us to combine a micro-level focus on single-site, workgroup interactions
to examine the situated, contingent and contextual nature of digital work, as well
as to examine the wider, meso-level systemic changes that are transforming work
practices across systems and organisations.
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Flexibility in Digitalised Working
Worlds: A Comparative Perspective
on the Use and Implications of Written
Digital Work Communication
Anja-Kristin Abendroth and Laura Lükemann
1 Introduction
The spread of information and communication technologies (ICTs) has facilitated
greater flexibility in the timing and location of work (Messenger und Gschwind
2016)—a phenomenon that was accelerated by the COVID-19 pandemic (Abend-
roth et al. 2022). Some researchers have argued that digital communication serves
the flexibility interests of supervisors by making employees more available even
outside shared work locations and regular working hours and have underscored
their arguments with terms such as “electronic leash” (Arnold 2003, p. 243; see
also Duxbury et al. 2014; Piszczek 2017) and “constant connectivity” (Wajcman
und Rose 2011, p. 959). By contrast, other researchers have argued that digital
work communication serves the flexibility interests of employees, as it gives them
more control over when and where to initiate and respond to work communica-
tions (Golden and Geisler 2007; Kossek 2016). Control over working time and
place has been discussed as a resource for better aligning the demands of work
and personal life (e.g. Chung und van der Lippe 2020; Kossek 2016). Empirical
findings to date provide mixed evidence suggesting that flexible work arrange-
ments, such as flexitime or flexiplace (for overviews, see Allen et al. 2015; Chung
A.-K. Abendroth (B)·L. Lükemann
Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland
e-mail: anja.abendroth@uni-bielefeld.de
L. Lükemann
e-mail: laura.luekemann@uni-bielefeld.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_5
111
112 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
und van der Lippe 2020) and ICTs (Chesley 2014; Mazmanian et al. 2013;Pisz-
czek 2017; Höge et al. 2016), can be both a resource and a demand contributing
to more or fewer conflicts between life domains.
In this article, we ask whether the social preparation and consequences for
work-to-life conflict of frequent written digital work communication (WDC)
differ across European countries, depending on the respective family and employ-
ment protection policies. Despite EU-wide efforts to address the work–life
balance challenges faced by parents and caregivers by way of the Work-life
Balance Directive (European Commission 2019; Stoilova et al. 2020), and a gene-
ral trend towards deregulation in globalised labour markets (Breen 1997; Gephart
2002), the welfare-state regimes of European countries continue to differ (Esping-
Andersen 1999). These regimes likely shape not only supervisors’ and their staff
members’ interest in using written digital communication, but also their opportu-
nities for using this form of work-related communication for their own flexibility
interests.
Family policies in European countries continue to encourage different gen-
der and care regimes that shape gendered life-courses and consequently also
employees’ interest in using WDC as a resource for flexibly aligning demands
of work and personal life (e.g. Abendroth et al. 2012; Pfau-Effinger 2005). In
addition, family policies likely shape employees’ opportunities for realising their
flexibility interests, as work-facilitating family policies have been found to impose
normative and economic pressures on employers to support employees in their
efforts to balance their work and personal lives (e.g. Chung 2019; den Dulk 2001;
den Dulk et al. 2012).
The degree to which labour market policies in European countries promote
workers’ employment and financial security through employment protection legis-
lation also varies. Empirical and theoretical applications of the power resource
approach (Esser und Olsen 2012; Korpi 2006) suggest that this theoretical frame-
work may also be useful in explaining employers’ opportunities for and interest
in using WDC to make employees continually available for work.
To explore our research question, we rely on data from Round 10 of the Euro-
pean Social Survey (ESS) fielded between September 2020 and August 2022. The
ESS is a biennial, cross-national household survey of attitudes and behaviour.
The Round 10 questionnaire included a rotating module on “Digital Social Con-
tacts in Work and Family Life” assessing, inter alia, the frequency of employees’
work-related communication with supervisors in person, via telephone, on screen
and in writing (i.e. via text, email or messaging apps). Other questions related
to respondents’ time- and strain-based work-to-life conflict. In our contribution,
we focus on the frequency of written digital communication with supervisors via
Flexibility in Digitalised Working Worlds 113
text, email or messaging apps, as this form of communication can be undertaken
irrespective of place and time. Supplementing the ESS data with country-specific
information on state policies provided, for example, by the Organisation for Eco-
nomic Co-operation and Development (OECD 2023a,b,c,d) further allows us
to investigate whether the frequency of work-related WDC with supervisors and
its implications for work-to-life conflict depend on family and employment pro-
tection policies. Moreover, investigating the work-to-life-conflict-increasing or
-reducing implications of frequent WDC with supervisors allows us, in addi-
tion, to establish whether they persist irrespective of whether WDC is embedded
in different institutional contexts and thus subject to different social preparation.
Previous comparative research on flexibility in digitalised working worlds has
focused mainly on the implications of family policies for the availability, use
and consequences of flexible work arrangements such as flexitime and flexiplace
(Chung 2019; Chung and van der Horst 2018; den Dulk et al. 2012)oronthe
implications of labour market policies for new forms of digitally enabled flexi-
ble work such as crowd work, i.e., “paid work that is organised by an online
platform” (Huws et al. 2016, p. 2; see also Krzywdzinski and Gerber 2020).
2 Theory
2.1 Digital Work Communication: Opportunities
for the Realisation of the Flexibility Interests
of Supervisors and Their Staff
Digital communication devices provide opportunities to initiate and respond to
work-related communications more flexibly in time and space: for example, via
text, email or messaging apps. These opportunities for flexible connectivity can
serve the increasing flexibility interests of both supervisors and their staff.
By flexibility interests of supervisors, we mean their interest in making their
staff more available for work even outside shared work locations and regular
working hours. These flexibility interests have been attributed to the dynamics
of globalisation and market volatility (Breen 1997; Wajcman 2015). They align
with organisational norms of high work dedication, which include the expectation
that employees should respond to high work intensity by working at home in the
evenings or on the weekend (van der Lippe and Lippényi 2020; Williams et al.
2013). Existing research on flexitime and flexiplace arrangements indicates that
they are indeed often used to get more work done (Schieman and Young 2010).
114 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
Thus, in line with norms of high work dedication, and in view of more unpre-
dictable work demands due to globalised markets, employers may use WDC to
make employees more available for work-related communication even outside
shared work locations and regular working hours. In this connection Wajcman
(2015, p. 941) pointed to the phenomenon of “constant connectivity”, wher-
eby employees constantly check for incoming messages and quickly respond
to them even at home and outside regular working hours. The term “electro-
nic leash” (Arnold 2003, p. 243; see also Duxbury et al. 2014) further suggests
that digital communication may serve as a new and more invasive form of con-
trol, thereby diminishing their autonomy (Mazmanian et al. 2013, p. 1345). The
realisation of the flexibility interests of employers implies that work increasin-
gly invades employees’ private sphere due to work intensification and reduced
agency in the daily organisation of work, thereby increasing work-to-life conflict.
The term work-to-life conflict refers to an inter-role conflict whereby demands in
the domains of paid work and personal life interfere with each other (Greenhaus
and Beutell 1985). Time- and strain-based work-to-life conflicts, which are the
focus of the present study, occur when time constraints and strain in the work
domain prevent workers from meeting their own expectations in the personal life
domain (Adams and Golsch, 2021).
By flexibility interests of employees, we mean their interest in having more
control over the time and location of their work in order to be able to flexibly
balance work and personal commitments. This aligns with a resource perspec-
tive on flexible working. Work/family border theory (Clark 2000) and boundary
management theory (Kossek et al. 2006) posit that having control over one’s
schedule allows for flexible adaptation of the timing of work demands to personal
commitments (see Chung 2019). In line with this perspective, digital work com-
munication could give employees more control over when and where to initiate
and respond to work communication with supervisors, in order to better align it
with or flexibly adjust it to other personal commitments. This further implies less
work-to-life conflict when digital work communication is used to flexibly connect
with supervisors.
In the following sub-sections, we develop the argument that work-facilitating
family policies and employment protection likely shape employees’ and employ-
ers’ interest in and opportunities for using digital work communication to realise
their flexibility interests, with subsequent implications for (a) the extent to which
employees communicate in writing with their supervisors via text, email or
messaging apps, and (b) whether this means more or less work-to-life conflict.
Flexibility in Digitalised Working Worlds 115
2.2 Importance of Family Policies
Typologies that distinguish between different gender regimes imply that family
policies facilitate different family models, such as the dual-earner/dual-caregiver,
male-breadwinner, or one-and-a-half earner model (e.g. Lewis 2006;Sains-
bury 1994). Policies, such as investments in (childcare) services and in-kind
benefits for families, which foster female employment and the dual-earner/dual-
caregiver model, have been described as “work-facilitating” (Chung 2019)or
“de-familialising” policies (Esping-Andersen 1999). Previous research has shown
that these policies do indeed increase female labour market participation and
women’s opportunities to work more hours (Abendroth et al. 2012; Gornick und
Meyers 2005). This implies that, as challenges in combining work and family
increase, work-facilitating family policies contribute to employees’ interest in
using digital work communication to flexibly align work-related communication
with their supervisors and personal commitments.
In addition, rational choice and neo-institutional theories have been used to
argue that work-facilitating family policies increase the economic and norma-
tive pressures on employers to invest in workplace arrangements that enable
employees to better integrate their work and personal lives (e.g. den Dulk 2001;
den Dulk et al. 2012). Following den Dulk (2001), neo-institutional theory sug-
gests that the expectations of, for example, policymakers, the public, and the
media create normative pressures on work organisations to offer family-friendly
workplace arrangements, and these organisations may respond to these expecta-
tions in order to gain or secure legitimacy in their organisational environment.
The application of rational choice theory and business case arguments (den Dulk
2001) refer to the economic pressures on work organisations to be more family-
friendly, which may be a result of a more diverse workforce, with employees who
increasingly need and want to align work and family demands. Here, employer
investments in work–family-supportive workplace arrangements are an investment
both in the employability of their workforce and in their own attractiveness as an
employer (den Dulk 2001). In line with this, research based on employer survey
data has shown the importance of family-friendly state policies for the availability
of family-friendly workplace arrangements and for variation in the use of flexible
workplace arrangements across countries (e.g. den Dulk 2001; den Dulk et al.
2012; van der Lippe and Lippényi 2020). This encouraged responsiveness to fle-
xibility interests of employees further implies more opportunities for employees
to use WDC to align work-related communication with their supervisors not only
with their overall work schedules but also with their personal commitments—for
example, by working from home or by flexibly adjusting starting and finishing
116 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
times of work, thereby decreasing the opportunities for in-person communication.
Following from this, we hypothesise:
H1A: The more the state invests in work-facilitating family policies, the more frequent
work-related written digital communication with supervisors is.
H1B: Work-facilitating family policies increase the likelihood that frequent work-
related written digital communication with supervisors will reduce work-to-life con-
flict.
2.3 Importance of Labour Market Policies
The power resource approach emphasizes that country specific institutions in
liberal and coordinated economies shape power relations and conflicts in the
exchange relationship between employers and employees in different ways (Esser
und Olsen 2012; Korpi 2006). Applying this perspective to the question of the
importance of labour market policies for negotiating digital work communication
practices on the micro-level, it can be assumed that labour market policies likely
shape employees’ and supervisors’ power to use work-related digital communica-
tion in their flexibility interest and consequently also the implications of frequent
WDC with supervisors for employees’ work-to-life conflict.
More specifically, the power resources approach implies that weak employ-
ment protection policies enhance employers’ opportunities to realise their fle-
xibility interests with the help of WDC. Weak employment protection means
less bargaining power for employees and consequently more responsiveness to
supervisors’ expectations that they will immediately respond to digital work com-
munication irrespective of time and place. In the same vein, Lindbeck und Snower
(2001, p. 168) pointed to the importance of labour market institutions for incum-
bent workers’ (i.e. “insiders’”) bargaining power, stating that “labor turnover costs
are the ultimate source of insiders’ market power”. Rubery und Grimshaw (2001)
further stressed the relevance of workers’ bargaining power in shaping the impact
of ICT use on job quality.
On the other hand, a more balanced realisation of flexibility interests is likely
when pronounced employment protection policies increase employees’ security
and, as a consequence, their bargaining power. The more protected workers are
against dismissal, the costlier their dismissal is. Therefore, employers might feel
more inclined to accommodate workers’ flexibility interests, at least to some
extent. Otherwise they risk the “crowding out of work effort” (Frey 1993, p. 664)
due to constant connectivity. Crowding out refers here to reduced work effort
Flexibility in Digitalised Working Worlds 117
when employees experience digital work communication as an indication of
distrust and/or as unfair, which is especially likely when it serves—or is per-
ceived—as an “electronic leash” (Arnold 2003, p. 243). Some research studies
have shown that employment protection policies are indeed associated with grea-
ter job quality (Ad˘asc˘alit
,ei et al. 2022; Arranz et al. 2019;vanderWiel2010).
Consequently, employers and employees are more likely to coordinate their fle-
xibility interests in line with the “gift exchange dynamic” described by Chung
(2019, p. 25), whereby employers give employees opportunities to work more
flexibly in time and place, but expect and receive responsiveness to flexible work
demands in return. This would imply more frequent digital communication bet-
ween supervisors and employees, not only because employees can work more
flexibly in time and place during the regular workday to accommodate demands
of work and personal life, but also because they are more responsive to flexible
work demands (e.g. digital work communications from their supervisors). More-
over, when employment protection policies are pronounced, frequent digital work
communication with supervisors is less likely to increase work-to-life conflict as
a more balanced realization of flexibility interests is entailed. Following from the
theoretical considerations and empirical evidence, we hypothesise:
H2A: The more the state invests in employment protection, the more frequent work-
related written digital communication with supervisors is.
H2B: Employment protection policies decrease the likelihood that frequent written
digital work communication with supervisors will increase work-to-life conflict.
3 Data and Methods
3.1 The European Social Survey
Our analyses are based on data from Round 10 of the European Social Survey
(ESS) fielded between September 2020 and August 2022. To date, data have been
released for 25 of the 32 participating countries. The Round 10 questionnaire
included for the first time a module exploring the topic of digital social contacts
in work and family life, which is central to the research topic addressed in the
present study.
Our analytical sample comprised respondents aged 17–65 who were in paid
employment (excluding self-employment or working in one’s own family busi-
ness) in the 7 days preceding the survey, who worked under a supervisor, and
118 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
who had no missing values for the variables included in the analyses. The lat-
ter requirement led to the exclusion of some participating countries (Bulgaria,
Cyprus, Croatia, Iceland, North Macedonia, Montenegro, Serbia) due to missing
information on the macro-level (either on family policies or employment protec-
tion). After listwise deletion (for a description of observations lost to missing
values see Table A1), our final sample comprised 11,699 individuals from 19
countries.
3.2 Measures
3.2.1 Dependent Variables
Written digital communication (with supervisors about work)
To measure WDC with supervisors, we used responses to the question: “How
often do you communicate about work in writing with your line manager via
text, email or messaging apps?”, which was answered on a 7-point scale ranging
from “never” (0), through “several times a month” (3) to “several times a day”
(6). The average rating was 2.7, suggesting that, on average, respondents engaged
in WDC with their supervisors several times a month (for a description of the
sample and the average distribution of variables, see Appendix Table A1).
Work-to-life conflict (WLC)
Respondents’ work-to-life conflict was measured based on their subjective eva-
luation of (1) how often they felt too tired after work to enjoy the things they
would like to do at home, (2) the extent to which their job prevented them from
giving the time they want to their partner or family, and (3) whether their part-
ner or family got fed up with the pressure of the respondent’s job. Respondents
rated each of these questions on a 5-point scale ranging from 1 (Never) to 5
(Always). At 0.77, the size of the alpha coefficient for the variables was adequate
to allow the indicators to be combined to form an average index for work-to-life
(sum divided by number of items) conflict. For respondents who did not answer
question 3 because they had no partner the index is based on only the first two
items.
3.2.2 Individual-Level Control Variables
Besides general demographics (age, gender, living with partner) and family
structure (number of children in household), we controlled for several job and
organisational characteristics that likely influence workers’ access to and use of
asynchronous work communication (e.g. contractual working hours, supervisory
Flexibility in Digitalised Working Worlds 119
responsibility, type of contract). Moreover, to consider that job tasks also shape
the opportunities for WDC, we integrated a measure on the characteristic of
main job tasks differentiating between (1) Analytical non-routine tasks, (2) Inter-
active non-routine tasks, (3) Cognitive routine tasks, (4) Manual routine tasks,
and (5) Manual non-routine following the definition of Dengler et al. (2014; for
a description of the distribution of individual-level variables, see Appendix Table
A1).
The COVID-19 pandemic
The survey was fielded between September 2020 and August 2022. Depending
on the timing of the survey and the country-specific COVID-19 regulations,
respondents’ may have either increased or decreased their in-person contact with
supervisors and co-workers. Therefore, respondents were asked to rate the fre-
quency of their online or mobile communication with people they worked with
compared to before the pandemic. The response options were: “much more often
now”, “a little more often now”, “about the same”, “a little less often now” or
“much less often now”, and “I don’t have online or mobile communication with
the people I work with”. We condensed the information into a dichotomous varia-
ble indicating whether online/mobile communication increased (1) or decreased/
stayed the same (0). The latter category also included those who did not have
online or mobile communication with the people they worked with.
3.2.3 Macro-Level Variables
Work-facilitating family policies
We used public social expenditure on services and in-kind benefits for families
as a percentage of gross national product (GDP) as a proxy for work-facilitating
policies (see also Chung 2019). This information is provided by the OECD for
the year 2017 (OECD 2023a; for a description of the macro-level indicators by
country, see Appendix Table A2).
Employment protection
Following Esser and Olsen (2012), both employment protection legislation and
wage replacement payments for workers when unemployed protect workers
against labour market insecurities. This information is provided by the OECD
(OECD 2023b, c, d). The indicator for employment protection legislation allows
us to differentiate between employment protection for regular contracts (EPRC)
and employment protection for temporary contracts (EPTC). EPRC is concerned
with the costs for employers of firing permanent workers, whereas EPTC captures
120 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
the regulations for hiring temporary workers. Wage replacement payments, which
are part of passive labour market programmes (PLMPs), were captured with the
percentage of a country’s gross domestic product (GDP) expended on transfer
payments to workers in case of unemployment (considering only OECD Main
Category 80—“Out-of-work income maintenance and support”; OECD 2023d).
For the UK the last available information dates back to 2011. In order to the keep
the country in the analytical sample we used 2011 information for this country.
Macro-level control variables
To control for general differences in digital connectivity across countries, we
relied on individual responses to the ESS Round 10 question as to whether
respondents could access the Internet (a) from home, (b) at the workplace, and/or
(c) on the move. After generating a sum index on the individual level, we aggrega-
ted this index on the macro-level (for a description of the macro-level indicators,
see Appendix Table A2). We also controlled for countries’ GDP (OECD 2023e)
in 2020 (measured in US dollars per head, current prices, current exchange rate)
to account for economic cycles. For example, economic growth could increase
organizations resources for investing in digital infrastructures, increasing overall
WDC use. Alternatively, economic growth positively impacts employment rates
(Ferreiro & Gomez 2019), which likely reduces pressures for employers and
employees and could result in less experience of work-life conflicts, regardless
of WDC use.
Work demands and resources
Finally, we considered work demands and resources that potentially mediate the
implications of work-facilitating family policies and employment protection for
(a) the degree of permeation of written digital work communication, and (b) the
implications of WDC with supervisors for work-to-life conflict. Work demands
were captured via respondents’ weekly overtime hours (top-coded at 40 additional
hours), how often they were expected to work overtime at the workplace or at
home, and whether they were expected to be responsive to work communications
outside regular working hours. The latter two variables were rated on a 6-point
scale ranging from 1 (Never)to6(Every day). Work resources were captured by
(a) working-time flexibility rated on a 3-point scale ranging from 1 (Not at all)
to3(Completely); (b) frequency of working from home, measured on a 6-point
scale ranging from 1 (Never)to6(Every day); and (c) autonomy, measured with
a question about the extent to which management permitted the respondent to
decide how their daily work was organised, rated on an 11-point scale ranging
from 0 (No control)to10(Absolute control).
Flexibility in Digitalised Working Worlds 121
4Methods
Taking into account the clustered structure of the ESS data, we applied mul-
tilevel modelling to test our hypotheses. By adding macro-level indicators to
the analyses, we could determine whether and to what extent specific macro-
level characteristics (such as family and labour market policies) impacted
individual-level use of digital technologies and work-to-life conflict.
First, we estimated a set of models on the frequency of WDC with supervi-
sors; variables were added step-wise to the models. Our final model specification
is depicted in Equation (1). WDCij refers to the frequency of written digital com-
munication with supervisors, CVirepresents the individual-level control variables.
Work facilitation (work-facilitating family policies), EPRC (employment protec-
tion, regular workers), EPTC (employment protection, temporary workers), and
PLMP (out-of-work income maintenance) represent the macro-level indicators,
with CVjas macro-level control variables; μjandεij represent the residuals on the
individual and country levels.
WDCij =β0ij +β1CVi+β2Work facilitationj+β3EPRCj
+β4EPTCj+β5PLMPj+β6CVj+μj+εij (1)
The same general procedure was applied to the second set of models on work-
to-life conflict. Because we were interested in cross-national variation in whether
WDC increased or decreased respondents’ work-to-life conflict, we integrated
cross-level interactions between the individual frequency of engaging in WDC
with supervisors and the macro-level characteristics. The model specification is
showninEquation(2).
WLC =β0ij +β1WDCi+β2CVi+β3(WDCiWork facilitationj)
+β4(WDCiEPRCj)+β5(WDCiEPTCj)
+β6(WDCiPLMPj)+β7CVj+μj+εij (2)
122 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
5 Results
5.1 Permeation of Written Digital Communication
with Supervisors
First, we examined the degree of permeation of workers’ WDC with their super-
visors across countries. As shown in Fig. 1, there was substantial cross-national
variation in the general use of WDC: the proportion of respondents who stated
that they never engaged in WDC with their supervisors ranged from 15% in Israel
to 61% in Greece (weighted averages).
Tabl e 1shows the results of our multilevel models on the frequency of WDC
with supervisors. Model 1 is the empty model, which was used only for refe-
rence to calculate explained variances on each level. Integrating individual-level
Source: ESS Round 10, own calculaons, analyses weighted. N= 11,699.
Fig. 1 Permeation and Frequency of Written Digital Communication with Supervisors.
Source: ESS Round 10, own calculations, analyses weighted. N =11,699
Flexibility in Digitalised Working Worlds 123
controls in Model 2 revealed that WDC with supervisors was positively associa-
ted with other forms of communications in which respondents and supervisors
do not need to be in the same location (i.e. speaking on the phone and screen
communication).
Turning to the macro-level indicators—our main interest in this study—Model
3 shows that work-facilitating policies were associated with more frequent WDC
with supervisors (0.307, p< 0.05). This finding supports hypothesis H1A, which
stated that the more the state invests in work-facilitating family policies, the
more frequent work-related digital communication in writing with supervisors is.
Model 3 further shows that higher public expenditure on out-of-work income
maintenance and support as a percentage of GDP was associated with more
frequent WDC with supervisors (0.182, p< 0.05). However, no significant asso-
ciation was found for employment protection policies. Thus, hypothesis H2A is
supported only partly, as it stated that the more the state invests in employment
protection, the more frequent WDC with supervisors is. Adding the macro-level
indicators to Model 3 explained about 51,5% of the country-level variation in the
degree of permeation of WDC with supervisors.
In Model 4, we additionally considered the mediating effects of work demands
and resources. First, the expectation to be responsive to work communications
outside working hours increased the frequency of WDC with supervisors. Howe-
ver, there was no statistically significant association between overtime hours per
week or expectation to work long hours (the other indicators for the realisation
of employers’ flexibility interests) and the frequency of WDC with supervisors.
Second, except for autonomy, all work-resources indicators were associated with
greater frequency of WDC with supervisors. Hence, it seems that WDC with
supervisors is mainly part of work practices aimed at supporting employees in
their work-life balance and autonomy, and only to a small degree at realising
employers’ interest in greater availability on the part of their employees. Overall,
the effect of work-facilitating policies remained robust after the integration of the
mediator variables.
5.2 Work-to-Life Conflict and Written Digital
Communication with Supervisors
We applied multilevel modelling also to examine whether work-facilitating family
policies and employment protection policies moderated the implications of WDC
with supervisors for work-to-life conflict (see Table 2).
124 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
Tab le 1 Multilevel Models on the Permeation of Written Digital Communication with
Supervisors—Including Macro-Level Indicators
(Model 1) (Model 2) (Model 3) (Model 4)
Varia b l e s
Communication with supervisor
Speaking in person 0.018 0.019 0.043
Speaking on the phone 0.452*** 0.452*** 0.426***
Screen communication 0.158*** 0.158*** 0.127***
Online/mobile communication with people at work during compared with before
COVID-19 pandemic (ref =same/less often)
A little more often 0.394*** 0.393*** 0.283***
Macro-level Indicators
Work facilitation 0.307*0.282*
EPRC 0.049 0.043
EPTC -0.180 -0.160
PLMP 0.182*0.173*
Connectivity Index 0.228 0.118
GDP per capita 0.000 0.000
Work demands and resources
Overtime Hours per Week -0.000
Expected to be responsive to work
communications outside working hours
0.104***
Long working hours expected 0.003
Work from home (ref. =never)
Less often 0.209**
Once a month 0.129
Several times a month 0.314***
Several times a week 0.376***
Everyday 0.487***
Autonomy (daily organisation of own
work)
0.013
Working-time flexibility (ref =not at all)
(Fortsetzung)
Flexibility in Digitalised Working Worlds 125
Tab le 1 (Fortsetzung)
(Model 1) (Model 2) (Model 3) (Model 4)
To some extent 0.274***
Completely 0.317***
Constant 2.734*** 1.889*** 1.922*** 1.802***
Nindividuals 13,377 13,377 13,377 13,377
Ncountries 24 24 24 24
Variance components
Country-level variance 0.233*** 0.173*** 0.084*** 0.063***
% explained country-level 25,8%a51,5% 24,4%
Individual-level variance 3.894*** 2.431*** 2.431*** 2.362***
% explained individual level variance 37,6%, -2,8%
Source: ESS Round 10 (authors’ own calculations) and OECD 2023a,b,c,d; analyses
weighted
Note: Models M2 to M6 controlled for demographics, family status, job characteristics, and
organisational characteristics (for full models, see Appendix Table A3)
aAll explained variances are calculated with reference to the previous model here: (1–0.173/
0.233) =25,8%
EPRC =employment protection, regular contract; EPTC =employment protection, tem-
porary contract. PLMPs (passive labour market programmes) refers here to public expen-
diture on out-of-work income maintenance as a percentage of gross domestic product
*p< 0.05, ** p< 0.01, *** p< 0.001
Again, Model 1 (Table 2) was used only for reference to calculate explained
variances on each level. The addition of employee characteristics to Model 2
revealed that more frequent WDC with supervisors was associated with more
work-to-life conflict (0.024; p< 0.01). By contrast, in-person communication
with supervisors was associated with less conflict (0,020; p< 0.01).
To examine how country-level policies mitigate the work-to-life-conflict-
increasing nature of frequent WDC with supervisors, we included cross-level
interactions between this type of communication and the macro-indicators in
the models (see Table 2). First, we added the indicator for work-facilitating
family-policies to the model (Model 3). The statistically insignificant interac-
tion effect shows that these policies did not moderate the implications of WDC
with supervisors for work-to-life conflict, despite their statistical significance for
the frequency of WDC. Thus, no evidence is provided for H1B, which stated that
work-facilitating family policies increase the likelihood that frequent digital work
communication with supervisors would reduce work-to-life conflict.
126 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
Tab le 2 Multilevel Regression Models on Work–Family Conflict
(M1) (M2) (M3) (M4) (M5) (M6)
Communication with supervisor
Written digital
communication
(WDC)
0.024** 0.024** 0.022** 0.021** 0.018**
Speaking in person 0.020** 0.020** 0.020** 0.020** 0.020*
Speakingonthe
phone
0.004 0.004 0.004 0.004 0.003
Screen
communication
0.004 0.004 0.004 0.004 0.003
Online/mobile communication with people at work during compared with before
COVID-19 pandemic (ref =same/less often)
A little more often 0.018 0.017 0.017 0.018 0.017
Macro Indicators
Work facilitation 0.008 0.054 0.112
EPTC 0.091 0.096
EPRC 0.039 0.044 0.050
PLMP 0.044 0.046 0.073
Gross domestic
product per capita
0.000 0.000+0.000+0.000
Cross-level
interaction
Work facilitation X
WDC
0.004 0.007 0.008
EPTC X WDC 0.004 0.005 0.000
EPRC X WDC 0.020** 0.021** 0.019**
PLMP X WDC 0.001 0.001 0.001
Work demands and
resources
Overtime Hours
per Week
0.019***
(Fortsetzung)
Flexibility in Digitalised Working Worlds 127
Tab le 2 (Fortsetzung)
(M1) (M2) (M3) (M4) (M5) (M6)
Expected to be
responsive to work
communications
outside working
hours
0.043***
Long working
hours expected
0.072***
Work from home
Less often 0.006
Once a month 0.049
Several times a
month
0.047
Several times a
week
0.023
Everyday 0.097**
Autonomy (daily
organisation of
work)
0.027***
Working-time
flexibility (ref. =
not at all)
To some extent 0.096***
Completely 0.153**
Constant 2.730*** 2.560*** 2.495*** 2.501*** 2.504*** 2.511***
Nindividuals 13,377 13,377 13,377 13,377 13,377 13,377
Ncountries 24 24 24 24 24 24
Variance components
WDC with
supervisor
0.001*** 0.000*** 0.000*** 0.000*** 0.000** 0.000
Country-level
variance
0.022*** 0.026*** 0.024*** 0.022*** 0.022*** 0.022***
% explained
country-level
variance
18%a7,6% 8,3% 0 0
(Fortsetzung)
128 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
Tab le 2 (Fortsetzung)
(M1) (M2) (M3) (M4) (M5) (M6)
Individual level
variance
0.632*** 0.610*** 0.610*** 0.610*** 0.610*** 0.549***
% explained
individual level
variance
3,4% 0 0 0 10%
Source: ESS Round 10 (authors’ own calculations) and OECD 2023a,2023b,2023c,and
2023d; analyses weighted
Note: Models M2 to M6 control for demographics, family status, job characteristics, and
organisational characteristics (for full Models, see Appendix, Table A4)
aAll explained variances are calculated with reference to the previous model, here: (1–0.22/
0.26) =18%a
M=model; EPRC =employment protection, regular contracts; EPTC =employment pro-
tection, temporary contracts. PLMPs (passive labour market programmes) refers here to
public expenditure on out-of-work income maintenance as a percentage of gross domestic
product;,*p<0.05,** p<0.01,*** p< 0.001
Second, we added employment protection for workers with regular and tem-
porary contracts (EPRC and EPTC) to Model 4 (Table 2). The results reveal
that—for workers with regular contracts—having greater protection against lay-
offs was associated with less work-to-life conflict when WDC with supervisors
was engaged in more frequently (Model 4; 0.020; p< 0.01). Hence, protecting
permanent workers against dismissal can shield them from the otherwise work-
to-life-conflict-increasing nature of WDC with supervisors. We did not find a
similar result for either employment protection of temporary contracts or public
expenditure on PLMPs (here: out-of-work income maintenance) as a percentage
of GDP. Thus, only partial support is provided for hypothesis H2B, which stated
that employment protection polices decrease the likelihood that frequent WDC
with supervisors would increase work-to-life conflict. Because the PLMP indica-
tor was only available for 2011 for the UK, we re-estimated our models excluding
the UK (see Appendix Models A5 and A6). Results change only marginally when
the UK is not included in models.
Model 5 (Table 2) shows that the negative interaction effect between employ-
ment protection and WDC with supervisors was resilient to the integration of
work-facilitating policies and employment protection. Finally, we added work
resources and demands as mediator variables to Model 6. All indicators point in
expected directions: whereas work demands increased work-to-life conflict, work
resources reduced it. In line with only marginal changes on the country level,
Flexibility in Digitalised Working Worlds 129
mediating work demands and resources did not add to the percentage of explained
country-level variance in work-to-life conflict explained; however, an additional
10% of the individual-level variance in work-to-life conflict was explained when
these demands and resources were added to the model.
6 Discussion
Written digital communication increases the availability of employees and super-
visors for work-related communication irrespective of time and place. This may
serve the flexibility interests of employees and/or supervisors. Applying a cross-
national comparative perspective, we examined whether the social preparation
and implications for work-to-life conflict of frequent WDC with supervisors dif-
fer across European countries, depending on existing family and labour market
policies.
We conclude, first, that the degree of permeation of frequent WDC with super-
visors in the 19 European countries included in our analyses depends on family
policies that support parental employment. These were found to be associated
with more frequent WDC with supervisors. This is in line with the argument
that work-facilitating state policies increase not only employees’ interest in flexi-
ble working, due to increased challenges in balancing work and family life, but
also normative and economic pressures on employers to be responsive to these
flexibility interests (den Dulk 2001; den Dulk et al. 2012).
In addition, WDC with supervisors was found to be more frequent in coun-
tries with a high level of EPRC and a high level of public expenditure on PLMPs
(here out-of-work income maintenance). This is in line with arguments based on
the power resources approach (Esser and Olsen 2012; Korpi 2006), suggesting
that employment protection enhances employees’ power to negotiate their fle-
xibility interests. Overall, these findings suggest that family and labour market
policies promote employees’ flexibility interests and supervisors’ responsiveness
to these interests, thereby contributing to the permeation of WDC. Furthermore,
we conclude that the negative implications of frequent WDC with supervisors
for work-to-life conflict persist despite the aforementioned social preparation of
WDC by work-facilitating family policies and employment protection policies.
Although the impact of WDC with supervisors on work-to-life conflict remai-
ned moderate, this finding supports the argument that work–life boundaries are
likely to become blurred when work and personal life are not clearly separated
but rather share similar times and locations (Clark 2000) or that employees are
more likely to exploit themselves in more flexible work environments (Chung
130 A.-K. Abendroth and L. Lükemann
2022). An additional explanation is provided by gift exchange dynamics where
employees reciprocate for the gift of flexibility (Chung 2017), making themselves
more available for work. Nevertheless, employment protection policies appear to
limit this dynamic, as EPRC was found to reduce the negative implications of
frequent WDC with supervisors for work-to-life conflict. Again, this points to
the fact that employment protection policies restrict employers’ power to impose
their flexibility interests with the help of WDC, which is in line with the power
resources approach (Esser and Olsen 2012; Korpi 2006). Moreover, this finding
suggests that self-perpetuating tendencies of increased work-life conflicts due to
the permeation of WDC can partly be mitigated through political regulation.
Our study has some limitations. First, the cross-sectional design does not allow
us to draw causal inferences. Moreover, further research is needed to provide an
even more differentiated picture of the implications of frequent WDC with super-
visors for different groups of workers (e.g. distinguishing between job tasks and
qualifications, types of contract, occupational status or gender). Nevertheless, the
present research points to the importance of studying the effects of the inter-
play of digital infrastructures and social policies on the dissemination of flexible
working worlds and the subsequent transformation of the work–life interface.
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Organisationswandel und
Wahrnehmung der Akzeptanz von
Digitalisierungsprozessen
in Unternehmen infolge der
COVID-19-Pandemie
Nina Delicat, Lorena Herzog, Martin Krzywdzinski,
Florian Butollo, David Wandjo, Jana Flemming,
Christine Gerber und Matthias Danyeli
N. Delicat (B)·L. Herzog ·M. Krzywdzinski ·D. Wandjo ·C. Gerber ·M. Danyeli
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialwissenschaften, Berlin, Deutschland
E-Mail: nina.delicat@wzb.eu
L. Herzog
E-Mail: lorena.herzog@wzb.eu
M. Krzywdzinski
E-Mail: martin.krzywdzinski@wzb.eu
D. Wandjo
E-Mail: david.wandjo@wzb.eu
C. Gerber
E-Mail: christine.gerber@wzb.eu
M. Danyeli
E-Mail: matthias.danyeli@wzb.eu
F. Butollo
Weizenbaum-Institut, Berlin, Deutschland
E-Mail: florian.butollo@weizenbaum-institut.de
J. Flemming
Deutscher Gewerkschaftsbund, Berlin, Deutschland
E-Mail: jana.flemming@dgb.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_6
135
136 N. Delicat et al.
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Akzeptanz von Digitalisierungs-
und Automatisierungsprozessen. Untersucht wird, welche Digitalisierungs-
maßnahmen während der Covid-19-Pandemie vorangetrieben wurden, inwie-
weit und wie diese Maßnahmen mit organisatorischen Veränderungen kom-
biniert wurden und wie sich die Akzeptanz der Digitalisierung durch die
Beschäftigten aus der Sicht des Managements und der Betriebsräte während
der Covid-19-Pandemie entwickelt hat. Für die Analyse wurden Daten aus
zwei Wellen einer Unternehmensbefragung von jeweils 500–600 Unternehmen
sowie 34 Fallstudien in sechs Branchen ausgewertet: der Automobilindustrie,
der Chemieindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Logistikbranche,
der Gesundheitsbranche und dem Finanzdienstleistungssektor.
Schlüsselwörter
Digitalisierung Automatisierung Mobiles Arbeiten (Technik-)
Akzeptanz Covid-19 Organisationswandel
1 Einleitung
Entgegen überschwänglicher Prognosen einer „vierten industriellen Revolution“
erwies sich die Digitalisierung in Deutschland in den vergangenen Jahren als
graduelle Entwicklung. Vor diesem Hintergrund wurde die COVID-19-Pandemie
oftmals als Impuls wahrgenommen, der der digitalen Transformation Auftrieb
verleihen sollte (Apitzsch et al. 2023). Tatsächlich beschleunigte die Corona-
krise die digitale Vernetzung und Virtualisierung der Arbeitswelt und veränderte
so nachhaltig die Art und Weise, wie wir arbeiten (Detje und Sauer 2021;
Krzywdzinski et al. 2022a). Viele, bereits vor der Pandemie vorhandene, „techno-
logisch gegebene Gestaltungsoptionen von Arbeit“ (Hirsch-Kreinsen 2018,S.11)
wurden erst im Zuge der Coronakrise auch jenseits digitalisierungsaffiner Vor-
reiterunternehmen eingesetzt. Unternehmen sahen sich unvermittelt gezwungen,
Arbeitsprozesse zu dezentralisieren und mobiles Arbeiten zu ermöglichen, Kom-
munikationskanäle mit Kund*innen zu digitalisieren und Lieferketten neu zu
organisieren. Dies stellte Unternehmen vor die Aufgabe, das Zusammenspiel
von Technik, Arbeit und Organisation neu auszutarieren, sodass Aspekte der
Arbeitsorganisation durch die Coronakrise weiter an Bedeutung gewonnen haben.
Organisationswandel und Wahrnehmung 137
Zugleich stellte sich während der Pandemie die Frage nach der Akzeptanz von
Digitalisierungsmaßnahmen mit neuer Vehemenz. Da Unternehmen diese in kür-
zester Zeit umsetzen mussten, kam es insbesondere in den ersten Monaten der
Pandemie zu einer erheblichen Belastung der Beschäftigten, die zu einer Her-
ausforderung für die Akzeptanz der Digitalisierung und der neuen Arbeitsformen
wurde (Schröder et al. 2020). Nach nur wenigen Monaten entstanden allerdings
neue Praktiken und Regeln und insbesondere das mobile Arbeiten entwickelte
sich immer mehr zu einer sehr stark akzeptierten Arbeitsform (Kunze et al. 2021).
Auf Basis der arbeitssoziologischen Forschung ist anzunehmen, dass die zuneh-
mende Akzeptanz der Digitalisierungsprozesse im Laufe der Pandemie nicht nur
auf Lernprozesse seitens der Beschäftigten zurückgeführt werden kann, sondern
auch darauf, dass Unternehmen neben der Bereitstellung der benötigten techni-
schen Infrastrukturen auch ihre Organisationsstrukturen anpassten. Da Betriebe
soziotechnische Systeme sind, muss die Einführung von Technologien auch mit
organisatorischen Veränderungen einhergehen.
Der vorliegende Artikel baut auf der existierenden Forschung auf, die ins-
besondere im Bereich des mobilen Arbeitens, aber auch in anderen Feldern
wie der Administration (Krzywdzinski et al. 2022a; Butollo et al. 2023a)einen
COVID-19 bedingten Digitalisierungsschub feststellt. Im Fokus stehen zwei
Fragen:
1. Wie hat sich die Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen bei Beschäftigten
im Laufe der Pandemie entwickelt?
2. Welche Faktoren haben aus Sicht des Managements und der Betriebs-
räte die Entwicklung der Akzeptanz beeinflusst und welche Rolle spielten
insbesondere Prozesse des organisationalen Wandels?
Unsere Ergebnisse beruhen auf 34 Fallstudien von Unternehmen in sechs
Branchen (Automobil, Maschinenbau, Chemie, Logistik, Finanzdienstleistungen,
Gesundheit), die wir von 2020 bis 2022 in zwei Interviewwellen erhoben haben.
Die Fallstudien wurden durch eine ebenfalls in zwei Wellen durchgeführte stan-
dardisierte Befragung von 540 (2021) und 605 (2022) Unternehmen ergänzt. In
den Fallstudien und in der quantitativen Befragung wurde untersucht, welche
Digitalisierungsmaßnahmen während der COVID-19-Pandemie vorangetrieben
wurden, inwieweit und inwiefern diese Maßnahmen mit organisatorischen Ver-
änderungen kombiniert wurden und wie die Beschäftigten diese Veränderungen
nach Einschätzung des Managements und der Betriebsräte wahrgenommen haben.
138 N. Delicat et al.
Konzeptionell knüpft unser Beitrag an die Forschung zu soziotechnischen
Systemen an, die einen engen Zusammenhang zwischen technischen und orga-
nisatorischen Veränderungen betont (Hirsch-Kreinsen 2020). Demnach bringt die
Einführung neuer Technologien auch eine Restrukturierung von Praktiken und
Organisationsrollen mit sich (Barley 2020). Zudem greifen wir auf Ergebnisse
der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Technikakzeptanz von Beschäftigten
zurück. Diese hebt neben klassischen Faktoren wie der Nützlichkeit der Tech-
nologie, die zentral im Technology Acceptance Model (Davis 1989; Venkatesh
et al. 2016) ist, auch die Bedeutung der Einführungsprozesse im Unternehmen
(Bahnmüller et al. 2023) und die Auswirkungen auf Handlungsmöglichkeiten, Be-
und Entlastung und Beschäftigungssicherheit (Droste 2020; Hoose et al. 2021;
Krzywdzinski et al. 2022b)hervor.
Unsere Studie ist folgendermaßen aufgebaut: wir diskutieren zunächst den
Forschungsstand und stellen die Datengrundlage und die Analysemethoden vor.
Anschließend präsentieren wir die Ergebnisse der Fallstudien und analysieren auf
Basis der quantitativen Befragung die Häufigkeit unterschiedlicher Entwicklungen
und Zusammenhänge zwischen organisatorischen Maßnahmen und Akzeptanz.
Der Beitrag endet mit übergreifenden Schlussfolgerungen.
2 Forschungsstand: COVID-19-Pandemie,
Digitalisierung und Akzeptanz
Eine der weitreichendsten Veränderungen, die die COVID-19-Pandemie mit sich
brachte, ist zweifelsohne die Ausdehnung der orts- und zeitflexiblen Arbeit (Detje
und Sauer 2021; Krzywdzinski 2022). Während die technischen Voraussetzun-
gen für das mobile Arbeiten bereits lange vor der Pandemie gegeben waren,
setzte sich diese Arbeitsform bis zur Coronakrise allenfalls teilweise und zöger-
lich durch. Erst die COVID-19-Pandemie beschleunigte die Verbreitung des
mobilen Arbeitens in Angestelltenbereichen, die innerhalb kürzester Zeit ins
(improvisierte) Homeoffice verlagert wurden (Kunze et al. 2021).
Formen der virtuellen, digital-vernetzten Arbeit prägten nicht nur die Zusam-
menarbeit innerhalb der Betriebe. Auch in Tätigkeitsbereichen mit Kundenkontakt
wie dem Vertrieb und Außendienst kam es durch die COVID-19-Pandemie zu
einem Digitalisierungsschub, der sich in der zunehmenden Nutzung von Online-
bestellungen im Handel und in der Gastronomie, aber auch in der vermehrten
Durchführung von virtuellen Inbetriebnahmen, Fernabnahmen und -wartungen
im Maschinen- und Anlagenbau zeigte (Butollo et al. 2023a; Krzywdzinski et al.
2022a). Unter Digitalisierungsprozessen verstehen wir dabei Maßnahmen, die auf
Organisationswandel und Wahrnehmung 139
die Computerisierung sowie informations- und kommunikationstechnologische
Vernetzung von Arbeitsprozessen abzielen (Butollo et al. 2018; Hirsch-Kreinsen
2020). Zudem wurden im Kontext der Pandemie in einem geringeren Ausmaß
auch Automatisierungsmaßnahmen vorangetrieben, die sich auf die Produktion
und auf administrative Prozesse erstreckten.
Unternehmen mussten nicht nur die notwendige technische Infrastruktur
mobile Endgeräte, Monitore und Zubehör, Cloud-Kapazitäten und VPNs sowie
diverse Kollaborationsplattformen und -software bereitstellen, sondern auch
die Arbeitsorganisation verändern. Mit der Ausweitung mobiler und vernetzter
Arbeit wurden Arbeitsroutinen überdacht und neue Konzepte für Arbeitszeitmo-
delle, Arbeitsplatzgestaltung, Führungskonzepte und Leistungssteuerung gesucht
(Detje und Sauer 2021; Frodermann et al. 2021; Krzywdzinski 2022). Das
Framing als „arbeitskulturelle Revolution“ (Berzel und Schröder 2021,S.5)
signalisiert die Tragweite der Veränderungen. Empirische Untersuchungen zum
Organisationswandel unter COVID-19 deuten auf eine teilweise Enthierarchisie-
rung von Arbeitsbeziehungen hin (Rüb 2021; Krzywdzinski et al. 2022a). Durch
die Ausbreitung mobiler Arbeit verliert die Präsenzkultur, die direkte Formen der
Kontrolle durch Vorgesetzte impliziert, in Unternehmen an Bedeutung. Stattdes-
sen wird ein stärker vertrauensbasierter, ergebnisorientierter Führungsstil sichtbar,
der Mitarbeiter*innen mehr Autonomie und Flexibilität einräumt.
Die Kehrseite solcher Flexibilitätsgewinne bilden Entgrenzungs- und Über-
lastungstendenzen. Betriebsräte sehen sich zunehmend mit der Problematik
konfrontiert, dass Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards unterlaufen werden,
etwa durch mangelhafte technische und ergonomische Ausstattung im Homeoffice
und Arbeitszeitmodelle, die eine Nicht-Erfassung von Überstunden und ständige
Erreichbarkeit begünstigen (Bahnmüller et al. 2023; Behrens und Brehmer 2022;
Detje und Sauer 2021; Donath und Engelmann 2023; Flemming 2023.). Durch
die orts- und zeitflexible Arbeit können nicht nur Grenzen von Erwerbsarbeit
und Privatleben verschwimmen, auch steigen dabei möglicherweise die Koor-
dinationsaufgaben, die die Beschäftigten bewältigen müssen (Flemming 2023;
Krzywdzinski 2022;Schreyeretal.2023). Neben der Gefahr einer erhöhten
Arbeitsbelastung und Entgrenzung im Homeoffice, kann die verminderte Präsenz
von Beschäftigten im Betrieb auch dessen Rolle als Sozial- und Lernort schwä-
chen (Meyer et al. 2023). Die möglichen sozialen und gesellschaftlichen Folgen
der Ausweitung mobiler Arbeit werden sich erst langfristig vollständig darstellen
und beurteilen lassen.
Mobile Arbeit ist demnach in einem Spannungsfeld zwischen Autonomie-
und Flexibilitätsgewinnen und Entgrenzungsgefahren verortet. Dies wirft die
Frage auf, wie sich die Veränderungen während der COVID-19-Pandemie auf die
140 N. Delicat et al.
Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen ausgewirkt haben. Studien zur mobi-
len Arbeit unter COVID-19 bestätigen, dass eine Mehrheit der Beschäftigten,
deren Tätigkeit sich ins Homeoffice verlagern lässt, das mobile Arbeiten begrüßte
(Kunze et al. 2021). Die räumliche sowie teilweise zeitliche Entgrenzung der
Arbeit wird von vielen Beschäftigten als Ausweitung ihrer Autonomiespielräume
und Zeitsouveränität empfunden. Die hohe Zustimmung, die die mobile Arbeit
erfährt, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Beschäftigte das Homeoffice
mit einem Mehr an Selbstbestimmung assoziieren (Berzel und Schröder 2021;
Krzywdzinski 2022). Ein zentrales Motiv ist hierbei insbesondere die erhöhte
Vereinbarkeit von Arbeit und Fürsorgearbeit sowie der allgemeine Wunsch, die
Lohnarbeit stärker an die subjektiven Bedürfnisse der Lebensführung anzupassen.
Fragen zur Akzeptanz von Digitalisierungsprozessen sind in der bisherigen
Forschung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet worden. In der Wirtschafts-
informatik dominiert das Technology Acceptance Model (TAM) (Davis 1989),
das in seiner Ursprungsversion zwei zentrale Determinanten der Technologieak-
zeptanz betont: die wahrgenommene Nützlichkeit der Technik im Arbeitsprozess
und die wahrgenommene Benutzungsfreundlichkeit. Dieses Modell wurde wei-
terentwickelt (Venkatesh et al. 2016) und stellt vier zentrale Determinanten der
Technologieakzeptanz in den Vordergrund: die Erwartungen an die Leistung der
Technologie (Nützlichkeit), die Erwartungen an den Aufwand der Implemen-
tierung (Benutzungsfreundlichkeit), soziale Einflüsse (Konformität, Status) und
weitere potenzielle förderliche Rahmenbedingungen (vgl. Venkatesh et al. 2003,
S. 451, S. 453). Als förderliche Rahmenbedingung gilt etwa das Vorhanden-
sein einer organisatorischen und technischen Infrastruktur zur Unterstützung der
Nutzung des Systems aus Sicht der Beschäftigten.
Arbeitssoziologische Analysen haben ebenfalls verschiedene Faktoren heraus-
gearbeitet, die die Akzeptanz von Digitalisierung beeinflussen können. Für eine
gelungene Ausgestaltung des Zusammenhangs zwischen Technik und Organisa-
tion wird in der Forschung die Rolle von Beteiligungsverfahren hervorgehoben.
Direkte Partizipationsmöglichkeiten und eine aktive Einbindung von Interessens-
vertretungen in Planungs- und Implementierungsprozesse wirken sich positiv auf
die Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen aus (Gerst 2020;Hooseetal.
2021; Krzywdzinski et al. 2022b; Bahnmüller et al. 2023). Sind Mitgestaltungs-
möglichkeiten dagegen unzureichend, führen die Digitalisierungsmaßnahmen
häufig zu Mehrbelastungen und Zusatzaufwänden und werden folglich von den
Beschäftigten abgelehnt (Rüb 2021; Kalff und Kutlu 2022; Apitzsch et al. 2023).
Darüber hinaus hängt die Akzeptanz von Digitalisierungsprozessen auch davon
ab, wie sich die getroffenen Maßnahmen auf die Arbeitsinhalte, die Arbeitsbe-
lastung und die Autonomie der Beschäftigten auswirken. Offenkundig fällt die
Organisationswandel und Wahrnehmung 141
Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen dann geringer aus, wenn mit ihnen
ein Abbau von Arbeitsplätzen oder ein Anstieg an Arbeitsbelastung, etwa in Form
erhöhter Flexibilitätsanforderungen, oder eine stärkere Arbeitskontrolle verbun-
den wird oder einhergeht (Droste 2020; Hoose et al. 2021; Krzywdzinski et al.
2022b). Deshalb müssen gerade die Schnittstellen und Interdependenzen zwi-
schen den technischen, sozialen und organisationalen Teilsystemen in den Blick
genommen, und unter Berücksichtigung von Leitbildern guter Arbeit ausgestaltet
werden (Apitzsch et al. 2023).
Aus diesen theoretischen Überlegungen lassen sich für unsere empirische
Untersuchung die Erwartungen ableiten, dass die Akzeptanz der im Zuge der
COVID-19-Pandemie eingeführten Digitalisierungsmaßnahmen dann höher aus-
fällt, wenn Unternehmen die digitalen Technologien durch organisatorische
Veränderungen mit der „soziotechnischen Arbeitswirklichkeit“ (Apitzsch et al.
2021) der Beschäftigten in Einklang bringen. Aufgrund erster Studien zur Wahr-
nehmung der Arbeit im Homeoffice nehmen wir an, dass die Möglichkeit
der Selbstorganisation und der arbeitszeitlichen Flexibilität eine wichtige Rolle
spielen.
3 Datengrundlage und Methoden
Die in unserer Analyse genutzten Daten stammen aus dem Projekt „Automati-
sierung, Digitalisierung und Virtualisierung der Arbeitswelt infolge der COVID-
19-Krise“, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wurde
und mit dem DFG-Schwerpunktprogramm „Digitalisierung der Arbeitswelten“
assoziiert war.
Ausgewertet wurden Daten aus zwei Wellen einer quantitativen Unterneh-
mensbefragung sowie Fallstudien in sechs Branchen: der Automobilindustrie,
der Chemieindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Logistikbranche,
der Gesundheitsbranche und dem Finanzdienstleistungssektor. Die Branchenaus-
wahl verfolgt zwei Ziele: zum einen wollten wir sowohl Fertigungs-, als auch
Dienstleistungsbranchen erfassen, und zum anderen solche Branchen, in denen
Auswirkungen der COVID-19-Krise auf Digitalisierungs- und Automatisierungs-
strategien zu erwarten waren. In der Befragung sowie in den Fallstudien wurden
soweit möglich Vertreter*innen von Management und Betriebsräten zu ihrer
Wahrnehmung der Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen unter Beschäftig-
ten interviewt. Die Fallstudien und die Befragung wurden 2021 und 2022 in
zwei Wellen durchgeführt, sodass neben den kurzfristigen Auswirkungen auch
die Stabilisierung der wahrgenommenen Akzeptanz untersucht werden konnte.
142 N. Delicat et al.
Tab. 1 Zusammensetzung der befragten Betriebe (standardisierte Befragung)
Welle 1 (2021) Welle 2 (2022)
Zusammensetzung nach Branche
Automobilindustrie 7,96 % (n =43) 3,14 % (n =19)
Chemieindustrie 19,07 % (n =103) 11,90 % (n =72)
Maschinen- und Anlagenbau 17,41 % (n =94) 11,74 % (n =71)
Logistikindustrie 17,78 % (n =96) 26,12 % (n =158)
Gesundheitsindustrie 18,89 % (n =102) 22,15 % (n =134)
Finanzdienstleistungen 18,89 % (n =102) 24,96 % (n =151)
Zusammensetzung nach Größe
1–49 Beschäftigte 62,59 % (n =338) 57,68 % (n =349)
50–249 Beschäftigte 24,63 % (n =133) 34,55 % (n =209)
Mehr als 249 Beschäftigte 12,78 % (n =69) 7,77 % (n =47)
Gesamt N =540 N=605
Quelle: Krzywdzinski et al. 2023
Grundlage der Befragung war eine Zufallsstichprobe, die hinsichtlich der
Größe der Unternehmen und der Verteilung der Betriebe auf die Bundesländer
(unter Berücksichtigung der beschränkten Fallzahl) weitgehend der faktischen
Branchenstruktur entspricht (vgl. Tab. 1).
Die 34 qualitativen Fallstudien schließen Unternehmen unterschiedlicher
Größe und Position in der Wertschöpfungskette der jeweiligen Branche (z. B.
Endhersteller und Zulieferer in der Automobilindustrie) ein. Dabei wurden vor
allem auch Großunternehmen berücksichtigt, die in der Zufallsstichprobe der
standardisierten Befragung eine kleine Minderheit bilden (vgl. Tab. 2). In den
qualitativen Fallstudien bilden Großunternehmen mit Abstand die Mehrzahl der
Fälle.
Die Unternehmen für die Fallstudien wurden so ausgewählt, dass Unter-
schiede und Gemeinsamkeiten von Digitalisierungsprozessen in verschiedenen
Unternehmenstypen erfasst werden können. Es wurden Vertreter*innen des
Managements (Personen aus den Bereichen Digitalisierung, aber auch Personal-
oder Betriebsleitungen) und Betriebs- bzw. Personalräte sowie Branchen- und
Unternehmensexpert*innen interviewt. Der Fokus auf die Sicht von Management
und Betriebsräten folgt der Überlegung, dass diese die entscheidenden Akteure
der untersuchten Veränderungsprozesse sind.
Organisationswandel und Wahrnehmung 143
Tab. 2 Zusammensetzung
der Fallstudienunternehmen Anzahl der Fallstudien
Zusammensetzung nach Branchen
Automobilindustrie 6
Chemieindustrie 5
Maschinen- und Anlagenbau 6
Logistikindustrie 6
Gesundheitsindustrie 7
Finanzdienstleistungen 4
Zusammensetzung nach Größe
1–49 Beschäftigte -
50–249 Beschäftigte 1
250–999 Beschäftigte 4
1000 Beschäftigte und mehr 29
Quelle: Butollo et al. 2023b
Insgesamt wurden 143 jeweils ein- bis zweistündige leitfadengestützte Inter-
views geführt. Im Unterschied zur standardisierten Befragung standen hier
zumeist ganze Unternehmen im Mittelpunkt, wobei in manchen Fällen die
Entwicklungen anhand ausgewählter Betriebe erläutert wurden. Wir zitieren nach-
folgend die Fallstudien unter Angabe des Branchenkürzels (z. B. Auto, Maschbau,
Ges) und der Fallstudiennummer.
4 Fallstudienbefunde: Einflussfaktoren auf die
Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen
In den Fallstudien wurden Management- und Betriebsratsvertreter*innen als
Expert*innen für die Entwicklung der Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnah-
men in ihren Unternehmen und Betrieben interviewt. Wie erwartet wurde eine
möglichst frühe Einbeziehung der Belegschaft als wichtige Voraussetzung für
die Akzeptanz genannt (Ges-6, Maschbau-6). Dies wurde damit begründet,
dass Beschäftigte oftmals am besten über ihre Arbeitsprozesse und bestehende
Schwachstellen Bescheid wissen. Somit können sie passgenaue Lösungen vor-
schlagen und benennen, wo Digitalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen
gewinnbringend eingesetzt werden können und tatsächlich eine Arbeitserleich-
terung darstellen (Ges-6, Maschbau-6, Logistik-6). Ein untersuchter Fallbetrieb
144 N. Delicat et al.
führte ein Vorschlagswesen für den Einsatz von Robotic-Process-Automation-
Anwendungen (kurz RPA) ein, was von den Beschäftigten sehr positiv angenom-
men wurde (Maschbau-6). Auch sollte den Beschäftigten im Vorfeld vermittelt
werden, wie sich die Arbeit durch Neueinführungen tatsächlich verändern wird
und wie sie langfristig den Alltag verbessern:
„Wir versuchen immer, Mitarbeiter mitzunehmen, versuchen immer, so dieses Big
Picture zu zeichnen. [Smart Hospital], was bedeutet das? Wie wird sich das Arbeits-
umfeld verändern? Wie wird es sich hoffentlich in vielen Dingen auch verbessern?
Aber natürlich auch, welche Anforderungen sind damit verbunden?“ (Ges-4)
Ähnliche Beobachtungen zeigen sich im Logistik-Bereich. Dort verlief die RPA-
Einführung unseren Gesprächspartner*innen zufolge zwar zu Beginn holprig,
wurde dann aber gut angenommen, weil die Projektzuständigen den Abteilungen
die neue Technologie detailliert vorgestellt haben: „Damit es überhaupt erstmal
akzeptiert wird und die Leute auf die Idee kommen, Mensch, hier gibt es irgend-
wie eine stumpfsinnige Arbeit, die ich dann vielleicht diesen Bot machen lassen
kann.“ (Logistik-6).
Über Fragen der Partizipation hinaus wurden in den Fallstudien von den inter-
viewten Betriebsratsmitgliedern und Managementvertreter*innen die folgenden
sechs Cluster von Faktoren genannt, die die Akzeptanz von Digitalisierungs-
maßnahmen beeinflussen (drei Cluster mit positiven und drei mit negativen
Faktoren). Obwohl wir in den Interviews auf spezifische Entwicklungen wäh-
rend der COVID-19-Pandemie Bezug genommen haben, handelt es sich doch um
Faktoren, die allgemeinen Charakter haben und nicht pandemiespezifisch sind.
Einen positiven Einfluss hatten aus Sicht der interviewten Personen vor allem
die Erhöhung der Handlungsspielräume, die Stärkung von Selbstorganisation und
Veränderung der Führungskonzepte sowie die Entlastung von Beschäftigten.
Erhöhung der Handlungsspielräume von Beschäftigten: Insbesondere im Kon-
text der Einführung bzw. Zunahme des mobilen Arbeitens wurde oftmals betont,
dass diese Art der Arbeitsorganisation für die Beschäftigten eine massive Aus-
weitung der Selbstbestimmung über die Arbeitszeit bedeutet. Die eingeführten
Möglichkeiten wurden in den allermeisten untersuchten Betrieben gut ange-
nommen. Unmut und Kritik entzündeten sich vor allem an Versuchen des
Managements, die neu gewonnenen Handlungsspielräume der Beschäftigten wie-
der zu begrenzen (z. B. Auto-5, Auto-6, Fin-2, Maschbau-3, Ges-4). Allerdings
kamen die Zugewinne an Selbstbestimmung und Flexibilität durch mobiles Arbei-
ten nicht allen Beschäftigungsgruppen gleichermaßen zugute: Beschäftigte in der
direkten Produktion und in produktionsnahen Arbeitsbereichen konnten während
Organisationswandel und Wahrnehmung 145
der COVID-19-Pandemie meist nicht ins Homeoffice wechseln, sodass in einigen
Fallunternehmen Gerechtigkeitsdebatten und „Neidsituationen“ entstanden (Auto-
4, Chemie-2, Fin-1). Um dem entgegenzuwirken, versuchten einige Betriebe,
Lösungen zu finden, mit denen auch Produktionsbeschäftigte, wo möglich (z. B.
bei Schulungen), mobiles Arbeiten nutzen können (Chemie-2, Fin-1).
Veränderung der Organisationsstrukturen und Führungskonzepte: In mehreren
Fallstudien wurde hervorgehoben, dass für eine sinnvolle Umsetzung mobiler
Arbeit die Organisationsstrukturen verändert werden müssen (Chemie-2, Auto-6,
Fin-2, Maschbau-1). Da mobile Arbeit den Beschäftigten eine höhere Autonomie
bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit und der Entscheidung über ihren Arbeits-
ort verleiht, müssen Prozesse der Kommunikation und Zusammenarbeit im Team
neu abgestimmt werden. Zudem müssen auch Führungskonzepte angepasst wer-
den. Um Gefahren der Isolierung und des Verlusts an sozialer Bindung im Betrieb
aufzufangen, müssen die Führungskräfte viel stärker als Coaches und Kommu-
nikator*innen in ihren Einheiten fungieren. Zugleich müssen sie auf Versuche
verzichten, ihre Mitarbeiter*innen in allen Einzelprozessen zu kontrollieren, und
stärker auf eine Vertrauenskultur setzen. Die Entwicklung entsprechender neuer
Organisationsformen ist wichtig für die Funktionsweise der Betriebe und damit
auch für die Akzeptanz der Digitalisierung unter Beschäftigten (z. B. Auto-1,
Chemie-2, Chemie-3, Fin-1, Fin-3, Logistik-3, Logistik-6, Maschbau-5).
Entlastung: Eine hohe Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen wurde
berichtet, wenn die technischen Neuerungen für Entlastungen sorgten, insbe-
sondere bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten. Im Produktionsbereich wurden
in einigen Fällen während der Pandemie Roboter eingeführt, die schwere Teile
heben (z. B. Auto-2, Logistik-2, Logistik-4, Logistik-6). In anderen Fällen wurde
auch von Entlastungen durch die Digitalisierung administrativer Tätigkeiten
berichtet, beispielsweise durch Employee-Self-Services, mit denen Beschäftigte
eigenständig Urlaubszeiten oder Krankheitstage eintragen können und die Verwal-
tungsbeschäftigten diese Vorgänge nicht mehr übernehmen (z. B. Auto-1, Auto-2,
Chemie-3, Fin-3, Logistik-3, Logistik-4, Maschbau-1, Ges-3). Eine Entlastung
war auch der Wegfall von repetitiven Tätigkeiten: Ein Maschinenbau-Betriebsrat
berichtete, dass während der COVID-19-Pandemie ein Enterprise-Resource-
Planning-System (kurz ERP) eingeführt wurde, das automatisch den Eingang von
Rechnungen, Aufträgen und Bestellungen kontrolliert. Damit wurde den Beschäf-
tigten „stupide“ Arbeit abgenommen. Auch neue RPA-Lösungen wurden von den
Beschäftigten in der Buchhaltung als Entlastung wahrgenommen (Maschbau-1,
Maschbau-6).
Negative Wirkungen auf die Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen wur-
den von den Managementvertreter*innen und Betriebsratsmitgliedern berichtet,
146 N. Delicat et al.
wenn es durch die Technologieeinführung zu neuen Belastungen, zu einer
Steigerung der Kontrolle oder auch zu Sorgen um die Arbeitsplätze kam.
Belastungen: Vor allem aus den Einführungsphasen neuer Technologien wur-
den Belastungen berichtet. Beispielhaft dafür ist die digitale Patientenakte, die
in der Gesundheitsbranche schon seit Längerem umgesetzt werden soll. In der
COVID-19-Pandemie wurde in mehreren unserer Fallunternehmen versucht, die
Digitalisierung der Patientenakten voranzutreiben. Die Umstellung war allerdings
meist noch nicht komplett vollzogen, sodass Beschäftigte doppelt dokumentie-
ren mussten analog und digital (z. B. Ges-1, Ges-2, Ges-3, Ges-6). Essenziell
bei Neueinführungen war deshalb immer, die Beschäftigten über den langfristig
gewonnenen Mehrwert aufzuklären.
„Man muss davon ausgehen, dass die meisten Leute, wenn etwas Neues kommt, erst-
mal nicht begeistert sind. Also, das dauert ja doch immer so eine Zeit, bis es akzeptiert
ist. Und irgendwann, wenn nochmal was Neues eingeführt wird, war das ehemalige
Neue dann doch besser. Es braucht halt seine Zeit, bis es akzeptiert ist.“ (Ges-6)
Dabei zeigt sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Alter der
Beschäftigten und deren Digitalisierungsakzeptanz. In einzelnen Fallunterneh-
men wurde zwar festgestellt, dass sich ältere Beschäftigte mit digitalen Tools
und technischen Neuerungen schwerer tun (Auto-2, Ges-4, Fin-1), allerdings
würden die Akzeptanz und entsprechende Berührungsängste auch von der techni-
schen Affinität der Beschäftigten (Fin-2, Fin-3) sowie ihrem Qualifikationsniveau
(Auto-2, Chemie-5) abhängen. In einzelnen Fällen nahm durch die Digitali-
sierung längerfristig die Belastung zu, was sich negativ auf die Akzeptanz
auswirkte. Beispielsweise verstärkte sich im Finanz- und Bankensektor während
der COVID-19-Pandemie der Trend weg von der direkten persönlichen Kunden-
beratung in den Filialen hin zu Beratungen via (Video-)Telefonie aus großen
Beratungszentren heraus. Dies bedeutet für die Kundenberater*innen eine verän-
derte Arbeitsweise, die mit einer subjektiv wahrgenommenen Arbeitsverdichtung
und schlechteren Arbeitsbedingungen einhergeht. Während die Zielvorgaben
angehoben wurden, sodass die Berater*innen einen höheren Durchlauf an zu bera-
tenden Kund*innen pro Tag bewältigen müssen, fallen gleichzeitig persönliche
Kontakte bei der Arbeit weg (Fin-2).
Intensivierung der Kontrolle: Eine verstärkte Skepsis unter den Beschäftig-
ten wurde insbesondere dort von den Betriebsratsmitgliedern berichtet, wo die
Digitalisierung mit einer höheren Transparenz der Arbeitsprozesse einherging.
So führten einige ambulante Pflegedienste während der COVID-19-Pandemie
eine elektronische Tourenplanung ein. Dies weckte Ängste: „Aber schon diese
Organisationswandel und Wahrnehmung 147
Kontrolle: Wo sind wir? Wie lange sind wir wo? Um halt auch betriebswirtschaft-
lich zu gucken, wie viel kostet der Mitarbeiter, wie viel kosten die Fahrzeiten?“
(Ges-3) Unbehagen wegen des „gläsernen Mitarbeiters“ wurde auch in den Fall-
studien im Logistikbereich kommuniziert. So berichteten Betriebsräte, dass die
digitalen Handscanner, die mit Assistenzsystemen verbunden sind, nicht nur die
Beschäftigten durch die Arbeitsprozesse leiten, sondern auch für die Führungs-
kräfte sichtbar machen, wann die Beschäftigten an welchem Fach welche Artikel
entnommen haben (Logistik-1, ähnlich auch Fin-2). Um Leistungskontrollen beim
mobilen Arbeiten zu verhindern, existierten in einigen Fallunternehmen zum Zeit-
punkt der Interviews schon entsprechende Vereinbarungen (Chemie-1, Chemie-2,
Fin-3, Ges-2, Ges-3, Logistik-4). So können Führungskräfte beispielsweise nicht
einsehen, wann Endgeräte gestartet oder heruntergefahren wurden, und auch der
Aktivitätsstatus in Meeting-Programmen bleibt verborgen.
Angst vor Arbeitsplatzverlust: In unseren Fallbeispielen wurde diese Befürch-
tung hauptsächlich in Bezug auf die direkten Beschäftigten thematisiert. Dem
wird auch aufgrund des Fachkräftemangels in vielen Branchen mit der Wei-
terbildung der eigenen Beschäftigten begegnet (Chemie-1, Chemie-5, Auto-1,
Auto-2). Dennoch reagierten gerade in den Produktionsbereichen Beschäftigte
häufig skeptisch, wenn neue Automatisierungsmaßnahmen eingeführt wurden.
Sorge um Arbeitsplatzverluste wurde auch mehrfach von den interviewten
Betriebsräten angesprochen: „Wenn ich in die Zukunft gucke, dann wird mir
schon ein bisschen Angst und Bange, weil der Arbeitgeber schon noch mehr auto-
matisieren möchte.“ (Logistik-4, ähnlich auch Auto-3, Auto-4, Fin-1, Logistik-5,
Logistik-6) Auch wenn sich Betriebsräte insbesondere in Produktions- und Logis-
tikbereichen wegen des möglichen Arbeitsplatzverlusts von Beschäftigten sorgen,
so wird in unseren Fallbeispielen vereinzelt auch davon berichtet, dass adminis-
trative Tätigkeiten verlagert werden. Demnach scheint im Personalbereich das
Potenzial zur Automatisierung von Sachbearbeitungstätigkeiten hoch zu sein.
Die Befunde der Fallstudien entsprechen den Erwartungen, die aus dem For-
schungsstand abgeleitet wurden. Interessant sind vor allem die beobachteten
Veränderungen von Organisationsstrukturen und Führungskonzepten, die deutlich
auf die von der COVID-19-Pandemie verursachten „arbeitskulturellen“ (Berzel
und Schröder 2021, S. 5) Umbrüche hinweisen. Wir stellen nachfolgend zwei
Fälle vor. Der erste Fall illustriert einen besonders weitgehenden und strategisch
betriebenen Organisationswandel. Der zweite Fall, der sicherlich typischer für die
untersuchten Unternehmen ist, zeigt einen kulturellen Umbruch im Unternehmen,
der eher reaktiv verlaufen ist.
148 N. Delicat et al.
4.1 Fallbeispiel: Auto-6
In diesem Fallbeispiel, einem Konzern der Automobilindustrie, wurden im Zuge
der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden starken Zunahme von
Homeoffice grundlegende organisatorische Veränderungen angegangen. Zentraler
Ausgangspunkt dabei war die Annahme, dass die Praxis des ortsunabhängigen,
digital-vernetzten Arbeitens auch Veränderungen der Teamorganisation und der
Führung nach sich ziehen muss. Auf zentraler Ebene wurde ein vom Personalma-
nagement geleitetes Team „Smart Work“ eingerichtet. Die Aufgabe dieses Teams
wurde bewusst allgemein gehalten: Die Erfahrungen der Pandemie sollten auf-
gearbeitet werden, um zu erfassen, „was macht COVID-19 mit der Arbeit im
Unternehmen und wie soll diese künftig gestaltet werden“ (Auto-6).
Zwar gab es schon vor der Pandemie eine Betriebsvereinbarung zum Thema
mobiles Arbeiten, allerdings gehen die vom Team „Smart Work“ erarbeiteten
Konzepte über die Inhalte der Betriebsvereinbarung hinaus. Das Team konnte
feststellen, dass die Nutzung mobiler Arbeit und auch ihre Akzeptanz während
der Pandemie massiv gestiegen sind. Die Beschäftigten wollen auch in Zukunft
einen Teil ihrer Arbeitszeit nicht im Büro ableisten, wobei aber die Wünsche
nach dem Umfang des Homeoffice sehr unterschiedlich und nicht leicht mit-
einander zu vereinbaren sind. Deshalb machte das Team „Smart Work“ einen
radikalen Vorschlag: Teams sollen den Umfang von Homeoffice sowie die dazu
benötigten Strukturen von virtuellen und in Präsenz ablaufenden Abstimmungs-
prozessen, Arbeitsmeetings und anderen Formen der Zusammenarbeit gemeinsam
diskutieren und beschließen. Die Führungskräfte nehmen an diesen Diskussionen
zwar teil, können aber nicht das Team überstimmen. Die Resultate können unter-
schiedliche Formen annehmen: Während manche Teams beschließen, dass zwei
Tage Homeoffice pro Woche für alle möglich, aber zugleich einige Kernpräsenz-
tage für gemeinsame Arbeit im Büro notwendig sind, arbeiten andere Teams fast
vollständig virtuell und legen beispielsweise einen Präsenztag im Monat fest. Das
Ziel ist eine Struktur, in der die Teams eigenständig festlegen, welche Arbeitsform
für sie am besten funktioniert.
Der Grundsatz dieser Selbstorganisation der Teams wurde in einer neuen
Betriebsvereinbarung zum Thema „Smart Work“ festgeschrieben, wobei die
Standorte des Unternehmens selbst entscheiden können, inwieweit, also ob und
für welche Bereiche, sie diese umsetzen wollen. Begleitet wird die Betriebs-
vereinbarung von Schulungsangeboten für Führungskräfte und Teams, denn das
„Smart Work“-Konzept verändert die Funktionsweise von Führung erheblich. Für
das Monitoring der Umsetzung arbeiten jeweils Mitglieder der Personalabteilung
Organisationswandel und Wahrnehmung 149
mit Betriebsräten und Managementvertreter*innen an den Unternehmensstandor-
ten zusammen.
4.2 Fallbeispiel: Chemie-4
Das zweite Fallbeispiel ist ein Konzern der Chemiebranche. Auch in diesem
Unternehmen bewirkte die COVID-19-Pandemie eine massive Ausweitung von
mobilem Arbeiten, die erstmal improvisiert werden musste. Eine Betriebsverein-
barung für mobiles Arbeiten war im Unternehmen noch nicht vorhanden, da das
Management bis dahin kein Homeoffice zugelassen hatte. Begünstigt wurde die
Einführung dadurch, dass seit kurz vor der Pandemie mit dem MS-Office-Paket
auch die Kollaborationssoftware Microsoft Teams eingesetzt wurde.
War das Unternehmen also zuvor ein Musterbeispiel für ein konservati-
ves Management, wandelte sich die Führungskultur im Laufe der Pandemie
von Grund auf. Beschleunigt wurde dies durch den Umstand, dass eine Reihe
überwiegend männlicher Manager altersbedingt ausschied und die jüngeren Füh-
rungskräfte den Veränderungen positiv gegenüberstanden. Es fand ein „kompletter
Generationenwechsel“ statt, der sich in der Unternehmenskultur widerspiegelt,
so der Betriebsrat (Chemie-4). Ein wichtiger Grund für den Wandel war aber
auch die Erfahrung des Fachkräftemangels. In der Pandemie sind Möglichkei-
ten des mobilen Arbeitens zu einer zentralen Forderung von Bewerber*innen
geworden und das Unternehmen musste einsehen, dass ohne eine entsprechende
Arbeitskultur keine gut qualifizierten Personen gewonnen werden konnten.
In der letzten Phase der Pandemie wurde eine Betriebsvereinbarung zum
mobilen Arbeiten geschlossen, die den Beschäftigten relativ weitreichende Auto-
nomiespielräume zubilligt. Bis zu 40 % der wöchentlichen Arbeitszeit können
Beschäftigte im mobilen Arbeiten verbringen. Daneben wurde im Betrieb ein
Pilotprojekt initiiert: In zwei Unternehmensbereichen mit insgesamt circa 80
Beschäftigten können diese frei wählen, wie viel Arbeitszeit sie pro Woche mobil
Arbeiten, und zwar unabhängig von der Betriebsvereinbarung. Sie müssen dazu
nur wöchentlich vorab angeben, ob und an welchen Tagen sie ins Büro kommen.
Begleitend wurde die gesamte Bürostruktur verändert. Zwar gibt es weiterhin
Einzelbüros und Besprechungsräume, allerdings sind die Einzelbüros nicht mehr
fest den Beschäftigten zugewiesen, sondern werden über ein neu eingerichtetes
Officemanagement gebucht. Dieses stellt sicher, dass für die im Büro arbeitenden
Beschäftigten Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Die Arbeitszeit wird eigenstän-
dig digital hinterlegt, wobei der Arbeitsort und die Arbeitszeiten nicht mehr von
150 N. Delicat et al.
der Führungskraft freigegeben werden müssen. Nach Einschätzung des Betriebs-
rats wird das Pilotprojekt sehr gut angenommen, die Akzeptanz sei hoch, wobei
Beschäftigte wenn man ihnen die Entscheidung überlässt sogar häufiger zum
Arbeiten ins Büro kommen als erwartet.
4.3 Zusammenfassung
Die beiden Fallbeispiele Auto-6 und Chemie-4 illustrieren, dass nur durch
einen Organisationswandel das Potenzial digitaler Technologien genutzt und auch
Akzeptanz für ihren Einsatz geschaffen werden kann. Chemie-4 ist dabei ein rela-
tiv typisches Beispiel: Ein konservatives Unternehmen, das mobile Arbeit vor der
Pandemie eher abgelehnt und durch die Pandemie einen Kulturwandel durch-
laufen hat. Es experimentiert nun mit Maßnahmen, die den Beschäftigten neue
Selbstregulierungsmöglichkeiten hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort geben.
Auto-6 ist ein bislang eher seltener Fall, in dem dieser Organisationswandel mit
einer übergreifenden Strategie verbunden wird, um Teamorganisation und Füh-
rungskonzepte zu verändern. Es ist allerdings zu hoffen, dass Lernerfahrungen
wie im Fall Chemie-4 auch zu strategisch orientierten Veränderungsprozessen
wie im Fall Auto-6 führen.
5 Unternehmensbefragung: Akzeptanz und
organisationaler Wandel
Die beiden exemplarisch vorgestellten Fallstudien zeigen, dass einige Unter-
nehmen die Zeit der COVID-19-Pandemie genutzt haben, um organisatorische
Veränderungen anzustoßen und vor allem die Selbstorganisationsmöglichkeiten
der Beschäftigten zu verbessern und die Führungskonzepte zu reformieren. Wie
häufig sind allerdings solche Veränderungen und wie wirken sie sich auf die
Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen aus?
Hierzu geben die Ergebnisse der quantitativen Befragung Auskunft. Ein wich-
tiger Befund ist, dass der Anteil von Unternehmen im Laufe der Pandemie
erheblich gestiegen ist, die Maßnahmen wie die Einführung flacherer Hierarchien,
die Förderung eines neuen Führungsverständnisses, die Stärkung teamübergrei-
fender Zusammenarbeit und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten berichteten. In
unserer Befragung 2021 nannten 16 % der Unternehmen Maßnahmen zur För-
derung eines neuen Führungsverständnisses, in der Befragung 2022 waren es
Organisationswandel und Wahrnehmung 151
7.1
16.0
28.9
32.8
19.0
28.8
46.8
43.3
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
Einführung flacherer
Hierarchien
Förderung eines neuen
Führungsverständnisses
Stärkung
teamübergreifender
Zusammenarbeit
Flexibilisierung der
Arbeitszeiten
2021 2022
Abb. 1 Organisationsmaßnahmen während der COVID-19-Pandemie. (Quelle: Krzywdzin-
skietal.2023)
28,8 % (vgl. Abb. 1). Wir können dies so interpretieren, dass im Zuge der Pande-
mie immer deutlicher wurde, wie entscheidend es ist, Digitalisierungsmaßnahmen
organisatorisch zu flankieren. Insofern weisen die Zahlen auf einen Lernpro-
zess der Unternehmen hin, dass technische Veränderungen von entsprechenden
organisatorischen Veränderungen begleitet werden müssen.
Zugleich werden Unterschiede zwischen den organisatorischen Maßnahmen
sichtbar. Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie zur Stärkung
teamübergreifender Zusammenarbeit (um die mit der Verbreitung des mobilen
Arbeitens einhergehende Fliehkraft wieder einzufangen) wurden 2022 in fast der
Hälfte der befragten Unternehmen ergriffen. Maßnahmen zur Veränderung des
Führungsverständnisses wurden hingegen nur in knapp 30 % der Unternehmen
umgesetzt und Maßnahmen zur Reduktion von Hierarchien nur in einem Fünftel.
Unsere quantitativen Daten erlauben keine genaueren Aussagen über die
Reichweite der Maßnahmen, also etwa über den Anteil der Führungskräfte, die
bei Maßnahmen zur Veränderung des Führungsverständnisses einbezogen wur-
den, oder über den Umfang der Hierarchiereduktion. Wir vermuten, dass die
Reichweite der durchgeführten Maßnahmen sehr stark variiert: In manchen Fällen
werden sie eher „kosmetischen“ Charakter haben, in anderen einen tiefgreifenden.
Welcher Zusammenhang der organisatorischen Maßnahmen mit der Akzeptanz
von Digitalisierung lässt sich feststellen? Schauen wir zuerst auf die berich-
tete Akzeptanz allgemein. In beiden Wellen der quantitativen Befragung teilen
sich die Unternehmen in drei relativ ähnlich große Gruppen. 2021 gaben 39 %
152 N. Delicat et al.
der befragten Unternehmen eine stark gestiegene Akzeptanz von Digitalisie-
rungsmaßnahmen an, 35 % eine teilweise gestiegene Akzeptanz und 26 % eine
schwache oder gar keine Zunahme der Akzeptanz. Im Jahr darauf berichteten
34 % eine stark gestiegene Akzeptanz, 39 % eine teilweise gestiegene Akzep-
tanz und 27 % eine schwache oder gar keine Zunahme der Akzeptanz. Dabei
zeigt sich, dass eine gestiegene Akzeptanz der Digitalisierung von strukturellen
Faktoren abhängt. Größere Unternehmen gaben eher eine gestiegene Akzeptanz
der Digitalisierung an, ebenso Unternehmen, die ein starkes Wachstum während
der Pandemie durchlaufen haben. Dieser Zusammenhang ist statistisch signifikant
(p < 0.01).
Außerdem wurde deutlich, dass eine gestiegene Akzeptanz der Digitalisierung
auch davon beeinflusst wird, zu welchem Sektor das Unternehmen gehört. So
berichteten insbesondere im Finanzdienstleistungssektor (58 %) und in der Che-
miebranche (42 %) die Unternehmen von einer starken Zunahme der Akzeptanz
der Digitalisierung. Im Gesundheitssektor waren es immerhin 33 % der Unter-
nehmen, in den anderen Sektoren (Automobil, Maschinenbau, Logistik) nur rund
ein Viertel der Unternehmen. Auch der Zusammenhang zwischen Sektor und
berichteter Akzeptanz der Digitalisierung ist statistisch signifikant (p>0.01).
Eine gestiegene Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen hängt auch deut-
lich mit Investitionen in die Digitalisierung zusammen, und zwar in beiden
Befragungswellen in einem sehr ähnlichen Umfang (vgl. Abb. 2). 60 bis 70 %
der Unternehmen, die während der COVID-19-Pandemie in Digitalisierungspro-
jekte investiert haben, berichteten in beiden Wellen eine gestiegene Akzeptanz
von Digitalisierungsmaßnahmen. Demgegenüber waren es nur etwa 20 % der
Unternehmen, die während der Pandemie nicht in die Digitalisierung investiert
haben. Offenbar werden Digitalisierungsmaßnahmen stärker akzeptiert, wenn sie
mit funktionierenden Infrastrukturen einhergehen. Erst wenn Unternehmen Digi-
talisierungsprojekte aktiv gestalten und entsprechende Ressourcen bereitstellen,
kann Akzeptanz entstehen.
Darüber hinaus zeigt auch der Umfang der mobilen Arbeit einen statistisch
signifikanten (p > 0.01) Zusammenhang mit der Zunahme der Akzeptanz von
Digitalisierungsmaßnahmen. Dies entspricht dem Ergebnis anderer Umfragen,
wonach sich mobile Arbeit einer hohen Zustimmung erfreut (Kunze et al. 2021)
und damit zur Akzeptanz der Digitalisierung beiträgt.
Bei dem für uns besonders spannenden Zusammenhang zwischen organisato-
rischen Veränderungen und der Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen wird
ein interessantes Muster sichtbar. Grundsätzlich gehen organisatorische Verände-
rungen im Sinne von mehr Selbstmanagement, weniger hierarchischer Führung
und mehr Arbeitszeitflexibilität aus Sicht der befragten Manager*innen mit einer
Organisationswandel und Wahrnehmung 153
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Nein Teilweise Ja
2021 2022
Invesonen in Digitalisierung
Abb. 2 Akzeptanz der Digitalisierung und Investitionen in Digitalisierungsprojekte.
(Quelle: Krzywdzinski et al. 2023)
höheren Akzeptanz von Digitalisierung einher. Allerdings schwächt sich dieser
Zusammenhang zwischen den beiden Befragungswellen ab (vgl. Abb. 3). Wäh-
rend 2021 über 80 % der Unternehmen, die verstärkt Maßnahmen zur Förderung
neuer Führungskonzepte umgesetzt hatten, eine deutlich zunehmende Akzeptanz
der Digitalisierung berichteten, waren es 2022 nur etwa 60 %. Hatten 2021
über 60 % der Unternehmen, die die Flexibilisierung der Arbeitszeiten spürbar
vorangetrieben hatten, eine starke Zunahme der Akzeptanz von Digitalisierungs-
maßnamen berichtet, so waren es 2022 nur noch etwa 40 %. Ein positiver
Zusammenhang zwischen organisationalen Veränderungen und der Akzeptanz
von Digitalisierungsmaßnahmen besteht in beiden Wellen, fällt für 2022 jedoch
schwächer aus.
An dieser Stelle können nur vorläufige Überlegungen zur Erklärung dieser
Entwicklung präsentiert werden. Möglicherweise berichteten in der Befragungs-
welle 2021 vor allem Vorreiterunternehmen von organisationalen Veränderungen,
während die Befragung 2022 bereits viele Nachzügler einschließt, die der Diskus-
sionen über den Bedarf an einer organisatorischen Flankierung der technischen
Maßnahmen folgen, ohne ihre Organisation auch tatsächlich in der benötigten
Tiefe umzustrukturieren. Vielleicht wird hier aber auch ein langsames Zurück-
rudern des Managements im Hinblick auf Organisationsmaßnahmen sichtbar.
Zwar geben immer mehr Unternehmen an, dass sie die neue Welt der virtu-
ellen Arbeit durch veränderte Führungskonzepte begleiten. Allerdings zeichnet
154 N. Delicat et al.
0
20
40
60
80
100
gar nicht schwach teils, teils stark sehr stark
Neues Führungsverständnis,
2021
Stärkere Flexibilität der
Arbeitszeit, 2021
Neues Führungsverständnis,
2022
Stärkere Flexibilität der
Arbeitszeit, 2022
Umfang der organisaonalen Veränderungen
Abb. 3 Organisationale Veränderungen und Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen,
2021 und 2022. (Quelle: Krzywdzinski et al. 2023)
sich die Tendenz ab, dass das Management die Regeln für mobile Arbeit und die
Virtualisierung von Prozessen wieder strikter handhabt und verstärkt auf Präsenz
im Betrieb drängt. Dementsprechend kann die Schwächung des Zusammenhangs
zwischen den berichteten organisationalen Veränderungen und der Akzeptanz von
Digitalisierungsmaßnahmen auch auf eine Ernüchterung aufseiten der Beschäftig-
ten hindeuten. Setzten sie am Anfang größere Hoffnungen in die Veränderung von
Arbeitsabläufen, den Abbau von Hierarchien und eine größere Autonomie, müs-
sen sie nun zunehmend feststellen, dass die organisationalen Maßnahmen in den
Unternehmen in diesem Sinne nicht ausreichen oder dass durch hybride Modelle
unbeliebte Aspekte des alten Status quo wiederhergestellt werden. Auch wenn
sich der Zusammenhang zwischen Organisationsveränderungen und der Akzep-
tanz von Digitalisierungsmaßnahmen während der COVID-19-Pandemie etwas
abschwächt, bedeutet das keineswegs eine Rückkehr zum Status quo vor der
Pandemie. Das mobile Arbeiten sowie die eingeführten Automatisierungs- und
Digitalisierungsmaßnahmen werden die Arbeitswelt in der Zukunft prägen.
6 Schlussfolgerungen
Unsere Analyse zeigt, dass die COVID-19-Pandemie einen partiellen Digita-
lisierungsschub ausgelöst hat, der Arbeitsorganisation und Organisationskultur
nachhaltig verändert hat. Die virtuelle Zusammenarbeit im Homeoffice erfuhr
eine erhebliche Ausweitung und initiierte auch die Digitalisierung verschiedener
Organisationswandel und Wahrnehmung 155
anderer Prozesse, insbesondere in der Administration und im Vertrieb. Viele die-
ser Digitalisierungsprozesse befanden sich jedoch schon vor der Pandemie in der
Planung und wurden durch die Coronakrise beschleunigt.
Die Coronakrise bestätigte eine der Grundlagen der soziologischen Tech-
nikforschung: Betriebe sind soziotechnische Systeme, weshalb eine technische
Umgestaltung auch von organisatorischen Veränderungen begleitet werden muss.
Zu Beginn der Pandemie führten Digitalisierungsprozesse oftmals zu Überfor-
derung und stießen auf wenig Akzeptanz. Organisatorische Anpassungen und
zusätzliche Investitionen im Laufe der Pandemie bewirkten dann eine steigende
Akzeptanz der Maßnahmen. Wie unsere Fallstudien zeigen, hängt diese Akzep-
tanz von einigen Faktoren ab, die in der Forschung bekannt, und von der
Pandemie unabhängig sind: die Be- oder Entlastung durch Technologien, die
Erweiterung von Handlungsspielräumen oder die Verstärkung der Kontrolle sowie
der Einfluss auf die Beschäftigungssicherheit.
In den Fallstudien trat aber auch ein Faktor zutage, den wir in der quantitativen
Befragung vertieft haben: organisatorische Veränderungen spielen eine wichtige
Rolle im Umgang mit der verstärkten Arbeit im Homeoffice und steigern die
Akzeptanz, wenn sie der Stärkung der Selbstorganisation und Arbeitszeitflexibi-
lität von Beschäftigten dienen. Direkte hierarchische Kontrolle stößt dagegen an
ihre Grenzen, sodass Unternehmen zunehmend ihre Führungskonzepte überden-
ken müssen.
Am Beispiel von zwei Fallstudien zeigten wir unterschiedliche Ausprägungen
dieser Entwicklung. Der Fall Chemie-4 repräsentiert ein konservatives Unter-
nehmen, das in der COVID-19-Pandemie von seiner Ablehnung mobiler Arbeit
abrücken und mehr Selbstorganisation und Flexibilität zulassen musste, da es
sonst massiv an Attraktivität für Beschäftigte verloren hätte. In der Zeit fand ein
Generationenwechsel im Management statt, die Regeln für das mobile Arbeiten
wurden verändert und Pilotversuche für neue Formen des Selbstmanagements von
Teams unternommen.
Der Fall Auto-6 steht hingegen für eine strategische Veränderung der Arbeits-
kultur. Das Unternehmen besaß bereits eine Betriebsvereinbarung zum mobilen
Arbeiten, realisierte aber im Zuge der Pandemie, dass nicht nur Anwesenheits-
zeiten geregelt, sondern auch die Funktionsweise von Teams und von Führung
verändert werden müssen.
In unserer quantitativen Befragung wurde sichtbar, dass im Laufe der Pan-
demie die Zahl von Unternehmen gestiegen ist, die solche organisatorischen
Veränderungen vornehmen. Wir konnten allerdings nicht die Tiefe der Verän-
derungen messen, sondern nur die Tatsache, dass sich Unternehmen während
156 N. Delicat et al.
der Pandemie stärker mit Selbstorganisation, neuen Führungskonzepten und
Arbeitszeitflexibilität befasst haben.
Darüber hinaus stieg die Akzeptanz von Digitalisierung während der Pande-
mie gleichbleibend an: In beiden Erhebungswellen 2021 und 2022 berichteten
34 bis 39 % der befragten Unternehmen eine starke oder sehr starke Zunahme
der Akzeptanz von Digitalisierungsmaßnahmen, und weitere 35 bis 39 % eine
teilweise Zunahme. Die Befragung bestätigt auch, dass die Akzeptanz dort stär-
ker zunimmt, wo Führungskonzepte verändert, Teams mehr Selbstmanagement
zugebilligt und den Beschäftigten mehr Arbeitszeitflexibilität ermöglicht wurde.
Allerdings schwächt sich dieser Effekt zwischen den beiden Erhebungswellen
leicht ab. Je mehr Unternehmen diese Veränderungen vornehmen, desto gerin-
ger sind die gemessenen Auswirkungen im Hinblick auf die wahrgenommene
Akzeptanz. Möglicherweise orientiert sich die wachsende Zahl von Unternehmen,
die von organisatorischen Maßnahmen berichtet, an den Vorreiterunternehmen,
setzt die Maßnahmen aber nur halbherzig um, sodass diese entsprechend weniger
akzeptiert werden.
Die Ergebnisse unser Studie sind insbesondere dadurch limitiert, dass wir die
Akzeptanz von Digitalisierungsprozessen lediglich auf Basis der Wahrnehmun-
gen des Managements und der Betriebsräte messen konnten und Beschäftigte
nicht direkt befragt wurden. Zugleich verweisen unsere Ergebnisse deutlich auf
Veränderungen der Arbeitskultur nach der COVID-19-Pandemie.
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Organisationswandel und Wahrnehmung 159
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Digitalisierung, soziale Klasse und
Ungleichheit Homeoffice und das
Forschungsprogramm von DigiCLASS
Agnes Fessler, Hajo Holst, Isabell Mader, Steffen Niehoff
und Adrian Scholz Alvarado
Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich aus der Perspektive einer ungleichheitssensiblen
Digitalisierungsforschung mit dem digital durchdrungenen pandemiebeding-
ten Homeoffice. Unsere Analysen machen klassenbedingte Ungleichheiten in
den Arbeits- und Digitalisierungserfahrungen sichtbar und zeigen, dass die
Arbeitsorganisation eine besondere Rolle für das Entstehen dieser Ungleich-
heiten spielt. Mithilfe einer Clusteranalyse identifizierten wir sechs arbeits-
organisatorische Varianten des pandemiebedingten Homeoffice. Im Beitrag
wurden die beiden Extrempole der Clusteranalyse näher beleuchtet: das
humanzentrierte Homeoffice und das kontrollzentrierte mobile Arbeiten. Ein
qualitativer Fallvergleich verweist auf drei Faktoren, die für den ungleichen
Zugang zu diesen Varianten verantwortlich sind: der Kern der Tätigkeit, der
Stand der Digitalisierung vor der Pandemie und die (kollektive) Arbeitsregu-
lierung.
A. Fessler (B)·H. Holst ·I. Mader ·S. Niehoff ·A. S. Alvarado
Institut für Sozialwissenschaften, Universität Osnabrück, Osnabrück, Deutschland
E-Mail: agnes.fessler@uni-osnabrueck.de
H. Holst
E-Mail: haholst@uni-osnabrueck.de
I. Mader
E-Mail: isabell.mader@uni-osnabrueck.de
S. Niehoff
E-Mail: steffen.niehoff@uni-osnabrueck.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_7
161
162 A. Fessler et al.
Schlüsselwörter
Homeoffice Corona-Pandemie Soziale Klassen Ungleichheit
Digitalisierungserleben
1 Einleitung
Die Digitalisierung von Arbeit gehört seit Jahren zu den Megathemen der sozio-
logischen Forschung (Brynjolfsson und McAfee 2016; Hirsch-Kreinsen 2020;
Pfeiffer 2021). Zwei Forschungsstränge sind dabei besonders prominent: Zum
einen finden sich zahlreiche quantitative Prognosen über Beschäftigungseffekte
der Digitalisierung (Frey und Osborne 2017; Autor und Dorn 2013). Primär geht
es dabei um die zukünftig zu erwartenden Substitutionseffekte durch Automati-
sierung und künstliche Intelligenz, die so alle Prognosen Branchen und Berufe
höchst ungleich treffen werden. Zum anderen beschäftigen sich vorwiegend qua-
litative Studien mit der pilothaften Erprobung neuer Technologien, um deren
Auswirkungen auf die Arbeitsqualität Arbeitsinhalte, Arbeitsbedingungen und
Mensch-Technik-Interaktionen zu untersuchen (Herrmann und Pfeiffer 2022;
Krzywdzinski et al. 2022; Schultz-Schaefer et al. 2020; Holst et al. 2020; Butollo
et al. 2018). So wichtig diese Analysen für eine arbeitsgesellschaftliche Tech-
nikfolgenabschätzung auch sind, aufgrund ihres eher kleinräumigen Zuschnitts
sperren sich die meisten Pilotprojekte gegen eine systematische Vermessung von
Ungleichheiten in der Digitalisierung von Arbeit.
An diesem Punkt setzt das im Rahmen des SPP 2267 „Digitalisierung der
Arbeitswelten“ geförderte Vorhaben DigiCLASS1an, das die Forschung zur
Digitalisierung von Arbeit mit der seit einigen Jahren wieder intensiv geführten
Diskussion über die gesellschaftliche Relevanz sozialer Klasse verbindet und nach
Ungleichheiten in den Digitalisierungserfahrungen fragt: Wie erleben Beschäf-
tigte aus verschiedenen Berufsgruppen die Digitalisierung ihrer eigenen Arbeit?
Im Folgenden wird das Forschungsprogramm des Projekts vorgestellt und auf die
digitale Arbeitsform Homeoffice angewendet. Was oberflächlich als rein räum-
liche Verlagerung des Arbeitsplatzes vom stationären Arbeitsplatz im Betrieb
in das Homeoffice in der eigenen Wohnung erscheint, setzt faktisch eine weit-
reichende kommunikations- und informationstechnische Durchdringung voraus.
Ohne ein Mindestmaß an Digitalisierung der Kommunikation, der Arbeitsin-
halte und des Arbeitsprozesses ist es nicht möglich, den Arbeitsort in die eigene
1Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Projektnummer
442459396.
Digitalisierung, soziale Klasse und Ungleichheit 163
Wohnung zu verlagern. Zugleich ist der Einsatz von Informations- und Kom-
munikationstechnik nicht neutral: Die Digitalisierung der Kommunikation durch
Videotelefonie oder E-Mails verändert die Interaktionen mit Kolleg*innen, Vor-
gesetzten und Kund*innen, genauso wie die Digitalisierung von Prozessen auf
Arbeitsinhalte und Tätigkeiten zurückwirkt.
Für eine ungleichheitssensible Digitalisierungsforschung im Allgemeinen und
die Analyse der digitalen Durchdringung von Arbeit im Speziellen stellt das
digital gestützte, pandemiebedingte Homeoffice einen besonders interessanten
Fall dar. Zum einen ermöglicht es die weite Verbreitung des Homeoffice in der
Corona-Pandemie, systematisch die Klassenungleichheiten im Digitalisierungs-
erleben zu vermessen. Im Frühjahr 2020 wurde innerhalb weniger Wochen die
Arbeit von Millionen von Beschäftigten in die eigene Wohnung verlagert. Ein
gutes Drittel der Erwerbstätigen arbeitete in der Corona-Pandemie mehr von zu
Hause als in Vor-Corona-Zeiten (Ahlers et al. 2021; Alipour et al. 2020;Holst
et al. 2022; Niehoff und Holst 2023; Schröder et al. 2020). Auch wenn die Ver-
breitung des hybriden Arbeitens mit dem Übergang in die endemische Phase
von Sars-CoV2 etwas zurückgegangen ist und nicht alle Berufe gleichen Zugang
zum Homeoffice haben: Keine andere digitale Arbeitsform weist gegenwärtig eine
ähnliche Verbreitung auf.
Zum anderen zeigen sich zwar durchaus Unterschiede in der technischen Aus-
stattung des Homeoffice, in unseren Interviews beispielsweise berichten Beschäf-
tigte wiederholt von Ausstattungsdefiziten. Dennoch besitzt die informations- und
kommunikationstechnische Durchdringung des Arbeitens von zu Hause im Ver-
gleich zu vielen anderen digitalen Systemen einen relativ engen funktionalen
Kern. Der Einsatz eines IoT-Systems beispielsweise wirkt sich unterschied-
lich auf Produktionsarbeiter*innen, Betriebsingenieur*innen und Produktionspla-
ner*innen aus: über die Arbeit der einen werden Daten erhoben, andere arbeiten
mit den Daten und wiederum andere richten die digitalen Systeme ein. Die
digitalen Basisfunktionen im Homeoffice sind dagegen für verschiedene Berufs-
gruppen vergleichsweise homogen. Unabhängig von der beruflichen Position
geht die Einführung oder Ausweitung des Homeoffice in der Regel mit dem
Einsatz eines oder mehrerer Kommunikations-, Informationsverarbeitungs- oder
Kollaborationstools einher.
Ohne an dieser Stelle zu viel vorwegzunehmen: Die quantitativen und qua-
litativen Befunde von DigiCLASS zeigen, dass die mit dem pandemiebedingten
Homeoffice verbundenen Digitalisierungserfahrungen erhebliche Ungleichheiten
aufweisen und dass hierbei die berufliche Position eine wichtige Rolle spielt.
Darüber hinaus ist die Ebene der Arbeitsorganisation ausschlaggebend für das
Entstehen von Klassenungleichheiten im Homeoffice. Nicht alle Berufe haben die
164 A. Fessler et al.
gleichen Chancen auf eine gesundheitsförderliche und mit autonomieerweiternden
Digitalisierungserfahrungen einhergehende Gestaltung des Homeoffice. Insbeson-
dere die nicht-akademischen Berufe der unteren Klassen und die interpersonellen
Berufe müssen deutlich häufiger Ausstattungs- und Ergonomiedefizite, eine auf
Misstrauen oder Kontrolle basierende Steuerung oder Probleme in der Einbindung
in die betrieblichen Abläufe hinnehmen. Drei Faktoren darauf deuten unsere
Interviews hin liegen dem Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und
Klasse zugrunde: Der Kern der Tätigkeit, der Digitalisierungsstand vor der Pan-
demie und die (kollektive) Arbeitsregulierung strukturieren den Möglichkeitsraum
für die Gestaltung des Homeoffice.
Folgendermaßen ist der Beitrag aufgebaut: Zunächst werden das Forschungs-
programm von DigiCLASS vorgestellt (2) sowie die empirische Basis und die
verwendeten Methoden dargestellt (3). Anschließend werden die Ergebnisse zu
den Ungleichheiten im pandemiebedingten Homeoffice erläutert: Anhand einer
Clusteranalyse werden im ersten Schritt die Unterschiede in der Arbeitsorga-
nisation beleuchtet und deren Bedeutung für die Digitalisierungserfahrungen
untersucht (4). Im zweiten Schritt wird anhand qualitativer Interviews der
Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klasse exploriert (5).
2 Das Forschungsprogramm von DigiCLASS
Das Forschungsprogramm von DigiCLASS verbindet die Forschung zur Digita-
lisierung von Arbeit mit der Debatte über die gesellschaftliche Relevanz sozialer
Klasse. Damit trägt DigiCLASS zu einer ungleichheitssensiblen Digitalisierungs-
forschung bei. Es wird danach gefragt, wie Beschäftigte aus verschiedenen
Berufsgruppen die Digitalisierung ihrer Arbeit erleben. Welche Gemeinsam-
keiten zeigen sich in den Erfahrungen von Angehörigen einer Klasse? Und
welche Differenzen lassen sich im Digitalisierungserleben unterschiedlicher Klas-
sen beobachten? Ausgangspunkt des Forschungsprogramms ist die Erkenntnis,
dass sich die Digitalisierung die technologische Durchdringung von Arbeit,
ihre datengetriebene Verfügbarmachung und die Verselbstständigung von Tech-
nik nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum vollzieht, sondern in einem
von vielfältigen Ungleichheiten geprägten sozialen Raum. Je nach Arbeitsfeld
werden unterschiedliche digitale Artefakte, Applikationen und Systeme einge-
setzt, viele Systeme wirken sich unterschiedlich auf verschiedene Berufsgruppen
aus. Genauso kann ein und dieselbe Technologie auf unterschiedliche Art und
Weise in die Arbeitsorganisation eingebunden sein und deswegen in verschie-
denen Betrieben unterschiedliche Implikationen haben. Insbesondere der letzte
Digitalisierung, soziale Klasse und Ungleichheit 165
Punkt spielt beim Homeoffice eine zentrale Rolle: Aufgrund des relativ engen
funktionalen Kerns der eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnik
treten die Differenzen auf der Ebene der Arbeitsorganisation besonders deutlich
zutage. Anders als bei anderen digitalen Systemen sind die Klassenungleichheiten
beim Homeoffice das ist ein wichtiges Ergebnis unserer Forschung weniger
in den funktionalen Eigenschaften der Technik verankert als in Differenzen in der
Arbeitsorganisation.
Um Ungleichheiten in der Digitalisierung von Arbeit zu untersuchen, wird in
dem Beitrag auf den Erwerbsklassenansatz von Daniel Oesch (2006) zurückge-
griffen. Dieser erweitert die in der soziologischen Ungleichheitsforschung fest
verankerte vertikale Stratifizierung in obere und untere Klassen um die horizon-
tale Differenzierung nach Tätigkeitsinhalten. So ergeben sich für den Bereich
der abhängigen Beschäftigung sechs Erwerbsklassen. In der Tab. 1sind diese
mit häufig vorkommenden Berufen dargestellt (für eine ausführliche Beschrei-
bung des Oesch-Ansatzes und der empirischen Umsetzung siehe Holst et al.
2022). Die vertikale Klassenlage definiert sich über die Qualifikationsanforde-
rungen des Berufs. Die Skala reicht von akademischen und halb-akademischen
Berufen in den oberen Erwerbsklassen bis hin zu berufsfachlich qualifizierten
Berufen und Anlerntätigkeiten in den unteren Klassen. Hingegen bezieht sich die
horizontale Klassenlage auf die Arbeitslogik. Für abhängig Beschäftigte werden
drei Logiken unterschieden: In der interpersonellen Arbeitslogik besteht der Kern
Tab. 1 Das Klassenschema nach Daniel Oesch (nur abhängig Beschäftigte)
Technische Arbeitslogik Administrative
Arbeitslogik
Interpersonelle
Arbeitslogik
(Halb-)
Akademische
Berufe
Technische
Expert*innen
Maschinenbau-/
Elektroingenieur*innen,
IT-Expert* innen,
Industriemeister*innen
Management
Betriebswirt*innen,
HR-Führungskräfte,
Verwaltungsbeschäftigte
Soziokulturelle
Professionen
Ärzt*innen,
Lehrer*innen,
Sozialarbeiter*innen
Lehrberufe/
Anlerntätigkeiten
Produktionsarbeitende
Fertigungs-/
Montageberufe,
Handwerksberufe,
Logistiktätigkeiten
Bürokräfte
Sekretariatskräfte,
Bankkaufleute, einfache
Verwaltungsbeschäftigte
Dienstleistende
Verkäufer*innen,
Bedienstete im
Gastgewerbe,
Hilfspflegekräfte
Quelle: eigene Darstellung nach Oesch (2006).
166 A. Fessler et al.
des Arbeitsprozesses aus direkter menschlicher Interaktion, in der administrati-
ven bestimmen bürokratische Regeln den Arbeitsprozess und in der technischen
spielen technische Artefakte und Maschinen eine zentrale Rolle.
3 Sample und Methoden
Die Analysen der Ungleichheiten im digital durchdrungenen Homeoffice stützen
sich auf standardisierte Erwerbstätigenbefragungen und qualitative Interviews.
Das quantitative Material umfasst zwei Erhebungsrunden, die als Online-Survey
für Erwerbstätige im Rahmen des Arbeitswelt-Monitors 2021 und 2022 erhoben
wurden. Von den 10.720 befragten Erwerbstätigen arbeiteten knapp 5000 abhän-
gig Beschäftigte in der Pandemie mehr von zu Hause als in Vor-Corona-Zeiten.
Das Gesamtsample weist eine zufriedenstellende soziostrukturelle Passung mit
der Grundgesamtheit (deutsche Erwerbsbevölkerung) auf. Aufgrund des unglei-
chen Zugangs zeigen sich im Homeoffice-Subsample auf Ebene der Klasse
mehrere Abweichungen: Akademische Berufe sind deutlich überrepräsentiert,
von den nicht-akademischen Tätigkeiten können fast nur Bürokräfte von zu
Hause arbeiten und die Anteile der interpersonellen Berufe sind deutlich geringer
(siehe auch Niehoff und Holst 2023). Das qualitative Sample besteht aus insge-
samt 95 qualitativen Interviews mit Beschäftigten im Homeoffice, die zwischen
2020 und 2022 geführt wurden. Rekrutiert wurden die Interviewpartner*innen
über die Surveys des Arbeitswelt-Monitors und über Kontakte im Rahmen von
DigiCLASS.
In den Analysen sind die qualitativen Interviews und die quantitativen Erhe-
bungen eng miteinander verzahnt. Im ersten Schritt wurden aus den qualitativen
Interviews aus der Frühphase der Pandemie inhaltsanalytisch sieben Aspekte der
Arbeitsorganisation identifiziert, die aus Sicht der Beschäftigten für die eigenen
Arbeitserfahrungen im pandemiebedingten Homeoffice besonders relevant sind.
Im zweiten Schritt wurden diese Aspekte für die Erhebungsrunden 2021 und 2022
in sieben Items umgesetzt und auf dieser Grundlage eine Clusteranalyse durch-
geführt. Für die Clusteranalyse haben wir ein zweistufiges Verfahren gewählt:
eine hierarchische Clusteranalyse mit Ward als varianzbasierter Methode zur
Fusionierung von Fällen und eine Optimierung der Zuordnung der Fälle zu den
Clustern mithilfe des k-Means-Verfahrens. Die finale Lösung mit sechs Clustern
wurde über ein Dendrogramm und anhand inhaltlicher Überlegungen ausgewählt.
Im dritten Schritt wurden die Interviews in einem sequenzanalytischen, rekon-
struktiven Verfahren ausgewertet, um den Zusammenhang zwischen Klasse und
Arbeitsorganisation zu untersuchen.
Digitalisierung, soziale Klasse und Ungleichheit 167
4 Arbeitsorganisatorische Varianten des Homeoffice
und ungleiche Digitalisierungserfahrungen
Die soziologische Forschung zum pandemiebedingten Homeoffice ist umfang-
reich. Grundlage des Beitrags ist ein weiter Begriff des Homeoffice, der sich
an international gebräuchlichen Definitionen des „working from home“ (WFH)
(Barrero et al. 2021) orientiert und sich auf die Praxis des Arbeitens von zu
Hause bezieht. Intensiv beschäftigt sich die Forschung unter anderem mit den
(Neben-)Folgen des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnik,
insbesondere für Kommunikationsmuster und soziale Beziehungen, Arbeitsin-
halte und -belastungen, Geschlechterverhältnisse und das Verhältnis von Arbeit
und Leben (Kleemann und Leontaris 2023;Schreyeretal.2022; Carstensen
et al. 2022). Die Bedeutung arbeitsorganisatorischer Bedingungen wird zwar
in vielen Beiträgen angesprochen, aber nicht systematisch untersucht (für die
umfangreichste Auseinandersetzung damit siehe Ahlers et al. 2021). Bislang fehlt
es zudem an einer Kartographierung unterschiedlicher arbeitsorganisatorischer
Homeoffice-Varianten und deren (Neben-)Folgen für die Beschäftigten.
Diese Leerstelle wird von der hier präsentierten Clusteranalyse adressiert.
Basis der Clusteranalyse ist ein Instrument mit sieben Items. Diese bilden
selbstverständlich nicht alle Aspekte der Arbeitsorganisation im Homeoffice ab,
stellen jedoch die aus Sicht der von uns zu Beginn der Pandemie interviewten
Beschäftigten besonders relevanten Aspekte dar. Die Items lassen sich analy-
tisch drei Dimensionen zuordnen: der Beschaffenheit des Heimarbeitsplatzes (mit
den drei Einzelaspekten Vollständigkeit der technischen Ausstattung, ergonomi-
sche Gestaltung, Trennung vom Rest der Wohnung), der Steuerung der hybriden
Arbeit (Vertrauen der Vorgesetzten, Kontrolle durch den Arbeitgeber, Autonomie
bei der Wahl des Arbeitsortes) und der Schnittstelle zum Betrieb (Einbindung in
betriebliche Abläufe).
Die Clusteranalyse identifiziert sechs Varianten des pandemiebedingten Home-
office (siehe Tab. 2). Besonders auffällig sind die beiden Extrempole der
Typologie, das humanzentrierte Homeoffice und das kontrollzentrierte mobile
Arbeiten. Das humanzentrierte Homeoffice (n =1.319) ist durch einen tech-
nisch und ergonomisch voll ausgestatteten Arbeitsplatz, eine vertrauensbasierte
Steuerung und eine vollständige Einbindung in die betrieblichen Abläufe gekenn-
zeichnet. Das kontrollzentrierte mobile Arbeiten (n =389) weist hingegen starke
Ausstattungsdefizite, eine kontrollzentrierte Steuerung und Einbindungsdefizite
auf. Die vier Varianten, die zwischen den Extrempolen liegen, zeigen in den
drei untersuchten Dimensionen jeweils spezifische Merkmalskombinationen. Das
168 A. Fessler et al.
vertrauensbasierte mobile Arbeiten (n =1.181) unterscheidet sich vom human-
zentrierten Homeoffice vor allem durch die fehlende ergonomische Gestaltung des
Arbeitsplatzes in der eigenen Wohnung, beim heteronomen mobilen Arbeiten (n
=721) verfügen die Beschäftigten praktisch über keine Mitsprache bei der Wahl
des Arbeitsortes, das misstrauensbasierte Homeoffice (n =472) ist zwar technisch
und ergonomisch gut ausgestattet, jedoch fehlt das Vertrauen der Vorgesetzten
und beim entgrenzenden mobilen Arbeiten (n =670) ist der Heimarbeitsplatz
nicht von der Wohnung getrennt.
Für die Beschäftigten sind diese Unterschiede in der Arbeitsorganisation
äußerst relevant. Die Arbeits- und Digitalisierungserfahrungen unterscheiden
sich deutlich zwischen den sechs Varianten des pandemiebedingten Homeoffice.
Zugleich haben nicht alle Berufe die gleichen Zugangschancen zum humanzen-
trierten Homeoffice, das als einzige Variante in den hier untersuchten arbeitsor-
ganisatorischen Aspekten keine Defizite aufweist und damit langfristig höhere
Chancen für ein gesundheitsförderliches hybrides Arbeiten beinhalten dürfte.
Im Folgenden konzentrieren wir uns auf eine kontrastierende Darstellung der
beiden arbeitsorganisatorischen Extrempole, dem humanzentrierten Homeoffice
und dem kontrollzentrierten mobilen Arbeiten, in denen die Klassenunterschiede
in der Betroffenheit und beim Erleben der digital durchdrungenen Arbeitsform
besonders prononciert sind.
4.1 Humanzentriertes Homeoffice: Digitalisierung als
Autonomiegewinn
Das humanzentrierte Homeoffice wird von einem vollständig ausgestatteten und
ergonomisch gestalteten Heimarbeitsplatz, der ein ungestörtes Arbeiten in der
eigenen Wohnung ermöglicht, einer vertrauensbasierten Führung mit weitrei-
chenden Autonomiespielräumen sowie einer umfassenden Einbindung in die
betrieblichen Abläufe gekennzeichnet. In dieser Variante werden also Ergono-
mie und Autonomie kombiniert: Der Heimarbeitsplatz ist nicht nur ergonomisch
gestaltet, die Beschäftigten verfügen auch über erheblichen Einfluss auf die
eigene Arbeit und können aufgrund des hohen Digitalisierungsgrades eigene
Vereinbarkeits- und Flexibilitätsinteressen realisieren. Die positiven Aspekte in
der Arbeitsorganisation spiegeln sich auch in den Arbeits- und Digitalisierungs-
erfahrungen. Viele Beschäftigte erleben die Einführung oder Ausweitung des
humanzentrierten Homeoffice als Autonomiegewinn. Vor allem die Vereinbarkeit
von Arbeit und Leben verbessert sich in dieser Variante deutlich. Hinsichtlich der
soziostrukturellen Verteilung zeigen sich im humanzentrierten Homeoffice einige
Digitalisierung, soziale Klasse und Ungleichheit 169
Tab. 2 Arbeitsorganisatorische Varianten des pandemiebedingten Homeoffice (Clusterzentren)
Clusterzentren der
arbeitsorganisatorischen
Varianten des
pandemiebedingten
Homeoffice
Humanzentr.
Homeoffice
Vertrauensbas.
mob. Arbeiten
Heteronomes
mob. Arbeiten
Misstrauensbas.
Homeoffice
Entgrenzendes
mob. Arbeiten
Kontrollzentriertes
mob. Arbeiten
Heimarbeitsplatz
Vollständigkeit der
technischen Ausstattung
4,85 4,24 4,64 4,59 3,37 3,35
Ergonomische
Gestaltung
4,36 1,79 3,09 3,90 1,55 1,67
Trennung vom Rest der
Wohnung
4,72 4,19 4,41 4,55 2,17 3,57
Steuerung
Vertr a u e n d e r
Vorgesetzten
4,91 4,71 4,74 3,40 4,52 2,97
Kontrolle durch
Arbeitgeber [interpoliert]
4,76 4,63 4,55 3,11 4,56 2,95
Autonomie bei der Wahl
des Arbeitsortes
4,48 4,41 2,18 3,38 3,77 2,10
Schnittstelle
Einbindung in
betriebliche Abläufe
4,49 4,11 4,21 4,09 3,04 3,13
170 A. Fessler et al.
Auffälligkeiten. Zwar findet sich die humanzentrierte Variante grundsätzlich in
allen Berufen, trotzdem sind deutliche Schwerpunkte zu erkennen: Technische
Expert*innen sind am stärksten in dieser Variante vertreten, während soziokultu-
relle Professionen sowie Beschäftigte aus den unteren Klassen unterrepräsentiert
sind (siehe Tab. 3).
4.2 Kontrollzentriertes mobiles Arbeiten:
Belastungssteigernde Digitalisierung
Den arbeitsorganisatorischen Gegenpol zum humanzentrierten Homeoffice bildet
das kontrollzentrierte mobile Arbeiten. In allen drei Untersuchungsdimensionen
weist diese Variante die größten Defizite auf. Der Arbeitsplatz in der eigenen
Wohnung hat nicht nur ergonomische, sondern auch technische Ausstattungsde-
fizite. Oftmals fehlen periphere Hardwaregeräte oder für die jeweilige Tätigkeit
erforderliche Applikationen. Zugleich basiert die Steuerung der hybriden Arbeit
auf Kontrolle und die organisatorische Einbindung in die betrieblichen Abläufe ist
unvollständig. Diese Eckpunkte des kontrollzentrierten mobilen Arbeitens zeigen
sich auch in den Digitalisierungserfahrungen der Beschäftigten: Viele berichten
von Belastungssteigerungen und einer intensivierten Kontrolle. Dem kontroll-
zentrierten mobilen Arbeiten liegt ein vernutzender Umgang mit menschlicher
Arbeit zugrunde, der die Interessen der Unternehmen und Organisationen über
die Gesundheit und die Interessen der Beschäftigten stellt. Das kontrollzen-
trierte mobile Arbeiten ist ebenfalls in allen Bereichen der Arbeitswelt zu finden,
weist aber einige markante berufliche Schwerpunkte auf: Die nicht-akademischen
Berufe der unteren Klassen sind in dieser Variante häufiger vertreten, ebenso die
interpersonellen Dienstleistungsberufe (auffällig vor allem die Erziehungs- und
Unterrichtsberufe).
5 Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation
und Klasse
Die Ergebnisse der Clusteranalyse zeigen erstens, dass es im pandemiebedingten
Homeoffice deutliche Unterschiede in der Arbeitsorganisation gibt und dass diese
Differenzen zweitens erhebliche Auswirkungen auf die Digitalisierungserfahrun-
gen der Beschäftigten haben. Indirekt verweisen diese Ergebnisse damit auf die
Relevanz der Arbeitsgestaltung: Arbeitgeber, Vorgesetzte, die Beschäftigten selbst
und wie an der entgrenzenden Form des mobilen Arbeitens besonders deutlich
Digitalisierung, soziale Klasse und Ungleichheit 171
Tab. 3 Soziostrukturelle und organisationale Merkmale nach Varianten des pandemiebedingten Homeoffice (Angaben in Prozent)
Gesamt
(abhängig
Besch.im
Homeoffice)
Humanzentr.
Homeoffice
Vertrauensbas.
mob. Arbeiten
Heteronomes
mob. Arbeiten
Misstrauensbas.
Homeoffice
Entgrenzendes
mob. Arbeiten
Kontrollzentriertes
mob. Arbeiten
Gesamt (Fallzahlen) 4834 1324 1188 744 476 688 414
Geschlecht
Männer 39,3 47,8 36,4 37,0 40,9 36,1 30,9
Frauen 60,3 52,2 63,6 63,0 59,1 63,9 69,1
Migrationshintergrund
Ja 13,2 11,8 12,0 13,6 13,9 16,3 14,2
Nein 86,8 88,2 88,0 86,4 86,1 83,7 85,8
Betriebliche
Interessenvertretung
Vorhanden,
durchsetzungsstark
55,3 67,2 58,7 56,3 43,3 43,4 36,0
Vorhanden, schwach 20,5 13,0 17,3 22,3 22,8 28,7 35,7
Nicht vorhanden 13,1 12,5 12,7 13,3 11,7 15,9 10,9
Betriebsgröße
Unter 20 MA (klein) 5,5 5,0 5,4 4,2 4,3 8,5 4,4
20 bis 200 MA (mittel) 25,1 19,5 23,3 28,1 22,6 30,8 34,4
Über 200 MA (groß) 69,4 75,6 71,3 67,7 73,1 60,7 61,2
Erwerbsklasse
Soziokulturelle
Professionen
27,7 21,6 27,7 28,3 21,5 37,7 36,6
Dienstleistende 1,4 0,5 0,8 1,7 1,1 3,2 2,8
Technische Expert*innen 18,3 25,6 15,6 20,5 20,2 11,8 10,2
Produktionsarbeitende 1,3 0,8 1,0 0,9 2,5 2,3 1,6
Management 34,5 36,7 39,2 27,9 35,6 32,8 27,8
Bürokräfte 16,7 14,8 15,7 20,7 19,1 12,2 20,9
172 A. Fessler et al.
zu Tage tritt wird die Haushaltsmitglieder handeln letztlich die Organisation
des pandemiebedingten Homeoffice aus.
Zugleich deutet die soziostrukturelle Zusammensetzung der Cluster auf einen
Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klassenlage hin (siehe Tab. 3).
Nicht alle Berufe haben den gleichen Zugang zum humanzentrierten Homeof-
fice. Erstens sind generell vertikale Ungleichheiten zu sehen. Beschäftigte in
nicht-akademischen Berufen der unteren Erwerbsklassen arbeiten seltener im
humanzentrierten Homeoffice als die der oberen Klassen. Zweitens finden sich
die technischen Expert*innen deutlich häufiger in der humanzentrierten Variante
als alle anderen Klassen. Und drittens sind die Berufe der beiden interpersonellen
Klassen, die Dienstleistenden und die soziokulturellen Professionen, im kontroll-
zentrierten mobilen Arbeiten am anderen Ende des arbeitspolitischen Kontinuums
überrepräsentiert. Darüber hinaus zeigen sich auch entlang der Betriebsgröße und
vor allem der Mitbestimmung Unterschiede in der Zusammensetzung der Clus-
ter. In Betrieben mit durchsetzungsstarkem Betriebs- oder Personalrat tritt das
humanzentrierte Homeoffice wesentlich häufiger auf. Diesen Punkt werden wir
an späterer Stelle noch einmal aufgreifen.
Obwohl der Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Klasse an den
beiden Extrempolen der Typologie sehr deutlich ist, sagen die quantitativen
Daten nichts über die zugrunde liegenden Mechanismen aus. Warum arbeiten die
technischen Expert*innen öfter im humanzentrierten Homeoffice? Woran liegt
es, dass sich Berufe mit geringeren Qualifikationsanforderungen und/oder mit
interpersonellem Tätigkeitscharakter eher im kontrollzentrierten mobilen Arbei-
ten wiederfinden? Um den Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und
Klasse genauer auszuleuchten, wird in diesem Abschnitt ein explorativer Blick
in die qualitative Empirie von DigiCLASS geworfen. Anhand eines doppelten
Vergleichs von jeweils zwei Fällen des humanzentrierten Homeoffice und des
kontrollzentrierten mobilen Arbeitens einem typischen und einem eher überra-
schenden Fall werden drei Faktoren veranschaulicht, die sich in der Analyse
des qualitativen Materials bei dieser Frage als wesentlich erwiesen haben: der
Tätigkeitskern, der Digitalisierungsstand und die (kollektive) Arbeitsregulierung.
5.1 Zwei Fälle des humanzentrierten Homeoffice:
IT-Entwicklerin und Unterabteilungsleiterin
Unsere qualitativen Analysen legen den Schluss nahe, dass die Überrepräsenta-
tion von technischen Expert*innen im humanzentrierten Homeoffice zumindest
Digitalisierung, soziale Klasse und Ungleichheit 173
teilweise auf einen Pfad zurückgeht, bei dem sich eine in ihrem Kern kogni-
tive, technisch-problemlösende Arbeitstätigkeit (Tätigkeitskern), eine bereits vor
der Pandemie umfassende kommunikations- und informationstechnische Durch-
dringung der Arbeitsprozesse (Digitalisierungsstand) und eine die Interessen der
Arbeitnehmer*innen berücksichtigende betriebliche Regulierung der Arbeitsbe-
ziehungen (Arbeitsregulierung) wechselseitig verstärken. Als Beispiel dient uns
hier der Fall einer IT-Entwicklerin, die als Senior Product Engineer in einem
Software-Unternehmen tätig ist. Zusammen mit ihrem Team entwickelt sie eine
Software-Applikation zum Veröffentlichen und Bearbeiten von Webseiten. Schon
lange vor Pandemiebeginn war ihre Tätigkeit von digitalen Technologien durch-
drungen, sodass sie den Wechsel ins pandemiebedingte Homeoffice nicht als
Bruch erlebte. Ihre Arbeitsinhalte änderten sich dadurch faktisch nicht. Die
Content-Management-Software bildet nach wie vor das zentrale Arbeitsmittel.
Als hochqualifizierte Angestellte, die für ihre Arbeit vor allem kognitive, tech-
nische Kompetenzen anwenden muss, ist es für die Interviewte überspitzt
formuliert unwichtig, wo ihr Schreibtisch steht. Auch die im Rahmen der Team-
arbeit erforderlichen Absprachen mit Kundschaft, Vorgesetzten und Kolleg*innen
verändern sich durch die Verlagerung ihres Arbeitsortes nicht. Da die Teammit-
glieder schon lange an verschiedenen Standorten des Unternehmens tätig sind,
kann auf entwickelte Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und
auf etablierte Routinen digital vermittelter Kommunikation zurückgegriffen wer-
den. Unterstützend kommt hinzu, dass das Unternehmen, auch auf Initiative des
aktiven Betriebsrats, direkt nach dem Ausbruch der Pandemie mobiles Arbeiten
durch eine Betriebsvereinbarung regulierte. Dies stellt sicher, dass die Heimar-
beitsplätze nicht nur mit einem mobilen Endgerät, sondern auch mit Monitoren
und Bürostuhl technisch und ergonomisch voll ausgestattet sind. Entsprechend
erlebt die Beschäftigte die digitale Durchdringung ihrer Arbeit positiv als Effizi-
enzgewinn und Autonomieerweiterung bzw. in ihren eigenen Worten: „weniger
Transaktionskosten und mehr Selbstbestimmung“.
Das humanzentrierte Homeoffice ist aber nicht nur dort zu finden, wo
Tätigkeitskern, Digitalisierungsstand und Arbeitsregulierung gewissermaßen fast
automatisch zu dieser arbeitsorganisatorischen Variante führen. Der folgende
Fall macht deutlich, dass das humanzentrierte Homeoffice auch dort etabliert
werden kann, wo sich der Tätigkeitskern als sperrig gegenüber der digitalen
Durchdringung erweist und die Digitalisierung vor Pandemiebeginn weniger
weit fortgeschritten war. Die Unterabteilungsleiterin eines Automobilkonzerns
ist organisatorisch-problemlösend tätig, ihre Arbeit ist von einem großen kom-
munikativen Anteil (Tätigkeitskern) und einem vergleichsweise geringen Grad
174 A. Fessler et al.
der kommunikations- sowie informationstechnischen Durchdringung der Arbeits-
prozesse (Digitalisierungsstand) geprägt. Die Befragte leitet ein Team, das
verschiedene mobile Onlinedienste rund ums Auto betreut und sich an der
Schnittstelle zwischen App-Entwicklung, Call-Centern und Endkund*innen befin-
det. Auffällig an diesem Fall sind vor allem zwei Dinge. Zum einen führt der
Pandemiebeginn zu einem unregulierten Übergang ins Homeoffice, der in eine
massive zeitliche Entgrenzung und Verdichtung der Arbeit mündet. Da sowohl
Wegzeiten zur und während der Arbeit als auch feste Bürozeiten wegfallen, rei-
hen sich Meetings jetzt ohne Pause aneinander und werden zudem in sehr frühe
und späte Randzeiten gelegt. Zum anderen bereitet der Unterabteilungsleiterin die
vollständige Digitalisierung der eigenen Arbeit Probleme. Insbesondere die Kom-
munikation mit den Entwickler*innen und anderen Funktionsbereichen, die viel
„Fingerspitzengefühl“ und „Diplomatie“ erfordert, wird deutlich erschwert. Im
Unterschied zur IT-Entwicklerin lässt sich der Tätigkeitskern der Unterabteilungs-
leiterin somit nicht friktionslos digitalisieren. Den Wechsel ins Homeoffice erlebt
sie daher zunächst nicht als Erweiterung ihrer Autonomiespielräume, sondern
primär als Belastungssteigerung. Allerdings und deswegen ist dies am Ende
doch ein Beispiel für das humanzentrierte Homeoffice gelingt es der Befrag-
ten zusammen mit dem Betriebsrat und einigen anderen Führungskräften, die zu
Pandemiebeginn bestehenden Normierungslücken im Bereich des mobilen Arbei-
tens zu schließen. Im Unternehmen wird eine Betriebsvereinbarung beschlossen,
die Ruhe- und Pausenzeiten verbindlich festlegt und die ergonomische Ausstat-
tung der Heimarbeitsplätze vorschreibt. Diese Regularien sorgen dafür, dass sich
für die Unterabteilungsleiterin die Arbeitsorganisation verbessert hat und sie das
hybride Arbeiten inzwischen trotz der anhaltenden Probleme bei der digitalen
Kommunikation als Effizienz- und Autonomiegewinn erlebt.
5.2 Zwei Fälle des kontrollzentrierten mobilen
Arbeitens: Labelerin und Bibliothekarin
Der Faktor Arbeitsregulierung kann die Arbeitsorganisation im Homeoffice aller-
dings nicht nur positiv beeinflussen. Unsere Analysen legen nahe, dass die
Regulierung auch dazu beiträgt, dass sich die nicht-akademischen Berufe der
unteren Klassen häufiger in der kontrollzentrierten Variante des mobilen Arbei-
tens wiederfinden und zwar selbst dann, wenn sich die Arbeit aufgrund ihres
Tätigkeitskerns problemlos ins Homeoffice verlagern lässt und die Arbeitspro-
zesse seit längerer Zeit hochgradig digital durchdrungen sind. Ein Beispiel hierfür
ist eine „Labelerin“, die als formal Selbstständige für die Video-Plattform eines
Digitalisierung, soziale Klasse und Ungleichheit 175
internationalen Technologieunternehmens arbeitet. Mithilfe einer speziellen Soft-
ware erstellt sie Untertitel für kurze Online-Video-Clips, um den selbstlernenden
Algorithmus der Plattform für die automatische Erstellung von deutschsprachi-
gen Untertiteln zu trainieren. Nach Pandemiebeginn änderte sich für die Befragte
in ihrer Tätigkeit faktisch nichts. Zentrales Arbeitsmittel ist weiterhin eine vom
Mutterkonzern entwickelte Software, mit der die Videos automatisiert auf ihren
Laptop gespielt werden und mit der sie die Untertitel erstellt. Der Informa-
tionsaustausch und die sehr spärliche Kommunikation mit den Vorgesetzten
erfolgt längst über digitale Systeme. Ähnlich der IT-Entwicklerin sperrt sich
der Tätigkeitskern der Labelerin nicht gegen die digitale Durchdringung und ihr
Arbeitsplatz ist schon vor Pandemiebeginn umfassend digitalisiert. Trotz dieser
Bedingungen landet die Befragte im kontrollzentrierten mobilen Arbeiten. Ver-
antwortlich hierfür ist die Arbeitsregulierung, die einseitig den Interessen des
Unternehmens dient. Als Gig-Arbeiterin verfügt sie weder über individuelle noch
kollektive Machtressourcen, um ihre Interessen in die Arbeitsgestaltung einzu-
bringen. Besonders negativ erlebt sie die für sie intransparente algorithmische
Leistungskontrolle und das Fehlen von Ansprechpartner*innen bei Problemen.
Die Software des Konzerns ist nämlich nicht nur ein Arbeitsmittel zur Produktion
der Untertitel, sondern auch ein Tracking-System, das über die Mausbewegungen
und Arbeitsergebnisse die Arbeitsleistung kontrolliert und über einen undurch-
sichtigen Quotienten die Entlohnung bestimmt: „Mit einem Algorithmus kannst
du nicht verhandeln.“ Diese Verbindung aus intransparenter technischer Kontrolle
und fehlenden Artikulationsmöglichkeiten erlebt sie als extrem stresserzeugend
und entfremdend.
Das kontrollzentrierte mobile Arbeiten ist jedoch nicht nur ein Phänomen der
unteren Klassen. Auch die akademischen Berufe der soziokulturellen Professio-
nen sind in dieser Variante überrepräsentiert. Das Beispiel einer diplomierten
Bibliothekarin zeigt, wie ein Tätigkeitskern, der sich gegen eine vollständige
Virtualisierung und kommunikationstechnische Durchdringung sperrt, ein gerin-
ger Digitalisierungsstand der Einrichtung und eine auf Kontrolle und Hierarchie
setzende Leitung zusammen bewirken, dass die privilegierte Position des aka-
demischen Berufs in keine positive Organisation des Homeoffice mündet. Wie
bei den technischen Expert*innen verstärken sich hier Tätigkeitskern, Digitali-
sierungsstand und Arbeitsregulierung gegenseitig, in diesem Fall allerdings zum
Nachteil der Befragten. Die Bibliothekarin erlebt die Gestaltung des pande-
miebedingten Homeoffice als ungerecht, kontrollierend und einschränkend. Im
Unterschied zu den anderen Fällen arbeitete sie auch zu Hochzeiten der Pande-
mie nur zwei Tage wöchentlich im Homeoffice. Sie betont, dass in ihrer Arbeit
176 A. Fessler et al.
die Präsenz vor Ort nicht gänzlich ersetzt werden kann: Bücher bekleben, stem-
peln, im Magazin einstellen, „gucken, muss ich es reparieren lassen?“, „das kann
man halt nicht so einfach von zu Hause aus bearbeiten“. Zudem blockieren die
kontrollzentrierte Führung durch die Leitung der Organisation und die ausge-
prägte Misstrauenskultur den Wechsel ins Homeoffice. „Eine versteckte Sorge
im Archiv ist, dass die Leute, die zu Hause sind, ja nicht arbeiten. Die sit-
zen nur rum und machen nichts. Also da muss man ganz genau aufschreiben,
was man gemacht hat.“ Das Misstrauen des Arbeitgebers steht somit nicht nur
hinter dem restriktiven Zugang zum Homeoffice, sondern führt auch zu einer
strikten Kontrolle der Arbeit im Homeoffice. Hinzu kommt schließlich der eher
geringe Digitalisierungsstand in der Einrichtung. Am Arbeitsplatz der Bibliothe-
karin existieren keine digitalen Formate für einen niedrigschwelligen informellen
Austausch. Hierzu fehlt neben dem Willen der Führungsebene auch das
technische und organisatorische Erfahrungswissen.
6Fazit
Dieser Beitrag beschäftigt sich im Kontext einer ungleichheitssensiblen Digitali-
sierungsforschung mit dem digital durchdrungenen pandemiebedingten Homeof-
fice. Trotz des relativ engen funktionalen Kerns des pandemiebedingten Arbeitens
von zu Hause wurden deutliche Ungleichheiten in den Arbeits- und Digi-
talisierungserfahrungen sichtbar. Während der Einsatz von Informations- und
Kommunikationstechnik für die einen die Arbeitsqualität verbessert, allen voran
hinsichtlich Autonomie und Vereinbarkeit von Arbeit und Leben, bedeutet die
digitale Durchdringung für andere eine zunehmende Kontrolle, Entgrenzung
oder Intensivierung von Arbeit. Die Analysen von DigiCLASS zeigen, dass die
Arbeitsorganisation eine besondere Rolle für das Entstehen dieser Ungleichheiten
spielt. Mithilfe einer Clusteranalyse identifizierten wir sechs arbeitsorganisatori-
sche Varianten des pandemiebedingten Homeoffice, die sich in der Ausstattung
des Heimarbeitsplatzes, der Steuerung der hybriden Arbeit und der Einbindung in
den Betrieb erheblich voneinander unterscheiden. Im Beitrag wurden die beiden
Extrempole der Clusteranalyse näher beleuchtet: das humanzentrierte Homeof-
fice und das kontrollzentrierte mobile Arbeiten. Für die Beschäftigten sind die
Differenzen in der Arbeitsorganisation äußerst relevant. Während die digitale
Durchdringung im humanzentrierten Homeoffice in der Regel als Vereinbarkeits-
und Autonomiegewinn erlebt wird, berichten die Beschäftigten im kontrollzen-
trierten mobilen Arbeiten von Belastungssteigerungen, Autonomieverlusten und
verstärkter Kontrolle.
Digitalisierung, soziale Klasse und Ungleichheit 177
Diese Differenzen gelten relativ unabhängig von der beruflichen Position.
Das humanzentrierte Homeoffice wird in allen Klassen überaus positiv wahr-
genommen, die Erfahrung von Autonomie- und Vereinbarkeitsgewinnen ist weit
verbreitet. Trotzdem gibt es einen Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation
und Klasse: Offensichtlich haben nicht alle Berufe die gleichen Chancen, sich
in der humanzentrierten Variante des pandemiebedingten Homeoffice wiederzu-
finden, die mit einem ausgesprochen positiven Erleben der informations- und
kommunikationstechnischen Durchdringung der eigenen Arbeit einhergeht. Der
doppelte Vergleich der qualitativen Fälle verweist auf die zugrunde liegenden
Mechanismen. Nach unserer explorativen Analyse spielen hier drei Faktoren eine
wichtige Rolle: der Tätigkeitskern, der Digitalisierungsstand und die (kollektive)
Arbeitsregulierung. Von den technischen Expert*innen arbeitet ein vergleichs-
weise großer Teil im humanzentrierten Homeoffice, weil sich die drei Faktoren
wechselseitig positiv verstärken. Der technisch-problemlösende Tätigkeitskern ist
kompatibel mit der digitalen Durchdringung, ihre Arbeit war auch schon vor der
Pandemie hochgradig digitalisiert und sie arbeiten das zeigt sich auch in der
soziostrukturellen Zusammensetzung der Cluster häufig in Betrieben, in denen
durchsetzungsstarke Interessenvertretungen das Arbeiten von zu Hause arbeitneh-
mer*innenorientiert regulieren. Unter den soziokulturellen Professionen finden
wir hingegen eine entgegengesetzte Konstellation: Der kommunikative Tätigkeits-
kern sperrt sich gegen eine einfache digitale Durchdringung, in vielen Feldern
war die Digitalisierung vor der Pandemie wenig fortgeschritten und die kollek-
tiven Interessenvertretungen sind durchsetzungsschwach. Dass der Tätigkeitskern
mit der horizontalen Dimension des von DigiCLASS verwendeten Klassensche-
mas korrespondiert, liegt auf der Hand. Zugleich zeigt sich gerade bei der
Arbeitsregulierung auch eine vertikale Komponente: Selbst bei digitalisierungsaf-
finem Tätigkeitskern sind die Chancen von nicht-akademischen Berufen auf eine
positive Arbeitsorganisation deutlich geringer.
Was folgt aus all dem? Letztlich lassen sich die Ergebnisse auch als
Beleg für die große Bedeutung der Arbeitsgestaltung für die Auswirkungen der
informations- und kommunikationstechnischen Durchdringung im Zuge des pan-
demiebedingten Homeoffice lesen. Entscheidend für die Ungleichheiten in den
Digitalisierungs- und Arbeitserfahrungen sind die Unterschiede in der Arbeitsor-
ganisation. Die Ausstattung des Heimarbeitsplatzes, die konkrete Steuerung der
hybriden Arbeit und die Einbindung des Homeoffice in die betrieblichen Abläufe
sind nicht in die digitalen Systeme eingeschrieben. Diese Faktoren sind vielmehr
das Ergebnis konkreter Entscheidungen des Managements, der Vorgesetzten,
der Beschäftigten selbst und in gewisser Weise auch der Haushaltsmitglieder.
Zugleich sollte der Verweis auf die Arbeitsgestaltung als zentrale Stellschraube
178 A. Fessler et al.
nicht voluntaristisch missverstanden werden. Der vertiefende Blick in die quali-
tativen Fälle hat nämlich gezeigt, dass die Arbeitsgestaltung nicht im luftleeren
Raum stattfindet, sondern von dem Kern der Tätigkeit, dem Stand der Digi-
talisierung und der (über)-betrieblichen Arbeitsregulierung abhängt. Besondere
Herausforderungen zeigen sich bei Tätigkeiten mit kommunikativen oder inter-
aktiven Aufgaben, bei Arbeitsplätzen, die zu Pandemiebeginn kaum digitalisiert
waren, und in Bereichen, in denen die Interessen der Arbeitenden weder kollektiv
noch individuell Eingang in die Regulierung von Arbeit finden und die Interes-
senvertretungen nicht durchsetzungsstark sind. Zu den konkreten Bedingungen
der Arbeitsgestaltung, zu den Promotoren und den Hürden einer arbeitneh-
mer*innenorientierten Gestaltung digitaler Arbeit, ist jedoch weitere Forschung
notwendig. Ziel des Beitrags war es, auf die besondere Rolle der Arbeitsorga-
nisation für die Ungleichheiten im pandemiebedingten Homeoffice hinzuweisen
und für die Spielräume der Arbeitsgestaltung in der digitalen Transformation zu
sensibilisieren.
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Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 Inter-
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jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Employers’ Muted Interest
in Electronic Performance Monitoring
(EPM)
Luisa Wieser, Martin Abraham, Claus Schnabel,
Cornelia Niessen, and Mauren Wolff
1 Introduction
Against the backdrop of the increasing availability and accessibility of data in
firms and organisations (Christl 2021; Eurofound 2020), we investigate super-
visors’ interest in using electronic performance monitoring (EPM) systems to
monitor their employees at work. While previous research has predominately
focused on employees’ reactions to EPM (e.g., Allen et al. 2007; Chen and Ross
2005; Gangwar et al. 2014; Mitrou and Karyda 2006; Ravid et al. 2020; Stanton
2000a,b), this study looks at the employer’s calculations of costs and benefits
before implementing surveillance technologies. Emanating from principal-agent
theory, employers (principals) seek information about employees’ work efforts
(Eisenhardt 1989; Mitrou and Karyda 2006; McNally 2008; Mahaney and Lederer
2011). However, observing employee work performance reliably and effectively
comprises a recurring challenge for managers (Bhave 2014). Thus, EPM systems
L. Wieser (B)·M. Abraham ·C. Schnabel ·C. Niessen ·M. Wolff
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland
e-mail: luisa.wieser@fau.de
M. Abraham
e-mail: martin.abraham@fau.de
C. Schnabel
e-mail: claus.schnabel@fau.de
C. Niessen
e-mail: cornelia.niessen@fau.de
M. Wolff
e-mail: mauren.wolff@fau.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_8
181
182 L. Wieser et al.
provide the opportunity to reduce this information asymmetry (Allen et al. 2007;
Bernstein 2017) by capturing employee performance electronically. So far, super-
visors’ interest in using such monitoring systems has been taken for granted,
although disadvantages and financial costs arise for management such as trust
issues, implementation costs, or costs for IT personnel (Christl 2021). Employers
are therefore likely to weigh the costs and benefits of EPM before deciding on
implementing and/or using surveillance technologies. Thus, we examine supervi-
sors’ actual interest in using EPM on their employees and ask when and which
new EPM technologies they would consider. By doing so, this study not only
looks at the technological aspect of workplace digitalisation regarding surveil-
lance and control, it also extends this technological phenomenon by investigating
social dynamics and processes related to monitoring technologies that shape
workplace digitalisation developments (Henke et al. 2018). By focusing on a
micro (and meso) level approach (Henke et al. 2018), we investigate the permea-
tion of digital surveillance technologies by focusing on the employers’ interest,
which is a prerequisite for the implementation and diffusion of technology at the
workplace.
We start by summarising current research findings relevant to our research
question (Sect. 2). Relying on agency theory, we then derive our hypotheses
(Sect. 3). Further, we present our methodological approach (Sect. 4)usinga
factorial survey experiment to examine employees with personnel responsibilities
(supervisors) in terms of their interest in different EPM systems. Following this,
we analyse the results from our empirical analysis (Sect. 5) and conclude by
discussing our findings and further implications (Sect. 6).
2 Literature Review
So far, research on EPM has mainly focused on the employees’ reactions to
EPM, e.g., privacy concerns, fairness strain, or performance (Allen et al. 2007;
Chen and Ross 2005; Gangwar et al. 2014; Mitrou and Karyda 2006; Ravid et al.
2020). However, little research has explored employers’ attitudes towards EPM.
To understand employers’ intentions when monitoring employees, it is crucial to
identify the benefits and costs of monitoring practices. While most studies on this
issue have been theoretical (e.g., Hodson et al. 1999;Dorval2004;Ball2010;
Hugl 2013; Mitrou and Karyda 2006), some empirical studies have investiga-
ted employers’ perspectives on EPM. For example, Mahaney and Lederer (2011)
surveyed project managers who forwarded the survey to their employees. They
found that monitoring practices reduced withholding information and increased
Employers’ Muted Interest in Electronic 183
project success. Stanton and Stam (2003) expanded the dual monitoring relati-
onship between managers and employees by taking into account IT professionals
who coordinate monitoring systems. They showed that managers support the use
of electronic monitoring technologies to execute the firm’s interests but were also
aware of the intrusiveness of employee data collection. Interviewing 89 managers
and 58 non-managers regarding perceptions of employee monitoring, Allen et al.
(2007) reported that socialisation processes help employers manage tensions bet-
ween their intention to monitor and employees’ concerns about privacy. Kaupins
and Coco (2017) found that HR managers distinguished four types of monitoring
related to the “Internet of Things” (IoT)—computer-related monitoring, location
tracking, physical aspects of employees, and time spent on non-work activities.
Further, familiarity with the technology increased ethics ratings (Kaupins and
Coco 2017). Using a cross-national multilevel analysis of 20,000 firms in the EU
(ECS data), Bechter et al. (2022) found that “the use of HR analytics to moni-
tor employee performance can be explained by firms’ structural and managerial
capability, as well as by their motivation and by the opportunity to be able to
make use of it” (Bechter et al. 2022). Finally, we find inconsistent results for the
effect of monitoring on performance, with more evidence for zero effects (e.g.,
Ravid et al. 2020) than positive correlations (e.g., Bhave 2014). These studies
suggest that employers can benefit from monitoring practices but also highlight
the complexity of balancing the benefits of monitoring with employees’ privacy
concerns.
3 An Agency Perspective on Employer’s Interest
in EPM
We draw on agency theory (e.g., Eisenhardt 1989; Shapiro 2005) to answer our
research question on when and how employers monitor their employees. Moni-
toring employees can help to reduce employers’ information deficit about their
work performance (Eisenhardt 1989; Jensen and Meckling 1976). The employer-
employee relationship can be defined as “a contract under which one or more
persons (the principal(s)) engage another person (the agent) to perform some ser-
vice on their behalf” (Jensen and Meckling 1976). It entails the inherent agency
problem of the employer’s uncertainty about the employee’s task performance
(Eisenhardt 1989; Jensen and Meckling 1976). To address this problem, employ-
ers can establish outcome-based incentives or monitor employees (Eisenhardt
1989). Thus, the cost of monitoring behaviour is weighed against the cost of
monitoring outcomes (Eisenhardt 1989).
184 L. Wieser et al.
Consequently, we investigate the cost-benefit calculation of employers to
answer our research question. First, we argue that the benefits of monitoring
employees will be greater if their work can be evaluated more easily (Jensen
and Meckling 1976). Thus, we expect that especially prescribed tasks will allow
for reliable (digital) monitoring. Employees who work highly autonomously are
expected to be less likely to work prescribed tasks and draw performance incen-
tives from work autonomy rather than control (Eisenhardt 1989; Khoshnaw and
Alavi 2020). Consequently, we hypothesise that employers are less likely to be inte-
rested in using digital monitoring systems if their employees work autonomously
(H1). Additionally, we argue that monitoring data on work behaviour is more
valuable to the employer if it captures task-related data rather than person-related
data. Thus, we argue that employers are less likely to be interested in using digi-
tal monitoring systems if the monitoring technology captures person-related data
rather than task performance-related data (H2).
Following the utility maximation argument, employers will weigh costs against
the benefits of monitoring, such as information gains (Eisenhardt 1989;Jensen
and Meckling 1976; Shapiro 2005). Therefore, monitoring efforts such as con-
ducting and evaluating surveillance data are expected to influence supervisors’
interest in digital monitoring systems. We postulate that the time effort of monito-
ring represents a strong concern of supervisors regarding monitoring technologies.
Thus, we hypothesise that employers are less likely to be interested in using digital
monitoring systems with an increasing time effort associated with the monitoring
system (H3).
Referring to the benefit aspect, we argue that employers aim to protect the
firm’s assets and avoid a waste of resources (Shapiro 2005; Mahaney and Lede-
rer 2011). Thus, shirking by employees who work more frequently with sensitive
(firm) data should increase the risk for the company. Consequently, monitoring
employees would not only reduce the risk of misuse of sensitive data due to
employees’ anticipation of detection but also increase employers’ benefits of
monitoring. Therefore, we argue that employers are more likely to be interested in
using digital monitoring systems if employees are working with sensitive data (H4).
Employers’ Muted Interest in Electronic 185
4 Method and Data
4.1 Factorial Survey Design
To examine supervisors’ attitudes about using a specific monitoring technology
on their subordinates, we employ a factorial survey experiment that comprises
descriptions of job situations with randomly varying dimensions (independent
variables). Subsequently, we present a 7-point Likert rating scale to measure
supervisors’ interest in using a given digital monitoring technology (dependent
variable). Specifically, we asked respondents—all with personnel responsibilities
in their current employment relationship—to rate their monitoring interest in the
given situation (see Fig. 1).
Factorial survey experiments aim to capture respondents’ reactions to hypothe-
tical situations, referred to as “vignettes”. By randomly varying the dimensions
In the following, we will describe several workplace situaons. Please imagine for the evaluaon of
each situaon the following circumstances:
Assume that you just changed your employer and are now responsible for a team of employees. The
team’s work tasks are mainly consistent with the working field of your former team. Assume that your
new employer is comparable to your current employer in terms of industry and firm size. Your new
employer provides each supervisor with the possibility to track their subordinates’ work performance
using an exisng monitoring technology.
Situaon 1/6
Your new employer assigns you to a team of four employees. Your subordinates work highly
autonomously on their tasks. They rarely have access to highly sensive firm data / customer data.
Your employer provides an employee monitoring system that enables you to control your
subordinates’ by using a soware program to track central computer acvies. The interpretaon of
the collected data is executed by a system of arficial intelligence (AI). The evaluaon or analysis of
employees’ work performance comes with a low (me) effort for you as their supervisor. Assume that
your new employer has no works council.
Please rate how interested you would be in using the described technology to track your
subordinates’ work performance in the given situaon.
Fig. 1 Example vignette from the survey experiment
186 L. Wieser et al.
of the vignettes, we can estimate the causal effect of each variable on the respon-
dent’s evaluation (for an overview, see Auspurg and Hinz 2015). Thus, this
design enables isolated estimations of individual factors that are often confoun-
ded in reality. Further, randomly assigning each respondent to several hypothetical
situations—the vignettes—allows us to use interpersonal as well as intrapersonal
variation to investigate the effect of each independent variable and its relative
importance.
Our vignette setting was framed as a situation of new employment with an
employer that offers the respondent the opportunity to decide about using a moni-
toring technology to keep track of their new team’s work performance. To rule
out possible confounding factors and increase the empirical realism, we noted
that the new employment would resemble their current employer in terms of firm
size, industry, and field of responsibility. In sum, seven dimensions (independent
variables, see Table 1) with either two or three different specifications (vignette
levels, underlined phrases in Fig. 1) varied systematically and created 432 pos-
sible situations (2*2*3*3*2*2*3 =432). Each respondent was assigned to rate
six situations in terms of a) their personal interest in using the monitoring sys-
tem in this situation (first dependent variable) and b) how they would rate the
monitoring interest of a “typical leader” within their industry (second dependent
variable). For each of the dependent variables, they were given a 7-point rating
scale (1, “not interested at all” to 7, “very interested”). However, in this paper,
we exclusively focus on the first dependent variable of respondents’ evaluation of
their personal monitoring interest. We used the full universe (72 decks) by ran-
domly assigning six vignettes to each respondent. Hence, each deck and vignette
were rated by approximately seven participants. Our online survey also included
several questions about the respondent’s job situation (e.g., experience with digi-
tal monitoring systems, questions about their role as a supervisor, questions about
their current employer and subordinates, and sociodemographic characteristics).
4.2 Measures
As described, we asked respondents to rate each vignette situation by asking to
which extent they were interested in using the described technology to track their
subordinates in the given situation. Each situation had to be rated along a scale
ranging from 1 (“not interested at all”) to 7 (“very interested”). Moreover, we
employed the following independent variables:
Team Size. Following the argumentation of agency theory, the probability and
costs of opportunistic behaviour of employees will increase if the number of
Employers’ Muted Interest in Electronic 187
Tab le 1 Experimentally varied dimensions in the vignette study
Dimension Level #
Team size 4
25
2
Subordinates’ autonomy High
Low
2
Working with sensitive data Never
Sometimes
Frequently
3
Monitoring system Screen tracking (computer activities)
(Tele-)communication tracking (calls, e-mails, zoom
etc.)
Video tracking (webcams, video cameras)
3
Source of data interpretation Artificial intelligence (AI)
Supervisor
2
Time effort Low
High
2
Works council No work council
Works council with usage agreement
Works council without usage agreement
3
employees increases. This stems from the presumption that more employees are
more difficult to monitor at the same time—which is, in turn, something the
employees are also aware of. Thus, the probability of disclosing opportunistic
behaviour decreases for bigger teams. Furthermore, a higher count of employees
statistically increases the probability of counterproductive employee behaviour.
At the same time, monitoring technologies provide an easy way to track even
numerous employees at once (Monokha 2020). Therefore, team size was mani-
pulated in our vignettes to see whether more subordinates (25 subordinates) will
increase the supervisors’ wish to use monitoring technologies compared to a
small team of four subordinates. We argue that small teams can be monitored
easily without technology and are usually characterised by more familiarity where
control mechanisms like social control (e.g., exchange relationship) apply instead.
Autonomy. As already mentioned previously, reliable performance measu-
res increase the attractiveness for employers to monitor employees (Jensen and
Meckling 1976). Since highly autonomous tasks are less prescribed, programming
digital monitoring systems to capture them accurately is more difficult. Thus,
autonomously working employees can be evaluated less reliably by monitoring
188 L. Wieser et al.
technologies. Consequently, employees’ task performance in our vignettes was
stated as either highly or hardly autonomously.
Sensitive Data. The literature refers to a major reason for monitoring
employees as the firms’ desire to protect their resources—especially regarding
legal matters (e.g., Hodson et al. 1999;Dorval2004;Ball2010; Hugl 2013;
Mitrou and Karyda 2006). Thus, in our vignette situations, we manipulated how
often subordinates interact with sensitive firm data (“never” vs. “hardly” vs.
“frequently”).
Monitoring System. Central to our research question is the way employee
monitoring is executed. Thus, we introduced three different digital monitoring
options to determine which technology is perceived to be more or less appro-
priate for tracking employees. As a reference, we used communication tracking
including recordings of phone calls, e-mails, and interactions on communication
software programs like Zoom or MS Teams. The second option was a screen
tracking software that retraces all computer activities, such as clicks and inter-
actions on the internet. The third option—and most intrusive monitoring—was
video surveillance via webcam or surveillance cameras. We hypothesise that
video surveillance targets people whereas communication tracking and screen
tracking are task-oriented monitoring systems. Thus, video surveillance should a)
provide less informative data on the performance but more informative data on
the employee and b) be perceived as less acceptable on the part of employees
(Grant and Higgins 1991).
Source of Data Interpretation. In terms of trust in technology and technology
affinity, in our vignette situations, we varied how the data has to be interpreted.
Thus, the data on employee performance provided by the monitoring technology
was either processed and interpreted by a system of artificial intelligence (AI) or
had to be interpreted by the supervisors themselves.
Time Effort. We further incorporated a measure for the respondent’s direct
disadvantage regarding the monitoring system. Thus, the analysis of the moni-
toring data was accompanied by either low or high (time) effort for the
supervisor.
Works Council. For German managers, an important part of the decision frame-
work is the works council—a participative committee that may be elected by the
workforce. In Germany, works councils have far-reaching legal rights of infor-
mation and co-determination. Hence, a works council’s decision about the use of
a monitoring technology should indicate the anticipated likeliness of adaption or
resistance of employees regarding the monitoring system. Therefore, we create
either a positive employee position (“works council with a usage agreement”) or
Employers’ Muted Interest in Electronic 189
an uncertain/negative employee position (“works council with no usage agree-
ment”) towards the monitoring system. Further, we include a setting without any
works council that leaves the respondents with their own (unbiased) anticipations
regarding employee reactions.
To account for further factors, we included additional variables from our
survey that were not part of the vignette experiment. Thus, we controlled for
respondents’ age (“younger than 35 years”, “35–45 years”, “46–55 years”, “older
than 55 years”), gender (“male” vs. “female”), management level (higher manage-
ment: “yes” vs. “no”), experience with employee monitoring (“yes” vs. “no”),
current number of subordinates (metric), gender composition of the current team
(“more men”, “equal”, “more women”), and the sector of their current employer
(“public sector”, “private sector, manufacturing”, “private sector, services”).
4.3 Sample and Data Analysis
4.3.1 Sample and Data Collection
Participants and Procedure. Participants were recruited in cooperation with the
convenience panel provider TalkOnline (www.talk-group.com). TalkOnline inclu-
des about 100,000 panellists in Germany. Individuals are actively recruited by
the panel provider, including regularly updated information regarding more than
400 attributes. Therefore, the convenience panel provides the opportunity to pre-
select respondents to match the corresponding target group. TalkOnline uses an
incentive scheme for their panellists that assigns bonus points after the consci-
entious completion of a survey, which can be exchanged for money or vouchers
afterwards.
We make use of the preselection by restricting our sample to currently
employed people between 18–64 years of age with personnel responsibility for
at least three subordinates. Note that in the following, we refrain from distinguis-
hing between employers and employees for reasons of clarity and simplification.
Hence, we will proceed by referring to individuals with personnel responsibilities
as “supervisors”. Further, to increase empirical realism, our sample was limited
to respondents with subordinates working typically at least 30% of their working
time on a computer. For the same reason, we also excluded some sectors with
little plausibility of typical computer jobs (construction, agriculture/forestry, and
logistics). Our survey was conducted in October and November 2021.
Sample. Our final sample resulted in 494 completed surveys. On average,
our respondents were 45 years old (SD =10.21, median =44 years), with
37.73% female supervisors (n =186) and 30.35% being top managers (highest
190 L. Wieser et al.
management level). About half of our respondents (48.45%) were responsible
for ten employees at most, while 11.80 % reported being responsible for at
least 50 employees. On average, respondents’ subordinates spend about 75% (SD
=17.73, median =80%) of their working time on a computer. About 80%
(79.15%) of our respondents already used some sort of monitoring, but only
47.06% had experienced workplace monitoring themselves. Further, 72.62% of
our respondents reported having a works council at their firm (Table 2).
4.3.2 Data Analysis
Since our vignette data is hierarchically nested (six vignettes for each respon-
dent), we estimated a linear regression model with cluster-robust standard errors
as well as a multilevel regression (Auspurg and Hinz 2015). Since the dependent
variable was assessed along a 7-point Likert scale, we assume linearity and esti-
mate an OLS (ordinary least squares) model and a multilevel model. Comparing
the results, both models (with and without control variables) yield comparable
estimates regarding effect sizes and significance. Relying on Auspurg and Hinz’
(2015) methodological assessment that multilevel estimations allow for more fle-
xibility and “explicitly focus on the multilevel structure of error terms” (p. 90)
within vignette data we proceed with the multilevel estimation. Additionally,
measures of model fit (AIC and BIC) suggest favouring the multilevel model
as well.
5 Results
Interest ratings for our vignette situations (Fig. 2) show that the total range of
the scale from 1 (“not interested at all”) to 7 (“very interested”) is covered for
our dependent variable. Even though there is an accumulation of vignette ratings
on the first interest scale point—24.44% of all vignettes were rated to indicate
no interest in monitoring at all (scale point 1)—there is also some indication for
situational monitoring interest. All the other scale points were chosen with rela-
tively equal frequency. A cross-table analysis shows that 43.50% (equalling 328
vignettes) of all “not interested at all” ratings were allotted to the “video moni-
toring” technology, therefore, this peak might be driven by an aversion against
video surveillance.
In sum, our data contains 2964 vignette ratings—equalling our observations
on the vignette level. The mean rating of the respondent’s interest in (digital)
monitoring bears 3.54 scale points (SD =2.11).
Employers’ Muted Interest in Electronic 191
Tab le 2 Sample description
NMean/ Proportion Var Min Max
Variables on respondent level
Age 493 44.84 104.32 22 65
Age (categorial) 493
<35 years old 80 16.23
35–45 years old 183 37.12
46–55 years old 139 28.19
>55 years old 91 18.46
Sex (1 =male) 493 0.62 0.24 0 1
Management level (1 =top management) 491 0.30 0.21 0 1
Subordinated employees 488 29.13 3505.69 3500
Team size 483
<10 234 47.37
10–20 122 24.70
21–50 70 14.17
51–100 37 7.49
101–300 20 4.05
Team’s gender composition 494
More men 166 33.60
Equal share of men and women 229 46.36
More women 99 20.04
Computer-based working time (in %) 494 75.35 314.41 33 100
Experience with employee monitoring (1 =yes) 494 0.79 0.17 0 1
Experience with being monitored (1 =yes) 429 0.54 0.25 0 1
Firm size (current employer) 461 1547.20 0.00 470000
Firm size (categorial) 461
<50 75 15.18
50–100 54 10.93
101–500 185 37.45
501–1000 63 12.75
>1000 84 17.00
Firm with a works council (1 =yes) 493 0.73 0.20 0 1
Sector (of current employer) 494
Public sector 130 26.32
Private sector, manufacturing 141 28.54
Private sector, service 223 45.14
Variables on the vignette level
DV: monitoring interest 2964 3.54 4.46 1 7
192 L. Wieser et al.
754
452 333 328 406 341 350
0
5
10
15
20
25
30
no. of vignees (in %)
Fig. 2 Distribution of respondents’ interest in digital monitoring, vignette level
To test our hypotheses regarding supervisors’ interest in digitally monitoring
their subordinates, we conducted multilevel regression models.
Regarding our first hypothesis stating that employers are less likely to be inte-
rested in digital monitoring systems if their employees work autonomously (H1),
we find no support in our data. Situations with employees who work highly auto-
nomously were not evaluated significantly differently in terms of respondents’
monitoring interest and also show only a very small effect size of 0.05 (Table 3).
Thus, we reject the hypothesis that autonomy influences monitoring interest in
our experiment.
Our next hypothesis states that employers are less likely to be interested
in digital monitoring systems if the monitoring technology captures person-
related data rather than task performance-related data (H2). Our vignette
dimension regarding monitoring technology consists of three systems—commu-
nication tracking, screen tracking, and video tracking. Video tracking serves as
person-focused monitoring, whereas communication tracking and screen tracking
represent task-focused monitoring. Consequently, the first two monitoring sys-
tems are suited to monitor tasks that require digital correspondence (e.g., e-mails)
and computer activities that are common for computer-based office jobs. Howe-
ver, video surveillance is suited to capture behaviour and people regardless of
the job tasks. To test further distinctions for task-related monitoring, we hypo-
thesise that screen tracking represents even more information in terms of task
performance, while communication tracking includes partially a social or perso-
nal component. Thus, we use communication tracking as a reference and find a
Employers’ Muted Interest in Electronic 193
Tab le 3 Multilevel Regression (including control variables, not shown in table)
Supervisor’s
interest in
employee
monitoring
Coefficient SE zP>z [95 % conf. Interval]
employee autonomy (ref: low)
high 0.051 0.055 0.93 0.355 0.057 0.159
control system (ref: communication tracking)
screen tracking 0.035 0.070 0.50 0.617 0.102 0.172
video tracking 0.553 0.069 8.00 0.000 0.689 0.418
time effort for supervisor (ref: low)
High 0.195 0.057 3.41 0.001 0.307 0.083
Working with sensitive data (ref: no)
Rarely 0.128 0.069 1.87 0.062 0.006 0.263
Often 0.554 0.072 7.70 0.000 0.413 0.695
Works council (ref: yes, no usage contract)
no works council 0.345 0.072 4.82 0.000 0.485 0.205
works council &
usage contract
0.318 0.070 4.56 0.000 0.455 0.181
data interpretation (ref: by the supervisor)
by software (AI) 0.126 0.057 2.20 0.028 0.014 0.237
team size (ref: 4 employees)
25 employees 0.023 0.056 0.40 0.687 0.133 0.088
age (groups)
3545 years old 0.425 0.223 1.910 0.056 0.861 0.011
4655 years old 0.884 0.249 3.550 0.000 1.373 0.395
>55 years old 1.012 0.266 3.810 0.000 1.532 0.491
supervisor’s gender (ref: female)
Male 0.065 0.174 0.370 0.709 0.406 0.276
supervisor: higher management position
yes 0.769 0.710 0.191 0.000 0.336 1.085
supervisor: experience with monitoring
Yes 1.620 1.578 0.183 0.000 1.219 1.937
(Fortsetzung)
194 L. Wieser et al.
Tab le 3 (Fortsetzung)
Supervisor’s
interest in
employee
monitoring
Coefficient SE zP>z [95 % conf. Interval]
number of
currently
subordinated
employees
0.001 0.001 0.400 0.687 0.002 0.003
team composition (ref: equally men & women)
more men 0.318 0.191 1.660 0.096 0.693 0.057
more women 0.811 0.227 3.580 0.000 1.255 0.367
sector (ref: public sector)
private sector,
manufacturing
0.493 0.234 2.110 0.035 0.952 0.034
private sector,
service
0.577 0.208 2.770 0.006 0.984 0.169
_cons 4.077 0.314 12.97 0.000 3.461 4.693
Random-effects
parameters
Estimate Std. Err [95 % conf.
interval]
ID: Identity
var(_cons) 1.637 0.152 1.365 1.964
var(Residual) 1.210 0.045 1.126 1.301
LR test vs. linear
model:
chibar2(01) =856.91 Prob > =chibar2 =0.0000
highly significant negative effect on monitoring interest. Compared to communi-
cation tracking, supervisors’ interest in monitoring their subordinates decreases
significantly by 0.55 points on the interest scale.
However, we do not see significant differences between communication
tracking and screen tracking. Thus, there might be no differentiation between
task-related monitoring systems, and both types of monitoring are perceived as
equally appropriate to capture employee performance. To further test this relation,
we estimated an additional model that only differs from the previous model by
setting the person-related monitoring system (video tracking) as a reference (ins-
tead of communication tracking). By doing so, we aim to test for the hypothesised
discrimination between task-focused and person-focused technologies. Consistent
with our previous explanation, we find that both task-related monitoring systems
Employers’ Muted Interest in Electronic 195
are perceived as significantly more interesting for employee monitoring—com-
munication tracking by 0.53 scale points and screen tracking by 0.56 scale points.
Consequently, our data support the hypothesis that task-related monitoring is
preferred over person-related monitoring (H2).
Following an intuitive cost-benefit rationale, our third hypothesis states that
employers are less likely to be interested in digital monitoring systems with
increasing (time) effort associated with the monitoring system (H3). Accord-
ingly, our results show a highly significant decrease of 0.20 points in employee
monitoring if it is linked to a higher time effort for the supervisor (Table 3).
We can therefore support the proposition that higher monitoring effort decreases
employers’ interest in digital employee monitoring.
Our last hypothesis (H4) refers to the employer’s perceived risk of miscon-
duct—e.g., regarding lawsuits, data security, or confidentiality reputation. Thus,
we aim to investigate whether employers are more likely to be interested in digi-
tal monitoring systems if employees are working with sensitive data (H4). To test
this, we compare a situation where employees do not have to work with sen-
sitive data (reference) to situations where they either rarely or frequently work
with sensitive data. By distinguishing the frequency of accessing sensitive data
we aim to display supervisors’ security sensitivity and risk calculation behaviour.
Results from our regression analysis show that, compared to no involvement with
sensitive data, respondents were significantly more interested in monitoring if
employees had to work with sensitive data regularly. Thus, the monitoring inte-
rest of supervisors increased by 0.55 scale points (Table 3). However, the “rare
data interaction” category did not yield significant effects and, further, generated
only a small effect of 0.13 points. Thus, supervisors seem to factor in the risk of
misuse of (firm) data to a certain degree. The results partially support our hypo-
thesis (H4) that employers’ interest in digital monitoring systems increases with
employees’ access to sensitive data. Although employee interaction with sensitive
data does not per se elevate supervisors’ monitoring interest, our results show that
frequent interaction with sensitive data does.
5.1 The Relationship of Works Councils and Employers’
Monitoring Interest
The study was carried out in Germany, which implies a setting of unique condi-
tions regarding legal requirements for employee representation and participation.
Thus, in this section, we discuss additional findings relating to this aspect. In Ger-
many, workers in every firm that employs at least five people can (voluntarily)
196 L. Wieser et al.
set up a works council as a worker representation body and participate in firms’
decisions such as introducing digital monitoring technologies to track employee
performance (Abraham et al. 2019; Addison et al. 2001). Consequently, in firms
that have a works council, decisions about employee monitoring technologies
have to be discussed with and approved by the elected employee representati-
ves of the works council. Therefore, we integrated works councils as a vignette
dimension signalling different degrees of certainty regarding the employee senti-
ments of the intended monitoring. Note that a final refusal by the works council
would make it impossible to legally implement the monitoring system. Thus, we
did not include the controversial situation of a works council that rejects the
monitoring in question. Based on this, we set out three occurrences regarding
the works council in the described vignettes. First, a firm without a works coun-
cil implies that the respondent can freely decide about the appropriateness and
benefits of the monitoring technology. However, it also provides no reference to
employees’ attitudes concerning the monitoring system. Second, we introduced a
firm with a works council and a usage agreement regarding the monitoring sys-
tem that was negotiated by management and the works council. This means that
the respondent can be assured that the monitoring system in question was appro-
ved by the employee representation. Third, we looked at a firm with a works
council without any usage agreement regarding the monitoring system. In this
case, the respondent knows that employee monitoring has not been refused but
has to be negotiated with and approved by the worker representatives first. We
set this last situation of restricted decision freedom with some uncertainty regar-
ding employee reactions as our reference. Results from our regression model
show significant negative effects for the first and the second works council situa-
tion (compared to the third). Thus, compared to having a works council without
a usage contract, supervisors’ interest in digital monitoring systems surprisingly
decreases by 0.32 scale points if a usage contract was signed by the works council
(Table 3). Although this is an unexpected result, we speculate that it might stem
from the impression that an agreement to use specific monitoring comes with
more restrictions in terms of reporting back to the works council and making use
of the collected employee data. Also, it might indicate that the agreement was
signed by the works council because it restricts the employer’s intended sanctions
(e.g., disciplinary measures in case of misconduct). However, these speculations
have to be treated very carefully. Rather, they should be considered a motivation
for further investigations about how works councils and monitoring agreements
affect monitoring attractiveness and practices. Correspondingly, our analysis indi-
cated an even stronger negative—and highly significant—effect for the situation
without a works council compared to a firm with a works council but no usage
Employers’ Muted Interest in Electronic 197
contract. Consequently, supervisors’ interest in monitoring technologies decreases
by 0.35 scale points if they are completely free to decide on monitoring their sub-
ordinates digitally but also have no impression of employees’ attitudes concerning
the matter (Table 3). Thus, we hypothesise that even though supervisors like some
freedom regarding their monitoring decision, they also appreciate the existence of
a worker representation body to validate their decision in terms of acceptability.
Nevertheless, this issue—especially the dynamics of employee representation as
an additional party regarding the monitoring decision process—yields potential
for further research.
5.2 Findings on Individual Characteristics
As mentioned previously, we included individual characteristics to control for
effects on the individual level (respondents’ age, gender, management level,
experience with employee monitoring, current number of subordinates, gender
composition of the current team, and the sector of their current employer). We
do not investigate those individual effects more closely during our analysis on
the vignette level for reasons of methodological explanatory power. However, to
avoid neglecting individual aspects of supervisors that may drive monitoring inte-
rest, we want to take a look at some of the significant effects stemming from our
control variables separately (Table 3).
Summing up our findings for individual factors that influence supervisors’
evaluation of monitoring interest, our results indicate that monitoring interest
decreases significantly with supervisors’ age—especially for 46 years of age
and older. Interestingly, respondents’ gender did not yield a significant effect.
However, the gender composition of the respondent’s current team indicated a
significantly lower monitoring interest for predominantly female teams compared
to gender-equal teams by 0.81 scale points. Thus, we do not find any significant
indication that male or female supervisors have more interest in monitoring. Yet,
our data suggest that female teams might project more trust in the fact that they
are conscientious employees and, thus, decrease their supervisors’ monitoring
interest. Further, we found that top managers are significantly more interested
in digital monitoring by 0.71 scale points. This effect is specifically interesting
since we control for age and the number of subordinates. This indicates lower
levels of trust among those in higher positions. We propose that this might stem
from either a somewhat greater (social) distance between top managers and their
subordinates or greater responsibilities to the firm. More responsibility therefore
198 L. Wieser et al.
implies greater damage or loss potential in case of employee misconduct. In con-
clusion, we can find some interesting influential factors on the individual level
that further enrich our insights from our vignette analysis, and we see that super-
visors’ characteristics should not be neglected when it comes to considerations
regarding the implementation and use of employee monitoring technologies.
6 Conclusion and Discussion
In this paper, we investigated the often-neglected question of whether and under
which circumstances employers or supervisors want to monitor their employees
digitally. We conducted a factorial survey experiment to confront supervisors with
hypothetical situations that manipulated job characteristics such as attributes of
their subordinated employees and their tasks, features of the monitoring in ques-
tion, and third-party involvement. Respondents were recruited via an access panel
provider and pre-selected regarding employment characteristics (employees with
personnel responsibilities, overseeing at least three subordinated employees fre-
quently working on computers) to increase the empirical realism of our vignettes.
We asked respondents to evaluate their monitoring interest after each situation.
Each respondent was confronted with six situations (vignettes) and answered
additional survey questions (e.g., sociodemographic questions, experience, and
attitudes regarding monitoring, and questions about their work situation). Using
494 completed surveys, we conducted multilevel regression models to answer
our research question. We find that employees’ task autonomy did not influence
respondents’ evaluation of using digital monitoring systems (H1). However, fol-
lowing our hypothesis (H2) we find a preference for monitoring systems that
capture tasks (communication tracking and screen tracking software) rather than
people’s behaviour (video surveillance). Furthermore, our data support the pro-
posed assumption of employers’ cost-benefit calculations as respondents’ interest
in monitoring systems declines as the time effort for monitoring increases (H3).
Moreover, our results suggest that supervisors calculate the risks of employee
misconduct in terms of data security. Although less interaction of one’s subordi-
nates with sensitive data was not influential, increasing interaction with sensitive
data of their subordinates significantly elevated respondents’ interest in digitally
monitoring them (H4). Thus, we conclude that supervisors’ sensitivity about anti-
cipated (severe) consequences of employee misconduct is strongly associated with
data protection policies.
Our analysis further revealed that some individual factors contribute to
supervisors’ sentiments regarding employee monitoring. We found that older
Employers’ Muted Interest in Electronic 199
supervisors and supervisors who currently lead predominantly female teams are
less interested in digital employee monitoring. In contrast, top managers and
supervisors with prior experience in monitoring their subordinates are more
likely to consider digital employee monitoring. Regarding these findings, future
research should investigate more closely which individual characteristics affect
supervisors’ interest in tracking employee performance digitally.
7 Limitations and Contribution
Our results show that supervisors’ interest in digital employee monitoring should
not be taken as a given. Findings from our vignette experiment show that super-
visors adapt their monitoring intentions according to situational factors, such
as monitoring features and employees’ (task) characteristics. However, since we
used an online convenience panel, our sample is pre-selected and not representa-
tive of all supervisors in Germany. Thus, we cannot generalise our results to the
German workforce (for a discussion, see Kohler et al. 2019). Nevertheless, to test
theoretical mechanisms, results on correlations from non-probability samples—
such as our convenience panel sample—are usually comparable with probability
samples (Mullinix et al. 2015). Notably, by employing an access panel we were
able to recruit respondents with a relevant background to increase the empiri-
cal realism of our hypothetical vignette situations and, thereby, enhance external
validity.
We also want to note that our respondents were all employees with personnel
responsibility. Thus, referring to agency theory, our respondents may not only be
principals to their subordinates but also act as agents to their employers. Howe-
ver, we focused on questioning supervisors for two reasons. First, we argue that it
is difficult to ask employers about their monitoring interests since they are often
corporate entities and, additionally, do not necessarily consist of an accurately
definable plant or business. Thus we can avoid issues of international corporations
and culture-related differences in terms of individualism and control (Panina and
Aiello 2005). Second, we conclude that employees with personnel responsibilities
are confronted with supervisory tasks due to their position. Thus, decisions about
digital employee monitoring should be present in their day-to-day work life and
further enhance the empirical realism of our vignettes. Additionally, we assume
that supervisors will adapt their supervisory responsibilities (with/without moni-
toring) according to their preferences. Hence, we consider our approach suitable
for answering our research question appropriately.
200 L. Wieser et al.
Our findings contribute to the current state of research by highlighting that
supervisors’ interest in employee monitoring depends on contextual and indi-
vidual aspects of the work situation and the supervisor in question. Thus,
negotiations about disclosing employee data at work are not necessarily a con-
frontation between “controlling supervisors” and “private employees”. We show
that supervisors consider several aspects and weigh the costs and benefits of
monitoring practices. Considerations about digital monitoring technologies at the
workplace are, therefore, an interplay of technological features and social cal-
culation processes. Thus, technical and social preconditions of digital workplace
developments are intertwined and must be investigated simultaneously (Henke
et al. 2018) when analysing the permeation of technologies at the workplace.
These findings might be some indication of why digital employee monitoring is
not more widespread in Germany. In addition, our data suggest that managers
appreciate employee feedback in terms of monitoring appropriateness and suppo-
sedly seek dialogue with employee representations like works councils. Hence,
a transparent discussion of supervisors’ need for control and employees’ boun-
daries in terms of privacy may yield the potential to mitigate the “big brother”
discussion in a work context.
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Verfügbarmachung
Büroarbeit gestern; Foto: Werner Bachmeier, Ebersberg
204 Verfügbarmachung
Büroarbeit heute; Foto: Werner Bachmeier, Ebersberg
Analyzing Distributed Action
in the Making by Comparing
Human-Robot Co-Work Scenarios
Ingo Schulz-Schaeffer, Tim Clausnitzer, Kevin Wiggert,
and Martin Meister
1 Introduction
This article presents a methodological approach to analyzing distributed action
in the making and applies it to projects of developing human-robot co-work
processes. We employ this methodical approach to point out different ways of
making robotic labor available for work tasks previously inaccessible to robots.
The empirical research was conducted as part of the research project “The social
construction of human-robot co-work by means of prototype work settings (SoCo-
Rob)” within the DFG Priority Program 2267 “The digitalization of working
worlds. Conceptualizing and capturing a systemic transformation”. According to
the priority program, making available is one of three developmental dynamics
in the digital transformation (cf. Henke et al. 2018). This article aims at contribu-
ting to a better understanding of the dynamics of making available as an empirical
phenomenon.
The new forms of making robotic labor available we are interested in, are
technically enabled by a new generation of robots, so-called collaborative robots.
I. Schulz-Schaeffer (B)·T. Clausnitzer ·K. Wiggert ·M. Meister
Institut für Soziologie, TU Berlin, Berlin, Deutschland
e-mail: schulz-schaeffer@tu-berlin.de
T. Clausnitzer
e-mail: t.clausnitzer@tu-berlin.de
K. Wiggert
e-mail: kevin.wiggert@tu-berlin.de
M. Meister
e-mail: martin.meister@tu-berlin.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_9
205
206 I. Schulz-Schaeffer et al.
According to Decker, robots are “a front end of digitalization” (Decker 2022,
S. 199, our translation). “When it comes to the digital transformation”, he argues,
“robots are a central component because they can manipulate the environment to
make changes and because they can navigate themselves and collect data in a
special way in the process” (ibid.). This holds especially true for collaborative
robots. These robots are capable of working in direct physical interaction with
human workers. They no longer need to be placed at a safe distance from humans
or to be fenced-off. Instead, the robots’ behavior is adapted to the presence of
human workers, using, for example, sensor technology or soft materials. The
development of collaborative robots is associated with the hope of being able to
open up completely new tasks and domains of application. The basic idea here
is collaboration and not substitution. Instead of automating entire workplaces,
collaborative robotics aims to support human work tasks by delegating subtasks
to robots (Decker et al. 2017). The main domains of application for collaborative
robots are currently industrial manufacturing and care work. Our research covers
these two domains of application.
Making collaborative robots available for real-world applications, however, is
still an ongoing process. In the care work sector, there are up to now few colla-
borative robots that actually reduce the burden on caregivers (van Aerschot and
Parviainen 2020). Particular ideas about how collaborative robots might support
care professionals, such as the idea of a beverage serving robot (Schulz-Schaeffer,
Wiggert et al. 2023, S. 118), have been repeatedly been subject to care robot
development projects for more than a decade but with limited success. Making
collaborative robots available for care work tasks is an ongoing process not only
in Germany and Europe. James Wright (2023, S. 3) concludes for Japan that
“despite considerable hype, lofty expectations, and substantial investment, robots
alone cannot yet deliver on the promise of solving care crises in Japan or elsew-
here.” Scholarly literature further attributes the low number of applications to
the difficulty of coping technically with the complex “ecosystem” of care (van
Aerschot and Parviainen 2020, S. 5) and the need to provide care robots with a
robot-friendly environment (Lipp 2022, S. 20). The development and diffusion of
care robots is a highly discursive field. Strong visions and narratives legitimize
and influence the development, testing and application of care robots (Parviainen
and Koski 2022, Schulz-Schaeffer, Wiggert et al. 2023).
Industrial collaborative robots (“cobots”), in contrast, are already employed in
real-world applications to some extent. But compared to conventional industrial
robots, the number of industrial cobots in use is still low (Butollo et al. 2021,
Wöllhaf 2020). Only 4.8 % of the 373,000 industrial robots installed worldwide
Analyzing Distributed Action in the Making 207
in 2019 were cobots1. Moreover, many cobots are employed in work situations
where they work side-by-side with human co-workers rather than in direct colla-
boration (Huchler 2022, S. 166, Buxbaum and Sen 2021, S. 385). Sabine Pfeiffer
(2019, S. 172–173) argues that collaborative applications are difficult to inte-
grate into the established work organization of highly-standardized and taylorized
industrial manufacturing, which may explain the low distribution of cobots. Astrid
Weiß et al. (2021) shares our interest in analyzing how work tasks are distribu-
ted between human workers and robots. They argue that for understanding “how
cobots are actually being applied in manufacturing” (2021, S. 340) and how this
“affects the sociotechnical work environment” (2021, S. 341), human-robot col-
laboration “needs to be understood as a complex sociotechnical arrangement, in
which agency can no longer be exclusively attributed to humans but is distributed
among humans and nonhuman agents” (Weiss et al. 2021, S. 357).
The article is organized as follows: first, we introduce a methodological
approach to analyzing how the distribution of work tasks between human workers
and collaborative robots is developed, designed, negotiated and eventually esta-
blished (Sect. 2). Then, we provide comparative analyses of evolving co-work
scenarios from two collaborative robot development projects we examined as
part of our research. These analyses will reveal three different ways of making
robotic labor available for work tasks previously inaccessible to robots (Sect. 3).
The final section provides a brief summary and discussion of the results.
2 Analyzing Distributed Action in the Making
This section presents a methodological approach to analyzing how the distribution
of work tasks between human workers and collaborative robots is developed, desi-
gned, negotiated and eventually established. We suggest a comparative approach
(Sect. 2.4) for analyzing co-work scenarios, focusing on prototype scenarios
(Sect. 2.2). Our approach is based on the concept of distributed action (Sect. 2.3)
and employs script analysis (Sect. 2.1).
1See World Robotics Report 2020 of the International Federation of Robotics, https://ifr.
org/ifr-press-releases/news/record-2.7-million-robots-work in-factories-around-the-globe,
last access: 30.09.2023.
208 I. Schulz-Schaeffer et al.
2.1 Script Analysis
Introducing collaborative robots into work settings means to re-design established
ways of conducting particular work tasks or to develop new ways of conducting
work tasks, such that the robot takes over at least a part of what must be done
to complete the task in question. As for most technological artifacts, it only
makes sense to undertake the effort of designing these robots, training the human
workers, and structuring the work settings accordingly, if the robots are inten-
ded to contribute to tasks that occur repeatedly. Like most actions that occur
repeatedly, these work tasks tend to be conducted similarly each time they are
conducted. This is either because the steps of the respective course of action have
been explicitly planned at some time, resulting in a plan that guides how to carry
out the action. Or this is because a particular practice of how to routinely carry
out the action has evolved over time. Often, the structure of repeatedly conducted
work tasks is a combination of plan and practice.
For analyzing how the distribution of work tasks between human workers and
collaborative robots is developed, designed, negotiated and eventually establis-
hed, we focus on the underlying plans and practices. To this end, we draw on
the script concept as it has been introduced into science and technology studies
by Madeleine Akrich (Akrich 1992a,b, Akrich and Latour 1992) and as it has
been used by actor-network theory (Akrich and Latour 1992; Latour 1988). The
notion of actions being guided by scripts was originally developed in cognitive
and social psychology. This strand of research conceives scripts as containing
knowledge about particular courses of action: knowledge that represents the typi-
cally appropriate ways to act in particular situations and becomes (often tacitly
and routinely) activated when actors face the situations in question (Abelson
1981, S. 715, Schank and Abelson 1977, Moskowitz 2005, S. 155, 162–165,
176–177). This is the general notion of script, to which Akrich’s script concept
adds the insight that scripts become inscribed in technological artifacts if these
artifacts are assigned a particular part to play in carrying out particular courses
of action.
Akrich argues that developing and designing technological artifacts is neces-
sarily accompanied by particular ideas about how and to what end these artifacts
should be used. In order to define the characteristics of a new technological arti-
fact, developers and designers have to envision the contexts of use of the artifact
and the part to be played by the artifact in these contexts. These ideas inform
the properties and functions of the artifact (Akrich 1992b, S. 207–208). This is
to say that the artifact’s developers and designers define the artifact’s properties
and functions, so that it can take over or support particular parts of the actions
Analyzing Distributed Action in the Making 209
for which they intend the artifact to be used. In this way, a part of the script of
the envisioned action sequences for which the developers and designers intend
the artifact to be used becomes inscribed in the artifact. As material representa-
tions of the script, the respective properties and functions of the artifact suggest
to its users how and for what purposes it should be used. This is because the
artifact will take over parts of actions as intended by its developers and designers
only if the action as a whole is carried out according to the script that is partly
inscribed in the artifact. In Akrich’s terminology (Akrich and Latour 1992), this
means that the script as inscribed in technological artifacts prescribes how the
other steps of the action should be conducted to fit together according to the
script (Schulz-Schaeffer 2021a,b,c, S. 79–82).
This is not to say that the script as envisioned by the developers and desi-
gners and inscribed in the artifacts determines how the artifact will eventually
be used, once it has found its place in one or another context of use. In proces-
ses of technology development and innovation, the developers and designers of
the technological artifacts are not the only relevant group of actors who refer to
scripts for organizing actions or are guided by already established scripts. In the
contexts of application for which a new technology is envisioned, there may be
well-established courses of action already in place that are firmly inscribed in the
actors’ practices, in cultural artifacts such as work regulations and rules of pro-
cedure or in other technological artifacts. For their part, these inscriptions may
prescribe how the new technological artifact would have to perform in order to
be useful. Thus, by using the script concept for analyzing how the distribution of
work tasks between human workers and collaborative robots is developed, desi-
gned, negotiated and eventually established, we trace how and where the different
parts of the underlying scripts are inscribed and how competing inscriptions and
prescriptions are addressed and negotiated over time (or are ignored or remain
unnoticed).
For the purpose of this kind of analysis of the development of distributed
actions, we have to keep in mind the wide range of ways in which the scripts can
become manifest. A feature or function of a technological artifact can explicitly
be designed for carrying out a particular part of a scripted action. Or it tacitly
implies preceding or subsequent steps of an action sequence. Similarly, the contri-
butions of the human workers to a scripted action may be explicitly designed and
laid out in rules of procedure or instruction sheets. Or they are tacitly manifest as
work practices and routines. Moreover, we have to keep in mind that every script
contains assumptions about the context of the action in question. Some of these
contextual factors will be explicitly addressed by the script’s manifestations (e.g.
210 I. Schulz-Schaeffer et al.
if carrying out the action depends on certain uncommon conditions that must be
ensured), while others are tacitly taken for granted.
2.2 Prototype Scenarios
We find the emerging scripts for the distribution of work tasks between human
workers and collaborative robots in projects of developing, testing, and imple-
menting prototypical work settings of human-robot collaboration. Our research
focuses on prototypical work settings because this is where new ideas about col-
laborative work settings are first realized in time and space. Conceptually, we
conceive these prototypical work settings as prototype scenarios. Prototype sce-
narios are a particular manifestation of situational scenarios. According to our
definition,
“situational scenarios are images of the future that in some detail specify for envisaged
typical situations of use of an imagined new technology how the components of these
situations would (or might) interact. These components include not only the imagined
new technology with its features and the envisaged users with their interests, prefe-
rences and capabilities, but also other people, objects or structures of relevance for
the situation. Situational scenarios provide descriptions of the interactions between
the components included. They focus attention to the causal relationships one would
have to take into account, if the scenario was reality” (Schulz-Schaeffer and Meister
2019, S. 40, cf. Schulz-Schaeffer and Meister 2017, S. 198, 2015, S. 166).
Prototype scenarios are prototypically realized situational scenarios. Prototype
scenarios occur when innovators translate their ideas about future situations of
how a particular new technology should be designed and employed for particular
purposes in particular contexts—i. e. their situational scenarios—into prototypes
of the new technology and into partial physical realizations of the envisioned
context of use (Schulz-Schaeffer and Meister 2019, S. 40, 44–45, 2017, S. 204).
Often, prototype scenarios at first occur in research laboratories and go through
different stages of elaboration until they turn into real-world applications.
When collaborative robots are designed based on situational scenarios, they
are to some extent designed based on scripts. This is because situational scena-
rios and their prototypical realizations are representations of how the scenarios’
technical and social components are supposed to interact with one another. The
part of the script that defines the robots’ contributions becomes inscribed in the
technology. This is to say that some of the robot’s features and functionalities are
specifically designed according to the technology’s intended contributions to the
Analyzing Distributed Action in the Making 211
course of action, thus representing the robot’s script. To some extent, the robot’s
script prescribes to the human co-workers how to conduct their part of the work
task and how to coordinate with the robots’ behavior in order to accomplish the
respective work task. The same applies in the opposite direction with the inscrip-
tions represented by work descriptions and work routines of the human workers
and related prescriptions of what a fitting behavior of the robot should look like.
Script analysis provides the basis for reconstructing in detail how work tasks are
distributed between human and robot co-workers and how the collaborative work
settings are modified and become stabilized during the development processes.
Script analysis also provides the basis for identifying the human workers’ infor-
mal and tacit contributions, which are required even in the most formalized and
automated work processes, as many empirical studies in the field of the socio-
logy of work have shown (Böhle and Milkau 1989, Funken and Schulz-Schaeffer
2008; Pfeiffer 2016).
2.3 The Concept of Distributed Action
For analyzing how the collaboration between the robotic and the human co-
workers is de-signed, contested, negotiated, re-designed, established or discarded
in the process of developing, testing, and implementing prototype work settings
of human-robot co-work, we employ the concept of distributed action (Ram-
mert and Schulz-Schaeffer 2002, Schulz-Schaeffer and Rammert 2023). The
concept builds on, but goes beyond, actor-network theory by introducing the
notion of gradual action (Rammert and Schulz-Schaeffer 2002, S. 44). In recent
publications, we have elaborated on the notion of gradual action by distinguis-
hing between an effective, a regulative and an intentional dimension of agency
(Schulz-Schaeffer 2019,2023, Schulz-Schaeffer and Rammert 2023). The effec-
tive dimension covers the ability to bring about the changes necessary to achieve
the goal of the action; the regulative dimension concerns the control over the exe-
cution of the action; and the intentional dimension is about owning the goals. For
analyzing human-robot collaboration, it is particularly important that the regu-
lative dimension includes two kinds of control: Control in the sense of steering
(“Handlungssteuerung”) is the kind of control that orients the activities toward an
underlying plan. Control in the sense of monitoring (“Handlungskontrolle”) is the
ability to recognize the conformity or deviation of plan and actual performance
and to intervene in case of deviation (Schulz-Schaeffer 2023, S. 18–19). For any
constellations of distributed action, the concept of distributed action allows us
to precisely describe in which way and to what extent activities are distributed
212 I. Schulz-Schaeffer et al.
between human and robot co-workers (Meister and Schulz-Schaeffer 2021a,b,c,
Schulz-Schaeffer, Meister, et al. 2023).
2.4 Comparative Analysis
We analyze prototypical scenarios of human-robot collaboration and their under-
lying scripts in order to learn about possible new ways of distributing tasks
between human workers and collaborative robots. We are especially interested in
new forms of collaboration that make robotic labor available for work tasks that
previously could be carried out only by human workers. Since we are interested in
understanding how work collaboration changes when collaborative robots come
on the scene, we need to employ a comparative approach. The general descrip-
tive rule of a comparative approach to understanding the agency of technological
artifacts is, as Bruno Latour (1988, S. 299) has put it:
“every time you want to know what a nonhuman does, simply imagine what other
humans or other nonhumans would have to do were this character not present. This
imaginary substitution exactly sizes up the role, or function, of this little figure.”
We can hope to learn even more about the agency of technological artifacts if our
comparisons do not only refer to alternative settings imagined by the researcher
but to alternative settings that actually exist (or have existed) and can be studied
empirically. Our empirical data allows us to conduct comparisons of this kind
and provides us with different options for doing so: A substantial part of our
case studies are about collaborative work scenarios in which the collaborative
robot takes over parts of a particular course of action, which previously have
been carried out by human workers. For these cases, we use the information we
gathered about how the work task was carried out before the introduction of the
robot for the purpose of comparison. In some of our case studies, however, the
prototype scenarios contain a human-robot collaboration for a new work task and
there is no previous setting that can be used for comparison. In such cases, we
have to rely on indirect comparisons, which are not necessarily less informative,
however. If there are previous work settings for similar work tasks on which the
collaborative scenario is based, they may serve as a comparison. Or the engineers
have come up with more than one scenario depicting how to deal with the new
work task so that the human-robot collaboration can be compared with these
other scenarios of distributing the work task.
Analyzing Distributed Action in the Making 213
In addition to comparison with previous (or alternative) ways of organizing
and distributing the work tasks subject to the collaborative work scenarios we
study, we also compare different manifestations of these scenarios as they evolve
over time. Before a situational scenario becomes realized prototypically, it exists
as an idea about a new way to employ a collaborative robot for a collaborative
work task. To the extent that building prototype scenarios is a collective effort—
which usually is the case: it is usually part of projects with the goal of developing
and (ultimately) implementing new technological solutions—these ideas need to
be communicated and discussed and thus they are given symbolic expression: in
written descriptions, sketches, or verbal communication. In our empirical data,
the main source for this early stage of the collaborative scenarios are the verbal
accounts of our interview partners. During its prototypical realization, a scena-
rio goes through different stages of elaboration. A first prototypical realization
in a laboratory setting may focus on demonstrating that the collaboration “in
principle” works as expected. Later versions, however, will have increasingly
to take into account the real-world conditions of the intended contexts of app-
lication. We regard the unfolding elaboration of the prototype scenarios as a
process of negotiation in which the evolving human-robot collaboration takes
shape (Schulz-Schaeffer and Meister 2019, S. 44–52). Comparisons between the
prototype scenarios at different stages of elaboration is therefore an important
part of our comparative approach.
For the different versions of the scenarios, we analyze the respective scripts
that define how the work task shall be carried out, how it is divided into indi-
vidual work steps, and how the work steps interact with each other to form the
distributed action as a whole. We determine for each individual work step how it
is assigned to human and robotic co-workers and what kind of effective, regula-
tive, and intentional agency is required from and assumed to be possessed by the
respective agent. The analysis of the scenarios provides us with detailed descripti-
ons of the envisioned distribution of work. Moreover, it allows us to investigate in
detail how different parts of the script are inscribed in different ways and which
complementary or competing prescriptions they imply. The comparison between
different versions of the scenarios informs us about inscriptions and prescriptions
that become subject to change and about gaps in the scripts. This allows us to
reconstruct in detail what becomes subject to negotiation during the development
process.
For the purpose of comparison, we build synopses of the different versions of a
scenario for every single empirical case. We build them as spreadsheets in which
the columns represent—for each version or manifestation of the scenario—the
respective action sequence for carrying out the work task. Within the columns,
214 I. Schulz-Schaeffer et al.
we use the rows of the spreadsheet to list sequentially the individual work steps
for carrying out the work task. This notation allows us not only to easily identify
changing assignment and responsibility of individual work steps, but also how
individual work steps are added, are modified or disappear in the process of
designing the work task as a distributed action and how the interaction between
the individual work steps changes (see Tables 1and 2).
3 Comparing Human-Robot Co-Work Scenarios
This section provides comparative analyses of evolving co-work scenarios from
two collaborative robot development projects we investigated as part of our rese-
arch. These analyses will reveal three different ways of making robotic labor
available for work tasks previously inaccessible to robots: by redistribution of
work steps to human workers and by redefinition of work tasks as exemplified
in the project developing a beverage serving robot (Sect. 3.1); and by identifying
the collaborative robot as the best suited worker for the task as exemplified in
the headlight and fog light alignment project (Sect. 3.2).
3.1 Serving Beverages at a Care Facility
Serving beverages to the residents in care facilities and getting them to drink is
a daily task for care professionals2. To do so repeatedly is important especially
for dementia patients to avoid dehydration. Delegating this task to care robots
is an application scenario that goes back more than 20 years and has played a
significant role in developing and deploying care robots up to today (Schulz-
Schaeffer, Wiggert, et al. 2023). Besides other scenarios, one of the care robot
development projects we investigated is about such a beverage serving scenario.
The project itself was initiated by the care manager and the head nurse of a
care facility who—after seeing a care robot at a nursing fare—approached the
manufacturer of that particular care robot. This robot, so the company’s aim,
is supposed to be able to conduct several care-related tasks, beverage serving
being one of them. The company’s idea is to provide these tasks as standardized
modules, which would need to be customized only to a minimal extent on-site.
Together with the company, the care manager fostered a consortium of different
2To acknowledge the professionalization of care work, in this article we use the term care
professional (German: Pflegefachkraft) instead of care worker (German: Pflegekraft).
Analyzing Distributed Action in the Making 215
Tab le 1 Actions steps of the sequence “Filling the beverages with water” (CP =Care Professional)
216 I. Schulz-Schaeffer et al.
Tab le 2 Action steps of the sequence “Distributing the beverages to residents” (CP =Care Professional)
Analyzing Distributed Action in the Making 217
actors, including partners from academia as well as a second care facility—the
wife of one of the professors from the academic partners worked there at the
time. Together, they applied for project funding from an interregional fund and
started a two-year trial at the two participating care facilities, integrating different
functionalities of the robot. The partners’ goal was to gain more experience with
robots in contexts of care. The manufacturer wanted to further develop its robot’s
functionalities. The second care facility is the only one in which the beverage
serving scenario was used.
At an early stage of the project, one of the manufacturer’s user-experience
managers got together with the management of the care facility with which
the robot manufacturer cooperated for this project to discuss which tasks from
the robot’s current repertoire they would like to implement in the facility and
where. Among other tasks, they decided on the delivery of beverages. The faci-
lity’s management chose the dementia unit as the first area to deploy the robot,
as the unit manager is considered very tech-savvy and “likes to do stuff like
that” (PR01 CPR01 Care unit manager #00:53:31#, own translation). From then
on, the user-experience manager consulted mainly with the head of the demen-
tia unit, who was considered by the manufacturer as a so-called “superuser”
of the robot, and whose task was to mediate between the care staff and the
user-experience manager, as well as, later on, to motivate the staff and residents
on continuing to collaborate or interact with the robot (PR01 CPR01 Care unit
manager #01:00:07#).
Based on surveys of care professionals conducted by the company’s user-
experience unit, the company’s engineers began to develop a general scenario of
how the robot should conduct the beverage serving task. Their mental model of
this scenario is as follows: A care professional instructs the robot to begin the
task either via a previously defined calendar entry using a tablet or via a verbal
instruction. The robot then navigates autonomously to a prior specified location
from where it can fetch the beverages: usually the kitchen of the care unit. After
arriving at the kitchen, the robot identifies the location from where to get the
beverages using its vision system. If there is a water-filling machine in use, the
robot independently operates the machine to fill water into cups. The robot is also
able to locate the individual cups, to grasp them, and to place them on a tray it
carries. With the water cups on the tray, it then navigates to the day room. There,
the robot localizes by posture recognition the residents who are currently in the
room. It safely navigates to the single residents and offers them a beverage by
taking a cup from the tray and placing it on the table in front of the resident. It
also verbally motivates the residents to drink. For a future stage of development,
218 I. Schulz-Schaeffer et al.
the engineers imagine the robot even monitoring whether the residents drink the
water or not.
As is often the case with care robot development projects, the first prototypical
realization of this scenario took place in a real-world environment. In order to
adapt the beverage serving scenario to the facility’s particular conditions, the
manufacturer’s engineers inspected the dementia unit accompanied by the head
of the dementia unit as well as additional care professionals and technicians from
the care facility. In the process of getting familiar with the local conditions and of
learning how the robot would have to adapt to them, the engineers made several
observations that led them to change parts of the script of the beverage serving
task as defined in their mental model. We take a closer look at two of them in
the following sections.
3.1.1 Redistributing Work Steps to Make Robotic Labor
Available
The first change we want to discuss concerns the action steps of filling and/or
fetching the water cups in the kitchen. The care professionals at the dementia
unit use a semi-automatic machine to fill the water cups (see Table 1,step1)
and they use special cups with drinking lids to minimize spillage when drinking.
The engineer concluded that the gripper with which the manufacturer’s robot
was equipped would not allow it to operate the machine and that the special cups
could not be easily detected by the robot’s vision system due to their shape and
texture. As the robot would neither be able to fill the cups itself, nor to take
already filled cups from the kitchen counter within this setting, changes of the
initial beverage serving script were necessary. The new solution was negotiated
and agreed upon by all parties involved in the project, the engineers as well as
the care professionals. The resulting script now involves a care professional who
fills the cups with water once the robot arrives at the kitchen and verbally asks
for filled cups. The care professional also places the cups on the robot’s tray.
Upon confirmation that the filled cups are in place, the robot can start its journey
to the day room (see Table 1, step 5). Compared with the script of the mental
model, the revised script redistributes some work steps to the care professionals;
compared with the care professionals’ previous practice, however, the robot still
relieves them of several work steps. Thus, though the care professionals are not
completely happy with this solution, it is acceptable to them because the rationale
of reducing care professionals’ work burden still seems to be intact.
In the domain of care robots, redistributions of this kind occur quite often
when imagined scenarios of human-robot co-work are translated into prototype
scenarios situated in real-world environments. The crucial question, then, is if
Analyzing Distributed Action in the Making 219
the resulting human-robot collaboration still makes sense: i.e. if it still relieves
the human workers of work tasks and, hence, if it actually makes robotic labor
available for work settings that have previously been inaccessible to it. As is the
case in our example, there is often a fine line between preserving and destroying
the scenarios’ labor-saving capacities when such redistributions take place.
In our case, this line is drawn between two options of how to make sure that
there is a care professional in the kitchen who supplies the robot with the bever-
ages. According to the mental model, there would be two options for scheduling:
either spontaneously by verbal instruction or by calendar entry, which requires
preplanning. Voice recognition turned out to be too unreliable in the context of
application. Thus, the engineers opted for the calendar function. Knowing that the
care professionals usually distribute beverages around 3:30 pm, they set 3:30 pm
as the time for the robot to start moving to the kitchen (PR01 CPR01 Care unit
manager #00:49:41#). Without the option to spontaneously coordinate when to
supply the robot with the water cups, the care professionals lose the flexibility
of their previous work practice, which allowed them to deal with serving bevera-
ges sometime around 3:30 pm when it fits into their work schedule. Instead, one
of them needs to be in the kitchen at the predefined time. This loss of flexibi-
lity is enough to turn the beverage serving scenario into a setting that involves
additional work for the care professionals instead of being labor-saving.
3.1.2 Redefining the Work Task to Make Robotic Labor
Available
The second change we want to discuss concerns the work steps of distributing
the beverages in the day room. According to the mental model, the robot is
able to identify people sitting in the day room and to go to them to serve them
the beverages. The robot to be employed for the task is in principle capable of
recognizing people. The engineers had trained the robot’s posture recognition
algorithm prior to the implementation process accordingly. Recognizing residents
in the day room was supposed to be part of the robot’s script in the negotiated
prototype scenario. Nevertheless, it turned out that in the real environment of the
day room of the dementia unit the robot was not able to recognize people reliably
and could therefore not navigate towards them successfully.
The engineers responded to this problem with an ad hoc solution. They put a
label on the table in the day room where residents often sit. With the help of the
label, the robot is able to navigate to this table. Once at the table, the next steps
for the robot are to measure its distance to and the height of the table surface, to
grasp the cups one by one from its tray and place them next to each other on the
220 I. Schulz-Schaeffer et al.
edge of the table (PR01 ENG01 Software engineer #00:09:54#). Then the robot
is to say: “Please drink. Drinking is healthy.” (see Table 2, steps 2–4).
In devising this solution, the engineers substantially rewrote the robot’s script
without considering the consequences of these changes or discussing them with
the care professionals or other involved parties. Most importantly, the robot is
now no longer actually serving beverages to residents. Rather, it places cups on
a table and does so whether or not there are residents who could take them and
hear the robot’s invitation to drink. Thus, it is now up to the care professionals to
restore the purpose of the entire action by distributing the cups to the residents
themselves or by moving the residents to the “robot table” (PR01 CPR02 Care
facility manager #00:22:27#, see Table 2,step5).Itisalsonowuptothemto
check whether the residents actually drink some water (see Table 2,step6).
Obviously, these changes of the robot’s script do not make much sense if the
goal is to make robotic labor available for the work task of serving beverages. The
redistribution of work tasks to care professionals, which we discussed in the pre-
vious section, suggests that robotic labor is not yet as available for human-robot
collaboration as is often envisioned at the beginning of care robot development
projects. But even if redistribution reduces the robotic contributions, as discussed
above, the robot’s remaining contributions may be sufficient for human-robot col-
laboration to still make sense. The changes we are observing here, however, are
not about redistributing work tasks within a defined course of action but rather
about redefining the action from the perspective of what the robot is capable of
contributing: i.e. in changing the robot’s script, as described above, the engineers
prioritized the criterion that a work step can be successfully carried out by the
robot over the criterion that this work step contributes in a meaningful way to
theworktaskitispartof.
We regard this also as an attempt to make robotic labor available. In the short
term, this is obviously a misguided way of integrating robots into collaborative
work settings. Viewed in the long run, however, this rather dysfunctional first
implementation may serve as the starting point for improvements from which
eventually a co-work scenario emerges that actually does make sense. This is the
rationale behind the engineers’ ad hoc solution. Following this rationale, howe-
ver, the engineers implicitly turned what was initially conceived as a real-world
application by the staff of the care facility into an experimental laboratory set-
ting. Over time, this became apparent to the care professionals participating in
the project: “It was really more work for us. I think about from the middle of
the project it was just a way of supporting the company. We just wanted to still
support the project, but we no longer claimed that the robot should support us in
any way.” (PR01 CPR02 Care facility manager #00:06:05#, own translation).
Analyzing Distributed Action in the Making 221
3.2 Alignment of Headlights and Fog Lights
in Automotive Final Assembly
Alignment of headlights—a safety requirement for car manufacturers (ISO
303:2002)—is a well-established work task in final assembly at the Ford plant
in Saarlouis. The decision also to align the fog lights in this production step is
the starting point for developing the co-work scenario we are discussing in this
section. Previously, the fog lights were pre-aligned by the manufacturer of the
fog lights. Responding to “higher requirements of the customers on street light-
ing concepts” (IR01 PL01-1 Project leader, #00:21:01-0#, own translation), the
product development team decided to additionally align the fog lights as part of
the assembly process.
For solving the problem of how to integrate the fog light alignment in the
existing production step, the manufacturing department formed a task force. The
task force consisted of manufacturing engineers and process planners from Ford
Saarlouis and from other production sites. The task force considered different
options and developed alternative scenarios, which they evaluated in detail in
concept studies. As a result of the evaluations, they decided to employ colla-
borative robots. The team then was expanded by robotic programmers from the
robot-arm manufacturer and by experts from the manufacturer of the car-lights
alignment station. The programmers supported the team with programming and
the installation of the cobot. The manufacturer of the car-lights alignment station
contributed its expertise in the alignment of the fog lights. After developing the
solution, the team conducted a feasibility study and then implemented the resul-
ting co-work scenario successfully at the production plant. The feasibility study
was carried out on the premises of the manufacturer of the car-light alignment
station. Having a headlight alignment station with integrated fog light alignment
in its portfolio was an additional benefit of this cooperation for the alignment
station manufacturer.
3.2.1 An Open-Ended Search Within a Well-Defined Search
Space
The previous process of aligning the headlights provides the frame of reference
for the alternative scenarios of additionally aligning the fog lights, because these
all are about how to integrate the additional task into this work cycle. It takes
place at an alignment station, consisting of a platform that allows to position
the vehicle precisely and a moveable light collection box for measuring the light
values of the headlights. For each headlight there are two aligning screws (for
vertical and horizontal alignment) under the hood of the car accessible from
222 I. Schulz-Schaeffer et al.
above. A worker inserts an adjustment tool in each of the screws. These tools
then automatically adjust the screws based on the data from the light collection
box. This work step is repeated for the other headlight. The time set for this work
cycle is 120 seconds (IR01 P01-1 Project leader #00:21:53-0#).
One of the defining factors narrowing down possible ways of integrating the
fog light alignment into this process is the position of the respective alignment
screws. Due to restrictions imposed by the design of the vehicle’s engine com-
partment, they were located below the main headlights, accessible through a
horizontal screw channel. It was immediately clear to the project manager res-
ponsible for the redesign of the alignment process that for ergonomic reasons
no worker could perform the task of inserting an adjustment tool in this screw
(IR01 PL01-1 Project leader #00:35:00-0#). Indeed, there is an ergonomics gui-
deline that prohibits constant bending in industry (DIN EN 614-1:2009-06). The
option of assigning this task to a conventional industrial robot was excluded by
a limitation of the existing alignment station: requiring protective fences, such
robots would not have fitted into the available space (IR01 PL01-2 Project leader
#00:16:07-4#).
With the solution space thus already narrowed down, the task force came up
with the option of building a lift to raise the car or to descend the worker into the
floor, so that the worker could reach the alignment screw in a standing position.
Solving the ergonomic problem by introducing a lift, however, creates incompa-
tibilities with other attributes of the alignment process. Raising and lowering the
lifting platform would take too much time given the 120 seconds timeframe of the
work cycle. Thus, this solution would have “made no sense at all in terms of cycle
time” (IR01 PL01-1 Project leader #00:21:01-0#, own translation). Moreover, it
would be difficult to accommodate the spatial limitations with the lift requiring a
safety area around it (IR01 PL01-2 Project leader #00:16:07-4#). Finally, it would
be challenging to implement this setting in the four-week time-slot provided by
the production plant’s summer break.
Using a collaborative robot for adjusting the fog lights was the next option
the task force team evaluated. According to their concept study, this solution
promised to have the following advantages over the previously considered opti-
ons: It would accommodate the specified time of 120 seconds via simultaneous
alignment of the fog lights by the robot and of the headlights by a factory
worker. There would be no non-ergonomic work tasks. Moreover, this solution
would accommodate the work station’s spatial limitations, since collaborative
robots require no safety fences. Finally, the acquisition costs for the collaborative
robot were estimated to be lower compared with conventional industrial robots
Analyzing Distributed Action in the Making 223
(IR01 PL01-1 Project leader #00:24:37-0#). The task force thus decided to pursue
this solution and to conduct a feasibility study.
For the feasibility study, a copy of the previous calibration station but supple-
mented with collaborative robots was built in a laboratory. Similar to the human
worker, the task assigned to the robots is to insert the adjustment tool in the
adjustment screw, to hold it there while the adjustment tool automatically adjusts
the fog light using the measurement data from the light collecting box, and to
remove the tool afterwards. In the scenario, which was thoroughly tested during
the feasibility study, there is a collaborative robot for each of the fog lights but
only one worker for both headlights. Their work is coordinated such that while
the worker adjusts the headlight on the right side, the left-side robot adjusts the
fog light on the left side and vice versa. The feasibility study revealed some
minor problems, which the team was able to solve by making small adjustments.
Afterwards, an exact copy of the work station and the associated co-work process
was built at the Ford plant in Saarlouis to be used as part of the final assembly.
Again, the team had to undertake only a few adjustments to make the scenario
work under the real-world conditions of the production plant and were able to
implement the new setting during the plant’s four-week summer break.
3.2.2 How Preconditions of the Context of Application make
the Collaborative Robot the most Suitable Solution
A main characteristic of this scenario development process is that most of the
decisions leading to the work process as it was finally implemented at the pro-
duction plant were made during the concept studies that resulted in the first
prototype scenario. Once this first prototype scenario was built for the feasibility
study, only minor adjustments were required. For instance, it turned out during
the feasibility tests that due to millimetric geometry differences of the car, the
distance between the robot and the car had to be measured each time for the
robots to find the screw hole. Consequently, the engineers equipped the robots
with distant meters. Or it turned out during the implementation process that the
light conditions at the production plant required the screw hole to be illuminated
separately to be reliably detectable by the robots.
What explains this striking difference from the development of the beverage
serving scenario, in which the confrontation with real-world conditions during
the prototypical realization of the scenario required the robot’s and the human
workers’ scripts to be substantially revisited and renegotiated? To answer this
question, we have to look at what guided the task force members in their eva-
luations of the alternative scenarios they were considering. As it turns out, their
evaluations and the design decisions they derived from them were largely guided
224 I. Schulz-Schaeffer et al.
by fixed and uncontested preconditions of the context of application at different
levels (see Table 3). Some of these are conditions predefined by the industrial
settings, such as the ergonomic rules and safety standards or the economic ratio-
nale of preferring a less expensive solution over a more expensive one. Others are
conditions predefined by the existing headlight alignment process and conditions
of the production process it is part of: the 120 seconds timeframe of the align-
ment work cycle, the position of the fog light adjustment screw, the set-up of the
alignment station including the spatial limitations, and the four-week time slot
for implementing the new calibration station and the new work process. But in
contrast to the many preconditions of the context of application which the deve-
lopers of the beverage serving scenario had to face as well, these preconditions
did not just pose problems but at the same time pointed the way to their solution.
How is this possible?
The answer consists of three parts: First, the decision to insert fog light
alignment as an additional work task into a preexisting work process at an alre-
ady established work station means that there was an already established work
scenario with a corresponding script, which indicated how the worker and the ali-
gnment station’s technology interact and which prescribed, to some extent, how
the additional task could or could not be included. Since the development team
took the existing setup as a given, it is clear that the design of the new work task
had to adapt to the already established work scenario. This considerably redu-
ced the design options and thus the need to negotiate the new co-work scenario.
Second, for many of the questions that were still open for discussion, there was
no need for direct negotiation between the groups of actors relevant for establis-
hing and running the new work process, because there were objectifications that
represented their interests and positions: ergonomic guidelines, safety standards,
costs, and time frames. Third, in contrast to the beverage serving scenario, the
goal of the development team was not to find a way to employ a collaborative
robot in a somehow meaningful way, but to find a way for the new work task
to be integrated into the existing work process with whatever means are suitable.
As it turned out, this was by assigning the task to collaborative robots.
Thus, in this case, making robots available for work tasks previously inac-
cessible to industrial robots does not follow the logic of promoting collaborative
robots by looking for problems for which they may provide a solution. Rather,
it follows the logic of finding a solution to a given problem. The collaborative
robots were made available for the alignment task, because as a result of an open-
ended search they were considered to be more suitable for the task than humans
or conventional industrial robots.
Analyzing Distributed Action in the Making 225
Tab le 3 How the alternative scenarios considered accommodate the fixed and uncontested
preconditions
Human worker
solution: A worker
aligns the fog lights
from a kneeling
position
Lift solution: A lift
brings the car or the
worker in a position
from which the
worker can align the
fog lights
ergonomically
Human-robot co-work
solution: Robots align
the fog lights, while a
human worker aligns
the headlights
Ergonomic
guidelines
(-) Not permitted by
DIN EN
614-1:2009-06
standard
(+) Solution conforms
to the DIN EN
614-1:2009-06
standard. The worker
does not need to kneel
to align the fog lights
(+) Solution conforms
to the DIN EN
614-1:2009-06
standard
Safety standards (+) Same safety
situation as in the
previous work
setting
(-) The lift could have
been posed safety
issues for the
workers. For example,
if a worker is under
the lift table when it
descends
(+) The collaborative
robot is able to work
safely with the worker
in a shared workspace
and complies with the
safety standard (DIN
EN ISO 10218) for
collaborative robotic
applications
Cycle time
(120 s)
Not considered (-) Lifting and
aligning of four lights
by the operator would
have taken too much
time
(+) The time-limit
could be met by
having the worker and
robots align the lights
simultaneously
Spatial
restrictions
(+) No major
changes would have
had to be made
(+/-) The lift and the
safety area would
have barely fit in the
given space
(+) The collaborative
robots fit into the
given space
Acquisition and
installation costs
Not considered (+/-) The solution
with the lift would be
more expensive than
the robot solution
(+) The solution did
not exceed the
available budget
Reconstruction
time (4 weeks)
(+) Feasible because
of few changes that
would have had to be
made
(+/-) Feasible but
more time-consuming
than the other
solutions
(+) The solution was
successfully
integrated into the
shop floor within the
time available
226 I. Schulz-Schaeffer et al.
4 Conclusion
This article introduced a methodological approach to analyzing distributed action
in the making and applied it to analyzing different ways of making robotic labor
available for work tasks previously inaccessible to robots. To understand how
ideas about distributing work tasks between human and artificial workers are
developed, evolve over time and become eventually implemented (or not), we
suggest conducting detailed comparisons between different manifestations of the
scenarios used by engineers and other parties involved to express and elabo-
rate on these ideas. Especially important in this respect are prototype scenarios,
because it is in these scenarios that the new ideas are first realized in time and
space. The approach is based on the concept of distributed action (Rammert and
Schulz-Schaeffer 2002, Schulz-Schaeffer and Rammert 2023, Schulz-Schaeffer
2019,2023), which suggests a symmetrical way of analyzing the contributions
of humans and technological artifacts to actions and which, at the same time,
preserves a differentiated sociological concept of action. For any constellation of
distributed action, it thus allows us to precisely describe in what way and to what
extent activities are distributed between human and robot co-workers. In analy-
zing the different manifestations of the scenarios, we focus on the underlying
scripts that inform us about how the distribution of work tasks becomes inscribed
in and prescribed to technology and work practices.
In analyzing the project of developing a beverage serving robot, we illustra-
ted how to use this methodological approach for detailed analysis at the level of
the single work steps of sequences of distributed action. The analysis revealed
two different ways of making robotic labor available for work tasks previously
inaccessible to robots: by redistributing work steps to human workers and by
redefining work tasks. The project of developing a solution for fog light align-
ment represents a third way of making robotic labor available: by identifying the
collaborative robot as the most well-suited worker for the task.
In two respects, both projects represent contrasting cases. The first respect
concerns how the distribution of work between humans and robots is negotia-
ted. In the beverage serving case, direct negotiations between the engineers and
representatives from the context of application are highly important. In the fog
light alignment case, in contrast, there is little need for direct negotiation bet-
ween all actors involved in and affected by the redesigned work process, because
most design decisions are predefined by givens: preconditions of the work setting
and objectified rules and standards. Second, the beverage serving case represents
a technology-driven approach, while the fog light alignment case represents a
problem-centered approach. This to say that the beverage serving project is about
Analyzing Distributed Action in the Making 227
finding useful ways to employ collaborative robots. The fog light alignment pro-
ject, in contrast, is about finding a solution with whatever means are suitable. It
is thus somewhat ironic that it is this project which actually makes robotic labor
available in a real-world application—and not the project that explicitly promotes
the use of collaborative robots.
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230 I. Schulz-Schaeffer et al.
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mons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt
ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des
jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Industrieller E-Commerce.
Verfügbarmachung und
Transformation von Wertschöpfung
in der Teilefertigungsbranche
Florian Butollo, Lea Schneidemesser und Simon Scheffler
Zusammenfassung
In unserem Beitrag analysieren wir distributionszentrierte Ansätze der Digi-
talisierung industrieller Produktion. Anhand einer Sektorstudie der Teileferti-
gung beschreiben wir drei Unternehmenstypen, die mit ihren Geschäftsmodel-
len distributionszentrierte Digitalisierungsansätze verfolgen: Online Kontrakt-
fertiger, Digitale Fertigungsplattformen und Plattformalternativen. Empirische
Grundlage sind Fallstudien und Expert*inneninterviews (insgesamt 35 Inter-
views) als auch ein Onlinesurvey unter 50 Teilefertigern. Im Fokus unserer
Analyse stehen die Beschaffenheit neu entstehender Geschäftsmodelle, die
Governance der Beziehungen zwischen Digitalunternehmen, ihren Kunden
und den etablierten Unternehmen der Branche sowie die räumliche Reor-
ganisation von Produktion und Arbeit. Aus der Perspektive der KMU der
Teilefertigungsbranche birgt der Wandel Gefahren einer Verdrängung durch
F. Butollo (B)·L. Schneidemesser
Weizenbaum-Institut, Berlin, Deutschland
E-Mail: florian.butollo@weizenbaum-institut.de
L. Schneidemesser
E-Mail: lea.schneidemesser@weizenbaum-institut.de
S. Scheffler
ehm. Weizenbaum-Institut, Berlin, Deutschland
F. Butollo
Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland
L. Schneidemesser
Universität Erfurt, Erfurt, Deutschland
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_10
231
232 F. Butollo et al.
Online Kontraktfertiger und eines verschärften Kostenwettlaufs durch digi-
tale Fertigungsplattformen, die eine größere Transparenz und Vergleichbarkeit
der (globalen) Anbieter ermöglichen. Zugleich ermöglichen digitale Vermitt-
lungsformen verbesserte Marktzugänge und Potenziale zur Aufwertung klein-
betrieblicher Produktionsstrukturen. Die Frage, welche Ansätze sich dabei
durchsetzen und welche Regulierungsmöglichkeiten ggf. genutzt werden, hat
einen hohen Stellenwert für die Entwicklung der Räumlichkeit der Produktion
und die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen innerhalb der jeweiligen Pfade.
Schlüsselwörter
Plattform Geschäftsmodell Innovation Digitalisierung Industrie
1 Einleitung
Die Digitalisierung der Industrie wird meist mit der Einführung avancierter Robo-
tik und neuerdings auch mit der umfassenden Vernetzung von Industrieanlagen
gleichgesetzt. Das Narrativ der Industrie 4.0, das als Chiffre für einen Innovati-
onsschub in der industriellen Fertigung platziert wurde, fördert diese Fixierung
auf die Produktionstechnik. Weniger Aufmerksamkeit erhalten technische Neue-
rungen in der Industrie, die sich nicht auf die Fertigungs- und Montageprozesse
selbst beziehen, sondern auf die bessere Verfügbarmachung der Produkte, das
heißt die Einbettung in neue Formen der Distribution des Marketings, des
Vertriebs und der Logistik.
Diese Engführung auf Produktionstechnik ist in gewisser Weise anachronis-
tisch. Schließlich wurde vielfach herausgearbeitet, dass die Digitalisierung nicht
nur die Produktions-, sondern auch die Distributionsseite betrifft und darin sogar
das eigentliche Novum der gegenwärtigen Digitalisierungsphase besteht: Shos-
hana Zuboffs Überwachungskapitalismus (2018) dreht sich um die Aneignung
von Kundendaten für die Optimierung des Vertriebs, Philipp Staabs Digitaler
Kapitalismus (2019) konzentriert sich auf die Etablierung digitaler Plattformen
als neue Form privatwirtschaftlich angeeigneter Marktplätze und Sabine Pfeif-
fer (2021) verallgemeinert ihre Befunde in der Aussage, dass sich die aktuelle
Phase der Digitalisierung vor allem durch eine technische Weiterentwicklung der
Distributivkräfte auszeichne, womit alle Prozesse gemeint sind, die sich zwi-
schen Unternehmen und ihren Kunden abspielen. Auch innerhalb industrieller
Wertschöpfungsketten, in sogenannten Business-to-Business-Transaktionen, erge-
ben sich bedeutsame Veränderungen, indem neue digitale Kommunikationskanäle
eingerichtet werden, um Auftraggeber und Anbieter zu vernetzen (Butollo und
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung 233
Schneidemesser 2021) oder um Logistikprozesse zu organisieren (Verfürth et al.
2023).
Das vornehmlich kleinbetrieblich organisierte Industriesegment der Tei-
lefertigung ist von solch distributionsseitigen Innovationen gekennzeichnet.
Durch Innovationen an der Kundenschnittstelle, die Entstehung von Online-
Kontraktfertigung und digitalen Fertigungsplattformen deuten sich erhebliche
Veränderungen an.
In unserem Beitrag thematisieren wir auf Grundlage unserer explorativen For-
schung die unterschiedlichen Modelle der distributionsseitigen Innovation und
diskutieren ihre Implikationen für die Struktur und Geografie der Wertschöpfung
in der Teilefertigungsindustrie. Wir arbeiten heraus, welche Effekte die neuen
Fertigungsmodelle auf die Position etablierter kleiner und mittlerer Unternehmen
(KMU) haben, und erörtern mögliche Abhängigkeiten infolge einer Monopoli-
sierung der Marktzugänge. In Bezug auf die veränderte Geografie der Wert-
schöpfung identifizieren wir unterschiedliche Szenarien der Verfügbarmachung
von Produktionskapazitäten: Während das Online-Kontraktfertigungsmodell eher
auf eine regionale Integration von Kunden und Anbietern setzt, kommt es
durch die digitalen Fertigungsplattformen wahrscheinlich auch zu einer wei-
teren Globalisierung bisher eher intraregional organisierter Kleinserien- und
Prototypenproduktion. Die Wirkung der Plattformmodelle auf die Fertigungs-
partner erweist sich als ambivalent. Zum einen ermöglichen die Plattformen
den KMU, ihre Reichweite zu erhöhen, und machen somit neue Kunden, auch
in internationalen Märkten, verfügbar. Zum anderen schaffen die Plattformen
größere Preistransparenz und der (internationale) Konkurrenzdruck steigt für
lokale Anbieter, vor allem in Ländern mit höheren Lohnkosten.
Die empirische Grundlage für diesen Artikel sind 35 Interviews. Diese wur-
den mit 15 Expert*innen aus Unternehmen, Verbänden und Forschung geführt
sowie im Rahmen von Fallstudien zu einem Online-Kontraktfertiger, vier digita-
len Fertigungsplattformen und zwei Plattformalternativen. In den Fallstudien zu
digitalen Fertigungsplattformen wurden Interviews mit sieben Teilefertigern in
Deutschland, Osteuropa und China geführt, die mit digitalen Fertigungsplattfor-
men kooperieren. Mit diesem Sample wurden die Unternehmensstrategien und
-praktiken der meisten relevanten Akteure in der Nische der digitalen Plattfor-
men in der Teilefertigung auf dem europäischen Markt erfasst und zusätzlich
Erfahrungen der Fertigungspartner der Plattformen aufgenommen. Die qualita-
tiven Eindrücke von Vertreter*innen der KMU wurden durch ein Onlinesurvey
unter 59 Teilefertigern validiert, in dem wir sie zu ihren Erfahrungen in der
Kooperation mit digitalen Fertigungsplattformen befragt haben.
234 F. Butollo et al.
Ergänzt wurde das empirische Material durch den Aufbau einer Datenbank
zu Anbietern digitaler Fertigungsplattformen weltweit, eine Dokumentenanalyse
und die Beobachtung der Berichterstattung über die Geschäftsentwicklung der
Teilefertigungsbranche. Es handelt sich hier um eine explorative Studie, in einem
in der Arbeits- und Digitalisierungsforschung wenig beachteten Feld.
Zur Einordnung der aktuellen Entwicklungen skizzieren wir zunächst kurz
die Struktur und jüngere Geschichte der Teilefertigungsindustrie (2). Daran
anschließend stellen wir basierend auf Unternehmensfallstudien die gegensätz-
lichen Ansätze der Online-Kontraktfertigung (3) und der digitalen Fertigungs-
plattformen (4) dar. Danach diskutieren wir die Entwicklungsoptionen der Ferti-
gungsplattformen zwischen einem Szenario, das von größerer Abhängigkeit der
KMU von Plattformen und einem Dumpingwettlauf unter ihnen gekennzeichnet
ist, und einem High-Road-Szenario, in dem digitale Plattformen die Aufwertung
der Unternehmen unterstützen (5). Wir bilanzieren, in dem wir die wichtigs-
ten Variablen potenzieller Veränderungen herausarbeiten und Möglichkeiten der
politischen Einflussnahme diskutieren (6).
2 Spezialisierung und Konkurrenzdruck in der
Teilefertigungsindustrie
Die Fertigung von Komponenten aus Metallen oder Kunststoffen ist grundlegend
für eine breite Palette industrieller Erzeugnisse. Im Zuge der Ausdifferenzierung
und der zunehmenden Komplexität von Produkten haben die Varianz und die
Anzahl der verbauten Komponenten stetig zugenommen. Ein Automobil besteht
heute beispielsweise aus rund 10.000 bis 40.000 Einzelteilen (Kerkow et al.
2012). Darunter sind standardisierte Teile, die in großer Stückzahl von Händlern
oder Produzenten bezogen werden können, ohne dass hierfür spezifische Anforde-
rungen kommuniziert werden müssen. Insbesondere in Branchen mit einer hohen
Produktvarianz und geringen Stückzahlen wie zum Beispiel dem Maschinenbau
werden Teile nach spezifischen Designvorgaben gefertigt (Niederdrenk 2001).
Dies geschieht entweder inhouse, produziert vom jeweiligen Unternehmen, das
diese Teile zu Baugruppen oder Produkten montiert, oder durch Outsourcing,
wenn Aufträge an spezialisierte Zulieferer vergeben werden (Grömling 2007). Für
diese Lohn- bzw. Auftragsfertigung gibt es eine branchenübergreifende Zuliefer-
industrie, die sich auf die Fertigung von Einzelteilen für andere Betriebe aus dem
produzierenden Gewerbe spezialisiert (Grote und Feldhusen 2014, S. 139): die
Teilefertigungsindustrie.
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung 235
Klassische Produkte der Teilefertigung reichen von Metall- und Kunststoffob-
jekten mit geringer Fertigungstiefe, wie beschichtete und abgekantete Bleche,
Spritzgussteile oder gespante und gefräste Metallteile, bis hin zu einbauferti-
gen Präzisionsteilen. Die Produktion der Teile geschieht mittels einer großen
Bandbreite an Werkzeugmaschinen und Bearbeitungsverfahren, wie Zerspanung,
Blechbearbeitung, 3D-Druck, Guss- und Schmiedeverfahren sowie Oberflächen-
behandlung.
Manche Unternehmen spezialisieren sich auf einzelne Prozesse, wie den
Zuschnitt von Blechen durch Laserschneideverfahren, andere decken mit unter-
schiedlichen Maschinen verschiedenste Produktionsverfahren ab. Klassische Kun-
denindustrien der Teilefertiger neben dem Automobil- und Maschinenbau sind
die Luft- und Raumfahrttechnik, die Medizintechnik, aber auch die Elektro- und
die Möbelindustrie. Viele Teilefertiger versuchen mit ihrem Angebotsspektrum,
sowohl einfache Standardteile als auch Spezialanfertigungen abzudecken, um eine
geeignete Mischung aus hoher Kapazitätsauslastung und lukrativen Aufträgen für
komplexere Teile zu erreichen.
Die Konturen der Teilefertigungsindustrie sind unscharf. Als branchenüber-
greifende Industrie wird sie in den Statistiken und der Literatur meist als
Teil der jeweiligen Kundensektoren behandelt, wobei ihr auch dort oft keine
große Aufmerksamkeit gezollt wird.1Das Marktvolumen der kleinbetriebli-
chen Teilefertigungsindustrie in Deutschland geht in das Marktvolumen der
kleinbetrieblichen Vorleistungsgüterindustrie ein, das 2020 einen Betrag von
125 Mrd. EUR erreichte (Destatis 2021). Unter den Teilefertigern gibt es wahr-
hafte Global Player, insbesondere wenn diese in die Produktion von technisch
avancierten Modulen integriert sind, wie dies beispielsweise bei Systemzulie-
ferern in der Automobilindustrie verbreitet ist. Diese technologischen Vorreiter
haben meist Standorte in mehreren Industrieregionen der Welt und beliefern
hauptsächlich überregionale Kunden. Die Masse der Teilefertiger besteht jedoch
aus KMU, die meist eher intraregionale Lieferketten bedienen.
Mit den Endkunden der Produkte, für die Teile produziert werden, besteht
in der Regel kein direkter Kontakt. Teilefertiger haben keinen Einfluss auf die
Konjunkturen der Abnehmerbranchen und die Marktentwicklung ihrer Kunden,
die aber maßgeblich für ihre eigene Geschäftsentwicklung sind. Dies begünstigt
1Eine Herausforderung in der Beschreibung der Teilefertigungsindustrie ist die mangelnde
Abgrenzung bzw. die Überschneidung mit anderen Industriezweigen. Einzelteile werden
branchenübergreifend nachgefragt und produziert, Teilefertiger wiederum werden schlicht
mit den Herstellern der jeweiligen Güter zusammen erfasst (Statistisches Bundesamt 2008,
S. 291).
236 F. Butollo et al.
Abhängigkeiten und Machtasymmetrien, die sich auch in einer oft geringen Ver-
handlungsmacht gegenüber den Kunden bemerkbar machen (Niederdrenk 2001,
S. 12; Kurtzke und Döth 2010, S. 7). Umgekehrt wirken sich Störungen der
Komponentenproduktion oft massiv auf nachgelagerte Industrien aus, da die Tei-
lefertigung als Bindeglied zwischen der Rohstoffproduktion und der Endmontage
fungiert. Diese Abhängigkeit wurde seit 2020 durch die Lieferkettenprobleme
in der Corona-Pandemie und infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine
sichtbar. Durch das Fehlen weniger Einzelteile stand in deutschen Betrieben
die Produktion still (Hofer 2022). Die Wertschöpfungsbeziehungen sind somit
durch ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen Lohnfertigern und
Abnehmern gekennzeichnet.
Als separates Industriesegment hat die Teilefertigung seit den 1970er Jahren
an Bedeutung gewonnen. Bereits Ende der 1980er Jahre war die Auftragsvergabe
an spezialisierte Teile-, Modul- oder Entwicklungslieferanten im Maschinenbau
und der Automobilindustrie weit verbreitet (Altmann et al. 1993,S.27).Im
Zuge der Umsetzung von Lean Production ab den 1990er Jahren wurden mehr
und mehr Produktionsschritte outgesourct und die Lieferketten noch komplexer.
Neben der Finanzialisierung der Unternehmen, in deren Folge sich eine Kon-
zentration auf lukrativere Kernkompetenzen durchsetzte, war der Grund hierfür
auch eine erhöhte Anzahl und Diversität an Komponenten, wodurch die Inhouse-
Fertigung zunehmend an Grenzen stieß (Womack et al. 1992; Schwarz-Kocher
et al. 2019, S. 32).
Da es sich bei der Teilefertigung aufgrund der meist geringen Fertigungstiefe
um einen sehr kostensensiblen Bereich handelt, reagiert die Branche stark auf
Veränderungen in der allgemeinen Konjunkturlage. In Zeiten von Konjunktur-
schwäche führt die Auslastungsproblematik zu einem Unterbietungswettbewerb
der Fertiger mit Dumpingangeboten, teilweise unterhalb der Herstellungskosten,
um Aufträge und damit Auslastung zu sichern. Dieser Kostendruck wird auch
an die Beschäftigten weitergegeben, die in solchen Fällen auf Entgeltbestand-
teile verzichten und unbezahlte Mehrarbeit leisten sollen. Auch der Einsatz von
Leiharbeit und befristeten Verträgen ist weit verbreitet. Weitere Strategien zur
Kostenreduktion liegen im Abbau von Lagerkapazitäten und der Senkung von
Materialkosten (Dispan 2009, S. 14 ff.).
Die Branche ist insofern von einem hohen Kosten- und Konkurrenzdruck
gekennzeichnet. Es gilt als gängige Praxis, dass Zulieferer Verluste einkal-
kulieren, um Kundenkontakte zu stabilisieren. Oftmals herrscht zudem ein
asymmetrisches Machtgefüge zwischen Auftraggebern und Zulieferern, da letz-
tere sich nur schwer bezüglich der Produktqualität und des Fertigungsspektrums
von den zahlreichen Konkurrenten abheben können (Butollo et al. 2016). Mit
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung 237
der Entstehung kommerzieller Internetanwendungen Anfang der 2000er kam es
zudem erstmals zu Internetauktionen im industriellen Bereich, die die Margen in
der Produktion weiter drückten (Vieweg et al. 2002, S. 46). Aufgrund der gerin-
gen Fertigungstiefe, des hohen Konkurrenzdrucks und der damit verbundenen
geringen Margen sind Investitionen in neue Anlagen für viele KMU schwer zu
stemmen (Dispan 2009, S. 14). Diese können nur durch eine hohe Anlagenauslas-
tung refinanziert werden, was angesichts der oft volatilen Nachfrage nicht leicht
zu gewährleisten ist. An dieser Stelle setzen die Geschäftsmodellinnovationen an,
die die etablierte kleinbetriebliche Struktur der Branche herausfordern und die
in den folgenden Abschnitten beschrieben werden: die Online-Kontraktfertiger
(OKF) und die digitalen Fertigungsplattformen (DFP).
3 Skaleneffekte und geografische Konzentration:
Die Online-Kontraktfertigung
Das Management eines von uns untersuchten OKF formulierte im Interview eine
drastische Prognose über die weitere Entwicklung der Teilefertigungsindustrie.
Demnach werden die KMU kaum als unabhängiger Unternehmenstyp weiter-
existieren. Kleine Teilefertiger seien zunehmend dem Konkurrenzdruck größerer
OKF ausgesetzt oder gerieten in Abhängigkeit von DFP. Das Hauptproblem der
„kleinen Buden“ sei, dass sie die hohen Investitionen in das benötigte modernere
Equipment kaum refinanzieren könnten, da ihre Kapazitäten selten ausgelastet
seien. In der Konsequenz werde das alte Equipment „so lange genutzt, bis nichts
mehr geht“. Zwar hätten die kleinen Anbieter gewisse Vorteile aufgrund des tra-
ditionell engen Kontaktes mit den Kunden, sie kämen aber mehr und mehr unter
Druck und würden mittelfristig verschwinden.
Diese Schwachstellen nutzt das gerade erst entstehende Modell der OKF und
verzeichnet Wettbewerbsvorteile aufgrund einer besseren Maschinenauslastung
und einer offensiven Strategie des technologischen Upgradings. Unser erst 2007
gegründetes Fallunternehmen ist auf die Laserschneidetechnik und das Abkanten
von Blechen spezialisiert, hat über 500 Mitarbeiter*innen an vier Standorten und
knapp 20.000 Kunden. Der durchschnittliche Auftragswert ist mit etwa 500 e
sehr gering und Auftraggeber aus der Automobilindustrie mit sehr großen Stück-
zahlen werden bewusst gemieden.2Kern und Ursprung des Geschäftsmodells ist
2Der CEO des Unternehmens begründete das wie folgt: „Wir wollen bestimmt nicht in der
Automobilindustrie tätig sein. Das ist eigentlich eine Wahl. Weil es eine hässliche Szene ist.
Die Preise gehen immer nach unten, die Leute kommen mit einer Stoppuhr ins Werk, schauen
sich alles an und sagen, die Preise müssen wieder mit 20 % nach unten.“
238 F. Butollo et al.
die Entwicklung einer eigenen Software, mit der automatisiert Angebote erstellt
und Aufträge in die Produktion übermittelt werden. Ähnlich wie bei Online-
Druckereien können die Kunden die technischen Zeichnungen der gewünschten
Blechschnitte direkt auf der Webseite des Unternehmens hochladen, wobei ver-
schiedene Liefertermine zu unterschiedlichen Konditionen ausgewählt werden
können. Diese digitale Schnittstelle ermöglicht es, das Modell der Kontraktferti-
gung auch für kleinere Stückzahlen verfügbar zu machen. Dadurch unterscheidet
es sich von der konventionellen Kontraktfertigung (vgl. Lüthje et al. 2002), für die
sowohl die Fertigung großer Stückzahlen als auch teilweise hohe Fertigungstiefen
charakteristisch sind.
Die Aufträge werden vermittelt, indem auf Grundlage der vom Kunden zur
Verfügung gestellten Daten automatisch ein Angebot erstellt und die Zeichnung in
die Produktion übermittelt wird. Mithilfe von Produktionsplanungs- und Nesting-
Software, die die platzsparende Anordnung verschiedener Schnitte auf einem
Blechstück erleichtert, können auch Kleinstaufträge effizient in die automati-
sierten Produktionsabläufe integriert werden. So erzielt das Unternehmen eine
relativ konstante und ökonomisch effiziente Auslastung der Werke. Neben Ska-
leneffekten kann es auch eine hohe Termintreue realisieren. Durch die Software
kann zudem erheblich bei den kognitiven Tätigkeiten in der Auftragsvorberei-
tung (v. a. Angebotserstellung) eingespart werden. Insbesondere bei Aufträgen
mit kleinen Stückzahlen machen die Arbeitskosten in diesem Bereich sonst
einen beträchtlichen Teil der Produktionskosten aus. Im untersuchten Unterneh-
men wird geschätzt, dass allein 35 Mitarbeiter*innen mit der Angebotserstellung
befasst sein müssten, wenn diese nicht von der Software übernommen werden
würde.
Der Produktionsprozess selbst entspricht den üblichen Verfahren im Bereich
des Laserschneidens. Die Anlagen sind jedoch vergleichsweise neu und die Ferti-
gung ist hochautomatisiert, im Unterschied zu vielen Unternehmen der Branche,
die zum Teil noch mit jahrzehntealtem Equipment operieren. Manuell werden in
der Fertigung nur noch die Bleche eingelegt, die geschnittenen Blechteile sor-
tiert oder Bleche bei gewissen Schneidprozessen stabilisiert. Abgesehen davon
übernehmen die Arbeiter*innen die Überwachung der automatisierten Produk-
tion und manche Funktionen der Auftragsvorbereitung. Gemäß der Aussage des
CEO der Firma, brauche man „keine hochausgebildeten Mitarbeiter auf dem
Shopfloor“. Bei einem Großteil der Beschäftigten handelt es sich um Quereinstei-
ger*innen, beispielsweise aus dem Bäckereigewerbe oder auch dem Straßenbau.
Ihnen kommt, so der CEO, die digitale Vereinfachung und Assistenz zugute:
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung 239
„Man sieht auf dem Schirm, wie man das Blechteil halten muss. Das wird ja automa-
tisch kontrolliert. Und das wird alles durchgerechnet und, sagen wir, weiter gebracht
aus der [Software-, d. Verf.]Plattform. Das ist viel einfacher als in der Vergangenheit.
Zufälligerweise war ich während meines Studiums in so einem alten Unternehmen
in der Blechverarbeitung. Das war 1989, und ich habe dort mein Praktikum gemacht
[…]. Da wurde so gemessen und eingestellt. Viel Fingerspitzengefühl, Fachmann-
schaft. Das hat gedauert und eigentlich haben die meisten Leute keine Ausbildung in
der Blechverarbeitung.“
Obwohl also weniger Spezialkenntnisse erforderlich seien, betonte das Manage-
ment die Vorzüge des dualen Systems der Berufsausbildung. Das Unternehmen
bildet selbst in einer eigens gegründeten Bildungsakademie im grenznahen Aus-
land aus. Bewusst setzt das Management eher auf Automatisierung, Skaleneffekte
und eine systemische Integration der Arbeitsschritte (Lean Production) als auf die
Reduktion der Arbeitskosten.
Das untersuchte Blechschneideunternehmen verfolgt eine dezidiert regional
ausgerichtete Marktstrategie. Sie knüpft an die lokalisierten Traditionen dieser
Branche an, was auch mit dem Produkt oft großflächige Bleche zu tun hat.
Laut dem CEO des Unternehmens sollte die geografische Distanz zu den Kunden
300, maximal 400 km betragen. Das Monitoring der Auftragseingänge bestimmt
die Investitionsstrategie des Unternehmens. Sobald sich Aufträge in einer Region
konzentrieren, wird die Gründung eines neuen Standortes in Erwägung gezogen:
„Wir bauen zuerst einen Kundenkreis auf, aus den Werken, die wir haben. Und
wenn es genügend Volumen gibt, kann man ein Werk bauen.“ Das Geschäftsmo-
dell scheint zu funktionieren, das Umsatzwachstum beträgt etwa 30 % jährlich
und zwei neue Standorte werden aufgebaut.
Das hier beschriebene Unternehmen steht exemplarisch für einen Transfor-
mationspfad in der Teilefertigung, der auch von anderen Akteuren auf dem
Markt verfolgt wird. Zu den Strategien zählt eine stärkere Konzentration der
Fertigungskapazitäten bei spezialisierten Produzenten, die in Konkurrenz zu
etablierten KMU der Branche treten. Die OKF entwickeln Wettbewerbsvor-
teile durch hochautomatisierte Geschäfts- und Produktionsprozesse. Auf diese
Weise können Kosten in der Auftragsvorbereitung und im Kundenkontakt ein-
gespart und die Kapazitäten in der Fertigung besser ausgelastet werden. Durch
die Automatisierung der Schlüsselfunktionen in der Auftragsabwicklung, also
Angebotserstellung, Produktionsplanung und Nesting, können die Aufträge rela-
tiv bruchlos über eine Online-Plattform vermittelt werden, wodurch sich die
Reichweite der Kontraktfertigung in der Branche erhöht.
240 F. Butollo et al.
4 Digitale Fertigungsplattformen: E-Commerce
in der Industrie
DFP kommen zu einer ähnlichen Brancheneinschätzung wie die Kontraktfertiger.
Sie bemängeln die Ineffizienz der kleinbetrieblichen Struktur, die mit Investiti-
onsdefiziten und niedriger Kapazitätsauslastung einhergeht. Anders als die OKF
setzen sie jedoch auf die Nutzung der bestehenden Branchenstruktur, in der
sie sich als Intermediäre etablieren. Über eine neue digitale Schnittstelle wird
industriellen Kunden der Zugang zu einem breiten Spektrum an Produktions-
dienstleistungen erleichtert, während den vielen KMU der Branche vereinfachter
Zugang zu Aufträgen gewährt wird.
DFP integrieren E-Commerce-Ansätze in industrielle Lieferketten. Vertre-
ter*innen der führenden DFP gehen davon aus, dass sie die Branche aufgrund
der Transaktionskostenvorteile transformieren könnten und ziehen Vergleiche
zu Plattformmodellen im Einzelhandel oder in der Essensauslieferung. Aktuell
spielen sie im Lieferkettenmanagement der Teilefertigung allerdings nur eine
marginale Rolle. So wird nur ein Bruchteil der 800 Mrd. US-Dollar des glo-
balen Marktvolumens über die vier größten DFP für mechanische Teile generiert.
Weltweit sind unseren Recherchen zufolge jedoch bereits 64 Plattformen in die-
sem Markt aktiv und vergrößern kontinuierlich ihre Reichweite. Im Jahr 2022
verzeichnete die Plattform Xometry beispielsweise über 381 Mio. US-Dollar
Umsätze, was einen Zuwachs von 75 % zum Vorjahr darstellt (Xometry 2023).
Das Geschäftsmodell dieser Plattformen funktioniert dabei wie folgt: Die
Plattformbetreiber verfügen in der Regel über keine eigenen Produktionskapa-
zitäten. Stattdessen machen sie ein Netzwerk aus Zulieferern mit Produktionse-
quipment und Expertise für die unterschiedlichen Fertigungsverfahren verfügbar,
unter denen Kunden bedarfsgerecht wählen können. Dies ist ein Unterschied zum
Modell der OKF, bei dem meist recht spezialisierte Fertigungsdienstleistungen
angeboten werden. Die DFP und ihre dezentralen Produktionsnetzwerke ermög-
lichen es den Industriekunden, Transaktionskosten für die Suche nach geeigneten
Lieferanten zu senken, flexibel maßgeschneiderte Produkte zu beziehen und die
Beschaffungszeiten zu verkürzen. Der CEO einer DFP gab an, dass seine Platt-
form die Beschaffungszeit gegenüber regulären Bestellungen um 50 % reduziert.
Bislang sind DFP besonders dort attraktiv, wo Unternehmen Produkte mit einer
hohen Varianz und in geringen Mengen beschaffen müssen, beispielsweise beim
Prototyping und bei Kleinserien. Doch auch Großserien mit Losgrößen von
mehreren Zehntausend Teilen werden zunehmend über DFP nachgefragt.
Die Kunden der DFP können CAD-Zeichnungen und weitere Spezifikationen
der gewünschten Komponenten über eine Webseite hochladen. Nach Eingang
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung 241
und Prüfung wird der Auftrag an passende Fertigungspartner vermittelt. Das
geschieht in einem Auktionsverfahren, bei dem neben dem Preis auch Fakto-
ren wie die Lieferzeit und Qualitätskriterien eine Rolle spielen, oder zu einem
Festpreis (der jedoch auch unterboten werden kann). In anderen Fällen werden
Partnerbetriebe direkt zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. DFP treten dem
Teilefertiger gegenüber als Kunde und dem Auftraggeber des Produkts gegenüber
als Zulieferer auf. Sie stellen sich somit zwischen Kunden und Produzenten und
unterbinden meist die direkte Kontaktaufnahme zwischen beiden, sodass der Ver-
sand der Teile oftmals über die Logistik der Plattformbetreiber abgewickelt wird.
Die DFP erwirtschaften ihre Einnahmen aus ihrer Funktion als Zwischenhänd-
ler, aus der Differenz zwischen dem Einkaufspreis der Komponenten und dem
Verkaufspreis gegenüber den Endkunden.
Indem sie ein dezentrales Netzwerk von KMU mit Kunden verknüpfen, die
maßgeschneiderte Produkte benötigen, erreichen die DFP, was das Industrie-
4.0-Narrativ verspricht: die hocheffiziente Herstellung von individualisierten
Produkten. Anders als in der Zukunftsvision der Industrie 4.0 bedarf es dafür
jedoch keiner technologisch komplexen (und kapitalintensiven) „Smart Facto-
ries". Flexibilität wird im DFP-Szenario nicht durch digital vernetzte und sich
selbst optimierende Produktionsprozesse erreicht, sondern durch Innovationsleis-
tungen in der Distribution. Das Matchmaking der DFP bietet die Grundlage für
eine neue Form dezentraler On-Demand-Produktion. Die beteiligten KMU müs-
sen meist keine hohen technischen Anforderungen bezüglich der Digitalisierung
ihrer eigenen Produktionsprozesse erfüllen. Die unbedingt erforderliche Digitali-
sierung beschränkt sich auf die Kundenschnittstelle und liegt aufseiten der DFP,
nicht ihrer Fertigungspartner. Die Plattformen setzen dabei ähnlich wie auch die
OKF automatisierte Angebotskalkulationen ein. Manche Plattformen verwen-
den zudem Matchmaking-Algorithmen, um den Aufträgen automatisiert geeignete
Anbieter zuordnen zu können.
In der konkreten Ausgestaltung dieses Geschäftsmodells zeigt sich eine
gewisse Varianz zwischen den einzelnen DFP. Die für diese Studie untersuch-
ten DFP unterscheiden sich hinsichtlich des Einsatzes algorithmischer Systeme
zur Angebotskalkulation und Auftragsvermittlung, der Größe und geografischen
Struktur des Partnernetzwerks sowie der Entwicklungsmöglichkeiten für Part-
nerunternehmen. Technologische Vorreiter unter den DFP verfügen über eine
hochautomatisierte Auftragsabwicklung. Für jede hochgeladene Zeichnung wird
unmittelbar eine automatisierte Machbarkeitsprüfung durchgeführt und ein ver-
bindlicher Preis berechnet. In einem eigenen Bereich auf der Plattform werden
jedem Partner die individuell passenden Aufträge angezeigt. Die Fertigungspart-
ner können diese direkt annehmen oder ein Angebot dafür abgeben. All diese
242 F. Butollo et al.
Vorgänge werden auf der Plattform dokumentiert und gespeichert. Andere DFP
beschränken sich auf ein digitales Interface zum Upload von Zeichnungen und
3D-Modellen, wickeln die Angebotserstellung und die Vergabe der Aufträge
jedoch auf etabliertem Weg per E-Mail und Telefon ab. Eine von uns unter-
suchte DFP begründete dieses Vorgehen damit, dass viele Kunden Zeichnungen
und Modelle noch immer lieber per E-Mail schickten, statt das digitale Inter-
face zu nutzen, und eine weitere Automatisierung die Kunden eher überfordern
bzw. den Prozess verkomplizieren würde. Unabhängig davon, welchen Stellen-
wert der Einsatz algorithmischer Systeme in den Geschäftsmodellen hat: Hinter
allen DFP stehen Unternehmen mit Beschäftigten, die nicht nur mit der Software-
entwicklung befasst sind. Ein Großteil der Mitarbeiter*innen ist mit Kunden-
und Partnerbetreuung, Beratung, Qualitätskontrolle, Onboarding und Auditing
neuer Partnerunternehmen, Marketing und Logistik beschäftigt. Die Digitalisie-
rung der Auftragsvermittlung erfordert insofern einen beträchtlichen Aufwand
menschlicher Arbeit.
Einige Varianz zwischen den DFP besteht auch hinsichtlich der Größe ihrer
Netzwerke und ihrer geografischen Reichweite. So lässt sich zwischen Platt-
formen mit kleinem (bis zu 300 Partner) und großem Produktionsnetzwerk
(mehr als 1000 Partner) unterscheiden. Bezüglich der geografischen Veror-
tung des Produktionsnetzwerks lassen sich drei Strategien beobachten: Erstens
existieren Plattformen, die den Großteil ihrer Partner in den Regionen ihrer Kun-
denmärkte USA und Europa rekrutieren und komplementär dazu einige
Partnerbeziehungen in anderen Weltregionen unterhalten. Diese Strategie zielt
auf ein möglichst resilientes Partnernetzwerk ab, das Krisen durch die regionale
Verschiebung von Aufträgen abfedern kann. Zweitens gibt es DFP, deren Part-
nernetzwerk sich vorwiegend außerhalb ihrer westeuropäischen Kundenmärkte
in Regionen mit niedrigen Produktionskosten befindet, primär in Osteuropa und
Asien, insbesondere in China. Drittens werden intraregionale Lieferbeziehun-
gen unterhalten, um schnelle Lieferzeiten zu gewährleisten und beim Thema
Klimaverträglichkeit zu punkten. Das Modell der DFP ist somit mit unterschied-
lichen räumlichen Arrangements kompatibel. Alle genannten Strategien haben
sich bisher bewährt, was auch damit zusammenhängt, dass das Segment der DFP
insgesamt ein deutliches Wachstum verzeichnet.
Wie auch in herkömmlichen Zulieferbeziehungen wird die Geografie der Lie-
ferketten nicht allein von Kostenkriterien und den technischen Grundlagen der
Marktkoordination beeinflusst, sondern auch von Transportkosten und -aufwand,
der Qualität und der Liefertermintreue. Dennoch ist es bemerkenswert, dass durch
DFP ähnlich wie im E-Commerce eine direkte Vergleichbarkeit der Konditio-
nen und Preise erleichtert wird, was einen globalen Unterbietungswettlauf in
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung 243
der Branche befördern kann. Der CEO einer DFP beschrieb den Prozess dieser
weltweiten Standardisierung durch DFP am Beispiel der Lieferzeiten wie folgt:
„Eines der Dinge, die wir tun, ist Standards weltweit anzugleichen. Zum Beispiel
beträgt die Lieferzeit in Europa normalerweise vier bis sechs Wochen, während in den
USA und Asien ein bis zwei Wochen normal sind. [...] Wenn wir also mit europäi-
schen CNC-Lieferanten sprechen, sagen wir ihnen, dass unsere Standardlieferzeit für
Kunden zwei Wochen beträgt.“3
Die Folgen dieser Standardisierung spüren die Produktionsunternehmen, die mit
DFP kooperieren. Indizien dafür finden sich auch in unserer Umfrage unter einer
nicht-repräsentativen Stichprobe von Fertigungspartnern von DFP. Darin gab eine
Mehrheit der Befragten an, dass bei über DFP abgewickelten Aufträgen ein
größerer Wettbewerbsdruck vorherrschend sei (69 % Zustimmung) und kürzere
Lieferzeiten gefordert werden (64 % Zustimmung).
Eine solche Angleichung der globalen Standards könnte zu einer weiteren
Globalisierung der Lieferketten beitragen, zumal die Matchmaking-Funktion der
Plattformen zu einer erhöhten Markttransparenz führt. Über die Datenbanken der
Plattformen wird schnell ersichtlich, welche KMU angesichts ihres Leistungs-
spektrums und der angebotenen Konditionen für die Aufträge infrage kommen.
Dadurch könnten Produzenten in Hochlohnländern stärker als bisher von Unter-
nehmen mit niedrigeren Produktionskosten in Asien, Osteuropa, Afrika oder
Lateinamerika herausgefordert werden die ihrerseits von dieser Entwicklung
profitieren könnten. Bemerkenswert ist, dass dies nun auch für Bereiche der
Kleinserienproduktion gilt, in denen in der Vergangenheit eher intraregionale
Geschäftsbeziehungen vorherrschend waren.
Aus Sicht der Fertigungspartner auch das zeigt die bereits erwähnte
Umfrage ist die Kooperation mit DFP somit ambivalent. Als Vorteil und Gewinn
wird wahrgenommen, dass Teilefertiger über Plattformen zusätzliche Aufträge
erhalten, ihr Geschäft ausweiten und sogar ausländische Märkte erschließen kön-
nen, die bisher nur schwer zugänglich waren. Vertreter*innen der Plattformen
betonten im Interview, dass es KMU erleichtert wird, mit niedrigem Aufwand an
passende Aufträge zu kommen, was sich positiv auf ihre Geschäftsentwicklung
auswirkt. Allerdings sind die KMU zugleich einem verstärkten Wettbewerbsdruck
ausgesetzt, insbesondere auch mit Konkurrenten in Ländern mit niedrigeren Pro-
duktionskosten. In der ohnehin von einem hohen Kosten- und Konkurrenzdruck
sowie von Tarifflucht gekennzeichneten Teilefertigungsbranche entstehen durch
den Einfluss der DFP kaum günstigere Bedingungen für eine Aufwertung der
3Übersetzung aus dem Englischen durch die Autor*innen
244 F. Butollo et al.
Industriearbeit. Es ist vielmehr zu befürchten, dass sich der Kostendruck in der
Branche weiter verschärft und an die Beschäftigten weitergegeben wird.
Die Zusammenarbeit mit DFP könnte für KMU und ihre Beschäftigten jedoch
auch positive Effekte haben. Derzeit nutzen die meisten Unternehmen die DFP,
um ihr reguläres Kundengeschäft zu ergänzen, wodurch sie ihre Kapazitäten bes-
ser auslasten können. In unserer Umfrage gaben 52 % der Unternehmen an,
weniger als 10 % ihres Umsatzes über DFP zu generieren. Nur für 8 % der
KMU sind die Aufträge der Plattform von existenzieller Bedeutung, sie generie-
ren mehr als 75 % des Umsatzes über DFP. Viele Fertigungspartner schaffen es
dadurch, Schwankungen im Geschäftsbetrieb abzufedern und ihre Produktions-
anlagen stärker auszulasten, was in dieser volatilen Branche deutliche Vorteile
bietet und ein Grund für das schnelle Wachstum der DFP sein dürfte.
Wesentliche Profiteure der Transformation werden voraussichtlich die Platt-
formbetreiber sein, vorausgesetzt, sie schaffen es, ein nachhaltiges Geschäfts-
modell zu entwickeln.4Die DFP können von Netzwerkeffekten profitieren: Ein
ausreichend großes Partnernetzwerk, das zahlreiche Fertigungsverfahren anbietet,
macht sie attraktiv für Kunden. Zugleich muss die DFP dafür sorgen, dass die
Fertigungspartner ausreichend mit Aufträgen versorgt sind. Daten über Transakti-
onsprozesse und über die hochgeladenen Produktentwürfe können die Plattformen
aufzeichnen und zweitverwerten. Sie trainieren mit den Zeichnungsdaten ihren
Preisbildungsalgorithmus und entwickeln Software, die die Herstellbarkeit von
Teilen anhand der CAD-Datei der jeweiligen Bestellung überprüfen kann. Trans-
aktionsdaten (Preis, Liefertreue, Kommunikation etc.) werden dazu genutzt, die
Produktionspartner anhand einer Reihe von Kategorien zu bewerten, was sich
wiederum auf die Chancen des Produktionsunternehmens auswirkt, in Zukunft
Aufträge über DFP zu erhalten.
Der Aufstieg der DFP als neue Akteure in einem Kernbereich der industriel-
len Produktion wird mittlerweile innerhalb der Industrien, in denen die DFP aktiv
sind, aufmerksam und kritisch beobachtet. Dies liegt mutmaßlich an der Ähnlich-
keit ihrer Geschäftsmodelle zu jenen des E-Commerce und der Gig-Economy, wo
die Oligopole des digitalen Kapitalismus Produzenten und Konsumenten weitrei-
chend kontrollieren und stetig in neue Geschäftsfelder expandieren. Eine aktuelle
Studie zu den Geschäftspraktiken von Amazon-Händlern seit Gründung der Platt-
form zeichnet einen auch für die Teilefertiger möglichen Entwicklungspfad nach.
Auch wenn Amazon-Händler (temporär) erfolgreiche Geschäftsmodelle aufbauen
4Wie auch andere Bereiche der Digitalökonomie sind viele Start-ups der DFP-Szene derzeit
noch abhängig von Wagniskapital und erwirtschaften kaum Gewinne. Welche Anbieter hier
langfristig ein nachhaltiges Geschäftsmodell etablieren können, muss sich noch zeigen.
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung 245
können, ist ihr Erfolg eng an die Governance der Plattform gebunden. Regelän-
derungen können in kurzer Zeit ganze Geschäftsmodelle obsolet machen (Weigel
2023). Einer unserer Interviewpartner beschreibt die Parallele zur Gig-Economy
im Interview: „Es gibt so unendlich viele [DFP, d. Verf.] und das Problem ist,
[…] die schieben sich zwischen meinen Kunden, der kleinen Blechbude, und
deren Kunden, da schiebt sich diese Plattform dazwischen, so wie es die Uber
macht.“
5 Plattformalternativen: Neutrale Vermittlung und
Aufwertung der KMU?
Da die Branche negative Folgen einer Plattformisierung in der Industrie befürch-
tet, wird verstärkt über Plattformalternativen diskutiert. Durch sie sollen Vorteile
in der digitalen Vermittlung von Produktionskapazitäten genutzt werden, ohne
dass Gefahren der Marktkonzentration und neue Abhängigkeiten von proprietären
Plattformen entstehen. Stattdessen wird die technologische Aufwertung der KMU
ins Zentrum dieser Plattformarchitektur gerückt. Ein mittelständischer Teileferti-
ger und Anbieter von Produktionsplanungs- und Angebotskalkulationssoftware
(AL1) und ein Forschungsprojekt im Rahmen einer Kooperation von Einrichtun-
gen in Deutschland und Südkorea (AL2) schlagen beispielsweise andere Wege
ein als reguläre DFP.
Der Gründer und CEO von AL1 kritisiert, dass die bislang existierenden DFP
nur aufgrund ihrer Risikokapitalfinanzierung überleben könnten. Wirklich nach-
haltige Geschäftsmodelle würden erst dann entstehen, wenn eine durchgängige
Digitalisierung zwischen Angebotserstellung und Fertigung erreicht werde:
„Wir haben uns damals, entgegen dem Trend, eigentlich dazu entschieden, dass wir
das als Eigenfertiger alleine aufbauen wollen, weil wir der Meinung sind, dass die Zeit
noch nicht reif ist, um das effizient als Netzwerk durchführen zu können. […] [D]ie
Digitalisierung endet [bei den DFP, d. Verf.] im Backoffice, also ab dem Zeitpunkt,
wo der Teilebedarfs-Kunde die Bestellung abgedrückt hat oder abgeschickt hat […].
Ab dem Zeitpunkt läuft das alles analog.“
Die Entwickler*innen von AL2 wiederum kritisieren die Gefahr einer Abhängig-
keit der Teilefertiger von proprietären Plattformen, sollte sich eine Marktmono-
polisierung einstellen, wie sie im E-Commerce (Amazon) oder in der Vermittlung
von Unterkünften (Booking.com/Airbnb) zu beobachten ist:
246 F. Butollo et al.
„Im Bereich der Digitalisierung, im Bereich der IT haben Sie immer das Problem,
wenn Sie sich genau an einen Anbieter hängen, der eine proprietäre Schnittstelle
anbietet, dann sind Sie verhaftet, dann kommen Sie da nicht raus, dann haben Sie den
Lock-in und das will man nicht. Das ist aus Plattformbetreibersicht vielleicht ideal,
weil man dann natürlich den Lieferanten gewissermaßen auch im Griff hat. Und das
macht auch Xometry. Das geht ja viel weiter, als einfach nur so eine Drehscheibe
zu sein für Anbieter […]. Der Lieferant ist quasi völlig ausgeliefert. Wenn es andere
Plattformen gäbe, vielleicht mit der gleichen Schnittstelle, dann hätte Xometry sofort
eine Konkurrenz und würde sich anders verhalten.“
AL2 ist als Prototyp im Rahmen eines Testbeds des Industrial Internet Con-
sortium (IIC) entstanden und wird von Unternehmen wie Microsoft und SAP
unterstützt. Das Ziel der Entwickler*innen ist es, auf Basis offener Standards
eine Plattformarchitektur für digitale industrielle Marktplätze zu erarbeiten, die
Lock-ins verhindert.
AL1 nimmt die Digitalisierung der Prozesse der Teilefertiger zum Ausgangs-
punkt, um ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwerfen. Dafür kombiniert AL1
die Eigenfertigung mit dem Vertrieb einer Produktionsplanungs- und Kalkulati-
onssoftware. Diese Software wurde ausgehend vom eigenen Bedarf gestaltet und
wird nun auch anderen KMU in der Größenordnung bis 50 Mitarbeiter*innen
angeboten. Mittels eines KI-Algorithmus werden die Charakteristika des Ferti-
gungsbetriebs (z. B. Maschinentyp, Produktionsprozesse, verfügbare Materialien)
erfasst, um die Produktionsplanung und Angebotskalkulation treffsicherer zu
machen. Dem Gründer von AL1 zufolge liegt in der adaptionsfähigen Software
ein wesentlicher Unterschied zu den im vorherigen Abschnitt beschriebenen DFP,
die ausschließlich über eine generische Software verfügen, die Besonderheiten
der Ausstattung des jeweiligen KMU nicht berücksichtigt. Damit tragen DFP
immer ein beträchtliches Restrisiko, da sie dem Kunden auf Basis ihrer gene-
rischen Preiskalkulation einen Preis zusagen, für den sie dann eventuell keinen
Produzenten finden.
Ein weiterer Vorteil der Software von AL1 liegt in der Beschleunigung
der Arbeitsschritte in der Auftragsakquise. Die Zeit für eine Angebotskalkula-
tion verringert sich von etwa 15 auf etwa 3 Minuten. Da die Kalkulation der
Angebote ein großer Kostenfaktor für Teilefertiger ist, entsteht hierdurch eine
deutliche Kosteneinsparung. Während solche Softwarelösungen auch von OKF
und DFP angeboten werden, zielt AL1 auf eine weitreichendere Integration
zwischen Kundenanforderungen und den Produktionsprozessen. Perspektivisch
sollen Bestellungen über die Plattform automatisch in die Produktionsplanung
eingesteuert werden. Dies wird aktuell in der Eigenfertigung von AL1 getestet:
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung 247
„Also wir wissen, in dem Moment, wo jemand bei uns was hochlädt, wissen wir
schon, wann und auf welcher Maschine, mit welchem Rohmaterial, mit welchen
Spannmitteln dieses Teil letztendlich gefertigt wird, wenn es bestellt wird. Und das
wissen die Plattformen nicht. Und wenn es dann bestellt wird, dann laufen im Endef-
fekt die ganzen Daten vollautomatisch ins ERP-System.“
Folgt man der Argumentation des CEO von AL1, so kann das Plattformmodell
erst gewinnbringend funktionieren, wenn KMU ihre Prozesse durchgehend digi-
talisiert haben, beispielsweise mithilfe der Software von AL1: „Kunden [unserer
Software, d. Verf.] werden in Zukunft potenzielle Netzwerkfertiger sein, die digi-
tal und effizient in einer Plattform auch arbeiten können.“ Solange die digitale
Integration zwischen Fertiger und Plattform fehlt, bleibt die Vermittlung durch
DFP hingegen auf einen hohen Anteil menschlicher Arbeit angewiesen. Nach
Auffassung von AL1 seien die neuen Geschäftsmodelle deswegen unprofitabel,
was gegenwärtig nur durch die Finanzierung durch Wagniskapitalfonds verdeckt
werde.5
Sollte AL1 es schaffen, eine kritische Zahl an Teilefertigern für die Nut-
zung der eigenen Softwarelösung und für das angedachte Plattformmodell zu
gewinnen, so könnte dies durchaus ein High-Road-Szenario für Produktionsbe-
triebe in der aktuellen Transformation der Teilefertigung darstellen, das heißt ein
Zukunftsszenario, das auch eine positive Weiterentwicklung für die KMU der
Teilefertigungsbranche bedeutet. Das Angebot von AL1 richtet sich primär an
regionale Lohnfertiger und wird als Instrument verstanden, diese durch techni-
sche Aufwertung zu stärken. Bei dem Modell von AL1 handelt es sich jedoch
um ein proprietäres Plattformkonzept, das sich diesbezüglich nicht wesentlich
von anderen DFP unterscheidet: Die „Vision“ sei, „in zwei bis drei Jahren das
Amazon der Fertigung [zu, d. Verf.] werden“. Die Plattform von AL1 schiebt sich
insofern genauso wie die zuvor beschriebenen DFP zwischen die KMU der Tei-
lefertigung und ihre Kunden, was langfristig zu einem Abhängigkeitsverhältnis
führen könnte.
Ob sich im Feld der Produktionsplattformen überhaupt ähnliche Lock-in-
Effekte einstellen werden, wie im Feld des konsumentenseitigen Internets, ist
derzeit allerdings noch nicht absehbar. Diese Erwartung, die am stärksten von
AL2 formuliert wurde, speist sich aus den Erfahrungen mit der tatsächlichen
Monopolstellung von Internetplattformen infolge von Netzwerkeffekten und der
faktischen privaten Aneignung von Marktplätzen (Staab 2019). Aktuell ist die
5Während diese Einschätzung auf die meisten DFP zuzutreffen scheint, gibt es auch Ausnah-
men. Eine der umsatzstärksten DFP weltweit, die zu unserem Sample gehört, betonte, dass
das eigene Geschäftsmodell von Beginn an profitabel gewesen sei.
248 F. Butollo et al.
Struktur des DFP-Marktes jedoch weit von einer Monopolisierungsdynamik ent-
fernt. Weltweit operieren zahlreiche DFP und Lock-in-Effekte sind derzeit kaum
sichtbar. Eine Monopolisierung des DFP-Segments ist perspektivisch aber durch-
aus denkbar. Die Voraussetzung dafür wäre analog zu den Entwicklungen
im E-Commerce –, dass eine DFP es versteht, ihr Geschäftsmodell schnell
zu skalieren, dabei Netzwerkeffekte zu nutzen und eine Überlegenheit in der
Softwareentwicklung ins Feld zu führen. Allerdings bleibt fraglich, ob Netzwer-
keffekte in der Teilefertigungsindustrie eine ähnliche Rolle spielen werden wie im
konsumentenseitigen E-Commerce. Denn es ist aktuell nicht erwiesen, dass die
DFP mit den meisten Fertigungspartnern günstigere oder passendere Angebote
anbieten kann als die Konkurrenz.
6 Restrukturierung der Teilefertigung: Chance oder
Bedrohung für die Beschäftigten?
Das beschäftigungsintensive Industriesegment der Teilefertigung steht vor einem
deutlichen Wandel, der weniger durch produktionstechnische Veränderungen als
durch die Transformation der Geschäftsmodelle an der Schnittstelle zu den
Kunden angestoßen wird. Die Digitalisierung des Matchmaking, der Auftragsver-
mittlung und (in einigen Fällen) mancher Funktionen der Produktionsvorbereitung
schaffen neue Möglichkeiten, Aufträge über Online-Portale und -Plattformen
abzuwickeln. So gelingt aus Kundensicht eine flexiblere Verfügbarmachung von
Produktionskapazitäten auch für die Kleinserienproduktion und Einzelteilferti-
gung. Bisherige Lieferantenbeziehungen können dadurch transformiert werden,
dass KMU durch OKF verdrängt werden oder DFP sich zwischen sie und ihre
Auftragnehmer stellen. Zwar bestehen die geschilderten neuen Geschäftsmodelle
der OKF und DFP bislang nur an den Rändern der Branche und im Falle
der Plattformalternativen eher als Konzepte, denn als Praxis –, es ist jedoch
wahrscheinlich, dass sie in Zukunft weiter expandieren, da sie an realen Proble-
men der Branche ansetzen: der mangelnden Kapazitätsauslastung der KMU und
deren beschränkter Kapazitäten zur Markterschließung und Kundeninteraktion.
Die Digitalisierung der Distributionskanäle, die für alle Modelle kennzeich-
nend ist, macht Unternehmen verfügbarer und sichtbarer für Kunden, senkt
Transaktionskosten und vergrößert dadurch die Spielräume für die beteiligten
Akteure.
Das kapitalintensive Modell der OKF zielt auf die hohe Auslastung eines
im Vergleich zu herkömmlichen KMU technisch avancierten Maschinenparks.
Industrieller E-Commerce. Verfügbarmachung 249
Es steht für Konzentrationsprozesse in der Branche, aber auch für Aufwer-
tungspotenziale, die sich durchaus in Spielräumen für bessere Konditionen für
die Beschäftigten widerspiegeln können. Im untersuchten Fallbeispiel ist das
Geschäftsmodell dezidiert regional ausgerichtet. Das Unternehmen muss sich
daher kaum der Weltmarktkonkurrenz stellen und kann profitabel wirtschaften.
Das Spektrum der angebotenen Leistungen ist jedoch kleiner als bei den DFP,
die als wesentlicher Herausforderer der OKF angesehen werden können.
Die Strategien der DFP wiederum sind heterogen ausgerichtet. Sie eint jedoch
das Ziel, Kapazitäten der Fertigungspartner für industrielle Kunden mithilfe einer
Online-Plattform und Softwarelösungen zur Vereinfachung der Transaktionen ver-
fügbar zu machen. Erträge durch verringerte Transaktionskosten werden dabei
anteilig von den DFP eingestrichen. Die beteiligten KMU können dennoch Vor-
teile erzielen, wenn sie Aufträge von den DFP nutzen, um ihre Kapazitäten besser
auszulasten und neue Kunden zu erschließen. Sie stehen jedoch auch unter einem
schärferen Konkurrenzdruck in einem transparenteren Markt, der stärkere Diszi-
plin bezüglich der Preisgestaltung und der Lieferzeiten abverlangt. Einige DFP
fungieren hierbei sogar als Transmissionsriemen des globalen Kostenwettlaufs,
indem sie Fertigungspartner aus allen Weltregionen in Konkurrenz zueinander
setzen.
Auch wenn sich daraus gravierende Probleme für bestehende KMU und ihre
Beschäftigten ergeben können, wäre es verfehlt, DFP grundsätzlich als Bedrohung
zu interpretieren. Zum einen würde dies auf eine Idealisierung der bestehenden
Teilefertigungsbranche mit ihrem Innovationsrückstand und verbreiteten Prakti-
ken der Tarifflucht hinauslaufen. Zum anderen liegt bei den DFP der Teufel im
Detail: Die Effekte auf KMU hängen davon ab, wie die Governance zwischen
Kunden und Fertigungspartnern ausgestaltet wird, ob Gewinne aus Transaktions-
kosten auch an die beteiligten Partner weitergegeben werden, in welchem Ausmaß
die KMU Vorteile in Marktzugängen und Angebotserstellung nutzen können und
wie stark sie in eine ruinöse Preiskonkurrenz getrieben werden. In der kritischen
Diskussion über digitale Plattformen im B2C-Bereich und in den sozialen Medien
wurden Forderungen entwickelt, die Machtasymmetrien zwischen Plattformen
und ihren Nutzern thematisieren. Die Debatten über Informationsasymmetrien,
Lock-in-Effekte und Datengovernance sind ebenso relevant für die Gestaltung der
Transformation der Teilefertigungsindustrie. Sie finden den stärksten Widerhall in
den beschriebenen Ansätzen der Plattformalternativen. Im Gegensatz zu den OKF
und DFP existieren diese bislang jedoch nur als Vision, die droht, von den realen
Entwicklungen der Branche abgehängt zu werden. Wie im Bereich des konsumen-
tenseitigen Internets sollte die Gestaltung von Industrieplattformen eine Frage der
Regelsetzung durch Industrieverbände und staatliche Regulierungsinstanzen sein.
250 F. Butollo et al.
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Exit, Voice, and Networks. Die
Digitalisierung als Katalysator für
Widerspruch und Netzwerkbildung
in Organisationen
Lene Baumgart
Zusammenfassung
Die Verfügbarmachung digitaler Plattformen in Organisationen beeinflusst,
wie deren Mitglieder miteinander kommunizieren und sich vernetzen. Entlang
eines empirischen Beispiels wird in dem Beitrag gezeigt, dass Kommunikati-
onsplattformen nicht nur genutzt werden, um die Arbeit in der Organisation zu
strukturieren, sondern auch, um Unzufriedenheit und Widerspruch zu äußern.
Statt Unterstützung von institutionalisierten Interessenvertretungen einzuholen,
greifen Organisationsmitglieder auf digitale Plattformen zurück, vernetzen sich
über diese informal und gründen alternative Repräsentationsgruppen. Damit
wird die Digitalisierung zum Katalysator für Widerspruchskommunikation und
für eine Vernetzung jenseits der Formalstruktur. Für Organisationen stellen sol-
che Widerspruchsnetzwerke eine potenzielle Gefahr dar. Sie reagieren daher
mit Kooptation, das heißt, sie integrieren die Netzwerke in ihre Formalstruk-
tur, unterstützen sie so bei deren Arbeit und wenden das Problem produktiv
für die beteiligten Akteure.
Schlüsselwörter
Digitale Kommunikationsplattformen Digitalisierung Industrielle
Beziehungen Netzwerke Organisationen Softwareentwicklung
Widerspruchskommunikation
L. Baumgart (B)
Potsdam, Deutschland
E-Mail: baumgart.l@posteo.de
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_11
253
254 L. Baumgart
1 Softwareentwickler*innen aller Länder, vernetzt
euch!
In den vergangenen Jahren hörte man vor allem von Kollektivierungsprozessen,
Protestaktionen und Gewerkschaftsbildungen seitens der Beschäftigten soge-
nannter Gigwork- und Cloudwork-Organisationen (Küppers 2022; Tassinari und
Maccarrone 2020). Doch auch abseits dieser digitalen „Plattformunternehmen“
(Dolata und Schrape 2022) kommt es in Organisationen zu verschiedenen ver-
organisierten Protestformen (Buchter 2021; Briscoe und Gupta 2016). Diesen
sozialen Phänomenen ist gemein, dass sie Widerspruch gegen bestehende Orga-
nisationsstrukturen oder -praktiken kommunizieren und eigenständig für deren
Verbesserung eintreten. Daraus ergibt sich die Frage, wie sich solche Wider-
spruchsformen durch die Digitalisierung von Organisationen verändern und
inwiefern digitale Kommunikationsplattformen bei der Äußerung von Wider-
spruch und der Vernetzung der Organisationsmitglieder eine Rolle spielen.
Ich möchte dieser Frage mithilfe einer empirischen Fallstudie nachgehen, in
der ich das digitale Widerspruchsnetzwerk Software Development Network1(im
Folgenden: SDN) untersucht habe. Hierbei handelt es sich um ein Netzwerk von
Softwareentwickler*innen (im Folgenden: SE) innerhalb eines deutschen Tech-
nologiekonzerns, dessen Mitglieder mit den bestehenden Organisationsstrukturen
unzufrieden sind. Das Netzwerk entstand 2019 nach einer organisationsweit ver-
breiteten Widerspruchsäußerung eines Softwareentwicklers, der auf der digitalen
Kommunikationsplattform die „Softwarekultur“ des Konzerns bemängelte und die
Organisation daraufhin verließ. Andere SE nutzten dieses Moment, um ebenfalls
ihre Frustration zu äußern. Doch statt abzuwandern, gründeten sie das infor-
male Netzwerk SDN, das sich für ihre Interessen sowie eine Optimierung der
Arbeitsbedingungen einsetzt. Es erstreckt sich über den Konzern und seine Toch-
tergesellschaften mit insgesamt ca. 400.000 Mitarbeitenden und bestand 2021
bereits aus ca. 2500 Mitgliedern. Das Netzwerk arbeitet ausschließlich online
zusammen und nutzt dafür die digitalen Infrastrukturen des Konzerns. Das heißt,
die Organisation selbst stellt die digitalen Mittel zur Verfügung, mit deren Hilfe
Unzufriedenheit bekundet und Kooperation organisiert wird. Aus dieser Beob-
achtung leite ich die zentrale These des Beitrags ab, dass Organisationen es ihren
Mitgliedern durch die Verfügbarmachung von digitalen Kommunikationsplattfor-
men erleichtern, sich jenseits der Formalstruktur zu vernetzen und Widerspruch
zu kommunizieren.
1Zur Wahrung der Anonymität werden die Namen der Organisation, der Akteure und der
verschiedenen Einheiten etwas abgewandelt.
Exit, Voice, and Networks. Die Digitalisierung 255
Um diese These zu plausibilisieren, schließe ich an Hirschman (1970,2010)
an, der illustriert, dass Akteure insbesondere auf zweierlei Art auf einen „Leis-
tungsabfall“ sozialer Beziehungen oder den Verfall „geordneter Verhältnisse“
reagieren: Entweder sie wandern ab oder sie äußern Widerspruch (Hirschman
2010, S. 204). Im untersuchten Beispiel lässt sich über die bisherigen Beob-
achtungen von Widerspruch hinaus erkennen, dass die digitale Plattform der
Organisation genutzt wurde, um ein Netzwerk als informale Interessenvertretung
zu gründen. Die SE schlossen sich demnach nicht einer Gewerkschaft an oder
konsultierten den Betriebsrat, sondern wurden selbst jenseits der organisationalen
Formalstruktur aktiv. Hier knüpfe ich an Studien an, die zeigen, wie erfolgreich
sich Netzwerkzusammenschlüsse mehrerer Organisationen in Gegenüberstel-
lung mit Gewerkschaften für die Interessen ihrer Mitglieder einsetzen (z. B.
Heckscher und Carré 2006) und wie neue Formen der betrieblichen Partizi-
pation in der Post-Industrialisierung organisiert werden (z. B. Ittermann 2009;
Müller-Jentsch 1999).
Dabei verdeutlicht das empirische Beispiel, dass der aktivistische Widerspruch
und die Vernetzung zumindest zu Beginn für den Konzern eine Gefährdung dar-
stellen. Um diese zu relativieren, kooptiert die Organisation das Netzwerk und
bietet ihm formale Strukturen zur Unterstützung an. Zur Beschreibung dieses
Prozesses nutze ich die Theorie von Selznick (1949), der unter dem Begriff der
„Kooptation“ darlegt, wie Organisationen solche Gefährdungen abwenden, indem
sie die Einheiten in die eigene Formalstruktur integrieren. Die Widersprechen-
den werden von der Organisation legitimiert und befriedet, indem sie in den
Lösungsprozess offiziell einbezogen werden (Selznick 1949, S. 260).
Im folgenden Kap. 2werde ich diese theoretischen Vorannahmen explizieren.
Anschließend stelle ich die Methode vor (3) und rekonstruiere den empirischen
Fall entlang der folgenden drei Fragen als Prozess (3.1–3.2): Was sind die Gründe
für den Widerspruch des Netzwerks und wie äußert er sich? Wie organisiert sich
das Netzwerk, um brauchbare Lösungen für seine Probleme zu entwickeln? Wie
kooptiert der Konzern das Netzwerk, um damit einhergehende Gefahren abzu-
wenden? In der anschließenden Diskussion (4) wird deutlich, dass der Fall für
die Digitalisierungsdebatte insofern relevant ist, als die Digitalisierung nicht nur
die Kommunikation von Widerspruch vereinfacht, sondern auch neue Formen der
Interessenvertretung ermöglicht.
256 L. Baumgart
2 Zum Verhältnis von Organisationen, Widerspruch
und (Widerspruchs-)Netzwerken
Organisationen begünstigen die Entstehung von Netzwerken. Unter ihrem Dach
können die Mitglieder Beziehungen zueinander aufbauen, eingehen oder sie für
eigene Zwecke nutzen (Tacke 2000, S. 6, 24). Problematisch werden Netzwerke
für Organisationen nur dann, wenn sie deren Ressourcen „parasitieren“ oder
die Netzwerkstrukturen die formalen Kommunikationswege und Arbeitsteilun-
gen übergehen (Holzer und Fuhse 2010, S. 321). Um derartige Belastungen zu
vermeiden, kooptieren Organisationen die Gefahrenquellen, indem sie sie mit
formalen Strukturen unterstützen und sie so von sich abhängig machen (vgl. Selz-
nick 1949, S. 259). Für die Netzwerke wiederum ist es vorteilhaft, die formalen
Strukturen der Organisation zu nutzen. Denn im Gegensatz zu Organisationen,
die die Leistungserbringung ihrer Mitglieder über formale Mitgliedschaftsbedin-
gungen sicherstellen (Luhmann 1999), können Netzwerke ihre Erwartungen nur
auf Reziprozität und Vertrauen gründen (Holzer und Fuhse 2010, S. 321; Tacke
2000, S. 17). Das heißt, Mitglieder von Netzwerken kommunizieren untereinan-
der gegenseitige Erwartungen an zukünftig zu erbringende Leistungen (Bommes
und Tacke 2007, S. 15). Daraus ergibt sich eine Art „netzwerkspezifisches Leis-
tungsspektrum“ (Bommes und Tacke 2007, S. 16), durch das sich Netzwerke als
soziale Systeme von einer sie umgebenden Umwelt abgrenzen (Holzer und Fuhse
2010, S. 318). Mitglieder von Netzwerken lassen sich nicht einfach exkludieren,
wenn sie Leistungserwartungen nicht erfüllen. Arbeitsverweigerungen in Organi-
sationen hingegen können zu Abmahnungen, Repressalien oder Exklusion führen
(Hirschman 2010, S. 206). Gleiches gilt für offen kommunizierten Widerspruch,
den die Organisation nur bei dessen verdeckter Kommunikation akzeptieren kann
(Kühl 2011,S.32).
Neben offen kommuniziertem Widerspruch (voice) gibt es laut Hirschman
(1970,2010) die Möglichkeit der Abwanderung (exit), wenn Akteure mit einer
sozialen Beziehung unzufrieden sind. Unter sozialen Beziehungen versteht er
solche von Mitgliedern einer Organisation, in Familien, von Konsument*innen
von Waren oder Bürger*innen eines Staates (Hirschman 2010, S. 204). Wäh-
rend Abwanderung zwar ein mächtiges Werkzeug dafür ist, das Management
von Organisationen auf Fehler hinzuweisen, ist es ungeeignet, um konkrete Ver-
besserungen anzustoßen (Hirschman 2010, S. 205). Anders verhält es sich mit
Widerspruchskommunikation, die auch auf Probleme aufmerksam macht, aber
Exit, Voice, and Networks. Die Digitalisierung 257
zugleich die Situation verbessern möchte (Hirschman 2010, S. 207).2Der aus-
schlaggebende Mechanismus für die Wahl des Widerspruchs ist Loyalität (loyalty)
gegenüber der Organisation (Hirschman 2010, S. 207). Diese Loyalität führt
dazu, dass unzufriedene Organisationsmitglieder statt zu einer konkurrieren-
den Organisation zu wechseln sich kollektivieren, um erstarkt Forderungen an
die Managementebene zu adressieren (Hirschman 2010, S. 209).
Forderungen an das Management wurden und werden oftmals von Interessen-
vertretungen der Beschäftigten formuliert, wie beispielsweise von Betriebsräten
oder Gewerkschaften (vgl. Müller-Jentsch 1999). Doch gerade derartige Beschäf-
tigtenvertretungen haben sich im Zuge der Digitalisierung und der New Economy
verändert (Ittermann 2009, S. 11). So zeigen die Theorien industrieller Beziehun-
gen, dass es vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen zu neuen Formen
der Beschäftigtenpartizipation und Selbstvertretung kommt, während Großun-
ternehmen weiterhin durch die Institutionen der industriellen Beziehungen,
insbesondere Betriebsräte, geprägt sind (Ittermann 2009, S. 13 ff.). Gewerkschaf-
ten und Betriebsräte haben auf die Entwicklungen der Digitalisierung reagiert,
erste Schritte in Richtung einer digitalen Arbeitspolitik unternommen und Initiati-
ven im Bereich der Plattformwirtschaft ins Leben gerufen, wie beispielsweise die
Fair Crowd Work der IG Metall (ausführlich hierzu Haipeter et al. 2021,S.29ff.;
Haipeter und Hoose 2019,S.4ff.;LeeundStaples2018, S. 513). Zugleich
gilt der analoge und persönlich hergestellte Zusammenhalt von Organisations-
mitgliedern und ihren betrieblichen oder gewerkschaftlichen Repräsentant*innen
weiterhin als der „Königsweg zur Genese von Solidarität“ (Lee und Staples
2018, S. 502), die mittels digitaler Interaktion nicht erreicht werden könne. Das
Argument meines Textes schließt hier an, widerspricht aber dieser Beobach-
tung: Die Verfügbarmachung der digitalen Kommunikationsplattform ermöglicht
den unzufriedenen Mitgliedern nicht nur die organisationsöffentliche Kommu-
nikation von Widerspruch, sondern begünstigt zusätzlich die Kollektivierung in
einem Netzwerk als alternative Interessenvertretung in einem Großunternehmen.
Im folgenden Kapitel wird nach einer Skizze des methodischen Vorgehens der
empirische Fall rekonstruiert und vorgestellt.
2Demgegenüber lässt sich die Studie von Ruiner et al. (2020) über Ärzt*innen anführen,
die zum Ausdruck ihres Widerspruchs gegen die vorherrschenden Verhältnisse ihre Kranken-
häuser verließen und sich als „locum tenens physicians“ (Vertretungsärzt*innen) beauftragen
ließen. Durch diese Arbeit als unabhängige Professionals sahen sie sich eher in der Lage,
„voice“ zu äußern, auf die Missstände hinzuweisen und bessere Bedingungen einzufordern
(Ruiner et al. 2020, S. 851 ff.).
258 L. Baumgart
3Software Development Network: Vom Widerspruch
zum kooptierten Netzwerk
Für die Fallstudie habe ich Anfang 2021 insgesamt 15 qualitative, leitfaden-
gestützte Interviews (vgl. Klemm und Liebold 2017) mit Vertreter*innen aller
Einheiten des Netzwerks geführt (zu den verschiedenen Einheiten siehe ausführ-
licher Abschn. 3.2 und 3.3). Zusätzlich zu den Interviews (im Folgenden: I) gab
es im zweiwöchentlichen Abstand kurze Abstimmungsgespräche mit den zwei
Ansprechpartner*innen im Feld. Zum Ende der Erhebung wurde ein Abschluss-
workshop veranstaltet, bei dem einzelne Thesen getestet und diskutiert wurden.
Die Interviews wurden transkribiert und pseudonymisiert, die Gespräche und der
Workshop dicht protokolliert. Alle Daten wurden nach der Methode von Kuckartz
und Rädiker (2022) inhaltsanalytisch ausgewertet und mit den Ergebnissen aus
Dokumentenanalysen trianguliert (siehe hierzu Flick 2011). Die Daten wurden
in einem Zweischritt ausgewertet: Nach einer ersten induktiven Kategorienbil-
dung und anschließenden Sortierung in einem hierarchischen Kategoriensystem
erfolgte eine weitere deduktive Auswertung mithilfe systemtheoretischer Vor-
annahmen über Organisationen (insbesondere Luhmann 1999), ergänzt durch
theoretische Konzepte über Netzwerke (Tacke 2000; Holzer und Fuhse 2010;
Heckscher und Carré 2006), Widerspruch (Hirschman 1970;2010), industrielle
Beziehungen (Müller-Jentsch 1999; Ittermann 2009) und Protest oder Aktivis-
mus in Organisationen (Tratschin 2016; Briscoe und Gupta 2016). Die Ergebnisse
legten es nahe, die Daten im Sinne der „temporal bracketing strategy“ (Langley
1999, S. 703) in zeitliche Perioden zu zerlegen, um anschließend eine systema-
tische und chronologische Geschichte des Netzwerks erzählen zu können. Die
Geschichte beginnt vor der Gründung des selbstorganisierten Netzwerks mit der
Unzufriedenheit der SE, die schließlich zum initialen Widerspruchs-Posting auf
der digitalen Kommunikationsplattform führte.
3.1 Geschichten aus Absurdistan3oder die Gründe des
Widerspruchs
Als maßgeblicher Grund für den initialen Widerspruch der SE wurde die feh-
lende Wertschätzung ihrer Arbeit seitens des Konzerns genannt (I1; I12).4Die
3Diese Wortwahl entstammt einem Interview: „Gerade hat mich einer angepingt und meinte,
hey, hast du mal fünf Minuten? Ich habe die neueste Geschichte aus Absurdistan.“ (I12).
4Die Darstellungen beziehen sich ausschließlich auf die Perspektive der Netzwerkmitglie-
der und lassen weitere Perspektiven der Organisation außen vor. Ich gehe davon aus, dass
Exit, Voice, and Networks. Die Digitalisierung 259
SE verweisen dazu auf strukturelle Probleme, mit denen sie sich in der Orga-
nisation konfrontiert sehen. Sie bemängeln etwa, dass die Managementebene
Entscheidungen für die SE trifft, aber selbst keinen IT-Hintergrund hat: „Wie
kommt es, dass wir von Management-Persönlichkeiten geführt werden, die unsere
Domäne, die Softwareentwicklung, nicht verstehen?“ (I10) Diese Wahrnehmung
wird dadurch verschärft, dass die Fachexpert*innen zur Entscheidungsfindung
zwar zurate gezogen werden, das finale Ergebnis dann aber von der Führungskraft
als eigene Idee präsentiert wird (vgl. I12).
Auf Managementebene fehlt es überwiegend an IT-spezifischen Qualifikatio-
nen worin ebenfalls Frustrationspotenzial für die SE besteht –, da es für die
SE keinen fachlichen Karrierepfad gibt. Das heißt, SE können sich fachlich zwar
weiterentwickeln, steigen damit aber nicht in der Hierarchie auf (I11): „Jedes gute
IT-Unternehmen hat das, wo ein Entwickler sieht: Okay, das erwartet mich in den
nächsten fünf bis zehn Jahren, das sind die Möglichkeiten, die ich habe.“ (I2)
Wenn die SE also weiterhin fachlich arbeiten und Software entwickeln möchten,
können sie das nur ohne formalen Karriereaufstieg.
Ein anderes strukturelles Problem ist der Mangel an entsprechender Hard- und
Software sowie fehlende Zugangsrechte. Bezüglich der unzureichenden Hardware
berichtet ein Interviewpartner: „Ich komme hier an Tag eins an, […] dann kriege
ich einen Rechner in die Hand gedrückt, auf dem habe ich gar keine Admin-
rechte, also ich kann da nichts installieren. Und die USB-Ports sind geblockt, da
denke ich, ihr scheint mir ja wirklich zu vertrauen.“ (I12) Um Software schreiben
zu können, bedarf es bestimmter digitaler Programme und Lizenzen zu Code-
Datenbanken. Diese fehlen den Entwickler*innen, sodass sie ihren Job nicht gut
machen können: „Wenn man eine moderne Software entwickelt, dann hat man
normalerweise Github und eine CI/CD-Pipeline und alles, was dazugehört. Und
das ist ein Riesenkrampf, diese normalerweise ‚State of the Art‘-Umgebung hier
aufgesetzt zu kriegen.“ (I12; ähnlich auch in I9).
Eine weitere Schwierigkeit ist die Dauer der Bearbeitungszeit des zentralen
IT-Supports, an den sich SE bei Problemen wenden müssen: „Man macht dann
sich für jedes Problem der Softwareentwicklung ein rationaler Grund in der Organisation
finden ließe. Da dies hier jedoch keine funktionale Analyse (vgl. Luhmann 1984) oder ein
Vergleich verschiedener lokaler Rationalitäten (vgl. Cyert et al. 1963) sein soll, verzichte
ich auf die Darstellung divergierender Sichtweisen. Mir ist bewusst, dass sich der Beitrag
dadurch zugunsten der SE lesen lässt, deren ohnehin bereits privilegierter Status und macht-
volle Position nicht kritisch reflektiert werden. Hier wäre eine weitere Auseinandersetzung
mit dem Netzwerk notwendig, die auch die Frage beleuchtet, inwiefern die exklusive Soli-
darität des Netzwerks dazu führt, dass ein weitaus größerer Teil der Organisation davon
unberücksichtigt bleibt.
260 L. Baumgart
ein Ticket auf und dieses Problem, was in einer modernen IT-Firma innerhalb
von wahrscheinlich zehn Minuten gefixt wird, ist jetzt seit Anfang letzter Woche
offen. Und ich habe noch nicht mal eine Reaktion.“ (I12) Diese Herausforderun-
gen trugen dazu bei, dass einzelne SE die Organisation verließen, was bei den
Übriggebliebenen zusätzliche Frustration auslöste (vgl. I10).
Ein SE hat zu seinem Organisationsaustritt ein Wut-„Posting“ auf der orga-
nisationsinternen Kommunikationsplattform verfasst, in dem er diese herausfor-
dernde Situation beschreibt. Das Posting wurde in kürzester Zeit über 700 Mal
kommentiert, hatte über 100.000 Views und wurde ca. 4000 Mal geliked: „Und
er war nicht der Erste, der es gemacht hat, aber er hat offensichtlich den Nerv der
Zeit getroffen. Und das Ding ging dann viral, und wir haben dann direkt gesagt,
okay, geil ein Shitstorm, lasst uns den irgendwie produktiv nutzen. Und haben
angefangen, mit den Leuten auf der Plattform zu diskutieren.“ (I2) Diese erste
Phase der Unzufriedenheit führte 2019 zum Zusammenschluss einzelner SE, die
etwas verändern wollten und dem Management mit Abwanderung drohten, wenn
die Strukturen nicht angepasst würden. In einer anschließenden organisations-
internen Konferenz zu Software-Engineering gründete sich das Netzwerk, das
es sich zum Ziel machte, die „Softwarekultur“ im Konzern zu verbessern. Das
folgende Kapitel beleuchtet diese zweite Phase der Organisierung und Struktu-
rierung des Netzwerks, die es brauchte, um Lösungen für seine Probleme zu
entwickeln.
3.2 Von der Not zur Tugend: Zur Organisierung des
digitalen Widerspruchnetzwerks
Wesentliche Grundlage für die Phase der Vernetzung und Kollaboration der SE
war die digitale Kommunikationsplattform, die der Konzern zur Verfügung stellte.
Innerhalb dieser Plattform hat das Netzwerk eine Art eigenen digitalen Kommuni-
kationsraum, den jedes Organisationsmitglied „betreten“ kann und damit offiziell
Mitglied des Netzwerks wird. Zum Zeitpunkt der Interviews hatte dieser Kommu-
nikationsraum ca. 2500 Mitglieder, von denen sich ungefähr 200 Personen aktiv
im Netzwerk beteiligen (vgl. I2). Das Netzwerk arbeitet je nach Aufgabe mithilfe
zahlreicher weiterer digitaler Tools, die die Organisationsinfrastruktur bereithält
(vgl. I1; I9).
Neben der digitalen Kommunikationsplattform brauchte das Netzwerk weitere
Strukturen, um sich zu organisieren. Zunächst wurde ein „Hauptkreis“ ernannt,
der aus den acht Gründungsmitgliedern bestand. Seine Aufgabe ist es, das
Exit, Voice, and Networks. Die Digitalisierung 261
Netzwerk zu strukturieren, das nötige Arbeitsumfeld zu schaffen, Kontakte her-
zustellen und die Arbeit auf der Kommunikationsplattform zu moderieren (vgl.
I2). Inzwischen werden die Mitglieder des Hauptkreises jährlich von den 2500
Mitgliedern des Netzwerks online über die Plattform gewählt (I9; I11; I13). In
der ersten offiziellen Legislaturperiode 2021, also dem Zeitraum, in dem die
Interviews stattfanden, hatte der Hauptkreis zehn gewählte Aktive.
Neben dem Hauptkreis gibt es mehrere „Lösungskreise“, die sich Lösungen
für die in 3.1 beschriebenen Probleme der SE überlegen und umzusetzen (vgl. I1;
I2). Es geht also etwa darum, einen Fachkarrierepfad für die Entwickler*innen
zu etablieren, eine Github-Cloud als Code-Datenbank zu implementieren oder ein
Mentoring-Programm für die Managementebene zu entwickeln, um diese in Soft-
warethemen weiterzubilden. Innerhalb eines Lösungskreises arbeiten vier bis zehn
Mitglieder zusammen, die alle aus verschiedenen Organisationseinheiten kommen
und ihren Beitrag zum Netzwerk in Online-Meetings während ihrer Freizeit leis-
ten. Weitere Lösungskreise entstehen, wenn Entwickler*innen ein strukturelles
Problem wahrnehmen, dieses mit einer ersten Lösungsskizze im Kommunikati-
onskanal des Netzwerks beschreiben und daraufhin eine Diskussion startet. Wenn
sich mindestens vier Personen an einer Lösungsentwicklung beteiligen würden,
legt ihnen der Hauptkreis nahe, „das von der Idee zu überführen in was Aktives“
(I1).
Der Hauptkreis wiederum unterstützt die Lösungskreise, ist der Kommunika-
tionsweg in die restliche Organisation und hilft dabei, „die richtigen Leute mit
ins Boot zu holen“ (I2). Zudem hat er zu Beginn Werte und Prinzipien festgelegt,
nach denen sich die Mitglieder richten sollten. Diese Prinzipien sind Offenheit,
Transparenz, Freiwilligkeit, Selbstorganisation und Meritokratie (vgl. I1; I2).
Die Verfügbarmachung der digitalen Tools und die selbstgeschaffenen Struk-
turen in dieser zweiten Phase ermöglichen es dem Netzwerk, arbeitsfähig zu
sein. Da sich das Netzwerk kurz vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie grün-
dete, engagierten sich die Mitglieder ausschließlich über die digitalen Kanäle der
Organisation. Ergänzend dazu waren in einer dritten Phase weitere Ressourcen
und Strukturen der Mutterorganisation notwendig, um Lösungen zu entwickeln
und in der Organisation zu implementieren. Wie sehen diese Strukturen aus und
wie kooptiert der Konzern das Netzwerk, um die damit einhergehenden Gefahren
abzuwenden und die erarbeiteten Lösungen zu nutzen?
262 L. Baumgart
3.3 Autarkie oder Kooptation? Zur Formalisierung des
Netzwerks
Die SE verfügen über einen machtvollen Hebel, der dafür sorgt, dass das Manage-
ment das Netzwerk duldet und die Nutzung der Digitalplattform erlaubt: Der
Konzern möchte seine Softwaresparte ausbauen und ist daher auf dafür nötige
Qualifikationen angewiesen. Jede Kündigung von SE ist teuer, da Rekrutierung
und Einarbeitung lange dauern und dringende Arbeit liegen bleibt (vgl. I12). Um
auch eine spätere Abwanderung der SE zu verhindern, bot das Management dem
Netzwerk formale Strukturen zu dessen Unterstützung an.
In dieser dritten Phase half das Management dem Netzwerk zusätzlich zu
den digitalen Tools mit einer kapazitiven Abstellung der Mitglieder des Haupt-
kreises. Das heißt, dass sich alle zehn gewählten Mitglieder zu einem festgelegten
Prozentsatz ihrer Arbeitszeit für das Netzwerk engagieren dürfen (vgl. I1; I12)
im Gegensatz zu den Mitgliedern der Lösungskreise, die in ihrer Freizeit für
das Netzwerk arbeiten. Bei manchen SE des Hauptkreises wird ihr Engage-
ment sogar in der jährlichen Zielvereinbarung mit ihren Vorgesetzten festgehalten.
Damit stellen die Führungskräfte sicher, dass in der zur Verfügung gestellten Zeit
Ergebnisse produziert werden.
Eine weitere formale Struktur sind „Partner*innen“ in der Regelorganisation,
die die Lösungskreise bei ihrer Arbeit unterstützen und die Ergebnisse in die
Organisationsstrukturen diffundieren. Diese Lösungspartner*innen kommen aus
verschiedenen zentralen Bereichen des Konzerns (vgl. I2). Sie sind bei allen
Hürden behilflich, die in der Organisation auftreten, wenn ein neues Produkt
eingeführt werden soll: „Wenn wir über die GitHub-Cloud reden, brauche ich
eine Erlaubnis des Konzernbetriebsrates, dass wir das nutzen dürfen. Ich muss
ein Security Assessment machen, dass es freigegeben wird. Ich muss mit dem
Einkauf klären, dass der Hersteller legal ist für uns. Ich muss mit unserem Data
Security Officer klären, dass die personenbezogenen Daten nur die minimalen
sind. Ich habe da eine ewig lange Liste, durch die ich mich arbeiten muss“ (I13;
vergleichbar in I4).
Neben diesen formalen Leitplanken, die die Organisation vorsieht, besteht eine
der größten Herausforderungen für das Netzwerk darin, die Lösungen dauerhaft
zu finanzieren: „Da ist dann ein Projekt und das kostet 15 Mio. über drei Jahre.
Dann hat [SDN] nicht die Mittel, um das zu lösen. Und haben nicht mal die
Mittel, um einen Prototyp zu bauen“ (I11). Zum Zeitpunkt der Interviews wurde
deshalb daran gearbeitet, sogenannte Botschafter*innen zu identifizieren und zu
etablieren. Diese Botschafter*innen sitzen zwischen dem mittleren Management
und der Bereichsleitung im Konzern und sollen das SDN unterstützen, indem
Exit, Voice, and Networks. Die Digitalisierung 263
sie bei ihren Mitarbeitenden für das Engagement im Netzwerk werben und
sich auf der eigenen und den nächsthöheren Hierarchieebenen dafür einsetzen,
dass Budgets für die Lösungen des Netzwerks bereitgestellt werden (vgl. I2).
Darüber hinaus gibt es noch sogenannte Sponsor*innen im Vorstand des Kon-
zerns. Diese können zwar kein Budget verteilen, haben aber Einfluss auf die
nötigen sozialen Kontakte: „Sie können Zugang verschaffen zu allen möglichen
Sachen, Partnerinitiativen oder anderen Organisationstrukturen, wo wir unsere
Ideen platzieren müssen, um deren Unterstützung zu kriegen“ (I2). So wurde in
den Interviews wiederholt Dankbarkeit des Netzwerks gegenüber der Organisa-
tion geäußert: „Auch aus dem Gesichtspunkt, dass ich es wirklich unheimlich
toll finde von der Firma, das überhaupt zu erlauben und zu ermöglichen. Es ist
ja nicht selbstverständlich“ (I13; ähnlich auch in I4 und I14).
Insgesamt hat sich das Netzwerk über die drei Phasen hinweg die Wertschät-
zung der Organisation erarbeitet, die es zu Beginn des ersten offenen Wider-
spruchs gefordert hat. Es hat die Organisation und deren „Softwarekultur“ für sich
attraktiver gemacht und sieht sich durch die organisationale Unterstützung in sei-
nem Engagement bestärkt. Festzuhalten bleibt, dass sich das Netzwerk aufgrund
der verschiedenen Abteilungs- und Bereichszugehörigkeiten seiner Mitglieder
über den gesamten Konzern erstreckt, seine Zusammenarbeit ausschließlich digi-
tal erfolgt und die Kooperation mit den Partner*innen, Botschafter*innen und
Sponsor*innen ebenfalls online stattfindet. Erst über die Verfügbarmachung der
digitalen Infrastrukturen wurden das konzernweite Netzwerk und seine digitale
Kollaboration möglich.
4 Die Ehrenrettung aller: Organisationale
Kooptation des digitalen Widerspruchsnetzwerks
Das empirische Beispiel bestätigt Hirschmans Beobachtung, dass auf die Unzu-
friedenheit in einer sozialen Beziehung in diesem Fall zwischen der Organisa-
tion und ihren Mitgliedern mit Abwanderung oder Widerspruch reagiert wird.
Doch entgegen der Theorien industrieller Beziehungen (Müller-Jentsch 1999)
wenden sich die unzufriedenen Organisationsmitglieder nicht an den Betriebs-
rat oder eine Gewerkschaft, sondern bauen eine eigene Interessenvertretung in
Form des digitalen Netzwerks auf. Eine mögliche Begründung hierfür könnte
die Beobachtung von Lee und Staples (2018, S. 514) sein, dass die traditio-
nellen Strukturen klassischer Gewerkschaften ins Wanken geraten, während von
digitalen Communitys parallel ein Anspruch auf Selbstorganisation betont wird,
verbunden mit Freiräumen zur Selbstrepräsentation (ähnlich auch Üyük 2021,
264 L. Baumgart
S. 187). Die Anwesenheit von Betriebsräten wird oft nicht mehr als notwen-
dig erachtet, weshalb eine wachsende Zahl von Arbeitnehmenden sich weniger
für die institutionalisierten Vertretungsformen interessiert (Staples und Whittall
2021, S. 142, 154).
Durch diese weitgehend autonome Kollektivierung jenseits der organisa-
tionalen Formalstrukturen und den digital ermöglichten, organisationsweiten
Widerspruch könnte das Netzwerk nicht nur eine Gefährdung für das Manage-
ment, sondern auch für den Konzernbetriebsrat darstellen. Das Management
könnte diesen Entwicklungen auf der Plattform entgegensteuern, die Beteiligung
am Widerspruch beobachten und Beschäftigte bei deren Kritikäußerung sanktio-
nieren (vgl. Üyük 2021, S. 189). Doch stattdessen „kooptiert“ (Selznick 1949,
S. 259) das Management das Netzwerk. Das heißt, das Netzwerk wird in die For-
malstrukturen der Organisation eingegliedert, indem ihm digitale Infrastrukturen,
Personal und Finanzierung zur Verfügung gestellt werden. Da das Netzwerk auf
derartige Unterstützung angewiesen ist, kann es der Formalisierung nicht aus dem
Weg gehen. Indem es von der Organisation anerkannt und gefördert wird, nimmt
es die Wertschätzung wahr, auf deren Fehlen es seinen initialen Widerspruch
gründete.
Auffällig ist, dass erst die Digitalisierung der Organisation hier sichtbar
als die konzernweite Verfügbarmachung und Nutzung der digitalen Kommuni-
kationsplattform die Schlagkraft des Widerspruchs ermöglichte: Das initiale
Wut-Posting erreichte die gesamte Organisation. Auch für die Größe des Netz-
werks 2500 Mitglieder im gesamten Konzern und seine langfristige Kollabo-
ration ist die Digitalplattform die entscheidende Voraussetzung. Mit der Plattform
wurde eine digitale Infrastruktur verfügbar gemacht, die ortsunabhängige, egali-
täre und weitgehend transparente Vergemeinschaftungsprozesse für eine große
Zahl an Partizipierenden gewährleistet (vgl. Lee und Staples 2018, S. 507).
Doch als eher diffuse Einheit ist es für Netzwerke schwierig, sich über einen
längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Heckscher und Carré (2006, S. 619–620)
nennen vier Bedingungen, um dieser Herausforderung zu begegnen: „shared
information platforms“, „shared behavioral norms“, eine „common mission“ und
„governance“. Diese Elemente lassen sich im SDN finden, gleichzeitig wird aber
deutlich, dass das Netzwerk nicht mehr abseits der Organisation operiert, sondern
seine Strukturen mit denen der Organisation verwoben sind:
Über den organisationalen Arbeitszusammenhang und die Verfügbarmachung
der digitalen Infrastrukturen als „shared information platforms“ stabilisiert die
Organisation die „kommunikative Reproduktion“ (Tratschin 2016, S. 197) und
erhöht damit die Wahrscheinlichkeit nachhaltiger Operationen des Netzwerks.
Zusätzlich lassen sich über das Adressverzeichnis der Organisation (Tacke 2000)
Exit, Voice, and Networks. Die Digitalisierung 265
weitere potenzielle Mitglieder kontaktieren und rekrutieren. Als „shared beha-
vioral norms“ hat sich das Netzwerk die fünf Prinzipien der Zusammenarbeit
auferlegt, wobei es Netzwerken generell schwerfällt, die Einhaltung der „sha-
red behavioral norms“ zu gewährleisten, da es kaum Sanktionsmöglichkeiten gibt
(siehe hierzu Heckscher und Carré 2006, S. 623). Einig sind sich die SE in
ihrer „common mission“, die Softwarekultur des Konzerns zu verbessern. Diese
gemeinsame Aufgabe hilft, die Mitglieder zu vereinen und in dieselbe Richtung
zu lenken (vgl. Heckscher und Carré 2006, S. 624). Der Hauptkreis erfüllt die
„governance“-Funktion im Netzwerk (vgl. Heckscher und Carré 2006, S. 619) als
Steuerungsgremium zur Entscheidungsfindung, als digitale Primäradresse und zur
Überprüfung der Beiträge der Lösungskreise. Durch dessen kapazitative Abstel-
lung vergütet das Management das Engagement und durch die Finanzierung der
Lösungen sorgt es für deren nachhaltige Nutzung. Damit stellt das Management
sicher, dass das Netzwerk sich nicht diffus auflöst und sich das investierte Budget
rentiert.
Hier wird das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Organisationen und ihren
protestierenden Mitgliedern deutlich: Organisationsinterne Aktivist*innen müs-
sen sich bei ihren Handlungen an die übergeordneten formalen Erwartungen
der Organisation halten, da sie auf deren materielle und soziale Ressourcen
angewiesen sind (vgl. Üyük 2021, S. 184–185). Organisationen wiederum benö-
tigen die Arbeitskraft ihrer Mitglieder und die Sicherheit, dass deren oftmals
wertvolle Informationen nicht nach außen getragen werden (Briscoe und Gupta
2016, S. 679–680). Das Netzwerk und das Management wenden dieses originäre
Problem produktiv: Über die Lösungsentwicklungen im Netzwerk und die Unter-
stützung der Organisation, nehmen die Widersprechenden eine Verbesserung der
Situation wahr. Gleichzeitig wird die Organisation durch das Netzwerk entlastet,
indem es einen Großteil der strukturellen Veränderungen selbst vorantreibt und
das Management weitgehend aus der Verantwortung nimmt.
5Fazit
Auf den vergangenen Seiten wurde deutlich, dass die mit der Digitalisierung
zunehmende Verfügbarmachung digitaler Technologien in Arbeitsorganisationen
dazu führt, dass sich vermehrt Widerspruchsnetzwerke bilden können. Zugleich
wurde gezeigt, mit welchen Herausforderungen gerade SE in großen Konzernen
konfrontiert werden, da sie dafür zuständig sind, die Digitalisierung voranzu-
treiben. Doch statt sich deshalb an den Betriebsrat zu wenden, gründen die
266 L. Baumgart
SE ihre eigene Interessenvertretung und erarbeiten Problemlösungen eigenstän-
dig. Indem die Organisation das Netzwerk über dessen Kooptation unterstützt,
wird die durch die Digitalisierung begünstigte Belastung zu einer Entlastung: für
das Netzwerk, da die formale Förderung die Widerspruchskommunikation legi-
timiert und Lösungen realisiert werden; für die Organisation, da die anfängliche
Gefährdung eingehegt wird und das Netzwerk maßgeblich zur Verbesserung der
strukturellen Bedingungen beiträgt.
Interessant wäre, sich das Netzwerk zu einem späteren Zeitpunkt noch ein-
mal anzuschauen. Wird es parallel zur Betriebsratsstruktur zu einer vollständig
formalisierten Organisationseinheit, die als etablierte Interessenvertretung für die
Gruppe der SE agiert? Werden Netzwerke oder ähnliche Aktivitäten langfristig in
die Arbeit der Betriebsräte und Gewerkschaften integriert? Scheitert die organi-
sationale Einbindung der Problemlösungen, sodass die Mitglieder des Netzwerks
wieder mit ihrem originären Problem konfrontiert sind? Zudem wäre es span-
nend, die These des Beitrags in anderen Organisationen zu überprüfen. Kann
die Verfügbarmachung digitaler Plattformen tatsächlich als Katalysator für die
Kommunikation von Widerspruch betrachtet werden? Lassen sich auch in ande-
ren Großunternehmen alternative Formen der Beschäftigtenvertretung finden, weil
die Nutzung digitaler Plattformen dies zulässt? Antworten auf diese Fragen
sind nicht nur relevant für die Organisationssoziologie oder für die Diskussion
um Organisation und Digitalisierung, sondern auch für den Diskurs um sich
verändernde industrielle Beziehungen. Sie zeigen, dass digitale Kommunikations-
technologien nicht nur für Effizienzsteigerungen oder Rationalisierungsvorhaben
eingesetzt werden können, sondern auch, um bessere Arbeitsbedingungen für
Organisationsmitglieder auszuhandeln.
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Algorithmisches Management jenseits
der Plattformökonomie. Digitale
Assistenzsysteme in Industrie und
Logistik
Patricia de Paiva Lareiro
Zusammenfassung
Digitale Technologien durchziehen immer stärker unseren privaten und beruf-
lichen Alltag. Im beruflichen Alltag können sie Arbeits- und Lernprozesse
unterstützen und strukturieren, der Qualitätskontrolle dienen oder zur Über-
wachung und Kontrolle von Arbeitsprozessen eingesetzt werden. Unter dem
Begriff des algorithmischen Managements wurde der Einsatz digitaler Tech-
nologien zur Ausübung und Ausweitung von Kontrolle im Arbeitsprozess in
den Bereichen der plattformbasierten Gig- und Crowdwork vielfach kritisch
diskutiert. Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, wie sich algorithmisches
Management jenseits der Plattformökonomie gestaltet. Anhand einer Metaana-
lyse aktueller Forschungsergebnisse zum Einsatz digitaler Assistenzsysteme
in Industrie und Logistik wird dargestellt, welche Bedeutung algorithmisches
Management in stärker regulierten innerbetrieblichen Kontexten im Rahmen
der Kontrolle und Steuerung von Arbeit einnimmt.
Schlüsselwörter
Algorithmisches Management Digitale Assistenzsysteme Industrie 4.0
Logistik Digitalisierung
P. de Paiva Lareiro (B)
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialwissenschaften, Berlin, Deutschland
E-Mail: patricia.paiva@wzb.eu
© Der/die Autor(en) 2024
S. Pfeiffer et al. (Hrsg.), Digitalisierung der Arbeitswelten,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44458-7_12
269
270 P. de Paiva Lareiro
1 Einleitung
Mit der Verbreitung digitaler Technologien etablieren sich zunehmend neue For-
men der Arbeitsorganisation und des Managements. Besonders augenscheinlich
wird dies in entbetrieblichten Arbeitsformen, wie der plattformbasierten Gig- und
Crowdwork. Doch auch bestehende Bereiche der Wertschöpfung werden durch
den Einzug und die Ausbreitung digitaler Technologien transformiert. So finden
sich in industriellen Produktionsbetrieben oder im Dienstleistungsbereich, insbe-
sondere in der Logistik, vermehrt technische Systeme, die zu einer Reorganisation
der Arbeit durch die Integration eines algorithmischen Managements beitragen.
Unter algorithmischem Management wird die vollständige oder teilweise Auto-
matisierung mehrerer oder einzelner Managementaufgaben durch den Einsatz von
Software-Algorithmen verstanden (Lee et al. 2015; Kellogg et al. 2020; Wood
2021). Algorithmen können beispielsweise bei der Vergabe von Aufträgen, im
Einstellungsprozess, bei der Zuweisung und Anleitung von Arbeitsaufgaben oder
im Rahmen der Prozess- und Qualitätskontrolle eingesetzt werden. Bisherige Stu-
dien zeigen ein heterogenes Bild zum Einsatz digitaler Assistenztechnologien
in Produktion und Logistik. Die Systeme werden teils als unterstützend und
entlastend im Arbeitsprozess wahrgenommen, jedoch auch als Entwertung der
Kompetenzen von Beschäftigten durch die Zentralisierung von Produktionswissen
oder als störend im Arbeitsprozess durch das Aufbrechen bestehender Routinen
und ständig erforderliches Feedback an die Systeme (Klippert et al. 2018; Kuh-
lmann et al. 2018; Warnhoff und de Paiva Lareiro 2019; Möncks et al. 2020;
Krzywdzinski et al. 2022).
Durch die Art der Technikgestaltung und Implementierung können digitale
Technologien neue Handlungsspielräume eröffnen, diese jedoch auch begrenzen.
In diesem Beitrag wird aufgezeigt, was diese neue Form der Kontrolle kenn-
zeichnet. Zudem wird anhand von Forschungsergebnissen aus den Bereichen
Produktion und Logistik analysiert, wie algorithmisches Management etablierte
Bereiche der Arbeit und Wertschöpfung in stärker regulierten innerbetriebli-
chen Kontexten transformiert. Insbesondere wird dabei die Mikroebene der
Veränderungen von Arbeitsprozessen, Handlungsmöglichkeiten und Autonomie-
spielräumen für Beschäftigte betrachtet, die sich durch den Einsatz von und die
Interaktion mit digitalen Assistenzsystemen ergeben können (vgl. Pfeiffer und
Nicklich in diesem Band).
Zunächst wird die Forschungsliteratur zum Konzept des algorithmischen
Managements aufgearbeitet, um zu verdeutlichen, wie sich das Konzept von ande-
ren etablierten Konzepten zur Analyse der technisch-gestützten Kontrolle von
Algorithmisches Management jenseits der Plattformökonomie. 271
Arbeitsprozessen unterscheidet, beispielsweise von dem aus der Labour-Process-
Debatte stammenden Konzept der technischen Kontrolle (Edwards 1980) und dem
Konzept der Organisations- und Steuerungstechnologien (Benz-Overhage et al.
1981). Basierend auf einer Metaanalyse von Forschungsergebnissen zum Ein-
satz digitaler Assistenzsysteme in den Bereichen Logistik und Produktion wird
anschließend erörtert, welche Rolle der Einsatz von Technologien, die ein algo-
rithmisches Management ermöglichen, in der digitalen Transformation etablierter
Sektoren einnimmt.1Dazu wurden Forschungsberichte, Befragungen, empirische
Betriebsfallstudien und experimentelle Studien zu Assistenzsystemen sowie Ana-
lysen zur digitalen Transformation von Arbeit der letzten 20 Jahre in den obigen
Sektoren bezüglich folgender Fragen ausgewertet: In welchen Tätigkeitsberei-
chen finden sich Systeme, die einer algorithmischen Steuerung der Beschäftigten
dienen? Welche Managementfunktionen übernehmen die Systeme? Wie verän-
dern sich die Arbeitsprozesse und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten durch
den Einsatz der Systeme? Welche Faktoren beeinflussen den Grad der Nutzung
von Assistenzsystemen für algorithmisches Management? Abschließend wird dis-
kutiert, wie sich algorithmisches Management jenseits der Plattformökonomie
gestaltet, welche Bedeutung es dort im Rahmen der Kontrolle und Steuerung von
Arbeit hat und wie sich dies auf die digitale Transformation von Arbeit in den
analysierten Bereichen auswirkt.
1Im Rahmen der Metaanalyse wurden Publikationen aus den Bereichen Betriebswirtschaft,
Ingenieurs-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie Informatik der letzten 20 Jahre
(2004 bis 2023) ausgewertet, die sich mit der Entwicklung und Nutzung digitaler Assistenz-
technologien für die Ausgestaltung von Arbeitsprozessen der festgelegten Bereiche (Indus-
trie und Logistik) befassen. Um Verzerrungen durch unterschiedliche regulative Kontexte
zu vermeiden, wurde die Analyse auf Forschungsergebnisse aus Deutschland beschränkt.
Als relevante Tätigkeitsbereiche, in denen Assistenzsysteme genutzt werden, die im Arbeits-
prozess betriebliche Kontrollfunktionen (vgl. Edwards 1980) wahrnehmen, wurden nach
einem ersten Literaturscreening die Kommissionierung, Montagetätigkeiten sowie Instand-
haltungsarbeiten identifiziert. Nach einer Reduktion des Materials hinsichtlich Relevanz für
die Beantwortung der Fragestellung und die festgelegten Tätigkeitsbereiche ergab sich eine
Datenbasis von 55 Publikationen als Ausgangspunkt der Metaanalyse.
272 P. de Paiva Lareiro
2 Die funktionale Konvergenz von Technologie und
Organisation durch algorithmisches Management
Das Konzept des algorithmischen Managements von Kellogg et al. (2020) schließt
an die von Edwards (1980) geprägten Termini der technischen und bürokratischen
Kontrolle an. Laut Edwards übernehmen Kontrollsysteme in Betrieben drei zen-
trale Funktionen, und zwar „[…] direction of work tasks, evaluation of work
done, and rewarding and disciplining of workers“ (Edwards 1980, S. 112).
Technische Kontrolle wird durch die Nutzung von Technologien ausgeübt,
die den Arbeitsprozess zeitlich steuern und lenken (direction of work) (Edwards
1980). In der industriellen Produktion findet sie sich beispielsweise in Form
getakteter Fließfertigung. Vor dem Hintergrund der damals entstehenden com-
putergestützten Feedbacksysteme verwies Edwards in seinen Ausführungen zur
numerischen Kontrolle, als einem Subtyp technischer Kontrolle, bereits auf die
steigenden Kontrollpotenziale durch die Integration digitaler Technologien. Durch
sie wird technische Kontrolle auf zwei Arten verändert: Einerseits wird die
Kontrolldimension über Arbeitsanweisungen (direction of work) durch den Ein-
satz computerbasierter Kontrollmechanismen verstärkt und ausgeweitet (Edwards
1980, S. 125). Andererseits ermöglicht die Integration computergestützter Verfah-
ren, wie die Anwendung automatisierter Testverfahren bei der Qualitätskontrolle
innerhalb der Produktion, die technische Kontrolle auf die Dimension der
Überwachung und Evaluierung von Arbeit (evaluation of work) sowie auf Anwen-
dungsgebiete jenseits der Massenproduktion von Gütern auszuweiten (ebd.).2
Im Gegensatz zur technischen Kontrolle, die primär durch technisch ver-
mittelte Arbeitsvorgaben und Geschwindigkeitsvorgaben strukturierend auf den
Arbeitsprozess wirkt, lässt sich Arbeit durch bürokratische Kontrolle zusätzlich
evaluieren und durch Belohnung oder Bestrafung disziplinieren. Bürokratische
Kontrolle basiert auf festgelegten Hierarchien, Regeln und Verfahren, ist in
die sozialen und organisationalen Strukturen von Unternehmen eingebaut und
stellt eine Institutionalisierung hierarchischer Machtbeziehungen innerhalb der
Unternehmen dar (Edwards 1980).
Diese Institutionalisierung von Machtbeziehungen findet sich auch in Formen
der technischen Kontrolle, beispielsweise in der Fließbandfertigung: „The actual
power to control work is thus vested in the line itself, rather than in the per-
son of the foreman.“ (Edwards 1980, S. 120) Technologien, die zur Steuerung
2Das Konzept algorithmischen Managements von Kellogg et al. (2020) knüpft zwar explizit
an Edwards Konzepte betrieblicher Kontrolle an, eine Bezugnahme auf Edwards Analy-
sen zur numerischen Kontrolle sowie eine klare Abgrenzung zwischen numerischer und
algorithmischer Kontrolle bleiben jedoch aus.
Algorithmisches Management jenseits der Plattformökonomie. 273
und Kontrolle von Arbeit eingesetzt werden, sind nicht nur in die soziotech-
nischen Systeme eingebettet, die Arbeitsprozesse strukturieren, sondern auch
Ergebnis dieser (Jarrahi et al. 2021). Diese Technologien sind als „hardened
history, frozen fragments of human and social endeavor“ (Noble 2011, S. xiii)
mitentscheidend dafür, „wer die Last der Arbeit hat, […] wer die Möglichkeit zu
Intervention […] oder wer Zugang zu welchen Informationen bekommt“ (Ram-
mert 1994, S. 15). Im Arbeitsprozess eingesetzte Technologien determinieren
zwar nicht das menschliche Verhalten, wirken aber durch die Institutionalisierung
und Verdinglichung menschlicher Entscheidungen zur Arbeitsprozessgestaltung
ebenso strukturierend wie organisationale Entscheidungen zur Arbeitsteilung und
Gestaltung, die als bürokratische Kontrolltechniken sichtbar werden.3
Insbesondere technische Systeme mit einem stark handlungsanleitenden Cha-
rakter fungieren als klassisches Arbeitsmittel und zugleich als eine Art „me-
chanical foreman“ (Edwards 1980, S. 124). Sie übernehmen zusätzlich zu
dem bestehenden Management und anderen technischen Elementen, die Arbeit
vorstrukturieren, organisationale Funktionen der Aufgabenzuweisung und Pro-
zesskontrolle. Benz-Overhage et al. (1981) beschreiben Informationstechnologien
analog auch als Organisations- und Steuerungstechnologien, die eine „instru-
mentelle Einheit technischer wie organisatorischer Elemente der Gestaltung
von Produktionsprozessen“ bilden (Benz-Overhage et al. 1981, S. 103). Orga-
nisationstechnologien werden genutzt, um „produktionsökonomische Realität
durchzusetzen, die Produktionsfaktoren zeitlich abzustimmen bzw. die Teilarbei-
ten zu integrieren und unter die Maschinerie zu subsumieren“ (ebd.). Sie dienen
als Abstimmungsmechanismus zwischen Arbeitsprozessen und ökonomischen
Strukturbedingungen (Hirsch-Kreinsen 2018) und sind dadurch „Produktivkraft
in der Form vergegenständlichter Herrschaft“, die zwar nicht selbst Quelle des
Mehrwerts ist, jedoch eine „Bedingung wertrealisierender Arbeitskraft“ darstellt
(Benz-Overhage et al. 1981, S. 103). Durch die Ausbreitung von Organisati-
onstechnologien als technisch objektivierte Form betrieblicher Herrschaft werden
3Wie alle Institutionen halten Technologien durch „die bloße Tatsache ihres Vorhandenseins
[…] menschliches Verhalten unter Kontrolle [und] stellen Verhaltensmuster auf“ (Berger
und Luckmann 2013, S. 58). Ropohl fasst unter dem Begriff der Institution „relativ sta-
bile, überindividuelle Wissens- und Verhaltensmuster“ (Ropohl 1991, S. 90). Die Herstellung
technischer Artefakte sei daher ein Prozess technischer Institutionalisierung, bei dem „indi-
viduelles Können, Wissen und Wollen von den einzelnen Personen sozusagen abgelöst und
in den Sachsystemen vergegenständlicht“ wird (ebd., S. 189). Werden diese vervielfacht und
massenhaft produziert und genutzt, werden die „ursprünglich individuellen Qualifikationen
als überindividuelle, dauerhafte Wissens- und Verhaltensmuster“ verallgemeinert (ebd.).
274 P. de Paiva Lareiro
Technologie und Organisation zunehmend ineinander verschränkt, sodass Macht-
strukturen in technischen Artefakten und Systemen institutionalisiert und für
Beschäftigte zum Teil vermittelt durch die Technologien im Arbeitsprozess
sichtbar werden.
Da digitale Technologien immer stärker die Arbeitsprozesse durchdringen,
wird ein weiteres Ineinandergreifen von Technologie und Organisation im
Arbeitsprozess mithilfe algorithmischer Steuerung möglich. Die Ausbreitung
von Technologien, die dem algorithmischen Management von Beschäftigten und
Arbeitsprozessen dienen, lässt sich durch mehrere Faktoren erklären: Zum einen
werden bestimmte Managementaufgaben immer besser durch Algorithmen, die
auf maschinellem Lernen basieren, ergänzt oder ersetzt. Zum anderen verändern
sich die normativen Vorstellungen von Arbeit und projektorientierte Arbeitsver-
einbarungen, Plattformarbeit und nicht standardisierte Verträge nehmen zu (Khan
et al. 2019; Jarrahi et al. 2021).
Kellogg et al. (2020) sehen im algorithmischen Management alle zentralen
Aspekte betrieblicher Kontrolle vereint die Zuweisung von Arbeitsaufgaben,
die Bewertung der geleisteten Arbeit sowie die Belohnung und Disziplinierung
der Arbeitnehmer*innen –, die sich zuvor entweder durch bürokratische Kontrolle
oder ein Zusammenspiel aus bürokratischer und technischer Kontrolle realisieren
ließen (vgl. Edwards 1980). Somit sind durch die Einführung von Technologien,
die der algorithmischen Kontrolle der Arbeitsprozesse dienen, Elemente der büro-
kratischen und technischen Kontrolle miteinander verschmolzen. Algorithmisches
Management wird laut Kellogg et al. durch sechs Mechanismen realisiert: Auf
Basis von Algorithmen werden Beschäftigte durch Einschränkungen und Emp-
fehlungen gelenkt („restriction and recommending“), durch Aufzeichnung und
Bewertung ihrer Arbeitsleistung evaluiert („recording and rating“) und durch
den drohenden Ersatz durch andere und Belohnung diszipliniert („replacing and
rewarding“) (Kellogg et al. 2020, S. 368).
Anhand dieser Mechanismen unterscheidet sich algorithmisches Management
in fünf zentralen Dimensionen von vorherigen Formen der rationalen Kontrolle,
wie der technischen und bürokratischen Kontrolle. So ermöglicht der Einsatz
algorithmischer Kontrolle, den Kontrollumfang auf Bereiche auszuweiten, wie
beispielsweise die Kommunikation zwischen Kolleg*innen, die sich zuvor der
betrieblichen Kontrolle entzogen (Kellogg et al. 2020, S. 386). Zugleich zeich-
net sich algorithmische Kontrolle durch ihre Unmittelbarkeit und Interaktivität
der Kontrollmechanismen aus. Beschäftige können durch Algorithmen in Echt-
zeit personalisiertes Feedback zu ihrer Arbeitsleistung durch sogenannte Nudges
erhalten und so durch Belohnung oder Strafen gelenkt werden (ebd.). Während
Algorithmisches Management jenseits der Plattformökonomie. 275
technische Kontrolle, wie die Taktzeiten in der Fließbandproduktion, und büro-
kratische Kontrolle in Form feststehender Regeln und Arbeitsanweisungen meist
transparent für die Beschäftigten sind, ist algorithmisches Management häufig
durch Intransparenz für die Beschäftigten charakterisiert (ebd., S. 387). Arbei-
ter*innen, die auf Crowdworkplattformen tätig sind, können beispielsweise häufig
nicht nachvollziehen, warum ihre Arbeit abgelehnt wird oder wie Bezahlung
und Bewertung der geleisteten Arbeit zustande kommen. Zudem unterschei-
det sich algorithmisches Management von anderen Kontrollmechanismen durch
die Disintermediation von Führungskräften, indem zentrale Managementauf-
gaben in den Bereichen der Zuweisung von Arbeitsaufgaben, Bewertung der
geleisteten Arbeit sowie der Belohnung und Disziplinierung der Beschäftigten
automatisiert werden (ebd., S. 21). Obwohl das algorithmische Management als
effektiver Mechanismus gilt, der die Kontrolle durch das Management insgesamt
verbessert, kann es auch die Macht und Handlungsfähigkeit der individuel-
len Manager*innen einschränken. Jarrahi et al. (2021) führen den Machtverlust
nicht nur auf die Automatisierung von Funktionen des mittleren Managements
zurück, sondern auch auf die Nutzung von Entscheidungsunterstützungssys-
temen in Managementprozessen und einen daraus resultierenden Verlust von
Erfahrungswissen.
Kellogg et al. sowie viele Forschungsarbeiten zum Einfluss algorithmischen
Managements auf die Ausgestaltung von Arbeit stützen ihre Analysen über-
wiegend auf Erkenntnisse aus den Sektoren der entbetrieblichten und dadurch
insbesondere in ihrer Anfangszeit wenig regulierten, online vermittelten Gig-
und Crowdwork, in denen algorithmisches Management einen zentralen Punkt
der Arbeitsorganisation und Allokation von Aufträgen für Arbeiter*innen dar-
stellt (Rosenblat und Stark 2016; Lücking 2019; Wood et al. 2019;Gerber2020;
Kellogg et al. 2020; Parth und Bathini 2021;Schreyer2021;Lataetal.2022).
Weitere Arbeiten deuten jedoch darauf hin, dass sich algorithmisches Manage-
ment in der Plattformökonomie erheblich von dem in konventionellen Beschäf-
tigungsverhältnissen unterscheidet (z. B. Schaupp 2021; Wood 2021). Gründe
hierfür sind unter anderem die soziotechnische Einbettung algorithmischen
Managements in bestehende organisationale Hierarchien und betriebliche Abläufe
sowie die betriebliche Mitbestimmungsstruktur und ihre Möglichkeiten, Prozesse
der Technologieeinführung zu beeinflussen (Jarrahi et al. 2021; Schaupp 2021).
Wood (2021) verweist darüber hinaus auf rechtliche Regulierungen innerhalb der
EU und Großbritannien, die eine vollständige Automatisierung von bestimmten
Managemententscheidungen ausschließen würden. Aufgrund der verschiedenar-
tigen regionalen, sektoralen und betrieblichen Einbettung sowie der Vielzahl an
unterschiedlichen technischen Systemen algorithmischen Managements bezieht
276 P. de Paiva Lareiro
sich Wood (2021, S. 12) auf den Grad an Automatisierung von Managementfunk-
tionen und die Möglichkeit zur Intervention menschlicher Entscheidungsträger,
um zwischen der algorithmischen Unterstützung von Managementprozessen und
der teilweisen oder vollständigen Automatisierung von Managementtätigkeiten
durch algorithmisches Management zu unterscheiden. Das Konzept algorithmi-
schen Managements, das sich auf sämtliche Kontrollfunktionen erstreckt, wie
Kellogg et al. (2020) es skizzieren, soll daher im Folgenden als ein Ideal-
typ im Weber’schen Sinne gesehen werden, der das technologisch vorhandene
Potenzial zur Institutionalisierung von Machtbeziehungen durch die funktionale
Konvergenz von Technologie und Organisation beschreibt.
3 Digitale Assistenzsysteme in Industrie und
Logistik: Zwischen Unterstützung und Kontrolle
Als zentrale Einsatzbereiche für digitale Assistenzsysteme gelten die Kommis-
sionierung in der Logistik sowie Montageprozesse und Instandhaltungsarbeiten
in der Industrie (Bannat 2014; Kasselmann und Willeke 2016; Niehaus 2017).
Bei der Nutzung von digitalen Assistenzsystemen in Fertigungsprozessen und in
der Kommissionierung handelt es sich um einen komplementären Technikeinsatz
(Huchler 2022). Anders als bei klassischen Automatisierungsprozessen, die pri-
mär darauf abzielen, menschliche Arbeit an Robotik oder Software zu übertragen,
werden Assistenzsysteme im Fertigungsprozess und in der Kommissionierung
ergänzend zum Menschen eingesetzt. Indem die Arbeitsprozesse standardisiert
und Fehler vermieden werden, sollen die Produktivität und Produktqualität gestei-
gert werden (Klapper et al. 2019; Mättig und Kretschmer 2020). Dafür werden
Beschäftigte von den Systemen im Arbeitsprozess bei ihren Tätigkeiten phy-
sisch beispielsweise in Form von Hebehilfen und kognitiv durch die auditive,
visuelle oder haptische Bereitstellung von Informationen zum Arbeitsprozess und
echtzeitnahes Feedback unterstützt, um so das Arbeitsvermögen zu erweitern, zu
erhalten oder eingeschränkte oder fehlende Fähigkeiten zu kompensieren (Blut-
ner et al. 2007; Apt et al. 2018). Während die kontinuierliche Bereitstellung von
Feedback eine Form algorithmischer Kontrolle darstellt (vgl. Kellogg et al. 2020),
kann das automatisierte Hinweisen auf Fehler von Beschäftigten im Arbeitspro-
zess als entlastend wahrgenommen werden (Klippert et al. 2018). Insbesondere
in einem stark von Zeitdruck geprägten Arbeitsprozess können Zeitersparnisse
und reduzierte mentale Beanspruchungen dazu beitragen, dass die Nutzung von
Assistenzsystemen trotz der Ausweitung von Kontrolle als hilfreich bewertet wird
(Bläsing et al. 2021; Krzywdzinski et al. 2022).
Algorithmisches Management jenseits der Plattformökonomie. 277
Während physische Assistenzsysteme klar als Arbeitsmittel fungieren, haben
kognitiv unterstützende Assistenzsysteme häufig eine Doppelfunktion. Einer-
seits können sie Nutzer*innen durch die situative Informationsbereitstellung als
Werkzeuge für die Ausführung ihrer Tätigkeiten dienen und im Arbeitspro-
zess unterstützen oder sogar entlastend wirken. Andererseits nehmen sie durch
die Vorstrukturierung und Steuerung von Arbeitsabläufen und die feedback-
basierte Überwachung der Arbeitsprozesse organisatorische Kontrollfunktionen
wahr (Raffetseder et al. 2017; Kuhlmann et al. 2018; Schaupp 2021). Die Nut-
zung digitaler Assistenzsysteme zu Kontrollzwecken wird überwiegend kritisch
betrachtet (Niehaus 2017; Hirsch-Kreinsen 2018; Backhaus 2019; Funk et al.
2019; Menz et al. 2019; Falkenberg 2021; Schaupp 2021). Zu einer gegenteiligen
Einschätzung kommen Pitz et al. (2020), die zwar anerkennen, dass durch stän-
dige Überwachung zur Fehlervermeidung die Handlungsfreiheit im Arbeitspro-
zess stark eingeschränkt sein kann. Jedoch sei der Einsatz von Assistenzsystemen
zur Kontrolle „mitarbeiter*innenfreundlicher, weil sie objektiv, nicht wertend und
meist anonym sind“ (ebd., S. 3). Laut Mühge (2018) können Assistenzsysteme,
die beispielsweise Aufgaben der Maschinenbelegungs- oder Personalplanung
in Produktionsbetrieben übernehmen, Beschäftigte in Fertigungsbereichen zwar
unabhängiger von Produktionsplaner*innen machen, würden sich jedoch nicht
positiv auf deren Autonomie auswirken.
Die Motive für den Einsatz digitaler Assistenzsysteme lassen sich in tätigkeits-
bezogene und organisationsspezifische Strategien einteilen (Falkenberg 2018).
Erstere zielen darauf ab, Fehlerquellen zu reduzieren oder Ergonomie und
Sicherheit zu verbessern. Letztere beinhalten zum Beispiel die Standardisierung
und Effizienzsteigerung von Anlernprozessen oder die verbesserte datenba-
sierte Nachverfolgbarkeit von Produktionsprozessen. Der Technikeinsatz kann
der gegenwärtigen Umgestaltung von Produktionsprozessen dienen und durch
die Datengewinnung zugleich das Potenzial für die Optimierung künftiger
Arbeitsprozesse bieten (Schaupp 2021).
In der ingenieurwissenschaftlichen Literatur wird insbesondere das Potenzial
der Assistenzsysteme hervorgehoben, die Arbeitsgeschwindigkeit zu erhöhen und
mögliche Fehler seitens der Beschäftigten zu vermeiden (Tang et al. 2004;Reif
und Günthner 2009). Denn menschliche Arbeit wird häufig als denkbare Feh-
lerquelle in Fertigungs- und Logistikprozessen angesehen, die durch technische
Lösungen beseitigt werden soll, eine Vorstellung, die sich teils auch in Befragun-
gen von Entwickler*innen digitaler Assistenztechnologien zeigte (Krzywdzinski
et al. 2022). Da sich Assistenzsysteme meist ohne aufwendige Umbauprozesse
in bestehende Produktionsabläufe integrieren lassen und daher im Vergleich zu
klassischen Automatisierungslösungen für Industrie und Logistik vergleichsweise
278 P. de Paiva Lareiro
geringe Implementationskosten aufweisen, gelten sie als beliebte Technologien,
um Arbeitsprozesse effektiver zu gestalten (Spath et al. 2013; Plattform Indus-
trie 4.0 2014). Zudem trägt die Übereinstimmung mit den Steuerungs- und
Kontrollbedürfnissen des Managements wesentlich dazu bei, dass neue Techno-
logien in Betrieben implementiert werden (Wallace 2008; Pfeiffer 2019). Dabei
werden verschiedenste Endgeräte eingesetzt. Neben stationär in den Arbeits-
platz integrierten Geräten, auf denen beispielsweise auf Monitoren mehr oder
weniger interaktive Visualisierungssysteme angezeigt werden, die Fertigungs-
schritte anleiten, findet sich auch eine große Zahl mobiler Endgeräte (sogenannter
Wearables) wie Headsets, Datenbrillen, Tablets, Smartwatches, RFID-Armbänder
oder „smarte“ Handschuhe mit integrierten Scannern, die Daten im und über
den Arbeitsprozess bereitstellen und sammeln können (Kasselmann und Willeke
2016; Niehaus 2017; Krzywdzinski et al. 2022).
Für die elektronische Überwachung des Arbeitsprozesses müssen die Assis-
tenzsysteme technisch und organisational eingebunden sein. Zusätzlich zu den
Assistenzsystemen selbst wird eine Rückkopplungseinheit benötigt, die mit-
hilfe multimodaler Sensorik Informationen erfasst und mit einer Maschine,
einem logistischen Transportfahrzeug oder einer betrieblichen Datenbank (z. B.
ERP- oder MES-System) teilt (Kasselmann und Willeke 2016; Niehaus 2017).
Bisherige Forschungsergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass sich diese
elektronische Überwachung von Arbeit überwiegend negativ auf das subjek-
tive Empfinden der Überwachten bezüglich Beanspruchung, Commitment, Stress,
Kontrolle und Zufriedenheit auswirkt (Backhaus 2019).4
Kognitiv unterstützende Assistenzsysteme können Beschäftigte jedoch bei
einer humanzentrierten Technikgestaltung auch zu selbstbestimmten Entschei-
dungen befähigen und von Routinetätigkeiten entlasten (Ittermann und Niehaus
2018). Zudem kann die Nutzung insbesondere in Stresssituationen von Beschäf-
tigten als hilfreich wahrgenommen werden und ihnen sogar mehr Abwechslung
ermöglichen (Kuhlmann et al. 2018). Voraussetzung für einen solchen flexibel
und situationsangepassten Einsatz der Systeme ist deren Adaptivität (Oestreich
et al. 2020; Bläsing et al. 2021; Maier und Vernim 2021). Allerdings steht eine
adaptive Systemgestaltung den Managementinteressen einer Standardisierung und
engmaschigen Prozesskontrolle entgegen. Bezüglich der von Entwickler*innen
prognostizierten Leistungssteigerung durch elektronische Überwachung weisen
Studien eher auf heterogene Aspekte hin. So kamen Leistungssteigerungen zum
4Ergebnisse eines metaanalytischen Reviews von 85 Einzelstudien aus den Jahren 1984
bis 2017, die sich mit den Auswirkungen elektronischer Überwachung überwiegend in den
Bereichen Büroarbeit und Callcenter-Arbeit auseinandersetzen.
Algorithmisches Management jenseits der Plattformökonomie. 279
Teil dadurch zustande, dass der Fokus mehr auf Quantität als auf Arbeitsqualität
gelegt wurde oder die überwachten Aufgaben gegenüber den nicht überwachten
Aufgaben priorisiert wurden (Backhaus 2019).
4 Digitale Assistenzsysteme und algorithmisches
Management im Spannungsfeld
arbeitsplatzbezogener, betrieblicher und
regulativer Anforderungen
In den Debatten über algorithmisches Management werden häufig die techni-
schen Potenziale zur Datensammlung, Kontrolle und Substitution von Tätigkei-
ten betont. Diesen technischen Potenzialen stehen regulative, betriebliche und
arbeitsplatzbezogene Anforderungen an die Technikgestaltung gegenüber. Auf
europäischer Ebene legt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die recht-
lichen Grenzen des Datenzugangs bezüglich der Grundsätze der Rechtmäßigkeit,
Fairness, Transparenz, Zweckbindung und Datenminimierung fest und untersagt
Disziplinierungen in Form von Entlassungen, die ausschließlich auf algorith-
mischen Entscheidungen basieren (vgl. Wood 2021; Molina et al. 2023). Für
die Datenerfassung und -auswertung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle
sind zudem Vorgaben im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und im Bundes-
datenschutzgesetz (BDSG) formuliert, die eine vollumfängliche algorithmische
Kontrolle eindämmen (Terhoeven 2020). Im deutschen Kontext sind darüber
hinaus Gewerkschaften und deren Tarifverhandlungen sowie Mitbestimmungs-
prozesse auf betrieblicher Ebene bei der Implementierung digitaler Technologien
entscheidend für die Regulierung algorithmischen Managements (Schaupp 2021;
Krzywdzinski et al. 2023; Molina et al. 2023). In ihrer Analyse zum Ein-
satz tragbarer Assistenzsysteme (Wearables) in der Kommissionierung verweisen
Krzywdzinski et al. (2022) auch auf die Bedeutung des regulativen Kontextes, in
dem Assistenzsysteme zur algorithmischen Steuerung von Beschäftigten genutzt
werden. Bei den untersuchten Betrieben aus der Industrie und dem Dienst-
leistungssektor fanden sich häufig Betriebsvereinbarungen, die den Einsatz der
Geräte regelten und eine Leistungskontrolle auf individueller Ebene ausschlossen.
Auf betrieblicher Ebene spielt zudem die soziotechnische Einbettung digitaler
Technologien eine wichtige Rolle. Diese wiederum wird geprägt von Manage-
mententscheidungen, Technologieleitbildern, betrieblichen Aushandlungsprozes-
sen, den Aneignungsprozessen seitens der Beschäftigten sowie externen Markt-
anforderungen, die zu einer Zu- oder Abnahme von Leistungsdruck beitragen
280 P. de Paiva Lareiro
können (Büchner 2018; Menz et al. 2019; Schaupp 2021). Als Resultat von Aus-
handlungsprozessen zwischen den Kontrollinteressen des Managements und der
Vertretung der Beschäftigteninteressen durch Gewerkschaften und Betriebsräte
kann algorithmische Kontrolle in Form kybernetischer Kontrolle auftreten, bei
der Beschäftigte zur ständigen Selbstkontrolle animiert werden (Schaupp 2021).
Darüber hinaus sind die organisationalen Strukturen und Pfadabhängigkei-
ten bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen zu berücksichtigen. So hängen
„Detailsteuerung und Kontrolle