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Zeitschrift für Heilpädagogik | 8 2024 347
Zusammenfassung
Zeitschrift für Heilpädagogik
75., 2024
Seite 347– 356
Direkte Instruktion in offenen Unterrichtsformaten –
ein Unterrichtsbeispiel
Stephanie LutzGeorgia Koutsianikouli
Unter Direkter Instruktion versteht man eine Unterrichtsmethode, bei der Lehrkräfte Schü-
lerinnen und Schüler beim Erwerb konkreter Fähigkeiten oder Strategien strukturiert unter-
stützen. Die Lehrkraft leitet dabei die Schülerinnen und Schüler kleinschrittig und explizit
an. Obwohl die Direkte Instruktion seit den 1960er Jahren im englischsprachigen Raum
bekannt und als Unterrichtsmodell anerkannt ist, wurde sie in Deutschland oft missver-
standen und fälschlicherweise mit dem Frontalunterricht gleichgesetzt. Der Ansatz hat sich
jedoch insbesondere bei Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten als förder lich
erwiesen. In diesem Beitrag wird die lernwirksame Methode der Direkten Instruk tion in
inklusiven Settings erläutert. Es wird ein konkretes Unterrichtsbeispiel aus der Praxis vorge-
stellt, um die Umsetzung der Direkten Instruktion in Kombination mit offenen Unterrichts-
formaten und individuellen Arbeitsplänen zu verdeutlichen.
Die Direkte Instruktion (direct instruction, Engelmann, 1980) oder auch explizite Instruktion
(Archer & Hughes, 2011) wurde in den 1960er Jahren von Wesley Becker und Siegfried Engel-
mann entwickelt (Engelmann, 1980). In ihren Unterrichtsgrundsätzen betonen sie, dass eine
kor rekte Anwendung der Direkten Instruktion sowohl die Schulleistungen als auch das Verhalten
der Schülerinnen und Schüler verbessern kann. Engelmann vertrat die Meinung, dass Schüle-
rinnen und Schüler bei der Vermittlung von Lerninhalten absolute Klarheit benötigen. Dieser
damals neue Ansatz setzt eine durchdachte Planung des Unterrichts voraus, insbesondere in der
Vermittlungsphase. Die Lerninhalte müssen so vermittelt werden, dass die Wahrscheinlichkeit
falscher Vorstellungen minimiert wird (Engelmann, 1980).
Obwohl sich die Ansätze der Direkten Instruktion als förderlich für den Erwerb von Strategien
und konkreten Fertigkeiten bei Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten erwiesen
haben (Archer & Hughes 2011; Grünke, 2006; Lebens & Lauth, 2014), werden sie in Deutsch-
land in der täglichen Unterrichtspraxis kaum umgesetzt . Die Direkte Instruktion wird oft mit
Frontalunterricht gleichgesetzt und in Zeiten, in denen offene Unterrichtsformate blühen, als
altmodisch und unpassend bezeichnet. In den letzten Jahren haben jedoch immer mehr Lehr-
kräfte fest gestellt, dass ein Unterricht im Gleichschritt in den vorherrschenden heterogenen Lern-
gruppen mit unter schiedlichen Lernvoraussetzungen nicht mehr passend ist. Die Notwendigkeit
eines individualisierten Unterrichts für Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen wird
zunehmend anerkannt. Auch wenn die Direkte Instruktion in der Theorie explizit beschrieben
wird, scheitert ihre Anwendung in der Praxis vielfach am konkreten Einsatz im Unterricht.
Archer und Hughes (2011) charakterisieren Direkte Instruktion folgendermaßen, wobei sie den
Begriff der expliziten Instruktion wählen:
„It is called explicit because it is an unambiguous and direct approach to teaching that includes
both instructional design and delivery procedures. Explicit instruction is characterized by a series
Direkte Instruktion –
Was ist das?
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of supports or scaffolds, whereby students are guided through the learning process with clear
statements and demonstrations of the instructional target, and supported practice with feedback
until independent mastery has been achieved” (ebd., 2011, S.1).
Wellenreuther (2009) beschreibt die Direkte Instruktion als die Präsentation von Informationen
durch die Lehrkraft und die aktive Steuerung des Lernprozesses bis zur Festigung und Veranke-
rung von Lerninhalten im Langzeitgedächtnis. Die Direkte Instruktion ist eine stark lehrerinnen-
zentrierte und kleinschrittige Methode und besonders effektiv, wenn eine bestimmte Fertigkeit
vermittelt werden soll. Sie basiert auf klar formulierten und erklärten Lernschritten und Lehr-
aufgaben. Unterricht nach der Direkten Instruktion verhindert Fehlinterpretationen durch klare
Anweisungen, was den Lernprozess erheblich verbessern und beschleunigen kann. Die Umsetzung
im (inklusiven) Unterricht ist vielfältig, da sie an keine bestimmte Sozialform gebunden ist.
Die Direkte Instruktion basiert auf der cognitive load theory (Sweller et al., 2011), die von einer
begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses ausgeht. Die Belastung des Arbeitsgedächtnisses
erfolgt durch parallel ablaufende Teilprozesse. Die Aufnahme von neuen Informationen bzw.
Lerninhalten wird erschwert. Beispielsweise können Methoden, die nicht im Langzeitgedächtnis
verankert sind, das Erlernen von neuen Inhalten deutlich beeinträchtigen (Sweller, 1994).
Nach Rosenshine (2008) besteht die Direkte Instruktion aus drei Phasen: Instruktion (Vermittlung
neuer Inhalte), angeleitetem Üben und selbstständigem Üben. Bei der Umsetzung der Direk ten in
der sonderpädagogischen Praxis hat es sich bewährt, dieses vereinfachte Drei-Phasen-Schema der
Direkten Instruktion um zwei weitere Phasen zu ergänzen. Diese Erweiterung ist aus der Annahme
entstanden, dass Schülerinnen und Schüler im sonderpädagogischen Schwerpunkt Lernen große
Schwierigkeiten beim Abrufen von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis haben (Fischbach
et al., 2010). Daher muss der Fokus zu Unterrichtsbeginn verstärkt auf die Aktivierung des Vor-
wissens und in der Reflexionsphase auf die Verknüpfung des neuen Lerninhalts mit bereits Erlern-
tem gelegt werden. Die Direkte Instruktion besteht aus folgenden fünf Phasen:
– Vorwissensaktivierung
– Instruktion
– Angeleitetes Üben
– Selbstständiges Üben
– Reflexion (Zusammenfassung)
Vorwissensaktivierung
In der ersten Phase beginnt die Lehrkraft den Unterricht mit einer Vorwissensaktivierung (Krause
& Stark, 2005) und einer Wiederholung der bisherigen Lerninhalte. Diese Phase ist für Schü-
lerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten wichtig zur kognitiven Entlastung (Fischbach
et al.,2010). Die Schülerinnen und Schüler können ihr Vorwissen durch die Lernumgebung,
Hefteinträge oder Lernnotizen aktivieren. Wesentlich ist, dass kein Vorwissen vorausgesetzt wird.
Die Umsetzung in einer Think-Pair-Share-Struktur kann in dieser Phase dazu beitragen, alle
Schülerinnen und Schüler zu motivieren.
Instruktion
Nach der Vorwissensaktivierung erfolgt die Hinführung zum Unterrichtsthema. Um Klarheit und
Zieltransparenz zu schaffen, wird in der Instruktionsphase das Thema der Unterrichtseinheit
explizit genannt. Bei der Vermittlung der neuen Lerninhalte gibt die Lehrkraft gezielte Lern-
impulse. Die Form der Inhaltsdarbietung ist lehrerinnenzentriert und kleinschrittig. Die Schüle-
rinnen und Schüler hören aufmerksam zu, stellen keine Fragen und unterbrechen die Lehrkraft
nicht. Die Instruktion sollte nicht länger als 15 Minuten dauern, da die Konzentrationsspanne
der Schülerinnen und Schüler, insbesondere derjenigen mit Lernschwierigkeiten, sehr kurz sein
kann (Fischbach et al., 2010). Ziel dieser speziellen Darbietungsform ist es, die Schülerinnen und
Schüler zum Denken anzuregen und sie so zur Erschließung von Zusammenhängen zu führen.
In dieser Phase wird eine erste Anwendung der neuen Inhalte angeregt.
Phasen der
Direkten Instruktion
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Angeleitetes Üben
Die dritte Phase der Direkten Instruktion ist das angeleitete Üben. Hierbei handelt es sich um eine
Übungsphase, in der das neu erworbene Wissen mit zusätzlicher Hilfe und Unterstützung ver-
mittelt wird (sogenanntes Scaffolding, Rosenshine, 2002). Diese Phase kann direkt im Anschluss
an die Instruktion im Klassenverband oder mit einzelnen Schülerinnen und Schülern durch-
geführt werden. Dabei ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Vorgehensweise laut
verbalisieren und die Lehrkraft die Schritte bei Bedarf wiederholt vormacht. Während des ange-
leiteten Übens unterbricht die Lehrkraft die Phase zweimal, um Rückmeldungen zu geben und
Korrekturen vorzunehmen. In dieser Phase ist unmittelbares Feedback entscheidend, damit die
Schülerinnen und Schüler zeitnah Rückmeldung erhalten und Fehler schnell korrigiert werden
können (Archer & Hughes, 2011; Brüning & Saum, 2019). Nach dem angeleiteten Üben überprüft
die Lehrkraft das Verständnis und den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler, bevor diese
eigenständig weiterarbeiten. Es erfolgt eine Bestimmung des Lernstands. Erwähnenswert ist, dass
Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten oft keine oder geringe Kompetenzen beim
selbstständigen Arbeiten zeigen. Daher haben sie in der Allgemeinen Schule oft Schwierigkei-
ten (Werning & Wischer, 2002). Das angeleitete Üben ist daher eine wichtige Phase der Direkten
Instruk tion für Schülerinnen und Schüler, die noch nicht selbstständig arbeiten können.
Das angeleitete Üben sollte in der täglichen Praxis genügend Zeit einnehmen. Obwohl seine Effek-
tivität nachgewiesen ist, wird im Unterricht bislang oft kein großer Wert auf angeleitetes Üben
gelegt, das einen starken Fokus auf die Leitung des Lernprozesses der Schülerinnen und Schüler
hat (Kirschner et al., 2006). Gerade für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten ist es
wichtig, ausreichend Zeit zur Verfügung zu haben, um sich mit den neuen Inhalten auseinander-
zusetzen, und Hilfestellungen nicht zu schnell vorwegzunehmen. Schülerinnen und Schüler mit
Lernschwierigkeiten benötigen viel Zeit, um sich Vorgehensweisen und Handlungsschritte einzu-
prägen und neue Kompetenzen mit ihrem Vorwissen zu verknüpfen. Daher kann das angeleitete
Üben mehrere Unterrichtseinheiten in Anspruch nehmen.
Selbstständiges Üben
In der vierten Phase der Direkten Instruktion üben die Schülerinnen und Schüler selbstständig
und ohne Unterstützung die neuen Lerninhalte. Es besteht die Möglichkeit, die Phase des ange-
leiteten Übens zu verkürzen oder sogar zu überspringen, wenn Schülerinnen und Schüler wenig
oder keine Hilfe benötigen. Die Lehrkraft nimmt in dieser Phase eine eher passive Rolle ein und
unterstützt die Schülerinnen und Schüler als Lernbegleitung beim Lernprozess. Auch während
des selbstständigen Übens sind Pausen eingeplant. Die Lehrkraft schafft diese Unterbrechungen
bewusst, um Fragen zu beantworten oder Rückmeldungen zu geben.
Reflexion und Zusammenfassung
Die letzte Phase der Direkten Instruktion ist die Reflexion, in der eine Zusammenfassung des
Gelernten erfolgt. Die Lehrkraft plant dafür mindestens fünf Minuten ein. Die Schülerinnen und
Schüler fassen die neuen Lerninhalte in Form einer schriftlichen Lernnotiz oder mündlicher
Äußerungen zusammen. Dabei ist es wichtig, dass die Reflexion und die Zielerreichung von den
Schülerinnen und Schülern und nicht von der Lehrkraft durchgeführt werden.
Es gibt acht wesentliche Prinzipien der Direkten Instruktion (Brüning & Saum, 2019), die es beim
Einsatz zu beachten gilt:
– Im Gegensatz zum traditionellen Unterricht, in dem oft Vorwissen vorausgesetzt und dieses
nicht aktiv wiederholt wird, stellt die erste Phase der Direkten Instruktion die Vorwissensakti-
vierung in den Mittelpunkt. Zu Beginn jeder Unterrichtsstunde werden bereits erlernte Inhalte
wiederholt und alle Schülerinnen und Schüler somit kognitiv aktiviert.
– Die Lehrkraft präsentiert den Lernstoff kleinschrittig, erklärt die Vorgehensweise detailliert und
veranschaulicht sie anhand mehrerer Beispiele. Statt die richtige Lösung und Regeln vorzu-
geben, werden im Unterricht nach dem Ansatz der Direkten Instruktion verschiedene Lösungs-
Prinzipien wirksamer
Instruktion
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wege diskutiert und von den Schülerinnen und Schülern frei gewählt, um Lernschwierigkeiten
und Missverständnisse zu vermeiden.
– Ein weiteres Prinzip ist die Unterbrechung der Übungsphase, um Rückfragen zu stellen bzw.
Feedback zu geben.
– Die Lehrkraft fungiert als Lernbegleitung.
– Sie bietet Hilfestellungen bei schwierigen Aufgaben.
– Dabei beobachtet sie gezielt den Lernprozess, dokumentiert den Lernerfolg oder mögliche Miss-
verständnisse und überprüft das Verständnis der Schülerinnen und Schüler.
– Die Aufgabenstellungen sind so gestaltet, dass alle Schülerinnen und Schüler Erfolgserleb-
nisse haben können. Es liegt in der Verantwortung der Lehrkraft, das selbstständige Üben zu
planen. Die Instruktionen sollten kurzgehalten werden, damit die Schülerinnen und Schüler
aus reichend Zeit haben, um die neuen Lerninhalte zu üben.
– Wiederholungen von bereits erlernten Inhalten sollten wöchentlich und monatlich im Unter-
richt nach der Direkten Instruktion stattfinden. Die Lerninhalte können dabei beispielsweise in
der Lernumgebung präsent sein und von den Schülerinnen und Schülern gezielt während der
Wochenplanarbeit oder Freiarbeitszeiten geübt werden.
Die Direkte Instruktion bietet eine Vielfalt an Methoden, die nachhaltiges Lernen ermöglichen.
Nachfolgend werden sieben Methoden erläutert, die sich in der Praxis bewährt haben:
Lautes Denken/kognitives Modellieren als Instruktionsstrategie nach White (2017)
Lehrkräfte planen und bereiten den Unterricht vor. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sie
die Vorgehensweise bei der Problem- bzw. Fragestellung nachvollziehbar machen. Zusätzlich ist
zu beachten, dass viele Prozesse bei Erwachsenen automatisiert sind. Bei Kindern und Jugendli-
chen sollten neue Informationen und Inhalte nicht zu schnell und zu abstrakt vermittelt wer-
den, da dies zu Verwirrung, Unklarheit und Überforderung führen kann. Für die Schülerinnen
und Schüler bleibt oft unklar, was von ihnen erwartet wird, was zu Problemen führen kann.
Es kommt häufig vor, dass Schülerinnen und Schüler Fehler machen und die Lehrkraft nicht
nachvollziehen kann, wie das Kind vorgegangen ist. Oft können Schülerinnen und Schüler, vor
allem die jenigen mit Lernschwierigkeiten, ihre Vorgehensweise nicht verbalisieren. Die Methode
des lauten Denkens oder des kognitiven Modellierens können dazu beitragen, dass Schülerinnen
und Schüler kognitive Prozesse besser verstehen. Dabei präsentiert die Lehrkraft die Lösung und
formuliert ihre Gedanken zur Vorgehensweise laut. Es geht dabei nicht um Erklärungen, sondern
um die Äußerung von Gedanken (Huber et al., 2005).
Die Klasse soll einen Text lesen und dabei Schlüsselwörter markieren. In der Instruktions phase
liest die Lehrkraft einen Textabschnitt vor. Dabei stoppt sie bewusst das Vorlesen, wenn sie
selbst eine Lesestrategie anwenden würde. Wird im Text beispielsweise beschrieben, warum ein
Flugzeug fliegt, kann dies wie folgt formuliert werden:
„In diesem Abschnitt wird beschrieben, warum ein Flugzeug fliegt. Vier physikalische Kräfte
wirken auf das Flugzeug. Ich markiere „vier physikalische Kräfte“. Diese vier Kräfte erklären,
warum das Flugzeug fliegt. Ich lese weiter. Die vier Kräfte werden sicherlich als Nächstes vor-
kommen.“
Die Lehrkraft setzt das Lesen fort und stoppt bei der nächsten wichtigen Information:
„Die erste Kraft ist der Auftrieb. Ich markiere das Wort Auftrieb. Ich lese weiter. Die zweite Kraft
wird jetzt vorkommen.“ usw.
Visualisierungen
Die Visualisierung von Lerninhalten kann zur kognitiven Entlastung führen. Informationen kön-
nen durch visuelle Kanäle besser aufgenommen (Fühner, 2022). Zudem haben sie eine Stütz-
funktion beim Verstehen von abstrakten Informationen. Es ist jedoch zu beachten, dass die Visu-
alisierung allein nicht ausreicht, um Lerninhalte vollständig zu vermitteln.
Methoden der
Direkten Instruktion
Praxistipp!
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Im Unterricht werden Visualisierungen beispielsweise in Form von Tafel- oder Bodenbildern
erstellt, um Lerninhalte zu vermitteln. Wenn die Lehrkraft erklärt und gleichzeitig Bilder
und/oder Wortkarten auslegt oder Merksymbole zeichnet, verlangsamt sich automatisch ihre
Sprechgeschwindigkeit. Zusätzlich werden die wesentlichen Informationen für die Schülerin-
nen und Schüler dauerhaft sichtbar. Visualisierungen können als Stütze genutzt werden, um
Zusammenfassungen am Ende der Stunde zu erstellen oder die Lernumgebung in der Phase
der Vorwissensaktivierung zu bereichern.
Sprachliche Klarheit
Die Bildungssprache setzt sich aus der Alltagssprache, der Wissenschaftssprache, der Fach sprache
und der Schulsprache zusammen. Im Unterricht verwenden Lehrkräfte die Unterrichtssprache.
Diese beinhaltet Wörter, die im Alltag nicht unbedingt gebräuchlich sind und nicht allen Schüle-
rinnen und Schülern bekannt sein dürften. Die noch unbekannten Wörter werden unter Berück-
sichtigung der sprachlichen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler eingesetzt, damit
sie von allen verstanden, behalten und selbst angewendet werden können (Meyer, 2018). Ziel der
Unterrichtssprache ist es, diese in die Bildungssprache zu übersetzen (z.B. „Wir zählen die Zahlen
zusammen. Wir addieren die Zahlen.“). Bei der Vermittlung neuer Informationen ist es wichtig,
auf wesentliche Details einzugehen. Aufgabe der Lehrkraft ist es, die Sprachkenntnisse zu ver-
tiefen und um weitere Informationen zu ergänzen.
– Einsatz von kurzen und prägnanten Sätzen, kein Gebrauch von Nebensätzen
– Verwendung von Fachbegriffen von Anfang an
– Vermeidung von Synonymen für den gleichen Gegenstand
– Verwendung von anschaulichen Wörtern und Beschreibungen
– Sprachlich reduzierte Erklärungen
Think-Pair-Share
Eine der bekanntesten Methoden des kooperativen Lernens ist das „Think-Pair-Share“-Konzept
(Denken-Austauschen-Vorstellen) (Mattes, 2018; Brüning & Saum, 2019). Es führt zu einer inten-
siveren Informationsverarbeitung und kognitiven Aktivierung aller Schülerinnen und Schüler.
Diese Methode lässt sich bei allen Unterrichtsformaten einsetzen (Mattes, 2018). Der Erfolg und
die Lernwirksamkeit dieser Methode basieren einerseits auf der inneren Aktivierung jeder einzel-
nen Person in der „Think“-Phase und anderseits auf der Sicherheit, die durch den Austausch für
schwächere oder stillere Schülerinnen und Schüler in der „Pair“-Phase geschaffen wird. Zudem
weist die Lernpsychologie darauf hin, dass der Lernzuwachs durch die Kommunikation zwischen
Schülerinnen und Schülern verstärkt wird (Steindorf, 2000).
Das „Think-Pair-Share“-Konzept ist eine Methode, die ohne Vorbereitung umgesetzt werden
kann und für alle Phasen und Formate des Unterrichts geeignet ist.
– Think (Denken): Alle Schülerinnen und Schüler arbeiten alleine.
– Pair (Austauschen): Die Überlegungen werden mit einer Partnerin oder einem Partner dis-
kutiert und die Arbeitsergebnisse werden verglichen und ergänzt.
– Share (Vorstellen): Die Ergebnisse der Austauschphase werden in der Klasse vorgestellt,
besprochen, reflektiert und korrigiert.
Scaffolding
Das sogenannte „Scaffolding“ (engl. „Gerüst“, Archer & Hughes, 2011; Gibbons, 2002) ist eine
Methode, die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützt, Aufgaben zu bewältigen, die sie noch
nicht eigenständig lösen können. Mit zunehmender Kompetenz der Schülerinnen und Schüler
wird das Scaffolding durch die Lehrkraft reduziert, um die Entfaltung der Methode und das selbst-
ständige Arbeiten zu fördern. Es besteht aus vier Elementen:
Praxistipp!
Praxistipp!
Praxistipp!
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– Bedarfsanalyse (Zielsetzung),
– Lernstandsanalyse (Bestimmung der Lernausgangslage),
– Unterrichtsplanung (vom Einfachen zum Komplexen, von der Alltagssprache zur Fachsprache,
vom Mündlichen zum Schriftlichen),
– Unterrichtsinteraktion (Aktives Zuhören bei Äußerungen von Schülerinnen und Schülern,
Koopera tive Lernmethoden) (Gibbons, 2002).
Das Konzept von Pauline Gibbons aus dem Jahr 2002 basiert auf der soziokulturellen Theorie des
Psychologen Lev Vygotskij und seiner Zone der nächsten Entwicklung (Vygotskij, 1978).
Jamie McKenzie (2002) präsentierte acht Kriterien für ein gelungenes Scaffolding.
Die Lehrkraft…
– …gibt eine klare Richtung sowie klare Anweisungen vor.
– …verdeutlicht das Ziel.
– …hält die Schülerinnen und Schüler konzentriert beim Thema.
– …kommuniziert transparent ihre Erwartungen an die Schülerinnen und Schüler.
– …zeigt den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zur Unterstützung auf.
– …minimiert Unsicherheit und Enttäuschungen.
– …sorgt für effizientes Arbeiten der Schülerinnen und Schüler.
– …motiviert.
Wiederholungen
Wellenreuther (2009) beschreibt die Wiederholung als Bestandteil effektiver Direkter Instruktion.
Diese sollte in Form von täglichen, wöchentlichen und monatlichen Wiederholungen stattfinden
und das Gelernte festigen. Zudem sollen Zusammenhänge zwischen Lerninhalten aufgedeckt und
Vernetzungen der Lerninhalte entwickelt werden. Hierfür können Wochenplan- oder Freiarbeits-
materialien genutzt werden, die in der Lernumgebung zur Verfügung stehen.
Umsetzung der Wiederholung im Unterricht:
– Wiederholung bereits gelernter Lerninhalte am Anfang jeder Stunde
– Wiederholung der Inhalte der neuen Lektion durch die Schülerinnen und Schüler am Ende
der Stunde
– Wiederholung während des Schuljahrs, damit bereits erlernte Inhalte nicht vergessen
werden
– Arbeit mit Wiederholungsplänen, die bereits erlernte Lerninhalte beinhalten und die die
Schülerinnen und Schüler selbstständig in Form einer Checkliste während des Schuljahrs
erledigen.
– Nutzung von Hefteinträgen und Regelheften für Wiederholung
– Wiederholung mit Hilfe der Lernumgebung
– Statt „Was hast du heute gelernt?“, probiere „Schreibe auf, was du heute gelernt hast.“
Feedback
Im Hinblick auf Unterricht gibt es zwei Arten von Feedback: Feedback, das die Lehrkraft den Schü-
lerinnen und Schüler gibt, und Feedback, das die Schülerinnen und Schüler der Lehrkraft geben.
Die Lehrkraft kann auf vier Ebenen Rückmeldung geben (Hattie &Timperley, 2007):
– auf der Ebene der Aufgabe,
– auf der Ebene des Prozesses,
– auf der Ebene der Selbstregulation
– und auf der Ebene des Selbst.
Praxistipp!
Praxistipp!
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Praxistipp!
Offener Unterricht
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Auf der ersten Ebene wird die Qualität der Leistung überprüft, während auf der Ebene des Prozesses
das Arbeitsverhalten reflektiert wird. Die Schülerinnen und Schüler erhalten eine Rück meldung
zur Art und Weise ihrer Arbeit. Die Ebene der Selbstregulation bezieht sich auf die Bewäl tigung der
Aufgabe und die Steuerung des eigenen Verhaltens. Schließlich folgt die Ebene des Selbst. Dabei
werden personenbezogene Rückmeldungen wie Lob oder Verbesserungsmöglich keiten gegeben.
Die Rückmeldung der Schülerinnen und Schüler trägt einerseits zur Verbesserung der Unter-
richtsqualität bei und andererseits zur Verbalisierung des eigenen Lernens.
Die Metastudie von Black und William (1998) zu Leistungsbewertung und Feedback zeigt, dass
kontinuierliches Feedback während des Lernprozesses stärker wirkt als andere Interventionen
wie beispielsweise verbesserte Lernmaterialien oder alternative Unterrichtsmethoden. Außerdem
hat sich ein positiver Einfluss auf die Lernleistung aller Schülerinnen und Schüler gezeigt, unab-
hängig vom Leistungsniveau. Bei der Planung des Unterrichts sollten Lehrkräfte die Schwächen
der Schülerinnen und Schüler berücksichtigen, damit das Feedback fruchtbar ist. Rückmeldun-
gen sollten mit Hinweisen zur Förderung und Hilfestellungen verbunden werden. Ein gutes und
erfolgreiches Feedback zeichnet sich durch transparente und herausfordernde Ziele aus. Es ist
außerdem differenziert und klar formuliert, wird zeitnah gegeben und bezieht sich auf konkrete
Lernprozesse.
In der Praxis hat sich die Nutzung von Kriterienrastern bewährt, um erfolgreiches Feedback
zu geben. Kriterienraster präsentieren die Kompetenzerwartungen und die erwartete Leistung.
Sie schaffen Zieltransparenz und Klarheit und können während des gesamten Unterrichts-
prozesses eingesetzt werden.
Das Konzept des offenen Unterrichts ist ein Sammelbegriff für verschiedene Reformansätze und
beschreibt eine Vielzahl von pädagogischen Möglichkeiten auch für den sonderpädagogischen
Bereich. Der offene Unterricht entwickelte sich in den 1970er Jahren als alternative Konzep tion
zum Frontalunterricht. Wallrabenstein hat 1994 das Konzept der Öffnung konkretisiert und in
drei Dimensionen erklärt: die inhaltliche, die methodische und die organisatorische Öffnung
(Wallrabenstein, 1994). Peschel ergänzte diese drei Dimensio-
nen der Öffnung um die soziale und die persönliche Offenheit
(Peschel, 2006).
Es gibt verschiedene Arbeitsformen des offenen Unterrichts,
wie zum Beispiel Projektunterricht, Stationenarbeit, Freiarbeit,
handlungsorientiertes und entdeckendes Lernen, Wochenplan-
arbeit und vieles mehr. Das Ziel ist, den Schülerinnen und Schü-
lern die Fähigkeiten zu vermitteln, Inhalte und Lernintentionen
eigenständig auszuwählen, Aktivitäten zu gestalten und durch
die Nutzung der eigenen Kreativität weiterzuentwickeln.
Es ist zu berücksichtigen, dass offene Unterrichtsformate sehr
hohe Anforderungen an die Selbstständigkeit der Schülerinnen
und Schüler stellen. Schülerinnen und Schüler mit Lernschwie-
rigkeiten haben keine oder häufig nicht ausreichende Kompe-
tenzen in diesem Bereich erworben und können daher durch
offene Unterrichtskonzeptionen überfordert sein (Hartke, 2000).
Wember (2020) schlägt als Handlungsmaxime vor: Für eine
Optimierung der Lernzeit sowie eine trans parente Leistungs-
erwartung und -belohnung ist es wichtig, direkten und aktivie-
renden Unterricht anzubieten und die Unterrichtsformen und
-methoden zu variieren. Gerade Schülerinnen und Schüler mit
Direkte Instruktion in offenen Unterrichtsformaten – ein Unterrichtsbeispiel
Schlüsselwörter
Direkte Instruktion, offener Unterricht, sonderpädagogischer
Unterricht, Individualisierung, inklusive Didaktik
Abstract
Direct Instruction is an instruction method whereby teachers
support students in acquiring certain abilities or strategies in
a structured manner. The teacher guides the students explicitly
(and) in small steps. Whereas Direct Instruction has been known
and recognized as an instructional model in English-speaking
countries since the 1960s, it has often been misunderstood and
misinterpreted as front-of-class teaching in Germany. However,
the approach has proven beneficial especially for students with
learning difficulties.
In this article, we exemplify the learning effectiveness of the
method of Direct Instruction by introducing a concrete practical
example to illustrate the implementation of Direct Instruction
in combination with explicit instruction formats and individu-
alized work plans.
Keywords
Direct Instruction, explicit instruction, special education
instruction, individualization, inclusive teaching
Alle Urheberrechte liegen beim Verband Sonderpädagogik e. V. – Veröentlichung und Wiedergabe sind nur mit Genehmigung des Rechteinhabers gestattet.
Direkte Instruktion im
Offenen Unterricht am
Beispiel des Deutsch-
unterrichts zum Thema
„Verfassen eines persön-
lichen Briefs“
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Lernschwierigkeiten benötigen daher direkte Instruktionen sowie angeleitete Übungen, um Kom-
petenzen zu erwerben.
Beschreibung des Klassenraums (offenes Klassenraumkonzept):
In der Klasse sind die Arbeitsplätze der Schülerinnen und Schüler im Raum verteilt. Die Schüle-
rinnen und Schüler haben keinen festen Sitzplatz, sondern wählen diesen je nach Arbeits- und
Sozialform frei. Es wurden Regeln für die Nutzung der flexiblen Sitzordnung besprochen. Ein
fester Stuhlkreis in der Mitte des Raums dient als Treffpunkt für die gesamte Klasse. Dort werden
neue Lerninhalte vermittelt oder Zusammenfassungen am Ende der Unterrichtseinheit gegeben.
Ausgangslage der Klasse:
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten im Fach Deutsch mit Lernleitern. Aktuell behandeln sie
eine Lernsequenz zum Thema „Verfassen eines persönlichen Briefs“. Da jedes Kind individuell an
der eigenen Lernleiter mit passenden Lernaufgaben arbeitet, wird das Beispiel bezogen auf eine
Gruppe von vier Schülerinnen und Schülern mit dem gleichen Arbeitstempo erläutert. Die bisher
erlernten Inhalte der Lernsequenz sind: Briefarten, die Beschriftung eines Briefumschlags, die
Kriterien für persönliche und sachliche Briefe sowie der Aufbau eines persönlichen Briefs. Das
heutige Stundenziel der Gruppe lautet: „Ich verfasse einen persönlichen Brief“.
Ablauf der Unterrichtseinheit
– Phase 1: Zur Vorwissensaktivierung trifft sich die gesamte Klasse im Stuhlkreis. Die Lehrkraft
führt dazu ein „Think-Pair-Share“ durch, um mögliche, bereits erlernte Lerninhalte schritt-
weise wieder in Erinnerung zu rufen. Während der „Think“-Phase stehen die Schülerinnen
und Schüler auf, sichten die Lernumgebung sowie ihre Lernnotizen und Hefteinträge. In dieser
Phase wird sichergestellt, dass alle Schülerinnen und Schüler kognitiv aktiviert sind. Sie akti-
vieren ihr Vorwissen in Bezug auf die in den Vorstunden erarbeiteten Kriterien für einen per-
sönlichen und sachlichen Brief. Währenddessen legt die Lehrkraft Wortkarten auf den Boden.
Anschließend kommen die Schülerinnen und Schüler für die „Pair“-Phase in den Stuhlkreis.
Sie besprechen mit ihrem direkten Nachbarkind eine erste Zuordnung der Kriterien. In der
„Share“-Phase werden die Kriterien gemeinsam von der Klasse zugeordnet. Die Moderation
der Vorwissensaktivierung kann von einer Schülerin oder einem Schüler übernommen
werden. Der zweite bereits erlernte Inhalt ist der Aufbau eines persönlichen Briefs. Dazu stellt
die Lehrkraft ebenfalls Legematerial zur Verfügung. Dieses beinhaltet eine leere Briefvorlage
sowie beschriftete Karten mit Fachbegriffen (z.B. Datum, Anrede, Grußformel etc.). Eine
Differenzierungsmöglichkeit für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler besteht darin,
eigenständig die Karten mit den Fachbegriffen zu beschriften. Nun beginnt die Klasse mit der
Arbeit an der Lernleiter.
– Phase 2: Die Lehrkraft demonstriert in einer Kleingruppe das Thema „Verfassen eines persön-
lichen Briefs“. Die Schülerinnen und Schüler treffen sie sich dazu im Kreis mit der Lehrkraft.
Die Lehrkraft verwendet eine Checkliste, um den neuen Lerninhalt „Verfassen eines persön-
lichen Briefs“ zu vermitteln. Sie stellt das Vorgehen zunächst kleinschrittig vor. Sie schreibt
einen eigenen Brief und spricht dabei ihre Gedanken aus (kognitives Modellieren). Während
dieser Phase verfolgen die Schülerinnen und Schüler die Darbietung still. Um ihre Aufmerk-
samkeit aufrecht zu erhalten, sollte eine Darbietung nicht länger als 12 bis 15 Minuten betra-
gen. Nach Abschluss der Darbietung berät die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler. Hierfür
erhalten diese eine Checkliste mit den Kriterien für das Verfassen eines persönlichen Briefs. Die
Schülerinnen und Schüler überprüfen, ob die Kriterien vollständig erfüllt wurden. Zusätzlich
werden Fragen gestellt und Unklarheiten geklärt.
– Phase 3: Das angeleitete Üben ist eine wichtige Phase der Direkten Instruktion für Schülerin-
nen und Schüler, die noch nicht selbstständig arbeiten können. Die Lehrkraft stellt Check listen,
Formulierungs- und Strukturierungshilfen zur Verfügung oder wiederholt die Darbietung
schrittweise. Das angeleitete und später das selbstständige Üben werden regelmäßig unter-
brochen, um den Schülerinnen und Schülern Feedback zu geben.
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Ausblick
Literatur
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– Phase 4: Schülerinnen und Schüler, die nach der Darbietung oder nach ausreichender ange-
leiteter Übung selbstständig arbeiten können, verfassen mithilfe der Checkliste einen persön-
lichen Brief.
– Phase 5: Bevor sich die Klasse abschließend im Sitzkreis trifft, reflektieren alle Schülerinnen
und Schüler ihren Lernzuwachs. Anschließend tauschen sie sich mit ihren Notizen im Plenum
aus und besprechen individuelle Ziele sowie neue Erkenntnisse. Während dieser Phase werden
die unterschiedlichen Lernniveaus durch die Äußerungen der Schülerinnen und Schüler trans-
parent. Die Lehrkraft kann individuelles Feedback geben und neue Ziele mit den Schülerinnen
und Schülern vereinbaren.
In der täglichen Unterrichtspraxis hat sich die Direkte Instruktion als lernwirksame Methode
erwie sen. Sie bietet eine gute Struktur für die Planung und Durchführung des Unterrichts und
wird von den Lernenden positiv bewertet. Dennoch bedarf es weiterer Forschung und wissen-
schaftlicher Belege für die Effektivität dieser Methode vor allem im inklusiven Kontext. Um den
Unterricht zu individualisieren und die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler entspre-
chend ihres Potentials und ihrer Möglichkeiten zu erweitern, ist es notwendig, dass Lehrkräfte ihr
Denken und ihre Perspektive ändern und ihre (inklusive) Didaktik anpassen. Lernende mit Lern-
schwierigkeiten benötigen intensive und häufige Anleitung, direkte Instruktionen sowie zusätz-
liche Lernzeit, um bestimmte Kompetenzen zu erwerben. Deshalb ist für diese Schülerinnen und
Schüler nicht ein grundsätzlich neues Unterrichtskonzept erforderlich, sondern es bedarf ledig-
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Georgia Koutsianikouli
Universität Regensburg
Lehrstuhl für Lernbehindertenpädagogik einschließlich inklusiver Pädagogik
Sedanstraße 1
93053 Regensburg
Georgia.Koutsianikouli@ur.de
Dr. Stephanie Lutz
Universität Regensburg
Lehrstuhl für Lernbehindertenpädagogik einschließlich inklusiver Pädagogik
Sedanstraße 1
93053 Regensburg
Stephanie.Lutz@ur.de
Direkte Instruktion in offenen Unterrichtsformaten – ein Unterrichtsbeispiel