Kant war in der vorkritischen Periode in der Moralphilosophie Anhänger der englischen Gefühlsmoral geworden. So weit hat er sich von der Wolff’schen Schulphilosophie, in der er erzogen war, entfernt (in der Ethik vertrat sie einen reinen Rationalismus), dass er in seiner Ankündigung für seine Wintervorlesungen 65/66 schreiben konnte: „Die Versuche des Shaftesbury, Hutcheson und Hume, welche,
... [Show full abstract] obzwar unvollendet und mangelhaft, gleichwohl noch am weitesten in der Aufsuchung der ersten Gründe aller Sittlichkeit gelangt sind, werden diejenige Präcision und Ergänzung erhalten, die ihnen mangelt; und indem ich in der Tugendlehre jederzeit dasjenige historisch und philosophisch erwäge, was geschieht, ehe ich anzeige, was geschehen soll, so werde ich die Methode deutlich machen, nach welcher man den Menschen studieren muß“1, und zwar, wie er weiter ausführt, nicht den zufälligen Menschen in der zufällig wechselnden Gestalt, „sondern die Natur des Menschen, die immer bleibt ... Diese Methode der sittlichen Untersuchung ist eine schöne Entdeckung unserer Zeiten und ist, wenn man sie in ihrem völligen Plan erwägt, den Alten gänzlich unbekannt geblieben. “2