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Varianten in der Relegation.
Auf- und Abstiegsdynamiken von Konstruktionen
in der variationslinguistischen Vertikale
Simon Kasper
Institut für Germanistik
Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf
„Grammatik des
Neuhochdeutschen
zwischen Gegenwart und
Geschichte“
23.–25. Mai 2024
Rauischholzhausen
Forschungskontext
Varianten in der Relegation
a) adnominale Possession – „attributiver possessiver Dativ“
b) fokussierter Rezipient in Transfers – „Rezipientenpassiv“
Einordnung
Forschungskontext
Ágel & Hennig im
Exposé zur Tagung
„Als die wohl wichtigste Erkenntnis der modernen Sprachgeschichts-
forschung dürfte gelten, dass Sprachstabilität wie Sprachwandel eng mit
Variation verbunden sind. Dabei unterscheidet sich die vertikalisierte
‚Sprachdynamik‘ (Schmidt/Herrgen 2011) des Gegenwartsdeutschen mit
Sicherheit erheblich von der horizontalen älterer Sprachstufen (Ágel 2015),
auch wenn einschlägige empirische Studien fehlen. Klar ist jedoch, dass
das Nhd. als die Kernzeit der ‚Vertikalisierung des Varietätenspektrums‘
(Reichmann 1988) und der Herausbildung konzeptioneller Schriftlichkeit
keine bloße ,Schnittstelle‘ zwischen Gegenwart und Geschichte ist,
sondern eine ,Varietätenumwälzungsepoche‘ mit besonderen theore-
tischen, methodischen, inkl. korpustechnologischen, und empirischen
Herausforderungen im Spannungsfeld von ‚Differenzierung und
Integration‘, ‚Erhaltungsbereich und Neuerungsbereich‘ und ‚Konstanten
und Inkonstanten‘ (Sonderegger 1979: 202 ff.) darstellt. Entsprechend
wachsen der Beschreibungsanspruch und die Erklärungskomplexität [...].“,
(S. 1–2)
5
Ágel & Hennig im
Exposé zur Tagung
„Als die wohl wichtigste Erkenntnis der modernen Sprachgeschichts-
forschung dürfte gelten, dass Sprachstabilität wie Sprachwandel eng
mit Variation verbunden sind. Dabei unterscheidet sich die vertikalisierte
‚Sprachdynamik‘ (Schmidt/Herrgen 2011) des Gegenwartsdeutschen mit
Sicherheit erheblich von der horizontalen älterer Sprachstufen (Ágel 2015),
auch wenn einschlägige empirische Studien fehlen. Klar ist jedoch, dass
das Nhd. als die Kernzeit der ‚Vertikalisierung des Varietätenspektrums‘
(Reichmann 1988) und der Herausbildung konzeptioneller Schrift-
lichkeit keine bloße ,Schnittstelle‘ zwischen Gegenwart und Geschichte
ist, sondern eine ,Varietätenumwälzungsepoche‘ mit besonderen
theoretischen, methodischen, inkl. korpustechnologischen, und empi-
rischen Herausforderungen im Spannungsfeld von ‚Differenzierung und
Integration‘, ‚Erhaltungsbereich und Neuerungsbereich‘ und ‚Konstanten
und Inkonstanten‘ (Sonderegger 1979: 202 ff.) darstellt. Entsprechend
wachsen der Beschreibungsanspruch und die Erklärungskomplexität [...].“
(S. 1–2)
6
„Ziel des Projekts ist daher die erstmalige systematische Erschließung der
modernen Regionalsprachen des Deutschen.“
Dieses umfassende Ziel gliedert sich in zwei Teilziele:
1. Aufbau eines forschungszentrierten Informationssystems zu den
modernen Regionalsprachen des Deutschen, in dem die bisher
vorliegenden immensen Datenbestände der dialektologischen,
soziolinguistischen und variationslinguistischen Forschung gebündelt,
aufeinander bezogen und so der Forschung für systematische
vergleichende Analysen und der Öffentlichkeit als Informationsquelle
zur Verfügung stehen.
2. Ersterhebung und Analyse der variationslinguistischen Struktur und
Dynamik der modernen Regionalsprachen des Deutschen. Zu diesem
Zweck ist es erforderlich, den Variationsraum, der diese modernen
Regionalsprachen kennzeichnet und der durch die Elemente
„Regionalakzent“ (standardnächster Pol), „Dialekt“ (standardfernster
Pol) und ein intermediäres Varietätengefüge konstituiert wird, zu
erheben und zu analysieren.“
(https://www.regionalsprache.de/projektbeschreibung.aspx [4. April 2024])
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„Ziel des Projekts ist daher die erstmalige systematische Erschließung
der modernen Regionalsprachen des Deutschen.“
Dieses umfassende Ziel gliedert sich in zwei Teilziele:
1. Aufbau eines forschungszentrierten Informationssystems zu den
modernen Regionalsprachen des Deutschen, in dem die bisher
vorliegenden immensen Datenbestände der dialektologischen,
soziolinguistischen und variationslinguistischen Forschung gebündelt,
aufeinander bezogen und so der Forschung für systematische
vergleichende Analysen und der Öffentlichkeit als Informationsquelle
zur Verfügung stehen.
2. Ersterhebung und Analyse der variationslinguistischen Struktur
und Dynamik der modernen Regionalsprachen des Deutschen. Zu
diesem Zweck ist es erforderlich, den Variationsraum, der diese
modernen Regionalsprachen kennzeichnet und der durch die
Elemente „Regionalakzent“ (standardnächster Pol), „Dialekt“
(standardfernster Pol) und ein intermediäres Varietätengefüge
konstituiert wird, zu erheben und zu analysieren.“
(https://www.regionalsprache.de/projektbeschreibung.aspx [4. April 2024])
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!!
12
„erste Liga“
„zweite Liga“
„dritte Liga“
Varianten„relegation“
Varianten„relegation“
13
Varianten in der Relegation
a) adnominale Possession – „attributiver possessiver Dativ“
15
Tobi – Fuß Puppe – Fuß
Kran – Arm
16
Tobi – Fuß Puppe – Fuß
Kran – Arm
lebensweltlicher
Kontext, führt
Referenten ein,
bahnt Possessiv-
verhältnis an.
17
Tobi – Fuß Puppe – Fuß
Kran – Arm
Possessor und
Possessum
werden festgelegt.
18
Tobi – Fuß Puppe – Fuß
Kran – Arm Jede NP-förmige
Possessiv-
konstruktion ist
einsetzbar.
19
Tobi – Fuß Puppe – Fuß
Kran – Arm
Bitte um Antwort
in vorher
gewählter,
vertrautester
Sprechweise
20
Tobi
– Fuß
Puppe
– Fuß
Kran
– Arm
Belebtheit
Possessor
human
unbelebt,
anthropomorph
unbelebt, nicht
anthropomorph
Relation kognitiv
Besitz
Besitz
Teil/Ganzes
Relation objektiv
Besitz
Teil/Ganzes
Teil
/Ganzes
21
Dialekt regional gefärbte Alltagssprache „Hochdeutsch“
Tobi – Fuß Puppe – Fuß Kran – Arm
„zu“-Kxn
Kxn poss. „Dativ“
präd. Possession
„von“-Kxn
post-/pränominal
Genitiv-Kxn
post-/pränominal
Kompositum
22
„zu“-Kxn
Kxn poss. „Dativ“
präd. Possession
„von“-Kxn
post-/pränominal
Genitiv-Kxn
post-/pränominal
Kompositum
Kxn poss. „Dativ“
häufigste Variante in mind.
zwei benachbarten
Planquadraten
Tobi – Fuß Puppe – Fuß Kran – Arm
Dialekt regional gefärbte Alltagssprache „Hochdeutsch“
23
Präferenzabnahme entlang Faktor [lexikalische Füllung]
„zu“-Kxn
Kxn poss. „Dativ“
präd. Possession
„von“-Kxn
post-/pränominal
Genitiv-Kxn
post-/pränominal
Kompositum
Kxn poss. „Dativ“
häufigste Variante in mind.
zwei benachbarten
Planquadraten
Tobi – Fuß Puppe – Fuß Kran – Arm
Dialekt regional gefärbte Alltagssprache „Hochdeutsch“
24
Präferenzabnahme entlang Faktor [vertikale Sprechlage] (Vorsicht!)
„zu“-Kxn
Kxn poss. „Dativ“
präd. Possession
„von“-Kxn
post-/pränominal
Genitiv-Kxn
post-/pränominal
Kompositum
Kxn poss. „Dativ“
häufigste Variante in mind.
zwei benachbarten
Planquadraten
Tobi – Fuß Puppe – Fuß Kran – Arm
Dialekt regional gefärbte Alltagssprache „Hochdeutsch“
25
Präferenzabnahme entlang Faktor [vertikale Sprechlage] (Vorsicht!)
„zu“-Kxn
Kxn poss. „Dativ“
präd. Possession
„von“-Kxn
post-/pränominal
Genitiv-Kxn
post-/pränominal
Kompositum
Kxn poss. „Dativ“
häufigste Variante in mind.
zwei benachbarten
Planquadraten
Tobi – Fuß Puppe – Fuß Kran – Arm
Präferenzabnahme entlang Faktor [lexikalische Füllung]
Dialekt regional gefärbte Alltagssprache „Hochdeutsch“
26
Tobi
– Fuß
Puppe
– Fuß
Kran
– Arm
Belebtheit
Possessor
human
unbelebt,
anthropomorph
unbelebt, nicht
anthropomorph
Relation kognitiv
Besitz
Besitz
Teil/Ganzes
Relation objektiv
Besitz
Teil/Ganzes
Teil
/Ganzes
Belebtheit human--------------unbelebt, anthropomorph---------unbelebt, nicht anthropomorph
Grammatikalisierungsgrad / -pfad adnom. possessiver „Dativ“
27
Tobi – Fuß Puppe – Fuß Kran – Arm
„zu“-Kxn
Kxn poss.
„Dativ“
präd.
Possession
„von“-Kxn
post-/pränominal Kompositum
Genitiv-Kxn
post-/pränominal
Relative Anteile der jeweiligen Varianten an allen Antworten innerhalb einer Sprechweise
28
Tobi – Fuß Puppe – Fuß Kran – Arm
„zu“-Kxn
Kxn poss.
„Dativ“
präd.
Possession
„von“-Kxn
post-/pränominal Kompositum
Genitiv-Kxn
post-/pränominal
Relative Anteile der jeweiligen Varianten an allen Antworten innerhalb einer Sprechweise
29
Tobi – Fuß Puppe – Fuß Kran – Arm
„zu“-Kxn
Kxn poss.
„Dativ“
präd.
Possession
„von“-Kxn
post-/pränominal Kompositum
Genitiv-Kxn
post-/pränominal
Relative Anteile der jeweiligen Varianten an allen Antworten innerhalb einer Sprechweise
30
Tobi – Fuß Puppe – Fuß Kran – Arm
Kxn poss.
„Dativ“
„von“-Kxn
post-/pränominal Kompositum
Genitiv-Kxn
post-/pränominal
Anteile ausgewählter Varianten an allen Antworten eines Geburtsjahrzehnts und ihre Veränderung in apparent time
31
Bis zur Ist-Situation:
❖Kxn mit „poss. Dativ“: als dialektal (fast) überall gebräuchliche Kxn über längere Zeit hinweg in
bestimmten Regionen in die regional gefärbte Alltagssprache und in einer
Teilmenge dieser Regionen ins gesprochene „Hochdeutsch“ aufgestiegen (!)
❖Genitiv-Kxnn: genuin schriftsprachlich (pränom. & postnom.) und niederdeutsch
(pränom.)
❖von-Kxn: (arg) grob: allgemein gesprochensprachlich
Entwicklungstendenzen in den vorliegenden Daten zur Ist-Situation:
❖Kxn mit „poss. Dativ“: Präferenz generell abnehmend mit abnehmender Belebtheit des Possessors
gemäß Belebtheitshierarchie
Präferenz abnehmend „nach oben hin“ hinsichtlich des vertikalen
Varietätengefüges
Präferenz abnehmend mit abnehmendem Alter der Gewährspersonen (!)
❖Genitiv-Kxnn: Präferenz zunehmend in den Bedingungen, in denen die für die Kxn mit
„poss. Dativ“ abnehmend
❖von-Kxn: Präferenz zunehmend in den Bedingungen, in denen die für Gen.-Kxnn
abnehmend
32
Bis zur Ist-Situation:
❖Kxn mit „poss. Dativ“: als dialektal (fast) überall gebräuchliche Kxn über längere Zeit hinweg in
bestimmten Regionen in die regional gefärbte Alltagssprache und in einer
Teilmenge dieser Regionen ins gesprochene „Hochdeutsch“ aufgestiegen (!)
❖Genitiv-Kxnn: genuin schriftsprachlich (pränom. & postnom.) und niederdeutsch
(pränom.)
❖von-Kxn: (arg) grob: allgemein gesprochensprachlich
Entwicklungstendenzen in den vorliegenden Daten zur Ist-Situation:
❖Kxn mit „poss. Dativ“: Präferenz generell abnehmend mit abnehmender Belebtheit des Possessors
gemäß Belebtheitshierarchie
Präferenz abnehmend „nach oben hin“ hinsichtlich des vertikalen
Varietätengefüges
Präferenz abnehmend mit abnehmendem Alter der Gewährspersonen (!)
❖Genitiv-Kxnn: Präferenz zunehmend in den Bedingungen, in denen die für die Kxn mit
„poss. Dativ“ abnehmend
❖von-Kxn: Präferenz zunehmend in den Bedingungen, in denen die für Gen.-Kxnn
abnehmend
33
Varianten in der Relegation
b) fokussierter Rezipient in Transferereignissen –
„Rezipientenpassiv“
35
Mann – Wasser Mann – Banane Mann – Zahn
Puppe – Mütze Truck – Motorhaube
36
Beschreibung der
Situation in Bild 1,
Einführung der
Referenten
Mann – Wasser Mann – Banane Mann – Zahn
Puppe – Mütze Truck – Motorhaube
37
Bildsequenz, in
der sich ein
Transferereignis
entfaltet
Mann – Wasser Mann – Banane Mann – Zahn
Puppe – Mütze Truck – Motorhaube
38
Frage erlaubt jede
satzwertige
Antwort mit
fokussiertem
Proto-Rezipienten
Mann – Wasser Mann – Banane Mann – Zahn
Puppe – Mütze Truck – Motorhaube
39
Bitte um Antwort
in vorher
gewählter,
vertrautester
Sprechweise
Mann – Wasser Mann – Banane Mann – Zahn
Puppe – Mütze Truck – Motorhaube
40
Mann Wasser
Mann Zahn
Puppe Mütze
Mann Banane
Truck
Motorhaube
Transfer
rezeptiv
privativ
privativ
privativ
privativ
Involviertheit
commodi
commodi
n.a
.
incommodi
n.a
.
Belebtheit
Pr.
-Rezipient
human
human
unbelebt
anthropomorph
human
unbelebt, nicht
anthropomorph
41
Dialekt regional gefärbte Alltagssprache „Hochdeutsch“
Mann – Wasser Mann – Zahn Puppe – Mütze Mann – Banane Truck – Motorhaube
werden-
Passiv
kriegen-
Passiv
bekommen-
Passiv
(unpers.)
Aktiv I
kriegen-
Aktiv
bekommen-
Aktiv
lassen-
Kxn
geben-
Passiv
(unpers.)
Aktiv II 42
Dialekt regional gefärbte Alltagssprache „Hochdeutsch“
Mann – Wasser Mann – Zahn Puppe – Mütze Mann – Banane Truck – Motorhaube
werden-
Passiv
kriegen-
Passiv
bekommen-
Passiv
(unpers.)
Aktiv I
kriegen-
Aktiv
bekommen-
Aktiv
lassen-
Kxn
geben-
Passiv
(unpers.)
Aktiv II
Präferenzabnahme Rez.-Passiv entlang Faktor [lexik. Füllung] & [Transfertyp]
43
Dialekt regional gefärbte Alltagssprache „Hochdeutsch“
Mann – Wasser Mann – Zahn Puppe – Mütze Mann – Banane Truck – Motorhaube
werden-
Passiv
kriegen-
Passiv
bekommen-
Passiv
(unpers.)
Aktiv I
kriegen-
Aktiv
bekommen-
Aktiv
lassen-
Kxn
geben-
Passiv
(unpers.)
Aktiv II
Präferenzabnahme Rez. passiv entlang Faktor [vertikale Sprechlage]
(Vorsicht!)
44
Dialekt regional gefärbte Alltagssprache „Hochdeutsch“
Mann – Wasser Mann – Zahn Puppe – Mütze Mann – Banane Truck – Motorhaube
werden-
Passiv
kriegen-
Passiv
bekommen-
Passiv
(unpers.)
Aktiv I
kriegen-
Aktiv
bekommen-
Aktiv
lassen-
Kxn
geben-
Passiv
(unpers.)
Aktiv II
Präferenabnahme kriegen
Präferenabnahme bekommen
45
Mann – Wasser Mann – Zahn Puppe – Mütze Mann – Banane Truck – Motorhaube
sprechweisenübergreifend
sprechweisenübergreifend
kriegen vs. alle anderen Varianten
bekommen vs. alle anderen Varianten 46
Relative Anteile der jeweiligen Varianten an allen Antworten innerhalb einer Sprechweise
werden-
Passiv
kriegen-
Passiv
bekommen-
Passiv
(unpers.)
Aktiv I
kriegen-
Aktiv
bekommen-
Aktiv
lassen-
Kxn
geben-
Passiv
(unpers.)
Aktiv II
Mann – Wasser Mann – Zahn Puppe – Mütze Mann – Banane Truck – Motorhaube
47
Relative Anteile der jeweiligen Varianten an allen Antworten innerhalb einer Sprechweise
werden-
Passiv
kriegen-
Passiv
bekommen-
Passiv
(unpers.)
Aktiv I
kriegen-
Aktiv
bekommen-
Aktiv
lassen-
Kxn
geben-
Passiv
(unpers.)
Aktiv II
Mann – Wasser Mann – Zahn Puppe – Mütze Mann – Banane Truck – Motorhaube
48
Relative Anteile der jeweiligen Varianten an allen Antworten innerhalb einer Sprechweise
werden-
Passiv
kriegen-
Passiv
bekommen-
Passiv
(unpers.)
Aktiv I
kriegen-
Aktiv
bekommen-
Aktiv
lassen-
Kxn
geben-
Passiv
(unpers.)
Aktiv II
Mann – Wasser Mann – Zahn Puppe – Mütze Mann – Banane Truck – Motorhaube
49
Mann Wasser
Mann Zahn
Puppe Mütze
Mann Banane
Truck
Motorhaube
Transfer
rezeptiv
privativ
privativ
privativ
privativ
Involviertheit
commodi
commodi
n.a
.
incommodi
n.a
.
Belebtheit
human
human
unbelebt
anthropomorph
human
unbelebt, nicht
anthropomorph
Transfer rezeptiv ---------------------------------------------------------------------------------privativ
Involviertheit commodi-----------------------------------------------------------------------------incommodi
Belebtheit human----------------unbelebt, anthropomorph---------unbelebt, nicht anthropomorph
Grammatikalisierungsgrad / -pfad Rezipientenpassiv
+ Anteil Rezipientenpassiv −
50
Anteile ausgewählter Varianten an allen Antworten eines Geburtsjahrzehnts
und ihre Veränderung in apparent time
werden-
Passiv
kriegen-
Passiv
bekommen-
Passiv
(unpers.)
Aktiv I
Mann – Wasser Mann – Zahn Puppe – Mütze Mann – Banane Truck - Motorhaube
51
Vor der Ist-Situation:
❖kriegen-Passiv: dialektal weit verbreitet, Kernregion im Wmd., zum Teil in regional gefärbte
Alltagssprache vorgedrungen, nicht standard(schrift)sprachlich
❖bekommen-Passiv: ersetzt kriegen in der reg. gef. Alltagssprache und in „Hochdeutsch“
weit(est)gehend; tendenziell wmd. oder generell md. Kernregion; ggü. kriegen-
Passiv (angeblich) weit grammatikalisiert im (gespr.) Std.
❖werden-Passiv: horizontal und vertikal überall gebräuchlich, relativer Anteil abhängig von
Anteilen der Rezipientenpassive
Entwicklungstendenzen in den vorliegenden Daten zur Ist-Situation:
❖kriegen-Passiv: Präferenz abnehmend mit zunehmender Entfernung von rezeptiven (ggü.
privativen), commodi- (ggü. incommodi-)Transfers mit humanen (ggü.
niedriger belebten) Proto-Rezipienten, speziell...
horizontal sich auf Kernregionen beschränkend;
vertikal sich auf Dialekt beschränkend;
generell abnehmend mit abnehmendem Alter (!)
❖bekommen-Passiv: Faktoren wie beim kriegen-Passiv, im Besonderen...
horizontal wie kriegen-Passiv;
vertikal sich auf reg. gef. Alltagssprache und „Hochdeutsch“ beschränkend;
Präferenz in älteren Generationen zunehmend, in jüngeren abnehmend (!)
❖werden-Passiv: Präferenz in dem Maße zunehmend, wie die für Rezipientenpassiv abnehmend
52
Einordnung
allgemeines
Ergebnis:
Status quo der
Relegation
Mit der Kxn mit poss. „Dativ“ und dem Rezipientenpassiv sind
genuin dialektale Konstruktionen via landschaftliches
Hochdeutsch und, jünger, die regional gefärbte Alltagssprache in
die (gesprochene bzw. geschriebene) Standardsprache
„aufgestiegen“.
Der Aufstieg erfolgte gestaffelt nach Grammatikalisierungs-
graden (weit bei hoher → weniger weit bei niedriger) und im Falle
des Rezipientenpassivs nach Regionen (weit in Kernregion →
weniger weit in der Peripherie).
54
allgemeines
Ergebnis:
Relegations-
prognose
Nach der Analyse in apparent time zu schließen, lässt der Status
quo dieser Konstruktionen in der Standardsprache kein weiteres
Vordringen in geographischer Hinsicht und in Bezug auf weitere
Grammatikalisierung erwarten.
Tatsächlich scheinen sie bereits wieder im Rückzug begriffen zu
sein (Peak beim Rezipientenpassiv in den Daten (!), bei der Kxn
mit poss. Dativ weiter in der Vergangenheit).
55
Interpretations-
versuch
Kann es sein, dass in dem Maß, wie die variative Kompetenz in
der Sprachgemeinschaft abnimmt, d.h. mit zunehmender
Verbreitung monovarietärer „Hochdeutsch“-Kompetenz, auch
der „Aufstieg“ genuin dialektaler oder regiolektaler Varianten in
Richtung Standardsprache sowie ihre geographische Ausbreitung
in den „oberen Ligen“ zum Stopp kommt?
Ebenso käme die Grammatikalisierung dieser Varianten damit
insofern zum Stopp und sie zögen sich insofern schrittweise aus
der Peripherie zurück, als ältere, variativ kompetente Mitglieder
der Sprachgemeinschaft demographisch aus dieser
ausschieden, da sie den Aufstieg angetrieben haben.
56
Wie haben Ihre Eltern mit Ihnen gesprochen, als Sie klein waren?
1920–1939 1940–1959 1960–1979 1980–1999 2000–2019
Dialekt reg. gef.
Alltagsspr.
„Hochdeutsch“ Dialekt &
reg. gef. Alltagsspr.
reg. gef. Alltagsspr. &
„Hochdeutsch“
Dialekt &
„Hochdeutsch“
Dialekt,
reg. gef. Alltagsspr. &
„Hochdeutsch“
Sonstiges
57
Bart, Gabriela (2006): Ds Grossvatersch Brilla oder di Brilla vam Grossvater. Zu den Possessivkonstruktionen im Schweizerdeutschen. Lizentiatsarbeit,
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linguistic geography 9(2), 69–85.
Dudenredaktion (2016): Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. Herausgegeben von Angelika Wöllstein und der Dudenredaktion. 9., vollständig
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Attempto.
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Forschungsliteratur zur Beschreibung der Ist-Situationen
58
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Forschungsliteratur zur Beschreibung der Ist-Situationen
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Kasper, Simon/Pheiff, Jeffrey/Kammers, Heiko (2024ff.): Digitaler (morpho-) syntaktischer Atlas der deutschen Regionalsprachen (Work in Progress).
Konzipiert von Simon Kasper und Jeffrey Pheiff. Bearbeitet von Heiko Kammers. Studentische Hilfskräfte: Lisa Semler, Lea Platt. In: Schmidt,
Jürgen Erich/Herrgen, Joachim/Kehrein, Roland/Lameli, Alfred (Hrsg.) (2020ff): Regionalsprache.de (REDE III). Forschungsplattform zu den
modernen Regionalsprachen des Deutschen. Bearbeitet von Robert Engsterhold, Hanna Fischer, Marina Frank, Heiko Girnth, Simon Kasper,
Juliane Limper, Salome Lipfert, Georg Oberdorfer, Tillmann Pistor, Anna Wolańska. Unter Mitarbeit von Dennis Beitel, Lisa Dücker, Lea
Fischbach, Milena Gropp, Heiko Kammers, Maria Luisa Krapp, Vanessa Lang, Salome Lipfert, Jeffrey Pheiff, Bernd Vielsmeier. Studentische
Hilfskräfte. Marburg: Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas. URL: https://www.regionalsprache.de/mitmachen-ergebnisse.aspx [Stand:
27.02.2024]
Pheiff, Jeffrey/Kasper, Simon (2020): Syntaktische Variation „oberhalb“ des Dialekts? Die Erhebung der regionalsprachlichen Syntax des Deutschen:
horizontal, indirekt, vertikal und online. Niederdeutsches Wort 60, 35–87.
Publikationen aus dem Projekt
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Arbeitsbereich (Morpho-)Syntax der Regionalsprachen
Prof. Dr. Simon Kasper
(Düsseldorf)
Dr. Jeffrey Pheiff
(Bern)
Heiko Kammers M.A.
(Marburg, Düsseldorf)
Robert Engsterhold
(Marburg, IT)
Lea Platt
(Marburg, student. MA)
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Wie haben Ihre Eltern mit Ihnen gesprochen, als Sie
klein waren?
Dialekt
reg. gef. Alltagsspr.
„Hochdeutsch“
Dialekt & reg. gef. Alltagsspr.
reg. gef. Alltagsspr. & „Hochdeutsch“
Dialekt & „Hochdeutsch“
Dialekt, reg. gef. Alltagsspr. & Hochdeutsch“
Sonstiges
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