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Institut für Soziologie der Universität Leipzig
Karsten Lauber und Kurt Mühler
Zum Einfluss einer Präferenz für Ordnung auf die
Wahrnehmung von Incivilities als gefährlich
Arbeitsbericht des Instituts für Soziologie
Nr. 83 (Mai 2024)
2
Arbeitsberichte des Instituts für Soziologie der Universität Leipzig
Die Arbeitsberichte des Instituts für Soziologie erscheinen in unregelmäßiger Reihenfolge.
Bisher erschienene Berichte können unter folgender Adresse angefordert werden. Eine Liste
der bisher erschienenen Berichte findet sich am Ende jedes Arbeitsberichts und im Internet
unter unten angegebener Adresse. Dort ist auch ein Großteil der Arbeitsberichte direkt online
verfügbar. Für die Inhalte sind allein die jeweiligen Autoren verantwortlich.
Redaktion: Dr. Ivar Krumpal
Kontakt Institut für Soziologie
Universität Leipzig
Beethovenstr. 15
04107 Leipzig
Tel +49 (0) 341 9735 693 (Ivar Krumpal)
640 (Sekretariat Fr. Müller)
Fax +49 (0) 341 9735 669
Email: krumpal@sozio.uni-leipzig.de
Net: http://sozweb.sozphil.uni-leipzig.de/de/institut/arbeitsberichte.html
3
Der Gendarm, das ist Ordnung,
und Ordnung ist immer unbeliebt
(Louis de Funes)
Vorbemerkungen
Großstädte haben zunehmend
1
ein Problem mit illegal abgestelltem Müll im öffentlichen Raum. Seit
Jahren nehmen vielerorts die Kosten zu, diesen Müll in Verantwortung der Kommunen und zu Lasten
der individuell zu entrichtenden Abfallgebühren entsorgen zu lassen.
2
Dabei geht zum Beispiel die
Leipziger Stadtverwaltung
3
davon aus, dass illegal abgestellter Müll im öffentlichen Raum auch die
Kriminalitätsfurcht der Bürger steigert. Die Ratsversammlung beschloss deshalb die Implementierung
von Umweltdetektiven beim Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig (Stadt Leipzig 2020).
Bemerkenswert ist, dass im Zusammenhang mit den strategischen Zielen des Konzepts die Absicht
verfolgt wird, zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sauberkeit sowie maßgeblich zum
Sicherheitsgefühl beizutragen (Stadt Leipzig 2021: 3). Eine Begründung des Zusammenhangs
zwischen öffentlicher Ordnung und dem Sicherheitsgefühl bzw. der Kriminalitätsfurcht wird nicht
vorgenommen. Dabei ist dies keineswegs schwierig, denn Ordnung im öffentlichen Raum erhält in
den Theorien sozialer Desorganisation bereits seit Jahrzehnten explizite Aufmerksamkeit.
Insbesondere im Rahmen der Broken-Windows-Theorie wird ein solcher Zusammenhang thematisiert.
Der Broken-Windows-Theorie
4
(Wilson/Kelling 1982) wurden geraume Zeit die akademischen
Würden verweigert. Stattdessen wurde bzw. wird sie mit Kritik überzogen. Neben politischen
Vorbehalten, die insbesondere auf die Begründung der New Yorker Polizeistrategie Zero Tolerance
rekurrieren, sowie die zunächst nicht vorhandene empirische Bewährung, galt sie insgesamt als grober
Wurf für extreme restriktive polizeiliche Maßnahmen. Inzwischen ist die Broken-Windows-Theorie
empirischen Prüfungen mit differenzierten Ergebnissen ausgesetzt worden und weist eine gewisse
Dauerpräsenz in kriminologischen Forschungen auf (exemplarisch für viele vgl. Keuschnigg/Wolbring
2015; Skogan 2015; Oberwittler et al. 2017). Ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der Theorien sozialer
Desorganisation wird kaum noch bestritten. Eine der Ungenauigkeiten liegt aber weiterhin im Begriff
der Ordnung - sowohl aus sozialwissenschaftlicher als auch aus kriminologischer Perspektive. Zum
einen ist „die Ordnung“ bereits in der deutschen Sprache zu ungenau und nicht definiert und zum
anderen deckt sie auch in ihrer Übertragung als Incivilities oder Disorder ein breites Spektrum an
delinquenten und devianten Verhaltens- und Erscheinungsformen ab. Stattdessen wird von einem
imaginären Ordnungsverständnis ausgegangen, dem eine Bevölkerung insgesamt per se folgt. Ist das
tatsächlich so? Es fehlt an empirischen Untersuchungen zum Ordnungsverständnis verschiedener
1
Zur (Stadt-)Geschichte des Mülls vgl. Köster (2023) und Schubert (2019: 95 ff.).
2
In Köln werden die Kosten für die Beseitigung von wildem Müll für das Jahr 2023 mit 13 Mio. Euro beziffert
(Hahn-Klose/Marquardt 2024). Die Berliner Stadtreinigung meldete für das Jahr 2022 Kosten in Höhe von 6,3
Mio. Euro für die Beseitigung von illegalem Müll (Tagesspiegel 2024). Derartige Angaben sind insbesondere
vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erfassungskriterien und kommunaler Abfallwirtschaftskonzepte zu
betrachten. Ein nicht unwesentlicher Einflussfaktor steigender registrierter Abfallmengen könnte auf die
Einführung digitaler Meldesysteme zurückzuführen sein (z. B. Maerker in Brandenburg, Mängelmelder in
Sachsen oder allgemein über soziale Medien wie X bzw. Twitter).
3
Auch in Leipzig muss immer mehr illegal abgelegter Müll entsorgt werden. Allein 2020 wurden mehr als 2.600
Tonnen unerlaubter Abfall in der Stadt beseitigt. Im Jahresvergleich stieg die Menge der entsorgten illegalen
Ablagerungen von 4.506,30 m3 (2018) und 6.163,20 m3 (2019) auf 8.228,89 m3 (2020) an. (Stadtreinigung
Leipzig o.J.: 9; 2022).
4
Im Sinne von Karl Popper betrachten wir Theorien als hypothetisch-deduktive Systeme, d.h. bei Theorien
handelt es sich um dasselbe wie Hypothesen oder Vermutungen (bis zu ihrer Falsifizierung) (vgl. Popper 1979:
108 ff.).
4
sozialer Gruppen.
5
Das ist insofern relevant, als offenbleibt, warum aus Unordnung
Kriminalitätsfurcht entsteht. Was an Unordnung oder welche Art Unordnung wird von welchen
Gruppen als Signaling für Gefahr wahrgenommen?
Einordnung der Broken-Windows-Theorie.
Die materielle und soziale Beschaffenheit von Wohnvierteln hat als Forschungszweig in der
Kriminologie bereits eine längere Geschichte. Mit dem Ursprung der Theorien sozialer
Desorganisation gewann in den 1940er Jahren ein Zusammenhang zwischen räumlicher
Beschaffenheit und Kriminalität zunehmende Aufmerksamkeit. Die Zonentheorie, als erste
Systematisierung des Problems, baute auf frühe Beobachtungen auf und lieferte empirische Hinweise
auf einen Zusammenhang zwischen dem Aufkommen von Bandenkriminalität und bestimmten
Stadtgebieten (Shaw/McKay 1942). Shaw/McKay fanden Korrelate zum Kriminalitätsniveau, die aus
Phänomenen bestanden, wie sie heute als physische und soziale Incivilities bezeichnet werden (Hunter
1978; La Grange et al. 1992). Einerseits war mit einem erhöhten Kriminalitätsaufkommen eine
ungünstige bauliche Struktur (Abbruchhäuser, unsanierte Gebiete) und andererseits eine hohe
Schulschwänzerrate, ein hoher Anteil von Sozialhilfeempfängern sowie eine hohe residentielle
Instabilität verbunden. Zusammenfassend lässt sich aus heutiger Sicht dazu feststellen, dass mit der
Zonentheorie die fundamentalen Bausteine der Theorie sozialer Desorganisation begründet wurden:
die Häufung sozialer Probleme, physische und soziale Incivilities, residentielle Instabilität und
mangelnde informelle Sozialkontrolle. In der Folge bauten theoretische Modifikationen
(Sampson/Groves 1989; Bursick/Grasmick 1993; Sampson/Raudenbush 1997; Skogan 1988;
Friedrichs 2014) auf diese Grundlage auf.
In den 1980er Jahren kam mit der Broken-Windows-Theorie eine modifizierte Perspektive hinzu. Die
Broken-Windows-Theorie schien zunächst
6
wegen der engen Verbindung zur New Yorker Zero-
Tolerance Polizeistrategie so kompromittiert, dass mitunter sogar ihr Status als Theorie in Zweifel
gezogen wurde. Allerdings fanden mit dieser Theorie die Wahrnehmung öffentlicher Unordnung und
ihr Einfluss auf das individuelle Verhalten einen festen Platz in der kriminologischen Forschung. Das
Kernstück der Broken-Windows-Theorie besteht in der Annahme des Einflusses der Wahrnehmung
von Incivilities auf die Kriminalitätsfurcht.
7
Bei einem Ansteigen der Kriminalitätsfurcht wird ein
Rückzug ins Private angenommen, was wiederum zu einem Sinken der informellen Sozialkontrolle in
einem Wohnviertel führt.
8
Mit diesem Perspektivwechsel von der soziodemographischen
Beschaffenheit eines Wohnviertels zur individuellen Wahrnehmung bekommen zwei Aspekte, ein
theoretischer und ein methodischer, besondere Aufmerksamkeit: Incivilities als Gefahrensymbol und
die Messung der Wahrnehmung von Incivilities.
5
Nicht selten wird auf ein schicht- oder herkunftspezifisches Verständnis von Sauberkeit hingewiesen (aus
historischer Perspektive vgl. Schubert 2019: 97 und aus kulturwissenschaftlicher Perspektive vgl. Moisi 2020:
1 ff.).
6
Kritiker der Broken-Windows-Theorie sehen darin eine „Legitimationsideologie“ (Belina 2017: 39), die im
Kern eine Diskriminierung von Fremden, Obdachlosen, Bettlern, Herumhängenden oder Geisteskranken
beinhaltet, soweit sie diese Menschen in Verbindung mit Unordnung und incivilities bringt.
7
Bei genauer Betrachtung beinhaltet die Broken-Windows-Theorie zwei Hypothesen, die es
auseinanderzuhalten gilt: die erste bezüglich des Einflusses von Incivilities auf die Kriminalitätsfurcht und die
zweite, derzufolge aus den Incivilities eine Kriminalitätsspirale entsteht.
8
Dass dadurch zwangsläufig eine Kriminalitätsspirale in Gang gesetzt wird, ist zweifellos ein berechtigter
Kritikpunkt an der Broken-Windows-Theorie. Wir beziehen uns hier ausschließlich auf den ersten Teil der
Broken-Windows-Theorie, dem Ansteigen von Kriminalitätsfurcht.
5
Was die Messung von Incivilities betrifft, so sind im deutschsprachigen Raum die Arbeiten von
Lüdemann besonders einflussreich. Dessen Hamburg-Studie brachte vielfältige Einsichten in
Zusammenhänge, die Kriminalitätsfurcht entstehen lassen bzw. steigern können. Unter anderem
schlägt Lüdemann eine zusammenfassende Rekodierung der Wahrnehmung
9
von und der Störung an
Incivilities vor. Sein Hauptargument für diese Rekodierung bezieht sich auf eine bessere
Wirkungseinschätzung (Lüdemann 2005). Auch wenn diese Vorgehensweise im Sinne einer
Bestätigung der Broken-Windows-Theorie empirisch unterstützt wird, bleibt dadurch aber der
Zusammenhang zwischen Ordnungspräferenzen und Wahrnehmung von Unordnung verdeckt. Selbst
wenn in der öffentlichen Meinung ein kohärenter Ordnungsbegriff zu existieren scheint, kann man
nicht davon ausgehen, dass Ordnung in den individuellen Präferenzen den gleichen Stellenwert
einnimmt.
Mit den theoretischen Grundannahmen des symbolischen Interaktionismus lässt sich argumentieren,
dass, wenn - Personen auf der Grundlage der Bedeutung von Symbolen miteinander interagieren -,
dann auch ihr individuelles Handeln von den Bedeutungen entsprechender Symbole beeinflusst wird.
In Übertragung auf unser Anliegen ergibt sich daraus die Frage, wodurch der Grad an
Gefahrenbedeutung von Incivilities für die Kriminalitätsfurcht bedingt ist. Wir werden uns auf
individuelle Präferenz für Ordnung konzentrieren und gehen davon aus, dass von Präferenzen nicht
nur ein Framing bezüglich Wahrnehmung ausgeht, sondern auch die Wirkung der Wahrnehmung auf
die Kriminalitätsfurcht selbst beeinflusst wird. Folgender Frage werden wir nachgehen:
Warum führt die Wahrnehmung von Unordnung zu Kriminalitätsfurcht?
Dieser Aufsatz ist ein vorrangig theoretischer Aufsatz, mit dem ein Beitrag geleistet werden kann, die
Forschungslücke zur Gefahrenzuweisung von Unordnung zu schließen. Auch wenn eine erforderliche
Primärerhebung noch nicht verfügbar ist, sind folgende vorbereitende Schritte möglich:
1. Ein empirischer Nachweis, wonach die individuelle Wahrnehmung von Unordnung Furcht
erzeugt und
2. anhand von Sekundärdaten einen ersten Einblick über die Prüfung von Brückenhypothesen zu
gewinnen, die auf den Zusammenhang zwischen einer Präferenz für Ordnung und
Kriminalitätsfurcht zielt, wobei die im folgenden Abschnitt angenommene Erklärung mittels
einer individuellen Kontrollbalance empirisch hier nicht geprüft werden kann, sondern
zunächst ausschließlich als theoretische Grundlage für eine Hypothesenableitung dient.
Der theoretische Zugang
Kontrolle ist eine grundsätzliche menschliche Bestrebung, um Ereignisse zu beeinflussen,
vorherzusehen oder auf Ereignisse angemessen zu reagieren. Sie trägt damit zu einer Stabilität
innerhalb des eigenen (engeren oder weiteren) Lebensumfelds bei. Je zufriedenstellender Kontrolle
wahrgenommen wird, desto selbstsicherer wird eine Person. Die Organisation der
Kontrolleinschätzung steht demnach mit den (konservativen) Grundmerkmalen einer Person in einer
engen Beziehung. Grundsätzlich verfügt jeder Mensch über ein bestimmtes Maß an
Kontrollerwartungen und (wahrgenommener) ausgeübter Kontrolle. Das Gefühl in Bezug auf eine
verfügbare oder ggf. erwartbare Kontrolle führt grundsätzlich zu Handlungs- und Selbstsicherheit.
9
Zu den Systematic Social Observations vgl. Sampson/Raudenbush (1999) und Skogan (2015: 474 f.).
6
Große Aufmerksamkeit erhält das Konzept der Kontrolle deshalb in der Psychologie und
Sozialpsychologie. Zahlreiche experimentell geprüfte Theorien haben verschiedene Aspekte
individueller Kontrolle zum Gegenstand. Wir wollen hier nur knapp das Feld umreißen, mit dem
Prozesse individueller Kontrolle beschrieben werden können.
Zum einen bilden Forschungen zu gelernter Hilflosigkeit (Seligman 1975, 1990; Brehm 1966) und zur
Kontrollillusion (Gatchel 1980; Taylor 1989; Frey 1995) zwei Pole zwischen Ohnmacht gegenüber
den Ereignissen der Umwelt und Überschätzung der Selbstwirksamkeit. Dabei bestimmen
Attributionsstile zwischen internal und global versus external und spezifisch, ob eine Person das
Eintreten eines unerwünschten Ereignisses sich unabwendbar selbst zuschreibt oder ungenügender
Anstrengung bzw. einmalig widrigen Bedingungen.
Zum anderen zeigen Forschungen zur Reaktanz als einer Widerständigkeit gegen das Eintreten eines
unerwünschten Ereignisses das Potenzial auf, mit dem sich Individuen prozesshaft mit ihrer Umwelt
auseinandersetzen (Wortman/Brehm 1975). Dabei nimmt die individuelle Relevanz eines Ereignisses
großen Einfluss darauf, ob und wann der Kontingenzfaden des Eintretens eines unerwünschten
Ereignisses endgültig reißt (Fischer/Wiswede 2002: 78). Mit anderen Worten dann, wenn ein
negatives Ereignis global mit der eigenen Person verbunden wird, wird es nicht mehr als zufällig
angesehen oder widrigen Bedingungen zugeschrieben, sondern der eigenen Unfähigkeit, Kontrolle
auszuüben.
10
Auch in der Kriminologie wird Bezug auf Kontrolle genommen. So begründete Tittle (1995) ein
Konzept der Kontrollbalance (Kontroll-Gleichgewichts-Theorie). In der Verletzung der
Kontrollbalance sieht Tittle eine generelle Ursache für Devianz. Demnach begünstigt ein
Ungleichgewicht zwischen der Kontrolle, die eine Person ausübt (Maß an Autonomie), und dem
Umfang an Kontrolle, dem sie unterworfen ist (Maß an Repression), delinquentes Verhalten. Im
Unterschied zu eher einfachen Vorstellungen, denenzufolge ein reines Kontrolldefizit zu Delinquenz
führt, erlaubt die Kontroll-Gleichgewichts-Theorie auch Annahmen über Kriminalitätsformen zu
bilden, die jeweils aus einem bestimmten Umfang und der Art des Ungleichgewichts folgen. Je
nachdem, ob ein Übergewicht an Autonomie oder ein Übergewicht an Repression entsteht, steigt die
Wahrscheinlichkeit für bestimmte Delikte. So führt ein hohes Übergewicht an Repression, der eine
Person unterworfen ist, zur passiven Duldung von Delikten, wie z.B. Unterwerfung oder Duldung
körperlichen Missbrauchs, und ein hohes Übergewicht an Autonomie z.B. zu verschiedenen Formen
schwerer Wirtschaftskriminalität und Machtmissbrauch (vgl. Schneider 2001: 58).
Wir wollen nun versuchen, diesen kriminologischen Ansatz auf dem Gebiet der sozialen Kontrolle
bzw. der Erklärung von Delinquenz anzuwenden, um die Idee einer Kontrollbalance auf unser
Forschungsproblem, die Furchtentstehung im Zusammenhang mit Unordnung, zu erklären.
Das Kontrollverlangen ist eine Strategie der Selbstbehauptung in jeweils gegebenen sozialen
Situationen. Die Kontrollerwartung einer Person bestimmt grundsätzlich auch jenes Maß ihrer
10
Ein Beispiel für eine Beeinflussung genereller Attributionsstile kann der Geschlechterforschung entnommen
werden. Ein Feld der Auseinandersetzung besteht in der Beforschung des Verhältnisses Geschlecht und
Mathematik im Schulunterricht. So wird u.a. darüber gestritten, ob für Mathematik und naturwissenschaftliche
Fächer in der Schule Koedukation beibehalten oder wieder getrennter Unterricht stattfinden soll. Argumentiert
wird diesbezüglich, dass aus Vergleichen zwischen den Geschlechtern Effekte für das Selbstkonzept also
Kontrollüberzeugungen, die relevant für das Leistungsstreben sind, abgeleitet werden. Eine Folgerung besteht
darin, dass möglicherweise die auffällige Leistungsschwäche von Jungen mit einer Feminisierung des
Lehrberufs und konkurrenz-dynamischen Ursachen (Koedukation) verbunden ist (Kleinau 2016).
7
Aktivität und Wirksamkeit, Ereignisse ihrer Umgebung (mit)zubestimmen. Zugleich ist es eine
subjektive Größe, die einerseits von den basalen Persönlichkeitsmerkmalen und andererseits im
lerntheoretischen Verständnis aus der individuellen Interaktion mit der Umwelt einer Person
einhergeht. In Anlehnung an Tittle bestimmt sich dann die subjektive Wirkung von Unordnung aus
den Formen einer Kontrollbalance bzw. deren Ungleichgewicht.
Wir gehen davon aus, dass die Wohnung sowie die Wohnumgebung ein zentrales Feld des
individuellen Kontrollverlangens darstellen. Im Regelfall ist dies auch unabhängig vom individuellen
Attributionsstil einer Person erfüllt. Nicht zuletzt ist der Wohnraum durch das Grundgesetz geschützt,
wodurch eine Kontrollzufriedenheit bzw. wahrgenommene Kontrollbalance gefördert wird
(Lauber/Mühler 2019: 190 ff.). Für unser Anliegen ist es erforderlich, einen theoretischen
Zusammenhang zwischen einem Ungleichgewicht der Kontrollbalance und einer Präferenz für
Ordnung zu begründen.
Zunächst scheint es plausibel anzunehmen, dass ein Überhang an wahrgenommener Fremdkontrolle
(bei Tittle: Repression) grundsätzlich Furchterzeugung fördern kann. Generell würde versucht werden,
eine Situation, die mit einem Ungleichgewicht an Kontrolle einhergeht, durch Vermeideverhalten zu
kompensieren; es sei denn, eine Vermeidung ist nicht möglich oder mit erheblichen Einschränkungen
der Lebensqualität verbunden. Dies ist bezüglich unseres Objektbereichs, der Wohnumgebung, in der
die Wahrnehmung von Unordnung gemessen wird, der Fall. Zum einen kann ein wahrgenommenes
Kontrollungleichgewicht durch Personenmerkmale erzeugt sein. Für die empirische Prüfung einer
solchen Annahme eignet sich z.B. die Messung der Big Five oder von Attributionsstilen. Zum anderen
ist erfahrene (direkte oder indirekte) Viktimisierung ein Faktor, der ein Kontrollungleichgewicht
erzeugt bzw. verstärkt.
Wir gehen weiter davon aus, dass wahrgenommene Kontrolle in der Wohnumgebung mit den Faktoren
Selbstwirksamkeit und kollektiver Wirksamkeit (collective efficacy/informelle Sozialkontrolle) in
Beziehung steht. Eine Verletzung des Kontrollgleichgewichts in Richtung Repression (geringe
Selbstwirksamkeit, geringe kollektive Wirksamkeit) begünstigt den Aufbau furchtbesetzten
Assoziationen. Eine Verletzung des Kontrollgleichgewichts in Richtung Autonomie (hohe
Selbstwirksamkeit und hohe kollektive Wirksamkeit) löst derartige Assoziationen dagegen auf bzw.
lässt sich erst gar nicht entstehen, d.h. Unordnung wird zwar wahrgenommen, aber nicht als
furchterzeugend beurteilt. Tendenziell kann daraus eine Kontrollillusion entstehen, die aber dennoch
verhaltenswirksam ist.
Ehe wir uns den Normen, also dem Gegenstand der sozialen Kontrolle, widmen, zunächst noch einige
grundlegende Ausführungen zur sozialen Ordnung, um unsere noch zu bildenden Hypothesen
theoretisch einordnen zu können. Sinngemäß lässt sich aus Durkheims Arbeiten ableiten, dass die
sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit Gesellschaft mit der Analyse ihrer Rechtsordnung beginnt
(Schluchter 2000, 11 f.), weil sich die soziale Ordnung einer Gesellschaft auf die Einhaltung ihrer
Rechtsnormen gründet. Sie ist damit Ausdruck des Systemvertrauens der Bevölkerung, das sich auf
deren Vertrauen in die durch Polizei und Justiz geschützte Rechtssicherheit gründet. Es ist
naheliegend, dass das individuelle bzw. das gesellschaftliche Leben darauf beruhen, dass Normen,
insbesondere Rechtsnormen, eingehalten werden. Sie sind der Zement sozialer Ordnung (Elster 1989).
Ungeachtet des seit dem Ende der 1960er Jahre in Westdeutschland zu beobachtenden Wertewandels
hin zu einer offenen, toleranten und sozialliberalen Gesellschaft zeigen Krisensituationen, wie zuletzt
die Corona-Pandemie, wie fragil diese Orientierung in großen Teilen der Gesellschaft ist und die
Sicherung der individuellen Lebensgrundlagen wieder in den Vordergrund rückt. Bezogen z. B. auf
8
die Maslowsche Bedürfnishierarchie ist der als Hamsterkauf zu beobachtende Effekt zugunsten der
physiologischen und Sicherheitsbedürfnisse folgerichtig. Die scheinbaren Versorgungsengpässe bei
Toilettenpapier, Sonnenblumenöl oder Teigwaren, die möglicherweise auf irrationalen Mechanismen
beruhen, bestätigen also die Bedeutung von Stabilität (die wir vielleicht sogar als konservative
Ordnungssicherung bezeichnen können) oder – in umgedrehter Polung – die Angst vor Instabilitäten.
Man muss nicht auf Bildübertragungen aus Asien oder Afrika verweisen, um zu beobachten, wie
schnell Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen eskalieren können; dies zeigt bereits die
Mouvement des Gilets jaunes (Gelbwestenbewegung) in Frankreich. Zygmunt Bauman begründet
bestehende Zukunftsängste mit dem verloren gegangenen Vertrauen in die kollektive Fähigkeit,
Exzesse zu verhindern (Bauman 2017: 75 f.). Dass die Unsicherheit das „heutige Lebensgefühl vieler
Menschen“ (Hirtenlehner/Grafl 2018: 24) beschreibt, mag zutreffen, doch ist diese Erkenntnis bereits
im Leviathan von Hobbes zu finden (Hobbes 2019: 99). Die Zukunft und die Furcht vor Ungewissheit
bzw. Schaden bilden demnach ein Begriffspaar. Damit wird auch der Stellenwert einer stabilen
sozialen Ordnung deutlich.
Insgesamt hat soziale Kontrolle ursprünglich eine positive Konnotation. Soziale Kontrolle wird als ein
Mechanismus kollektiver Problemlösung und positiver Anpassung definiert (Ross 1901); also eine
Voraussetzung der Stabilität sozialer Ordnung, mit der die Rechtsorgane, wenn sie dies allein
besorgen müssten, überfordert wären. Das Objekt sozialer Kontrolle sind Normen, d.h. die Einhaltung
von Normen. Der Definition von Axelrod soll einer Vielzahl von Normdefinitionen der Vorrang
gegeben werden, weil sie den Zusammenhang zwischen freiwilliger und erzwungener Normeinhaltung
betont: „Eine Norm existiert in einem gegebenen sozialen Zusammenhang in dem Ausmaß, wie
Individuen üblicherweise in einer bestimmten Weise handeln und häufig bestraft werden, wenn es
offenkundig wird, daß sie nicht in dieser Weise handeln“ (Axelrod 1990: 107). Hilfreich in diesem
Zusammenhang ist des Weiteren die Unterscheidung zwischen der Verhaltensgeltung und der
Sanktionsgeltung einer Norm, wie sie Popitz vornimmt. Verhaltensgeltung bezeichnet demnach die
freiwillige, von der Richtigkeit überzeugte Einhaltung einer Norm und Sanktionsgeltung die Festigung
einer Norm, wenn bei deren Übertretung eine Sanktion erfolgt (Popitz 1980: 35). Auch Normen
unterliegen Prozessen des Wandels. Entkriminalisierung bezeichnete Kaiser als eine Ventilfunktion,
um die Rechtsorgane nicht zu überlasten und die Entstehung neuer ordnungsgefährdeter Handlungen
zum Objekt rechtlicher Regulation werden zu lassen. Das bedeutet deshalb nicht, dass die vormaligen
Objekte ihres Einflusses ungeregelt wären, sondern Gegenstand allgemeiner sittlicher Vorstellungen
11
bleiben können. Die Differenzierung zwischen Rechts- und Sittennormen (Popitz 1980: 31 ff.) macht
zugleich deutlich, dass sich Normen hinsichtlich ihres Grades der Institutionalisierung unterscheiden
(ebd.). Rechtsnormen weisen einen hohen Grad an Institutionalisierung auf. Die Durchsetzung ihrer
Verbindlichkeit basiert auf dem Gewaltmonopol des Staats. Demgegenüber bezeichnen Sittennormen
allgemeine Regeln, welche den Sittenvorstellungen und Interessen sozialer Gruppen entsprechen und
von diesen mit zivilen Mitteln (Missbilligung, Kritik, Kontaktverweigerung) sanktioniert werden
können. Mithin unterscheiden sich Rechts- von Sittennormen hinsichtlich der
Sanktionswahrscheinlichkeit, -instanz und -mittel. Beide richten sich auf die Stabilität sozialer
Ordnung im Sinne der Bewahrung von Verhaltensregelmäßigkeiten. Während Rechtsnormen auf das
Zusammenwirken der drei Gewalten verweisen und die Einhaltung der Gesetze einer sozialen
Ordnung betreffen und durch formelle Sozialkontrolle geschützt werden, verbinden sich mit
11
Polizeirechtlich bleiben diese nicht mehr kodifizierten Normen als Wesensmerkmal der "öffentlichen
Ordnung" von Bedeutung. Näheres dazu siehe im u.a. Exkurs.
9
Sittennormen partikulare Interessen und Lebensvorstellungen sozialer Gruppen mit einer sehr
unterschiedlichen Reichweite, auf deren Einhaltung mittels informeller Kontrolle hingewirkt wird.
Auch wenn informelle Sozialkontrolle nicht auf einem allgemeinverbindlichen, durch institutionelle
Regeln zum Ausdruck gebrachten Konsens basiert, ist sie dennoch Teil der Stabilisierung sozialer
Ordnung, indem sie die Erzeugung und Bewahrung von Verhaltensregelmäßigkeiten (als
Grundbaustein sozialer Ordnung überhaupt) zum Gegenstand hat. Dadurch, dass Sittennormen, in
erster Linie die weltanschaulichen und politischen Ordnungsvorstellungen der
Mittelschichtsperspektive abbilden, werden sie aufgrund ihrer Charakteristik, wonach es sich um
gruppenbezogene Interessen handelt, stärker in Zweifel gezogen. Die mit der Ordnung einhergehenden
Attribute wie gepflegt, sauber und ordentlich geben also immer auch eine soziale Bewertung ab (Mau
2019: 66 f.). Manche Sittennormen sind essentiell für das soziale Zusammenleben (z. B. gegenseitige
Achtung, Respekt gegenüber Mitmenschen), andere drücken spezielle Lebensvorstellungen aus (z. B.
Familie, Sexualität). Sittennormen sichern unterschwellig Lebenszufriedenheit und Sicherheitsgefühle
der Angehörigen bestimmter sozialer Gruppen oder einer Bevölkerung insgesamt. Wenn man davon
ausgeht, dass Normen nicht angeboren sind und soziale Ordnung eine Folge sozialer Evolution ist,
dann wird deutlich, dass grundsätzlich eine Affinität für unkontrolliertes, dem eigenen Vorteil
dienendes Verhalten besteht, das durch Normen begrenzt werden muss, um kollektive Entitäten zu
erhalten. Neben dieser konservativen, stabilisierenden Seite formeller Sozialkontrolle, die auch als
Bestandteil der Generalprävention im Sinne der Stabilisierung sozialer Ordnung im
Kriminalitätsvorfeld angesehen werden kann, weist informelle Sozialkontrolle auch eine
problemlösende innovative Seite auf. Deutlich wird dies beispielsweise im Konzept des aktivierenden
Staates, demzufolge der Staat nicht allein für die Lösung gesellschaftlicher Probleme zuständig ist und
deshalb die „Problemlösungskompetenzen“ (Bogumil/Jann 2009: 50) der Zivilgesellschaft aktiviert
werden müssen.
In den 1970er Jahren bekam soziale Kontrolle, angestoßen von Vertretern der kritischen Kriminologie
in Deutschland, Großbritannien und Frankreich, im Zusammenhang mit einer inhärenten Staatskritik
eine weitere Interpretation: Kontrolle wird als Überwachung interpretiert. Vereinbar mit dem Bild des
vernünftigen Menschen der 1968er, den lediglich die Fesseln des Kapitalismus (bei Kant waren es
noch die Fesseln der Religion) daran hindern, seiner Vernunft entsprechend zu leben, wird aus sozialer
Kontrolle etwas Befremdliches. Mit Hurrelmann (Geulen, Heitmeyer) entsteht in den 1970er Jahren
ein neues Paradigma der Sozialisationstheorie: das autonom handlungsfähige Subjekt. Hurrelmann
bemerkt, gestützt auf weitere Protagonisten, dieser Auffassung: „Moderne Gesellschaften können nur
noch mit selbstständigen Persönlichkeiten funktionieren. Deshalb wird von jedem
Gesellschaftsmitglied nicht „außengeleitete“ Internalisierung von sozialen Regeln verlangt, sondern
eine flexible auf soziale Bedingungen Rücksicht nehmende „innengeleitete“ Selbstorganisation der
eigenen Wertvorstellungen und Handlungen (Hurrelmann 2002: 14). Die Kritik an Videoüberwachung
demonstriert diese Auffassung. Mit der Intention zur Befreiung des Individuums steht eine Tendenz
zur Kritik an Normen, explizit an Sittennormen, im Einklang. Normen sind eine kollektive Form der
Fremdbestimmung. Demgegenüber gibt sich das sich kontrollierende vernünftige Subjekt selbst
Gesetze, die als allgemeine Maxime des Handelns dienen können, wie Kant die Vernunft in seinem
Aufsatz zur Aufklärung bezeichnete (Kant 1974: 9). Nimmt man diesen Standpunkt des an sich
vernünftigen Mensch ein, dann ist nicht nur die sich an Normen orientierende Sozialkontrolle zu
kritisieren, sondern die zugrunde liegenden (Sitten)Normen selbst.
Zweifellos fehlt es diesem Bild vom Menschen an empirischer Evidenz, dennoch wirkt es auf die
soziale Realität moderner Gesellschaften. Die Akzeptanz einer solchen Maxime des vernünftigen,
10
autonomen Individuums hat durchaus in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Eine der Folgen
beschreibt Nils Christie (2005: 79): "Wir haben unsere [westlichen, Anm. d. Verf.] Gesellschaften
auch in einer Weise geformt, die unerwünschtes Betragen provoziert, und gleichzeitig die
Möglichkeiten nichtstaatlicher Kontrolle reduziert". Normbefolgung, Gehorsam, Autorität bilden aus
dieser Perspektive ein Syndrom, das den modernen Menschen daran hindert, seine
Handlungsspielräume kreativ und umfassend zur Selbstvervollkommnung zu nutzen. Christie bezieht
sich auf zwei Seiten einer Medaille: Einerseits auf Normen als ärgerliche Tatsache (ganz im Sinn von
Dahrendorfs
12
berühmter Feststellung über die Gesellschaft als ärgerlicher Tatsache der
Handlungsbeschränkung (Internalisierungsdefizit) und andererseits die sinkende Legitimation des
sozialen Sanktionierens von Normübertretungen durch andere (Sanktionsdefizit). Mit anderen Worten
lassen sich zwar kollektive Übel
13
erkennen, aber ihre Entstehung und Ausbreitung im Vorfeld
staatlicher formeller Sozialkontrolle immer weniger verhindern. Unter diesem Aspekt drängen sich
zwei Fragen auf: Zum einen die nach der Einbeziehung der Bürger in die formelle Sozialkontrolle.
Zum anderen die Frage, inwieweit es ein konsensuales Verständnis von öffentlicher Ordnung gibt.
Wir nehmen an, dass die Wahrnehmung eines Kontrollungleichgewichts in Richtung Repression
14
bei
einer hohen Präferenz für Ordnung zu einer Steigerung von Kriminalitätsfurcht führt.
Aus unseren theoretischen Überlegungen heraus begründen wir folgende Hypothesen:
Ia. Je intensiver die Präferenz einer Person für Ordnung in der Wohnumgebung ist, desto höher ist
ihre Kriminalitätsfurcht.
Individuen verfügen faktisch über eine Vielzahl an Präferenzen, wodurch sie in die Lage versetzt
werden, mehr oder weniger konsistent auf Objekte und Ereignisse in ihren Handlungsfeldern zu
reagieren bzw. Einfluss auf sie zu nehmen. Aufgrund der Vielzahl von Präferenzen bedarf es einer
jeweiligen Aktivierung, derzufolge eine Präferenz abgerufen wird, wenn das Objekt oder Ereignis
auftritt bzw. sich verändert. Dazu hat Fazio eine Theorie der Zugänglichkeit von Einstellungen
begründet, die auf einer Abhängigkeit von der Häufigkeit des Abrufens einer Einstellung beruht (Fazio
1990). Vereinfacht ausgedrückt festigt sich über assoziatives Lernen eine Präferenz infolge der
Häufigkeit ihres Abrufs.
Erweiternd nehmen wir deshalb an, dass die Präferenz für Ordnung einer aktivierenden Bedingung
bedarf, um auf Kriminalitätsfurcht zu wirken. Eine solche Bedingung sehen wir in einer zunehmenden
Wahrnehmung von physischer Unordnung in der Wohnumgebung:
Ib. Je intensiver die Präferenz einer Person für Ordnung in der Wohnumgebung und je häufiger
Unordnung wahrgenommen wird, desto höher ist ihre Kriminalitätsfurcht.
Ein zweiter Komplex betrifft das Zustandekommen dieser Präferenz für Ordnung.
II. Je unzufriedener eine Person mit der wahrgenommenen individuellen bzw. kollektiven Kontrolle in
der Wohnumgebung ist, desto intensiver ist ihre Präferenz für Ordnung.
[Deprivationszusammenhang]
12
Vgl. Dahrendorf (1974: 18).
13
Zum Begriff der "public bads" siehe Lüdemann (2005: 41).
14
Vgl. Abschnitt Der theoretische Zugang: Gemeint ist ein Ungleichgewicht zwischen der Kontrolle, die eine
Person ausübt (Maß an Autonomie), und dem Umfang an Kontrolle, dem sie unterworfen ist (Maß an
Repression).
11
Da uns noch kein Datensatz zur Verfügung steht, in dem Items zur Messung von
Kontrollüberzeugungen und wahrgenommener Kontrolle enthalten sind, ist dieser Hypothesenteil noch
nicht prüfbar. Stattdessen konzentrieren wir uns auf einen Nachweis des Einflusses einer Präferenz für
Ordnung auf die Kriminalitätsfurcht.
Exkurs: Woran orientiert sich Ordnung?
Ob die Schwäbische Kehrwoche (Jenewein 2018) oder Anforderungen an die Sauberkeit in "The Fine
City" Singapur
15
- wodurch wird die Auseinandersetzung um Ordnung bestimmt? Was wird überhaupt
unter Ordnung verstanden? Wann ist zu viel, wann zu wenig Ordnung? Welchen Einfluss hat Ordnung
auf Denken und Handeln?
Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive wird unter der öffentlichen Ordnung „die Gesamtheit der
ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und
ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen
Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird“.
16
Diese Definition folgt der
amtlichen Begründung zum Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. Juni 1931,
17
die sich wiederum an der
Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts
18
orientierte (vgl. Klausener et al. 1931: 59;
Berner 1957: 812). Die öffentliche Ordnung im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts beinhaltet
damit keine Normen im Sinne geschriebener Regeln (vgl. Denninger 2018: 231 f.) und sie ist aufgrund
unterschiedlicher bzw. sich verändernder Moralvorstellungen raum- und zeitspezifisch uneinheitlich.
Exemplarisch lässt sich dies gut an der Wahrnehmung von (bekleideten oder unbekleideten) Frauen in
der Öffentlichkeit veranschaulichen.
Es liegt nahe, Ordnungsstörungen als diejenigen Handlungen zu bezeichnen, die sich gegen die
polizeirechtlich definierte öffentliche Ordnung richten. Diese Interpretation entspricht allerdings
weder dem herrschenden sicherheitsbehördlichen Verständnis noch der Verwendung des Begriffs in
kriminologischen Kontexten. Es scheint, als wäre der Begriff der Ordnungsstörung eine Catch-all-
Kategorie und damit wenig für analytische Zwecke geeignet. Ordnungsstörungen beinhalten
vielfältige, als belästigend empfundene Verhaltens- und Erscheinungsformen wie Betteln, die
Verursachung von Lärm, Graffiti, kleinere Formen der innerstädtischen Vermüllung und Vandalismus.
Die dieser Bewertung zugrunde liegenden „weltanschaulichen und politischen
Ordnungsvorstellungen“ (Boers 1994: 56) bilden regelmäßig die Mittelschichtsperspektive ab. Der in
der Literatur häufig anzutreffenden Meinung, Ordnungsstörungen würden (noch) nicht gegen
Rechtsnormen verstoßen, kann allerdings nicht gefolgt werden. Im Gegenteil: Die meisten
Verhaltensweisen sind bereits als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat normiert; bloßes deviantes
Verhalten findet sich nur selten bei den beschriebenen Ordnungsstörungen wieder. Als Prototyp der
Ordnungsstörung lässt sich der sog. Stadt- oder Landstreicher bezeichnen. Anhand der Ausführungen
des Deutschen Städtetages aus dem Jahr 1978 lässt sich gut nachvollziehen, dass in dieser Person die
Unordnung kulminiert, denn
[d]er Stadtstreicher ist in aller Regel nicht ein Krimineller. Er lebt am Rande der Kriminalität. Im
übrigen tritt er - gemessen an bürgerlichen Ordnungsbegriffen - teils unbekümmert, teils provozierend,
15
Vgl. EHL Insights (o.J.): Dos and Don'ts in Singapur - diese Regeln sollten Sie kennen. Verfügbar unter
https://hospitalityinsights.ehl.edu/de/dos-and-donts-in-singapur-diese-regeln-sollten-sie-kennen, abgerufen am
29.03.2024.
16
Vgl. BVerfGE 69, 315 (352).
17
Vgl. Preußische Gesetzsammlung Nr. 21 vom 6. Juni 1931, S. 77.
18
Vgl. PrOVGE 91, 139 (140).
12
teils aggressiv auf. Er ist unsauber, uriniert, fäkiert oft in der Öffentlichkeit, betrinkt sich dort,
übernachtet in Hauseingängen, Geschäftseingängen, in öffentlichen Parks, rempelt Passanten an, redet
sie an, bittet um Geld. (Deutscher Städtetag 1978: 8 f.)
Stimmt es, dass die Wahrnehmung von Unordnung Kriminalitätsfurcht steigert?
Wir wollen zunächst an einigen Untersuchungen prüfen, ob von einem direkten Zusammenhang
zwischen der Wahrnehmung von Unordnung und Kriminalitätsfurcht gesprochen werden kann. Ohne
einen solchen Zusammenhang wäre die Forschungsfrage nicht tragfähig. Mit anderen Worten:
Zunächst ist das Phänomen empirisch nachzuweisen, bevor seine Erklärung in Angriff genommen
wird.
Dazu ziehen wir vier Datensätze
19
heran, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben wurden und
damit Periodeneffekte nahezu ausschließen. Wir verwenden dafür zwei Datensätze der Leipziger
Sicherheitsbefragung aus den Jahren 2011 (Mühler 2015) und 2016 (Stadt Leipzig 2017), eine
Befragung im Rahmen eines Experiments zur individuellen Prävention gegen Wohnungseinbruch
(Lauber/Mühler 2015) sowie eine Befragung im Rahmen einer Untersuchung zur Waffenverbotszone
in der Leipziger Eisenbahnstraße (Mühler et al. 2022). Die letztere Befragung stellt eine Besonderheit
dar. In dem als polizeirechtlich als gefährlich deklarierten Ort richtete das Sächsische
Staatsministerium des Innern die erste Waffenverbotszone in Sachsen ein. Im Vergleich zu anderen
Leipziger Ortsteilen sind die von der Waffenverbotszone betroffenen Ortsteile kulturell vielfältiger,
mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an nichtdeutschen Staatsangehörigen. In den Medien
wird dieses Gebiet mit zwei Gesichtern vermittelt. Einerseits genießt es wachsende Popularität bei
einem jungen, studentischen Publikum, andererseits gilt es als Hotspot der Drogenkriminalität
(Lauber/Mühler 2022: 273 ff.).
In allen vier Befragungen wurden Items zur Wahrnehmung von Incivilities sowie Präferenzen
erhoben, die auch in anderen Untersuchungen verwendet wurden. In Tabelle 1 sind zunächst die
bivariaten Zusammenhänge zwischen der Kriminalitätsfurcht und den beiden Items zur Wahrnehmung
von Unordnung und der Präferenz für Ordnung enthalten.
Tabelle 1: Grundzusammenhänge zur Wahrnehmung von Unordnung
Kriminalitäts-
furcht
2011 (N=2995)
Wahrnehmung physische Unordnung
,3383**
Präferenz physische Ordnung
,1225**
2015 (N=334)
Wahrnehmung physische Unordnung
,3260**
Präferenz physische Ordnung
,1044
2016 (N=2557)
Wahrnehmung physische Unordnung
,2813**
Präferenz physische Ordnung
,1750**
2020 (N=629)
Wahrnehmung physische Unordnung
,3433**
Präferenz physische Ordnung
,3448**
Angaben Pearsonkorrelation
19
Ausführliche Beschreibungen der Datensätze sind in den jeweils genannten Aufsätzen enthalten.
13
Unterschiedliche Zeitpunkte und Stichproben der Datenerhebungen weisen auf einen gut replizierten
Zusammenhang hin.
20
Wir können also davon ausgehen, dass die Wahrnehmung von Unordnung
furchtbesetzt ist. Für ein sozialwissenschaftliches, also komplexes Objekt sind die Werte durchweg
akzeptabel.
Es zeigt sich insgesamt, dass in allen vier Datensätzen positive, interpretierbare Zusammenhänge
zwischen einerseits der Wahrnehmung von Unordnung und der Kriminalitätsfurcht und andererseits
zwischen der Präferenz für Ordnung und der Kriminalitätsfurcht bestehen. Während der erste
Zusammenhang Teil unserer Grundannahme ist und zu unserer Forschungsfrage führt, ist der zweite
Zusammenhang in der einschlägigen Forschung eher unbeachtet bzw. unbemerkt. Ein positiver
Zusammenhang zwischen einer Präferenz für Ordnung und Kriminalitätsfurcht deutet darauf hin, dass
Ordnung als ein Merkmal für Stabilität angesehen wird, das es ermöglicht, eine Situation hinreichend
einschätzen (kontrollieren) zu können. In gewisser Weise deutet dieser Zusammenhang auf einen
konservativen (bewahrenden) Kern dieses Verhältnisses hin.
Mit Ausnahme der Untersuchung 2020 sind die Zusammenhänge mit Kriminalitätsfurcht aber jeweils
deutlich geringer als jene der Wahrnehmung von Unordnung. Möglicherweise besteht in der
Abweichung jener Stichprobe ein Hinweis auf die Wirkung der sozio-demographischen
Zusammensetzung einer Stichprobe, die oben erwähnt wurde. Mit partiellen Korrelationen lässt sich
genauer bestimmen, wie hoch der Anteil der Präferenz für Ordnung am Basiszusammenhang zwischen
Wahrnehmung von Unordnung und Kriminalitätsfurcht ist. Mit partiellen Korrelationen wird
gewissermaßen der Anteil der Drittvariablen an einem Zusammenhang herausgerechnet. Wir erwarten
also, dass der gefundene statistische Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Unordnung und
Kriminalitätsfurcht sinkt, sofern die Präferenz für Ordnung an diesem Zusammenhang beteiligt ist.
Die Ergebnisse (Tab. 2) weisen durchgängig auf einen interpretierbaren Anteil der Präferenz für
Ordnung am Zusammenhang zwischen Wahrnehmung von Unordnung und Kriminalitätsfurcht hin.
Tabelle 2: Ergebnisse der partiellen Korrelation mit der Präferenz für Ordnung
Korr. 0-Ordnung
Korr. 1-Ordnung
Differenz
2011
,3383**
,3280**
-,0103
2015
,3260**
,3212**
-,0048
2016
,2813**
,2399**
-,0414
2020
,3433**
,2616**
-,0817
Angaben Pearsonkorrelation
Die Ergebnisse bestätigen, dass im nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von
Unordnung und der Kriminalitätsfurcht in allen vier Stichproben eine Präferenz für Ordnung enthalten
ist. Deren Stärke unterscheidet sich allerdings deutlich. Wiederum ist die Stichprobe von 2020
auffällig. Hier ist der Anteil einer Präferenz für Ordnung besonders hoch. Dadurch ist diese Stichprobe
20
Im Ergebnisbericht zur Untersuchung der Waffenverbotszone Leipzig ergab sich, dass kein Zusammenhang
nachweisbar ist. Das liegt daran, dass, gestützt auf einen Vorschlag von Lüdemann, die Wahrnehmung und
wie störend jeweilige Unordnung empfunden wird, zusammen rekodiert wurden. Wir aber versuchen zu
prüfen, ob Letzteres im Sinne von Präferenz eine eigenständige Wirkung aufweist. Deshalb werden hier
Wahrnehmung und Präferenz getrennt rekodiert.
14
auch besonders geeignet, um Anhaltspunkte für Hypothesen zur Beantwortung der Forschungsfrage zu
finden.
Im nächsten Schritt führen wir deshalb mit diesem Datensatz eine multivariate Prüfung durch, um
festzustellen, ob der Zusammenhang der Kriminalitätsfurcht mit einer Präferenz für Ordnung
weiterhin beobachtbar bleibt und wie intensiv er ist (Tab. 3). Die Variablen, die wir dazu heranziehen,
stehen in einem engen Verhältnis zur Kriminalitätsfurcht. Zum einen sind das die Variablen des
Kriminalitätsfurchtparadoxes, die wir allerdings um die Variable Bildung erweitern. Bildung weist
ebenso wie die beiden anderen Variablen einen vielfach replizierten, allerdings negativen
Zusammenhang mit Kriminalitätsfurcht auf. Die Variable wird dadurch interessant, da sie einen
Kohorteneffekt wie auch einen geschlechtsegalisierenden Effekt aufweisen kann. Zum einen verbindet
sich damit die Annahme, dass ältere Personen mit steigender Bildung eine tendenziell geringere
Kriminalitätsfurcht aufweisen und zum anderen, dass sich die Differenz zwischen den Geschlechtern
bezüglich der Kriminalitätsfurcht mit zunehmender Bildungsgleichheit deutlich verringert.
Schließlich beziehen wir die Viktimisierungserwartung in die Modelle ein. Viktimisierungserwartung
als kognitive Komponente der Kriminalitätseinstellung ist als relevante Einflussgröße für die
Kriminalitätsfurcht nachgewiesen. Die urteilende Komponente bildet im Prinzip den mentalen Kontext
der Kriminalitätsfurcht. Zwar hat die Kriminalitätsfurcht auch eine eigene affektive Quelle, jedoch die
Relevanz von Furcht tritt erst durch die Bildung eines Urteils bezüglich der Einschätzung der
Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Gefahr ein. Die im Datensatz verwendeten Items weichen von
der üblichen Dreigliedrigkeit (subjektive Wahrscheinlichkeit von Diebstahl, körperliche Gewalt,
Wohnungseinbruch in den nächsten zwölf Monaten) ab, indem sie differenzierter auf
Viktimisierungsmöglichkeiten
21
gerichtet sind.
Tabelle 3: Regressionsmodelle zur Erklärung von Kriminalitätsfurcht
Kriminalitätsfurcht
r
Modell 1
Modell 2
Modell 3
Modell 4
Wahrnehmung
Unordnung
,342**
,259**
,263**
,095**
-,361**
Präferenz
Ordnung
,350**
,262**
,207**
,134**
-,353**
Alter
,276**
,145**
,181**
,175**
Geschlecht
,142**
,150**
,094**
,105**
Bildung
-,177**
-,126**
-,057
-,054
Viktimisierungs-
erwartung
,590**
,510**
,494**
Interaktion
Präferenz/
Wahrnehmung
,783**
R2
,177**
,239**
,441**
,455**
N
556
21
Einbruch, Diebstahl, Körperverletzung, sexuelle Belästigung, mit einer Waffe bedroht werden und
Beleidigung.
15
Die Ergebnisse der multivariaten Prüfung sprechen für unsere Hypothese. Im Ausgangsmodell
erweisen sich sowohl die Präferenz für Ordnung als auch die Wahrnehmung von Unordnung als mit
der Kriminalitätsfurcht in Zusammenhang stehend. Dass sich die Zusammenhänge der beiden
Variablen gegenüber ihren bivariaten Korrelationen abschwächen, ist aufgrund der multivariaten
Bedingung zu erwarten. Entscheidend ist die weiterhin gegebene Interpretierbarkeit. Beide Variablen
sind auf dem 1%-Niveau signifikant und die Beta-Werte weisen eine zufriedenstellende Stärke auf.
Die drei Variablen des Kriminalitätsfurchtkomplexes (Alter, Geschlecht, Bildung) weisen im Modell 2
in die jeweils erwartete Richtung, sind signifikant und von interpretierbarer Intensität. Dass die
Variable zur Präferenz für Ordnung abgeschwächt wird, geht möglicherweise auf einen
Kohorteneffekt zurück. In Bezug auf damit einbezogene sozio-demographische Merkmale erscheint
eine Differenz in der Präferenz für Ordnung plausibel. Die Wahrnehmung von Unordnung bleibt
dagegen stabil. Weder das Alter oder Geschlecht noch die Bildung relativieren den Zusammenhang
zwischen der Wahrnehmung von Unordnung und Kriminalitätsfurcht. Das spricht für die Validität der
Variablen.
Im Modell 3 erweist sich die Viktimisierungserwartung als eine entscheidende Größe im
Zustandekommen von Kriminalitätsfurcht. Im Hinblick auf unserer Hypothese Ia ist zunächst positiv,
dass beide Variablen (Wahrnehmung und Präferenz) im Modell bleiben, d. h. nach wie vor einen
hochsignifikanten und von Null unterschiedenen Zusammenhang mit der Kriminalitätsfurcht bilden.
Ihre deutliche Abschwächung zeigt aber auch, dass sie keinen autonomen Einfluss auf die
Kriminalitätsfurcht bilden, sondern die anderen Variablen an diesem Zusammenhang nennenswert
beteiligt sind. Der Abschwächung der Bildungsvariable soll hier nicht weiter nachgegangen werden,
da dies für die Hypothesenprüfung zweitrangig ist.
Schließlich ist in Hypothese Ib die Annahme einer (aktivierenden) Interaktion enthalten, die in Modell
4 geprüft wird. Die Interaktionsvariable ist hochsignifikant, d.h. trägt zur Erklärung des Modells bei,
wenngleich der Beitrag eher gering ist, wie aus der geringen Differenz des R2 hervorgeht. Dennoch
sind alle drei Interaktionsvariablen hochsignifikant und interpretierbar. Aufgrund der statistischen
Konstellation verhalten sich die Vorzeichen gegenläufig, wodurch sie sich nicht im Sinne einer
direkten Interpretation bezüglich der abhängigen Variable eignet. Zunächst können wir feststellen,
dass eine gültige Interaktion wie in Ib angenommen nachweisbar ist. Um sie hinreichend interpretieren
zu können, wird im nächsten Schritt eine univariate Varianzanalyse vorgenommen. Sie erlaubt eine
differenzierte Einschätzung der Interaktion.
Im Varianzmodell prüfen wir explizit die Interaktion zwischen der Wahrnehmung von Unordnung und
der Präferenz für Ordnung auf die Kriminalitätsfurcht. Neben der statistischen Analyse erlaubt die
graphische Darstellung einen Einblick in kategoriale Differenzierungen der Interaktion. Als
Kovariaten dienen alle weiteren Variablen des Modells 3 aus der Regressionsanalyse. Bezüglich des
Tests der Zwischensubjekteffekte geben wir die genaue Signifikanz an, weil sie bezüglich der
Interaktionsvariable nur knapp das 5% Niveau verfehlt. Die aus dem Regressionsmodell 3
hervorgehende Abschwächung der Wahrnehmung von Unordnung zeigt sich auch im Modell der
Varianzanalyse. Ebenso wie die Dominanz der Viktimisierungserwartung (Tab. 4). Die Schätzer der
Effektgröße bestätigen grundsätzlich die Ergebnisse der Regressionsanalyse. Die Interaktionsvariable
16
ist allerdings nur auf dem 10%-Niveau
22
signifikant. Erst die graphische Darstellung im
Profildiagramm erlaubt eine genauere Beurteilung der Interaktion.
Tabelle 4: Univariate Varianzanalyse - Schätzer der Effektgröße
Kriminalitätsfurcht
partielles Eta-Quadrat
Signifikanz
Korrigiertes Modell
,460
,000
Wahrnehmung Unordnung
,008
,115
Präferenz Ordnung
,016
,015
Alter
,051
,000
Geschlecht
,020
,001
Bildung
,006
,069
Viktimisierungserwartung
,276
,000
Interaktion Präferenz/
Wahrnehmung
,016
,073
Korrigiertes R2 = ,448
Was im Regressionsmodell 3 und 4 (Tab. 3) deutlich wird, ist auch in den Varianzanalysen
nachweisbar, dass in der Viktimisierungserwartung die dominante Größe besteht. Damit ist
entscheidend, ob ein Einfluss der weiteren Variablen auf die Kriminalitätsfurcht bestehen bleibt. Wenn
auch z. T. stark vermindert und in der Signifikanz eingeschränkt, ist dies der Fall. Die
Viktimisierungserwartung, das wird in der einschlägigen Forschungsdiskussion leider nicht selten
vernachlässigt, ist die gegenüber allen anderen Faktoren entscheidende Einflussgröße auf die
Kriminalitätsfurcht. Deshalb muss herausgefunden werden, ob und in welchem Umfang deren
Hereinnahme in ein Modell die Zusammenhänge der weiterer Variablen mit der Kriminalitätsfurcht
bestehen bleiben.
23
Die Mittelwerttendenzen (Tab. 5) der drei Präferenzgruppen (gering, mittel, hoch) im Hinblick auf den
Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Unordnung und der Kriminalitätsfurcht
verdeutlichen sich in der graphischen Umsetzung (Abb. 1). Zwei sich zeigende Tendenzen sind im
Sinne des Forschungsdesiderats von Bedeutung.
22
Bei der Signifikanzfokussierung wird nicht selten ein Kompromiss dahingehend gebildet, eine 10 %-ige
Signifikanz einzuführen, an der auch wir uns orientieren, um nicht wegen eines geringen Mehr an
Irrtumswahrscheinlichkeit auf die Beantwortung von interessierenden Forschungsfragen verzichten zu müssen.
23
Hierbei ist zwischen einer realen Situation und einer Befragungssituation zu unterscheiden. Währen in Ersterer
eher ein direkter emotionaler Faktor entscheidend sein kann, also eine unüberlegte Reaktion wahrscheinlich
wird, haben wir es bei Befragungsdaten mit überlegten (rationalen) Reaktionen zu tun. Für Letztere gilt diese
Feststellung insbesondere.
17
Tabelle 5: Geschätzte Randmittel von Kriminalitätsfurcht
Mittelwerte Kriminalitätsfurcht
Wahrnehmung von
Unordnung
Präferenz für Ordnung
gering
mittel
hoch
gering
2,379
2,450
2,335
mittel
2,356
2,485
2,758
hoch
2,458
2,472
3,143
Angaben arithmetisches Mittel
Zum einen zeigt sich, dass Personen mit einer hohen Präferenz für Ordnung bei geringer
Wahrnehmung von Unordnung sogar etwas weniger Kriminalitätsfurcht aufweisen als die beiden
anderen Gruppen. Insgesamt lässt sich grundsätzlich beobachten, dass sich die drei Gruppen in Bezug
auf die Präferenz für Ordnung in der Höhe ihrer Kriminalitätsfurcht bei geringer Wahrnehmung von
Unordnung nur geringfügig unterscheiden.
Abb.1: Interaktion zwischen Wahrnehmung von Unordnung und Präferenz für Ordnung (2020)
Zum anderen steigt die Differenz zwischen den Präferenzgruppen in der Wirkung einer zunehmenden
Wahrnehmung von Unordnung auf die Kriminalitätsfurcht. Ganz im Sinne unserer
kontrolltheoretischen Überlegungen, mit denen eine hohe Präferenz für Ordnung und eine geringe
Wahrnehmung von Unordnung als Kern eines Gleichgewichts des Sicherheitsempfindens
angenommen werden kann, bedeutet eine Verletzung durch steigende Wahrnehmung von Unordnung
Kontrollverlust, der sich als Kriminalitätsfurcht äußert. Sehr gut im Kontrast zu den beiden anderen
18
Präferenzgruppen, bei denen die gleiche Zunahme der Wahrnehmung von Unordnung keine
Veränderung der Intensität der Kriminalitätsfurcht aufweist.
Abschließend wollen wir versuchen, mit einem der drei weiteren Datensätze das Ergebnis auf seine
Wiederholbarkeit zu prüfen. Das ist noch keine Replikation, aber als Hinweis zu verstehen, ob es sich
lohnt, den gefundenen Zusammenhang weiter zu verfolgen. Die im Datensatz 2016 mit einer partiellen
Korrelation nachgewiesene Verringerung der Kriminalitätsfurcht war ebenfalls zufriedenstellend (Tab.
2), weshalb wir diesen Datensatz für geeignet halten. Zudem besteht er aus einer größeren Anzahl von
Fällen einer Normalstichprobe.
Zunächst betrachten wir die Ergebnisse der Regressionsmodelle. Es sind wieder die gleichen
Variablen, die in der gleichen Reihenfolge die Modelle bilden.
Tabelle 6: Regressionsmodelle zur Erklärung von Kriminalitätsfurcht
Kriminalitätsfurcht
r
Modell 1
Modell 2
Modell 3
Modell 4
Wahrnehmung
Unordnung
,279**
,251**
,261**
,197**
-,071
Präferenz
Ordnung
,166**
,091**
,043*
,004
-,197**
Alter
,222**
,181**
,173**
,135**
Geschlecht
,076**
,070**
,069**
,068**
Bildung
-,249**
-,208**
-,169**
-,166**
Viktimisierungs-
erwartung
,416**
,367**
,365**
Interaktion
Präferenz/
Wahrnehmung
,393**
R2
,086**
,179**
,305**
,309**
N
2362
Ein erstes Ergebnis besteht darin, dass die basalen Prädiktoren für Kriminalitätsfurcht (Alter,
Geschlecht und Bildung) erwartbare Ergebnisse erbringen. Sie sind signifikant, weisen in die erwartete
Richtung und sind interpretierbar. Auch die Viktimisierungserwartung ist wiederum dominant und
verbessert die Modellanpassung merklich. Auffällig ist, dass die Präferenz für Ordnung zwar einen
erkennbaren bivariaten Zusammenhang aufweist, aber schon im Modell 3 nicht mehr vertreten ist.
Demgegenüber bleibt die bewährte Variable Wahrnehmung von Unordnung in den Modellen
bestehen. Das spricht zunächst gegen einen Anhaltspunkt für eine Replizierbarkeit des Einflusses einer
Präferenz für Ordnung im Hinblick auf die Aufladung von Unordnung mit Kriminalitätsfurcht. Auch
das nahezu bedeutungslose Gewicht der Interaktion zwischen Wahrnehmung und Präferenz. Die
Modellanpassung verbessert sich faktisch nicht. Dennoch kommt im Modell 4 die Präferenzvariable
wieder ins Spiel, während die Wahrnehmung von Unordnung deutlich an Bedeutung verliert. Wir
wollen deshalb auch hier über eine univariate Varianzanalyse die Interaktion näher betrachten und
Hinweise für eine Replizierbarkeit prüfen.
In Tabelle 7 sind die Effektgrößen der verwendeten Variablen ausgewiesen. Insgesamt ist das
Signifikanzniveau der Variablen deutlich besser als in der Untersuchung 2020 (vgl. Tab. 4), was u. a.
19
an der größeren Fallzahl liegen kann. Auch die Interaktionsvariable erreicht ein hohes
Signifikanzniveau. Die Viktimisierungserwartung erweist sich als dominante Größe, wie aus dem
Regressionsmodell hervorgeht. Hier allerdings ist das Eta der Wahrnehmung von Unordnung höher als
das der Präferenz. Diese Umkehrung ist auch im Regressionsmodell (Tab. 6) bereits zu erkennen.
Tabelle 7: Univariate Varianzanalyse - Schätzer der Effektgröße im Datensatz 2016
Kriminalitätsfurcht
partielles Eta-Quadrat
Signifikanz
Korrigiertes Modell
,312
,000
Wahrnehmung Unordnung
,024
,000
Präferenz Ordnung
,004
,007
Alter
,031
,000
Geschlecht
,007
,000
Bildung
,035
,000
Viktimisierungserwartung
,155
,000
Interaktion Präferenz/
Wahrnehmung
,011
,000
Korrigiertes R2 = ,308
Eine nähere Betrachtung der Verteilung der Randmittel der Kriminalitätsfurcht infolge der
Interaktionsprüfung zwischen Wahrnehmung und Präferenz soll schließlich Aufschlüsse darüber
geben, ob es sich lohnt, weiterhin den Einfluss einer Präferenz für Ordnung auf die Kriminalitätsfurcht
zu verfolgen.
Tabelle 8:Mittenwerte zur Kriminalitätsfurcht (2016)
Mittelwerte Kriminalitätsfurcht
Wahrnehmung von
Unordnung
Präferenz für Ordnung
gering
mittel
hoch
gering
1,913
1,809
1,850
mittel
1,992
1,991
2,004
hoch
1,902
2,154
2,276
Angaben arithmetisches Mittel
Zusammen mit Abbildung 2, der graphischen Umsetzung der Mittelwertveränderungen der
Kriminalitätsfurcht, ergibt sich das folgende Bild. Auf eine Zunahme der Wahrnehmung von
Unordnung reagiert nicht nur die Gruppe der Befragten mit einer hohen Präferenz für Ordnung,
sondern auch die mittlere Gruppe. Darüber hinaus wird sichtbar, dass die Gruppe mit der hohen
Präferenz für Ordnung den stärksten Anstieg zeigt, was für unsere Hypothese spricht. Dass auch die
mittlere Gruppe reagiert, aber nicht in der gleichen Intensität spricht nicht gegen unsere Hypothese, es
erweitert sie um einen kontinuierlichen Anstieg der Kriminalitätsfurcht infolge des Ansteigens der
20
Präferenz. Die Gruppe der Befragten mit einer hohen Präferenz für Ordnung weist damit nicht auf eine
exklusive Reaktion, sondern eine besonders starke Reaktion hin.
Gleichzeit bestätigt sich aber noch ein anderer Befund. So wie in der ersten Stichprobe wird auch hier
sichtbar, dass in der Gruppe der Befragten mit einer geringen Präferenz für Ordnung die
Kriminalitätsfurcht kaum auf die Zunahme der Wahrnehmung von Unordnung reagiert bzw. in diesem
Datensatz sogar wieder leicht sinkt.
Abbildung 2: Interaktion zwischen Wahrnehmung von Unordnung und Präferenz für Ordnung (2016)
Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse
Von den beiden Hypothesen der Broken-Windows-Theorie, Verursachung von Kriminalitätsfurcht und
Verursachung von Kriminalität, ist die erste jene Hypothese, die wissenschaftlich ernst genommen
wird und ihre empirische Bewährungsprobe längst bestanden hat. Offen bleibt aber, warum
Unordnung Furcht erzeugt. Zunächst bleibt festzuhalten, dass Unordnung bzw. die Wahrnehmung von
Unordnung keineswegs bei jedem Furcht erzeugt. Es ist demnach eine bedingte Hypothese. Eine
Bedingung besteht in einer Präferenz für Ordnung.
Aus der Vielzahl von Präferenzen, über die ein Akteur verfügt, wird üblicherweise jene aktiviert, die
relevant für eine Situation ist. Damit kann erklärt werden, warum die zunehmende Wahrnehmung von
Unordnung die Kriminalitätsfurcht steigert. Da dies aber nur für einen Teil der Befragten gilt, nehmen
wir an, dass das Kontrollverlangen eines Akteurs an diesem Weckruf einer Präferenz beteiligt ist.
Leider stehen uns in den Datensätzen keine geeigneten Items für die konkrete Prüfung dieser
Begründung zur Verfügung. Dennoch können wir empirisch nachweisen, dass die hier
operationalisierten Gruppen von Befragten, in der von uns angenommenen Tendenz auf die steigende
Wahrnehmung von Unordnung reagieren.
Demnach ist Hypothese Ib dahingehend präzisiert, dass nur bei Ausprägung einer hohen Präferenz für
Ordnung eine zunehmende Wahrnehmung von Unordnung das Auftreten von Unordnung mit
21
Kriminalitätsfurcht auflädt. Die von uns herangezogene kontrolltheoretische Begründung der
Hypothese sollte in einem nächsten Schritt stringenter operationalisiert werden. Sowohl aus
individualtheoretischer Perspektive (z.B. im Sinne von Attributionsstilen und sozialem Vertrauen) als
auch hinsichtlich der Perzeption sozialer Kontrolle im Wohngebiet und darüber hinaus.
Der Vergleich der Ergebnisse der Hypothesenprüfung aus zwei Untersuchungen verweist auch auf den
Einfluss der Zusammensetzung einer Stichprobe. Abgesehen von Häufigkeitsverteilungen, die oft über
ihre Interpretierbarkeit hinaus gedeutet werden, sind auch bivariate Zusammenhänge unzuverlässig
hinsichtlich komplexer Aussagen. Diesbezüglich wirkt sich die Zusammensetzung einer Stichprobe
direkt aus und ist tendenziell verfälschend im Sinne einer generalisierenden Aussage. Aber auch den
Ergebnissen multivariater Analysen sollte mit alternativen Verfahren unter diesem Gesichtspunkt
unterschiedlicher Stichprobenzusammensetzungen vertiefend nachgegangen werden.
Mit anderen Worten, je höher der Anteil von Befragten in einem Gebiet mit wahrnehmbaren
Incivilities ist, die eine intensive Präferenz für Ordnung aufweisen, desto sichtbarer wird die in der
Broken-Windows-Theorie angenommene Hypothese zur Entstehung von Kriminalitätsfurcht. Darüber
hinaus zeigt sich, dass sich auch das Nichtzutreffen dieser Hypothese verstärken kann, wenn die
Stichprobe vorrangig aus jungen und höher gebildeten Befragten besteht. Vermutlich sind es
ordnungsrelevante sozio-kulturelle Grundlagen, welche zu einem Unterschied in der Reaktion beim
Auftreten von Unordnung führen.
Grundsätzlich sind die verfügbaren Items für eine hinreichende empirische Prüfung des Befunds
unterkomplex. Deshalb wäre vor allem eine Operationalisierung von Attributionsstilen, dem sozialen
Vertrauen, der Wahrnehmung (formeller und informeller) sozialer Kontrolle im sozialen Umfeld von
Befragten sowie eine Erweiterung um anthropologische Bedingungen der Grundkonstitution einer
Person (z.B. Big Five) erforderlich. Die Stabilität des empirischen Befunds spricht für eine
weiterführende Analyse der Bedeutung einer Ordnungspräferenz für die Intensität der
Kriminalitätsfurcht.
22
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Spieltheorie. München, S. 105-128.
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