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Feldroboter in die Praxis interieren. Erfolgreich integrieren.

Authors:

Abstract

Mit autonomer Robotertechnik zur mechanischen Unkrautregulierung können Herbizide eingespart werden. Bei der Praxisführung müssen neben der Technologieentwicklung weitere Aspekte mitgedacht werden. (Erschienen in der Bauernzeitung 17/2024, S. 42-43)
42 17. WOCHE 2024
BAUERNZEITUNG
BETRIEBSFÜHRUNG
Aus ökologischen Gründen
möchte die Politik und die
Gesellschaft den Einsatz
von Pflanzenschutzmittel (PSM)
reduzieren. Eine Option zum Er-
reichen dieses Ziels ist der Einsatz
von autonomer Robotertechnik
mit Werkzeugen zur mechani-
schen Unkrautbehandlung. Im Ge-
gensatz zu anderen Maßnahmen
wie der Spot-Spraying- oder Hack-
technik mit gezogenen oder ange-
hängten Geräten kann entweder
gänzlich auf den Einsatz von PSM
verzichtet werden, oder Personal-
stunden auf dem Feld können re-
duziert werden.
Außerhalb des Sonderkulturan-
baus findet der Einsatz von auto-
nomer Robotertechnik bisher kei-
ne breite Anwendung. Im Projekt
Experimentierfeld Agro-Nordwest
wird in Praxisversuchen die tech-
nische Durchführbarkeit von auto-
nomer Robotertechnik im Mais
getestet.
Bedarf aus Sicht
der Agrarpraxis
Neben dem technischen Aspekt
werden für eine erfolgreiche Pra-
xisintegration noch weitere As-
pekte analysiert. Hierbei stehen
der Bedarf der landwirtschaftli-
chen Praxis, juristische Rahmen-
bedingungen, Kosten-Nutzen-Be-
wertungen und arbeitswissen-
schaftliche Auswirkungen im Fo-
kus
(Ab b. 1)
. Damit Landtechnik-
unternehmen und Forschungsein-
richtungen nicht an den Bedürf-
nissen der landwirtschaftlichen
Praxis vorbei entwickeln, ist ein
Einbeziehen dieser Akteure ent-
scheidend. Um deren Bedürfnisse
in einem ersten Schritt sichtbar zu
machen, fanden im Experimen-
tierfeld Gruppendiskussionen und
Einzelinterviews mit Landwirten,
Lohnunternehmern und bran-
chennahen Experten statt.
Für eine Investition in Roboter-
technik sind aus Sicht der land-
wirtschaftlichen Praxis folgende
Unklarheiten zu klären:
Ŷ
die Klärung rechtlicher Rah-
menbedingungen für den Betrieb
autonomer Maschinen,
Ŷ
klare Regelungen bei Sach- und
Personenschäden,
Ŷ
eine nötige Rentabilität,
Ŷ
ein effizienter technischer Hard-
und Softwaresupport.
Die Haftung bei Sach- und Per-
sonenschäden durch mögliche
Fehlfunktionen der Robotertech-
nik oder durch Unfälle ist aus
Sicht der Landwirte und anderer
Praxisakteure ein entscheidender
Aspekt. Hier stellt sich die Frage,
inwieweit die Sorgfaltspflicht zu
tragen ist und inwieweit eine Her-
stellerhaftung möglich bzw. sinn-
voll ist.
Weiterhin wünschen sich die je-
weiligen Akteure betriebsspezi-
fische Einschätzungen zur Renta-
bilität einer Roboterinvestition.
Dies könnte eine Analyse in Ab-
hängigkeit der Betriebsform,
-struktur und -größe sein. Gerade
beim Einsatz innovativer Technik
sollte aus Sicht der landwirtschaft-
lichen Praxis ein effizienter Sup-
port bei Störungen gegeben sein.
Hier ist das Vertrauen der befrag-
ten Akteure gegenüber kleineren
Unternehmungen wie Start-ups
tendenziell geringer als gegen-
über bekannten Landtechnikher-
stellern. Bei Anbietern im Bereich
der Feldrobotik handelt es sich je-
doch oft um Start-ups, die zumeist
ein kleineres Entwicklungsteam
und Vertriebsnetz haben und we-
niger flächendeckend im land-
wirtschaftlichen Raum verortet
sind.
Juristische
Rahmenbedingungen
Die Gesprächsformate zeigten,
dass die Gewissheit über Verant-
wortlichkeiten bei Sach- und Per-
sonenschäden ein wichtiger Ak-
zeptanzpunkt für den Einsatz von
Robotertechnik ist. Derzeit sind
zwei Szenarien denkbar: Entweder
Landwirte oder Hersteller tragen
die Kosten der Schäden (Kasten).
Bei einer pauschalen Haftung
der Hersteller müssen diese die
möglicherweise eintretenden
Schäden in ihre Preiskalkulation
integrieren, wenn die Gewinnmar-
ge gleichbleiben soll. Bei Haf-
tungsübernahme seitens der land-
wirtschaftlichen Praxis müssten
jeweilige Anwender einen eintre-
tenden Schaden selbst überneh-
men oder diesen versichern.
Im Vergleich zu einer pauscha-
len Haftungsübernahme durch
die Hersteller kann der Aufwand
für eine Versicherungsprämie von
Vorteil sein. Es ist zu erwarten,
dass Versicherungsunternehmen
mögliche Prämien kostengünsti-
ger ausweisen können als Robo-
terhersteller entsprechende Risi-
kozuschläge zum Kaufpreis.
Kosten-Nutzen-
Verhältnisse
Ein weiterer wichtiger Aspekt ju-
ristischer Absicherung ist die Klä-
rung von Schäden an Kulturpflan-
zen durch Fehlfunktionen eines
Roboters. Landwirte sind hier re-
gelmäßig selbst geschädigt. Neue,
sich noch im Gesetzgebungspro-
zess befindliche EU-Rechtsakte
könnten die außervertragliche In-
anspruchnahme der Roboterher-
steller begünstigen. Der eingetre-
tene Schaden müsste dann nur
von den Geschädigten plausibel
dargelegt werden. Beim Hersteller
liegt also die Verantwortung in
der Last des Gegenbeweises. Im
Vergleich zum konventionellen
Hackroboter werden bereits von
einigen Landwirten erfolgreich zur
Unkrautbekämpfung eingesetzt.
Erfolgreich integrieren
Mit autonomer Robotertechnik zur mechanischen Unkrautregulierung
können Herbizide eingespart werden. Bei der Praxiseinführung müssen
neben der Technologieentwicklung weitere Aspekte mitgedacht werden.
FOTO: CHRISTIAN SCHOLZ
Kostenstrukturen bei unterschiedlichen
Haftungsformen von Personen- und Personalschäden
Landwirtehaftung:
+ Kaufpreis von Robotertechnik
+ Versicherungsprämie
Herstellerhaftung:
+ Herstellungskosten von
Robotertechnik
+ Risikoprämie für
Haftungsregelungen
+ Gewinnmarge
= Gesamtkosten bei Gebrauch von Robotertechnik
43
17. WOCHE 2024
BAUERNZEITUNG
BETRIEBSFÜHRUNG
Hackeinsatz mit Traktor und
Hackgeräten, dürfte der Vorteil
autonomer Robotertechnik in ge-
ringeren Lohnkosten liegen. Ein
möglicher entscheidender Aspekt
der Wirtschaftlichkeit des Robo-
tereinsatzes ist eine ausreichende
Auslastung der Technik zur Ab-
schreibung der Investitionskosten
(Ab b. 2)
. Diese sollten gegeben
sein, wenn die Logistikketten Hof-
Feld und Feld-Feld mit unter-
schiedlich großer Technik effizi-
ent möglich sind. Hier stellt sich
zum einen die Frage nach Träger-
fahrzeugen zu und zwischen den
Feldern.
Arbeitswissenschaftliche
Aspekte
Die Anwendung autonomer Robo-
tertechnik trägt dazu bei, Arbeits-
prozesse in landwirtschaftlichen
Betrieben zu digitalisieren. Im
Vergleich zu früheren, verstärkt
manuellen Tätigkeiten, lassen sich
dadurch einige Arbeitsprozesse
zeiteffizienter gestalten. Die Ver-
änderungen schaffen einen neuen
Möglichkeitsraum für die Arbeits-
kraft von La ndwirten. Ihre Arbeits-
tätigkeiten werden zunehmend
steuernder und überwachender
Natur. Damit verändert sich das
Rollenprofil von Landwirten. Sie
nehmen zukünftig die Rolle eines
Betriebsleiters/einer Betriebsleite-
rin ein. An dieser Stelle muss be-
rücksichtigt werden, dass die
sinngebenden Tätigkeiten, land-
wirtschaftlicher Arbeit trotz die-
ser Veränderungen weiterhin auf-
rechterhalten werden.
Die Einführung von digitalen
Technologien im Allgemeinen
und Robotertechnik im Speziellen
wirkt sich letztendlich nicht nur
auf die einzelne Arbeitskraft aus,
sondern auch auf den ganzen
landwirtschaftlichen Betrieb. Es
besteht die Gefahr, dass sich Mit-
arbeitende auf dem Betrieb bei
der Nutzung von innovativen
Technologien, wie der autonomen
Robotertechnik überfordert füh-
len. Das kann wiederum zur Fluk-
tuation seitens der Mitarbeitenden
führen.
Vor diesem Hintergrund ist es
aus arbeitswissenschaftlicher Per-
spektive von Bedeutung, Landwir-
te für Veränderungen zu sensibili-
sieren, sie bei dem Wandel ihres
Rollenprofils zu unterstützen und
sie dazu zu befähigen, ihre neue
Rolle und die damit verbundenen
Aufgaben bestmöglich wahrneh-
men zu können.
FAZIT:
Für eine erfolgreiche Praxisinte-
gration von Robotertechnik zur
Unkrautregulierung im Ackerbau
sollte auf die Bedarfe von Akteu-
ren der landwirtschaftlichen Pra-
xis geachtet werden. In Bezug dar-
auf und für weitere Überlegungen
sind u. a. nachfolgende Aspekte
zu beachten:
Ŷ
eine Haftungsübernahme von
Personen- und Sachschäden durch
Versicherungen,
Ŷ
eine ausreichende Auslastung/
Abschreibung der Investitionskos-
ten, unterstützt durch eine effizien-
te Logistik und
Ŷ
die Befähigung von Landwirten,
ihre neue Rolle bestmöglich ein-
nehmen zu können.
DR. TOBIAS JORISSEN, Hochschule
Osnabrück, LUKAS BEINKE,
Universität Osnabrück, CHRISTINE
HENSELING, IZT – Institut für
Zukunftsstudien und Technologiebe-
wertung, DR. SASKIA HOHAGEN
und NIKLAS OBERMANN,
Ruhr-Universität Bochum
FOTO: WERKBILDD/NAIO
In Sonderkulturen werden autonome Roboter vermehrt eingesetzt.
RENTENBANK
Förderangebot jetzt
auch für Stallumbau
Frankfurt. Die Rentenbank hat
ihr Programm „Zukunftsfelder
im Fokus“ laut Pressemitteilung
erweitert. Sie ergänzt das
Förderangebot für Investitionen
in der Land- und Forstwirtschaft
um „Stallumbauten für mehr
Tierwohl“. Dabei orientiert sich
das Kreditinstitut an der
Haltungsformenkennzeichnung
der Gesellschaft zur Förderung
des Tierwohls in der Nutztier-
haltung. In dem Zukunftsfeld ist
der Umbau bestehender
Stallanlagen förderfähig, sofern
nach Fertigstellung mindestens
die Anforderungen der Haltungs-
form 3 der Initiative Tierwohl
erfüllt werden. Da nicht für alle
Nutztierarten Haltungsform-
kennzeichnungen existieren,
sind für Legehennen- und
Sauenställe weitere Vorausset-
zungen definiert worden,
informierte die Rentenbank.
Zugleich sind die Bedingungen
für „nachhaltige Investitionen
im entsprechenden Merkblatt
angepasst worden. Im Gegen-
satz zum Zukunftsfeld werden
im Programm „Nachhaltigkeit“
Neubauten mit erhöhtem
Tierwohl gefördert.
Die im Programm „Zukunftsfel-
der im Fokus“ gültige Zinskon-
dition „LR-Premium“ ist
gegenüber der Standardkondi-
tion „LR-Basis“ 0,45 Prozent-
punkte günstiger. AGE
www.rentenbank.de
ARBEITSVERTRAG
Leitfaden zur
Niederschrift
Hannover. Ein Arbeitsvertrag
kann prinzipiell mündlich,
schriftlich oder durch schlüssiges
Handeln geschlossen werden.
Schon allein um spätere
Missverständnisse zu vermeiden,
sollten Arbeitsverträge jedoch
schriftlich festgehalten werden.
Auch bei einem per Handschlag
geschlossenen Arbeitsvertrag
verpflichtet § 2 des Nachweisge-
setzes (NachwG) die Arbeitge-
ber, bereits zum ersten Tag des
Arbeitsverhältnisses die wichtigs-
ten Vertragsbedingungen
schriftlich niederzulegen, die
Niederschrift zu unterzeichnen
und den Arbeitnehmenden
auszuhändigen. Was in einer
Niederschrift aufgenommen
werden muss, erklärt ein
Leitfaden der Landwirtschaft-
kammern unter: t1p. de/
Arbeitsvertrag_LW. RED
ABBILDUNG 1
Aspekte für eine erfolgreiche Praxisintegration von Feldrobotik
Quelle: Eigene Darstellung
ABBILDUNG 2
Schematischer Verlauf der Arbeitserledigungskosten von Feldrobo-
tik in Abhängigkeit der jährlichen Auslastung
Quelle: Eigene Darstellung
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