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Erfassung der Vorspannkraft bei bestehenden geankerten
Konstruktionen – Abhebeversuche, Nachrüstung und
Digitalisierung von Kraftmesseinrichtungen zu
Monitoringzwecken
Matthias J. Rebhan, Hans-Peter Daxer, Roman Marte
Technische Universität Graz, Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische
Geotechnik, Österreich
Jörg Edler, Martin Scharf
Technische Universität Graz, Institut für Fertigungstechnik, Österreich
Christian Gasser
Austrian Institute of Technology, Österreich
Stefan L Burtscher
rocket NG GmbH, Österreich
1 Geankerte Konstruktionen
Aufgrund der Möglichkeit, große Zugkräfte in tragfähigen Boden einzuleiten und damit u.a.
Baugrubensicherungen, Stützbauwerke und Brückenwiderlager zu verankern, stellen
geankerte Konstruktionen unter Verwendung von Zugelementen in der Geotechnik oftmals
eine wirtschaftliche Ausführungsvariante dar. Im Laufe der geplanten Nutzungsdauer von
bis zu 100 Jahren erfordern derartige Bauwerke jedoch einen erhöhten Inspektions- sowie
Instandhaltungsaufwand. Um den Erhaltungszustand geankerter Konstruktionen zu
erfassen und zu bewerten, kommen neben periodischen handnahen Kontrollen (vgl. RVS
13.03.21, 2022) zudem endoskopische Untersuchungen, Abhebekontrollen und statische
Nachrechnungen zur Anwendung.
1.1 Arten von geankerten Konstruktionen
Ankerwände sind Stützkonstruktionen, die aus mehreren Etagen verankerter
Stahlbetonplatten bestehen. Werden diese „Ankerplatten“ Mann an Mann angeordnet,
spricht man von geschlossenen Ankerwänden. Bei aufgelösten Anker- oder
Elementwänden werden die Ankerplatten abhängig von den Baugrundverhältnissen in
einem bestimmen Raster angebracht (Boley, 2012)
Abbildung 1: Prinzipskizze einer geschlossenen Elementwand (Witt, 2018)
Diese können hierbei in unterschiedliche Typen, basierend auf ihrer Konstruktionsform und
ihrer Lastabtragungsmechanismen unterschieden werden.
Abbildung 2: Typen von Ankerwänden, links oben: Vollflächig Wand, rechts oben:
Verdübelte Elementwand, links unten: Nachgeankerte Wand, rechts unten: Element- oder
Lisenenwand (Nachbagauer, 2023)
dadurch eine flächenhafte Stützkonstruktion. Je nach Ausführung können diese hierzu
geschlossen (mit Quer- und Momententragfähigkeit der Anschlussbereiche siehe Abbildung
2 links oben), querkraftangeschlossen (verdübelt siehe Abbildung 2 rechts oben) oder auch
frei beweglich ausgeführt werden. Dies beeinflusst zum einen den Herstellungsprozess und
das Tragverhalten, hat jedoch auch Auswirkungen auf mögliche Umlagerungsprozesse
welche durch Schäden (beispielsweise an den Ankern) verursacht werden.
Weiters können in Österreich auch noch Lisenen- oder Elementwände als geankerte
Konstruktionen angetroffen werden. Letztere sind hierbei einzelne, nicht miteinander
verbundene Elemente, welche als Auflager für den Anker dienen. Bei Lisenenwänden
handelt es sich um Bauwerke, bei welchen die Auflagerung der Anker durch vertikale bzw.
horizontale, linienförmige Konstruktionen übernommen wird. Die Zwischenbereiche dieser
können dabei gewachsener Boden, Spritzbetonsicherungen oder andere Sicherungs-
elemente sein. Mit dem Anstieg des Bauwerksalters und der Zunahme von Schäden und
Mängeln werden Verankerungen und vorgespannte Verpressanker aktuell zudem als
Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahme verwendet, um das erforderliche
Sicherheitsniveau der Konstruktionen wieder zu erreichen.
1.2 Beurteilung des Erhaltungszustandes
In der RVS 13.03.21 (2022) werden die Anforderungen an eine Prüfung und Kontrolle von
geankerten Konstruktionen gelegt. Hierbei ist zum einen eine identische Vorgehensweise
zu nicht geankerten Stützbauwerken zu erkennen vor allem im Bereich der Entwässerung
und der Geländeveränderungen. Zum anderen liegt der Fokus bei derartigen
Konstruktionen auf den Verankerungen, um den Erhaltungszustand dieser bzw. mögliche
Veränderungen bereits im Zuge einer handnahen Kontrolle oder Prüfung erkennen zu
können. Zudem wurde ein Arbeitspapier (AP33, 2022) ausgearbeitet, um der Sonderprüfung
der Zugelemente und der geankerten Konstruktionen entsprechende Aufmerksamkeit zu
schenken. Kontrollen und Prüfungen von Infrastrukturbauwerken finden in der Regel
periodisch statt und sind handnah und visuell durchzuführen. Dabei erfolgt eine Erhebung
des Erhaltungszustandes, um den Erhaltungsverpflichtenden darauf aufbauend die
diese Mängel und/oder Schäden zu beheben, bevor größerer
wirtschaftlicher Schaden eintritt oder die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird RVS
13.03.21).
Ziel dieser Tätigkeiten ist es, neben dem Zustand der Konstruktion eine Veränderung des
Erhaltungszustandes bzw. Schadensbilder an den Zugelementen zu bestimmen und deren
Einfluss auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit zu bewerten. Verpressanker zeigen in
praktisch allen Fällen eine Veränderung ihrer Beanspruchung, d.h. die Ankerkraft nimmt
nach dem Vorspannen und Festsetzen des Zuggliedes am Ankerkopf zu bzw. ab. Während
eine Zunahme dabei im Zusammenhang mit sich ändernden Belastungssituationen (z.B.
fortschreitender Aushub, Hangbewegungen, Temperaturänderungen) steht, ist die
Abnahme der Ankerkraft in der Regel auf Kriech- und Relaxationseffekte zurückzuführen.
Übersteigt die Ankerkraft im ungünstigsten Fall dessen Tragfähigkeit, führt dies unweigerlich
zu einem lokalen Versagen des Ankers bzw. einzelner Litzen. In weiterer Folge kann es zu
einer Lastumlagerung (siehe Abbildung 3) innerhalb der geankerten Konstruktion kommen,
welche wiederum zu einer Überbeanspruchung anderer Anker, Ankerkomponenten oder
Konstruktionsbauteilen führen und sich negativ auf die globale Standsicherheit (Daxer, 2020
& Rebhan et. al., 2022) auswirken kann.
Abbildung 3: Biegemomentverteilungen infolge Ankerausfall (Daxer, 2020)
1.3 Schadensbilder bei geankerten Konstruktionen
Ein wesentlicher Bestandteil der Prüfung und Kontrolle von geankerten Konstruktionen ist
die Erhebung von vorliegenden Mängeln und Schadensbildern. Bei geankerten
Konstruktionen sind dies neben den klassischen betonbautechnischen Schäden wie
freiliegender Bewehrung, Abplatzungen oder Rissen auch geologische Schadensbilder wie
Anrisskanten, Mängel und Schäden an der Entwässerung, welche eine zusätzliche
Belastung auf das Bauwerk oder auch eine Ankündigung möglicher
Versagensmechanismen darstellen. Zudem müssen die Zugelemente, als
tragfähigkeitsrelevantes Bauwerk entsprechend adressiert werden.
Die metallischen Zugglieder, wie auch das Bauwerk selbst, sind während ihrer
Nutzungsdauer enormen äußeren Einflüssen ausgesetzt, wodurch sich hohe
Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Konstruktion ableiten lassen. Neben
geotechnischen Schadensbildern spiegelt sich dies in häufig festgestellten Korrosions-
schäden (insbesondere im Bereich des Ankerkopfes vgl. Abbildung 4 links) in
unterschiedlichen Ausprägungen wider.
Abbildung 4: Schäden an Zugelementen; Korrosion im Ankerkopfbereich (links); versagter
Anker (rechts)
Die korrosionsbedingte Querschnittsverminderung führt hier zu einer Spannungs- bzw.
Dehnungszunahme und damit zu einer Abnahme der Tragfähigkeit. Die daraus
resultierenden Auswirkungen, wie z.B. eine Reduktion der Vorspannkraft oder bei
Überschreiten der verringerten Tragfähigkeit auch ein Versagen bzw. entspannen des
Zuggliedes (siehe Abbildung 4 rechts), können sich wiederum negativ auf die
Standsicherheit der geankerten Konstruktion auswirken.
2 Stand der Technik Abhebekontrolle und Kraftmesseinrichtungen
Zur Überwachung der Ankerkraft werden einerseits entsprechende Kraftmesseinrichtungen
im Zuge der Herstellung verbaut bzw. Abhebekontrollen während der Nutzungsdauer (in
Form einer Sonderprüfung) durchgeführt. In der neu erschienenen ÖNORM B 4456 (2021)
bzw. im Arbeitspapier 33 der (2022) werden hierzu umfassende Informationen gegeben.
2.1 Abhebeversuche an bestehenden geankerten Konstruktionen
Zur Bestimmung der aktuell anliegenden Ankerkraft können einerseits
Kraftmesseinrichtungen am Ankerkopf (siehe Kapitel 2.2) installiert und andererseits
Abhebekontrollen durchgeführt werden. Während Kraftmesseinrichtungen den Vorteil einer
periodischen Ablesung bieten, wird bei Abhebekontrollen die Ankerkraft zum Zeitpunkt der
Prüfung unter Festlegung bestimmter Abhebekriterien ermittelt. Üblicherweise wird eine
Abhebekontrolle mittels hydraulischer Pressen, identisch zu jenen für den Spannprozess,
durchgeführt. Wie die Bezeichnung bereits erkennen lässt, ist diese durch ein Abheben des
Ankers oder vielmehr des Ankerkopfes gekennzeichnet.
Eine dezidierte Regelung zur Durchführung dieser Untersuchungen ist in Österreich nicht
gegeben. Zwar ist in ÖNORM B 1997-Abhebekontrollen alle 5 bis 10 Jahre
(ÖNORM B 1997-1, 2013) an Verpressankern durchzuführen sind, genauere Ausführungen,
wie diese durchzuführen sind, werden jedoch nicht gegeben. In den Richtlinien der
Forschungsgesellschaft Straße Schiene Verkehr (RVS 13.03.21, 2013) wird die
Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Haftstrecke als
Element der Kraftübertragung gemäß ÖNORM B 4455 oder ÖNORM EN 1537 […] mittels
Spannapparaturen bedeutende Verminderungen der Gebrauchslast
festgestellt
Laststufen bzw. der anzuwendenden Prüfmethoden (vgl. ÖNORM EN ISO 22477-5, 2019)
wird dabei jedoch nicht angeführt, diese sind lediglich im bereits erwähnten AP33 (2022)
angeführt.
In der Literatur wird die Ankerabhebekontrolle, bzw. die in Deutschland als Abhebeversuch
bezeichnete Methode wie folgt beschrieben: Das Prinzip von Abhebeversuchen besteht
darin, das Zugglied durch Aufmuffen so zu verlängern (bzw. bei Litzenankern den Keilträger
mit einer Schraubglocke zu fassen), dass eine Spannpresse und Kraftmessdose darüber
montiert werden können. Spannt man nun den Anker, so wird zunächst nur die Länge
zwischen der Ankerplatte und der oberen Mutter über der Kraftmessdose gedehnt. Wenn
die Zugkraft gleich der aktuellen Ankerkraft ist, hebt sich die untere Ankermutter (bei
Litzenankern der Keilträger) von der Unterlage abVorgehensweise ist
am schematischen Schnitt durch einen derartigen Prüfaufbau in Abbildung 5 links zu
erkennen.
Abbildung 5: Prinzip einer Ankerabhebekontrolle, links: schematische Darstellung (Witt,
2011); rechts: im Feldversuch
Im Arbeitspapier 33 der FSV (AP33, 2022) wird zur Durchführung von Abhebekontrollen
angeführt, dass hierfür das Prüfverfahren 1 nach ÖNORM EN ISO 22477-5 (2019) zu
verwenden ist, welches durch eine stufenweise Lastaufbringung und eine Messung der
Ankerkopf- bzw. Bauteilverschiebungen gekennzeichnet ist. Hierbei muss ein vollflächiges
Abheben des Ankerkopfes von der Ankerplatte bzw. der Unterkonstruktion sichergestellt
sein (Reinprecht & Rebhan, 2022).
Abbildung 6: Schematisches Ergebnis einer Abhebekontrolle
0,00
0,50
1,00
1,50
2,00
2,50
3,00
3,50
050 100 150 200 250 300 350 400 450 500
Verschiebung [mm]
Prüfkraft [kN]
Systemdehnung Prüfaufbau
aktuell vorhandene
Ankerkraft
PA
Das Ergebnis einer Ankerabhebekontrolle ist in Abbildung 6 zu erkennen. Hierbei handelt
es sich um ein Verformungs-Kraftdiagramm, in welches für unterschiedliche Laststufen die
jeweiligen Messungen der Messuhr am Anker, bzw. auch der Vergleich mit jenen des
Bauwerkes, aufgetragen wird. Der Schnittpunkt, welcher in Abbildung 6 durch die beiden
Ausgleichsgeraden gekennzeichnet wurde, stellt dabei den Bereich des Abhebens des
Ankerkopfes dar. Im Kraft-Verformungsdiagramm ist zudem die Vorlast zu erkennen. Diese
ist vor allem dazu erforderlich, um den Schlupf bzw. Lagetoleranzen im Prüfaufbau vor
Beginn der Messung zu kompensieren. Im Vergleich zu den Prüflasten bei einer Eignungs-
oder Abnahmeprüfung von Ankern (z.B. ÖNORM EN 1537, 2015, ÖNORM EN ISO 22477-
5, 2019, ÖNORM B 4455, 1979), ist die Festlegung der Abhebelast nicht nach normativen
bzw. bemessungstechnischen Vorschriften möglich. Da diese Last jeweils den aktuellen
Zustand des Ankers abbildet, und somit einer zeitlichen Veränderung unterliegt. Zudem
kommt bei einer Vielzahl an Bestandsankern hinzu, dass keine (oder nur wenige)
Aufzeichnungen zur Planung bzw. auch der Festlegung der Anker vorhanden sind. Daher
ist es oftmals erforderlich, die Abhebekraft PA auf Grund der Kenntnisse des Ankers vorab
zu definieren. Rückschluss hierauf können beispielsweise die Anzahl der Litzen oder der
Durchmesser des Stabes geben.
2.2 Kraftmesszellen und Kraftmesseinrichtungen
Im Regelfall kommen zur Feststellung allfälliger Zustandsänderungen neben
Abhebekontrollen im Zuge einer Sonderprüfung (AP33, 2022) geodätische Vermessungen,
Ablesungen vorhandener Messeinrichtungen (z.B. Kraftmessteller) und gegebenenfalls
Sonderprüfungen zur Bestimmung der Materialeigenschaften zur Anwendung. Vor allem die
Ablesung der Ankerkraftmesseinrichtungen ist für die Erhebung des Erhaltungszustandes
maßgeblich, da es sich bei den Verankerungen um ein nur bedingt einsehbares, und daher
im Zuge der handnahen und visuellen Kontrolle und Prüfung nur eingeschränkt prüfbares,
Konstruktionselement handelt. Dennoch sind Verankerungen für die Funktionsweise und
aufgrund des Umstandes, dass es sich bei
Verpressankern um kritische Bauteile gemäß ÖNORM EN 1997-1:2009, Abschnitt 4.6(2)
handelt(ÖNORM B 1997-1, 2013) unerlässlich und müssen einer umfassenden Prüfung
und Kontrolle sowie erforderlichen Instandhaltungs- und Instandsetzungstätigkeiten
unterzogen werden.
Abbildung 7: Kraftmesseinrichtung eines vorgespannten Verpressankers
Mit der Überwachung der Ankerkräfte soll eine mögliche Veränderung (Abnahme wie auch
Zunahme) der Ankerkraft und die daraus folgende Auswirkung auf das Bauwerk bzw. ein
daraus möglicherweise folgendes Versagen des Ankers zeitgerecht erfasst werden, um die
Forderung des Eurocode 7 (ÖNORM EN 1997-1, 2013) die
Auswirkungen eines Ankerversagens berücksichtigt werden
wenn hierzu normativ und berechnungstechnisch nur bedingt Vorgaben vorhanden sind,
wie diese Forderung zu berücksichtigten ist.
3 Entwicklungen in der Gerätetechnik bei Abhebekontrollen
In den Ausführungen des Kapitels 2.1 wurde die Durchführung von Abhebekontrollen kurz
beschrieben und es wurden die bisherigen normativen und technischen Grundlagen
dargelegt. Wie der Aufbau in Abbildung 5 erkennen lässt, ist mit der Installation und auch
dem Abbau der erforderlichen Prüfeinrichtung ein erheblicher personeller und auch
zeitlicher Aufwand verbunden. Dieser ist in erster Linie der Handhabung und dem Aufbau
der Pressen für die Versuchsdurchführung zuzuschreiben. Im Zuge der Abhebekontrolle
selbst ist ein im Vergleich zum üblichen Spannprozess sehr geringer Pressenhub (als Weg
des Ankerkopfes bis zum Abheben) erforderlich. Durch eine entsprechende
maschinenbautechnische Anpassung und Konzeptionierung des Prüfaufbaues für
Abhebekontrolle (vgl. Rebhan et. al., 2022) kann hier eine entsprechende Optimierung
geschaffen werden, wie dies in Abbildung 8 dargestellt ist.
Abbildung 8: Prüfgerät zur Abhebekontrolle
Ergebnisse hierzu zeigen, dass neben einer Reduktion des Prüfaufwandes zu Folge einer
kontinuierlichen Datenaufzeichnung bei der Durchführung von Abhebekontrollen das
Verhalten des Ankers umfassender beschrieben werden kann und daraus resultierend eine
schlüssigere Aussage über Veränderungen des Ankers (z.B. Lastumlagerung) aber auch
Schadensmechanismen (z.B. Korrosion des Zuggliedes) möglich sein können.
3.1 Versuchsreihen
Der Demonstrator, wie in Abbildung 8 dargestellt, wurde hierzu in einer Reihe von
Versuchen verwendet, um neben einer Erprobung und Validierung Messdaten für
Interpretationszwecke zu generieren. Einleitend wurde an einem Ankerspannrahmen im
Labor eine Keilscheibe mit Außengewinde mit einer künstlich erzeugten Vorspannung des
Ankers untersucht. Der Fokus hierbei lag zum einen auf der Anbringbarkeit des ringförmigen
Kurzhubzylinders (Aufschraubbarkeit und Lösbarkeit), und zum anderen in der Validierung
der praktischen Anforderungen und die Erprobung des Druckerzeugungs- und
Datenerfassungssystems. In Abbildung 9 sind die Ergebnisse dieser Versuchsreihe
dargestellt.
.
Abbildung 9: Laborversuchsreihe; links: Abgehobene Keilscheibe im Zuge der
Versuchsdurchführung; rechts: Abhebekennlinie eines Laborversuches
Das linke Bild zeigt das Abheben der Keilscheibe von der Ankerplatte. Auf Grund des
Aufbaues des Demonstrators kann dies, durch das Entstehen eines seitlichen Spaltes
erkannt werden. Zusätzlich wird die tatsächliche Spalthöhe durch die angebrachte
Konstellation aus induktiven Wegaufnehmern (LVDT) erfasst. Die rechte Abbildung zeigt
das Ergebnis eines Versuches in Form einer kontinuierlichen Datenaufzeichnung und eines
daraus abgeleiteten Kraft-Weg-Diagrammes. Die entsprechenden zeitkontinuierlichen
Größen Weg und Kraft bzw. Druck wurden in einem Abtastintervall von 200 ms erfasst.
Diese Versuchsreihe und eine Reihe weiterer kleinerer Versuche an Bauwerksankern
gezeigten, dass die notwendige Zeit zur Durchführung einer Prüfung mit dem
konzeptionierten Kurzhubzylinder und dem hergestellten Demonstrator vor allem von den
vorbereitenden Arbeiten zur Aufbereitung und Reinigung der Ankerköpfe abhängt. In einem
weiteren, groß angelegten Versuch wurde das Prüfequipment daher unter realen
Bedingungen und Anforderungen getestet werden. Hierfür wurde entlang der Tauernstrecke
der Österreichischen Bundesbahnen im Raum Gastein an zwei verankerten Konstruktionen
eine Prüfung von bestehenden Verankerungen vorgenommen. Im Zuge dieser
Untersuchungen wurde die Nutzung des Prüfequipments an den Ankertypen VT (Deutsches
Institut für Bautechnik, 2005) und PZ (Institut für Bautechnik, 1993) vorgenommen.
Ankerplatte
Kurzhubzylinder
Spalt
Abbildung 10: Ankertypen an zwei Ankerwänden entlang der Trauernstrecke; links: PZ-
Anker; rechts: VT-Anker
Abbildung 10 zeigt die beiden, an den Bauwerken vorhandenen Ankertypen. Der im rechten
Bild dargestellte VT-Anker zeigt ein besonders herausforderndes Situationsbild, da dieser
durch Korrosion und anliegendes Füll- bzw. Verpressmaterial gerade im Bereich der für die
Krafteinleitung bedeutsamen Gewindebohrung, hohe Verunreinigungen aufweist. Zur
Durchführung der Abhebekontrollen an beiden Ankertypen war jeweils eine
Anpassungskonstruktion erforderlich, um das im Kurzhubzylinder (siehe Abbildung 8)
vorhandene Innen-Trapezgewinde zur Kraftübertragung von Zylinder zu bestehender
Kopfkonstruktion verwenden zu können.
3.2 Interpretation der Versuchsergebnisse
Mit der Verwendung eines derartigen Kurzhubzylinders und einer umfassenden
messtechnischen Erfassung der Versuchsreihen konnte gezeigt werden, dass eine große
Bandbreite an Ankertypen bzw. Ankerkopfkonstruktionen geprüft werden kann.
Nachfolgend findet sich eine Aufbereitung der Versuche und der dabei generierten
Messwerte und Untersuchungsergebnisse.
Abbildung 11 zeigt die Abhebekennlinie, also das Kraft-Weg-Diagramm, eines Versuchs.
Aus der charakteristischen Form der gemessenen Kennlinie kann bereits ein Abheben der
Keilscheibe von der Ankerplatte festgestellt werden, was sich am asymptotischen Übergang
der Messkurve von Werten gleichbleibend geringer Nachgiebigkeit zu Werten
gleichbleibend höherer Nachgiebigkeit zeigt. Die quantitative Bestimmung der Abhebekraft
Ankerplatte
Gewindestab
Mutte
r
Ankerplatte
Innengewinde
Verunreinigung
en
in Form einer möglichst genauen Annäherung kann dabei zusätzlich im post-processing
durch Berechnung des Schnittpunkts zweier anliegender Tangenten, welche als
Ausgleichsgeraden der Äste vor (1) und nach dem Abheben (2) errechnet werden. Für den
hier betrachteten Anker lässt sich hierdurch eine Abhebekraft PA von 346 kN bestimmen.
Abbildung 11: Erzeugte Abhebekennlinie zur Bestimmung der Abhebekraft
Eine ähnliche Aufbereitung lässt sich für alle durchgeführten Versuchsreihen vornehmen,
wie in Abbildung 12 dargestellt. Unter Berücksichtigung der Konstruktionsform sowie der
sind hier
deutliche charakteristische Unterschiede zu vermerken. Diese sind in den beiden
Abhebediagrammen zu erkennen, wobei hier bereits eine weitere Verarbeitung und
Betrachtung der Messdaten durchgeführt werden, da neben einem quantitativen auch
einem qualitativen Vergleich vorgenommen werden kann.
Diese wurden hierbei für alle im Zuge des Projektes NAT (2022) durchgeführten
Abhebekontrollen an Bauwerksankern durchgeführt. Die Kurzbezeichnungen hierbei
beziehen sich auf:
• MTR Keilscheiben mit Außengewinde;
• PZ Gewindestab an PZ-Ankern;
• VT Keilscheibe mit Innengewinde.
1
2
Abbildung 12: Normierte Abhebekennlinien; links: 1-fach normiert; rechts: 2-fach normiert
Links sind die Abhebekennlinien sämtlicher geprüften Verankerungen dargestellt, wobei die
Verformung über eine durch die jeweilig errechnete Abhebelast PA normierte Last P/PA
aufgetragen ist (1-fach normiert). Besonders ausgeprägt zeigt sich eine Häufung der
Kennlinien der VT-Anker (1), welche sich auf Grund höherer Nachgiebigkeit im Ankerkopf,
gegenüber den PZ- und MTR-Ankern (2) typischerweise bei Werten höherer Verformung
einfinden. Das rechte Bild zeigt die Schar derselben Datensätze, wobei hier zudem die
Verformung normiert als Verhältnis zur jeweiligen Abhebeverformung sA aufgetragen ist.
Jenes Schaubild gibt besonders Aufschluss über die Qualität der durchgeführten
Abhebekontrollen, welche insbesondere dann hoch ausfällt, wenn zwischen den Ästen vor
und nach Abheben eine signifikante Steigungsänderung auszumachen ist. Wie im rechten
Bild dargestellt, ist diese Forderung zwar für die meisten Kennlinien der VT- und MTR-Anker
erfüllt, konnte aber unter Rücksichtnahme auf max. zulässige Prüfkräfte für PZ-Anker in
einigen Fällen nicht erreicht werden (3). Für jene Abhebeversuche bedeutet dies, dass ein
Abheben nicht sicher festgestellt werden konnte, und damit die rechnerische Bestimmung
der Abhebekraft durch das Schneiden zweier spitz zulaufender Ausgleichsgeraden höheren
Unsicherheiten unterliegt. Als weiteres Merkmal des qualitativen Vergleichs der
Abhebekennlinien lässt sich eine Verschiebung der Äste hin zu höheren Nachgiebigkeiten
ausmachen (4). Daraus lassen sich potenziell Schlüsse über den Zustand und die
mechanischen Eigenschaften der Verankerung ziehen.
1
4
3
2
Werden Abhebekontrollen zudem in periodischen Intervallen durchgeführt, wie dies die
entsprechenden Regelwerke vorgeben, können mit vorgeschlagenem Schaubild und den
daraus ersichtlichen Ableitungen in Bezug auf die Qualität und die Änderungen auch
Veränderungen am Ankersystem bzw. den einzelnen Ankern aufgezeigt werden.
4 Digitalisierung von Kraftmesszellen
Wie die Beschreibungen der beiden vorherigen Kapitel zeigen, stellt die aktuell vorhandenen
Ankerkraft bei geankerten Konstruktionen eine maßgebende Größe bei der Beurteilung
dieser Konstruktionen und eine entsprechende Herausforderung bei der praktischen
Umsetzung dar. Während, wie angeführt, Abhebekontrollen lediglich eine Information über
den zum Prüfzeitpunkt vorhandenen Zustand ermöglichen, ist es vor allem bei
tiefreichenden Fragestellungen erforderlich, eine Zeitreihe zur Ankerkraft zu haben.
Neben dem allgemeinen Verhalten der Konstruktion und beispielsweise der Erfassung von
periodischen und jahreszeitlichen Schwankungen kann hier eine möglicherweise
vorliegende Veränderung von großem Interesse sein. Hierzu eignen sich
Kraftmesseinrichtungen, welche eine direkte Aussage über die Ankerkraft ermöglichen. Die
Verwendung anderer Messeinrichtungen (z.B. Deformationen der Wand) sind hier nur
bedingt bzw. als Ergänzung anwendbar.
Nachfolgend wird die Möglichkeit der Nachrüstung von Kraftmesstellern an bestehenden
geankerten Konstruktionen beschrieben, und zudem auf die Digitalisierung derartiger
Konstruktionselemente eingegangen.
4.1 Nachrüstung von Kraftmesseinrichtungen
Da Abhebekontrollen, als eine Form der Sonderprüfung (AP33, 2022) mit einem erhöhten
Personalaufwand sowie damit verbundenen Einschränkungen wie Streckensperren oder
anderen Auswirkungen auf die Verfügbarkeit des Infrastrukturbauwerkes verbunden sind,
wird die Nutzung von anderen Methoden bevorzugt. Eine der häufigsten Möglichkeiten ist
hier die Anbringung von Kraftmesseinrichtungen direkt an den zu betrachtenden Ankern.
Dies ist im Regelfall jedoch nur dann möglich, wenn derartige Konstruktionen bereits im
Zuge der Planung Berücksichtigung gefunden haben.
Ist diese nicht der Fall, oder werden Anker als kritisch identifiziert, welche nicht mit
Kraftmesseinrichtungen ausgestattet wurden, so kann hier nur bedingt Abhilfe durch die
Nachrüstung einer Kraftmesseinrichtung geschaffen werden.
Zwei Beispiele sind hier in Abbildung 13 dargestellt. Das linke Bild zeigt die Anbringung
eines zusätzlichen Stuhles, um über zwei Gewindestangen ein nachträgliches Anheben des
Ankerkopfes zu ermöglichen, und damit einen Kraftkurzschluss über eine neues
Kraftmessteller zu ermöglichen. Diese Ausführung ist jedoch nur möglich, sofern
entsprechende Angriffspunkte an einem Ankerkopfe (z.B. freie Litzenlöcher, Innengewinde,
Bajonette) vorhanden sind, mit welchen der Ankerkopf entsprechend gegriffen werden kann.
An dem hier dargestellten Fall war diese möglich, da die 4-litzige Keilscheibe lediglich mit 2
Litzen belegt war und daher in die freien Litzenlöcher durch die bauseitige Herstellung eines
Gewindes die zwei dargestellten Gewindestangen eingeschraubt werden konnten.
Abbildung 13: Möglichkeiten zur Nachrüstung von Kraftmesstellern an bestehenden
geankerten Konstruktionen, links: Nachrüstung bei einem Litzenanker (GDP ZT GmbH,
2018); rechts: Nachrüstung bei einem PZ-Anker (Scharinger & Granig, 2022)
Im rechten Bild ist ein Sondertyp eines Ankers dargestellt, welcher als Bündelanker
bezeichnet wird. Die Besonderheit ist, dass die Drahtbündel aus dem Bohrloch durch einen
zentrisch angebrachten Stab gebündelt werden. Dieses, als PZ-Anker (Institut für
Bautechnik, 1993) bezeichnete System ermöglicht durch das Vorliegen eines
Feingewindestabes am Ankerkopf eine verhältnismäßig einfache Anbringung eines neuen
Kraftkurzschlusses und die daraus resultierende Nachrüstung eines Kraftmesstellers.
Beiden Möglichkeiten ist jedoch gemein, dass hiermit ein erheblicher Aufwand verbunden
ist, entsprechende Dehnwege vorhanden sein müssen, um einen Kraftkurzschluss zu
ermöglichen und zudem die geometrischen Anforderungen an die Anbringung eines
Kraftmesstellers gegeben sein müssen. Weiters sei hier angemerkt, dass ein derartiger
Eingriff wie beispielsweise die Herstellung von Gewinden in installierten Keilscheiben eine
erhebliche Beeinflussung des Systems darstellt, woraus neben haftungstechnischen
Themen auch Fragestellungen im Bereich der Dauerhaftigkeit und der Unversehrtheit
resultieren. Dennoch steht bei Verdacht großer Änderungen der Ankerkräfte im Regelfall
der aus der nachträglichen Installation von Kraftmesseinrichtungen resultierende Mehrwert
im Vordergrund derartiger Untersuchungen und messtechnischen Betrachtungen.
4.2 Digitalisierung bestehender Kraftmesseinrichtungen
Neben den in Kapitel 4.1 beschriebenen Nachrüstungen von bestehenden Ankern mit
Kraftmesseinrichtungen wird seit einiger Zeit auch vermehrt auf die Digitalisierung und
Online-Übertragung der Messdaten gesetzt. Hierbei können die Ankerkräfte zusammen mit
anderen Messgrößen wenige Sekunden nach der Messung direkt eingesehen und
ausgewertet werden und bei einer Grenzwertüberschreitung kann informiert werden.
Kraftmesseinrichtungen können bereits beim Einbau also im Zuge der Herstellung - digital
ausgeführt werden. Nachfolgend wird jedoch kurz auf die nachträgliche Digitalisierung von
bereits installierten Kraftmesstellern an Litzenankern eingegangen.
Abbildung 14: Arbeitsschritte bei der Digitalisierung eines bestehenden und installierten
Kraftmesstellers
Abbildung 14 zeigt die entsprechenden Arbeitsschritte an einer Lastplatte. Das obere linke
Bild zeigt den Anker mit dem bestehenden Druckmanometer (Kraftmesseinrichtung) vor der
Digitalisierung. Im Bild oben rechts wurde bereits die alte (und in diesem Fall schadhafte)
Ableseeinheit entfernt. Das untere linke Bild zeigt die Nachrüstung mit dem digitalen
Anschluss und einer zusätzlichen neuen analogen Ableseeinheit. Die analoge und digitale
Erfassungsmöglichkeit wurde verbaut, um beide Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung zu
stellen. Im Bild rechts unten wird gezeigt, wie die Kraftmesseinrichtung mit einer
Handpumpe wieder gefüllt wird. Die Füllung ist erforderlich, da das Öl im inneren des
Kraftmesstellers bei der Nachrüstung entspannt wurde.
In Abbildung 15 ist die angebrachte Messtechnik sowie der gesamte Messbereich an einer
Ankerwand dargestellt. Das linke Bild zeigt die Anordnung der digitalisierten
Kraftmesseinrichtungen M1 bis M3, während das rechte Bild den Bereich des Ankers M2
(Anker Mitte) mit zusätzlichen Messungen detaillierter zeigt.
Abbildung 15: Nachgerüstete und Digitalisierung Kraftmesseinrichtungen, links: Ansicht
der Ankerwand, rechts: Detailansicht des Installationsbereiches Ankerkraftmessung M2
4.3 Messsysteme und Datenauswertung
In dem hier beschriebenen und in Abbildung 15 dargestellten Fall wurde ein autarkes
Messsystem mit drahtloser Datenübertragung angewendet. Dieses bringt einige Vorteile:
• Aktuelle, zentral gespeicherte Messdaten mit intuitiver Auswertung im Webbrowser
oder in einer App.
M1
M2
M3
Kraftmessteller
Analoge
Ableseeinheit
Digitaler
Anschluss
Node
Lufttemperatur-
& Luftfeuchte-
messung
Betontemperatur-
messungen
• Keine feste Stromversorgung vor Ort notwendig (kein Verlegen von Stromleitungen)
und drahtlose Datenübertragung mit einer Batterielebensdauer von über 8 Jahren.
• Einfache und schnelle Installation durch die Mannschaft vor Ort möglich es sind
keine Messtechnik- und Netzwerkkenntnisse notwendig.
• Funktionsüberwachung (plug & forget) und Überwachung des Bauwerkes mit Warn-
und Alarmmeldung bei Grenzwertüberschreitung.
Zur besseren Interpretation der Ankerkräfte wird zudem wie in RVS 13.03.01 (2022) auch
die Luft- und Bauwerkstemperatur erfasst. Für die Beurteilung eines Stützbauwerkes kann
es zusätzlich sinnvoll sein auch Neigungsmessungen durchzuführen. In diesem Projekt
wurden 8 Sensoren (Messungen) von einem Node gesteuert, ausgelesen und die
Messdaten zur cloud übertragen. Zusätzlich werden die Messwerte vor Ort gespeichert und
Die Messung der Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit erfolgt mit einer Strahlenschutzhaube,
um Strahlungseinflüsse der Sonne zu reduzieren. Mit den Betontemperaturen in 4 cm, 6 cm
und 18 cm Tiefe wird der Temperaturgradient des Bauwerkes im Jahresgang bestimmt. Die
Ankerkraftmessung erfolgt über den Öldruck des Kraftmesstellers. Mit einem Druckgeber
wurde hierbei die Ankerkraftablesung digitalisiert und zusammen mit den anderen
Messungen übertragen.
Die Ablesungen von einer analogen Kraftmessung erfolgt üblicherweise nur in größeren
Zeitintervallen (beispielsweise im Zuge einer Inspektion oder Prüfung). Somit ist bestenfalls
ein Messwert (Ankerkraft) pro Jahr für eine Beurteilung verfügbar. Diese Ablesungen
werden zumeist bei unterschiedlichen Temperaturen und unterschiedlichen
Belastungszuständen (z.B. Hangwässer bei Schneeschmelze) durchgeführt, jedoch sind
dazu meist keine Informationen vorhanden. Bei einer digitalen Ausführung hingegen werden
alle Sensoren z.B. einmal pro Stunde ausgelesen, übertragen und somit kann eine dichte
Zeitreihe der Ankerkräfte und der Einflussfaktoren wie Beton- und Lufttemperatur für die
Analyse herangezogen werden, wie in Abbildung 16 dargestellt.
Abbildung 16: Ergebnisse einer permanenten Erfassung von Messdaten an drei Ankern
Die Ankerkräfte (M1 bis M3) und die gemessene Lufttemperatur (von -10°C bis +13°C) sind
über einen Beobachtungszeitraum hier nicht näher angeführt dargestellt. Es lässt sich
ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Änderungen der Lufttemperatur und der erfassten
Ankerkraft erkennen. Zudem zeigt sich, dass die Ankerkräfte direkt und kaum zeitverzögert
zufolge einer Temperaturänderung reagieren, was darauf schließend lässt, dass diese
lediglich aus der Erwärmung der Kraftmesseinrichtung resultieren.
Zusammen mit jahreszeitlichen Schwankungen aus anderen Einflüssen erhält man mit
dieser wesentlich dichteren Zeitreihe und auch mit den zusätzlichen Informationen Daten
für eine fundierte Analyse. Mit den dichteren Messreihen können Unwägbarkeiten reduziert
werden, eine genauere Analyse ermöglicht und so eventuell eine Lebensdauerverlängerung
der Konstruktion zu Folge einer umfassenderen Kenntnis von Einwirkungen und daraus
folgenden Effekten ermöglichen.
5 Zusammenfassung und Ausblick
Mit diesem Beitrag wurde ein Einblick in den Bereich der Ankertechnik, der Beurteilung von
bestehenden geankerten Konstruktionen und der hierzu verwendeten Methoden zur
Bestimmung der aktuell vorhandenen Ankerkraft gegeben.
Einleitend wurde eine Methode, basierend auf einer Geräteentwicklung beschrieben, mit
welcher ein vertiefter Einblick in das Verhalten bzw. mögliche mechanische und
schadensbedingte Änderungen erzielt werden kann. Hierzu ist neben einer entsprechenden
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Lufttemperatur [C]
Ankerkraft [kN]
Beobachtungszeit
Ankerkraft M1
Ankerkraft M2
Ankerkraft M3
Lufttemperatur
gerätetechnischen Anpassung vor allem eine umfassende messtechnische Aufzeichnung
der Ankerabhebekontrolle erforderlich. Basierend auf derartigen Ansätzen soll es zukünftig
möglich werden, basierend auf periodisch durchgeführten Sonderprüfungen, eine
zutreffendere Aussage über die Entwicklung von schadhaften geankerten Konstruktionen
geben zu können. Weiters wurden die Möglichkeiten zur Nachrüstung von
Kraftmesseinrichtungen aufgezeigt. Eine derartige Instandhaltungsmaßnahme ist im
Vergleich zu Abhebekontrollen nur unter eingeschränkten Randbedingungen umsetzbar
und daher, nur bei einer beschränkten Anzahl an bestehenden Ankern anwendbar. Zudem
wurde die Möglichkeit der Digitalisierung der Ablesung von Kraftmesseinrichtung bei Ankern
anhand eines Beispiels dargestellt. Dieses zeigt, neben den Arbeitsschritten die zu einer
derartigen Nachrüstung erforderlich sind, dass damit Zeitreihen zur Ankerkraft geschaffen
werden können, welche eine umfassendere und mit anderen Messwerten (z.B. Temperatur)
kombinierbare Interpretation ermöglichen.
Im Umgang mit bestehenden geankerten Konstruktionen stellt die aktuell vorhandene
Ankerkraft eine der maßgebenden Kenngrößen dar. Im Vergleich zu anderen
Ingenieurbauwerken sind hier klassische geodätische Messgrößen, wie beispielsweise die
Neigung der Konstruktion, nur bedingt anwendbar. Hieraus folgend kommt den vorgestellten
Ansätzen zur einfacheren und periodischen Bestimmung der Ankerkraft ein wesentlicher
Beitrag bei der Erhaltungsstrategie sowie der Beurteilung zu.
Die hier beschriebenen Ergebnisse sind Teil von Forschungsergebnissen an der
Technischen Universität Graz. Diese werden aktuell im Forschungsprojekt SaRAS Safety
and Risk of Anchored Structures weitergeführt. Das Ziel hierbei ist es, die Methoden zum
Umgang mit bestehenden geankerten Konstruktionen zu verbessern und damit einen
Beitrag zur Bauwerkserhaltung und der nachhaltigen Nutzung der Infrastruktur zu schaffen.
Danksagung
Die Untersuchungen, welche hier gezeigt sind, wurden im Zuge einer Reihe von
Forschungsprojekten durchgeführt, welche unter anderem durch die Österreichische
Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) finanziert wurden. Zudem gilt der Dank den
Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), welche einen Großteil der hier dargestellten
Feldversuche und Tätigkeiten ermöglichten.
Literatur
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Zugelemente, Österreichische Forschungsgesellschaft Straße Schiene Verkehr, 2022
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Daxer, H.P.; The behaviour of anchored structures affected by the failure of ground anchors,
Masterarbeit. Technische Universität Graz, Institut für Bodenmechanik, Grundbau und
Numerische Geotechnik, 2020
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Zulassung, Z-13.1-73, Litzenspannverfahren Vorspann-Technik VT 140/150, 2005
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Nachrüstmöglichkeit für Kraftmessteller an bestehenden Dauerfreispielanker, 2018
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ÖNORM EN 1997-1; Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik
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ÖNORM EN ISO 22477-5; Geotechnische Erkundung und Untersuchung Prüfung von
geotechnischen Bauwerken und Bauwerksteilen Teil 5: Prüfung von Verpressankern,
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Rebhan, M., Daxer, H-P., Tschuchnigg, F., Marte, R., Stadlbauer, J., Scharf, M., Zopf,
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RVS 13.03.21; Qualitätssicherung bauliche Erhaltung Überwachung, Kontrolle und
Prüfung von Kunstbauten Geankerte Stützbauwerke, Wien, FSV, BMVIT, 2013
RVS 13.03.21; Qualitätssicherung bauliche Erhaltung Überwachung, Kontrolle und
Prüfung von Kunstbauten Geankerte Stützbauwerke, Wien, FSV, BMVIT, 2022
Scharinger F. & Granig M.; Instandsetzung von Brückenfundamenten im Liesertal A10
Tauern Autobahn, Beiträge zum 37 Christian Veder Kolloquium, Technische Universität
Graz, 2022
Witt, K. J. (Hg.); Grundbau Taschenbuch Teil 3, Ernst & Sohn, Weimar, 2011
Witt, K. J. (Hg.); Grundbau Taschenbuch Teil 3, Ernst & Sohn, Weimar, 2018
Autoren
Dipl.- Dipl.- Ing. Dr.techn. Matthias J. Rebhan, BSc. BM rebhan@tugraz.at
Dipl.- Ing. Hans-Peter Daxer, BSc. daxer@tugraz.at
Univ. Prof. Dipl.- Ing. Dr.techn. Roman Marte roman.marte@tugraz.at
Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik
Technische Universität Graz www.soil.tugraz.at
Rechbauerstraße 12, 8010 Graz, Österreich Tel.: 0043 316 873 6231
Dipl.- Ing. Dr.techn. Jörg Edler joerg.edler@tugraz.at
Dipl.- Ing. Martin Scharf martin.scharf@tugraz.at
Institut für Fertigungstechnik
Technische Universität Graz www.ift.tugraz.at
Kopernikusgasse 24, 8010 Graz, Österreich Tel.: 0043 316 873 7174
Dr. Christian Gasser christian.gasser@ait.ac.at
Austrian Institute of Technology www.ait.ac.at
Giefinggasse 4, 1210 Wien, Österreich Tel.: 0043 50550 6614
Stefan L. Burtscher stefan.burtscher@rocket-ng.at
rocket NG GmbH www.rocket-ng.at
Stockerauerstraße 11-13/2, 2100 Korneuburg, Österreich Tel.: 0043 2262 24024