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ABHANDLUNG
https://doi.org/10.1007/s11615-024-00542-1
Politische Vierteljahresschrift
Möglichkeitsräume für Antisemitismus? Zur Öffnung
politisch-kultureller Gelegenheitsstrukturen während
der Eskalationsphasen des „Nahostkonflikts“
Heiko Beyer · Bjarne Goldkuhle
Eingegangen: 12. Oktober 2023 / Überarbeitet: 29. Februar 2024 / Angenommen: 6. März 2024
© The Author(s) 2024
Zusammenfassung Der Beitrag untersucht, inwiefern sich der „Nahostkonflikt“ auf
das Sicherheitsgefühl von in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden auswirkt.
Ausgehend vom Theorieansatz der „politisch-kulturellen Gelegenheitsstrukturen“
untersuchen wir, ob das „Nahostkonflikt“ bezogene Sicherheitsgefühl davon ab-
hängt, wie offen oder geschlossen diese Strukturen von den (potenziell) Betroffenen
wahrgenommen werden. Unsere Befundezeigen, dass je günstiger die Gelegenheiten
für antisemitische Mobilisierung erscheinen, desto negativer wirkt sich der „Nahost-
konflikt“ auf die hiesige jüdische Gemeinschaft aus, weil in der Wahrnehmung der
Betroffenen antisemitische Übergriffe nicht angemessen thematisiert und juristisch
verfolgt werden. Mittels Daten einer Online-Befragung von in Deutschland lebenden
Jüdinnen und Juden (n= 295) weisen wir nach, dass vor allem die Befürchtung, die
Bevölkerungsmeinung gegenüber Jüdinnen und Juden in Deutschland hinge mit dem
sogenannten „Nahostkonflikt“ eng zusammen, zu einem stärkeren „Nahostkonflikt“
bezogenen Bedrohungsgefühl beiträgt. Misstrauen in die Fähigkeit von Gerichten
und Medien, auf Antisemitismus angemessen zu reagieren, sind weitere statistisch
signifikante Korrelate.
Schlüsselwörter Israelbezogener Antisemitismus · Nahostkonflikt ·
Institutionenvertrauen · Soziale Bewegungen · Jüdisches Leben
Heiko Beyer · Bjarne Goldkuhle
Institut für Sozialwissenschaften, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: beyerh@hhu.de
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H. Beyer, B. Goldkuhle
Opportunity Spaces for Antisemitism? On the Opening of
Political–Cultural Opportunity Structures During the Escalation
Phases of the “Middle East Conflict”
Abstract This article examines the extent to which the “Middle East conflict” af-
fects the sense of security among Jews living in Germany. Drawing on the theoretical
framework of political–cultural opportunity structures, we investigated whether the
sense of security related to the “Middle East conflict” depends on how open or
closed these structures are perceived by those (potentially) affected. Our findings
indicate that the more favorable the conditions for antisemitic mobilization appear,
the more negatively the “Middle East conflict” impacts the local Jewish community,
due to the perception that antisemitic incidents are not adequately addressed and
legally prosecuted. Using data from an online survey of Jews living in Germany
(n= 295), we demonstrate that, in particular, the fear that public opinion toward
Jews in Germany is closely linked to the so-called Middle East conflict contributes
to a heightened sense of threat related to the conflict. Other statistically signifi-
cant correlates concern distrust in the ability of courts and the media to respond
appropriately to antisemitism.
Keywords Israel-related antisemitism · Middle East conflict · Trust in institutions ·
Social movements · Jewish life
1 Einleitung
Mit den Terrorangriffen der Hamas vom 7. Oktober 2023, denen rund 1200 Men-
schen zum Opfer fielen, wurde eine neue Welle antisemitischer Gewalt ausgelöst,
der nicht nur die israelische Bevölkerung, sondern Jüdinnen und Juden in der ganzen
Welt ausgesetzt sind. Bereits innerhalb der ersten drei Wochen nach den Anschlägen
registrierte das Bundeskriminalamt über 2000 Straftaten, darunter mehrere hundert
Gewaltstraftaten (Gann 2023). Wenngleich schon vor den jüngsten Ausschreitungen
eine Gleichsetzung Israels mit in der Diaspora lebenden Jüdinnen und Juden alles
andere als die Ausnahme darstellte – insgesamt 43% der Befragten stimmten in
der Leipziger Autoritarismusstudie von 2020 teilweise oder ganz der Aussage zu,
dass ihnen „durch die israelische Politik [...] die Juden immer unsympathischer“
würden (Decker und Brähler 2020, S. 227) – scheint seit dem Oktober 2023 eine
neue Quantität und Qualität des israelbezogenen Antisemitismus erreicht. Was ins-
besondere in Nordamerika bis vor wenigen Monaten vielen dort lebenden Jüdinnen
und Juden noch unvorstellbar schien, nämlich dass sie aus Sicherheitsgründen in
der Öffentlichkeit lieber darauf verzichten, als Jüdin oder Jude erkennbar zu sein,
scheint heute an vielen Orten Normalität. In Deutschland, wo die Bekämpfung des
Antisemitismus zur öffentlich proklamierten Staatsräson gehört, mussten im Herbst
2023 jüdische Schulkinder aufgrund der Bedrohungslage zuhause bleiben (Ferra-
ri und Peter 2023) und wurden Häuser von Jüdinnen und Juden mit Davidsternen
markiert (Middelhoff 2023).
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Belastbare Daten und sozialwissenschaftliche Studien zum israelbezogenen Anti-
semitismus und der Rolle des „Nahostkonflikts“ für die Bedrohungswahrnehmungen
in Deutschland lebender Jüdinnen und Juden gibt es bisher kaum. Zwar zeigen ein-
zelne Items aus Einstellungsbefragungen, so das oben zitierte, wie verbreitet der
Kurzschluss zwischen (vermeintlicher) israelischer Politik und antijüdischen Ein-
stellungen ist, aber einerseits dürften angesichts des bekannten „social desirability
bias“ die Werte weitaus höher liegen (vgl. Beyer und Krumpal 2010), und ande-
rerseits kann die Einstellungsforschung zwangsläufig nur einen Teil des Phänomens
abbilden. Untersuchungen zur Verbreitung und den Motiven sowie den Folgen an-
tisemitischer Handlungen auf Basis repräsentativer Befragungen von Betroffenen
liegen bisher nicht vor. So bleiben bisher auch die vielfältigen sozialen und psy-
chischen Auswirkungen des Antisemitismus auf Jüdinnen und Juden weitestgehend
im Dunkeln. Vereinzelte qualitative (Bernstein et al. 2020) und quantitative Studi-
en (Zick et al. 2017;AJC2022;FRA2019, Beyer und Liebe 2020) lassen jedoch
erahnen, dass israelbezogener Antisemitismus und allen voran die Legitimierung
von Gewalt durch den Verweis auf die israelische Politik eines der gravierendsten
Probleme darstellt, mit denen Jüdinnen und Juden heute in Deutschland konfrontiert
werden (vgl. den Großteil der Beiträge in Grigat 2023 sowie Öztürk und Pickel
2022).
Das liegt vor allem daran, dass israelbezogener Antisemitismus für alle politi-
schen Lager, Rechtsextreme und radikale Linke, Muslime wie Christen anschluss-
fähig und bis in die „Mitte der Gesellschaft“ hinein zu beobachten ist – wie auch
die breite Zustimmung der eingangs genannten Aussage belegt. Die Auswirkungen
für Jüdinnen und Juden umfassen dabei nicht nur direkte Anfeindungen, sondern er-
geben sich aus einem allgemeinen Klima der Unsicherheit. Insbesondere wenn sich
in der Vergangenheit die „politisch-kulturellen Gelegenheitsstrukturen“ (Rensmann
2004) während der Eskalationsphasen des israelisch-palästinensischen Konflikts für
antisemitische Mobilisierung geöffnet haben, mussten deutsche Jüdinnen und Ju-
den immer wieder von Übergriffen auf jüdische Einrichtungen und Personen lesen
und hören, wenn sie nicht sogar selbst davon betroffen waren. Dies hat das Sicher-
heitsempfinden der potenziell und real Betroffenen nachhaltig verschlechtert: In der
von uns hier vorgestellten Studie, die noch vor dem 7. Oktober 2023 durchgeführt
wurde, gaben 54,1% der 295 in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden an, ihr
Sicherheitsgefühl habe sich in den letzten 10 Jahren verschlechtert. Dies gilt insbe-
sondere für solche Befragten, die einen „starken Einfluss des ,Nahostkonflikts‘ auf
[ihr] Sicherheitsgefühl als Jüdin bzw. Jude in Deutschland“ berichteten (Pearson r=
0,289, p= 5,959e-07, n= 286).
Neben den aktuellen Gewaltausbrüchen stellt das Jahr 2014 in der jüngeren deut-
schen Geschichte einen Höhepunkt israelbezogenen Antisemitismus dar. Als Israel
mit Militärschlägen auf anhaltenden Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen reagier-
te, kam es in mehreren deutschen Städten zu gewaltsamen Ausschreitungen, bei de-
nen u. a. auch Brandanschläge gegen Synagogen verübt und Parolen wie „Zionisten
sind Faschisten“, „Kindermörder Israel“ und „scheiß Juden“ bei Demonstrationen
skandiert wurden (Zentralrat der Juden 2014). Selbst Polizei und Justiz scheinen
jedoch solche gegen Juden und jüdische Einrichtungen gerichteten Delikte, sobald
sie im Rahmen des sogenannten „Nahostkonflikts“ begangen werden, nicht konse-
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quent als antisemitisch zu klassifizieren. So verneinten zum Beispiel sowohl das
Amtsgericht Wuppertal als auch das Oberlandesgericht in Düsseldorf, dass beim
Brandanschlag auf die Wuppertaler Synagoge im Sommer 2014 antisemitische Mo-
tive eine Rolle gespielt hätten. Vielmehr habe es sich bei der Tat um unbeholfen
artikulierte Kritik an Israel gehandelt (vgl. Laurin 2017; Dondera 2022).
Scheinbar fehlt es den Behörden wie der Öffentlichkeit an einem durch sozial-
wissenschaftliche Studien geschulten Umgang mit den unterschiedlichen Erschei-
nungsformen des aktuellen Antisemitismus und an Bewusstsein für die Auswirkun-
gen auf das Sicherheitsgefühl in Deutschland lebender Jüdinnen und Juden. Um
zur Lösung zumindest des sozialwissenschaftlichen Teils des Problems beizutragen,
haben wir zwischen Mai 2022 und Februar 2023 eine Online-Befragung (n= 295)
mit in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden durchgeführt und unter anderem
nach dem Einfluss des sogenannten „Nahostkonflikts“ auf ihr Sicherheitsgefühl ge-
fragt. Unsere Auswertungen zeigen, dass das Sicherheitsgefühl bei der Mehrzahl
der Befragten stark mit dem „Nahostkonflikt“ zusammenhängt, und dass dieser Zu-
sammenhang wiederum davon beeinflusst wird, wie die politisch-kulturellen Gele-
genheitsstrukturen für Antisemitismus in Deutschland wahrgenommen werden. Die
Vermutung, dass die Meinung der Deutschen gegenüber Jüdinnen und Juden vom
„Nahostkonflikt“ abhängt sowie Misstrauen in Medien und Gerichte, Antisemitismus
angemessen zu adressieren, sind die wichtigsten Einflussfaktoren „Nahostkonflikt“
bezogener Bedrohungswahrnehmungen.
Diese Ergebnisse der Studie stellen wir im zweiten Teil des vorliegenden Beitrags
vor. Im folgenden ersten Teil erläutern wir zunächst die historischen und theoreti-
schen Hintergründe des israelbezogenen Antisemitismus im Kontext des „Nahost-
konflikts“ und erklären mithilfe des Konzepts der „politisch-kulturellen Gelegen-
heitsstrukturen“ den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der politischen
Kultur in Deutschland und dem Sicherheitsempfinden von hier lebenden Jüdinnen
und Juden.
2 Zum Begriff des israelbezogenen Antisemitismus
Antisemitismus ist ein vielschichtiges Phänomen mit einer langen Geschichte, das
in verschiedenen Formen auftritt (vgl. Voigt 2023) und aus mannigfachen theoreti-
schen Perspektiven erklärt worden ist (vgl. Beyer 2015). Innerhalb der historischen
Antisemitismusforschung wird in der Regel zwischen vormodernem Antijudaismus
und modernem Antisemitismus unterschieden (vgl. Berding 1988). Antijudaismus
bezeichnet die religiös begründete Judenfeindschaft bzw. ein „religiöses Ressenti-
ment“ (Benz 2004, S. 65), das seine Ursprünge vor allem im mittelalterlichen Europa
hat, sich aber bis heute fortschreibt. Inhaltlich bestanden diese Ressentiments aus
Vorstellungen von „Ritualmorden“ der Juden an (christlichen) Kindern oder dem
„Hostienfrevel“ (Benz 2004, S. 68). Unzählige „Judenpogrome“ des Mittelalters
zeugen von der Verbreitung derartiger Vorstellungen ebenso wie vom dem ihnen
inhärenten gewaltvollen Potenzial. Der Begriff des (modernen) Antisemitismus be-
zeichnet demgegenüber eine geschlossene Ideologie (beziehungsweise „Elemente“
dieser Ideologie; Horkheimer und Adorno 2019 [1944/47]: S. 177ff.), die auf der
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Grundlage von Vorstellungen über vermeintlich „jüdische“ Eigenschaften eine Er-
klärung moderner gesellschaftlicher Phänomene, Projektionen verleugneter Selbst-
anteile und Konstruktionen nationaler und religiöser Identitäten anbietet. Gängige
antisemitische Narrative schreiben Jüdinnen und Juden unter anderem „verschwö-
rerische“, „raffgierige“ und „hinterhältige“ Umtriebe zu. Der moderne Antisemitis-
mus identifiziert „das Jüdische“ dabei sowohl mit Hypermodernität – (Finanzkapital,
Unterhaltungsindustrie, Kosmopolitismus) als auch Vormodernem (religiöser Ortho-
doxie, Familienbanden, Unzivilisiertheit), bis hin zur Gleichsetzung mit Tieren und
Insekten (vgl. Salzborn 2010; Postone 1982). Moderner Antisemitismus erscheint
dabei in unterschiedlichen Formen und Narrativen, die sich mitunter nicht auf den
ersten Blick als Antisemitismus zu erkennen geben. Insbesondere die nationalso-
zialistische Judenvernichtung und die daraus resultierende deutsche Staatsräson der
Sanktionierung explizit kommunizierten Antisemitismus bedingen dabei oftmals ei-
ne gewisse „Kommunikationslatenz“ und Notwendigkeit der „Umwegkommunika-
tion“ (Bergmann und Erb 1986), also ein camoufliertes Artikulieren antisemitischer
Einstellungen.
Neben dem vor allem (aber nicht ausschließlich) in Deutschland und Österreich
anzutreffenden Schuldabwehr-Antisemitismus, der sich – z.B. in Form der Täter-
Opfer-Umkehr – als Abwehr einer Thematisierung des Holocaust ausdrückt (vgl.
Salzborn 2020), stellt gegenwärtig insbesondere israelbezogener Antisemitismus eine
weltweit verbreitete Form des Antisemitismus dar (vgl. AJC 2022;FRA2019).
Im israelbezogenen Antisemitismus werden rhetorisch seltener direkt Jüdinnen und
Juden, sondern zunächst „Israelis“ oder „Zionisten“ adressiert (für einen historischen
und typologischen Überblick vgl. Holz und Haury 2021). Insbesondere der Begriff
„Zionisten“ fungiert dabei in der Regel als „Chiffre“ (Rensmann 2015) für Juden
und meint meist nicht nur zionistische Juden oder israelische Staatsbürger, sondern
Juden im Allgemeinen. Durch die „Umwegkommunikation“ (Bergmann und Erb
1986; Bergmann und Heitmeyer 2005; Beyer und Liebe 2013) über Begriffe wie
„Zionisten“ versucht israelbezogener Antisemitismus sich als politische Kritik zu
legitimieren.
Zur Abgrenzung von Israelkritik und israelbezogenem Antisemitismus kann zum
einen das Kriterium der „De-Realisierung“ (Schwarz-Friesel und Reinharz 2012,
S. 209) des Objekts „Israel“ herangezogen werden. Dabei wird die israelische Ge-
sellschaft, Politik, Kultur und Geschichte „verzerrt, eingeengt oder komplett falsch
wahrgenommen und bewertet [...]“, wobei sich das „Kriterium der Falschheit oder
Verzerrung [...] aus der Inkongruenz zwischen subjektiver Betrachterperspektive und
objektiver bzw. intersubjektiver Sachlage“ (Schwarz-Friesel und Reinharz 2012,
S. 209) ergibt. Zum anderen zeigt die Verwendung tradierter antisemitischer Ste-
reotype und Tropen an, dass nicht nur konkrete Kritik am Handeln einzelner poli-
tischer Akteure kommuniziert, sondern an eine antisemitische Tradition angeknüpft
wird, durch die sich die Resonanz und Mobilisierungsbereitschaft innerhalb der
Bevölkerung vergrößert. Israel wird gewissermaßen als „Jude unter den Staaten“
(Poliakov 1992) betrachtet und mit denselben antisemitischen Attributen beschrie-
ben, die im modernen Antisemitismus gegenüber jüdischen Individuen verwendet
werden. Verbreitete Narrative sind u. a. jenes des Ritualmords an Kindern, der jü-
disch-zionistischen Weltregierung oder der Rachsucht (vgl. Schwarz-Friesel 2020).
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In einigen Fällen richtet sich israelbezogener Antisemitismus aber auch verbal und
physisch direkt gegen Jüdinnen und Juden, ohne dass der Versuch unternommen
wird, antisemitische Aggressionen rhetorisch zu kaschieren. Als Legitimierung wird
dabei die israelische Politik ins Feld geführt und Jüdinnen und Juden kollektiv dafür
zur Verantwortung gezogen. Insbesondere auf letzteres Phänomen werden wir später
ausführlicher eingehen.
Die antiisraelische Szene vernetzt sich inzwischen insbesondere über die von lin-
ken propalästinensischen Aktivisten ins Leben gerufene Bewegung Boycott, Divest-
ment, Sanctions (BDS). BDS-Aktivist*innen leugneten in der Vergangenheit immer
wieder das Existenzrecht Israels, verglichen die israelische Politik mit dem na-
tionalsozialistischen Vernichtungsantisemitismus und griffen in der Vergangenheit
Jüdinnen und Juden auch direkt verbal und physisch an (vgl. Baier 2021). Während
die BDS-Bewegung eher im linken Milieu verwurzelt ist, beschränkt sich israelbe-
zogener Antisemitismus nicht auf einzelne politische Lager (vgl. Öztürk und Pickel
2022), sondern ist in linken und politisch-islamischen Milieus ebenso populär (vgl.
KAS 2023;FRA2019) wie unter Rechtsextremen, wo Vorstellungen von „Zionis-
ten“ als „Zersetzer“ der ethnischen Identität der Völker zirkulieren (vgl. Rensmann
2015).
3 Geschichte des „Nahostkonflikts“
Israelbezogener Antisemitismus tritt heute in der Regel im diskursiven Kontext des
sogenannten „Nahostkonflikts“1auf. Die Geschichte des „Nahostkonflikts“ beginnt
bereits vor der Staatsgründung Israels mit dem Aufkommen des arabischen und jüdi-
schen Nationalismus in der Region. Eine der ersten Eskalationsphasen des „Nahost-
konflikts“ gipfelte im vom Großmufti von Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini
initiierten Massaker von Hebron 1929, bei dem die seit Jahrtausenden dort ansäs-
sige jüdische Gemeinde ermordet und vertrieben wurde (vgl. Küntzel 2003;Grigat
2020). Der UN-Teilungsplan für das britische Mandatsgebiet Palästina von 1947
sah dann sowohl einen israelischen als auch palästinensischen Staat vor. Nachdem
die arabischen Vertreter diesen Teilungsplan abgelehnt und Israel 1948 seine Un-
abhängigkeit ausgerufen hatten, erklärten Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien und
Irak Israel den Krieg, aus dem Israel 1949 als Sieger hervorging. Nach heutigen
Schätzungen flohen zwischen 1947 und 1949 circa 700.000 Araberinnen und Ara-
ber aus dem neuen israelischen Staatsgebiet. Aus den arabischen Staaten wiederum
wurden zwischen den 1940er- und 1970er-Jahren circa 800.000 Jüdinnen und Juden
1Der Begriff „Nahostkonflikt“ wird von uns in Anführungsstrichen verwendet, weil er insofern kritisch zu
betrachten ist, als er eine komplexe politische Gemengelage tendenziell auf das Agieren des israelischen
Staates gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern reduziert. Die maßgeblichen „Konfliktpartei-
en“ sind jedoch nicht nur Israel auf der einen und militante Palästinenserorganisationen wie die „Hamas“
oder der „Islamische Dschihad“ auf der anderen Seite, sondern ebenso Dritte wie z. B. die iranische Hiz-
bollah (vgl. Diner 2004). Ein wissenschaftlich angemessener Begriff wäre jener des „arabisch-israelischen
Konflikts“. Wir verwenden dennoch den Begriff „Nahostkonflikt“, weil er der im Diskurs verwendeten
(projektiven) Bezeichnung entspricht, die hier untersucht werden soll.
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teilweise vertrieben, teilweise migrierten sie freiwillig nach Israel (Shulewitz 2000,
S. 209; Bensoussan 2019).
Seit 1949 wurde die Region durch weitere Kriege zwischen Israel und seinen
Nachbarn, dem „Sechstagekrieg“ von 1967 und dem Jom-Kippur-Krieg 1973 sowie
militärischen Auseinandersetzungen während der „Intifadas“ Ende der 1980er- und
Anfang der 2000er-Jahre erschüttert. Die Massaker der Hamas vom 7. Oktober
2023, bei denen circa 1200 Israelis ermordet und mehr als 200 Israelis entführt
wurden, stellt den bisher gewalttätigsten Angriff auf die israelische Gesellschaft seit
der Staatsgründung dar. Die israelische Regierung unter Ministerpräsident Benjamin
Netanjahu erwiderte die Terrorattacke mit Raketenbeschuss und Bodenoffensiven im
Gaza-Streifen.
In vielen Ländern wurden die Angriffe der Hamas im Rahmen von spontanen
und organisierten Demonstrationen bejubelt, so auch in Berlin (vgl. Beng 2023).
In den ersten drei Wochen nach den Terroranschlägen registrierte das Bundeskri-
minalamt über 2000 antisemitische Straftaten (vgl. Gann 2023). Die Auswirkungen
des „Nahostkonflikts“ auf die Sicherheit von Jüdinnen und Juden außerhalb Israels
waren bereits in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand öffentlicher Diskussio-
nen, beispielweise aufgrund antisemitischer Äußerungen während Demonstrationen
am von Jassir Arafat ins Leben gerufenen „Nakba-Tag“. Auch im Kontext des „Al-
Quds Tags“ ließ sich immer wieder beobachten, wie der „Nahostkonflikt“ als Recht-
fertigung für antisemitische Äußerungen und Gewalt ins Feld geführt wurde. Der
jährliche „Al-Quds-Marsch“ in Berlin wurde deshalb zuletzt verboten (vgl. Kopietz
2022).
4 Öffnungen der politisch-kulturellen Gelegenheitsstrukturen für
Antisemitismus im Kontext des „Nahostkonflikts“
Aus der Perspektive der Forschung zu sozialen Bewegungen kann die Veränderung
des Diskurs- und Handlungsraums in Eskalationsphasen des sogenannten „Nahost-
konflikts“ als Öffnung „politisch-kultureller Gelegenheitsstrukturen“ begriffen wer-
den. Der Begriff der „politischen Gelegenheitsstruktur“ (engl. political opportunity
structures, POS) geht ursprünglich auf Peter K. Eisinger (1973) zurück und be-
schreibt die Elemente des politischen Systems, die sozialen Protest befördern oder
verhindern. Insbesondere politische Institutionen, die als zwischen den Extremen
sehr repressiv und sehr offen liegend klassifiziert werden können, liefern Anreize
zum Protest, weil Proteste in sehr offenen Systemen unnötig erscheinen und in sehr
repressiven Systemen mit zu hohen Kosten einhergehen. Genau genommen, und so
haben es auch spätere Ansätze des an Eisinger anknüpfenden Forschungsprogramms
interpretiert, ist die Protesthandlung wie auch die Reaktion darauf eine Funktion der
wahrgenommenen Gelegenheiten und wahrgenommenen Bedrohungen (McAdam
et al. 2001).
Rensmann (2004) hat das Konzept der politischen Gelegenheitsstrukturen für
die Antisemitismusforschung fruchtbar gemacht und um den Begriff der politisch-
kulturellen Gelegenheitsstrukturen erweitert. Damit soll zusätzlich der meinungskli-
matische und diskursive Kontext antisemitischer Mobilisierung beleuchtet werden.
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Mit den diskursiven Gelegenheitsstrukturen werden so auch Variablen „jenseits po-
litisch-systemischer, d.h. organisatorischer, rechtlicher und institutioneller äußerer
Bedingungen“ in den Blick genommen und „auch auf das Mögliche, Sagbare und
Legitime im politischen Diskurs wie auf das politische Imaginäre innerhalb einer
politischen Kultur im weiteren Sinn: also auf das, was in ihr im Wortsinn politisch
,opportun‘, akzeptabel oder gar kollektiv identitäts- und mobilisierungsgenerierend
sein kann“ (Rensmann 2004, S. 22 f.) fokussiert.
Ausgehend vom Konzept der politisch-kulturellen Gelegenheitsstrukturen kann
der zugrunde liegende Mechanismus des Phänomens zunehmender antisemitischer
Gewalt während des „Nahostkonflikt“ folgendermaßen expliziert werden: Im Dis-
kurs des „Nahostkonflikts“ finden sich zwei Topoi, von denen der erste auch in
Friedenszeiten weitestgehend von der Öffentlichkeit geteilt wird und der zweite vor
allem in Eskalationsphasen ad hoc aktiviert zu werden scheint: Erstens stellt sich der
„Nahostkonflikt“ für große Teile der Weltöffentlichkeit seit dem Sechstagekrieg von
1967 als ein ungleicher Kampf von David gegen Goliath dar, in dem Israel als „Un-
terdrücker“ und die palästinensische Seite als „Opfer“ gesehen werden (Muravchik
2015). In stärker involvierten Teilen der palästinensischen Befreiungsbewegungwird
Israel entsprechend im Rahmen eines antiimperialen Weltbildes als imperialistisches
Gebilde (Holz und Haury 2021) beziehungsweise inzwischen zeitgemäßer im Ana-
lyserahmen des Postkolonialismus als Kolonialmacht betrachtet (ein Beispiel für die
zugrundeliegende Argumentation findet sich etwa bei Sabbagh-Khoury 2022).
Der zweite Topos bezieht sich auf das Verhältnis von Israel und nichtisraelischen
Juden: Letztere gelten im israelbezogenen Antisemitismus als Repräsentanten des
Staates Israels und werden für dessen Verhalten verantwortlich gemacht. Da die
bundesdeutsche Öffentlichkeit und Politik in der Regel darum bemüht sind, antijü-
dische Einstellungen „kommunikationslatent“ (Bergmann und Erb 1986) zu halten,
dürften offene Mobilisierungsaufrufe gegen jüdische Einrichtungen kostspielig er-
scheinen, weil die Bewegungsakteure mit medialen und politisch-institutionellen
Sanktionierungen rechnen müssen. Dieser zweite Topos bleibt deshalb in der Regel
im öffentlichen Diskurs- und Praxisraum latent, wenngleich er innerhalb der Bevöl-
kerung alles andere als unpopulär ist, wie etwa die Leipziger Autoritarismusstudie
zeigt (Decker und Brähler 2020, S. 227).
Dies ändert sich jedoch in Eskalationsphasen des „Nahostkonflikt“. In dieser „dy-
namic of contention“ (McAdam, Tarrow, und Tilly 2001) können Angriffe auf Juden
und jüdische Einrichtungen als Widerstand einer unterdrückten „challenging group“
gegen (wahrgenommene) „elite actors“ gerahmt und legitimiert werden (McAdam
2014, S. xvii). Dass Juden als übermächtig und einflussreich wahrgenommen wer-
den, ist eine traditionsreiche Trope des modernen Antisemitismus (vgl. Salzborn
2010;Benz2004). Während der Eskalationssequenzen des „Nahostkonflikts“, so
legt es die Verknüpfung von Antisemitismus- und sozialer Bewegungstheorie na-
he, sinken nun die Kosten, weil das politische System als responsiver und weni-
ger repressiv wahrgenommen wird. Die politisch-kulturellen Gelegenheitsstrukturen
öffnen sich. Innerhalb des Diskurses des „Nahostkonflikts“ erscheint nun nicht nur
antiisraelische, sondern auch offen antijüdische Mobilisierung ein gerechtfertigtes
Mittel, um gegen die „Kolonialmacht Israel“ zu protestieren.
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Wichtig anzumerken ist dabei, dass die Veränderung weniger die Einstellungen
der „challenger“ als ihre Wahrnehmung der Gelegenheitsstrukturen betrifft. Die Er-
wartungen gegenüber der Responsivität von Bevölkerung, Medien, Politik, Polizei
und Gerichten verschiebt sich mit den erfahrenen Grenzen des Sag- und Machbaren.
Die Voraussetzung dafür, dass sich eine Öffnung der politisch-kulturellen Gelegen-
heitsstrukturen im Diskurs- und Praxisraum in kollektive Mobilisierung übersetzt,
ist grundsätzlich, dass diese Veränderungen von den „challengers“ auch wahrgenom-
men werden, denn „[n]o opportunity [...] objectively open, will invite mobilization
unless it is a) visible to potential challengers and b) perceived as an opportunity“
(McAdam et al. 2001, S. 43). Eine große Rolle spielen deshalb frühere Episoden
des Konflikts („legacies of contention“; vgl. McAdam 2007). Diese fungieren als
Interpretationsschemata gegenwärtiger Konflikte.
Der wertvolle Beitrag des Dynamics-of-contentions-Ansatzes zur Konflikt- und
Bewegungsforschung besteht darin, dass auch die als „elite actors“ wahrgenommene
Gruppe in den Fokus rückt, in unserem Fall die von der antisemitischen Mobilisie-
rung betroffenen als „übermächtig“ wahrgenommenen Jüdinnen und Juden. Für in
Deutschland lebende Jüdinnen und Juden stellt sich die Öffnung der politisch-kul-
turellen Gelegenheitsstrukturen für antisemitische Mobilisierung als Bedrohung dar.
Legen bisherige Episoden des Konflikts nahe, dass die „challenger“ ihre Mobilisie-
rung ausweiten können, so steigt dementsprechend die Bedrohungswahrnehmung
auf Seiten der Betroffenen.
Der oben bereits erwähnte Wuppertaler Fall kann zur Illustration dieses Me-
chanismus dienen: Im Juli 2014 hatten drei palästinensische Täter insgesamt fünf
Molotow-Cocktails auf die Wuppertaler Synagoge geworfen und dies damit be-
gründet, auf den „Nahostkonflikt“ aufmerksam machen zu wollen. Das Amtsgericht
Wuppertal sprach die Angeklagten daraufhin der schweren Brandstiftung schuldig,
verneinte aber mit dem folgenden Wortlaut ein antisemitisches Motiv:
„Das Gericht konnte [...] im Ergebnis nicht sicher ausschließen, dass möglicher-
weise auch tatsächlich eine rein politische Motivation, jedenfalls bei zwei der drei
Angeklagten, der Grund für die Tatbegehung war. Sicherlich ist dabei klarzustellen,
dass die in Deutschland lebende jüdische Bevölkerung, insbesondere die jüdische
Gemeinde in X, nichts mit der Politik der israelischen Regierung und ihrer Ausein-
andersetzung mit den im Gaza-Streifen lebenden Palästinensern zu tun hat. Ande-
rerseits ist aber bei Würdigung aller Umstände und der Persönlichkeit der Ange-
klagten auch zu berücksichtigen, dass es keineswegs fernliegend ist, dass sie gerade
diesen Schluss nicht gezogen haben, sondern – auch mangels eines anderen dem
Staat Israel in der Tatnacht eindeutig zuzuordnenden Tatobjekts – eine Synagoge
als Zeichen jüdischen Lebens zum Tatobjekt gewählt haben, um daran ihr Anliegen,
Aufmerksamkeit auf den zwischen Israel und den Palästinensern lodernden Konflikt
zu lenken, deutlich zu machen“ (AG Wuppertal, Urteil vom 05.02.2015–84 Ls 50 Js
156/14–22/14).
Die Widersprüche dieses Urteils und die anschließenden erfolglosen Revisionen
vor dem Landgericht Wuppertal und dem Oberlandesgericht Düsseldorf führten im
Fortgang zu einer kontroversen öffentlichen Debatte darüber, wo die Grenze zwi-
schen antisemitischen und „israel-kritischen“ Straftaten zu ziehen sei. Vertreter der
jüdischen Gemeinschaft wiesen darauf hin, dass der Angriff auf jüdische Einrich-
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tungen, egal wie er begründet werde, von Politik und Öffentlichkeit klar als Anti-
semitismus benannt werden muss, ansonsten sei die Sicherheit der in Deutschland
lebenden Jüdinnen und Juden gefährdet (vgl. Schuster 2017).
Die Konsequenz unserer theoretischen Überlegungen und der anekdotischen Evi-
denz des Wuppertaler Falls für die Antisemitismusforschung besteht darin, dass der
Zusammenhang zwischen „Nahostkonflikt“ und jüdischen Bedrohungswahrnehmun-
gen präzisiert werden muss: Nicht der „Nahostkonflikt“ als solcher beeinflusst das
Sicherheitsempfinden in Deutschland lebender Jüdinnen und Juden negativ, sondern
erst die Antisemitismus relativierenden Reaktionen von Gesellschaft, Medien, Poli-
tik und Justiz. Solche relativierenden Reaktionen sind es, die wir als offene politisch-
kulturelle Gelegenheitsstrukturen konzeptualisieren können. Sie tragen erheblich zur
antisemitischen Mobilisierung bei.
Wir unterscheiden dabei zwischen der politischen Kultur auf der einen Seite.
Diesbezüglich vermuten wir: Je weniger (in der Wahrnehmung der Betroffenen) die
Bevölkerung zwischen Juden und Israel unterscheidet, desto stärker hängt das Si-
cherheitsgefühl von Jüdinnen und Juden mit dem „Nahostkonflikt“ negativ zusam-
men. Und weiterhin: Je weniger Jüdinnen und Juden den Medien zutrauen, Antise-
mitismus angemessen zu thematisieren, desto stärker hängt ihr Sicherheitsgefühl mit
dem „Nahostkonflikt“ negativ zusammen.
Auf der anderen Seite untersuchen wir den Einfluss der politischen Institutionen
auf die Bedrohungswahrnehmungen: Je weniger Jüdinnen und Juden politischen In-
stitutionen (Polizei, Gerichte, politische Entscheider) zutrauen, Antisemitismus wir-
kungsvoll zu bekämpfen, desto stärker hängt ihr Sicherheitsgefühl negativ mit dem
„Nahostkonflikt“ zusammen.
Dass überhaupt das Sicherheitsgefühl vom „Nahostkonflikt“ beeinflusst wird, ist
demnach darauf zurückzuführen, dass bei den potenziell Betroffenen die Erwartung
entsteht, dass in zukünftigen Eskalationsepisoden des Konflikts von der deutschen
Bevölkerung nicht ausreichend zwischen Juden und israelischer Politik differenziert
wird, die Medien nicht ausreichend über Antisemitismus berichten sowie dass der
Staat nicht ausreichenden Schutz gegen antisemitische Übergriffe bietet.
5 Daten und Methoden
5.1 Stichprobe
Die Daten der im Folgenden präsentierten Studie wurden von Mai 2022 bis Februar
2023 mittels einer Online-Umfrage unter in Deutschland lebenden Jüdinnen und Ju-
den erhoben. Insgesamt nahmen 370 Personen an der Umfrage teil, von denen 295
den Fragebogen vollständig bis zum Ende ausfüllten. Der Zugang zum Feld erfolgte
in einem mehrstufigen Verfahren: Zu Beginn haben wir 36 zufällig ausgewählte jüdi-
sche Gemeinden in Deutschland kontaktiert und sie gebeten, randomisiert per E-Mail
Einladungen zur Umfrage an einen Teil ihrer Mitglieder zu versenden. Ursprünglich
sollte durch die doppelte Zufallsauswahl die Repräsentativität der Stichprobe gesi-
chert werden. Parallel dazu wurde das jüdische Studierendenwerk ELES gebeten, die
Umfrage über den E-Mail-Verteiler mit aktuellen und ehemaligen Stipendiat*innen
K
Möglichkeitsräume für Antisemitismus? Zur Öffnung politisch-kultureller...
zu verteilen, um auch Nicht-Gemeindemitglieder zu erfassen. Aufgrund niedriger
Rücklaufquoten auf Seiten der Gemeinden2und unvollständiger Mitglieder-E-Mail-
Listen der Gemeinden wurde zunächst die Gemeindestichprobe auf alle jüdischen
Gemeinden sowie andere jüdische Institutionen in Deutschland ausgeweitet sowie ei-
ne Incentivierung implementiert (eine Lotterie, bei der jede*r zehnte Teilnehmer*in
100 C gewinnen konnte). Für die letzten beiden Monate der Studie haben wir zu-
sätzlich eine Anzeige auf der Webseite der Jüdischen Allgemeinen geschaltet. Die
Befragung konnte auf Deutsch, Englisch und Russisch beantwortet werden.
Die Stichprobe ist aufgrund unbekannter Mechanismen der Selbstselektion nicht
repräsentativ für die jüdische Bevölkerung in Deutschland. Im Vergleich zu offiziel-
len statistischen Daten über die Mitglieder jüdischer Gemeinden (vgl. ZWST 2023)
in Deutschland ist die Stichprobe etwas jünger, die Geschlechterverteilung ist hinge-
gen nahezu identisch. Da in unserer Stichprobe auch Personen auftauchen, die nicht
in jüdischen Gemeinden gemeldet sind, übersteigt die Inferenzpopulation jedoch
die Mitglieder jüdischer Gemeinden. Über die Grundgesamtheit der in Deutschland
lebenden Jüdinnen und Juden gibt es keine soziodemografischen Daten, was auch
bedeutet, dass keine entsprechende Gewichtung durchgeführt werden kann.
Nichtzufallsbasierte Stichproben sind in der sozialwissenschaftlichen Forschung
zu Minderheiten die Regel und haben neben dem bekannten Nachteil, durch Mecha-
nismen der Selbstselektion eventuell verzerrte deskriptive Lage- und Streuungsmaße
hervorzubringen, auch Vorteile (vgl. z.B. für die Diskussion in der Forschung zu se-
xuellen Minderheiten Turban et al. 2023): erstens, weil ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis
gegenüber einfachen Zufallsauswahlen mit geringen Auswahlwahrscheinlichkeiten
– der Anteil der jüdischen Bevölkerung an der deutschen Gesamtbevölkerung liegt
weit unter 1% – erheblich besser ist. Zweitens können in spezifisch für die Ziel-
gruppe entworfenen Fragebögen validere Messinstrumente eingesetzt werden als
in Bevölkerungsbefragungen mit mehreren Tausend Teilnehmer*innen, die einem
allgemeineren Forschungsinteresse folgen und die gegebenenfalls eine kleine Teil-
stichprobe der jeweiligen Minderheitengruppe umfassen würde. Drittens kann unsere
Studie über in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden durch die allgemeine Re-
krutierung Jüdinnen und Juden erreichen, die nicht in Gemeinden organisiert sind
und somit bei einer Gemeindestichprobe nicht beachtet worden wären. Da von dieser
Grundgesamtheit aus nachvollziehbaren Gründen keine Auswahlliste vorliegt, kann
eine Zufallsstichprobe nur über „screen-outs“ realisiert werden, was wiederum zum
im ersten Punkten genannten Kostenproblem führt.
Trotz dieser Vorteile einer nichtzufallsbasierten Stichprobe (bzw. den Nachteilen
einer Zufallsstichprobe) bei Minderheitenbefragungen betonen wir, dass die univa-
riaten Ergebnisse von den Verteilungen der Grundgesamtheit abweichen können.
2Die niedrige Rücklaufquote ist höchstwahrscheinlich auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Erstens füh-
ren die meisten jüdischen Gemeinden keine Mitgliederliste mit E-Mail-Adressen, was die Durchführung
einer ausschließlich online-basierten Umfrage erschwert. Zweitens sind Mitglieder jüdischer Gemeinden
in Deutschland im Durchschnitt älter als die deutsche Bevölkerung insgesamt, was mit einer geringeren
Online-Affinität einhergehen könnte. Drittens gaben viele Gemeinden an, dass sie vor unserer Anfrage
bereits häufig zur Teilnahme an Umfragen aufgefordert wurden, was ein Gefühl der Erschöpfung hervor-
ruft. Letztendlich wurde die aktuelle Studie vom Krieg in der Ukraine überschattet, der viele Jüdinnen und
Juden in Deutschland auf familiärer Ebene persönlich betrifft.
K
H. Beyer, B. Goldkuhle
Die multivariaten Ergebnisse sind davon weniger betroffen, weil wir zum einen für
allgemeine soziodemografische und aus theoretischer Sicht relevante Kontrollvaria-
blen kontrollieren und zum anderen robuste Standardfehler verwenden. Trotz dieser
rigiden Modellbestimmungen erzielen wir im Gesamtmodell hoch signifikante Ef-
fekte und eine hohe erklärte Varianz von circa 40% (Adj. R= 0,40). Wir werden im
Diskussionsteil mögliche Einflüsse der Selbstselektion genauer diskutieren.
Unsere Stichprobe besteht zu 45% aus Personen, die sich als männlich und 55 %,
die sich als weiblich identifizierten. 6% der Befragten waren 18–21 Jahre alt, 26,4%
22–30 Jahre alt, 19,7 % 31–40 Jahre alt, 11,9 % 41–51 Jahre alt, 13,2 % 51–60 Jahre
alt, 12,5 % 61–70 Jahre alt, 8,5 % 71–80 Jahre alt und 2 % älter als 80 Jahre. Der
Mittelwert der absolvierten Bildungsjahre liegt bei 15,57 (s = 2,78) und jener der
Links-Rechts-Selbsteinschätzung (Skala von 1= links bis 10 = rechts) bei 4,29 (s =
1,70), wobei die Werte 9 und 10 insgesamt nur von 0,8 % angekreuzt wurden. Rund
70% der Befragten wohnen in Großstädten. 73,9% der Befragten waren Mitglied
in einer jüdischen Gemeinde. Von den Gemeindemitgliedern lebten 78,1% in den
alten Bundesländern, 11,2% in den neuen Bundesländern und 10,7 % in Berlin. Von
den Nichtmitgliedern wurde das Bundesland des Wohnortes nicht erhoben.
5.2 Operationalisierung
Wir gehen gemäß unseren Hypothesen davon aus, dass der wahrgenommene Zu-
sammenhang zwischen „Nahostkonflikt“ und eigenem Sicherheitsempfinden eine
lineare Funktion der wahrgenommenen Gelegenheitsstrukturen unter Kontrolle an-
derer Personenmerkmale ist. Der Wortlaut der abhängigen Variable der Modelle
lautet: „Wie stark ist der Einfluss des sogenannten ,Nahostkonflikts‘ auf Ihr Sicher-
heitsgefühl als Jüdin bzw. Jude in Deutschland?“ 4,1 % der Befragten berichteten,
„keinen Einfluss“, 11,3 % einen „eher schwachen“ Einfluss, 20,5% einen „mittle-
ren“ Einfluss, 30,1% einen „starken“ und 33,9% einen „sehr starken“ Einfluss. Der
Mittelwert der Variable liegt bei 3,8 und die Standardabweichung bei 1,2 (n= 292;
vgl. die Übersicht in Tab. 1). In dieser Variable wird der Zusammenhang zwischen
zwei Variablen subjektiv eingeschätzt. Eine Alternative wäre gewesen, diese beiden
Variablen separat zu erfassen und den Zusammenhang „objektiv“ mit statistischen
Zusammenhangsmaßen zu bestimmen (und die Hypothese anschließend mit Interak-
tionstermen zu testen). Angesichts dessen, dass es uns in diesem Beitrag gerade um
die Perspektive der Betroffenen geht und die unabhängige Makrovariable „Nahost-
konflikt“ auch schwer zu erfassen und variieren gewesen wäre, scheint uns die hier
gewählte Operationalisierung sinnvoller.
Das Konzept der politisch-kulturellen Gelegenheitsstrukturen wurde in einem
mehrdimensionalen Schema operationalisiert: Zum einen geht das konkrete wahrge-
nommene Meinungsklima zum „Nahostkonflikt“ in die Modelle ein. Dieses wurde
mit der Frage „Inwiefern hängt Ihrer Meinung nach die Einstellung gegenüber Jüdin-
nen und Juden in Deutschland mit dem sogenannten ,Nahostkonflikt‘ zusammen?“
erhoben. 4,1% der Befragten antworteten hier mit „gar nicht“, 3,4% mit „ein we-
nig“, 20,1 % mit „mittel“, 32,8 % mit „stark“ und 39,6 mit „sehr stark“ (m= 4,0;
s= 1,1; n= 293). Zum anderen untersuchen wir den Einfluss des wahrgenommenen
allgemeinen Umgangs mit Antisemitismus, a) der Medien, b) der Gerichte, c) der
K
Möglichkeitsräume für Antisemitismus? Zur Öffnung politisch-kultureller...
Polizei und d) der Politik. Die Einschätzung der Befragten ist hier insgesamt eher
pessimistisch. Der Aussage „In den Medien in Deutschland wird zu wenig über An-
tisemitismus berichtet?“ stimmen 17,4 % „voll und ganz zu“ und 27,4% „eher zu“.
6% stimmen hingegen der Aussage „überhaupt nicht zu“ und 20,6 % „eher nicht
zu“. 28,5 % waren unentschieden (m = 3,3; s = 1,2; n= 281). „Eher großes“ oder so-
gar „sehr großes Vertrauen“ in Gerichte berichteten 20,6%, in die Polizei 16,5%
und in die Politik 28,6 % der Befragten. Dass ihr Vertrauen in die genannten Institu-
tionen bezüglich der Antisemitismusbekämpfung „eher gering“ oder „sehr gering“
sei äußerten 52,3% in Bezug auf Gerichte, 51,2% in Bezug auf die Polizei und
45,4% in Bezug auf die Politik (Mittelwerte und Standardabweichungen in Tab. 1).
Neben soziodemografischen Kontrollvariablen halten wir auch die bisherige Er-
fahrung mit antisemitischen Hassverbrechen konstant. Einerseits können so Selek-
tionseffekte der Umfrageteilnahme bezüglich bisheriger Antisemitismuserfahrun-
gen minimiert werden und andererseits stellen bisherige Erfahrungen gerade mit
„Nahostkonflikt“ bezogenem Antisemitismus eine wichtige Erklärungsvariable des
„Nahostkonflikt“ bezogenen Sicherheitsgefühls dar. Auch entsprechende Mediati-
onseffekte sind nicht auszuschließen. Die Befragten sollten zunächst berichten, ob
sie in den letzten 10 Jahren „aufgrund ihres Jüdischseins“ mindestens einmal Opfer
entweder von Beleidigungen oder Gewalt gewesen sind, oder ob „aufgrund [i]hres
Jüdischseins [i]hr Eigentum beschädigt oder zerstört“ worden ist. Auf 67,5% der
Befragten trifft dies zu, wobei Beleidigungen mit Abstand am weitesten verbreitet
waren. Im Anschluss an die entsprechenden Items wurde jeweils gefragt „[w]oran
[...] [s]ie erkannt [haben], dass die Tat gegen Ihr Jüdischsein gerichtet war?“ Eine der
Antwortmöglichkeiten lautete: „Die Tat geschah während einer Eskalation des soge-
nannten ,Nahostkonfliktes‘“. Etwas weniger als die Hälfte der von Antisemitismus
Betroffenen bzw. 30,7 % des Gesamtsamples markierte diese Antwort.
6 Befunde
Um unsere Hypothesen zu überprüfen, haben wir jeweils bivariate und multiple
lineare Regressionsmodelle geschätzt. Aufgrund der leicht linksschiefen Verteilung
der abhängigen Variable wurden zusätzlich ordinal-logistische Regressionsmodelle
berechnet, die jedoch analoge Ergebnisse hervorbringen, sodass wir aufgrund der
intuitiveren Interpretationsmöglichkeit hier (Tab. 2) die linearen Modelle berichten.
Zunächst schätzen wir die bivariaten Effekte der unterschiedlichen Dimensio-
nen politisch-gesellschaftlicher Gelegenheitsstrukturen. Hier zeigt sich durchgängig
ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Gelegenheitsstruk-
turen und dem wahrgenommenen Einfluss des „Nahostkonflikts“ auf das eigene
Sicherheitsgefühl als Jude/Jüdin in der hypothetisch angenommenen Richtung: Je
stärker die Meinungen gegenüber Juden in der Wahrnehmung der Befragten mit
dem „Nahostkonflikt“ zusammenhängen und je stärker das Misstrauen gegenüber
Medien und staatlichen Institutionen ausfällt, über Antisemitismus angemessen zu
berichten bzw. Antisemitismus zu verfolgen, desto stärker werden die Folgen des
„Nahostkonflikts“ für die eigene Sicherheit wahrgenommen.
K
H. Beyer, B. Goldkuhle
Tab . 1 Übersicht der Variablen
Variable Item nms MinMax
Abhängige Variable
Nahost-
Sicherheit
Wie stark ist der Einfluss des soge-
nannten „Nahostkonflikts“ auf Ihr Si-
cherheitsgefühl als Jüdin bzw. Jude in
Deutschland? (1 = kein Einfluss – 5 =
sehr stark)
292 3,784 1,151 1 5
Gelegenheitsstrukturen:
Meinungs-
klima
Inwiefern hängt Ihrer Meinung nach die
Einstellung gegenüber Jüdinnen und Ju-
den in Deutschland mit dem sogenannten
„Nahostkonflikt“ zusammen? (1 = gar
nicht – 5 = sehr stark)
293 4,003 1,052 1 5
Medienwahr-
nehmung
Inwiefern stimmen Sie der folgenden
Aussage zu: „In den Medien in Deutsch-
land wird zu wenig über Antisemitismus
berichtet“? (1 = stimme überhaupt nicht
zu–5stimmevollundganzzu)
281 3,295 1,156 1 5
Vertrauen
in Gerichte
Wie ausgeprägt ist Ihr Vertrauen in die
deutschen Gerichte, wenn es darum geht,
Antisemitismus zu verfolgen? (1 = sehr
groß – 5= sehr gering)
277 3,462 1,061 1 5
Vertrauen
in Polizei
Wie ausgeprägt ist Ihr Vertrauen in die
deutsche Polizei, wenn es darum geht,
Antisemitismus zu verfolgen? (1 = sehr
groß – 5= sehr gering)
285 3,533 1,060 1 5
Vertrauen
in Politik
Wie ausgeprägt ist Ihr Vertrauen in die
deutsche Politik, wenn es darum geht,
Antisemitismus zu bekämpfen? (1 = sehr
groß – 5= sehr gering)
289 3,426 1,001 1 5
Kontrollvariablen:
Gender 1 = männlich 288 0,451 0,498 0 1
Alter 1 = 18–21, 2 = 22–30, 3 = 31–40, 4 =
41–50, 5= 51–60, 6 = 61–70, 7= 71–80,
8 = älter als 80 Jahre
295 3,820 1,864 1 8
Bildung In Jahren 284 15,567 2,797 8 20
Links-
Rechts-
Selbstein-
stufung
1 = links – 10 = rechts 265 4,287 1,699 1 10
Urbanitätsgrad 1 = Großstadt 295 0,695 0,461 0 1
Erfahrung
mit Antise-
mitismus
1= in den letzten 10 Jahren antisemiti-
sche Erfahrung (verbale Beleidigung,
Vandalismus oder Gewalt)
280 0,368 0,483 0 1
Erfahrung
mit
Nahost-
Antisemi-
tismus
1= in den letzten 10 Jahren antisemiti-
sche Erfahrung während Nahostkonflikt
280 0,307 0,462 0 1
K
Möglichkeitsräume für Antisemitismus? Zur Öffnung politisch-kultureller...
Tab . 2 Lineare Regressionsmodelle (OLS) zum Einfluss des „Nahostkonflikt“ auf das Sicherheitsgefühl
Model 1 Model 2 Model 3 Model 4 Model 5 Model 6
Intercept 1,60*** 2,97*** 2,75*** 3,16*** 3,04*** 0,14
(0,37) (0,23) (0,24) (0,26) (0,26) (0,61)
Meinungsklima 0,54*** – – – – 0,49***
(1–5) (0,08) – – – – (0,08)
Medien – 0,26*** – – – 0,22***
(1–5) – (0,07) – – – (0,06)
Gerichte – – 0,32*** – – 0,15*
(1–5) – – (0,07) – – (0,07)
Polizei – – – 0,19** – 0,04
(1–5) – – – (0,07) – (0,08)
Politik – – – – 0,23** –0,09
(1–5) – – – – (0,07) (0,07)
Gender –––––0,03
(1= männlich) – – – – – (0,13)
Bildung – – – – – 0,00
(in Jahren) – – – – – (0,02)
Alter ––––––0,05
(in 8 Kategorien) – – – – – (0,04)
Urbanitätsgrad –––––0,20
(1= Großstadt) – – – – – (0,15)
Links-Rechts-Selbsteinstu-
fung
– – – – – 0,10**
(1= links; 10= rechts) – – – – – (0,04)
Erfahrung mit AS –––––0,05
–––––(0,18)
Erfahrung mit Nahost-AS – – – – – 0,66***
–––––(0,18)
Adj. R20,24 0,07 0,08 0,03 0,04 0,40
Num. Obs 219 219 219 219 219 219
Anmerkungen: unstandardisierte Koeffizienten; robuste Standardfehler (HC2) in Klammern; abhängige
Variable: Einfluss des „Nahostkonflikt“ auf Sicherheitsgefühl (1 = kein Einfluss – 5 = sehr stark); ***p<
0,001; **p< 0,01; *p<0,05
Der Effekt ist beim sich konkret auf den „Nahostkonflikt“ beziehenden Meinungs-
klima am stärksten. 24% der Varianz können mit dieser Variable erklärt werden.
Steigt die negative Einschätzung des Meinungsklimas um eine Skaleneinheit an (5-
Punkt-Skala), so steigt die „Nahostkonflikt“ bezogene Bedrohungswahrnehmungum
ungefähr eine halbe Skaleneinheit (ebenfalls 5-Punkt-Skala). Misstrauen in Medien
und Gerichte sind ebenfalls vergleichsweise stark mit der abhängigen Variable kor-
reliert und erklären 7% respektive 8% deren Varianz, was einem Anstieg von etwa
einem Drittel der Bedrohungsskala entspricht. Die Effekte für Misstrauen in Polizei
und Politik sind etwas schwächer. Im multiplen Regressionsmodell 6, das alle Er-
klärungsvariablen sowie zusätzliche Kontrollvariablen enthält, sind sie nicht mehr
signifikant. Dieses Modell weist einen sehr guten „goodness of fit“ (Adj. R2= 0,40)
K
H. Beyer, B. Goldkuhle
auf. Damit lässt sich insgesamt festhalten, dass die Elemente der Gelegenheitsstruk-
turen, die eher die allgemeine politische Kultur abbilden bedeutsamer scheinen als
jene, die den institutionellen Teil des politischen Feldes betreffen – mit Ausnahme
der Justiz.
Mittels des schrittweisen Hinzufügens von Termen lässt sich näher untersuchen,
welche Drittvariableneffekte zur Reduktion des Effektes der beiden politisch-insti-
tutionellen Elemente führen. Diese Modelle zeigen, dass es sowohl hinsichtlich des
Vertrauens in die Polizei als auch der Politik die Variable Vertrauen in Gerichte
ist, die zur Reduktion des Effektes und höheren p-Werten führt. Dieser Mediati-
onszusammenhang lässt sich so interpretieren, dass in den Augen der Befragten es
letztlich auf die Arbeit der Gerichte ankommt, Antisemitismus zu sanktionieren und
Politik und Polizei nur deswegen in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, weil
das Vertrauen in sie mit dem Vertrauen in die Gerichte korreliert ist.
Von den Kontrollvariablen zeigen die Links-Rechts-Selbsteinstufung sowie bis-
herige Erfahrungen mit „Nahostkonflikt“ bezogenem Antisemitismus signifikante
Effekte (im logistischen Regressionsmodell zudem die Variable Alter auf dem 10 %-
Fehlerniveau). Eher rechts eingestellte Befragte und solche, die in den letzten zehn
Jahren Erfahrungen mit Nahost bezogenem Antisemitismus gemacht haben, ver-
knüpfen ihr subjektives Sicherheitsgefühl eher mit dem „Nahostkonflikt“.
7 Fazit und Diskussion
Der vorliegende Artikel ging von der Frage aus, wie sich die öffentlich zu beobach-
tende und durch Meinungsbefragungen bestätigte Gleichsetzung von „israelischer
Politik“ und „jüdischer Schuld“ auf das Sicherheitsgefühl in Deutschland lebender
Jüdinnen und Juden auswirkt und welche Rolle dabei die Reaktionen der Öffent-
lichkeit und der politischen Institutionen spielen. Bezugnehmend auf den Ansatz
der „politisch-kulturellen Gelegenheitsstrukturen“ sind wir davon ausgegangen, dass
das „Nahostkonflikt“ bezogene Sicherheitsgefühl davon abhängt, wie offen oder ge-
schlossen diese Strukturen von den (potenziell) Betroffenen wahrgenommen werden.
Wir vermuteten: Je günstiger die Gelegenheiten für antisemitische Mobilisierung er-
scheinen, desto negativer wirkt sich der „Nahostkonflikt“ auf das Sicherheitsgefühl
der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden aus, weil in der Wahrnehmung der
Betroffenen antisemitische Übergriffe nicht angemessen thematisiert und juristisch
verfolgt werden.
Die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass das Sicherheitsgefühl der in
Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden vor allem durch das Meinungsklima
in der Bevölkerung beeinflusst wird. Fast ein Viertel der Varianz der abhängigen
Variablen wird dadurch erklärt. Zudem scheitern in der Wahrnehmung der Be-
fragten Medien und Gerichte daran, jene meinungsklimatische Vermengung von
„Nahostkonflikt“ und hiesigem Judentum öffentlich und juristisch zu korrigieren.
Das Vertrauen in die Politik und Polizei, angemessen auf Antisemitismus zu reagie-
ren, ist zwar kaum höher ausgeprägt als in die Gerichte, aber es ist weniger stark
mit „Nahostkonflikt“ bezogenem Sicherheitsgefühl korreliert. Im Gesamtmodell ist
es nicht signifikant. Scheinbar werden der Politik und der Polizei im Vergleich zu
K
Möglichkeitsräume für Antisemitismus? Zur Öffnung politisch-kultureller...
Gerichten weniger Handlungskompetenz in der Bekämpfung des „Nahostkonflikt“
bezogenen Antisemitismus zugeschrieben.
Wie bereits angesprochen, handelt es sich bei unserem Stichprobenverfahren
um keine Zufallsauswahl. Die Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe zu gelangen,
war insbesondere für Gemeindemitglieder mit hinterlegter E-Mail-Adresse, deren
Gemeinden unsere Anfrage weitergeleitet hatten, sowie für Leser*innen der On-
line-Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen und für aktuelle und ehemalige Stipen-
diat*innen des ELES-Studienwerkes höher als für andere in Deutschland lebende
Jüdinnen und Juden. Aus den Merkmalen der Rekrutierungsadressaten lässt sich eine
Gruppe konstruieren, die möglicherweise hier unterrepräsentiert ist: Diese Nichtbe-
fragten haben keinen Online-Zugang, sind weder in Gemeinden gemeldet noch lesen
sie die Jüdische Allgemeine oder waren sie im ELES-Netzwerk involviert. Obwohl
uns Daten zu dieser Gruppe fehlen, dürfen wir vermuten, dass es sich um eher alte
Personen mit vergleichsweise niedriger Bildung handelt, da der Online-Zugang vor
allem mit dem Alter korreliert ist und weil die ELES-Befragten eher jünger sind,
sowie weil letztere wie auch die Leser*innen der Online-Ausgabe der Jüdischen
Allgemeinen eher hoch gebildet sind.
Da ausreichend Varianz für die Variablen Alter und Bildung vorliegt und das Ge-
samtmodell auf Alter und Bildung sowie weitere Einflussgrößen kontrolliert, können
die Ergebnisse, auch angesichts der hohen Goodness-of-fit-Werte, als durchaus aus-
sagekräftig gelten – wohlgemerkt mit der angemessenen Vorsicht. Zumal selbst bei
Zufallsstichproben systematische Ausfälle bezüglich sehr alter und eher ungebildeter
Befragter keine Seltenheit darstellen.
Zusätzlich zu den in den Regressionsmodellen dargestellten Effekten finden sich
in den Daten relativ hohe Korrelationen zwischen dem Einfluss des „Nahostkon-
flikts“ auf das Sicherheitsgefühl (abhängige Variable) einerseits und dem momen-
tanen Sicherheitsgefühl der Befragten (0,303, p= 1,382e-07, n= 286) sowie dessen
Veränderung über die letzten 10 Jahre (0,289, p= 5,959e-07, n= 286) andererseits. Je
mehr also der „Nahostkonflikt“ das Sicherheitsgefühl der Befragten beeinflusst, des-
to unsicherer fühlen sie sich insgesamt; sowohl momentan als auch relativ im Zeit-
verlauf. Letzteres könnte ein Indiz dafür sein, dass sich während der letzten 10 Jahre
der negative Einfluss des „Nahostkonflikts“ verstärkt hat, eventuell, weil sich die po-
litisch-kulturellen Gelegenheitsstrukturen für antisemitische Mobilisierung geöffnet
haben. Es steht zu vermuten, selbst wenn bisher keine Längsschnittdaten vorliegen,
dass die Befragten eine gesamtgesellschaftliche Tendenz wachsenden israelbezoge-
nen Antisemitismus’ wahrnehmen.
Um diese und weitere Trends zu beobachten, müssen zukünftig regelmäßige Er-
hebungen der Erfahrungen der Betroffenen und der Folgen für deren Bedrohungs-
wahrnehmungen durchgeführt werden. Bisher steht die empirische Antisemitismus-
forschung diesbezüglich noch am Anfang. Durch eine noch engere Kooperation mit
den jüdischen Gemeinden könnten die Teilnahmebereitschaft verbessert und zumin-
dest für die in Gemeinden organisierten Jüdinnen und Juden perspektivisch auch
auf Zufallsstichproben basierende Ergebnisse vorgelegt werden. Die aktuelle Studie
versteht sich als ein erster Schritt in diese Richtung. Angesichts der Virulenz anti-
semitischer Straftaten seit dem 7. Oktober 2023 sind nicht nur die in Deutschland
lebenden Jüdinnen und Juden auf diese Forschung angewiesen, sondern auch die
K
H. Beyer, B. Goldkuhle
Akteure der politisch-kulturellen Gelegenheitsstrukturen, die jenem Antisemitismus
etwas entgegensetzen müssen.
Danksagung Wir bedanken uns bei Niklas Herrberg und Melanie Reddig sowie den beiden anonymen
Gutachter:innen für wertvolle Hinweise und Überarbeitungsvorschläge.
Förderung Der Beitrag ist im Rahmen des durch das BMBF unter dem Zeichen 01UG2034 geförderten
Projektes „Auswirkungen des radikalen Islam auf jüdisches Leben in Deutschland (ArenDt)“ entstanden.
Funding Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Interessenkonflikt H. Beyer und B. Goldkuhle geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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