Das Ziel der Kultusministerkonferenz mit der Sicherung und Entwicklung der Bildungsqualität sollte bisher vor allem über die Festlegung von Bildungsstandards und die Forschung zu Merkmalen guten Unterrichts erreicht werden. Nahezu alle bisherigen Arbeiten zur Unterrichtsgüte definieren „top-down“ Gütemerkmale guten Unterrichts und vernachlässigen dabei die Sichtweise der Adressaten des Unterrichts. Die vorliegende Arbeit ermittelt daher fachspezifisch und „bottom-up“ Kriterien guten Sportunterrichts aus Schülersicht. Dies geschieht vor dem Hintergrund eines Ansatzes aus der Ökonomie, wonach man Qualität auch aus Kundensicht definieren sollte, v.a. wenn man in einer Konkurrenzsituation agiert. Zunächst nähert sich die Arbeit einer Definition von Güte und Qualität aus etymologischer Sicht. Daraufhin führt sie die dabei gewonnenen Erkenntnisse mit dem Forschungsstand zur allgemeinen sowie für den Sportunterricht spezifischen Unterrichtsqualität zusammen und bindet unter kritischer Betrachtung zusätzlich Ansätze aus der Ökonomie zur Bestimmung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen ein. Im Zuge der zirkulären Forschungsstrategie innerhalb eines iterativ-hermeneutischen Erkenntnisprozesses wird ein sequentielles-exploratives und gleichzeitig triangulierendes Forschungsdesign verwendet. Dabei werden quantitative und qualitative Methoden mit einem Peer-to-Peer-Ansatz verschränkt, weshalb im Zuge des partizipativen Forschungsstils ungestützte und Leitfaden gestützte Interviewformen, Gruppengespräche, die Erstellung von Mindmaps und ein Fragebogen unter Einbindung von Schülerideen zum Einsatz kommen. Setting, die Stichprobe mit insgesamt 46 SchülerInnen unterschiedlicher Schulformen sowie die Ausbildung der Gesprächsführer im Rahmen eines Seminars an einer Mittelschule werden begleitend beschrieben. Die thematische Analyse verbunden mit dem theoretischen Codieren bildet den zentralen Analysestrang, welchem Analysen der Struktur der Schüleräußerungen, der Sequenz möglichst unbeeinflusster Äußerungen zum Sportunterricht, der Bedeutsamkeitsbewertungen zu einzelnen Güteaspekten sowie der Bewertungen des momentanen Sportunterrichts der Befragten zuarbeiten und diesen ergänzen. Ausgehend von den von Schülern erstellten Mindmaps ergibt sich eine strukturelle Ordnung mit den personalen Kategorien „Wir Schüler“, „Die anderen Mitschüler“, „Ich (Wirkung)“ und „Sport-lehrer“ sowie den Rahmenkategorien „Was wir im Sportunterricht machen“, „Ablauf“, „Bewertung und Benotung“ und „Gutes Umfeld (Rahmenbedingungen)“ zusammen mit den diesen Kategorien untergeordneten 45 identifizierten Gütekriterien und 8 potentiellen Gütekriterien, die zu einem hierarchischen Code-Subcodes-Modell zusammengefasst werden. Mittels selektiver Codierung werden die Themen „Selbstwertgefühl“, „Zwei Seiten von Schülern“, „Beziehung zum Sportlehrer“, Freiheit“ sowie die Metathemen „Nicht wie in der Schule“, „Nur wegen anderen/ihm“ sowie das „Spaß-Haben als wesentliche Aspekte herausgearbeitet, die einen großen Teil der Daten zusammenfassen. In der theoretischen und befundbasierten Auseinandersetzung mit den Konstrukten „Empfindungen“ und „Spaß“ wird das „Nur-Spaß-Machen“ dem „Spaß-Haben“ untergeordnet und eine Einstufung von Letzterem als pädagogische Leitidee für den Sportunterricht vorgeschlagen. Ebenso werden verschiedene Sinnzuschreibungen der Schüler für den Sportunterricht herausgearbeitet. Schließlich wird in einer Synthese der Ergebnisse zu Themen und Bedürfnissen der Schüler ein Modell zum guten Sportunterricht aus Schülersicht vorgestellt, dass die Sinnfindung und das Spaß-Haben als übergeordnete Ziele und die drei basalen psychologischen Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenzerleben und sozialer Einbindung als Grundlage exponiert. Eine Kernkategorie wird nicht herausgearbeitet, jedoch extrahiert die Arbeit stichprobenspezifische K.o.-Kriterien, die aus Sicht der befragten Schüler bei Erfüllung bzw. Nicht-Erfüllung zu einer Ablehnung des Sportunterrichts in seiner Gesamtheit führen. Der Abgleich der zentralen Befunde mit dem Forschungsstand zeigt viele Übereinstimmungen der Schülervorstellungen mit den bisherigen Untersuchungen zur Schülerperspektive aber auch den top-down gedachten Kriterienkatalogen. Er offenbart jedoch auch bisher unberücksichtigte Kriterien. Innerhalb der Schlussfolgerungen aus den empirischen und hermeneutischen Erkenntnissen für den Sportunterricht wird einerseits das Bild eines bedürfnisorientierten Sportunterrichts aus Schülersicht gezeichnet. Andererseits erfolgt eine ausführliche Darlegung der Anwendung marketingwissenschaftlicher Ansätze auf den Sportunterricht. Dabei ergibt sich die Darstellung der Konkurrenzsituation um die Aufmerksamkeit und Hinwendung der Schüler, in der sich die Lehrkraft befindet. Es werden sechs Schlussfolgerungen für die unterrichtliche Praxis mit einer Ableitung von Nutzen stiftenden Eigenschaften des Sportunterrichts, Ressourcenquellen eines Sportlehrers sowie Chancen und Risiken unter dem Kernparadigma einer strategischen Unterrichtsführung formuliert. Ein Fokus liegt dabei auch auf der Anwendung der Service-Dominant Logic auf den Sportunterricht. Schließlich wird ein Vorschlag unterbreitet, wie die Perspektive auf den Unterricht allgemein hin zu einem Struktur-Ressourcen-Prozess-Ergebnis-Paradigma erweitert werden könnte. Ein Ausblick auf die mögliche anknüpfende Forschung sieht vor allem Potential in der Weiterentwicklung der angewendeten Untersuchungsmethodik, der Forschung zur Typologisierung von Schülern in „Gute“ und „Schlechte“, zur Gestaltung und Evaluation von Unterricht nach den herausgearbeiteten Gütekriterien, zu einer möglichen Marke „Sportunterricht“, zum Ansatz der Identifikation von K.o.-Kriterien sowie der weiteren Anwendung marketingwissenschaftlicher Ansätze, vor allem aus dem Dienstleistungsmarketing und insbesondere der Service-Dominant Logic.