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117
(), No.
Sabine Weiß
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und
betreuenden Lehrkräften im Praktikum
Zusammenfassung
Bestehende Forschungen zu Schulpraktika konzentrieren sich vor allem auf die
Gruppe der Studierenden. Befunde zu den Betreuungspersonen und zur Interakti-
on beider Gruppen fehlen bisher und stellen ein Desiderat dar. Dem folgend disku-
tieren in der vorliegenden Studie Studierende im Praktikum und ihre betreuenden
Lehrkräfte Bedingungen einer gelingenden Beziehung und Zusammenarbeit. Die-
se geben auch Aufschluss darüber, welche Konzeptionen von Beziehung und wel-
che Rollengefüge beide Seiten als förderlich für ihre Interaktion wahrnehmen. Die
Stichprobe umfasst 57 Studierende und 99 Praktikumslehrkräfte aus Grund- und
Mittelschulen, rekrutiert im Rahmen eines Praktikums, das sich über ein Schuljahr
verteilt. Die Auswertung der 21 Gruppendiskussionen erfolgte inhaltsanalytisch.
Ein zentrales alle Kategorien übergreifend charakterisierendes Ergebnis ist, dass
die Gelingensbedingungen aus Sicht von Studierenden und Lehrkräften eine Auf-
lösung tradierter Meister-Lehrlings-Modelle widerspiegeln. Sie sind an einer sym-
metrischen Beziehungsgestaltung orientiert und beruhen auf reziprokem Agieren
und einer gemeinsamen Verantwortung aller Akteur:innen. Hierarchische Abstu-
fungen zeigen sich dort überholt, wo Studierende ihren Mentor:innen kritisches
Feedback geben dürfen und sollen bzw. wo Mentor:innen ihren eigenen Unterricht
zur Diskussion stellen und bereit sind, von Studierenden zu lernen. Die kollegia-
le Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist allerdings an Erwartungen der Mentor:in-
-
Dr. Clemens Maria Schlegel, Ludwig-Maximilians-Universität München, Praktikumsamt des
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und
betreuenden Lehrkräften im Praktikum
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nen hinsichtlich des Verhaltens der Studierenden gebunden. Abschließend werden
Desiderate der praktischen Implementierung und der wissenschaftlichen Evaluie-
rung diskutiert.
Schlagworte
Feedback, Gelingensbedingung, Mentor:in-Mentee-Beziehung, Praktikum, Zusam-
menarbeit
The Mentor-Mentee Relationship Between Student
Teachers and Their Mentors
Abstract
Existing research on school practicum focuses mainly on the group of student teach -
ers. Findings on the mentor teachers and even more on the interaction of both
groups are missing. In the present study, student teachers and mentor teachers
discuss the conditions for a successful relationship and collaboration. These condi-
tions provide information about the conceptions of relationship and the role struc-
tures both sides perceive as benecial for their interaction. The sample consists of
57 student teachers and 99 mentor teachers from primary and lower secondary
schools. The participants were part of a one-school-year teacher practicum. The
21 group discussions were analyzed using content analysis. A central result across
all categories is that conditions of success reect the dissolution of traditional
master-apprenticeship models from both the perspective of student teachers and
mentor teachers. Instead, they are orientated towards a symmetrical relationship
as well as reciprocal action and shared responsibility. Hierarchies appear to be
outdated where teacher students are allowed and expected to give critical feed-
back to their mentor teachers, where mentor teachers are willing to discuss with
and learn from student teachers. However, collegial collaboration on an equal ba-
sis is linked to mentors’ expectations of mentees’ behavior. Finally, desiderata for
the practical implementation and scientic evaluation are discussed.
Keywords
feedback, condition of success, mentor-mentee relationship, teacher practicum,
collaboration
1. Einleitung
Praxisphasen in der Lehrkräfteausbildung werden national wie international aus-
führen längere Praxisphasen nicht automatisch zu (mehr) Wissensaufbau, Kompe-
-
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und betreuenden Lehrkräften im Praktikum
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Einigkeit besteht dahingehend, dass die Betreuung Studierender in den Praxispha-
-
-
male sind u. a. die Kompetenzentwicklung bei Studierenden im Praktikum oder die
Bezie-
hungsarbeit
Beziehungsarbeit gibt es verschiedene Konzeptionen, die sich auf dem Kontinu-
um zwischen dem auf Modelllernen basierenden Meister-Lehrlings-Modell (Bach,
-
eren Mentoring-Konzepten einordnen. Letztere zielen innerhalb des institutionellen
Rahmens von Praktika auf eine gemeinsame Gestaltung durch Mentor:innen (Lehr-
Studierende Gegenstand des Forschungsinteresses. Wenige Studien beschäftigen
Interaktion beider Gruppen. Es besteht ein Desiderat, die Beziehungsarbeit (Führer
dabei die Perspektiven von Studierenden und Mentor:innen zu berücksichtigen.
der Beziehungsgestaltung aus Sicht von Studierenden und Betreuer:innen im Prak-
tikum an Grund- und Mittelschulen zum Ziel. Die Ermittlung solcher Bedingungen
welche Rollengefüge beide Seiten als förderlich für das Praktikum wahrnehmen.
2. Beziehungsgestaltung im Praktikum: Konzeptionen
der Betreuung
Ein zentraler Forschungsdiskurs zu Schulpraktika liegt in deren Wirksamkeit. Der
machen die Lernwirksamkeit von Praktika zunehmend evident (z. B. Besa & Büd-
-
-
-
Lehrende von ihren positiven Einstellungen zu Schüler:innen abrücken, ein unkri-
120
ihren Erfahrungs- und Erwartungshorizont integrieren.
-
thodik, Messinstrumenten und Foki der Forschungsfragen nur bedingt vergleichbar
-
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-
zwischen Studierenden und den Betreuungspersonen angesehen (Besa & Büdcher,
-
Weitergabe von Wissen und der Heranführung an das Berufsfeld, sie fungieren als
-
und international dominieren in Betreuung und Forschung fachliche Belange wie
Unterrichtsmethodik, eingesetzte Medien und Unterrichtsmaterialien (Bradbury &
-
oder asymmetrisches Rollengefüge zugrunde liegt. Eine in der Praxis nach wie vor
dominierende Konzeption ist das Meister-Lehrlings-Modell, basierend auf dem Er-
-
Mentor:innen positiv gegenüber und sehen diese als wichtige Ressource, vor al-
lem dann, wenn sie Diskrepanzen zwischen Erwartungen und Erfahrungen, eige-
-
folgserfahrungen tragen zusammen mit dem Beobachten erfolgreicher Modellper-
sonen wesentlich zur optimistischen Einschätzung eigener Handlungsmöglichkeiten
-
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-
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-
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gen erschöpft. Dann haben Studierende keine Möglichkeit, sich mit dem Beobach-
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und betreuenden Lehrkräften im Praktikum
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Praktikums- oder Prüfungsämtern bestätigen, kann zudem hemmen, sich auf einen
kritischen Diskurs mit Betreuer:innen einzulassen. Gerade eine solche gemeinsame
Neuere Mentoring-Konzepte lösen asymmetrische Rollenverhältnisse zumin-
von Mentoring, deren zentrale Elemente sich auch in anderen Reviews wie dem von
Bei situated apprentice assumptions fungieren Mentor:innen als Rollenvorbilder
für (guten) Unterricht, da sie diesbezügliche Fertigkeiten, Routinen und bewährte
Praxis an angehende Lehrkräfte weitergeben.
Critical constructivist assumptions
-
. Humanistic assumptions betonen den Beziehungsaspekt. Mentees testen eigene
Ideen aus und erhalten bei Bewältigung von Herausforderungen und Schwierig-
keiten Rückhalt von den Mentor:innen. Diese haben eine beratende Rolle und
leisten (emotionale) Unterstützung. (Positives) Feedback stärkt das Selbstver-
trauen.
Während erstere Konzeption dem Modelllernen nahe ist, stellen die zweite und
r: innen“ wirken nicht im klassischen Sinne patriarchal oder matriarchal von oben
-
ren Interaktion durch Dynamik und Reziprozität gekennzeichnet ist. Mentor:innen
kommt die Rolle zu, Mentees zu eigenen Ideen anzuregen und deren Umsetzung
zu unterstützen. Wie angeführt, sind auch Mentoring-Konzepte in der Praxis häu-
Unterrichtsaspekte in Form pädagogisch-didaktischer Ratschläge“, geprägt (Bach,
-
-
-
kutieren. Befunde aus der Expert:innen-Noviz:innen-Forschung zeigen, dass Novi-
z: innen intensiver betreut werden müssen und mehr Rahmensetzung benötigen als
-
-
setzung nicht unbedingt eine direktive Betreuung. Beispielsweise können Mento-
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die angehende Lehrkräfte zum Einbringen eigener Ideen anregen, die dann gemein-
3. Fragestellung
Hinsichtlich der Bedeutung, Studierende im Praktikum zu begleiten, herrscht Ei-
Zur Beziehungsgestaltung im Praktikum stehen sich verschiedene kontrastierende
-
tung oder in den Gestaltungsspielräumen Studierender unterscheiden. Bestehende
Desiderate liegen zum einen darin, die Interaktion bzw. Beziehungsarbeit genauer
in den Blick zu nehmen und Gelingensbedingungen dafür zu ermitteln. Zum ande-
ren sind die Perspektiven von Studierenden und ihren Mentor:innen gleichermaßen
zu berücksichtigen, um das Desiderat fehlender Befunde zu den Betreuer:innen und
-
ren in der vorliegenden Studie Studierende und ihre Mentor:innen an Grund- und
Mittelschulen Gelingensbedingungen für die Beziehungsgestaltung im Praktikum,
die darüber hinaus Rückschlüsse auf Rollengefüge in der Beziehung ermöglichen.
Fragestellungen sind:
an Grund- und Mittelschulen für die Beziehungsgestaltung im Praktikum?
-
der?
-
sichtlich ihrer Konzeption(en) von Beziehung?
4. Methode
4.1 Forschungskontext
Mentor-Mentee-Beziehung in Praxis-
phasen: Analyse von Interaktionssituationen und Betreuungskontexten ( MeMPhIs),
das in Kooperation des Lehrstuhls für Schulpädagogik und des Praktikumsamts
wird im Rahmen der gemeinsamen Qualitätsoensive Lehrerbildung von Bund und
Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.
Die übergeordneten Ziele bestehen in der forschungsgestützten Betrachtung der In-
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und betreuenden Lehrkräften im Praktikum
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teraktion Studierender und ihrer betreuenden Lehrkräfte im Praktikum und der da-
raus abgeleiteten praxisorientierten Entwicklung von Optimierungsmöglichkeiten.
Im Folgenden liegt der Fokus gemäß den Forschungsfragen auf den Gelingensbe-
dingungen.
4.2 Stichprobe, Vorgehen und Feldzugang
der Untersuchung gerade das Intensivpraktikum-
-
-
de an unterschiedlichen außerunterrichtlichen Schulveranstaltungen beteiligt (z. B.
Schulfest, Elternabend, Teamsitzung, Lernberatungsgespräch) und konzipieren eine
-
-
tikumsschule besucht. Für die an der Studie teilnehmenden Praktikumslehrkräfte
war deren Funktion als Praktikumslehrkraft einzige Teilnahmevoraussetzung. Die-
Schulbehörde zugewiesen. Praktikumslehrkräfte erhalten für diese Tätigkeit zu Be-
-
tinuierlich Studierende.
-
kräfte und Studierende zur Teilnahme an einer Gruppendiskussion eingeladen. Im
-
schiedlichen Schulen und regionalen Bezirken zu berücksichtigen (Krueger & Casey,
-
schulen abbilden.
-
nen um ein Gespräch mehrerer Teilnehmer:innen zu einem bestimmten Thema.
Meinungsäußerungen werden in einem Gruppenzusammenhang getätigt und sind
-
setzung von Gruppendiskussionen liegt u. a. darin, Meinungen und Einstellungen
einzelner Teilnehmer:innen sowie der ganzen Gruppe zu erheben und Bewusst-
seinsstrukturen zu erfassen, die den Meinungen und Einstellungen zugrunde liegen
-
derer erhoben, die in ihrer (Berufs-)Praxis konkret mit der Thematik befasst sind.
-
-
124
dierenden und zwölf mit Praktikumslehrkräften. Bei der Gruppenzusammensetzung
wurde darauf geachtet, dass diese in sich homogen sind, also einen ähnlichen Er-
-
-
renen Mitarbeiter:innen aus der Lehrkräfteausbildung moderiert und durch weitere
und Protokollant:innen eine Schulung statt. Im Nachgang wurden die angefertigten
-
In den Gruppendiskussionen wurden die Gelingensbedingungen zunächst schrift-
lich mit Metaplankarten erhoben, zur Diskussion gestellt und zu Clustern zusam-
mengefasst. Die Clusterung diente als Diskussionsreiz, Begründungen und Beispiele
für die Zuordnungen als Diskussionsbasis.
4.3 Auswertung und Validierung
-
-
-
-
-
ter und Strukturen der Beziehung von Studierenden und Lehrkräften im Praktikum
-
große Mengen an Datenmaterial (im vorliegenden Fall Textmaterial) zu strukturie-
ren und kategorisieren, indem relevante Textstellen Codes (Kategorien) zugeordnet
-
-
gende vier Schritte untergliedern:
Hauptkategorien zugeordnet. Das so entstandene Kategoriensystem basiert auf
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und betreuenden Lehrkräften im Praktikum
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thematische Zusammenfassungen der codierten Textstellen pro Protokoll und
systematische Fallübersichten zur Gruppe der Mentor:innen und Mentees in
-
-
-
-
genommenen Codierungen und zeigt, bei welchem Dokument zu welcher Katego-
-
ten gruppendiskussionsübergreifend pro Kategorie geordnet sowie Unterschiede
sichtbar gemacht werden.
Das Kategoriensystem wurde im Rahmen der Intercoder-Reliabilität von einer
-
-
bezeichnet werden.
5. Ergebnisse
-
rende und Lehrkräfte hinsichtlich ihrer Beziehung beschreiben.
Die Tabelle zeigt drei übergeordnete Hauptkategorien. Die Handlungsebene
NTEENTOR) als die mit den meisten Codings und Kategorien größte Haupt-
Konstellation stehen im Mittelpunkt. Kategorien der emotionalen und motivation-
alen Ebene NTEE NTOR) beziehen sich auf die Regulierung von Stimmun-
gen und Gefühlen in der Beziehung von Lehrkraft und Studierenden. Die kleinste
Hauptkategorie Erprobung, Anwendung und Weiterentwicklung von Wissen
NTEENTOR-
126
Ebene Kategorie Nennungen
Mentor:innen
(TOR)
Mentees
(TEE)
Handlungsebene Konstruktives Feedback und Lernbereitschaft
Transparente Kommunikation
Kollegialität
Rückhalt und Hilfestellung
Modelllernen
Wertschätzung und Respekt
Zutrauen und Mut (machen)
Fähigkeit zum Perspektivwechsel
Emotionale und
motivationale
Ebene
Zwischenmenschliche Passung
Kooperations- und Kompromissbereitschaft
Eigeninitiative und Eigenverantwortung
Motivation und Einsatzbereitschaft
Freude am Beruf und Unterrichten
-
wendung und
Weiterentwick-
lung von Wissen
Kompetenzerprobung und Berufseignung
Innerhalb der (Haupt-)Kategorien bestehen Unterschiede zwischen Studierenden
und Praktikumslehrkräften. Die folgende Beschreibung der Kategorien erfolgt für
beide Gruppen verschränkt, um übergeordnete Ergebnisse aller Diskussionen bzw.
Kategorien wie auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede dezidiert herausstellen
-
tor:innen- als auch Menteesicht als reziprok charakterisiert: Sie liegen weitgehend
den Diskussionen dienen der Illustration.
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und betreuenden Lehrkräften im Praktikum
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5.1 Handlungsebene
Konstruk-
tives Feedback und LernbereitschaftNTEENTOR), reziprok verstanden. Prak-
tikumslehrkräfte betrachten sich nicht nur als Feedbackgebende, sondern ebenso
als Feedbackempfangende. Sie betonen diese Rolle deutlich stärker als Studierende
einfordern, ihren Betreuer:innen Rückmeldung geben zu dürfen. Studierende sind
explizit aufgefordert, Kritik an ihren Mentor:innen zu äußern. Die damit verbun-
dene Lernbereitschaft, die sich in vielen Kategorien artikuliert, ist ebenfalls rezi-
prok. In Bezug auf Feedback bedeutet Lernbereitschaft, aus gegenseitiger Rückmel-
dung zu lernen, dazu eine konstruktive Fehlerkultur im Sinne von „passiert, beim
-
Die dafür nötige Transparente KommunikationNTEENTOR) wird von bei-
den Seiten genannt, aber unterschiedlich interpretiert. Praktikumslehrkräfte ar-
gumentieren formal, sie erachten Zielvereinbarungen zu Beginn des Praktikums
als Mittel, das Wünsche, Erwartungen und Regeln transparent macht und Miss-
-
dierende zu einer aktiven Rolle aufgefordert, sie „sollen sich trauen zu sagen, was
-
-
sonders betonte KollegialitätNTEENTOR), wonach „man als angehende Lehr-
kraft wahrgenommen wird, die vor der Klasse bestehen kann, und auch etwas kann,
nicht als der dumme Praktikant“ (GS_TEE_5). Studierende sollen die Rolle eines
-
-
teur:innen verschiedene Perspektiven ein, die in sich unterscheidenden Handlungs-
dimensionen repräsentiert sind. Mentor:innen setzen ein der Lehrkraftrolle ent-
sprechendes VerhaltenNTORNTEE) auf Studierendenseite voraus, das aus der
geforderten Distanz zu Schüler:innen, dem Einhalten von Klassenregeln und Um-
gangsformen resultiert: „Ich mache das, indem ich den Praktikanten sage, Distanz
bedeutet, dass ihr auf meiner Ebene agiert, nämlich der Lehrerebene, und eben
Rückhalt und Hil-
festellung NTEENTOR), „dass, wenn man einen Fehler macht, kein Weltunter-
Schonraum und
Fehleroenheit NTOR NTEE
128
Modelllernen NTOR NTEE -
terricht, sondern übereinstimmend auf die Haltung der Mentor:innen. Deren Um-
Hauptaufgabe besteht darin, eher den Studenten mitzugeben, dass es mir Freude
macht, mit Kindern zu arbeiten, damit der Funke überspringt“ (GS_TOR_5). Die
Kategorie Teilhabe am Aufgabenspektrum des LehrerberufsNTEE,NTOR) ent-
wickelt diese Sichtweise weiter. Praktikumslehrkräfte sollen Studierende in alle
-
Nachbereitung, das alles gehört dazu“ (GS_TOR_5). Wenn Studierende bereitwillig
aktiver die Praktikanten eingespannt waren, desto mehr ist die Motivation gestie-
Wertschätzung und Respekt NTEE, NTOR) begegnet werden, sichtbar anhand
folgenden Negativbeispiels:
-
redet, dann sind wir wie Schüler zusammengeschissen worden. Wir haben uns
vor den Schülern klein gefühlt. Wir haben nicht mehr eine Lehrkraft vor den
Zutrauen und Mut (machen) NTEE NTOR), „dass die Lehrkraft einem was
zutraut, dass sie einem vertraut, dass man es schon richtig macht, einem so ein
Grundvertrauen schenkt“ (GS_TEE_5), soll nicht nur durch Mut zusprechen ge-
„Einmal durfte ich die Hälfte der Klasse nehmen, mit ihnen Unterricht machen.
Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauen NTOR NTEE) stellen Men-
tor:innen dem eine ähnliche Kategorie gegenüber, die Erwartungshaltungen einer
-
richt, zu der alle Beteiligten termingerecht ihre Beiträge leisten. Dieser Erwartung
stellen Betreuer:innen mit der Fähigkeit zum Perspektivwechsel NTORNTEE)
-
antwortung, sich in die Rolle der Mentees an sich und die individuelle Person hin-
einzuversetzen, dass man „einen Blick dafür haben muss, ob der Student ermuntert
werden muss. Zu einem Praktikanten kann man etwas sagen, was man zum ande-
ren vielleicht nicht kann, weil der dann total entmutigt ist“ (GS_TOR_5). Studie-
Mentor:innen dafür, dass die Menteerolle mit Unsicherheit und Fehlern wie auch
Selbstreexion und KritikfähigkeitNTORNTEE) ad-
ressieren erneut Lernbereitschaft mit Nähe zu Feedback und Transparenz: „Dass
-
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und betreuenden Lehrkräften im Praktikum
129
5.2 Emotionale und motivationale Ebene
Zwischenmenschli-
che PassungNTEENTOR), die beide Seiten nicht näher erläutern. Eine nähe-
das immer so Luxusstunden von den Praktikanten, die ich nicht so machen wür-
stellen für die Mentees den Kern gegenseitiger Aufgeschlossenheit und Neugierde
dar NTOR NTEE). Dazu gehört für sie auch, einen Beitrag zu leisten, der als
bereichernd erachtet wird: „Man versteht mich als Hilfe und nicht als Last“ (GS_
wird Kooperations- und Kompromissbereitschaft NTEENTOR) der emotiona-
Lernbereitschaft sind deutlich: „Die Studierenden bringen viele neue Ideen aus der
Universität mit und ich als Lehrkraft bringe mein Material mit und dann diskutie-
beidseitig Toleranz für divergierende Unterrichtsstile zu entwickeln, „beim anderen
Sachen akzeptieren, die man für sich selber so nicht machen mag und für die späte-
Die Kategorien Eigeninitiative und Eigenverantwortung NTORNTEE) und
Motivation und Einsatzbereitschaft NTOR NTEE) stellen Positionen wechsel-
-
tive bedeutet, dass sich Praktikanten nicht immer nur auf ihre Betreuungslehrkräfte
-
tikanten müssen selbst aktiv werden und Unterricht auch selbst gestalten“ (MS_
man braucht eigene Ideen, man muss sich einbringen“ [GS_TEE_5]), sehen die
-
tungshaltungen adressieren die Mentor:innen hinsichtlich Freude am Beruf und
UnterrichtenNTORNTEE) und Freude am Umgang mit Kindern/Jugendlichen
NTOR NTEE
hat, Unterrichtsstunden zu übernehmen und keine Freude daran, dann ist er ein-
fach falsch. Da kann ich als Praktikumslehrkraft auch nichts machen“ (GS_TOR_5).
130
5.3 Erprobung, Anwendung und Weiterentwicklung von
Wissen
Ausprobieren und Lernchancen NTOR NTEE) charakterisiert gleichermaßen
den Wunsch der Studierenden, sich ausprobieren zu dürfen, und die Forderung der
-
einfach ‚sag mir, was du probieren willst, wir kriegen es schon irgendwie unter, du
-
Handeln zur Diskussion stellen: „Ich sage auch, ich mache Fehler. Es gibt nicht die
perfekte Stunde und ich lasse die Studierenden auch meine eigenen Stunden zerle-
-
tor:innen zudem als bedeutsam für die Kompetenzerprobung und Berufseignung
NTOR NTEE) der Studierenden: „Die Praktikanten kriegen die Möglichkeit, in
-
durch Wissen über schulische Abläufe und Bedingungen NTOR NTEE) anzure-
gen, das Mentor:innen vermitteln wollen: „In Gesprächen zeige ich, wie der Lehrer-
alltag aussieht, nämlich, dass man eben morgens um sieben Uhr schon Elternge-
6. Diskussion
6.1 Kolleg:innen statt Meister:innen und Lehrlinge –
Zusammenarbeiten statt Zuschauen
In der vorliegenden Studie diskutierten Studierende und Praktikumslehrkräfte an
Grund- und Mittelschulen Gelingensbedingungen ihrer Beziehung und Zusammen-
arbeit im Praktikum. Ein übergreifendes Ergebnis liegt darin, dass fast alle Gelin-
-
-
-
-
-
chien wie die des Meister-Lehrlings-Modells zumindest teilweise als überholt, wenn
beispielsweise Studierende explizit ihren Mentor:innen kritisches Feedback geben
dürfen und sollen, diese ihren eigenen Unterricht zur Diskussion stellen und be-
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und betreuenden Lehrkräften im Praktikum
131
reit sind, von Studierenden zu lernen. Gerade solche Lerngelegenheiten sollte das
Praktikum bieten, die zu Diskussion und gemeinsamer Weiterentwicklung anregen
-
streckt. Möglicherweise motiviert die Dauer beide Seiten, in solcher Tiefe zu inter-
-
sen sich im Praktikum unabhängig von dessen Dauer verwirklichen. Studierenden
zu bieten, Mut zuzusprechen, um nur einige Beispiele zu nennen, trägt generell zu
einer gelingenden Praktikumsbetreuung bei.
Modelllernen wird in anderen Studien mit Beobachten von Unterricht und fach-
In den Diskussionen der vorliegenden Studie ist Modelllernen am wertschätzen-
den Umgang der Mentor:innen mit den Schüler:innen orientiert. Modelllernen als
Strukturen für den Unterricht vorgeben, die Studierende mit eigenen Ideen füllen
-
rende wie Mentor:innen können sich (zusammen) ausprobieren. Die weniger Er-
fahrenen genießen „Welpenschutz“. Mentor:innen nehmen eine beratende Rolle
Kolleg:in. Sie distanzieren sich nicht nur von Rollen wie der einer Schülerin bzw.
„Praktikant:innenstatus“. Um aus ihrer Sicht dem Kolleg:innenstatus gerecht wer-
die Schüler:innen oder die Lehrkraft einen Mehrwert hat und nützlich ist.
Die betreuenden Lehrkräfte stehen dem Kolleg:innenstatus durchaus positiv
gegenüber, koppeln ihn aber an bestimmte Erwartungshaltungen. Wenn sie Lehr-
mehrheitlich oder überhaupt nur von den Mentor:innen diskutiert. Studierende ha-
-
-
sichtbar sind. Solche Kenntnisse fehlen dann für den Kolleg:innenstatus. Gerade für
132
6.2 Weiterarbeit mit den Ergebnissen, Umsetzung und
Limitationen
Die von Studierenden und Praktikumslehrkräften diskutierten Gelingensbedingungen
spiegeln nicht unbedingt wider, dass diese tatsächlich implementiert sind. Sie basie-
ren auf dem Erlebten im Praktikum und in der Praktikumsbetreuung und deren Be-
-
verhältnisses sein. Ob umgesetzt oder nicht zeigen die Gruppendiskussionen, dass
Studierende und Mentor:innen in Grund- und Mittelschulen einhellig eine durch
-
ziehung präferieren. Diese sich von direktiven Konzepten lösende Sichtweise auch bei
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
ne Ideen und Konzepte einbringen sollen, sollte die universitäre Begleitung durch
(fach-)didaktische Begleitveranstaltungen zur Entstehung solcher Ideen und zum
-
gleitende Forschung zu Schulpraktika gilt es, den Ertrag solcher Konzepte zu prü-
fen. Die Wirksamkeit von Praktika bzw. Maßnahmen in Praktika zu überprüfen, er-
-
ung positiv oder negativ überlagern. Bei Studierenden sind dies Erfahrungen z. B. mit
Hochschuldozent:innen und Begleitveranstaltungen, Prüfungs-/Praktikumsämtern
Folgen haben, wenn z. B. Diskutant:innen sich nicht trauen, etwas zu artikulieren,
was eigentlich wichtig wäre, da andere Teilnehmer:innen dominant und raumgrei-
fend auftreten oder Diskutant:innen befürchten, dass ihr Diskussionsbeitrag als un-
Weiter bildet die Studie Ergebnisse zu Schulpraktika in der Grund- und Mittel-
-
Beziehungsgestaltung zwischen Studierenden und betreuenden Lehrkräften im Praktikum
133
-
punkt dafür sein, weitere Schularten vergleichend einzubeziehen. Es ließe sich der,
durchaus provokanten, Frage nachgehen, ob Praktika am Gymnasium mit Fachleh-
anderes Rollengefüge zugrunde liegt, beispielsweise die Orientierung am Meister-
Lehrlings-Modell stärker ausfällt.
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