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LERNGRUPPE: ab 7. Schuljahr
IDEE: Unterricht und Prüfungen lassen
sich konstruktiv verbinden, mit
Durchgängigkeit und Verste-
hensorientierung als leitenden
Prinzipien
PRINZIPIEN: Durchgängigkeit, Verstehens-
orientierung
VORWISSEN: Checklisten zur Prüfungsvorberei-
tung nutzen
MATERIAL: Prüfungsaufgaben und
passende Checklisten
ZEITBEDARF: 2 Unterrichtsstunden
GILBERT GREEFRATH, BÄRBEL BARZEL, MAREIKE NAGEL
(Auf) Schriftliche
Prüfungen vorbereiten
… konstruktiv in allen Klassen bis zum Abschluss
Am Ende schulischer Bildungsab-
schnitte stehen o zentrale Prüfungen,
wie die am Ende der 10. Klasse. Aufga-
ben zum Lernen und Prüfungsaufga-
ben haben o unterschiedliche Eigen-
schaen (s. Abb. 1). Im Idealfall sind
schriftliche Prüfungen, zu denen so-
wohl zentrale Abschlussprüfungen als
auch Klassenarbeiten sowie Tests ge-
hören, und Unterricht gut aufeinander
abgestimmt. Klar formulierte Kompe-
tenzen sind der Schlüssel für diese Ab-
stimmung zwischen Unterricht und
Leistungsüberprüfung im Sinne der
Durchgängigkeit. Die Bildungsstan-
dards sollen daher neben kompetenz-
orientiertem Unterricht auch transpa-
rente Anforderungen schaen und so
die Grundlage für die Überprüfung der
erzielten Ergebnisse bieten. Die hier
relevanten zentralen Prinzipien für
den Unterricht sind Durchgängigkeit
und Verstehensorientierung.
Lernen und Prüfen
aufeinander abstimmen
Omals funktioniert die Abstimmung
zwischen Unterricht und Prüfungen
nicht, wenn zum Beispiel die Lehrenden
den Fokus primär auf den Lehrplanin-
halt legen und die Prüfung lediglich als
lästiges Anhängsel betrachten. Das mag
zwar den Lernenden, die intrinsisch
motiviert sind, gerecht werden, jedoch
weniger jenen, die oberächlich lernen
und ihr Hauptaugenmerk auf das Beste-
hen der Prüfung richten.
Prüfungen und Unterricht beein-
ussen sich jedoch gegenseitig. Daher
gibt es Fallstricke, die man sich bewusst
machen muss. Man spricht hier etwa
von „Backwash-Eekt“ und „Teaching-
to-the-Test-Eekt“ (s. Kasten 1).
Dies gilt sowohl kurzfristig für Tests
als auch langfristig für schriliche Prü-
fungen bis zum Schulabschluss. Da-
her wird im Kontext der konstruk-
tiven Passung („construktive align-
ment“ nach Biggs/Tang 2011) empfoh-
len, größtmögliche Klarheit bezüglich
der Lernziele zu schaffen und eine
1 | Wissenswert: Fallstricke bei der Prüfung
Backwash
Der sogenannte Backwash-
Eekt beschreibt, wie Prü-
fungen einen rückwirken-
den Einuss auf den Unterricht ausüben können. Kritisch ist dabei die häuge
Fokussierung auf die Prüfungsinhalte. Dann neigen Lehrkräe dazu, Testaufgaben
unter den Bedingungen der Prüfung zu trainieren, ohne eine tiefergehende Reexi-
on oder passende Erweiterung der Lerninhalte zu integrieren (s. Prodromou 1995).
Teaching-to-the-Test
Der Teaching-to-the-Test-Eekt beschreibt Mechanismen, bei denen der voran-
gehende Unterricht aufgrund eines anstehenden Tests verändert und angepasst
wird. Dann werden Lehrinhalte und Methoden möglicherweise eher darauf aus-
gerichtet, die spezischen Anforderungen des Tests zu erfüllen, anstatt ein brei-
teres Verständnis und tieferes Wissen bei den Lernenden zu fördern. Dies kann
zu einer geringeren Motivation und zu einer begrenzten Lernerfahrung führen,
die sich primär auf das Bestehen des Tests konzentriert, anstatt umfassendere
Kompetenzen zu vermitteln (Oerke u. a. 2013).
Lehren und
Lernen Prüfung
Teaching-to-the-
Test-Eekt
Backwash-Eekt
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SEK I/II | UNTERRICHT
bestmögliche Abstimmung zwischen
dem Lernprozess und der Leistungs-
bewertung anzustreben (s. Abb. 2).
Durchgängigkeit
Betrachten wir zum Beispiel den Er-
werb von Medienkompetenz als Lern-
ziel und die Nutzung eines Compu-
teralgebrasystems in der Prüfung,
während beim Lernen im Unterricht
lediglich ein Funktionenplotter genutzt
wird. Hier stimmt die Passung von Un-
terricht und Prüfungen nicht und das
Lernziel einer umfassenden Medien-
kompetenz wird so auch nicht erreicht.
Umgekehrt ist aber eine vielfältige
Nutzung von Medien zum Lehren und
Lernen im Unterricht und eine stark
eingeschränkte Nutzung in der Prü-
fung, etwa um gleiche und gut kontrol-
lierbare Bedingungen mit einem ein-
fachen Taschenrechner herzustellen,
auch nicht im Einklang mit einem kon-
struktiven Alignment: Unterricht und
Prüfungen sind ebenfalls nicht aufei-
nander abgestimmt. Auch so kann das
Lernziel, Medienkompetenz zu erwer-
ben, nicht vollständig erreicht werden.
Hier setzt das Prinzip der Durch-
gängigkeit an und zielt darauf ab, lang-
fristiges Lernen zu fördern. Dies ge-
schieht, indem grundlegende Ideen,
Inhalte und Aufgaben über verschie-
dene Schulstufen hinweg wiederholt
und vertie behandelt werden. Im Sin-
ne des konstruktiven Alignments sind
dann die Lernziele, etwa der Erwerb
allgemeiner Kompetenzen wie Medi-
ennutzung oder Problemlösen, über
Jahre hinweg leitend für Unterricht
und Prüfungen als eine Einheit.
Ebenso relevant ist hier die Verste-
hensorientierung. So kann die Medien-
nutzung zum Verständnis der mathe-
matischen Inhalte beitragen und dies
dann für Unterricht und Klassenarbei-
ten gleichermaßen relevant sein. Dies
wäre sogar sinnvoll, wenn die Medien in
einer späteren Abschlussprüfung nicht
mehr zugelassen wären.
Von der Checkliste zum
Erwartungshorizont
Die Durchgängigkeit von Unterricht
und Prüfungen zeigt sich exempla-
risch, wenn die Checkliste zur Vorbe-
reitung der Klassenarbeit im Unter-
richt und der Erwartungshorizont der
Klassenarbeit gut zusammenpassen.
Am Beispiel der Pinguin-Aufga-
ben (s. Abb. 3) wird deutlich, wie eine
passende Checkliste gestaltet werden
kann. Für die beiden Aufgaben könnte
man beispielsweise angeben:
• Ich kann mit den Termen zur
Flächeninhalts- und Umfangsbe-
rechnung von Trapezen umgehen.
• Ich kann Überlegungen und
Lösungs wege zu Flächeninhalts-
und Umfangsberechnungen von
Trapezen verständlich darstellen
und in Bezug auf den Sachkontext
bewerten.
Die Lernenden können dann hierzu
passende Übungsaufgaben, zum Bei-
spiel aus dem Schulbuch, bearbeiten
und auf einer Zielscheibe angeben, wie
gut sie diese Kompetenz aus ihrer Sicht
bereits verinnerlicht haben.
Der passende Teil des Erwartungs-
horizontes der Klassenarbeit würde
dann hier anschließen:
• Aufgabe 3 a) Der Flächeninhalt der
Rechtecke wird berechnet, 217,5;
186; 246,5; 201.
• Aufgabe 3 b) Der Umfang der Trape-
ze wird berechnet, 62,5; 56; 69; 61.
Die Lernenden können nach der Rück-
gabe der Klassenarbeit den Erwar-
tungshorizont praktisch direkt neben
die Checkliste legen und schauen, wie
sich ihre Selbsteinschätzungen vor
der Klassenarbeit und ihre Ergebnis-
se unterscheiden. Sie können so ihre
Selbsteinschätzung – falls nötig – ver-
bessern und erkennen, wie Unterricht
und Prüfung miteinander verbunden
sind. Für die Lehrkräe wiederum ist
dies eine gute Möglichkeit, Unterricht
mit Checklisten zu optimieren und die
Unterrichts-
situation Lernsituationen Leistungssituationen
Funktionen der
Aufgaben Entdecken Systematisieren Üben Diagnose Leistungs-
überprüfung
typische
Eigenschaen/
Auorderungen
• oen
• aktivierend
• zugänglich
• adressaten-
gerecht
• vergleichend
• systematisch
darstellend
• exibilisierend
• anwendend
• reektierend
• fordern aussa-
gekräige
Produkte
• auf verschiede-
nen Niveaus
lösbar
• fokussiert auf
Teilkompeten-
zen
• Verfahren und
Verstehen, z. B.
durch Aufgaben
im Kontext
• Begründungen
und Beispiele
fordern
• Umkehren der
Frage
Abb. 1: Funktionen von Aufgaben (s. Leuders 2006)
Lernziele
Lehren und
Lernen Prüfungen
Abb. 2: Konstruktives Alignment: bestmög-
liche Abstimmung zwischen dem Lernpro-
zess und Prüfungen durch Transparenz der
Lernziele
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erworbenen Kompetenzen in der Prü-
fung passend abzubilden. Checklisten
– rechtzeitig geplant – dienen als Ori-
entierungshilfe für Lehrpersonen und
zur Erstellung des Erwartungshori-
zonts der passenden Prüfungsaufga-
ben.
Interessant ist hier auch, wie ei-
gentlich die Lernenden die Checkliste
geschrieben hätten. Wichtig ist ja,
dass diese Liste auch verständlich und
gleichzeitig passend ist. Daher ist ge-
legentlich ein Abgleich sinnvoll, wenn
die Lernenden selbst an Checklisten
arbeiten und diese untereinander ver-
gleichen: Inwieweit sind sie umfas-
send, korrekt und treend formuliert
und wo braucht es Unterstützung?
→Erstellt einen Eintrag für eure Check-
liste zur Vorbereitung der Klassenar-
beit zu diesen Aufgaben. Vergleicht
eure Einträge untereinander und
besprecht die Unterschiede.
Das Beispiel in Abb. 4 zeigt zwei Pro-
dukte zu Checklisten. Es wird deutlich,
wie unterschiedlich detailliert die Ler-
nenden die Anforderungen wahrneh-
men. Eine gemeinsame Diskussion
über Anforderungen von Aufgaben ist
also sinnvoll. Dabei ist es auch wich-
tig, über die verwendeten Verben, die
im Zusammenhang mit Arbeitsaurä-
gen auch Operatoren genannt werden,
genau nachzudenken. Sie entscheiden
stark über die erwartende Lösung, was
etwa beim Abitur von besonderer Be-
deutung ist (Barzel/Greefrath 2021).
Prüfungsergebnisse individuell nutzen
Die Nutzung von Prüfungsergebnis-
sen für die einzelnen Lernenden ist
ein wichtiger Bestandteil des Weiter-
lernens. Sie sollte sich an folgenden
Punkten orientieren, um auch durch-
gängig nutzbar zu sein (Sundermann/
Selter 2006):
Stärkenorientiert: Fehler können
und sollten als wertvolle Lernanläs-
se betrachtet werden. Indem Schüle-
rinnen und Schüler ermutigt werden,
aus Fehlern zu lernen, fördert die Leis-
tungsbeurteilung die Weiterentwick-
lung ihrer Fähigkeiten und ihres Ver-
ständnisses.
Dierenziert: Individuelle Förder-
hinweise sind von entscheidender Be-
deutung, um auf die unterschiedli-
chen Bedürfnisse der Schülerinnen
und Schüler einzugehen. Die Beurtei-
lung sollte daher auf eine Weise erfol-
gen, die es ermöglicht, gezielte Unter-
stützung anzubieten.
Transparent: Die Einbeziehung
der Schülerinnen und Schüler in den
Beurteilungsprozess schafft Transpa-
renz und ermöglicht ihnen, ihre eige-
nen Fortschritte zu verstehen und zu
beeinussen.
Informativ: Neben dem Ergebnis
selbst sollten auch die Denkwege und
Vorgehensweisen der Schülerinnen
und Schüler berücksichtigt werden.
Prozessbezogen: Die Beurtei-
lung sollte sich nicht nur auf einfache
Abb. 3: Klassenarbeitsaufgabe zu Flächeninhalt und Umfang
Aufgabe 3 Ein neues Pinguinbecken
Der Zoo Hannover plant ein neues Becken für die Pinguine. Hierfür stehen verschie-
dene Grundrisse zur Auswahl (Maße in m, Abbildungen nicht maßstabsgetreu).
a. Die Tiere sollen möglichst viel Platz haben. Hilf der Zoowärterin und bestimme
das größte Becken.
b. Vom Rand sollen möglichst viele Personen bei der Fütterung zuschauen können.
Entscheide dich begründet für ein Becken.
10
10,5 13 18
13 15
20
14,5
21
16
11
14
14
9
27
12
1310
19
Becken 1 Becken 2 Becken 3 Becken 4
Abb. 4: Ausschnitt aus der Checkliste für Lernende
Abb. 4: © DZLM
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SEK I/II | UNTERRICHT
Differenzierung auf den Punkt gebracht
Aspekte der Heterogenität:
• Sebstständiges Lernen,
Metakognition zu Aufgabenformaten
Methode:
• Selbsteinschätzung mit Checklisten
Praxistipp:
Sie können auch Prüfungsaufgaben von
Lernenden ernden lassen, Analogien und
Unterschiede von Aufgaben diskutieren.
Antworten beschränken, sondern auch
die Entwicklung komplexer Kompeten-
zen im Kontext des Lernprozesses be-
rücksichtigen.
Umfassend: Die Beurteilung sollte
nicht nur auf bestimmte Punkte fokus-
sieren, sondern alle Aspekte der Leis-
tung der Schülerinnen und Schüler
einschließen.
Ein Beispiel für eine individuelle,
differenzierte und informative Rück-
meldung zu einer Klassenarbeit mit
Ansatzpunkten zur Fehleranalyse für
Lernende zeigt Abb. 5.
Prüfungsergebnisse für den
Unterricht nutzen
Durchgängigkeit kann man auch an-
dersherum betrachten. So können bei-
spielsweise die Ergebnisse von zentra-
len Lernstandserhebungen wie VERA 8
für den Unterricht genutzt werden, um
Unterricht und Prüfungen aufeinan-
der abzustimmen. VERA ndet in Klas-
se 8 und damit rechtzeitig vor der Ab-
schlussprüfung statt, um Unterrichts-
entwicklung zu ermöglichen. Die Er-
gebnisse der VERA-Tests können eine
solide Grundlage für gezielte individu-
elle Unterstützungsmaßnahmen bil-
den. Lehrkräe können auf Basis die-
ser Ergebnisse passende Unterstüt-
zung anbieten und den Unterricht ent-
sprechend anpassen. Beispielsweise
bietet VERAcheck (https://www.isq-bb.
de/wordpress/veracheck/) erweiter-
te Ergebnisrückmeldungen an, die mit
passgenauen Fördermaterialien ver-
knüp sind. Lehrkräe erhalten hier
für jede Kompetenzstufe Materialien
zur gezielten Förderung. In anderen
Ländern gibt es Aufgabensammlun-
gen, die nach Kategorien lterbar sind
und für den Unterricht genutzt werden
können (wie zum Beispiel https://www.
aufgabenbrowser.de).
Zusätzlich können die Ergebnisse
von VERA als Ausgangspunkt für die
gemeinsame Entwicklung des Unter-
richts im Kollegium dienen. Die Län-
der bieten dazu sehr gut aufbereite-
te Ergebnisse an (https://www.projekt-
vera8.de). Lehrkräe können sich als
Team mit den Ergebnissen auseinan-
dersetzen und zusammen Strategien
zur Verbesserung des Unterrichts erar-
beiten.
Um VERA optimal zu nutzen, emp-
fiehlt es sich, die Ergebnisse als Teil
eines kontinuierlichen Entwicklungs-
prozesses zu analysieren. Dabei kön-
nen Lehrkräe nach den Gründen für
Stärken und Schwächen suchen, dar-
aus die erforderlichen Maßnahmen ab-
leiten und deren Wirksamkeit überprü-
fen. Hierbei ist die Zusammenarbeit im
Lehrkräeteam, insbesondere in Fach-
gruppen oder bei Fachkonferenzen,
von entscheidender Bedeutung.
Verstehensorientierung
Um konkret eine gute Passung zwi-
schen Unterricht und Prüfungen zu
erreichen, ist eine reektierende Per-
spektive der Lernenden auf Prüfungs-
aufgaben erforderlich. Dann können
nach der Klassenarbeit, die auch nicht
am Ende der Unterrichtsreihe liegen
muss, die Fehler konstruktiv zur indi-
viduellen Aufarbeitung genutzt wer-
den (Blomberg 2021). Diese Reexion
Abb. 5: : Individuelle Rückmeldung zu einer Klassenarbeit mit Ansatzpunkten zur Fehleranalyse
2 | Wissenswert: Prüfungsaufgaben erstellen
• Verändern Sie komplexe Aufgaben, indem Sie unnötige Komplexität
reduzieren und sich auf die relevanten Aspekte konzentrieren.
• Gestalten Sie Aufgaben so, dass individuelle Herangehensweisen möglich
sind und nicht nur eine einzige erwartete Lösung absehbar ist.
• Ermutigen Sie Lernenden zur Eigenständigkeit durch klare Anweisungen,
z. B.: „Begründe in eigenen Worten …“
• Fordern Sie von den Schülerinnen und Schülern, ihr gewähltes Vorgehen
zu reektieren, indem Sie erklären, beschreiben oder begründen, wie sie
vorgegangen sind – dies sollte individuell und nicht schematisch erfolgen.
Icon: © DZLM
Abb. 5: © DZLM
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kann nur gelingen, wenn die Inhalte
wirklich durchdrungen und verstan-
den sind.
Das Prinzip der Verstehensori-
entierung besagt, dass Schülerinnen
und Schüler mathematische Konzep-
te, Strategien und Verfahren am bes-
ten verstehen und beherrschen, wenn
sie wirklich begreifen können, wor-
um es geht. Das Verständnis wird bei-
spielsweise aufgebaut, indem sie sich
mit realen und sinnvollen Situationen
beschäigen, schrittweise zu komple-
xeren Verfahren übergehen und ver-
schiedene Arten von Darstellungen,
wie Bilder, Worte, Tabellen oder Gra-
ken, miteinander verbinden. Dieses
Prinzip kann leitend bei der Erstellung
von Prüfungsaufgaben unter dem Ge-
sichtspunkt der Diagnose und Verste-
hensorientierung sein (s. Kasten 2).
Natürlich kann man noch viel mehr
sinnvolle Kriterien für Prüfungsaufga-
ben formulieren. Einige Beispiele:
• Ein gelungener Kontextbezug in
Prüfungen stellt sicher, dass die
gestellten Aufgaben realitätsnah
und relevant sind.
• Oene Aufgabenstellungen tragen
zur Qualität der Prüfungen bei,
indem sie den
Schülerinnen und
Schülern
Freiheit bei der Lösungs-
ndung lassen.
• Durch Einbinden von Begründun-
gen in den Prüfungsantworten wird
auch das kritische Denken und die
Beispielaufgabe zur Analyse
Flächeninhalte
In einem Koordinatensystem ist die Strecke von A (0|0) nach B(8|0) gegeben und eine
dazu parallele Gerade g durch die Punkte D [3|5) und C (7|5).
a. Berechne den Flächeninhalt des Vierecks ABCD.
b. Erläutere mit Hilfe der Zeichnung, wie das Berechnen des Flächeninhalts eines
Trapezes auf das Berechnen der Flächeninhalte von Rechtecken zurückgeführt
werden kann. Begründe damit die Formel ATrapez = 1
―
2
(a + c) · h für das Trapez mit
den zueinander parallelen Seiten a und c.
c. Mit einer Geometrie-Soware wird der Punkt D auf den Punkt C gezogen.
Dadurch entsteht ein Dreieck. Berechne den Flächeninhalt des Dreiecks ABC.
Anforderungen von zentralen Prüfungsaufgaben im Bereich Geometrie
Es ist wichtig, in Aufgaben zu erkennen, was man dazu können soll. Hier sind verschiede-
ne Anforderungen gegeben. Ordne passende Anforderungen den Teilaufgaben oben zu.
Strategien, die dir in zentralen Prüfungsaufgaben helfen können
Bei einigen Teilaufgaben helfen dir bestimmte Strategien. Ordne auch diese den Teilaufgaben zu.
Längen
bestimmen
das Problem in eigenen
Worten wiedergeben
eine Vermutung formu-
lieren und überprüfen
eine andere
Darstellung suchen
Beispiele hinschrei-
ben und ordnen
eine grasche
Darstellung nutzen
Hilfslinien
einzeichnen
eine Skizze
erstellen
ein ähnliches
Problem nutzen
auf etwas Bekanntes
zurückführen
Gegebenes und Ge-
suchtes aufschreiben
den Flächeninhalt
berechnen
kontrollieren, ob ein
Ergebnis plausibel ist
Flächen zerlegen
und ergänzen
Winkel mit Sinus /
Kosinus berechnen
Begründen mit
Variable und Bild
Lösungsweg
erläutern
eine Rechnung mit Variablen
allgemein beschreiben
relevante Grö-
ßen ermitteln
Hilfslinien
einzeichnen
den Flächenin-
halt berechnen
Abb. 6: Beispielaufgabe, Anforderungen und Strategien in zentralen Prüfungen (nach Hußmann, S. u.a. 2017, S. 188).
Abb. 6: Lizenz CC BY-NC-SA 4.0
(https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/legalcode.de)
1–2 2– 1 3456789
0
6
5
4
3
2
1
– 1
– 2
C
B
A
1–2 2– 1 3456789
0
6
5
4
3
2
1
– 1
– 2
B
A
D C
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Lizenz CC BY-NC-ND 4.0
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SEK I/II | UNTERRICHT
Fähigkeit zur Argumentation geför-
dert.
Darüber hinaus muss man auch auf Be-
arbeitungsumfang, Schwierigkeitsgrad
und Wissensstufe aus dem Lehrplan
achten. Und es gibt noch unzählige
weitere Kriterien für gute Prüfungen.
Verstehensorientierung ist aber
nicht nur ein hilfreiches Prinzip für den
Unterricht und die selbst erstellten Dia-
gnose- und Prüfungsaufgaben. Es kann
auch für die Vorbereitung zentraler
Tests und Prüfungen genutzt werden.
Zentrale Prüfungen verstehensorien-
tiert vorbereiten
Auch zentrale Prüfungen können ver-
stehensorientiert vorbereitet werden.
Dabei ist es wichtig, nicht nur Aufga-
ben zu bearbeiten, sondern eine reek-
tierende Perspektive einzunehmen. So
wird Metakognition bewusst gefördert.
Der Blick auf die zentralen Testaufga-
ben kann sogar den Unterricht positiv
beeinussen, wenn etwa die Testaufga-
ben durch die angesprochenen Kom-
petenzen Anreize für Veränderungen
der Unterrichtspraxis sind.
Hierzu ist im ersten Schritt eine
Analyse der extern gegebenen Ziele an-
hand der Beispielaufgaben und des Cur-
riculums erforderlich. Dann können im
zweiten Schritt geeignete metakognitive
Strategien bereitgestellt und an konkre-
ten Beispielen reektiert geübt werden
(vgl. Hußmann u. a. 2017, S. 186).
Konkret kann dieser erste Schritt
der Analyse für die Lernenden folgen-
de Teilschritte beinhalten (vgl. Abb. 6):
1. Prüfungsaufgaben
anaylsieren
a) Bearbeite die Beispiel-
Prüfungs aufgabe.
b) Vergleiche deine Lösung mit
der Musterlösung (erst nach
dem vollständigen Bearbeiten).
c) Es ist wichtig, in Aufgaben zu
erkennen, was man da können
soll. Ordne passende Anforde-
rungen den Teilaufgaben zu.
d) Bei einigen Teilaufgaben hel-
fen dir bestimmte Strategien.
Ordne auch diese den Aufga-
ben zu.
Im zweiten Schritt sollten vorhande-
ne Beispielaufgaben für die zentralen
Prüfungen genutzt werden. Wenn es
auch sinnvoll ist, die Aufgaben zu be-
arbeiten und die Lösungen zu kontrol-
lieren, sollten ein Augenmerk auf die
Anforderungen und die Strategien ge-
legt werden.
Kompetenzerwerb geschieht langfris-
tig. Es ist also erforderlich, die Vorbe-
reitung der zentralen Prüfungen ei-
nige Schuljahre vorher zu beginnen
und sowohl eine Tradition dieser Art
Vorbereitung zu etablieren also auch
eine entsprechende Haltung bei den
Lernenden zu erreichen. Die Klas-
senarbeiten können also in ähnlicher
Weise wie die zentralen Prüfungen
gestaltet sein, damit sich die Schüle-
rinnen und Schüler daran gewöhnen
können.
Machen Sie Schülerinnen und
Schülern die Kriterien und Leitlinien,
die hinter Prüfungsaufgaben stecken,
bewusst. Sie verhelfen den Schülerin-
nen und Schülern zu einem Blick aus
einer anderen Perspektive, eben me-
takognitiv, auf Aufgaben und ihre ei-
genen Lösungen zu schauen (Barzel/
Greefrath 2021).
2. Selbstständig
vorbereiten
a) Besorge dir eine Sammlung
von Prüfungsaufgaben, wie sie
in deiner Abschlussprüfung zu
erwarten sind. Deine Lehrerin
oder dein Lehrer unterstützen
dich dabei.
b) Bearbeite die Prüfungsaufgabe.
c) Vergleiche deine Lösung mit
einer Musterlösung.
d) Schreibe nun die Anforderun-
gen auf, die die Aufgabe stellt.
e) Vergleicht untereinander eure
Listen.
f) Bei einigen Teilaufgaben hel-
fen bestimmte Strategien.
Schreibe auch die Strategien
heraus. Vergleicht untereinan-
der eure Listen.
g) Erstelle eine Checkliste, für
welche Anforderungen du
noch weiterüben willst.
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Abituraufgaben. Mehr als nur alte Abi-Auf-
gaben rechnen. – In: mathematik lehren
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und Prüfen zusammengeht. – In: mathema-
tik lehren 225, S. 2 – 7.
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ty learning at university. What the student
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In: mathematik lehren 225, S. 8 – 11.
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Test? – In: Bosse, D. u. a. (Hrsg.): Standar-
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Springer, S. 27 – 49.
Prodromou, L. (1995): The backwash effect:
From testing to teaching. – In: ELT Journal,
49(1), S. 13 – 25.
Sundermann, B./ Selter, C. (2006): Beurteilen
und Fördern im Mathematikunterricht:
Gute Aufgaben, differenzierte Arbeiten,
ermutigende Rückmeldungen. Cornelsen
Scriptor.
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