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DA.ZWISCHEN
MUSIK ERLEBEN – ERLEBEN VERMITTELN
INTERINSTITUTIONELLE-INTERDISZIPLINÄRE-INTERMEDIALE
ARBEITSTAGUNG DER MUSIKPÄDAGOGIK 12.-13. MAI 2023
TAGUNGSBAND
SUSANNE NAUMANN & NORA-ELISABETH LEINEN-PETERS (HG.)
INHALT
Einführung .................................................................................................................................................................. 2
Zwischen Freiheit und Erziehung – Ästhetische Bildung im Spiel (Susanne Naumann, Hamburg) ....... 6
Anreize des Musizierens: Perspektiven erwachsener Hobbymusiker*innen und 15-16-jähriger
Instrumentalschüler*innen sowie Schulmusikstudierender im Vergleich (Anna Merz,
Weimar)……………………………………………………………………………………………..............................11
Improvisation und kulturelle Bildung in der Musikpädagogik (Charlotte Fröhlich, Basel) .................... 23
Play-Score Experience (Yvonne Dombrowski, Hamburg) ........................................................................... 29
Nebenräume – Ein künstlerisch-wissenschaftlicher Workshopbericht (Helene Niggemeier, Johanna
Nagy, Nora Leinen-Peters, Leipzig) ................................................................................................................... 31
Freiheit und Spaß – eine explorative Studie zu kreativen und performativen Übertragungsprozessen
(Annalouise Falk, Münster) .................................................................................................................................. 39
Das Zwischen mit musikalischen Improvisationen erforschen Konzeption und Reflexion eines
Workshops (Maximilian Piotraschke, Rostock) ............................................................................................. 41
Handwerkskoffer Tanz und Bewegung (Marlen Schumann, Leipzig) ........................................................... 48
Biographisches ........................................................................................................................................................ 49
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EINFÜHRUNG
Im März 2022 trafen sich in Hannover 4 Musikerinnen und Musikpädagoginnen der Disziplinen
elementare Musikpädagogik, Rhythmik und Schulmusik, um über Schnittmengen und Differenzen ihrer
(musik-)pädagogischen Intentionen und Forschungsansätze nachzudenken. Aus diesem ersten Funken
des Interesses erwuchs schnell ein Feuerwerk an Ideen. Konstrukte und Konzepte wie:
Mediopassivität, Flow, Ästhetische Wahrnehmung und ästhetisches Erleben, Kunsterleben und Spiel,
die als Gegenstände der jeweiligen Forschungsansätze damals aktuell im Fokus brannten, wurden zu
Dreh- und Angelpunkten. Freude und Neugier entzündete sich in den wechselseitig gebotenen
Perspektiven und im (Nochnicht)-Verstehen. Mit jedem neuen Einblick in die Welt des Arbeitens und
Denkens der anderen, verstärkte sich der Wunsch nach einer zukunftsorientierten Zusammenarbeit
– entstand der Impuls zur Arbeitstagung „DaZwischen“, als einem Treffen von Interessierten:
Lehrenden und Lernenden der verschiedenen musikpädagogischen Disziplinen zum produktiven
Austausch und konstruktiven Diskurs.
Ziel der Arbeitstagung war die fachdidaktische Betrachtung sowie die diskursive Einbettung
künstlerischer und kreativer Formate in die Synopse unterschiedlicher Forschungsprojekte und -
ansätze der Fachbereiche Musik, elementare Musik- und Tanzpädagogik, Rhythmik und Darstellendem
Spiel. Inhaltlich eröffneten die geplanten Formate des Symposiums das Spannungsfeld zwischen dem
Erleben und der Inszenierung ästhetischer Erfahrungsräume – aus musikpraktischer, pädagogischer,
psychologischer und künstlerischer Perspektive. Das kreativ-produktive Entfalten der Reibungsfläche
zwischen Wissenschaftlichkeit und Künstlerischer Forschung stand hierbei im Fokus.
Im Dazwischen von Ästhetischem Erleben oder Widerfahren ästhetischer Ereignisse, von passiver
Aktivität oder aktiver Passivität, einer „Mediopassivität“1 oder des Sich-Verlierens im Spiel emergiert
eine Dritte Instanz, eine Sphäre der Ambivalenz und konstitutiven Unbestimmbarkeit. Dieses Dritte
fungierte in den kreativen und diskursiven Räumen der Tagung als Impuls und Anknüpfungspunkt, um
in den Spannungsfeldern Wissenschaft und Kunst, Bildung und Didaktik, Erleben und Erleben vermitteln,
den Diskurs zu eröffnen.
Ein wesentliches Anliegen der Veranstalter*innen war es, ästhetisches Erleben als Referenz und
Movens der didaktischen und wissenschaftlichen Diskussionen zu inszenieren, die dieses Erleben
1 Rosa, Hartmut (2019): Spirituelle Abhängigkeitserklärung. Die Idee des Mediopassiv als Ausgangspunkt einer radikalen
Transformation, in: Dörre, K/ Rosa, H./ Becker, K./ Bose, S./ Seyd, B. (Hg.): Große Transformation, Zur Zukunft moderner
Gesellschaften. Sonderband des Berliner Journals für Soziologie. Wiesbaden: Springer VS, S. 35-55.
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unmittelbar aufgriffen. Als stets begleitendes und tragendes Motiv erwies sich die Frage nach der
inneren Disposition derer, die ästhetisch erleben. Es scheint unentscheidbar und unbestimmbar, ob
ästhetisches Erleben eine aktive oder passive Disposition des Subjektes provoziert und welches
Verhältnis Subjekte zu jener Situation oder welche Position sie innerhalb dieser dritten Instanz finden
können.
Der Soziologe Hartmut Rosa entfaltet beispielsweise in Bezug auf den Tangotanz den Gedanken, dass
der Tanz als ein Drittes emergiert und zwischenzeitlich nicht mehr klar ist, welche*r der beiden
Partner*innen eigentlich entsprechende Impulse sendet und, ob diese nicht sogar von dem Tanz
ausgehen. Dieses Zwischenphänomen, das wir mit „Mediopassivität“ beschreiben, lässt sich im
musikpädagogischen Diskurs. beispielsweise als spezifische Erfahrung des Involviertseins in die Musik
– z.B. beim Improvisieren – finden, die uns auffordert, in einer bestimmten Weise zu reagieren
(Figueroa-Dreher 2016, Weber, 2020), oder zeigt sich als Moment des “künstlerischen Musizierens”
(Dartsch, 2019). Der Philosoph Martin Seel bietet aus ästhetischer Perspektive mit seinen Thesen zur
aktiven Passivität Anhaltspunkte für unsere Forschung. Mit aktiver Passivität meint Seel eine Haltung
des Dazwischen, die es dem Menschen erlaubt, sich im positiven Sinne von Personen oder Sachen
bestimmen zu lassen und dadurch einen Selbstzuwachs zu erfahren.2 Der mediopassive oder auch
aktiv-passive ästhetische Zustand des Dazwischen entzieht sich der Kontrolle und verläuft kontingent.
Ästhetischer Unterricht – oder Unterricht in Ästhetik – kann als eine Abfolge von Situationen
verstanden werden, die durch Unvorhersehbares und Ungeplantes geprägt, kreatives Handeln (Joas
1996) 3, oder auch improvisiertes Handeln (Bertram 2021) 4 erfordert. Stefan Orgass (2007) 5
beschreibt rekurrierend auf Joas das Improvisieren als den Umgang mit Herausforderungen. Weiter
ist Improvisation als gängige Musikpraxis Teil formaler wie non-formaler musikalischer
Bildungsprozesse (EMP, Community Music, schulischer Musikunterricht). Vor dem Hintergrund
inklusiver Anforderungen an Kulturelle Bildung rückt die Bedeutsamkeit des Gemeinsamen (Feuser
2013; Weber 2020)6 im musikalischen Lernen in den Vordergrund, damit einhergehend die Teilhabe
an der musikalischen Gestaltung sowie die sozialen Beziehungsgeflechte und eine improvisatorische
Handlungskompetenz.
Eine mediopassive Einstellung erweist sich, so die These, als günstig um situationssensitiv in diesem
Sinne improvisierend handeln resp. auch musizieren zu können. Mediopassives Musizieren als
elementarer Unterrichtsgegenstand ist Voraussetzung für das Entwickeln improvisatorischer
2 Seel, M. (2014): Aktive Passivität: Über den Spielraum des Denkens, Handelns und anderer Künste. Berlin: Fische
3 Joas, H. (1996).Die Kreativität des Handelns. Frankfurt am Main: Suhrkamp
4 Bertram, Georg W.; Rüsenberg, Michael (2021). Improvisieren! Lob der Ungewissheit. Reclam
5 Orgass, S. (2007). Musikalische Bildung in europäischer Perspektive. Entwurf einer Kommunikativen Musikdidaktik
(FolkwangStudien, hg. von Stefan Orgass und Horst Weber, Band 6), Hildesheim u. a. 2007
6 Feuser, G. (2013c): »Die Kooperation am Gemeinsamen Gegenstand« - eine Entwicklung induzierendes Lernen. In: Feuser, G. &
Kutscher, J. (Hrsg.): Entwicklung und Lernen. Bd. 7 des Enzyklop. Hdb. der Behindertenpädagogik: Behinderung, Bildung,
Partizipation. Stuttgart, 282-293
Weber, M. (2020). Musikalische Improvisation im Kontext inklusiver Pädagogik. Köln: Allitera Verla
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(musikalischer) Handlungskompetenz. Daraus ergibt sich die zentrale Fragestellung: Wie muss
Unterricht gestaltet sein, der mediopassives Musizieren intendiert? Im Kontext dieser und weiterer
Fragestellungen werden aktuelle und im Entstehen begriffene didaktische Ansätze und Modelle auf
dem Symposium diskutiert – und erfahren.
Es zeigte sich, dass sich entscheidende Merkmale und Wesenszüge des Dazwischen, als eine dritte
Instanz, als ästhetische Dimension der Mediopassivität und Ambivalenz mit Konzepten und Modellen
des Spiels erklären und (musik)didaktisch inszenieren lassen.
„Der Erkenntnisprozeß im Spiel ist kein primär kognitiver, an Begriffen orientierter, sondern
‚pathisch‘ – also ein Erkenntnisprozeß, der aus dem Miteinander von Stimmung, Affekten, B ewe gung ,
Wahrnehmung aller Sinne im Umgang mit dem, womit gespielt wird, zustande kommt. […] Spielen
ist demnach weder aktiv noch passiv, sondern medial: es geschieht in einem ‚Zwischen‘; d a s
Geschehen selbst ist das Zwischen.“7
Im Spiel artikuliert sich eine Ambivalenz zwischen Wirklichkeit und Scheinwelt, Absicht und
Absichtslosigkeit, Zweck und Zwecklosigkeit, Sinn und Sinnlosigkeit, Freiheit und Regelhaftigkeit.
„Spiel“ wird im pädagogischen Kontext als lernförderlich beschrieben, entzieht sich jedoch der
Didaktisierbarkeit – eben, weil weder Ernst, Intention oder Zweck des Spiels fixierbar ist, ohne
dessen konstitutive Widersprüchlichkeit preiszugeben. Spiel bedeutet Hingabe an die uneigentliche
Wirklichkeit, an die Als-Ob-Welt. Nur, wenn diese Hingabe ernstgemeint ist, lebt das Spiel. Das Spiel
verwickelt Subjekte und Objekte in ein unauflösliches “Dazwischen“ als ästhetischer Form und
Funktion:
„So wird nun deutlich, wie im heiligen Ernst des Spiels als doppeltes Verhältnis des Subjekts zum
Spiel, als Ernstnehmen und reflexives Nichternstnehmen des Nicht-Ernstes, gerade das Spiel als
Sinnzusammenhang entsteht: Ihm wird gerade in einer Operation der wissenden Distanzierung zum
Spiel ein Sinn gegeben, in dem dieses als Unwirklichkeit wirklich gemacht wird. Mit dieser
unwirklichen Wirklichkeit wird etwas als ‚suspendierte Illusion‘ hervorgebracht, das den Spieler
unfreiwillig in einen Bann ziehen kann […] Gerade aber jenes sinnkonstitutive Bannen des Subjektes
im Spiel bleibt in seiner Letztbegründung grundlos.“8
Dazwischen: was passiert in den Zwischenräumen von Dichotomien und Polaritäten wie z.B. Aktivität-
Passivität, Bewegung-Stillstand, Stille-Klang, Tun und Lassen, Ordnung und Chaos? Welche
Konsequenzen haben diese Ambivalenzen und Unbestimmbarkeiten für die ästhetische Bildung und
Vermittlung?
Die wissenschaftlichen und künstlerischen Veranstaltungsformate boten Einsichten in die
Zwischenräume und Nebenräume der verschiedenen musikpädagogischen Disziplinen. Die Angebote
7 Baatz, Ursula (1993): Das Spiel ist Ernst, der Ernst ist Spiel. Ein Versuch über unendliche Spiele. In: Baatz, Ursula/ Müller-Funk,
Wolfgang (Hg.) (1993): Vom Ernst des Spiels. Über Spiel und Spieltheorie. Berlin: Reimer Verlag, S. 13.
8 Wittig (2012) in Strätling (Hg.) (2012), S. 176.
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umfassten einerseits Gruppenimprovisationen, Warm-ups und Jam-Move-Sessions (Johanna Nagy/
EMP/ Rhythmik), andererseits Vorträge und Diskussionen sowie praxisorientierte Workshops.
Beiträge zu mediopassivem Musizieren als Gegenstand und Modell für künstlerische und
inklusionsorientierte Musizierpraxis (Peters/ Niggemeier), sowie der Interdependenz von
Improvisation und Beziehungsqualitäten (Fröhlich) und thematisierten das Musikalische, das sich
zwischen Menschen – in Formen musikalischer Interaktion artikuliert. In den Workshops „Play
Scores“ (Dombrowski), „Musikalische Nebenräume“ (Peters/Nagy/Niggemeier) und
„Handwerkskoffer: Tanz und Bewegung“ (Schumann) inszenierten die Forscher*nnen konzeptionelle
Erfahrungsräume, die eine Verschiebung und sogar Entortung in Bezug auf das Subjektsein im Raum
des Musikalischen provozierten. Für die Teilnehmenden entstanden auf diese Weise Reflexionsräume
zwischen der eigenen fachlichen Spezifik – Methodik und Didaktik – und dem Raum des musikalischen
Miteinanders. Im Spiel, im Medium von Musik, Tanz und Bewegung entspann sich eine
Wechselseitigkeit zwischen Darstellung und Dekonstruktion, zwischen Innehalten und Impuls –
zwischen Freiheit und Bestimmung. Jene Ambivalenz, die im Fühlen als Metaxy zwischen Menschen
und Musik (Piotraschke) emergiert, die sich zugleich in Stille und Resonanz entfaltet (Besse) oder
deren Kontingenz als heilsame Ressource fruchtbar werden kann, bildet den Kern, das Movens - und
die Lust, Ästhetisches zu vermitteln. Es war das Anliegen der Arbeitstagung, den Diskurs im
ästhetischen und musikalischen Raum des Unentscheidbaren und Unbestimmbaren zu eröffnen und
dieses Feld mehrperspektivisch zu beleben. Den Auftakt zur Tagung bot ein Impulsvortrag zur
Ästhetischen Bildung im Spiel (Naumann). Im Kontext des Widerspruchs von Freiheit und Erziehung,
wurden in Anknüpfung an Friedrich Schiller und dessen Konzept ästhetischer Bildung, didaktische
Fragen aufgeworfen, die den ästhetischen Zustand des Dritten als ambivalenten Nullzustand der
Freiheit der Kunst – jenseits von Verzweckung, Pädagogisierung und identifizierender
Sinnzuschreibung aufzugreifen suchen: als ein Impuls für die Didaktik ästhetischer Bildung.
Nora Leinen-Peters/Susanne Naumann
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ZWISCHEN FREIHEIT UND ERZIEHUNG – ÄSTHETISCHE BILDUNG IM SPIEL
(Susanne Naumann, Hamburg)
„Is` doch nur Spiel, sagt das Kind und schneidet Muster ins Geschichtsbuch der Schwester.“
„Is` doch nur Spiel, sagt die Geliebte und bindet ihr Gegenüber an den Feuermelder.“
„Is` doch nur Spiel, sagt das Zahnrad und greift vergeblich nach der Kette.“
Spiel kann als elementares Phänomen des Menschseins beschrieben werden. Ob als Kinder-, Liebes-,
Kampf-, oder Rollenspiel – es scheint, dass alles Menschengedachte und Menschengemachte in
Verbindung zu dem steht, was als „Spiel“ bezeichnet werden kann.9 Erstaunlich ist, dass das Spiel
ungeachtet dessen im Umgangssprachlichen und Alltäglichen als Nebensächlichkeit oder Unernst
latent Abwertung erfährt. Is‘ doch nur Spiel!
Zudem zeigt sich, dass das Spiel in einer so selbstverständlichen und untrennbaren Weise mit allem
Menschsein und Menschwerden verwoben ist, dass es nicht gelingen kann, das Spiel in seiner vollen
Bedeutung zu erfassen.10 Möglicherweise verhindert eben diese genuine Durchdringung aller Aspekte
und Dimensionen des Denkbaren eine explizite Sicht auf das Spiel – als verschwände das „Spiel“ in
jenem Moment, da es in seiner Fülle und Vielgestalt als Wirklichkeit ernst genommen würde und seine
Funktion als Widerpart zum eigentlichen Leben einbüßte.
„Das Spiel lässt sich nicht verneinen. Nahezu alles Abstrakte kann man leugnen: Recht, Schönheit,
Wahrheit, Güte, Geist, Gott! Den Ernst kann man leugnen, das Spiel nicht.“11
Johan Huizinga verweist in „Homo ludens“ darauf, dass das Spiel nicht nur ein kulturelles Phänomen
unter vielen, sondern dass vielmehr alles Kulturelle auf das Spiel zurückzuführen sei. Kennzeichnend
für das Spiel und das Spielerische, das sich in den unterschiedlichsten Bereichen menschlichen Lebens
zeigt, ist seine Ambivalenz – sein Dazwischen. Spiel gehört weder der gewöhnlichen Welt an, noch ist
seine Wirklichkeit Illusion. Einerseits muss das Spiel vom Nicht-Spiel unterscheidbar sein, um als
solches zu existieren, andererseits ist seine Echtheit und Ernsthaftigkeit unabdingbar.
„Spielen ist nur in einer paradoxen Situation möglich. Einerseits setzt es voraus, daß zwischen dem,
was Spiel ist, und dem, was nicht Nicht-Spiel ist, unterschieden werden kann. Andererseits ist das
Spiel erst wirklich Spiel, wenn der Spieler davon völlig ergriffen wird, wenn er „ernsthaft“ spielt. Dies
ist aber nur der Fall, wenn die Unterscheidung zwischen Spiel und Ernst mindestens für den Moment
aufgehoben ist.“12
9 Vgl. Bilstein, Johannes; Winzen, Matthias; Wulf, Christoph (Hg.) (2005): Anthropologie und Pädagogik des Spiels. Weinheim: Beltz
(Beltz Pädagogik, 15).
10 Fritz (2004), S. 11. Vgl. auch Bilstein, Johannes; Winzen, Matthias; Wulf, Christoph (Hg.) (2005): Anthropologie und Pädagogik des
Spiels. Weinheim: Beltz, S. 7.
11 Huizinga, Johan (1938): Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel.Berlin: Rowohlt. (22. Auflage), S.11.
12 Baatz, Ursula/ Müller-Funk, Wolfgang (Hg.) (1993): Vom Ernst des Spiels. Über Spiel und Spieltheorie. Berlin: Reimer Verlag, S. 12.
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Nach Klager wirken weitere Ambivalenzen für die Existenz des Spiels konstitutiv. Das Spiel müsse
frei sein von äußeren Zwecken und Notwendigkeiten, bleibe aber auf die reale Welt bezogen und auf
ein verbindliches Regelwerk angewiesen, dass es jedoch von der äußeren Welt abgrenze.13 Spiel
beschreibe eine geschlossene Rahmenhandlung, die Anfang und Ende aufweist – dennoch ist sein
Verlauf ist unbestimmbar und sein Potential an Sinn unendlich. Spiel wird von dem unterschieden,
was es nicht ist. Die Struktur des Spiels sowie die Ästhetik des Spiels heben sich von der realen Welt
ab. Welt und Spielwelt sind unterscheidbar und zugleich untrennbar. Es bleibt „in merkwürdiger
Weise abseits von allen übrigen Gedankenformen“ 14 , getrennt vom „gewöhnlichen“ und
eigentlichen“ Leben und artikuliert eine „Als-ob-Welt“.15 Die Ambivalenz der Grenzziehung und
Bezogenheit beider Sphären zueinander gründet die (ästhetische) Form des Spiels als Spiel. „Spiele
sind Wirklichkeiten, in denen es – bei aller inhaltlicher Verschiedenheit – um die Wirklichkeit der
Wirklichkeit geht.“16
Während Spieltheorien, wie beispielsweise der Mathematik oder Soziologie, das Spiel als Raum für
bestimmte Entscheidungssituationen untersuchen, beleuchten „Theoretiker des Spiels“ 17 die
Bedeutung des Spiels als ästhetische Form und Funktion für eine spezifische inhaltliche Sphäre. Diesen
Theorien des Spiels gemein sind Einsichten über die grundsätzlichen Dimensionen Spiels, die sich in
allen untersuchten inhaltlichen Sphären und Disziplinen aufweisen lassen. Spiel vollzieht sich zum
einen in einer geschlossenen Sphäre, in der Endlichkeit eines Spielfeldes. Dies kann ein Kunstwerk,
eine Sprache oder auch ein Hörereignis sein. Des Weiteren beruht Spiel auf einem verbindlichen
Regelsystem – auf Spielregeln, die für alle gelten, die sich dem Spiel zugehörig fühlen und eingebunden
sein wollen. Die dritte der Dimensionen der Spielhandlung bzw. der Spielenden verbindet einerseits
die inhaltliche Sphäre mit den Spielregeln und bringt andererseits das Spiel als solches hervor.
„Spiele erzeugen Welten und Menschen“.18
Diese Dimensionen, Zuschreibungen und Merkmale finden sich bereits in den „Briefen über die
ästhetische Erziehung des Menschen“ von Friedrich Schiller (1795).19 Nach Schiller verbinden sich Im
Spiel entgegengesetzte Triebe des Menschen. Der Stofftrieb bringt die natürlichen, physischen
Notwendigkeiten des Menschen zum Ausdruck, während der Formtrieb die Vernunft und den Geist
sprechen lässt, zur Kunst befähigt ist und sich den Gesetzen der Natur nicht ohne Einspruch
unterwerfen will.
13 Klager, Christian (2016): Spiel als Weltzugang, S. 34.
14 Ebd., S. 15.
15 Ebd., S. 16.
16 Schäfer, Alfred/ Thompson, Christiane (Hg.) (2014): Spiel. Paderborn: Schöningh Verlag, S. 10.
17 Klager, Christian (2016): Spiel als Weltzugang, S. 16.
18 Bilstein, Johannes; Winzen, Matthias; Wulf, Christoph (Hg.) (2005): Anthropologie und Pädagogik des Spiels. Weinheim: Beltz
(Beltz Pädagogik, 15), S. 7.
19 Schiller, Friedrich (1795): Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. http://docplayer.org/26351235-
Ueber-die-aesthetische-erziehung-des-menschen-in-einer-reihe-von-briefen-1.html. [zuletzt aufgerufen am 06.09.2021].
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„Der Mensch, wissen wir, ist weder ausschließend Materie, noch ist er ausschließend Geist. Die
Schönheit, als Konsumation einer Menschheit, kann also weder ausschließend bloßes Leben sein, wie
von scharfsinnigen Beobachtern, die sich zu genau an die Zeugnisse der Erfahrung hielten, behauptet
worden ist, und wozu der Geschmack der Zeit sie gern herabziehen möchte; noch kann sie
ausschließend bloße Gestalt sein, wie von spekulativen Weltweisen, die sich zu weit von der Erfahrung
entfernten, und von philosophierenden Künstlern, die sich in Erklärung derselben allzu sehr durch
das Bedürfnis der Kunst leiten ließen, geurteilt worden ist. Sie ist das gemeinschaftliche Objekt beider
Triebe, das heißt des Spieltriebs.“20
In der Verbindung von Stofftrieb und Formtrieb im Spieltrieb erkennt Schiller Motiv und Zweck der
Zivilisation und die Möglichkeit, den Menschen ästhetisch – sich-bildend – zur Vervollkommnung zu
führen. Schiller warnt vor einer einseitigen Ausprägung jedes der Triebe: „Aus dem Natursohn wird,
wenn er ausschweift, ein Rasender; aus dem Zögling der Kunst ein Nichtswürdiger.“21 Spielen kann
der, der beide Triebe in sich vereint: d.h., der sich von der Realität der Begierden und Notwendigkeit
lossagt, um in die Sphäre des Ästhetischen und Schönen zu gelangen.22 Der Spieltrieb entfaltet sich in
der Sphäre des Kulturellen, Zivilisatorischen – einer Ebene der Auseinandersetzung, die zwischen
Natur und Kunst entsteht. Casale drückt Schillers These so aus: „Spiel ist die transzendentale
Bedingung der moralischen und ästhetischen Zivilisierung des Menschen.“23
Die wechselseitige Verbindung von Formtrieb und Stofftrieb im Spiel konstituiert eine Ebene
ästhetischer Objektivität - einen Raum der Vermittlung. Diesen Raum beschreibt Schiller als ein
Dazwischen, das „weder Sphäre des Notwendigen noch der moralischen Forderung“ ist, sondern ein
„ästhetischer Zustand“, eine „mittlere Stimmung“ oder auch „freie Stimmung“.24 In dieser Sphäre
sind Sinnlichkeit und Vernunft zugleich tätig. 25 Die Aufhebung der Grundbedürfnisse, der sich
ergänzenden und zugleich widersprechenden Triebe, führt in diese dritte Sphäre, abseits der Triebe
und zur Selbstbestimmung des Menschen. Der ästhetische Zustand, der sich im Spiel einstellt und nur
im Spiel erreicht werden kann, ermöglicht die Freiheit der Bestimmung.
„Durch die ästhetische Kultur bleibt also der persönliche Wert eines Menschen oder seine Wü rd e ,
insofern diese nur von ihm selbst abhängen kann, noch völlig unbestimmt, […], als daß es ihm
nunmehr von Natur wegen möglich gemacht ist, aus sich selbst zu machen, was er will – daß ihm die
Freiheit, zu sein, was er sein soll, vollkommen zurückgegeben ist.“26
Der ästhetische Zustand kann daher als ein inhaltlicher Nullzustand betrachtet werden, der die
Freiheit des Menschen ermöglicht: „nicht die Freiheit von jeder Bestimmung […], sondern Freiheit
20 Schiller (1795), S. 29.
21 Ebd., S.7.
22 Neuenfeld, Jörg (2005): Alles ist Spiel. Zur Geschichte der Auseinandersetzung mit einer Utopie der Moderne. Würzburg:
Königshausen&Neumann, S. 47.
23 Casale (2005, S. 24) weist darauf hin, dass Schiller Kultur und Zivilisation nicht klar trennt.
24 Schiller zitiert von Henschel, S. 37.
25 Ebd., S. 37.
26 Ebd., S. 38.
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zu jeder Bestimmung, die Eröffnung unbegrenzter Möglichkeiten zur Wahl einer Bestimmung.“27 Mit
dem ästhetischen Zustand beschreibt Schiller ein Ideal, das nicht erreicht werden kann. Dies betrifft
auch das „Ideal-Schöne“ jener Gegenstände, an denen und mit denen der Spieltrieb erfahren und
gelebt werden kann.28
„Der Gegenstand des sinnlichen Triebes, in einem allgemeinen Begriff ausgedrückt, heißt Leben in
weitester Bedeutung; ein Begriff, der alles materiale Sein und alle unmittelbare Gegenwart in den
Sinnen bedeutet. Der Gegenstand des Formtriebes, in einem allgemeinen Begriff ausgedrückt, heißt
Gestalt, sowohl in uneigentlicher als in eigentlicher Bedeutung; ein Begriff, der alle formalen
Beschaffenheiten der Dinge und alle Beziehungen derselben auf die Denkkräfte unter sich faßt. Der
Gegenstand des Spieltriebes, in einem allgemeinen Schema vorgestellt, wird also lebende Gestalt
heißen können; ein Begriff, der allen ästhetischen Beschaffenheiten der Erscheinungen und, mit einem
Worte, dem, was man in weitester Bedeutung Schönheit nennt, zur Bezeichnung dient.“29
Ein ideales Kunstwerk von „ästhetischer Reinheit“ ist eines, was „die Stimmung und die Richtung des
Gemüts, auf das es einwirkt, am wenigsten einschränkt.“ 30 Eine inhaltliche Bestimmtheit eines
Gegenstandes entzöge diesen der ästhetischen Reinheit und Unbestimmtheit. Somit kann nach
Schiller eine Ästhetische Erziehung keine inhaltliche Zielbestimmungen zulassen – sie muss die Freiheit
zur Selbstbestimmung erhalten und ermöglichen.
„Der ästhetische Gegenstand dient demnach weder der Erkenntnis noch der Moral, er verhält sich
jeder Fremdbestimmung gegenüber völlig ‚indifferent und unbrauchbar‘.“31
Spiel findet demzufolge jenseits von Realität und Vernunft statt. Es wendet sich ab von
Sinnzuschreibungen und Verzweckungen. Dies gilt besonders für die spezifischen Gegenstände
ästhetischer Erziehung: der Kunst. Das Ideal-Schöne gilt für Schiller als eine notwendige Bedingung des
Menschseins. Schiller gebraucht daher „Erziehung“ und „Ästhetische Erziehung“ synonym. „[…] der
Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch,
wo er spielt.“32 Für die Perspektive der (Musik)didaktik ergibt sich jedoch aus diesen Überlegungen
ein Dilemma. Nach Schiller findet ästhetische Erziehung in der Sphäre des Spiels statt, dem die
Bedürfnisse der Physis und des reinen Geistes entzogen sein müssen, um die Freiheit zur Bestimmung
im ästhetischen Zustand entfalten zu können. Damit wird dem Spiel jene Realität entzogen, die sich
im Spiel eigentlich vermitteln müsste, um der Idee der Verschränkung der beiden Triebe, die Schiller
postuliert, gerecht zu werden.33 Tritt an die Stelle der inhaltlichen Bestimmung, von der aus Spielende
sich im Spiel zu befreien suchen, eine Leerstelle, erlischt das Spiel, das zur Freiheit führen soll. Der
Spieltrieb ist auf die Vermittlung des Stofflichen und des Denkens der Form angewiesen. Diese
27 Ebd., S. 38.
28 Vgl. 16. Brief, Schiller (1795).
29 Schiller (15. Brief) zitiert von Henschel, S. 37.
30 Henschel, S. 38.
31 Ebd. S. 38.
32 Schiller zitiert von Henschel, S. 37.
33 Neuenfeld, S. 47f.
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Dimensionen sind sein Gehalt und ihr Widerstreit sein Beweggrund. Das Dilemma der
(Musik)Didaktik besteht darin, dass inhaltliche Bestimmungen als Voraussetzung für die Möglichkeit
ästhetischer Erziehung zu erachten sind – und dass diese Voraussetzung – die inhaltliche Bestimmung
des Ästhetischen – zugleich die ästhetische Erziehung unmöglich macht. So kann auch Schiller
verstanden werden, der meint, „daß eine ästhetische Erziehung nicht auf einer […] schönen
lehrenden (didaktischen) oder bessernden (moralischen) Kunst beruhen könne, […] denn nichts
streitet mehr dem Begriff der Schönheit, als dem Gemüt eine bestimmte Tendenz zu geben.“34
Dies wirft die Frage auf, wie die Verbindung der Triebe didaktisch gedacht werden könnte – wie das
Spiel als ästhetische Form und Funktion für die Musikalische Bildung und Erziehung fruchtbar werden
kann. Es ist die Frage nach dem Dazwischen des Spiels als dritter Instanz zwischen (musikalischer)
Welt und (musikalischer) Idee, zwischen Sein und Sein-Wollen, Aktivität und Passivität, entschiedener
Unentscheidbarkeit – als einem didaktischen Raum, der aufs Spiel gesetzt werden kann – darf und
soll.
Literatur:
Fritz, Jürgen (2004): Das Spiel verstehen. Eine Einführung in Theorie und Bedeutung. Weinheim: Juventa-Verl.
(Grundlagentexte soziale Berufe).
Hentschel, Ulrike (2010): Theaterspielen als ästhetische Bildung. Über einen Beitrag produktiven künstlerischen Gestaltens
zur Selbstbildung. [3. Aufl.]. Berlin: Schibri-Verl.
Huizinga, Johan; Nachod, H; Flitner, Andreas (201122): Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. 22. Aufl.
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl. (Rororo Rowohlts Enzyklopädie, 55435).
Klager, Christian (2016): Spiel als Weltzugang. Philosophische Dimensionen des Spiels in methodischer Absicht. 1. Aufl.
Weinheim: Beltz Juventa.
Neuenfeld, Jörg (2005): Alles ist Spiel. Zur Geschichte der Auseinandersetzung mit einer Utopie der Moderne. Würzburg:
Königshausen & Neumann
Scheuerl, Hans (1954/ 1965 – 4./5. Aufl.): Das Spiel. Untersuchungen über sein Wesen, seine pädagogischen
Möglichkeiten und Grenzen. Weinheim: Beltz
Schiller, Friedrich (1795): Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen.
http://docplayer.org/26351235-Ueber-die-aesthetische-erziehung-des-menschen-in-einer-reihe-von-briefen-1.html.
[zuletzt aufgerufen am 06.09.2021].
Weiß, Gabriele: Sich verausgabende Spieler und andere vereinnahmende Falschspieler. Das Spiel zwischen
Möglichkeit und Wirklichkeit in ästhetischen Lebensformen. In: Strätling (Hg.) (2012),
Strätling, Regine (Hg.) (2012): Spielformen des Selbst. Das Spiel zwischen Subjektivität, Kunst und Alltagspraxis. Bielefeld:
transcript Verlag.
34 Schiller zitiert von Henschel, S. 38.
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ANREIZE DES MUSIZIERENS: PERSPEKTIVEN ERWACHSENER HOBBYMUSIKER*INNEN UND
15-16-JÄHRIGER INSTRUMENTALSCHÜLER*INNEN SOWIE SCHULMUSIKSTUDIERENDER IM
VERGLEICH
(Anna Merz, Weimar)
Die Musikszene in Deutschland blüht – das zeigt jedenfalls ein Blick auf den Musikatlas des
Deutschen Musikinformationszentrums (Deutsches Musikinformationszentrum, 2023). Zur Vielfalt
der deutschen Musikszene tragen auch Hobby-, Amateur- oder Freizeitmusizierende bei, zu denen
sich 15,7 Prozent der Bürger*innen ab 16 Jahren zählen (Deutsches Musikinformationszentrum,
2021). Musiziert wird an verschiedenen Orten (z. B. zu Hause oder in der Kirche), bei
verschiedenen Veranstaltungen (z. B. Brauchtumsveranstaltungen) und in verschiedenen Ensembles
(z. B. in Bands, Sinfonieorchestern, Blasorchestern) (ebd.). Um dieses Musizieren möglich zu
machen, müssen teilweise teure Instrumente angeschafft und viel Zeit in das Üben sowie
Ensembleproben investiert werden. Zudem nehmen einige Hobbymusiker*innen35 Instrumental-
oder Gesangsunterricht an einer Musikschule, Volkshochschule oder bei einer Privatlehrkraft. Die
Musikschule ist dabei längst kein Ort mehr, der nur Kindern und Jugendlichen vorbehalten ist. Die
Anmeldungen von Erwachsenen jeden Alters (Deutsches Musikinformationszentrum, 2023) zeigen,
dass Möglichkeiten zur (Weiter-) Entwicklung am Instrument bzw. der Stimme ein Leben lang
genutzt werden. Doch was motiviert Erwachsene zum Musizieren?
Bisherige Forschungsergebnisse legen nahe, dass das Musizieren Anreize für die Motive Leistung,
Macht und Anschluss bietet (Bullerjahn et al., 2017; Lothwesen, 2014; Nowak, 2020; Nowak &
Bullerjahn, 2020; Roth, 2012, 2013, 2018). Als wichtige Komponenten der Motivation beeinflussen
Motive und Anreize die aktuelle Motivation einer Person. Ein Anreiz wird als ein Situationsmerkmal
definiert, „das aufgrund früherer Lernerfahrungen mit der Möglichkeit assoziiert wird, ein Motiv zu
befriedigen und als Folge davon belohnend wirkende Affekte auskosten zu können (Gefühle des
Stolzes, der Stärke, der zwischenmenschliche (sic!) Nähe usw.)“ (Brunstein, 2018, S. 276). Dabei
sollten Anreize nicht als objektive Sachverhalte verstanden werden, sondern vielmehr als subjektiv
wahrgenommene und affektiv bewertete Sachverhalte (Beckmann & Heckhausen, 2018). Subjektiv
wahrgenommen werden Anreize auch aufgrund der individuellen Motive einer Person. David
McClelland, welcher die Motivationspsychologie entscheidend prägte, definiert Motive als „a
recurrent concern for a goal state based on a natural incentive – a concern that energizes, orients,
and selects behavior“ (McClelland, 1987, S. 590). Darüber hinaus werden Motive als individuelle
Merkmale einer Person angesehen, die eine Neigung zeigen „bestimmte Themen oder Gegenstände
positiv oder negativ zu bewerten“ (Vollmeyer, 2005, S. 10). So verwundert es nicht, dass Motive die
35 Da der Amateurbegriff zuweilen negativ konnotiert ist, wird im Folgenden die Bezeichnung Hobbymusiker*innen als Beschreibung
für Personen verwendet, die in ihrer Freizeit (als Hobby) musizieren. Ausgeschlossen werden in dieser Beschreibung Personen, die
ihren Lebensunterhalt überwiegend oder ausschließlich durch das Musizieren verdienen.
DaZwischen 2023 12
SEITE 12
Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, das Fühlen sowie die Bewertung von
Handlungssituationen beeinflussen können und zudem Einfluss darauf haben, welche Anreize in
einer Situation zum Tragen kommen (Langens et al., 2005). Zudem beeinflussen sie, welche Ziele
bzw. Zielzustände verfolgt oder gemieden werden und mit welcher Intensität und (Aus-)Dauer dies
geschieht (ebd.).
Die von Brunstein (s. o.) genannten, belohnend wirkenden Affekte sind Ergebnisse der Befriedigung
des Leistungsmotivs (Gefühl von Stolz), des Machtmotivs (Gefühl von Stärke) sowie des Affiliations-
Intimitätsmotivs (Gefühl von zwischenmenschlicher Nähe).36
Das Leistungsmotiv kann als ein wiederkehrendes Anliegen „sich mit Gütestandards
auseinanderzusetzen und Tüchtigkeitsmaßstäbe zu übertreffen“ (Brunstein & Heckhausen, 2018, S.
178) betrachtet werden, wohingegen das Machtmotiv das Ansinnen darstellt, Einfluss auf andere
Personen zu nehmen (Busch, 2018). Bedacht werden sollte in diesem Kontext, dass sich die
Einflussnahme sowohl auf körperliche Zustände als auch auf Gedanken bzw. Emotionen beziehen
kann (ebd.). Zudem kann zwischen der personalisierten sowie der sozialisierten Macht37
unterschieden werden (McClelland, 1970, 1975).
Das dritte Motiv, das Affiliations-Intimitätsmotiv, lässt sich mittels humanethologischer
Argumentationen in das Affiliations- sowie das Intimitätsmotiv untergliedern (Hofer & Hagemeyer,
2018; Sokolowski & Heckhausen, 2010). Kennzeichnend für Ersteres ist laut Brunstein (2018) das
Streben nach Kontakt und Geselligkeit, wohingegen das Intimitätsmotiv auch als Bindungs- bzw.
Nähe- oder Begegnungsmotiv bekannt ist, da es sich insbesondere auf den engeren Kontakt mit
nahestehenden Menschen bezieht. Da angenommen wird, dass das Affiliationsmotiv und das
Intimitätsmotiv eng miteinander verwoben sind (Hagemeyer et al., 2016; Hofer & Hagemeyer,
2018), werden im Folgenden beide Facetten unter dem Begriff Anschlussmotiv zusammengefasst.
Neben der inhaltlichen Ordnung der Motive kann eine Differenzierung zwischen impliziten sowie
expliziten Motiven vorgenommen werden. Letztere sind laut Heckhausen und Heckhausen (2018, S.
5) „bewusste, sprachlich repräsentierte (oder repräsentierbare) Selbstbilder, Werte und Ziele, die
sich eine Person selbst zuschreibt“, weshalb sie mithilfe eines Fragebogens erfasst werden können
(Brandstätter et al., 2018). Dies trifft auf implizite Motive nicht zu, da diese auf affektiven
Erfahrungen der vorsprachlichen Kindheit beruhen (ebd.) und daher nicht sprachlich repräsentiert
sind. Sie sagen ein spontanes, auf Eigeninitiative beruhendes Verhalten voraus, wohingegen explizite
Motive ein Verhalten voraussagen, welches durch klar identifizierbare Gegebenheiten einer
36 Immer wieder berichten Erwachsene, dass sie einfach aus „Spaß“ musizieren (Klüppelholz, 1989). Spaß wird an dieser Stelle, wie
auch z. B. Gefühle des Stolzes, als Ergebnis motivationaler Bewertungsprozesse begriffen (siehe auch Nowak & Bullerjahn, 2020).
37 Erleben Menschen ein Gefühl von Stärke und Überlegenheit, indem sie andere manipulieren sowie dominieren, spricht man von
personalisierter Macht, wohingegen eine Machtnutzung, durch welche Ziele zum Wohle einer Gruppe erreicht werden bzw. um
andere Personen fördern zu können als sozialisierte Macht bezeichnet wird (Busch, 2018).
DaZwischen 2023 13
SEITE 13
Situation hervorgerufen wird, bewusst reflektiert sowie abgewogen und zudem willentlich
beeinflusst werden kann (Brunstein, 2018).
Das durch die Motivation beeinflusste Verhalten resultiert aus der Interaktion von Motiv und
Anreiz. Anreize werden dabei, je nachdem wie gut die persönlichen Motive einer Person zu diesem
Anreiz passen, unterschiedlich stark wahrgenommen (Vollmeyer, 2005).
FORSCHUNGSSTAND
Bereits in den Jahren 1986 und 1987 befragte Werner Klüppelholz (1989) 119 Erwachsene mittels
eines halbstandardisierten Fragebogens zur Motivation in Bezug auf ihr Instrumentalspiel. Auf die
Frage „Warum nehmen Sie die Mühe des Instrumentalspiels auf sich, wo es doch so viel Musik auf
Schallplatten gibt?“ (Ebd., S. 119) nannten die Erwachsenen u. a. die Beweggründe, „Spaß“,
„Entspannung“, „Selbstbestätigung“, „Geselligkeit, nonverbale Kommunikation“ sowie „soziales
Prestige“. Etwa zehn Jahre später befragte Astrid Reimers (1996) erwachsene Hobbymusiker*innen
(N=525) zu den persönlichen Beweggründen ihrer Ensembleaktivität. Reimers analysierte die
Ergebnisse mittels Faktorenanalyse und eruierte die Beweggründe „musikalische Leistung und
Bildung“, „Geselligkeit“, „Auftritt“, „soziale Aufgaben“, „Freizeit“ und „finanzielle Aspekte“ (ebd.),
berichtete jedoch nicht über eine Überprüfung der Validität der Items und verzichtete zudem auf
eine tiefergehende Analyse der Antworten. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Studien
spielten bei den 2007 von Carol Shansky befragten Hobbymusiker*innen und Profimusiker*innen
soziale Faktoren eine geringere Rolle. Die befragten Erwachsenen musizierten aus Liebe zum
Instrument, wollten durch das Ensemblespiel musikalisch aktiv bleiben, ihr Wissen und ihre
Fähigkeit des Repertoirespiels vertiefen und sich dadurch zusätzlich herausfordern (ebd.). Vergleicht
man diese drei Studien, so lassen sich auf Basis der bereits aufgeführten motivationspsychologischen
Grundlagen u. a. Anschlussanreize (Geselligkeit, nonverbale Kommunikation, soziale Aufgaben),
Machtanreize (soziales Prestige) sowie Leistungsanreize (musikalische Leistung und Bildung,
Herausforderung, Selbstbestätigung) vermuten, aufgrund derer die befragten Erwachsenen
musizieren.
In der Annahme, dass sowohl Musizieren als auch sportliche Gruppenbetätigung in der Freizeit (hier
untersucht am Beispiel des Fußballspielens) Anreize für die Motive Macht, Leistung und Anschluss
bieten, analysierten Jennifer Nowak und Claudia Bullerjahn (2020) Daten von 214
Hobbymusiker*innen (Altersdurchschnitt 41 Jahre38) und 123 Amateurfußballer*innen
(Altersdurchschnitt 38 Jahre), welche Nowak zuvor im Rahmen ihrer Dissertation erhoben hatte
(Nowak, 2020). Ziel der Studie war u. a. die Validierung der ins Deutsche übersetzten Fassung der
„Leisure Motivation Scale“ (Beard & Ragheb, 1983), einem Instrument zur Erhebung von
Freizeitmotivation. Auf Basis ihrer Ergebnisse erklären Nowak und Bullerjahn, dass „für die
38 In die Auswertung gingen Daten von 214 Musiker*innen (44 % weiblich) ein, die angaben, in einem Blasorchester bzw. einem
Musikverejn oder einer Blaskapelle zu spielen (Nowak & Bullerjahn, 2020).
DaZwischen 2023 14
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Motivation in den untersuchten Domanen in erster Linie der Kontakt zu anderen
Vereinsmitgliedern und das gemeinsame Handeln von Bedeutung sind, wovon auf die Wirksamkeit
des Bedürfnisses nach Anschluss ruckgeschlossen wird“ (Nowak & Bullerjahn, 2020, S. 16). Das
Bedürfnis „den individuellen Leistungsstand zu verbessern oder sogar Autonomie zu
erreichen“ (ebd.), war für die befragten Personen weniger wichtig (ebd.).
Einen Fragebogen, der sich explizit auf Anreize des Musizierens bezieht, entwickelte Barbara Roth
(Roth, 2012, 2013, 2018). Die Items des Fragebogens wurden theoriegeleitet konstruiert und lassen
sich den motivations- und willenspsychologischen Kategorien Macht, Leistung, Anschluss sowie
Flow-Erleben39, Emotion und Volition zuordnen. Mit dem Ziel zu überprüfen, welche Anreize für
15-16-jährige Instrumentalschüler*innen (N=44) sowie Schulmusikstudierende (N=44) im Kontext
ihres Übens und Musizierens relevant sind, führte Roth (Roth, 2012) offene Interviews mit den
Zielgruppen durch und erstellte auf Basis der Ergebnisse sowie bestehender Instrumente (Hentsch,
1992; Siebert & Vester, 1990) die „Anreizanalyse des Musizierens“41. Mittels Faktorenanalysen
konnte Roth zeigen, „dass sich Anreizklassen bilden lassen, die weitestgehend den theoretischen
motivations- und willenspsychologischen Grundlagen (Literatur, Expertenrating) entsprechen und
verschiedenste Merkmale des Übens und Musizierens erfassen“42 (Roth, 2018, S. 5). Neben der
Relevanz leistungs-, macht- und anschlussthematischer Anreize eruierte Roth (Roth, 2012, 2013,
2018), dass das Flow-Erleben einer eigenen Klasse von Anreizen angehört und „das genussvolle
Aufgehen in einer Tätigkeit einen zentralen Erlebnisanreiz und ein handlungsleitendes Phänomen
darstellt“ (Roth, 2018., S. 8). Zudem stellt laut Roth die Überwindung zum Üben trotz Unlust eine
eigene Anreizklasse dar (ebd.). Die „Anreizanalyse des Musizierens“ wurde in der Zeitschrift Üben
& Musizieren für den Praxisgebrauch veröffentlicht (Roth, 2020) und kann genutzt werden, um
herauszufinden, „welche Anreize ggf. beim Üben und Musizieren fehlen oder vermehrt gesetzt
werden sollten“ (Roth, 2018, S. 27). In den letzten Jahren wurde die „Anreizanalyse des
Musizierens“ bzw. gewisse Teile der Anreizanalyse in weiteren Studien eingesetzt (Bullerjahn et al.,
2017; Kustermann, 2017). So nutzten Claudia Bullerjahn, Florian Hantschel und Thomas
Hirchenhein (2017) Teile der „Anreizanalyse des Musizierens“ als Vorlage für einen Fragebogen zur
Untersuchung von Anreizen für die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen am Wettbewerb
„Jugend musiziert“. Für die Stichprobe erwiesen sich Anreize aus den Bereichen Anschluss und
Flow als am wichtigsten (ebd.), wobei die Dimension Flow für ältere Proband*innen mit längerer
39 Flow-Erleben: Csikszentmihályi und Schiefele (1993, S. 209) definieren Flow als ein im Wesentlichen „…holistisches, d. h. mehrere
Komponenten umfassendes, Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit.“ Einen Überblick über das Flow-Erleben geben u. a.
Rheinberg & Engeser (2018).
41 Der Original-Fragebogen (Roth, 2012) enthält insgesamt 38 Items zu zweck- und tätigkeitszentrierten Anreizen, welche im
Kontext des Übens und Musizierens wirksam werden können (vgl. Roth, 2018). Diese Items werden von Proband*innen mithilfe
einer 5-stufigen Likertskala bewertet (sehr unwichtig bis sehr wichtig bzw. trifft nicht zu).
42 Roth weist im Kontext ihrer Veröffentlichungen explizit darauf hin, dass es sich bei der „Anreizanalyse des Musizierens“ um ein
Verfahren zur Messung motivationaler Selbstbilder bzw. expliziter Motive handelt und implizite Motive nur mithilfe projektiver oder
semiprojektiver Testverfahren gemessen werden können (Roth, 2018).
DaZwischen 2023 15
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Unterrichtsdauer eine höhere Relevanz besaß als für jüngere Proband*innen bzw. Proband*innen
mit kürzerer Unterrichtsdauer (Bullerjahn et al., 2017, Bullerjahn & Gembris, 2019).
ZIELSETZUNG
Im Gegensatz zur Erhebung von Anreizen des Übens und Musizierens von Kindern und Jugendlichen
stellt die Erforschung von Anreizen ausschließlich erwachsener Hobbymusiker*innen40, welche in
verschiedenen Ensembles musizieren, ein Desiderat dar. Zudem fehlt bislang ein Vergleich zwischen
Kindern bzw. Jugendlichen und Erwachsenen auf Basis desselben Messinstruments.
METHODE
Diese Forschungslücken waren ausschlaggebend für die Durchführung einer querschnittlichen
Surveystudie. Ab Mai 2023 wurden Daten erwachsener Hobbymusiker*innen (N=138) erhoben, die
aktiv in verschiedenen Ensembles41 in den Bundesländern Bayern oder Sachsen musizieren. An der
Befragung nahmen 81 Frauen und 57 Männer teil. Die Proband*innen waren im Mittel 40 Jahre alt
(SD = 14,8). Die jüngsten Proband*innen waren 18 Jahre alt, die älteste Probandin war zurzeit der
Erhebung 76 Jahre alt.
Tabelle 1. Darstellung der Stichprobenzusammensetzung (Instrumentengruppen)
Instrumentengruppen
N
Holzblasinstrumente (Querflöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Saxophon)
51
Blechblasinstrumente (Trompete, Flügelhorn, Waldhorn, Posaune, Tuba, Euphonium, Bariton)
47
Streichinstrumente (Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass)
16
Zupfinstrumente (Zither)
10
Schlaginstrumente 10
Tasteninstrumente (Klavier)
2
Keine Angabe zum Instrument 2
Um etwas über die Anreize des Musizierens erwachsener Hobbymusiker*innen, auch im Vergleich
zu denen von Kindern und Jugendlichen, zu erfahren, wurde die Version der „Anreizanalyse des
Musizierens“ für ältere Instrumentalist*innen (insgesamt 30Items, α = .81) (Roth 2018) eingesetzt.42
Deren Items sowie die aus einer Faktorenanalyse und einem Experten-Rating zusammengefassten
Skalen (ebd.) sind im Folgenden der Übersicht halber tabellarisch abgebildet43:
40 Obwohl es sich bei den von Roth (2012, 2013 2018) untersuchten Schulmusikstudierenden ebenfalls um Erwachsene handelt,
unterscheiden sie sich durch den Grad an Expertise sowie das Ziel, Musik erwerbsmäßig zu nutzen von anderen Erwachsenen.
Zudem repräsentieren Schulmusikstudierende größtenteils die Gruppe der jungen Erwachsenen.
41 Insgesamt wurden die Fragebögen von Musiker*innen aus vier Blasorchestern, einem Zither- sowie einem Sinfonieorchester in den
Pausen der jeweiligen Ensembleproben ausgefüllt.
42 Aufgrund von Anschlussforschungen wurde der Fragebogen um drei weitere Items ergänzt, die für den vorliegenden Aufsatz sowie
in den folgenden statistischen Analysen keine Rolle spielen.
43 Die Nummerierung der Items in Tabelle 2 folgt einer älteren Version der Anreizanalyse, die mehr Items enthielt. In der
Überarbeitung wurden einige Items gestrichen, sodass nur 30 Items (abgebildet in Tabelle 2) übrigblieben, deren ursprüngliche
Nummerierungen in der Tabelle beibehalten wurden.
DaZwischen 2023 16
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Tabelle 2. Darstellung der aus der Faktorenanalyse und dem Experten-Rating zusammengefassten Skalen der „Anreizanalyse des
Musizierens" der 15–16-jährigen Instrumentalschüler*innen sowie Schulmusikstudierenden (N=283) mit zugehörigen Items und
internen Konsistenzen. Adaptiert aus Anreizen des Übens und Musizierens. Entwicklung und Validierung eines Anreizfragebogens für
Instrumentalschülerinnen und -schüler und Schulmusikstudierende, von B. Roth, 2018, S. 19.
Um einen Vergleich zwischen den von Roth befragten 15-16-jährigen Instrumentalschüler*innen
bzw. Schulmusikstudierenden und den erwachsenen Hobbymusiker*innen zu ermöglichen, wurden
in einem ersten Schritt die von Roth (2018) durch Faktorenanalyse gebildeten Skalen und Subskalen
übernommen und Skalenmittelwerte, Subskalenmittelwerte sowie die zugehörigen 95%-
Konfidenzintervalle für die Gruppe der erwachsenen Hobbymusiker*innen gebildet (im Folgenden
Gruppe 2). Im Anschluss wurden diese den jeweils entsprechenden Werten der Gruppe 1 (15-16-
jährige Instrumentalschüler*innen und Schulmusikstudierende) gegenübergestellt.44 Sowohl die
44 Ein besonderer Dank gebührt an dieser Stelle Barbara Roth, welche ihre Daten für eine Berechnung der Konfidenzintervalle
bereitstellte.
15–16-jährige und Schulmusikstudierende
Skala und zugehörige Items
Item-Anzahl
α
Flow & Emotion–Flow (Gesamtskala I)
10
.79
Flow (Skala I, Subskala I): 4, 6, 12, 17, 24, 32
6
.69
Emotion-Flow (Skala I, Subskala II): 7, 22, 27,31
4
.67
4. Innere Ruhe beim Musikmachen zu erleben, ...
6. Alles zu vergessen, wenn die Finger leicht und fast ohne Mühe über das Instrument laufen und alles im Fluss ist, ...
7. Die Anregung der Sinne, z. B. des Gehörs u. die Berührung des Instruments ...
12. Meine Gefühle durch die Musik unmittelbar auszudrücken ...
17. Das Erleben und Üben von Konzentration beim Musizieren ...
22. Aus der Musik Kraft zu schöpfen, ...
24. Voll auf das, was ich spiele, konzentriert zu sein und störende Gedanken, ja sogar Schmerzen ausblenden zu können ...
27. Intensive Glücksgefühle beim Musikmachen zu erleben, ...
31. Das Erlebnis, dass die Gedanken beim Musizieren manchmal direkt in meine/n Finger/Körper fließen u. plötzlich.
alles wie von selbst geht, ...
32. Mich beim Musizieren von Dingen, die mich belasten, angestrengt oder verärgert haben, „freizuspielen“ ...
Leistung (Skala II)
5
.65
1. Das Erleben v. Erfolg, wenn ich ein Stück länger geübt habe und beherrsche, ...
15. Das Gefühl, durch das Üben mehr Kontrolle über mein Spiel zu erlangen, ...
33. Fachliche Kritik und hohe Anforderungen durch Lehrer/in ...
35. Eine/n eigene/n Lehrer/in zu haben, die/der mich fördert, ...
36. Fortschritte auf dem Instrument zu erzielen, ...
Macht, Einfluss–Bühne (Gesamtskala III).
5
.58
Macht (Skala III, Subskala I): 14, 25.
2
.43
Einfluss-Bühne (Skala III, Subskala I): 3, 21, 29
3
.55
3. Auf der Bühne zu stehen und am Ende des Stücks die Anerkennung der Zuhörer/innen zu erhalten …
4. Ähnlich gut zu werden wie andere Musiker/innen, z. B. Lehrer/in, andere Schüler/innen, Profis, ...
21. Lampenfieber vor und während der Konzerte als Herausforderung zu bewältigen ...
25. Andere beim Musikmachen übertreffen zu können, ...
29. Bei den Zuhörer/innen bestimmte Gefühle auslösen zu können ...
Anschluss (Skala IV)
5
.65
2. Beim Musikmachen in der Gruppe akzeptiert zu werden, ...
8. Die wie von selbst funktionierende Verständigung mit anderen Musiker/innen beim gemeinsamen Musizieren ...
20. Das Zusammensein mit anderen beim Musikmachen ...
34. Zu der Gruppe der Menschen, die Musik machen, zu gehören, ...
38. Durch das Musizieren anderen Menschen eine Freude bereiten zu können, ...
Volition (Skala V)
5
.78
5. Trotz Unlust zu üben, um mich musikalisch weiterzuentwickeln, ...
9. Unlust vor dem Üben zu unterdrücken u. nicht aufkommen zu lassen ...
23. Mich zum regelmäßigen Üben zu überwinden, um Persönlichkeit zu festigen,..
28. Üben, um die unangenehmen Folgen des Nicht-Übens zu vermeiden, ...
37. Zu üben und anschließend zu merken, dass es sich lohnt, diesen inneren Kampf zu führen, ...
DaZwischen 2023 17
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Auswertung als auch die Analyse der Daten erfolgte mit der Statistik- und Analysesoftware SPSS
(Version 29).
ERGEBNISSE UND DISKUSSION
Auch wenn ein Vergleich aufgrund der unterschiedlichen Stichprobengrößen (N=283, N=138) mit
Vorsicht behandelt werden sollte, lassen sich anhand der Ergebnisse Tendenzen erkennen.
Tabelle 3. Vergleich der Stichproben (M, SD, Schiefe, Kurtosis)
Skal a
M
SD
Schiefe
Kurtosis
Gruppe
1.
(N=283)
Gruppe 2
(N=138).
Gruppe
1.
(N=283)
Gruppe 2
(N=138).
Gruppe
1.
(N=283)
Gruppe
2.
(N=138)
Gruppe
1.
(N=283)
Gruppe 2.
(N=138)
Flow & Emotion-Flow
(Gesamtskala I) 3,57 3,82 0,74 0,65 -0,68 -0,73 0,54 1,84
Flow
(Skala I, Subskala II) 3,61 3,81 0,79 0,66 -0,92 -0,372 1,32 0,10
Emotion-Flow
(Skala I, Subskala II) 3,51 3,86 0,92 0,68 -0,66 -0,71 0,28 1,4
Leistung (Skala II)
4,18
3,92
0,61
0,58
-0,98
-0,68
0,88
0,74
Macht & Einfluss-Bühne.
(Gesamtskala III) 3,13 3,17 0,79 0,57 -0,55 -0,19 -0,04 0,50
Macht
(Skala III, Subskala I) 2,80 2,56 1,01 0,80 -0,13 0,30 -0,40 -0,24
Einfluss-Bühne
(Skala III, Subskala II) 3,35 3,60 0,97 0,66 -0,65 -0,28 0,03 0,21
Anschluss (Skala IV)
3,71
4,38
0,78
0,43
-0,86
-0,89
0,80
1,00
Volition (Skala V)
2,95
3,06
0,96
0,67
-0,93
-0,17
0,85
0,34
Gruppe 1 = 15–16–jährige Instrumentalschüler*innen und Schulmusikstudierende (N=283).
Gruppe 2 = erwachsene Hobbymusiker*innen (N=138).
Tabelle 4. Vergleich der Stichproben (Konfidenzintervalle, Standardfehler)
Skal a
Konfidenzintervalle (95 %)
Standardfehler
Gruppe 1
(N=283).
Gruppe 2
(N=138).
Gruppe 1
(N=283).
Gruppe 2
(N=138).
Flow & Emotion-Flow (Gesamtskala I)
[3,48; 3,66]
[3,71; 3,93]
0,04
0,06
Flow (Skala I, Subskala II)
[3,51; 3,70]
[3,70; 3,92]
0,05
0,06
Emotion-Flow (Skala I, Subskala II)
[3,41; 3,62]
[3,75; 3,98]
0,05
0,06
Leistung (Skala II)
[4,11; 4,25]
[3,82; 4,02]
0,04
0,05
Macht & Einfluss-Bühne (Gesamtskala III).
[3,04; 3,22]
[3,08; 3,27]
0,05
0,05
Macht (Skala III, Subskala I).
[2,68; 2,92]
[2,43; 2,70]
0,06
0,07
Einfluss-Bühne (Skala III, Subskala II)
[3,23; 3,46]
[3,48; 3,71]
0,06
0,06
Anschluss (Skala IV)
[3,62; 3,80]
[4,31; 4,45]
0,05
0,04
Volition (Skala V)
[2,83; 3,06]
[2,95; 3,18]
0,06
0,06
DaZwischen 2023 18
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Gruppe 1 = 15–16–jährige Instrumentalschüler*innen und Schulmusikstudierende (N=283).
Gruppe 2 = erwachsene Hobbymusiker*innen (N=138).
Der hohe Mittelwert der Flow-Gesamtskala (Skala I) zeigt, dass das Flow-Erleben eine Relevanz für
die befragten erwachsenen Hobbymusiker*innen besitzt. Die höheren Werte der
Konfidenzintervalle der Flow-Gesamtskala (Skala I) sowie deren Subskalen (Skala I Subskala I, Skala I
Subskala II) der Gruppe 2 lassen einen Expertise-Effekt vermuten. Laut Rheinberg und Engeser
(2018) ist es bei speziellen Tätigkeiten aus verrichtungsimmanenten Gründen unwahrscheinlich,
dass bei dem Aufeinandertreffen geringer Fähigkeiten und geringer Anforderungen ein Flow-Erleben
auftritt. Um Flow bei komplexen Aktivitäten wie dem Musizieren erleben zu können, müssen „erst
die notwendigen Basisoperationen automatisiert sein, bevor sich der flow-typische, glatte
Handlungsverlauf einstellen kann“ (ebd., S. 442). Aufgrund des eher fortgeschrittenen Spielniveaus
der befragten Erwachsenen ist ein solcher Expertise-Effekt des Flow-Erlebens naheliegend. Dagegen
spricht, dass in der Stichprobe von Roth ebenfalls fortgeschrittene Instrumentalist*innen befragt
wurden. Um genauere Aussagen treffen zu können, müssten weitere Untersuchungen, bspw. ein
Vergleich zwischen einheitlicheren Gruppen mithilfe der Flow-Kurz-Skala (Rheinberg et al., 2019)
durchgeführt werden.
Recht deutlich bildet sich anhand der sich nicht überlappenden Konfidenzintervalle (Skala II) der
beiden Stichproben ab, dass leistungsthematische Anreize für die von Roth (2018) befragten
jüngeren Instrumentalist*innen eine höhere Relevanz besitzen als für die untersuchten erwachsenen
Hobbymusiker*innen. Laut Roth (2018) präferieren ältere Schüler*innen leistungsthematische
Anreize, da sie sich in und nach der Pubertät bewusst für das Spiel ihres Instruments entschließen.
Insbesondere die Entscheidung für ein Schulmusikstudium kann den Wunsch nach einer
Weiterentwicklung der instrumentalen Fähigkeiten wecken (ebd.). Zudem ist es möglich, dass
insbesondere die 15-16-jährigen Instrumentalschüler*innen sozial erwünschte Antworten abgeben
und Leistungsfortschritte machen möchten, da ihre Eltern dies wünschen. Erwachsene
Instrumentalist*innen haben sich hingegen vermutlich längst von ihren Eltern sowie ihren
Instrumentallehrkräften emanzipiert.
Dennoch ist der Mittelwert der Leistungsskala (Skala II) der zweitgrößte Mittelwert (M = 3,92) der
Erwachsenenstichprobe. Da Leistungsanreize in Studien mit ähnlichen Settings (Lothwesen, 2014;
Nowak, 2020; Nowak & Bullerjahn, 2020) weniger deutlich präferiert werden, sollten weitere
Untersuchungen mit derselben Altersgruppe angestrebt werden, um gesichertere Aussagen treffen
zu können.
DaZwischen 2023 19
SEITE 19
Im Vergleich zu den Konfidenzintervallen der Flow-, und Leistungsskalen weichen die Werte der
Konfidenzintervalle der Gesamtskalen III (Macht & Einfluss – Bühne) nur gering voneinander ab. Eine
mögliche Erklärung für den höheren Mittelwert der Skala III Subskala II (Einfluss – Bühne) sowie das
höhere Konfidenzintervall (Einfluss – Bühne, Skala III Subskala II) der Erwachsenen sind die häufigen
Auftrittsmöglichkeiten, welche den Erwachsenen durch ihre Ensembletätigkeit ermöglicht werden
(vgl. Roth, 2018). Der verhältnismäßig niedrige Wert der Gesamtskala III (Macht & Einfluss – Bühne)
ließe sich damit erklären, dass Menschen mit einer Präferenz für machtthematische Anreize eher
Tätigkeiten bevorzugen, bei welchen sie stärker Einfluss nehmen können (bspw. als Dirigent*in, als
Solist*in, in kleineren Besetzungen etc.). Berücksichtigt man den Umstand der Beantwortung von
Fragen aufgrund sozialer Erwünschtheit, welche insbesondere im Kontext machtthematischer Items
eine Rolle spielen kann, muss der Mittelwert der Skala III, Subskala 1 (Macht) mit Vorsicht
betrachtet werden.
Dass für die befragten erwachsenen Hobbymusiker*innen anschlussthematische Anreize im Kontext
ihres Musizierens eine besonders wichtige Rolle spielen, zeigt der auffallend hohe Mittelwert der
Anschlussskala. Mit Blick auf bereits vorliegende Forschungsergebnisse (Lothwesen, 2014; Nowak,
2020; Nowak & Bullerjahn, 2020), welche ebenfalls auf die Relevanz von Anschlussanreizen für
Hobbymusiker*innen in einem Ensemble hindeuten, verwundert dies nicht. Vermutlich wirken
Erwachsene auch aufgrund eines hohen Anschlussmotivs gerne in einem Ensemble mit, weshalb in
der vorliegenden Stichprobe (bestehend aus Ensemblemusiker*innen) der Mittelwert in der
Anschlussskala besonders hoch ist. Die sich nicht überlappenden Konfidenzintervalle der
Anschlussskalen (Skala IV) lassen annehmen, dass für die befragten erwachsenen
Hobbymusiker*innen anschlussthematische Anreize eine höhere Relevanz besitzen als für die von
Roth befragten 15-16-jährigen Instrumentalschüler*innen und Schulmusikstudierenden.
Berücksichtigt werden muss hier jedoch, dass die 15-16-jährigen Instrumentalschüler*innen und
Schulmusikstudierenden im Rahmen des Musikunterrichts an Schulen bzw. im Rahmen
musikpädagogischer Seminare befragt wurden (Roth, 2018) und von einer Ensembleaktivität nicht
automatisch ausgegangen werden kann, wohingegen die erwachsenen Hobbymusiker*innen die
„Anreizanalyse des Musizierens“ im Kontext ihrer Ensemblemitgliedschaft ausfüllten.
Volitionale Anreize wurden bei den befragten Hobbymusiker*innen in einem geringeren Ausmaß
bevorzugt. Auch bei der von Roth befragten Stichprobe fällt der Mittelwert der Skala V (Volition)
verhältnismäßig gering aus. Laut Roth werden volitionale Anreize weniger präferiert, da „das
menschliche Streben dahin geht, Lust zu empfinden und Unlust zu vermeiden. Willensprozesse sind
per se mit Unlust bzw. mit weniger angenehmen Gefühlen verbunden und nicht jeder
Instrumentalist sieht es als wichtige (Persönlichkeits-) Eigenschaft an, sich bei Unlust zum Üben
überwinden zu können“ (Roth, 2018, S. 22). Zudem ließe sich der geringere Wert der erwachsenen
Hobbymusiker*innen auch dadurch erklären, dass diese das Musizieren als Freizeitaktivität
betreiben und ohnehin freiwillig ausüben. Demgegenüber müssen Studierende ihre Unlust im
DaZwischen 2023 20
SEITE 20
Kontext ihres Studiums zuweilen überwinden, weshalb sie volitionalen Anreizen vermutlich auf
andere Weise gegenüberstehen als die befragten Erwachsenen.
AUSBLICK
Durch die Analyse der vorliegenden Daten wurde deutlich, dass für die untersuchten erwachsenen
Hobbymusiker*innen insbesondere anschluss- sowie leistungsthematische Anreize eine wichtige
Rolle im Kontext ihres Musizierens spielen. Zudem scheint das Flow-Erleben bedeutsam für die
Befragten. Ein Vergleich der Ergebnisse mit den bisherigen Untersuchungen zeigt, dass sich gewisse
Muster, wie bspw. die Relevanz anschlussthematischer Anreize für Hobbymusiker*innen in einem
Ensemble, wiederholen. Indes wird deutlich, dass auch leistungsthematische Anreize eine Rolle im
Kontext des Musizierens Erwachsener spielen können.
Einschränkend muss bedacht werden, dass in der vorliegenden Studie eine verhältnismäßig kleine
Stichprobe untersucht wurde und zudem Erwachsene an der Befragung teilnahmen, die
unterschiedlichen Altersgruppen angehörten. Des Weiteren wurden ausschließlich
Hobbymusiker*innen befragt, die aktiv in einem Ensemble musizieren. Lohnenswert wäre es im
Kontext zukünftiger Arbeiten, eine größere Stichprobe zu befragen. Zudem sollten vermehrt Daten
von Musiker*innen erhoben werden, die ihr Instrument oft alleine spielen (Klavier, Harfe, Orgel).
Ergänzend kommt hinzu, dass in der vorliegenden Studie nur Selbstbilder, also explizite Motive
erfasst wurden. In weiteren Forschungen wäre der zusätzliche Einsatz impliziter
Motivmessverfahren wie bspw. dem Operanten Motivtest (OMT) (Kuhl & Scheffer, 1999) oder dem
Mulit-Motiv-Gitter (MMG) (Schmalt et al., 2010) sicher gewinnbringend.
Dennoch können die Ergebnisse der vorliegenden Studie als Ausgangspunkt für weitere
Untersuchungen dienen. Lohnend kann es sein, die vorliegenden Ergebnisse als Normwerte für
Einzelfallanalysen heranzuziehen, die somit erworbenen Informationen aktiv, bspw. im
Instrumentalunterricht oder der Probenarbeit, einzusetzen und anschließend eventuelle Effekte zu
untersuchen. Zudem könnte eine explorative Faktorenanalyse Aufschluss über die
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Skalenbildung der beiden Kohorten geben. Eine
zusätzliche Konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) kann die Passung der vorliegenden Daten auf
das Messmodell von Roth (2018) überprüfen.
DaZwischen 2023 21
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DaZwischen 2023 23
SEITE 23
IMPROVISATION UND KULTURELLE BILDUNG IN DER
MUSIKPÄDAGOGIK (Charlotte Fröhlich, Basel)
Das Projekt "Improvisation und Beziehungsqualität" überträgt Wissen aus der Musiktherapie in den
musikpädagogischen Alltag und in die kulturelle Bildung.
Im Zusammenhang mit kulturellem und
inklusivem Lernen ist die Musikpädagogik
dazu gezwungen, das Ineinandergreifen von
Bindung und Bildung als neues Aufgabenfeld
zu erkennen und zu bearbeiten. Die
Bindungsforschung hat im vergangenen
Jahrzehnt verstärkt Beachtung gewonnen und
durch Pianta & Hamre, B. (2001),
Grossmann&Grossmann (2006), aber auch
durch Bergin&Bergin (2009) ihren Platz im
schulischen Arbeitsfeld gefunden. Sicher gebundene Kinder sind experimentierfreudiger und lernen
leichter. Das "EBQ-Instrument" aus der Musiktherapie zeigt auf, wie sichere Bindungserfahrung
durch musikalische Improvisation und sensibel angepasstes TherapeutInnenverhalten initiiert
werden kann.
Das "EBQ-Instrument" ist eine detaillierte Beschreibung von Verhaltens- und Spielweisen,
ursprünglich ausgearbeitet für die Praxis mit Kindern mit Autismus.
Die Abkürzung steht für „Einschätzung
der BeziehungsQualität“. Die
Musiktherapeutin Karin Schumacher
konzentriert sich in der von ihr
entwickelten Darstellung auf vier
Skalen, die zusammen das "EBQ-
Instrument" bilden. Die Merkmallisten
der vier Skalen (Instrumentalspiel/IBQ,
körperlich-emotionaler
Ausdruck/KEBQ, vokaler
Ausdruck/VBQ und therapeutische Beziehungsqualität/TBQ), können, modifiziert, auch für die
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SEITE 24
Musikpädagogik von Bedeutung sein. Mit zunehmender Beziehungsqualität und sensibel angepasstem
Feedback der Lehrperson müssten, so die Hypothese, auch musikalische Gestaltungsfähigkeit und
musikalisches Verständnis wachsen.
Das Projekt "Improvisation und Beziehungsqualität" nutzte das erwähnten Beobachtungsraster aus
der Musiktherapie. In einem theoretischen Sampling, basierend auf der Grounded Theory
Methodology, wies Charlotte Fröhlich die Relevanz des Rasters für die Musikpädagogik nach und
passte diesen an die schulischen Bedingungen an.
An der Forschung
teilgenommen haben acht
Klassen aus Brandenburg, von
der ersten bis zur fünften Klasse
sowie acht Klassen aus der
Schweiz, vom Kindergarten bis
zur vierten Klasse. Während
des Projekts baten weitere
Klassen um Teilnahme. Die
Schulen wurden von der
Forscherin während zehn
Wochen besucht. Dabei improvisierten immer zwei Kinder, die sich auswählen durften, an
Djemben oder an Cajons miteinander, während die Klasse zuhörte. Die Kinder bekamen
anschließend ein Feedback zu ihrer Improvisation und auch die Klasse konnte das Gehörte und
musikalisch Erlebte kommentieren. Die Improvisationen wurden videographiert.
Resultate der Forschung sind ein angepasstes Beobachtungsraster für die Musikpädagogik und eine
detaillierte Aufzeichnung adäquater Feedbacks seitens der Lehrperson.
Das an musikpädagogische
Bedingungen angepasste neue
Beobachtungsraster ermöglicht eine
genaue Einschätzung der Beziehungsqualität zweier Improvisierenden. Er zeigt, wie sich Technik am
Instrument und gestaltende musikalische Phantasie auch im pädagogischen Setting allmählich
entwickeln und vergrößern können. Der erworbene Spielraum am Instrument wächst, genauso wie
in der Musiktherapie, parallel zum Spielraum im Umgang mit SpielpartnerInnen.
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Bedingung für dieses Wachstum ist ein
feinfühliges LehrerInnenverhalten (nach M.
Ainsworth), das sich in gezieltem und der
beobachteten Beziehungsqualität
angepasstem Feedback äußert. Die zur
Forschung erschienene Publikation beschreibt detailliert, wie dieses Feedback gestaltet sein sollte,
damit den Kindern Sicherheit und Begleitung geboten werden kann.
In der Auswertung der Videografien zeigte sich eine deutliche
Tendenz zu sich verdichtender Beziehungsaufnahme und
wachsender musikalischer Ausdrucksfähigkeit im Verlauf von zehn
Wochen. Die Gestaltungen wurden vielfältiger, witziger und im
Feedback konnte daher
immer mehr auf musikalische
Gestaltungsprinzipien hingewiesen werden. Auf Grund der in
den Feedbacks natürlicherweise vorkommenden
musikalischen Begriffe erweiterte sich auch das musikalische
Verständnis und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit der Schülerinnen und Schüler.
Aus unterrichtstheoretischer Sicht entsprach das Projekt einer sozialkonstruktivistischen
Herangehensweise. Die Lehrperson ist dabei nicht Instruierende, sondern kompetente Begleiterin
und interessierte Zuhörerin.
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Improvisation und Beziehungsqualität.
Kurze Übersicht über die Beziehungsmodi beim Improvisieren
Modus 2
Meine Impulse überwältigen mich, ich bin stark, laut, stärker, lauter; es ist mir
zu laut… ich bin allein … ich muss weitermachen.
Bei eingeschulten Kindern ist Mod. 2 meist eine situativ verständliche
Regression. Sie "können anders". Die Lehrperson kann es
verständnisvoll vorübergehend dulden, zeigt aber dem Kind, dass sie
um seinen sonst erweiterten Spielraum weiß.
Sehr begrenzter
Spielraum
Modus 3
Ich bin ganz vertieft in mein Spiel, ich höre mir zul. Ich behandle die
Instrumente adäquat Ich probiere aus. Ich schaue meinen Händen zu.
Anwesende Personen nehme ich wenig wahr.
Die Lehrperson würdigt das vertiefte Spiel und benennt die musikalischen
Gestaltungsmittel, die das Kind benutzte. Sie benennt auch diejenigen des
Spielpartners und kann sogar lobend erwähnen, dass sich das Kind „nicht
stören“ ließ. Sie ermuntert die zuhörenden Kinder, ihre Feedbacks zu geben.
In diesem Modus können folgende Gestaltungsformen auftreten:
rhythmisch/arhythmisches Spiel; Lautstärkenänderungen; Vielfältige
Anschlags- oder Spielweisen am Instrument; kurze (kaum bewusste)
Wiederholungen; Geschwindigkeitsänderungen usw.; musikalische Formen
entstehen eher zufällig.
Spielraum eröffnet
sich.
Modus 4
Oh, du spielst ja auch – hörst du mich? Ich höre dich!
Beziehungsbereitschaft:
Gelegentlich spiele ich dir etwas nach! Ich schaue zu dir oder zu
den Zuhörenden, ob das bemerkt wird. Ich lächle, wenn ich sehe,
dass wir synchron spielten.
Die Lehrperson beschreibt die Wirkung des Spiels auf Zuhörende und
benennt sowohl die musikalischen Gestaltungsmittel als auch die Art und
Weise der Kontaktaufnahme der beiden Spielenden. Bildliche Assoziationen
können bei den Zuhörenden entstanden sein. Sie ermuntert die zuhörenden
Kinder, diese Assoziationen zu beschreiben.
In diesem Modus können zusätzlich folgende Gestaltungsformen
auftreten:
gleichzeitiges Spiel; Übernahme von Lautstärke und Dynamik voneinander;
Nachahmen der Anschlags- und Spielarten des Partners, wobei eine Art
Fugato entstehen kann; bewusste Schlussgestaltung usw.
Spielraum erweitert
sich.
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Modus 5
Mal du, mal ich, mal wir beide. Wir entwickeln ohne zu sprechen eine Art
Regeln, wir tauschen Motive und Dynamikverläufe aus, ich ahne, was du
gleich machen könntest.
Beziehungseinladung:
Ich bin gespannt auf deine Ideen. Ich pausiere und schaue, was du
nun machst. Ich lasse mein Instrument mit deinem Instrument
reden.
Die LP beschreibt die durch das Duett erweiterten Gestaltungsmittel, zeigt
die Wirkung des Spiels auf die Zuhörenden auf und kann die so entstandenen
musikalischen Formen auch mittels eines Klassenliedes illustrieren. Sie
ermuntert die zuhörenden Kinder, ihr Hörerlebnis zu beschreiben.
In diesem Modus können zusätzlich folgende Gestaltungsformen
auftreten:
Pausieren; bewusstes Echospielen; aufeinander bezogene Motive als Frage
und Antwort; im Duett entstehende sich ergänzende Rhythmen; Solo-
/Duettspiel und damit Verbindungen zu Solo- Tutti-Formen (hier Solo-Duett)
in klassischer Musik und Jazz.
Mit dem andern
geteilter und
ausgehandelter
Spielraum
Modus 6
Wir spielen miteinander – mit Musik – und fordern einander heraus, wir
tauschen Rollen, wir erfinden gemeinsam und fühlen uns sehr belebt.
Beziehungseinladung:
Ich nutze auch dynamische Mittel, um dich herauszufordern. Ich
antworte z. B. leise, wenn du laut spielst. Ich ergänze deine
Motive; wenn du nicht reagierst, passe ich mich deiner
Stimmungslage an.
Die psychische und musikalische Energie ist oft so stark, dass es wenig
Kommentare braucht. Die Klasse reagiert mit heftiger Begeisterung.
Lobenswert sind weiterhin Gestaltungsmittel, Beziehung, Symbolcharakter
und Dynamikverläufe.
Die LP ermuntert auch die Spielenden, selbst zu erzählen, wie sie spielten.
In diesem Modus können zusätzlich folgende Gestaltungsformen
auftreten:
Gegenseitiges Kontrastieren, gegenseitiges Herausfordern; dynamische
Pause (= Pause an einer Stelle, wo das Publikum einen markanten Ton
erwartet); sich ergänzende Motive andauernde mit Absicht gespielte
Einheiten, die an bekannte Werke erinnern können (Hummelflug von N.
Rimski-Korsakow/ Gewittersequenzen A. Vivaldi / der böse Wolf aus Peter
und der Wolf von S. Prokofjew…)
Gemeinsamer
Spielraum. Emotionale
Verbundenheit
Zeichnungen von Irmtraut Guhe, München Pictogramme: Ch. F.
DaZwischen 2023 28
SEITE 28
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PLAY-SCORE EXPERIENCE (Yvonne Dombrowski, Hamburg)
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DaZwischen 2023 31
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NEBENRÄUME
Ein künstlerisch-wissenschaftlicher Workshopbericht (Helene Niggemeier, Johanna Nagy, Nora
Leinen-Peters)
Vorgedanken
Ist ein Nebenraum die Nische abseits der Norm? Ein Chambre Séparée, ein Ort der Frivolität, der
Andersartigkeit, der Geheimnisse, der Exklusivität? Was bedeutet der Nebenraum für uns? Wie
unterscheidet er sich von anderen Räumen? Welche unterschiedlichen Dimensionen (philosophisch,
soziologisch, ästhetisch) stecken darin? Und wie wirkt sich das Nachdenken darüber, das Forschen
daran, auf unsere gemeinsame künstlerische Praxis aus?
Vom Zwischenraum zum Nebenraum
Im Sommersemester 2021 begaben wir uns im Rahmen eines Seminars gemeinsam mit
Studierenden künstlerisch forschend auf die Suche nach besonderen Zwischenräumen, oder
Zwischenzuständen in unserer musikalischen Praxis, inspiriert vom Phänomen der Mediopassivität,
wie es Hartmut Rosa (2019) beschreibt.
Mediopassivität entlehnt Rosa aus alten indogermanischen Grammatiken und der Philosophie (Han-
Pile, 2011). Hier existiert der Begriff „Medium“ oder „Mediopassiv“ als Genus Verbi, das sich
zwischen Aktiv und Passiv befindet und eine unmittelbare Auswirkung auf den Handelnden
ausdrückt, allerdings, ohne dass dieser die Handlung ausführt (aktiv ist) (vgl. Lühr, 2012). Rosa zielt
mit seinen Überlegungen darauf ab, eine mediopassive Einstellung zur Welt als Voraussetzung für
ein resonantes Weltverhältnis insgesamt, ergo auch in ästhetischen Feldern, zu beschreiben.45
Dieses “Dazwischen” thematisiert eine spezifische Einstellung sowie ein praktisches Ausloten,
welches in intersubjektiven Prozessen (somit auch im Musizieren) zu einer spezifisch ästhetischen
Qualität im Erleben beitragen kann.
Künstlerische Forschung in der Hochschuldidaktik?
Seit Jahren wird im In- und Ausland intensiv über die sog. „künstlerische Forschung“ (artistic
research) als spezifische Form der Wissensgenerierung in der Kunst diskutiert. Zumeist wird damit
45 Der Resonanzbegriff von Rosa beinhaltet gleichzeitig normativen Anspruch, wenn Rosa ihn als Kategorie auch für gelingendes
Leben einführt (vgl. Rosa, 2016).
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eine in der künstlerischen Praxis verankerte, kritische, von einer konkreten Fragestellung
ausgehende Reflexion künstlerischer und gesellschaftlicher Prozesse bezeichnet (Wissenschaftsrat,
2021). Künstlerische Forschung, in der sich die Forschenden zwischen kognitiven und
praxisbasierten Erkenntnisweisen hin- und herbewegen und die durch eine Verknüpfung von
reflexiver, künstlerischer und explorativer Verfahren geprägt ist, scheint gerade für das Erforschen
der ästhetischen Praxis eine passende Form des Erkenntnisgewinns (Buyken, 2022). Das Mittel des
Forschens ist ästhetischer Art und sollte an Kunsthochschulen, so die Empfehlung der RMK, einen
Raum bekommen (RMK 2016). Künstlerische Forschung bietet die Möglichkeit, sich als Künstler*in
mit einer selbstreflexiven, fragenden Haltung kennenzulernen, das eigene künstlerische Tun als
veränderbar zu erleben und die eigene ‚Komfortzone‘ zu verlassen, sich selbst in experimentellen,
interdisziplinären Rahmen und als vielseitige Künstlerpersönlichkeit zu entdecken, und insbesondere
oft getrennt konzipierte Modi (künstlerisches Tun, kritisches Denken und wissenschaftliches
Arbeiten, intuitives und selbstreflexives Tun) als sich gegenseitig bereichernd zu erleben (vgl.
Buyken, 2022).
Der Workshop
Für die Tagung DA.ZWISCHEN im Mai 2023, war die Idee, Nebenräume künstlerisch zu erforschen.
In Vorbereitung wurden verschiedene musikalisch-tänzerische Spielideen entwickelt, die
Ausgangspunkt für die vierstündige künstlerische Auslotung von Nebenräumen sein sollten.
Philosophische Inspirationsquelle bot uns der Essay Vita Contemplativa von Byung-Chul Han (2022).
Byun-Chul Han bietet mit Vita Contemplativa einen Gegenentwurf zu Hannah Arendts Vita Activa
oder vom tätigen Leben. Ihm folgend erhält das Leben seinen Glanz erst von der Untätigkeit. Eine
Fähigkeit, die unserer Gesellschaft abhandengekommen sei. Er plädiert dafür, menschliches Handeln
um ein kontemplatives Moment zu ergänzen - auch als Motor für kreatives Handeln, denn „Nicht die
Entschlossenheit zum Handeln, sondern das unbewusste Geschehen ist die Keimzelle zu
Neuem“ (Han, 2022 S. 26). Und „[d]Die Dialektik der Untätigkeit verwandelt diese in eine Schwelle,
in eine Zone der Unbestimmtheit, die uns dazu befähigt, etwas hervorzubringen, was noch nicht da
gewesen ist.“ (Han, 2022 S. 27)
Die Idee
Bevor wir in die praktische Entdeckungsreise der Nebenräume eingetaucht sind, haben wir uns die
Frage gestellt, welche (kreativen) Nebenräume sich eröffnen, wenn wir uns in unserem
künstlerischen Gestalten und Forschen mit Material und oder Spielideen eingrenzen. Über welches
Material und unter welchen (Raum-) Grenzen können wir einen Zugang dazu schaffen? Durch
Fokussierung auf einzelne Details in den Übungen, auf ein einzelnes Material und durch das
DaZwischen 2023 33
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Ausklammern von Sinnessystemen erforschten wir Nebenräume oder neue Räume in unserer
musikalischen Praxis. Wir suchten nach Nebenräumen, im Sinne neuer Wahrnehmungsweisen, die
wiederum Grundlage für kreative Prozesse sein konnten. Nebenraum fassten wir aber auch als ein
Nebeneinander von musikalischen Praxen, die sich beeinflussten, deren Regeln für den
Nichtwissenden zunächst fremd sind, ihn vielleicht aus seiner Komfortzone hinauslocken, auf
unsicheres Terrain ziehen, eine lustvolle Beunruhigung schaffen. Nicht durch übereifriges Handeln,
sondern durch Beobachten und Einfühlen ist es möglich, die Regeln ein Stück weit zu verstehen,
mitspielen zu können und im emphatischen Sinne zu erfahren (vgl. Han, 2022). Für die
Workshopplanung fiel unsere Wahl auf für sich stehende Räume, die von den Teilnehmenden
individuell auf dem Boden abgeklebt wurden (s. Bild 1), jeweils bestückt mit den entsprechenden
Materialien durch die Lehrperson. Die Materialien stammten aus dem Alltag (Fliegenklatschen,
Jeanshosenfetzen, Malerfolie) und konnten je nach Entscheidung in der gestaltenden Gruppe sowohl
umgedeutet, zweckentfremdet als auch zerstört werden. Somit gaben die Räume und auch die
Materialien in gewisser Weise eine Begrenzung, konnten aber durch die individuelle Nutzung und
durch die jeweiligen Agierenden neu zugeordnet werden. Wir wollten über die Begrenzung von
Räumen, im Folgenden Nebenräume, die aber nur räumlich und nicht akustisch voneinander
getrennt waren, erfahren, ob ein unabhängiges nebeneinander Musizieren funktioniert, ohne dass
Bezug aufeinander genommen wird bzw. wann der Moment entsteht, dass Nebenräume ineinander
über gehen und vielleicht sogar zu Haupträumen werden.
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SEITE 34
Die Umsetzung
Der Workshop wurde so aufgebaut, dass die Teilnehmenden für die in der Gestaltung der eigenen
Nebenräume relevanten Parameter sensibilisiert wurden und in einer explorierenden und auch
improvisierenden Weise damit in Kontakt kamen. Erst kurz vor Beginn der Gestaltungsphase in drei
Kleingruppen wurden die vorgegebenen und auf Kärtchen notierten Parameter zugelost. Die
Parameter waren: 1. ein Ton, 2. ein Rhythmus, 3. eine Zahl.
Raum erkunden
Um ein Gefühl für den Raum zu bekommen, sowohl für unseren eigenen als auch für den
Workshop-Raum, gingen wir frei im Raum gemeinsam auf Erkundungstour. Wir loteten als Gruppe
die entferntesten Ecken aus. Wie weit können wir in diesem Raum voneinander entfernt sein, aber
auch, wie nah kann die Gruppe zusammenkommen? Wie viel Raum kann ich selbst einnehmen,
indem ich mich sichtbar mache durch ein Ausstrecken meines Körpers in alle Richtungen oder auch
durch ein schnelles durch den Raum laufen? Auch der Gegensatz, wie klein kann ich mich machen,
wie schaffe ich es, möglichst wenig Raum einzunehmen, wurde erkundet. Dieser erste Teil diente
als Ankommen, als in Kontakt kommen und sich mit dem Thema Raum vertraut machen.
Aufeinander reagieren
Beim gemeinsamen durch den Raum gehen, gab erst die Lehrperson und anschließend die
Teilnehmenden verschiedene Ideen für Aktionen in die Gruppe rein, auf die in unterschiedlicher
Weise reagiert wurde: direkt oder nach einer Pause. Ebenfalls wurde ausprobiert, wie es ist, wenn
versucht wird, gar nicht zu reagieren oder eine Reaktion vorwegzunehmen. Als Ideen wurden unter
anderem Aktionen zu musikalischen Parametern, zu Zahlen und zu rhythmischen Aktionen
hineingegeben, um einen ersten Kontakt mit dem später verwendeten Material zu bekommen.
Diese Herangehensweisen an das Reagieren wurden anschließend reflektiert und zu einem späteren
Zeitpunkt wieder aufgegriffen, als es um das Reagieren auf Aktionen in den selbst gestalteten
Nebenräumen ging.
Imaginative Räume
Die Teilnehmenden gingen zu zweit zusammen und durften nun imaginäre Räume mit geschlossenen
Augen erkunden. Jeweils eine Person hatte die Augen geschlossen und wurde von der anderen,
sehenden Person durch den Raum begleitet. Wir wollten damit der Frage näherkommen, welche
Möglichkeiten sich ergeben, wenn wir bezogen auf die Raumerkundung einen Sinn
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„ausschalten“ und dadurch eine weitere Eingrenzung schaffen. Die Rollen wurden anschließend
getauscht und in einem weiteren Durchgang mit einer Musik unterstützt. Die Teilnehmenden
bekamen nun die Aufgabe, sich raumgreifender und mutiger im Raum zu bewegen und zu
versuchen, sich mehr auf die Begleitperson zu verlassen, die dafür sorgte, dass es nicht zu
Zusammenstößen unter den nicht sehenden Teilnehmenden kam.
Exploration und eigene Partitur
In Anlehnung an die Idee von Michael Betzner-Brandt (Improvisation zur Raumpartitur - 2016)
wurden vier durch die Lehrperson abgeklebte, direkt aneinander liegende Räume geschaffen, in
denen gleichzeitig Aktionen stattfinden sollten. Es gab den “Raum der langen Töne“, den „Groove-
Raum“, einen Raum, in dem zugehört und einen Raum, in dem Geräusche unterschiedlichster Art
produziert wurden.
Zwischen den Räumen konnte, während einer gemeinsam gestarteten und auch gemeinsam zu
beendenden Improvisation gewechselt und nach Belieben verweilt werden. In der anschließenden
Reflexion kam die Idee auf, die Reihenfolge der Räume zu verändern, um den Raum des Zuhörens
mehr in der Mitte zu haben und den unterschiedlichen Klängen besser lauschen zu können. Diese
Entscheidung wurde von den Teilnehmenden als positive Veränderung aufgefasst.
Nebenräume - Austausch zum Begriff
Es erfolgte eine lebendige
Diskussion zum Begriff
Nebenräume, nachdem auch der
zweite Durchgang der
Raumpartitur erfolgt war. Der
Vergleich mit einer WG-Party, in
der verschiedene Aktionsräume
“nebeneinander” existieren und
sich kleinere Gruppen in den
unterschiedlichen Räumen
aufhalten und dort ihre ganz
eigene Welt, ihren eigenen
Nebenraum erschaffen, fand viel
Anklang.
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Eigene Nebenräume erschaffen
Nachdem wir nun den gesamten “Hauptraum” mit allen erkundet haben, Grenzen ausgelotet und
musikalische Parameter spielerisch erprobt haben, ging es an die Ausgestaltung der eigenen
individuellen Nebenräume. Die Teilnehmenden wurden dazu aufgefordert, sich in drei Gruppen
aufzuteilen und mit Kreppband jeweils einen individuellen Raum auf dem Boden abzukleben. Die 3
Räume durften sich nicht überschneiden oder berühren und sollten für sich stehen. Ihnen wurde
mitgeteilt, dass ihre Ausgestaltung nur innerhalb dieses Raumes stattfinden soll. Es wurde jeweils ein
Material hineingegeben (s. o.), sowie die drei festgelegten Parameter: ein Ton, ein Rhythmus und
eine Zahl. Auf Basis des Raums und der hinzugefügten Materialien ging es für die Teilnehmenden
anschließend darum, Spielregeln für ihren eigenen Raum zu schaffen. Spielregeln, die innerhalb des
Raumes gelten und funktionieren, die die Grenzen des Raumes jedoch nicht überschreiten.
Ergebnis der Gruppenarbeit sollte ein musikalisch-szenisch ausgestalteter Ablauf sein, der
wiederholbar und anschließend präsentierbar ist. Dafür hatten die Gruppen jeweils 60 Minuten
Zeit. Die relativ groß gewählte Zeitspanne sollte ermöglichen, dass innerhalb der Gruppe sowohl
Zeit für das Explorieren und Improvisieren als auch für das anschließende Ausgestalten, Festlegen
und Wiederholen ist.
Das Ergebnis
Die Präsentation der einzelnen Nebenräume erfolgte gleichzeitig und wurde nach einer
erkennbaren Wiederholung innerhalb der Gruppenabläufe durch die Workshopleitenden so
variiert, dass ein fließender Übergang zum Aufbrechen von Grenzen stattfand.
Die Raumgrenzen wurden durch Entfernen von Kreppband und durch Neuschaffungen von
Verbindungen zwischen den Nebenräumen aufgeweicht und dadurch Freiraum für die Ausgestaltung
geschaffen. Zusätzlich wurde den Teilnehmenden verbal und nonverbal mitgeteilt, dass sie
improvisierend in ihrer Gestaltung fortfahren und ein gemeinsames Ende finden sollen. Eine zeitliche
Vorgabe gab es an dieser Stelle nicht. Das Ergebnis war eine Durchmischung aller Materialien und
Ideen. Spielregeln und Materialien wurden sich stolz präsentiert, es wurde aufeinander reagiert,
zusammen mit neu kombinierten Parametern musiziert, sich bewegt und zwischendurch auch
beobachtet oder einfach nur gelauscht.
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Im Tagungsplenum wurde das Spiel dahingehend
wiederholt, dass in den jeweiligen Räumen gespielt
wurde und den anderen Teilnehmenden
freigestellt war zum Zeitpunkt X in die anderen
Räume einzutauchen, sobald sie das Gefühl hatten,
in irgendeiner Weise Spielregeln der Räume
verstanden zu haben. Auch hier gab es dann die
Wiederholung der Raumaufbrechungen - es stand
am Ende wieder eine freie Improvisation, die noch
einmal ein ganz anderes Spektrum musikalisch-
szenischer Vielfalt gezeigt hat.
Es war spannend zu beobachten, wie sich Ideen aus unterschiedlichen, nebeneinander existierenden
Räumen neu kombinieren lassen und sich die jeweiligen “Bewohner:innen” der Nebenräume
gegenseitig durch das Einbringen ihrer Ideen, Materialien und Spielregeln auf ganz unterschiedlichen
und vielseitigen Ebenen bereichern. Ein Ergebnis, das wir uns bei der Planung der Tagung auch
bezüglich des Austauschens und Bereicherns unter den beteiligten musikpädagogischen
Fachdisziplinen, Kolleg:innen und Studierenden vorgenommen und auch erreicht haben.
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Literatur
Buyken, Evelyn (2022): Von Pilzen in Beuteln und Gummibändern. Einige fragmentierte Bemerkungen zum
künstlerischen Forschen an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. In: Journal for Artistic Research. https://jar-
online.net/de/von-pilzen-beuteln-und-gummibaendern-einige-fragmentierte-bemerkungen-zum-kuenstlerischen-forschen
Betzner-Brandt, Michael (2016): Chor kreativ - Singen ohne Noten. Kassel, Gustav Bosse Verlag.
Han, Byung-Chul (2022): Vita Contemplativa oder von der Untätigkeit. Berlin: Ullstein.
RMK: Arbeitsgruppe Künstlerische Forschung (2016): Künstlerisch-wissenschatliche Promotion. https://die-deutschen-
musikhochschulen.de/themen/
ASSOCIATION EUROPÉENE des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen (2015): AEC-
Schlüsselbegriffe für ihre Mitglieder: „Artistic Research – Künstlerische Forschung“, Whitepaper Brüssel 2015.
Badura, J./ Selma, D./ Haarmann, A./ Mersch, D./ Rey, A./ Schenker, C./ Perez, G.T. (Hg.) (2015): Künstlerische
Forschung. Ein Handbuch. Berlin: Diaphanes
Han-Pile, B. (2011): Nietzsche and Amor Fati. European Journal of Philosophy. 19 (2). Honoboken: Wiley Blackwell
Joas, H. (1996).Die Kreativität des Handelns. Frankfurt am Main: Suhrkamp
Lühr, R. (2012): Ereignistyp und Diathesenwechsel im Indogermanischen. In: The Indo-European Verb. Proceedings of
the Conference of Society for Indo-European Studies. Los Angeles 13 - 15 September 2010 (S. 213-224). Wiesbaden:
Dr. Ludwig Reichert Verlag
Rosa, H. (2013): Beschleunigung und Entfremdung. Berlin: Suhrkamp.
Rosa, H. (2016): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin: Suhrkamp.
Rosa, H. (2018): Unverfugbarkeit. Salzburg: Residenz Verlag.
Rosa, H. (2019): Spirituelle Abhängigkeitserklärung. Die Idee des Mediopassiv als Ausgangspunkt einer radikalen
Transformation. In: Dörre, K; Rosa, H.; Becker, K.; Bose, S.; Seyd, B. (Hrsg.): Große Transformation, Zur Zukunft
moderner Gesellschaften. Sonderband des Berliner Journals für Soziologie. Wiesbaden: Springer VS
Wissenschaftsrat (2021): Empfehlungen zur postgradualen Qualifikationsphase an Kunst- und Musikhochschulen.
(https://www.wissenschaftsrat.de/download/2021/9029-21.pdf?__blob=publicationFile&v=13)
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FREIHEIT UND SPAß – EINE EXPLORATIVE STUDIE ZU KREATIVEN UND
PERFORMATIVEN ÜBERTRAGUNGSPROZESSEN (Annalouise Falk, Münster)
Im Sommersemester 2023 beschäftigt sich der Kurs Performance Advanced EMP angeleitet von
Annalouise Falk an der Hochschule für Musik Detmold mit Fragen der Freiheit. Aus dieser
Beschäftigung heraus resultiert eine performative Skizze, ein Zwischenstand der von Maren
Schoppenhorst, Paula Damberg, Katharina Adam, Carolin Franke und Rebekka Niggemann auf der
Arbeitstagung DaZwischen geteilt wird.
Mit dem Kapitel Freiheit und Spaß aus dem 2022 erschienenen Buch Freiheit46 von Maggie Nelson
beginnt die Auseinandersetzung mit dem Inhalt, der Herausforderung und der Möglichkeit Freiheit.
Jeder liest für sich allein. Jeder denkt für sich allein:
• Lies den Textausschnitt Freiheit und Spaß. Nimm dir dafür Zeit und recherchiere beim Lesen
nach den genannten Begrifflichkeiten und Referenzen.
• Im Anschluss an das Lesen gehst du 3 min (nimm dir eine Uhr als Hilfe) in dich und denkst
über den Text sowie dir Wirkung der Worte auf dich, nach.
• Nach diesen 3 min verfasst du eine 10-minütige Audio-Sprachnotiz (z.B. mit einem
Smartphone oder Zoom). In diesen 10 Minuten erzählst du alles, was dir in diesem Moment
einfällt. Du bist frei.
• Diese Sprachnotiz wird sich am 21.04. im Seminar ein weiteres Kursmitglied als Podcast
anhören. Bringt hierfür Kopfhörer, die Datei (am besten auf dem Smartphone oder einem
alternativen Aufnahmegerät) mit.
Gesten, Reaktionen und Interpretationen: Drei Fotos als Antwort auf die Sprachmemo. Wie
antworte ich? Imitiere ich? Kontrastiere und ergänze ich? Habe ich richtig zugehört? Die Fotos
werden auf einem Padlet gesammelt. Anhand dieses Archivs wird ein Repertoire an Gesten und
Körperpositionen zusammengestellt.
Es folgt eine intensive Auseinandersetzung mit Rire, Laugh, Lachen von Antonia Baehr (2008), u.a. mit
Exercices Laufhing by Barbara Manzetti: Listening, singing out of laughter, composing laughter, conversation
and postures, emptying laughter and photographing laughter und Exercices for Laughter yoga by Chantal
and Bakary Diakhité.
46 Nelson, Maggie (2021): Freiheit. Vier Variationen über Zuwendung und Zwang.
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Das Material wird aufgeschichtet, wird kommentiert, wird variiert und sortiert.
Es werden Spielregeln gesammelt, reflektiert, abgewandelt und Organisationsstrukturen angelegt.
Audiospuren, Fotografien, grafische Notationen, Erinnerungen und Emotionen verzahnen sich zu
einer Performance mit Stimme, Audiospur, Bewegung und Raum.
Uraufführung: HMT Leipzig, Arbeitstagung DaZwischen, Freitag, 12.05.2023.
Performerinnen: Maren Schoppenhorst, Paula Damberg,
Katharina Adam, Carolin Franke, Rebekka Niggemann
Leitung: Annalouise Falk
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DAS ZWISCHEN MIT MUSIKALISCHEN IMPROVISATIONEN ERFORSCHEN
Konzeption und Reflexion eines Workshops (Maximilian Piotraschke, Rostock)
Abstract
Mit der sprachlichen Neukonstruktion des „Dazwischen“ entfaltet sich ein Spielraum. Dieser Ort
lebt von den Unverfügbarkeiten des Weder-noch und Sowohl-als-auch. Das Ambige ist hier die
Regel, das Eindeutige das Unmögliche. Eine Option der Annäherung wird mit der folgenden
Darstellung und Reflexion des Workshops „Das Zwischen mit musikalischen Improvisationen
erforschen“ vorgeschlagen. Den Ausgangspunkt bildet die Klärung der Sache. Das Zwischen wird in
der Denkfigur des Metaxy erhellt, das als Sphäre des Fühlens zwischen Menschen und Musik
vermittelt und sich in fünf phänomenologisch begründeten Polaritäten entfaltet. Ausgehend von den
theoretischen Grundlagen beschreibt der Beitrag ein Workshopsetting, welches das Zwischen ohne
spezifisch musikalische, künstlerische oder musikbezogene Voraussetzungen spielerisch erforscht,
indem die Polaritäten zu Spielanweisungen als Impulse für (Gruppen)-Improvisationen genutzt
werden. In der abschließenden Reflexion werden die Potenziale und Grenzen der
Kompositionsaufgabe in Hinblick auf die Zielstellung diskutiert. Die implementierten Materialien
laden zur Nutzung und Weiterentwicklung ein.
Theoretische Grundlagen
Neben weiteren Vermögen von Menschen gegenüber der Musik nimmt das Fühlen eine
Sonderstellung ein: Es involviert die Person in die Musik, ist Ausgangspunkt und prozessualer
Begleiter musikalischer Situationen (Khittl 2022, Piotraschke 2022): Das Fühlen vermittelt zwischen
Menschen und Musik. Für musikalische und musikbezogenen Lernprozesse ist das Fühlen insofern
bedeutsam, als dass jede fühlende Erfahrung mit Musik Teil der individuellen Lernbiografie ist:
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Abb. 1: Fühlen in synchron-lokalen Erfahrungen als Teil der diachron-globalen Biografie
In der synchron-lokalen Erfahrung von Musik wird die Wahrnehmung derselben auf der Grundlage
vom Fühlen in Vorerfahrungen orientiert und bewertet. Das wahrnehmende Individuum stützt sich
bewusst oder unbewusst auf ein vorhandenes Gefühlsrepertoire mit der Musik, was in Anlehnung
an Husserl als Retention bezeichnet werden kann. Gleichzeitig verändert sich das
Wahrnehmungspotenzial in Hinblick auf zukünftige Begegnungen mit Musik: die Protention (Husserl,
1928). Dabei ist noch nicht gesagt, dass es sich bei diesen Veränderungen um Lernen im positiven
Sinn handelt: Je nach Vorerfahrung und Situation sind negative Veränderungen gegen über der Musik
(Langeweile, Frustration, Missfallen, etc.), neutrale Stagnation (fehlendes Sich-Einlassen,
Gleichgültigkeit, Bedeutungslosigkeit der Musik, etc.) aber auch positive Entwicklungen (Neugier,
Zuwachs an Gefühls- und Musikrepertoire, Differenzierung des Gefühls- und Musikrepertoires, etc.)
mögliche Ergebnisse. Projiziert sich dieses Wissen auf den musikunterrichtlichen Kontext, tritt die
Komplexität der Einflussfaktoren hervor. Damit ein Umgang mit Musik in eine musikalische
Situation mündet, muss die Musik zunächst als Musik von den Lernenden angenommen werden.
Äußere Bedingungen, wie die Tageszeit, die Temperatur oder die räumlichen Bedingungen spielen
dabei genauso eine Rolle wie innere Bedingungen, also z. B. die Beziehung zwischen Lehrperson und
Schüler:innen, das soziale Gefüge innerhalb der Lerngruppe aber auch individuelle und geteilte
Gefühlsrepertoires und -potenziale in Hinblick auf die Musik.
Neben diesen Kategorien unterrichtlicher Bedingungen, ist das Phänomen Musik durch
Eigenschaften bestimmt, die mit denen des Fühlens und der Gefühle korrespondieren: Beide
verlaufen prozesshaft, charakterisieren sich durch Spannungs- und Entspannungsphasen. Sie
variieren in Tempo, Dynamik und persönlicher Bedeutung, welche sprachlich nur reflexiv zu fassen
sind. Als Vermittler zwischen Menschen und Musik zu fungieren, dafür scheint das Fühlen aufgrund
der geteilten Eigenschaften besonders geeignet. Um diese sprachlich so schwierig zu
untersuchenden Korrespondenzen gut beschreiben zu können, eignet sich die Denkfigur des
„Metaxy“ (vgl. Huber, 2020). Mit dem Begriff des Metaxy beschreibt Diotima in Platons Symposion
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die Eigenschaften des Hermes, dem Vermittler zwischen Menschen und Göttern: als ein Wesen des
Weder-noch, dass nie das eine oder andere werde und ein ewiges Zwischen – ein Metaxy – sei.
Um Fühlen als Zwischen von Menschen und Musik zu denken, hilft es, diesen Raum mit den
ambigen Wahrnehmungspolaritäten nach Hermann Schmitz zu illustrieren. Schmitz beschreibt aus
der Perspektive der von ihm maßgeblich begründeten Neuen Phänomenologie, dass sich Menschen
mit Ihrem Leib abseits sprachlich-logischer Wahrnehmung an fünf Polaritäten orientieren, in deren
Mitte sich ein ambiges Zwischen als Spannungsfeld befindet (Schmitz, 1998):
1. Eigenes–Fremdes
2. Identität–Verschiedenheit
3. Hier–Weite
4. Jetzt–Dauer
5. Sein–Nichtsein.
Abb. 2 Fühlen als Metaxy in synchron-lokaler Erfahrung
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Musikdidaktische Beschreibung
Das übergeordnete Ziel des Workshops liegt in der produktiven Erforschung des Fühlens als
Zwischen von Menschen und Musik durch die Teilnehmenden. Das Setting ist dabei so ausgerichtet,
dass die individuelle Erfahrung der Teilnehmenden als Ankerpunkt für die Reflexion und
Verknüpfung mit der Theorie dient, damit anschließend Impulse für die eigene musikpädagogische
Praxis zur Verfügung stehen. Eine besondere Herausforderung liegt darin, dass die Vorkenntnisse
und -fähigkeiten der Teilnehmenden nicht bekannt sind und sich die Teilnehmenden untereinander
auch nicht kennen. Um diesen möglicherweise hemmenden Umständen zu begegnen, führt der
Einstieg barrierearm ins Thema. Durch das gemeinsame Musizieren des Stückes „Richtige
Dauern“ von Karlheinz Stockhausen (Stockhausen, 1968) und die anschließende Reflexion lernen
sich die Teilnehmenden musikalisch und persönlich kennen: sie musizieren aus dem Moment heraus,
ohne dass eine Klangvorstellung (bspw. in Form einer Notation) Ängste vor falschen Tönen schüren
könnte. Die Teilnehmenden diskutieren vor dem Hintergrund des eigenen Erfahrungshorizonts das
eigene Fühlen im Bezug zur Musik. Dieses Vorgehen bildet die Grundlage für die anschließende
theoretische Reflexion.
Abb. 3: Richtige Dauern von Karlheinz Stockhausen
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Die Erarbeitungsphase beginnt mit einer kompakten Einführung in die theoretischen Grundlagen.
Anschließend beginnt die eigentliche Arbeit. Bereits während des Musizierens von „Richtige
Dauern“ werden die fünf Polaritäten von Schmitz auf das Fühlen bezogen und anschließend im
Gespräch reflektiert. Diese Vergegenwärtigung bildet gleichzeitig die Überleitung in die
Kompositionsarbeit, in der sich die Teilnehmenden in fünf Gruppen je einer Polarität widmen und
wie in einer Werkstatt ins Arbeiten kommen: Zunächst experimentiert jedes Gruppenmitglied
allein an einer Verklanglichung der Polarität. Daraufhin werden die Ideen in den Gruppen probiert
und miteinander verwoben. In einem letzten Schritt soll schließlich der Versuch unternommen
werden, das Ergebnis in die Formulierung und Gestaltung einer Spielanweisung zu überführen. In
dieser Phase reflektieren die Teilnehmenden die individuellen Formen des Fühlens einer der
Polaritäten. Im Versuch, einen geeigneten musikalischen Ausdruck für diese Polarität zu finden, soll
sich auch das Selbst musikalisch artikulieren. Durch die anschließende Darstellung und Diskussion
der Gestaltungsidee wird dieser Aspekt im Besonderen ausgeleuchtet und kann im besten Fall auch
in der finalen Version der Gruppe einbezogen werden. Mit der Aufgabe, eine Spielanweisung zu
erarbeiten, ist die Gruppe herausgefordert, reflexiv eine sprachliche Form für die erfundene Musik
und die eigene Gestaltungsidee zu realisieren.
In der Präsentationsphase führen die Gruppen ihre Kompositionen auf. Die Teilnehmenden
diskutieren ihre Wahrnehmungen und vergleichen sie mit den entstandenen Spielanweisungen. Je
nach verbleibender Zeit sind abschließend verschiedene Spielvarianten möglich:
• Wechsel der Gruppen / Spielanweisung
• eine Aufführung in fünf Sätzen
• das parallele Spiel mehrerer oder aller Spielanweisungen
In einem abschließenden Gespräch beurteilen die Teilnehmenden das Erfahrungs- und
Theorieangebot des Workshops in Hinblick auf ihre musikpädagogische Praxis. Hierbei bietet die
Reflexion weiterer Verhaltensweisen gegenüber der Musik und der daraus resultierende Umgang
mit ihr fruchtbare Impulse: ästhetisches Denken sowie das Denken in Klang und das Denken in
Sprache.
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Reflexion
Als äußerst glücklich erwies sich die unvoreingenommene und spielfreudige Haltung der
Workshopteilnehmenden: Bereits in den Reflexionen zu den drei Durchläufen von „Richtige
Dauern“ entspannen sich lebendige Diskussionen. Insbesondere die Diskrepanz zwischen dem
normativ wahrgenommenen Titel „Richtige Dauern“, der einen potentiell richtigen – korrekten –
Gesamtklang in Aussicht stellt und der stets individuellen Wahrnehmung und spielerischen
Interpretation einer Tondauer führte ohne Umwege in die Erörterung zentraler Aspekte des
Fühlens in der Musikwahrnehmung. Das Interesse für das Anliegen war geweckt, der anschließende
Transfer von der Praxis in die Theorie erschien kurzweilig und wurde als hilfreich wahrgenommen.
Der letzte Durchlauf von „Richtige Dauern“ füllte einen Zeitraum von zwanzig Minuten, was auf der
einen Seite dem Spielgefühl der Teilnehmenden gerecht wurde, auf der anderen Seite allerdings
auch dazu führte, dass die Spielphase und Abschlussdiskussion am Ende stark eingekürzt werden
musste.
Die Impulse für die erforschende Auseinandersetzung mit den fünf Polaritäten sorgten für
fruchtbare Erarbeitungen. Dabei bestimmten die unterschiedlichen professionellen Hintergründe
der Teilnehmenden unterschiedliche Wege der Auseinandersetzung, was sich auch in den
Ergebnissen niederschlug. Drei Ansätze lassen sich in der Rückschau gut unterscheiden:
• wissenschaftlich-philosophisch: die Polarität wird begrifflich geklärt und die entwickelte
Definition bildet die Grundlage für eine Improvisation und spätere Spielanweisung
• musikalisch: die Gruppe improvisiert in mehreren Durchläufen und entwickelt aus den
Reflexionen ein Verständnis zur Polarität
• musikalisch-theatral: die Gruppe improvisiert nicht nur musikalisch, sondern nimmt durch
Mimik, Gestik und Tanzbewegungen auch eine darstellende, theatrale Dimension mit auf, die
sich auch in den Spielanweisungen niederschlägt
Die musikalischen und philosophischen Anliegen sprengten jedoch die „Richtige Dauer“ des
Workshops: es bleibt eine Fülle an Fragestellungen offen und die Aussicht auf produktive
Fortsetzungen. So sollte untersucht werden, inwieweit entlang der drei oben beschriebenen
Strategien im Umgang mit den Arbeitsimpulsen das individuelle Fühlen, seine sprachlichen
Entsprechungen und musikalischen (wie auch ggfs. theatralen) Interpretationen in die Performances
oder auch in die Spielanweisungen eingegangen sind. Dass dies in beiden Fällen eingetreten sein
könnte, ließe sich möglicherweise aus der Intensität der musikalischen Aufführungen und der
aufgeschlossenen und achtsamen Rezeption durch die Teilnehmenden spüren.
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Literatur:
Huber, Annegret: Diotimas Metaxy. Liebe und Weisheit in Sprachwelten des Musikanalysierens. In: Ellmeier, Andrea /
Ingrisch, Doris / Walkensteiner-Preschl, Claudia (Hrsg.): Sprach/Medien/Welten. Wissen und Geschlecht in Musik,
Theater Film (MDW Gender Wissen Band. 8). Böhlau, Wien et al. 2020, S. 113–146.
Husserl, Edmund: Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins. In: Heidegger, Martin (Hrsg.):
Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. IX. Max Niemeyer Verlag, Halle 1928, o. A.
Khittl, Christoph: Anders befragt: die musikalische Situationstheorie in systematischer und musikpädagogischer Lesart.
In: Khittl, Christoph (Hrsg.) unter Mitarbeit von Hirsch, Markus: „In-Musik-sein“ – die musikalische Situation nach
Günther Anders. Interdisziplinäre Annäherungen in musikpädagogischer Absicht. wiener reihe musikpädagogik Band. 3.
Waxmann, Münster / New York 2022, S. 31–75.
Piotraschke, M. (2022): Gefühle im Musikunterricht. Eine hermeneutische Studie zur Relevanz leiblicher Affektivität für
musikpädagogisches Denken und Handeln, https://doi.org/10.18453/rosdok_id00003950.
Schmitz, Hermann: Der Leib, der Raum und die Gefühle. edition tertium (arcaden), Stuttgart 1998.
Stockhausen, Karlheinz: Richtige Dauern. In: nr. 26 Aus den sieben Tagen. universal edition, Wien 1968, S. 2.
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HANDWERKSKOFFER EXPRESS
(Marlen Schumann, Leipzig)
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BIOGRAPHISCHES
YVONNE DOMBROWSKI
Die in Hamburg lebende Künstlerin und Musikpädagogin Yvonne Dombrowski (geb. Peters)
(*1993) ist künstlerisch als Sängerin / Vokalistin, Komponistin und Poetin und pädagogisch in den
Bereichen Vocal Coaching und Elementarer Musikpädagogik aktiv. 2011 begann Yvonne
Dombrowski ihr Musikpädagogik Studium mit Hauptfach Jazz-Gesang und Nebenfach Klavier am
Institut für Musik der Hochschule Osnabrück. Nach dem Studienabschluss im Fach Elementare
Musikpädagogik beendete sie ein Masterstudium im Fach Performance Studies an der Universität
Hamburg. An der Oldesloer Musikschule für Stadt und Land e.V. leitet sie den vokalpädagogischen
Fachbereich und unterrichtet in der Elementaren Musikpädagogik und in der Erwachsenenbildung.
Sie komponiert, improvisiert und ist unter der Namen Yvoe Ree Mitbegründerin der internationalen
Performance Crew SINTOS, die Künste verschiedenster Kunstsparten vereint.
ANNALOUISE FALK
Annalouise Falk studierte in Bremen und Detmold Blockflöte, Elementare Musikpädagogik,
Instrumentalpädagogik sowie als Meisterschülerin Freie Kunst mit Schwerpunkt Performance,
Kreation und Interpretation. 2020-2023 lehrte sie an der Hochschule für Musik, seit Oktober 2023
ist sie Studiengangsleitung der Elementaren Musik an der Musikhochschule Münster. Annalouise
arbeitet mit Körper, Gruppen, Sound, Video und Objekten. Zentraler Bestandteil ihrer
künstlerischen Tätigkeit ist die Erforschung von Fragen der Berührung und Nähe in experimentellen
Aufbauten.
DR. CHARLOTTE FRÖHLICH
Charlotte Fröhlich (* in Luzern) widmete sich im ersten Studium den Naturwissenschaften. Das
zweite Studium am Mozarteum Salzburg/ Orff-Institut weckte schliesslich die Leidenschaft, nach den
Wurzeln des musikalischen Ausdrucks zu suchen und aus Querverbindungen mit anderen
Disziplinen zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Das führte zu einer Promotion an der Hochschule
für Musik und Theater Hamburg, welche die Produktivität der Überschneidungsgebiete von
Musikpädagogik und Musiktherapie untersuchte. Zuletzt war sie als Professorin an der PH FHNW
Basel tätig. Das gegenwärtige Forschungsinteresse von Charlotte Fröhlich richtet sich auf die
Verschränkung von Musikerleben, musikalischem Ausdruck und Persönlichkeitsentwicklung. Eine
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Gastforschungsauftrag an der Universität Potsdam ermöglichte die aktuelle Forschung zu
Improvisation und Beziehungsqualität.
NORA-ELISABETH LEINEN-PETERS
Nora Leinen-Peters (*1991) studierte Schulmusik und Sonderpädagogik an der HfMT in Leipzig. Seit
2017 ist sie dort wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin und hat Lehraufträge am Institut
für Förderpädagogik und dem ZLS der Universität Leipzig inne. Ihr Forschungsschwerpunkt
„Mediopassive Musikpraxis in musikalischen Lern- und Vermittlungsprozessen“ ist zugleich Thema
ihres Dissertationsprojektes und problematisiert Musikunterricht im Kontext von Inklusion sowie
an der Schnittstelle zur Elementaren Musikpädagogik (EMP) und Schulmusik. Derzeit ist sie zudem
als zentrale Gleichstellungsbeauftragte der HMT Leipzig tätig.
JOHANNA NAGY
Johanna Nagy ist Diplom-Rhythmikerin und Schlagzeugerin. Sie arbeitet als Dozentin in den
Bereichen Rhythmik, Elementare Musikpädagogik und Schlagwerk an der HfM Detmold und der
HfMT Leipzig. Sie bietet Projekte, Workshops und Fortbildungen an unterschiedlichen Institutionen
an und ist sowohl im Bereich „Musik-und Bewegungsperformance“ als auch mit ihrem „Interaktiven
Musiktheater für Kinder“ auf der Bühne aktiv. Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit sind u.a.
Improvisation, Schlagwerk/Bodypercussion, rhythmische Bewegungsperformance mit
Alltagsmaterialien und Rhythmik für ältere Menschen.
PROF. DR. SUSANNE NAUMANN
Susanne Naumann (*1976) studierte Violine/ Orchestermusik, Kirchenmusik und Schulmusik in
Leipzig, Halle/S. und Lübeck. Als Kirchenmusikerin arbeitete sie mit Chören und Ensembles aller
Alters- und Niveaustufen zusammen und leitete zahlreiche Kammermusik- Chor und
Orchesterprojekte. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin für Musik und Darstellendes Spiel an einer
Gemeinschaftsschule in Schleswig-Holstein und als abgeordnete Lehrkraft an der Europa-Universität
Flensburg wurde sie 2022 an der TU Braunschweig promoviert. Susanne Naumann lehrt seit 2023
an der HfMT Hamburg als Professorin für Schulische Musizierpraxis und Didaktik.
HELENE NIGGEMEIER
Helene Niggemeier studierte Opern- und Konzertgesang, Musikvermittlung/Musikmanagement und
Elementare Musik- und Tanzpädagogik. Nach mehrjähriger Tätigkeit in verschiedenen Musikschulen
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und als freiberufliche Künstlerin leitet sie seit 2018 den Masterstudiengang Elementare Musik- und
Tanzpädagogik an der HMT Leipzig. Ein besonderes Interesse innerhalb ihrer Arbeit gilt
der künstlerischen Forschung in der Hochschullehre.
MARLEN SCHUMANN
Marlen Schumann arbeitet im Feld des Zeitgenössischen Tanzes als Tänzerin, Choreographin und
Tanzvermittlerin, vor allem in Leipzig, mit verschiedenen Partnern zusammen. Sie studierte an der
Palucca Hochschule für Tanz Tanzpädagogik (2002-2006) und Zeitgenössischen Tanz mit dem
Schwerpunkt Choreographie (2006-2008) an der ArtEZ Dansacademie in Arnhem, Niederlande.
Künstlerisch verbindet sie eine langjährige Zusammenarbeit als Tänzerin mit der Choreographin
Irina Pauls. Mit dem Tanzlabor Leipzig entwickelt sie Konzepte im mixed-abled-Bereich und wirkt
als Dozentin und Choreographin. Neben dem künstlerischen und vermittelnden Aspekt setzt sich
Marlen Schumann als Athletiktrainerin für Tanzgesundheit und entsprechende Trainingsmethoden
ein.
DR. MAX PIOTRASCHKE
Maximilian Piotraschke ist seit März 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der hmt Rostock. Im
Rahmen des Verbundprojektes LEHREN-in-MV koordiniert er in der Fachdidaktik Musik das
Projekt PrOBe - Praxisphasen Orientierend Begleiten, welches vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) durch die Qualitätsoffensive Lehrer*innenbildung gefördert wird. Ziel des
Projektes ist die Entwicklung, Evaluation und Implementierung des Praxisjahres Schule als zentrales
Praktikum des Musiklehramtsstudiums. Maximilian Piotraschke ist zuständig für die Organisation des
Praxisjahres Schule, die Durchführung der vorbereitenden Seminare und Begleitkolloquien, den
Ausbau und die Betreuung des Musikmentoringnetzwerkes sowie für die Koordination der
Verbundarbeit in der Geschäftsstelle des landesweiten Zentrums für Lehrer*innenbildung.
(Quelle: https://www.hmt-rostock.de/hochschule/lehrende/institut-fuer-musikwissenschaft-und
musikpaedagogik/musikpaedagogikmusikdidaktik-schulmusik/maximilian-piotraschke/)
Lizenziert unter CC BY-NC-ND 4.0 DEED, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-
sa/4.0/deed.de