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Abstract

Hochschulen sind als spezifisches (akademisches) Feld (Bourdieu 1988) in Bezug auf soziale Ungleichheiten durch zwei Prinzipien als besonders resistent charakterisiert: Zum einen gilt hier das Prinzip der Meritokratie, d. h. die Idee, dass unabhängig von der Person allein die Leistung zähle (dazu kritisch: Solga 2005). Zum anderen sind Hochschulen als Organisationen durch ein hohes Maß an Informalität gekennzeichnet, d. h. ungeschriebene Regeln bestimmen maßgeblich das Miteinander. Diese sind für Neulinge in diesem Feld oft schwer zu erkennen oder zu durchschauen (Neusel 1998). Uns geht es darum, gesellschaftliche Heterogenität auch in der Hochschule abzubilden, d. h. Zugangs- und Studier- sowie Arbeitsmöglichkeiten für alle, die die notwendigen Voraussetzungen mitbringen, zu schaffen. Dies ist zum einen ein demokratischer Grundsatz, zum anderen wird dies auch durch das AGG gefordert (auch wenn dies nicht für alle Statusgruppen an Hochschulen gleichermaßen bindend ist). D. h. es geht auch um eine diskriminierungsfreie und – sensible Hochschulkultur. Die Beiträge in diesem Band, der im Kontext einer gleichnamigen Tagung im Jahr 2022 entstanden ist, diskutieren in Bezug auf unterschiedliche Dimensionen, wie sich soziale Ungleichheiten auch im Hochschulkontext bemerkbar machen und dieses formulierte Ziel untegraben. Zugleich werden Maßnahmen und Strategien diskutiert, soziale Ungleichheiten zu bearbeiten und ungleicher Teilhabe entgegenzuwirken.
SOZIALE
UNGLEICHHEITEN
UND HOCHSCHULE
Julia Besche, Julian Sehmer & Leonie Wagner (Hrsg.)
TagungsdokumentationInformationen
HAWK
Hochschule für angewandte Wissenscha und Kunst
Hildesheim/Holzminden/Göttingen
Fakultät Management, Soziale Arbeit, Bauen
www.hawk.de/m/soziale-ungleichheiten
SOZIALE
UNGLEICHHEITEN
UND HOCHSCHULE
Julia Besche, Julian Sehmer & Leonie Wagner (Hrsg.)
Tagungsdokumentation
INHALT
Julia Besche, Julian Sehmer & Leonie Wagner
EINLEITUNG .................................................................................................... 
Fachschasrat Soziale Arbeit (FSR-S) in Holzminden
GRUSSWORT ....................................................................................................
Ann-Kristin Kolwes
BILDUNGSGERECHTIGKEIT IM HOCHSCHULKONTEXT 
PROBLEME, HERAUSFORDERUNGEN UND ANSÄTZE ......................................... 
Olezia Boga
WIE INKLUSIV IST DIE HOCHSCHULE WIRKLICH?
BEHINDERUNGEN UND BARRIEREN IM HOCHSCHULKONTEXT .......................... 
Katharina Völsch
QUEERE SICHTBARKEIT UND GESCHLECHTLICHE VIELFALT .............................. 
Nicola Hille
SOZIALE UNGLEICHHEITEN UND GESCHLECHT:
SEXUALISIERTE DISKRIMINIERUNG UND GEWALT ALS STRUKTURELLE
HERAUSFORDERUNG FÜR HOCHSCHULEN ........................................................ 
AUTOR:INNEN UND HERAUSGEBER:INNEN ....................................................... 
EINLEITUNG
Julia Besche, Julian Sehmer & Leonie Wagner
EINLEITUNG
Vor zehn Jahren hat am Studienbereich Soziale Arbeit der HAWK in Holzminden
eine Tagun g mit dem Titel „Soziale Ungleichheit in der Hochs chule“1 stattgef unden.
Dies war Anlass, im Jahr 2022 das T hema erneut aufzugreifen und die Entwicklung
in verschiedenen Ungleichheitsfeldern zu betrachten. Mit der Tagung „Soziale
Ungleichheiten und Hochschule“2 hab en am 4. und 5. Novemb er 2022 vier Referen-
t:innen verschiede ne Dimensionen sozialer Ungleichheiten aufgezeigt und the-
matisier t. Vorbereitet und unterstützt wurde die Tagung u. a. von Teilnehmer:innen
eines Seminars im BA-Studiengang Soziale Arbeit sowie Mitgliedern des Fach-
schasrates Soziale Arbeit.3
Soziale Ungleichheiten bezeichnen die ungleiche Teilhabe von Einzelnen oder
Gruppen, an vorhandenen materiellen oder immateriellen Gütern (u. a. Kreckel
1992). Diskriminierungen oder eingeschränkte Zugänge können aufgrund von ver-
schiedenen K ategorien aure ten: Alter, ethnische oder nati onale Herkun (Migr a-
tionshintergrund), Geschlecht und sexuelle Identität, sexuelle Orientierung, kör-
perliche und geistige Fähigkeiten (Behinderungen, Beeinträchtigungen), Religion
und Weltanschauung sowie soziale Herkun (Bührmann 2018; § 1 AGG).
Hochschulen sind als spezisches (akademisches) Feld (Bourdieu 1988) in Bezug
auf soziale Ungleichheiten durch zwei Prinzipien als besonders resistent charak-
terisier t: Zum einen gilt hie r das Prinzip der Mer itokratie, d. h. die Idee , dass unab-
hängig von der Person allein die Leistung zähle (dazu kritisch: Solga 2005). Zum
anderen sind H ochschulen als Org anisationen durch ein h ohes Maß an Informal ität
gekennzeichnet, d. h. ungeschriebene Regeln bestimmen maßgeblich das Mitein-
ander. Diese sin d für Neulinge in diese m Feld o schwer zu erkenn en oder zu durch-
schauen (Neusel 1998).
1 Gefördert mit Mitteln der Hans-Böck ler-Stiung.
2 Geförder t mit Gleichstellungspolitischen Mit teln der HAWK .
3 W ir danken unserer St udentischen H ilfskra J oss Spieker-Siebre cht für die über aus zuverl ässige Unter-
stüt zung der Tagung un d Freya Ar tus für die u msichtige Unt erstüt zung bei der Er stellung dies es Bandes.
05
Zwar hat in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Önung von Hochschulen
gegenüber bislang unterrepräsentierten Gruppen stattgefunden (Wissenschasrat
2013), doch bleibt diese häug auf formale Zugänge beschränkt, d. h. die intern
wirkenden Prinzipien und ausgrenzende Strukturen werden nur schrittweise be-
arbeitet. Insofern bleiben in Bezug auf verschiedene Dimensionen sozialer Un-
gleichheiten trotz aller Bemühungen nach wie vor Ausschließungsmechanismen
bestehen. Die Hochschulen kommen ihrem gesellschalichen Aurag, „neben
Forschung, Lehre und Studium auch die Herstellung von Bildungs- und Chancen-
gerechtigkeit“ (Koreuber 2017: 14) zu erreichen, derzeit nicht angemessen nach.
Hinzu kommt die Ö nung der Zugangs voraussetzunge n (2016: 57.000 Studie rende
ohne allg. HS -reife, davon 61 % an HAWs). Dies h at insgesamt die Konseq uenz, dass
mehr nicht-traditionelle Studierende ein Hochschulstudium aufnehmen bzw. dass
die Studierenden eine größere Vielfalt und unterschiedliche Ausgangsvorausset-
zungen formal, sozial, in Bezug auf Vorkenntnisse und Lebenslagen mitbringen.
Dies können neben unterschiedlichen Zugang svoraussetzungen auch kein akade-
mischer Background, soziale Herkun, Erwerbstätigkeit neben Studium, Familien-
verantwortung, U-18, Migrationshintergrund, Frauen in „Männerstudiengängen“
etc. sein.
So lag der Anteil von Studierenden ohne deutsche Staatsangehörigkeit im WS
2015/16 bei 10,8 %, der Frauenanteil bei 42 % (Statistisches Bundesamt 2016: 14).
Die gleiche Beteiligung von Frauen und Männer n unter den Studierenden ist zudem
nach wie vor stark fachabhängig und nimmt mit zunehmender Qualikationsstufe
ab: 2018 betrug der Frauenanteil an Hochschulabsolvent*innen 47 %, an Promo-
tionsabsolvent*innen 45 %, an Habilitationsabsolvent*innen bei 32 Prozent (Zuc-
co 2022). Insbesondere der familiäre Bildungshintergrund ist nach wie vor ein
Selekt ionskriterium be im Übergang zu höhere r Bildung und vor allem auch bei d en
nächsten Übergangsphasen (Bildungsbericht 2018).
Neben den Dierenzkategorien „Staatsangehörigkeit“, „Geschlecht“ sowie „Bil-
dungsungleichheit“ benennt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
4 Intersektionalität (engl. Intersection = Schnit tpunkt, Schnittmenge) beschreibt die Überschneidung
sowie Gleichzeitig keit verschiedener Disk riminier ungsfor men gegenüber einer Person in der gesell-
schalichen Realität.
weitere Kategorien, welche für sich stehen oder intersektional
4 miteinander ver-
schränkt sein können. So kann die Herkun sowohl mit einer Benachteiligung
aufgrund der Religionszugehörigkeit verbunden sein wie auch mit Alter, Behinde-
rung oder der sexuellen Identität usw. Im Fall intersektionaler Diskriminierungs-
erfahrungen machen Studierende möglicherweise Diskriminierungserfahrungen
aufgrund der Wechselwirkung verschiedener Dierenzkategorien.
Neben Studierenden können auch Mitglieder der anderen an Hochschulen tätigen
Gruppen von Ausgrenzung aufgrund sozialer Ungleichheiten betroen sein: wissen-
schaliche Mitarbeiter:innen auf Projekt- oder Dauerstellen, Professor:innen oder
Mitarbeiter:innen in der Verwaltung. Jeder dieser Bereiche birgt eigene Potentiale
der Wirkung sozialer Ungleichheiten und benötigt spezische Maßnahmen und
Mittel ei ner Veränderung. In die sem Band werden wir vor alle m die Perspektive auf
die Studierenden richten, wobei in den Beiträgen zum Teil auch andere Gruppen
adressiert werden.
Uns geht es darum, gesellschaliche Heterogenität auch in der Hochschule abzu-
bilden, d. h. Zugangs- und Studier- sowie Arbeitsmöglichkeiten für alle, die die
notwendigen Voraussetzungen mitbringen, zu schaen. Dies ist zum einen ein
demokratischer Grundsatz, zum anderen wird dies auch durch das AGG gefordert
(auch wenn dies nicht für alle Statusgruppen an Hochschulen gleichermaßen bin-
dend ist). D. h. es geht auch um eine diskriminierungsfreie und – sensible Hoch-
schulkultu r. Die Beitr äge in diesem Band spie geln insofern die T hemen der Tagung 5.
Der Band startet mit einem Grußwort des Fachschasrates Soziale Arbeit Holz-
minden. Anschließend thematisiert Ann Katrin Kolwes Bildungsgerechtigkeit im
Hochschulkontext. Olezia Boga fragt nach der Inklusivität von Hochschulen in
Bezug auf Behinderungen und Barrieren. Katharina Völsch berichtet aus ihrer
Praxis über queere Sichtbarkeit und geschlechtliche Vielfalt. Zum Abschluss the-
matisiert Nicola Hille sexualisierte Diskriminierung und Gewalt als strukturelle
Herausforderungen von Hochschulen.
5 Mit einer Ausnahme: Der Tagungsbeitr ag zu „Rassismus und Migration“ von K arima Popal-Akh za-
ra ti konnte leider nicht aufgenommen werden
06 07
GRUSSWORT
LITERATURVERZEICHNIS
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akademischen-lauahn-40520.htm (Abruf: 17.08.2023).
08
Beruf oder anderes. Die H AWK hil, oder hier hil m an sich gegenseitig. E in erfreu-
licher Vorteil, so ein kleiner Standort zu sein.
Doch ohne gewillte Menschen funktioniert auch ein kleiner Standort nicht. Aus
un serer Sicht ist eine Möglichkeit, an Barrieren und Problemen zu arbeiten, die
eigene Beteiligung an Entscheidungen und Maßnahmen.
Wer weiß am besten, was Studierende wollen und brauchen?
Wer protiert von engagiertem Einsatz von Studierenden?
Wer kann sein Studium und seine Umwelt nachhaltig beeinflussen,
für sich und andere?
Die Antwort lautet: Studierende. Also erwachsene Menschen, die auf ihrem Bil-
dungsweg so erfolgreich sind, dass sie eine Zulassung erlangen, die sie dazu be-
rechtigt, an eine r Hochschule zu studieren. Erwachsene Menschen, die die Mög lich-
keit erhalten, selbstständig und alleinbestimmt zu leben und sich zu entwickeln.
Menschen, die in der besten Verfassung ihres Lebens sind.
Was ger ne dabei vergesse n wird, ist, dass die St udierenden keine homog ene Grup-
pe sind. Sie bestehen aus vielen einzelnen Personen, die mit unterschiedlichen
Voraussetzungen und Herausforderungen in die Hochschule kommen. Dass Stu-
dierende auch erwachsene Menschen sind, die sich in einem immer noch von Ras-
sismus und Diskriminierung geprägten, veralteten Bildungssystem behaupten
müssen. Dass sie Menschen si nd, die in einer vulner ablen Phase ihres Leb ens sein
können und zu vielen neuen Verpflichtungen o auch keine großen Einkommen
haben während sie gleichzeitig immer höhere Lebenshaltungskosten auringen
müssen. Menschen, die vielleicht nicht unabhängig von anderen Menschen und
auf Hilfe und Verständnis angewiesen sind. Menschen, die eingeschränkt sind,
oder Dinge e infach nicht so gut könn en, wie es in manchen Ber eichen verlang t wird.
Menschen mit individuellen Problemen und Herausforderungen, die es verdient
haben, in ihre m Leben weiterzukomme n und ernst genommen zu werden. Die Hilfe
brauchen und geben wollen.
Also seid nicht irgendwas, oder irgendwer. Seid ein Mensch! Hel euch gegensei-
tig und lasst euch helfen. Kämp nicht nur euren Kampf, sondern kämp mit und
für andere. Nehmt Menschen so wie sie sind und behandelt sie, wie ihr behandelt
werden möchte t. Und vor allem – sozusa gen als Abschluss d ieser Rede – unterstü tzt
die Leute, die Unterstützung brauchen, denn ohne Euren Einsatz wird sich nichts
verändern.
Fachschasrat Soziale Arbeit (FSR-S) in Holzminden
GRUSSWORT
Der Fachschasrat der Sozialen Arbeit möchten Sie alle recht herzlich zur Tagung
„Soziale Ungleichheiten und Hochschule“ begrüßen. Als studentisch gewähltes Gre-
mium setzen wir uns aus Studiere nden zusammen und repr äsentieren eine Samm -
lung verschiedenster Menschen und Interessen. Dabei ist es uns ein besonderes
Anliegen nicht nur Partys zu organisieren, sondern vor allem den Standort Holz-
minden und seine Möglichkeiten zu nutzen und aufzu zeigen. Essenziell dafür sind
Menschen mit i hren verschiedensten F acetten und Ressourcen , die sie mitbringen.
Der Studiengang Soziale Arbeit hat aufgrund des eigenen Professionsverständ-
nisses die Aufgabe, Menschenrechte zu vertreten und sich für diese einzusetzen.
Eines dieser Rechte ist die Teilhabe auf allen Ebenen. Dazu gehört der Ausgleich
von Nachteilen, Beeinträchtigungen und individuellen Bedürfnissen. Durch die
besonders hohe Zahl an Erststudierenden aus Nicht-Akademiker*innen-Familien,
die Verschiedenheit der Studierenden und die erschwer ten Bedingungen durch die
steigenden Lebenshaltung skosten gestaltet sich ein Studium immer komplizierter.
Es gibt unz ählige Faktoren, di e ein Studium erschwere n oder gar nicht ermö glichen.
Jedoch dar f ein Studium und vor allem das der Sozialen Ar beit nicht auf Privilegien
fußen und muss für jeden Menschen zugänglich sein und bleiben.
Verschiedenste Faktoren bedingen eine ers chwerte oder keine Teilnahmemöglich-
keiten. Diese gilt es zu erkennen und vorzubeugen oder auszugleichen. Dabei ist es
nicht die Auf gabe von benachteil igten Person en darauf aufmer ksam zu machen, o der
gar diese aus der Welt zu schaen. Es ist die Aufgabe von uns allen, die Augen oen
zu halten, unsere Ohren auf die zu richten, die Unterstützung brauchen können und un-
seren Mund d a aufzumachen, wo Ge rechtigkeit vor Gle ichbehandlung kommen mu ss.
Aus diese m Grund möchten wir die W ichtigkeit dieser Ver anstaltung her vorheben.
Diese Hochschule versucht auf verschiedenen Ebenen unterschiedlichsten Men-
schen ein qualitatives Studium zu bieten. Die Unterstützungsnetzwerke sind vor-
handen und werden stetig ausgebaut und verbessert. Nicht alles ist perfekt und
das Angebot, wie auch die Nachfrage müssen weiter steigen. Dennoch werden
Studierende gehört und es wird ihnen geholfen. Ob als Student*in ohne akademi-
schen Hintergrund, mit einer Beeinträchtigung oder Verpflichtungen wie Familie,
10 11
soziale Herkun bleibt nicht-sichtbar. Als
Zweites muss grundsätzlich festgestellt
werden, dass die Kategorie nichtakade-
misch in sich sehr heterogen ist und vor
allem eine Ordnungskategor ie darstellt. Die
tatsächlichen sozio- ökonomischen Lebens-
umstände einer Familie lassen sich hieran
jedoch nur bedingt ablesen. Als Beispiel:
Die Tochter eines Handwerksmeisters mit
eigenem Betrieb und mehreren Angestell-
ten in einer Kleinstadt ist ebenso nichtaka-
demisch wie der Sohn einer alleinerziehen-
den Mutter, die Hartz IV oder ähnliche Leis-
tungen bezieht und in einem sogenannten
„sozialen Brennpunkt“ lebt. Diese Pluralität
zeigt sich besonders eindrücklich in auto-
biographischen Veröentlichungen der ver-
gangenen Jahre (Eribon 2023, Dröscher
2021, Baron 2021, Sayram 2022). Trotzdem,
so unterschiedlich die Startvoraussetzun-
gen für diese beiden Personen im angeführ-
ten Beispiel auch sein mögen, zeigt die
Erfahrung, dass es einige Überschneidun-
gen im Erleben der im Folgenden beschrie-
benen Hürden gibt, die darauf zurückzu-
führen sind, dass sie beide in einem nicht-
akademischen Elternhaus aufgewachsen
sind.
. DAT ENLA GE
Den aktuell wohl umfassendsten Überblick
über die unterschiedliche Si tuation und die
damit einhergehenden Chancen für Akade-
miker*innen- und Nichtakademiker*innen-
kinder gibt der Bildungstrichter (Stierver-
band 2022, S. 3). Die Definition akade-
misch/nichtakademisch erfolg t dabei über
den höchsten Bildungsabschluss beider
Eltern. Ein Kind gilt demnach als aus einem
akademischen Elternhaus stammend, wenn
mindestens ein Elternteil einen Hochschul-
abschluss besitzt. Beruhend auf verschie-
denen Einzelstudien stellt der Bildungs-
trichter die Wahrscheinlichkeiten dar, ein-
zelne Stufen unseres Bildungssystems er-
folgreich abzuschließen und vergleicht
dabei 100 Akademiker*innenkinder mit
100 Nichtakademiker*innenkindern. Die
Darstellung beginnt mit der Grundschule
und endet mit einer erfolg reich abgeschlos-
senen Promotion. Erstellt wurde der Bil-
dungstrichter erstmals 2018 für den Hoch-
schulbildungsrepor t 2020 des Stierver-
bandes. Eine überarbeitete Version mit
aktuellen, leicht ver änderten Zahlen wurde
2021 erneut vom Stierverband veröent-
licht. Auf d en ersten Blick zeigen die b eiden
Trichter für Akademiker*innen- und Nicht-
akademiker*innenkinder die unterschied-
lich verteilten Zugangswahrscheinlich-
keiten über das ganze Bildungssystem
hinweg. Während durchschnittlich 83 von
100 Akademiker*innenkindern eine weiter-
führende Schule besuchen, zeig t die Dar-
stellung, dass es bei den Nichtakademike-
r*innenkinder n nur 46 sind. Die Zahlen zum
Studienbeginn liegen bei 79 gegenüber
27 Personen. 43 schließen er folgreich ein
Masterstudium ab, wohingegen es nur elf
Nichtakdemiker*innenkinder sind und le-
diglich zwei Kinder aus einem nichtaka-
demischen Elternhaus erlangen den Doktor-
grad, während es sechs aus einem akade-
mischen Elter nhaus sind (ebd.). Besonders
auallend ist die Tatsache, dass die Drop-
out-Quoten – als o diejenigen Personen, die
EINLEITUNG
Die soziale Her kun einer Person sowie ihr
sozio-ökonomisches Kapital spielen im
deutschen Bildungssystem eine große Rol-
le. Seit Jahr zehnten wird die Undurchlä ssig-
keit des hiesigen Schulsystems kritisier t,
ohne dass es substanzielle Veränder ungen
gegeben hätte. Die Situation an Hochschu-
len wurde dabei lange Zeit außer Acht ge-
lassen. Erst seit gut 20 Jahren rückt auch
dieser Aspekt verstärkt in den Fokus der
Betracht ung, denn die Wirkung der sozialen
Herkun hört nicht mit dem Abschluss der
Schule auf. Vielmehr lassen sich viele ex-
kludierende Effekte auch für das Hoch-
schulsy stem und die Wissenscha f eststel-
len, die dazu führen, dass sogenannte Ar-
beiter*innenkinder signikant seltener ein
Studium aufnehmen und abschließen, aber
auch weniger häug eine wissenscha liche
Karr iere anstreben und dami t einen ver hält-
nismäßig geringen Anteil der Professor*in-
nenscha ausmachen. Der vorliegende Bei-
trag zeig t auf, wie sich die aktuelle Situa-
tion anhand von Da ten darstellen läss t, mit
welchen Hürden Erstakademiker*innen im
deutschen Hochschulsystem besonders
konfrontiert sind und welche Ansätze und
Formen von Unterstützung sangeboten zum
Abbau von Bildungsungerechtigkeit beitra-
gen können.
Bevor auf aktuelle Zahlen und Daten zur
Gruppe der Erstakademiker*innen einge-
gangen wird, soll aber noch auf zwei grund-
legende Punkte hingewiesen werden, die
den spezischen Charakter der Diversitäts-
dimension soziale Herkunf t ausmachen.
Erstens ist die soziale Herkun eine nicht-
sichtbare Kategorie. Zwar lassen wir uns
schnell dazu verleiten, aufgrund äußerli-
cher Merkmale Rückschlüsse auf die Her-
kun einer Person zu ziehen, dies spiegelt
jedoch vor allem gesellschaliche Vorurtei-
le und Stereot ypen wider – die tat sächliche
12 13
Ann-Kristin Kolwes
BILDUNGSGERECHTIGKEIT IM HOCHSCHULKONTEXT 
PROBLEME, HERAUSFORDERUNGEN
UND ANSÄTZE
Ann-Kristin Kolwes
sich die Verteilung von akademisch und
nichtakademisch nochmals innerhalb der
Professor*innenscha mit dem unters chied-
lichen Status und der Ausstattung einer
Professur. Vor allem prestigereiche und gu t
ausgestattete Professuren der Besoldungs-
gruppe W3 sind sozial geschlossener als
W2-Professuren. Besonders viele Erstaka-
demiker*innen n den sich zudem unter den
außerplanmäßigen Professuren, deren Sta -
tus innerhalb des wissenschalichen Sys-
tems deutlich geringer ist und die ohne -
nanzielle Ressourcen vergeben werden.
Dieser Befund spiegelt sich auch in den
äußerst prestigeträchtigen Tenure-Track-
Professuren wider, die eine hohe soziale
Schließung auf weisen. Tenure-Track-Profes-
suren sollen Nachwuchswissenschaler *in-
nen einen frühen sicheren Karriereweg auf
eine Lebens zeitprofessur bie ten. Dabei wird
die eingangs befristete Professur nach er-
folgr eicher Bewährun gsphase (Tenure Track )
zu einer Lebenszeitprofessur. Abgesehen
von den Statusgruppen innerhalb der Pro-
fessor*innenscha, lässt sich auch ein Zu-
sammenhang zwischen dem Studienfach
und seiner sozialen Durchlässigkeit bzw.
Geschlossenheit feststellen. Fächer mit
klassisch en Abschlüssen, wi e Medizin oder
Rechtswissenschaen, sind grundsätzlich
noch immer sozial geschlossener als ande-
re Studiengänge. Dies mag zum einen an
den zum Teil sehr rig iden Aufnahmevoraus-
setzun gen liegen, zum anderen w ird jedoch
immer wieder davon berichtet , dass beson-
ders in diesen Fächern der soziale Status,
der entsprechende Habitus sowie beruf li-
che Netzwerke eine größere Rolle spielen
(Möller et al. 2020, S. 23.).
Die Daten zeigen, dass der Einfluss der so-
zialen Herkun nicht nur Studierende be-
tri, sondern vor allem auch ein Problem
innerhalb des wissenschalichen Systems
darstell t. Doch wie genau macht sich die ser
Einfluss bemerkbar und trägt zu einem bil-
dungsungerechten Hochschulsystem bei?
Denn gerade auf den ersten Blick scheint
unser deutsches Hochschulsystem, beson-
ders im Vergleich zum britischen und dem
amerikanischen Modell mit seinen hohen
Studiengebühren, als sehr gerecht. Ent-
scheidet innerhalb der Wissenscha doch
vermeintlich nur die erbrachte Leistung
über Erfolg und Misser folg auf dem einge-
schlagenen Weg, ganz im Sinn des merito-
kratischen Prinzips, also das lediglich Leis-
tung und Können über Erfolg und Nichter-
folg entscheiden. Die bisher darstellten
Befunde verweisen jedoch bereits darauf,
dass letztlich auch viele weitere Faktoren
eine wichtige Rolle spielen und ebenfalls
über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
. HÜRDEN UND HERAUSFORDERUNGEN
FÜR ERSTAKADEMIKER*INNEN
Im Folgenden wird daher auf sechs Hürden
bzw. Herausforderungen eingegangen,
denen Erstakademiker*innen in ihrem Stu-
dium und in ihrer wissenschalichen Kar-
riere immer wieder begegnen können, und
die es für sie zu bewältigen gilt. Die Auf-
zählung folgt dabei keiner Gewichtung der
einzelnen Punkte. Nicht alle Erstakademi-
ker*innen werden jeden dieser Aspekte in
dieser oder einer vergleichbaren Form er-
lebt oder wahr genommen haben. Dies spie -
von der einen zur nächsten Stufe das Sys-
tem verla ssen – bei den nichtakad emischen
Kindern vor allem vor Studienbeginn im
Vergleich deutlich höher liegen. Dabei darf
nicht vergessen werden, da ss der Bildungs-
trichter keine absolute Verteilung innerhal b
der Gesellscha darstell t, sondern lediglich
die Wahrscheinlichkeit innerhalb zwei
gleich großer Gruppen im selben System.
Gesamtgesellschalich betrachtet, gibt es
deutlich mehr Nichtakademiker*innenkin-
der als solche mit einer akademischen Her-
kun. Laut Datenreport des Statistischen
Bundesamts haben lediglich 19,8 % der
deutsc hen Bevölkerung übe r 25 Jahren einen
akademischen Abschluss (Statistisches
Bun desamt 2021, S. 119).
Die 21. Sozialerhebung zeigt jedoch, dass
an deutschen Hochschulen nur knapp die
Häle aller Studierenden einen nichtakade -
mischen Familienhinterg rund hat, während
knapp über die Häle aus einem akademi-
schen Elternhaus stammt, worin sich die
ungleichen Zugangswahrscheinlichkeiten
des Bildungstrichters widerspiegeln (Mid-
dendor et al. 2017, S. 27). Die Daten der
Sozialerhebungen aus den vergangenen
15 Jahren zeigen zudem, dass sich eine
leichte soziale Schließung verzeichnen
lässt, obwohl der A kademisierungsgrad der
Bevölkerung steigt. Die Untersuchung des
Studierendenwerks weist darüber hinaus
ei nen deutlichen Unter schied zwischen Uni -
versitäten und Hochschulen für angewand-
te Wissenschaen (vormals Fachhochschu-
len) aus. Die traditionell praxisnah orien-
tierten Hochschulen für angewandte Wis-
senschaen verzeichnen mit durchschnitt-
lich 58 % Studierenden mit einer nichtaka-
demischen Her kun einen höheren Wer t als
die klassischen Universitäten mit nur 42 %,
die damit insgesamt noch einmal sozial ge-
schlossener sind (ebd. S. 28).
Unterschiedlich verteilte Zugangschancen
aufgr und der sozialen Herkun zeigen sich
jedoch nicht nur in der Studierendenscha,
gleiches gilt ebenso für wissenschaliche
Karr ierewege – also vo n der Promotion über
die Postdoc-Phase bis zur Professur. Wäh-
rend die unterschiedlichen Wahrscheinlich-
keiten zur Promotion noch im Hochschul-
bildungstrichter abgebildet waren, gibt es
leider nur sehr wenige und zum Teil recht
alte Zahlen f ür die beiden weiteren Karriere -
schritte innerhalb des Hochschulsystems.
Der Ende 2022 erschienene Genderreport
NRW hat auch die Herkun der befragten
Personen aus dem wissenschaftlichen
Mittelbau erfasst (Kortendiek et al. 2022).
54,1 % der Befr agten hatt en demnach einen
akademischen und 45,9 % einen nichtaka-
demischen Familienhintergrund (ebd. S.
286). Ob diese Zahlen als repräsentativ
gelten können, ist leider nur schwer einzu-
schätzen, da es sich um eine Stichprobe
handelt, die nur in NRW erhoben wurde.
Aufgrund fehlender Vergleichszahlen liefert
sie aber zumindes t einen Anhaltspunk t, der
insgesamt nicht aus dem Bild der ansons-
ten vorliegenden Zahlen fällt. Die umfang-
reichste Untersuchung zur Professor*innen-
scha hat Christina Möller (2015) durchge-
führt, die feststellen konnte, dass auch
unter den Professor*innen an Universitäten
die Anzahl der Erstakademiker*innen deut-
lich gering er ausfällt. Zudem unterscheidet
14 15
Ann-Kristin KolwesAnn-Kristin Kolwes
Zeit zurückzuführen ist. Denn wer eine Pro-
fessur nicht schon immer als Berufsziel zu-
mindest in Betracht gezogen hat, richtet
auch nicht sein ganzes (wiss enschaliches)
Wirken dar auf aus. Ganz unabhängig da von,
dass die Orientie rung im Studium oder auch
die Ausübung von Nebenjobs Faktoren dar-
stellen, die tendenziell mehr Zeit kosten.
Aspekt 2:
Finanzielle Ressourcen
Schlechtere oder fehlende nanzielle Res-
sourcen stellen grundsätzlich eine große
Hürde dar. Denn auch wenn es formal an
staatlichen Hochschulen keine Studienge-
bühren mehr gibt, fallen im Studium trotz-
dem viele wei tere Kosten an. Hier zu gehören
die pro Seme ster fälligen Seme ster be iträge,
aber auch Ausgab en für Studienmaterialien
wie Tablets und Computer, Drucker, So-
wareprogramme, Fachliteratur oder Exkur-
sionen. Hinzu kommen die zum Teil hohen
Lebenshaltung skosten in vielen Universi täts-
städten, die selbst mit den 2022 angehobe-
nen BAföG-Höchstsätzen kaum zu bestrei-
ten sind, wobei ohnehin nur noch 11 % der
deutschen Studierenden BAföG beziehen
(ckr 2022). Die staatliche Unterstützungs-
hilfe erfüllt also bloß noch bedingt ihren
ei gentlichen Auftrag. Während all diese
Ausgaben als sogenannte Bildungsinvesti-
tionen, als eine Investition in die Zukun
verstanden werden, steht in nichtakademi-
schen Familien de m häug eine große Skep-
sis gegenüber. BAföG in Anspruch zu neh-
men und damit in ihre n Augen mit Schulden
in das spätere Berufsleben zu starten, ist
ein Weg, den viele Familien zu vermeiden
versuchen, selbst wenn sie antragsberechtigt
wären. Hinzu kommt der hohe administra-
tive Auf wand, der mit der Beant ragung von
BAföG meist einhergeht (Hermann 2021).
Die 21. Sozialerhebung des Studierenden-
werks gibt auch Auskun darüber, wie Stu-
dierende ihren Lebensu nterhalt nanzieren.
Unabhängig von der Herkun sind es vor-
rangig die Eltern, die dies tun. Während
dieser Betrag bei Akademiker*innenkin-
dern durchschnittlich 61 % des zur Ver-
gung stehenden Geldes ausmacht, sind es
bei Nichtakademiker*innenkindern nur
34 % – der Betrag is t also nur knapp halb so
hoch (Middendor et al. 2017, S. 44). Viel-
mehr verdienen diese Studierenden sich
30 % ihres Lebensunterhalts selbst durch
eigenen Verdienst, während diese Einkom-
mensquelle bei Akademiker*innenkindern
22 % ausmacht (ebd.).
Wie sich solche Nebentätigkeiten letztlich
auf das Studium auswirken, hängt dabei
stark von Art und Umfang der Tätigkeit ab.
Studien konnten etwa zeigen, dass beson-
ders häug solche Studierenden promovie-
ren, die zuvor eine Hilfskraposition bei
einer*einem Professor*in hatten (Lenger
2008, S. 103 .). Die Arbeit als Hilfskra
oder Tutor*in ermöglicht einen Einblick in
das wissenschaliche Betätigungsfeld so-
wie das frühe Knüpfen von Kontakten.
Gleichzeitig sind diese Stellen jedoch ver-
gleichsweise schlecht bezahlt und zumeist
nur auf wenige Stunden pro Woche ange-
legt. Zudem werden sie häug nicht aus-
geschrieben, sondern von Lehrenden direkt
gelt wider, dass es sich bei einem nichtaka-
demischen Familienhintergrund, wie be-
reits b eschrieben, nicht um ei ne homogene
Erfahrung handelt. Vielmehr kann sich das
sozio-ökonomische und kulturelle Kapital
einzelner Personen stark voneinander un-
terscheiden, ebenso wie auch Persönlich-
keitsmerkmale eine gewisse Rolle spielen.
Dennoch handelt es sich bei den sechs
Aspekten um diejenigen, die von Erstaka-
demiker*innen immer wieder, im Rahmen
von Gesprächsrunden, Workshops und Be-
ratungen, benannt werden. Die Darstellung
soll jedoch nicht nur die davon betroene
Gruppe darin unterstützen, zu erkennen,
dass diese Hü rden einen systemisc hen Cha-
rakter haben, sondern auch Andere dafür
sensibilisieren, mit welchen Problemen und
Hürden sie im Hochschulkontext aufgrund
ihrer sozialen Herkun konfrontiert werden
können.
Aspekt 1:
Die (fehlende) Planung von Karrierewegen
Die (fehlende) Planung von Karrierewegen
ist insbesondere in Bezug auf eine wissen-
schaliche Kar riere bei Erstakademiker*in-
nen immer wied er zu beobachten. Viel e von
ihnen beschreiben rückblickend ihren Kar-
riereweg als eine Aneinanderreihung von
sich ergebenen Chancen, die sie einfach
genutzt haben: etwa Angeboten, die ihnen
von anderen P ersonen gemacht wur den und
die sie manchmal nur ergrien haben, da
sie im entsprechenden Moment keinen an-
deren Plan für ihre weitere berufliche Lauf-
bahn hatten. Die Berufsbiograe ist dabei
häug rückblickend keine steil und gradli-
nig verlaufende Karriereleiter, sondern o-
mals eher mit de r Hogwar ts-Treppe aus den
Harr y Potter-Filmen zu vergleichen, die
immer wieder ihre Richtungen und ihren
Verlauf ändert. Wer sie hinaufgeht, erreicht
sein Ziel, doch meist nicht auf direktem
Weg. Die Berufung auf eine Professur, als
Ziel einer erfolgreichen wissenschalichen
Karr iere, gilt es dabei im Gr unde ebenso zu
planen wie andere Karriereziele auch. Be-
sonders junge Erstakademiker*innen tun
sich jedoch mit diesem Schrit t schwer – sei
es aufgrund eigener Unwissenheit oder der
Unsicherheit, ob man dies schaen kann,
bzw. den eigenen Karrierewunsch so über-
haupt formulieren und kommunizieren darf.
Das Nicht-Planen führt jedoch häug dazu,
dass Personen mit einem nichtakademi-
schen Familienhintergrund länger für die
einzelnen Schritte ihrer Karriere brauchen
oder unwissentlich entscheidende A spekte
vernachlässigen, die sich im weiteren Kar-
rierev erlauf nur sehr viel schw erer auolen
lassen. Ein Beispiel hierfür kann ein länge-
rer Auslandsaufenthalt sein, eine bestimm-
te Anzahl von P ublikationen oder einge wor-
bene Dri ttmittel . Wie wichtig jedoch ge rade
der Faktor Zeit für wissenscha liche Karrie-
rewege ist, zeigen die bereits erwähnten
Tenure-Track-Pr ofessuren (Möller e t al. 2020,
S. 32). Für eine Tenure -Track-Professur müs-
sen sehr früh besonder s gute wissenscha-
liche Leistungen erbracht worden sein, die
für ein großes Potenzial der entsprechen-
den Person sprechen. Die Daten zu den Be-
rufenen zeigen, dass diese Gruppe eine
besonders große soziale Schließung auf-
weist, die sicherlich auch auf den Faktor
16 17
Ann-Kristin KolwesAnn-Kristin Kolwes
Zugang zu die sen Netzwer ken oder solchen
Personengruppen haben. Erstakademike-
r*innen fehlt häug schon das Wissen dar-
über, dass solch informelles Wissen exis-
tiert, bzw. sie haben keinen oder seltener
Zugang zu diesem. Hierdurch erscheinen
Dinge für sie häug als schwieriger oder
nicht lösbar, obwohl ihnen lediglich der Zu-
gang zu diesen Informationen fehlt. Solch
informelles Wissen ndet sich im Übrigen
für jede St ufe eines akademischen K arriere-
wegs und wird besonders von Postdokto-
rand*innen viel thematisiert, die sich auf
Professuren bewerben.
Besonders (wissenschaliche) Netzwerke
spielen für den Zugang zu solcher Art von
Wissen eine große Rolle. Das viel beschrie-
bene Vitamin B(eziehungen) ist Ausdruck
hiervon. Netzwerke aufzubauen ist vor al-
lem für einen wissenschalichen Karriere-
weg unerlässlich. Dabei sind Erstakademi-
ker*innen nicht grundsätzlich schlechtere
Netzwer ker*innen. Die Hochschule als eher
fremder Ort, die Unwissenheit über Spiel-
regeln und v ielleicht eine gewisse Ehr furcht
vor der akademischen Welt können jedoch
dazu beitragen, dass es ihnen deutlich
schwerer fällt, ein solches für sich aufzu-
bauen und von ihm zu protieren.
Aspekt 4:
Fremdheitsgefühle gegenüber der
Hochschule
Im letz ten Punkt klang ber eits an, dass sich
viele Personen mit einem nichtakademi-
schen Familienhintergrund an einer Hoch-
schule fremd fühlen. Die Spielregeln und
die Sprache sind für die meisten von ihnen
neu und erfordern vor allem zu Beginn des
Studiums eine große Anpassungsleis-
tung und einen zusätzlichen Lernaufwand.
Pierre Bourdieu hat diese „feinen Unter-
schiede“ als Aspekte unterschiedlicher
Habitus beschrieben, die wiederum maß-
geblich von dem Milieu gepräg t werden, in
dem eine Per son aufwächs t (Bourdieu 1987).
In unterschiedlichen gesellschaftlichen
Klassen gelten unterschiedliche Dinge als
Norm und über den entsprechenden Habi-
tus wird die Zugehörigkeit zu einer solchen
für Andere sichtbar. Das akademisch ge-
prägte, wissenschaf tliche Feld ist und
bleibt vielen der sogenannten Bildungsauf-
steiger*innen daher immer auch ein biss-
chen fremd bzw. sie selbst er leben sich als
nicht passend oder haben Angst, dass an-
dere sie als nich t passend empnden könn-
ten. Diese Fremdheitsgefühle können Per-
sonen in ihrem Selbstwert einschränken
oder auch dazu führen, dass sie sich die
Wissenscha bz w. die Hochschule nicht als
langfristige Arbeitgeberin vorstellen kön-
nen, selbst wenn sie die Forschung als ihre
Leidenscha beschreiben. Zu unüberwind-
bar erscheinen manchmal die (vermeintli-
chen) Erwartungen und zu erbringenden
Opfer gegenüber dem eigenen Lebensent-
wurf. Das Gefühl, „nie gut genug zu sein“,
spielt dabei eine entscheidende Rolle und
geht Hand in Hand mit dem sogenannten
Imposter-Syndrom oder auch Hochstaple-
r*innen-Syndrom. Darunter wird die Selbst-
einschätzung einer Person verstanden, die
von ihr err eichten Erfolg e seien lediglich auf
Glück bzw. Zuf all und nicht auf ihre Leistun -
an Studierende vergeben, welche sie aus
ihren Veranstaltungen kennen und die ih-
nen dort aufgefallen sind. Diese Vergabe-
prax is stellt für Ers takademiker*innen nich t
selten eine zusätzliche Hürde dar (Bargel/
Bargel 2010, S. 24).
Jobs in der Gastronomie oder im Einzelhan-
del bringen hingegen mehr Verdienst ein,
stellen aber auch eine größere Belastung
für das Studium dar, da Arbeits- und Ver-
anstaltung szeiten sich überschneiden kön-
nen bzw. die Per sonen sich nur mit weniger
Zeit und Energie auf das Studium konzent-
rieren können.
Wie abhängig viele Studierende von diesen
(Neben-)Einkünen sind, haben die ersten
Jahre der Corona-Pandemie gezeigt (Be-
cker/Lötz 2020). Ebenso wie die Tatsache,
dass nicht alle Studierenden auch über die
nötigen mobilen Endgeräte o der einen eige-
nen ruhigen Arbeitsplatz für ihr Studium
verfügen. Das bestehende Studiensystem
setzt vielmehr viele Dinge voraus, die wie-
derum nanzieller Ressourcen bedürfen.
Hierzu gehören auch die Finanzierung von
Auslandsaufenthalten oder unbezahlten
Praktika. Dies gilt zudem nicht nur für das
Studium, sondern auch für den Weg einer
wissenschalichen Karriere. Promotionen
sind in der Regel nu r über Teilzeitstellen u nd
damit prekär nanzier t, während Stipendien
nicht sozialversicherungspflichtig sind und
somit kaum sozialstaatliche Absicherung
bieten. Gleichzeitig müssen Forschungs-
reisen und Konf erenzteilnahmen im In- und
Ausland nanziert oder zumindest vorge-
strec kt werden. Die Publik ation der eigenen
Disser tation kann am Ende noc h einmal – je
nach Fach – mehrere tausend Euro kosten.
Dabei sind Auslandsaufen thalte, Forschungs-
reisen, Konferenzteilnahmen und die Pub-
likation in einem angesehenen Ver lag wich-
tige Baus teine für eine erf olgreiche wissen -
schaliche Karriere. Personen, die auf -
nanzielle Ressourcen, etwa der Eltern bzw.
der Familie, zurückgreifen können, haben
hierdurch einen Wettbewerbsvorteil.
Aspekt 3:
Fehlendes informelles Wissen
Neben fehlenden nanziellen Ressourcen
spielt fehlendes Wissen häug eine große
Rolle. Hochschule und Wissenscha sind
Systeme mit eigenen Regeln, A bläufen und
einer eigenen Sprache. Mit Informations-
veranstalt ungen, Leitfäden, Unters tützungs-
angeboten und vielen weiteren Formaten
versuchen Hochschulen, Studierende bei
ihrem Wechsel in diese neue Welt zu unter-
stützen. Während viele dieser Informatio-
nen frei zugänglich sind, gibt es jedoch
auch ein immenses informelles Wissen in-
nerhalb einzelner Institutionen und Studi-
engänge. Gemeint sind beispielsweise der
Zugang zu alten Klausurfragen oder die
Unterstützung bei der Wahl der richtigen
Betreuungsperson für Arbeiten in den je-
weiligen Qualikationsphasen. Diese Infor-
mationen zirkulieren in unterschiedlichen
Netz werken am Campus oder gehören zum
Wissensschatz von Personen, die selbst
eine Uni besucht oder vielleicht sogar den
gleichen Studiengang absolviert haben,
und sind nur zugänglich für Personen, die
18 19
Ann-Kristin KolwesAnn-Kristin Kolwes
schichte alleine im Durchschnitt kaum Aus-
wirkungen auf die Bildungsbiographie hat
(El-Mafaalani 2020, S. 69 .).
. UNTERSTÜTZUNGSMÖGLICHKEITEN
Obwohl nicht alle Erstakademiker*innen
die beschriebenen Hürden gleich erleben
und viele weitere Einflussfaktoren eben-
falls eine g roße Rolle spielen, is t es wichtig,
Bildungs(un)gerechtigkeit nicht als ein per-
sönliches P roblem der Betro enen, sondern
vor allem als ei n systemisches zu ver stehen
und zu adressieren. Das bedeute t, dass wir
die nichtakademische Herkun nicht als
einen Nachteil oder ein Dezit betrachten
dürfe n, das es möglichst au szugleichen gilt .
Vielmehr g ilt es den Blick insgesamt au f das
System Hochschule zu lenken und kritisch
zu hinterfragen, welche Ausschlussmecha-
nismen und Hürden für Erstakademiker*in-
nen hierin zu nden sind und wie diese
abgebaut we rden können. Ein erster S chritt
hierzu ist, dass Institutionen ihre Rolle als
Reproduzentinnen von Bildungsungerech-
tigkeit anerkennen und die eigenen Abläu-
fe, Spielregeln und Regularien selbstrefle-
xiv überprüfen und ggf. anpassen und ver-
ändern. Das Sprichwor t „never change a
running system“ funktioniert in Bezug auf
Bildungsg erechtigkeit nicht , denn nur wenn
wir das System verändern, werden wir lang-
fristig auch eine Verbesserung der oben
genannten Daten und eine damit einherge-
hende soziale Önung er leben. Langfr istige
und nachhaltig e Veränder ungen lassen sich
also nur über Veränderungen auf der syste-
mischen Ebene erreichen. Ein Beispiel hier-
für wäre etwa die Bereitstellung des be-
schriebenen informellen Wissens. Es gibt
keinen Grund, warum diese Informationen
nicht auch zentral zur Verfügung gestellt
werden könnten. Wenn jede Person Zugri
auf dieses Wissen hat, ist damit eine Hürde
abgebaut bzw. ein Unterstützungsangebot
für alle Personen geschaen worden, ganz
unabhängig von ihrer Herkun. Gleichzeitig
gilt es, A ngebote für Ers takademiker*innen
zu implementieren, die aktue ll von den Aus-
wirkungen ihrer sozialen Herkun betroen
sind. Initiativen wie Arbeiterkind.de
1 oder
der Verein Erste Generation Promotion
2
unterstüt zen Erstakademiker*innen im Stu -
dium bzw. zu Beginn und während der Pro-
motion. Unabhängig von einzelnen Institu-
tionen ber aten sie die Zielgr uppe kostenlos
und deutschlandweit.
Das Net zwerk Chancen 3 fokussier t darüber
hinaus vor allem den Berufseinstieg in der
Wirtscha. Alle drei bieten Angebote, die
auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abge-
stimmt sind. Von besonderer Bedeutung
sind zudem die Punkte Netzwerken und
Empowerment, denn für Erstakademike-
r*innen ist e s zumeist eine sehr entla stende
und beruhigende Erfahrung festzustellen,
gen zurückzuführen und dass andere Per-
sonen dies erkennen und sie*ihn als Hoch-
stapler*in entlarven werden.
Aspekt 5:
Fremdheitsgefühle gegenüber der
Herkunsfamilie
Fremdheitsgefühle können sich jedoch
nicht nur gegenüber der Wissenscha und
der Hochschule bemerkbar machen, son-
dern auch g egenüber der eigenen H erkuns-
familie entstehen. Die Hochschule kann
gleichsam der Ort sein, an dem sich eine
Person aus einem nichtakademischen El-
ternhaus z um ersten Mal wirk lich angekom-
men fühlt bz w. die Entfremdung zu r eigenen
Herkunsfamilie entwickelt sich erst mit
dem immer stärkeren Eintauchen in diese
neue Welt. Mit dem Erlernen der wissen-
schalichen Spielregeln und ihrer Sprache
sowie anderer Werte und Normen geht
meist auch eine gewisse Entfremdung zu
Persone n einher, die mit diesen Dingen bis-
her gar nicht oder nur wenig in Kontakt ge-
kommen sind. Auch ist die Reaktion der
Familie und des sozialen Umfelds auf die
Aufnahme eines Studiums nicht immer nur
positiv. Nicht selten herrschen auch hier
Vorurteile gegenüber „Studierten“ vor, mit
denen sich diese nun konfrontier t sehen,
und es besteht die Angst, dass man sich
jetzt für „etwas Besseres“ halten könnte
bzw. die eigene Familie nicht mehr gut ge-
nug sei (Miethe et al. 2014).
Die meisten Erstakademiker*innen erleben
beide Formen von Fremdheitsgefühlen in
unterschiedlicher Ausprägung. Dies lässt
sich auch als ein Bewegen zwischen zwei
Welten beschreiben, zwischen denen sie
immer eine gew isse Anpassungs- und Über-
setzungsleistung erbringen müssen. Be-
sonders g reiar wird dies beim P unkt Spra-
che, jedoch auch in den eigenen Wert- und
Lebensv orstellungen, die si ch mitunter star k
verschieben. Diese ständige Anpassungs-
und Übersetzungsleistung bzw. Selbstver-
ortung kostet dabei viel Energie und Kra,
da sie nur selten konfliktfrei verläuft.
Gleichzeiti g wird hierbei jedoch h äug über-
sehen, dass aus dem „Sich zwischen-den-
Welten-Bewegen“ auch Ressourcen und
Stärken entstehen können. So fällt es Erst-
akademiker*innen häufig leichter, eine
Sprache zu nde n, die sowohl wissenscha -
liche Standar ds erfüllt als au ch gleichzeitig
für ein breiteres Publikum verständlich ist.
Und auch die Perspektive aus de r „anderen
Welt“ bereichert die Forschung.
Wie bereits beschrieben, stellen diese
sechs Aspekte Hürden dar, mit denen Erst-
akademiker*innen in ihrem Studium aber
auch in einer wissenschalichen Karriere
konfrontiert sein können. Wie star k sie aus-
gepräg t bzw. erlebt werden, ist abhängig
von vielen unterschiedlichen Faktoren, wie
der genauen sozio-ökonomische n Situation
der Herkunsfamilie, aber auch anderen
Diversitätsdimensionen, die zu unter-
schiedlichen intersektionalen Eekten f üh-
ren können. Personen, die etwa eine nicht-
akademische Herkun und eine familiäre
Zuwanderungsgeschichte haben, sind be-
sonders von Bildungsungerechtigkeit be-
troffen, während die Zuwanderungsge-
1 ww w.arbeiterkind.de
2 www.egp-verein.de
3 www.netzwerk-chancen.de
20 21
Ann-Kristin KolwesAnn-Kristin Kolwes
dass sie mit ihren Problemen und Zweifeln
nicht alleine sind, sondern dass v iele Ande-
re ähnliche oder gleiche Erfahrungen ma-
chen. Das oene Sprechen über die eigene
Herkun  ist zudem ein wichtiger S chritt, um
das Thema der sozialen Herkun im Hoch-
schulkontext weiter zu enttabuisieren.
Die Forderung nach einem bildungsgerech-
ten Hochschulsystem stellt dabei keine
Forderung nach einem höheren Akademi-
sierungsgrad oder g ar einer Abwert ung von
Ausbildungsberufen dar. Es geht vielmehr
darum, ein Sy stem zu schaen, in dem jede
Person f rei nach ihren eigenen Stärken und
Interessen entscheiden kann, ob sie gerne
studiere n und ggfs. eine wissenschaliche
Karriere verfolgen möchte. Zu glauben,
dass diese Freiheit bereits besteht, ist bis-
her leider eine Illusion.
LITERATUR
Bargel, Holger/Bargel, Tino (2010): Ungleichheiten und Benachteiligungen
im Hochschulstudium aufgrund der sozialen Herkun der Studierenden.
In: Hans-Böckler-Stiung (Hrsg.): Demokratische und soziale Hochschule.
Arbeitspapier 202.
Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiung. www.boeckler.de/pdf/p_arbp_202.pdf
(Abfrage: 17.08.2023).
Baron, Christian (2021): Ein Mann seiner Klasse.
Berlin: Ullstein.
Kortendiek, Beate/Mense, Lisa/Beaufaÿs, Sandra/Bünnig, Jenny/Hendrix, Ulla/
Herrmann, Jeremia/Mauer, Heike/Niegel, Jennifer (2022): Gender-Report 2022.
Geschlechterungerechtigkeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen.
www.genderreport-hochschulen.nrw.de/leadmin/media/media-genderrepor t/
download/Gender-Report_2022/genderreport_2022_langfassung_f_web.pdf
(Abfrage: 24.01.2023).
Becker, Karsten/Lötz, Markus (2020): Studieren während der Corona-Pandemie:
Die nanzielle Situation von Studierenden und mögliche Auswirkungen auf das
Studium. In: DZHW Brief 09/2022.
www.th-wildau.de/les/ZQE/TQM/Dokumente/Berichte/FinanzielleSituationStudi_
Corona_DZHWUmfrage.pdf (Abfrage 3.7.2023.).
Bourdieu, Pierre (1987): Die feinen Unterschiede.
Hamburg: Suhrkamp.
Ckr (2022): Elf Prozent der Studierenden beziehen Bafög.
In: Forschung & Lehre, 12.12.2022.
www.forschung-und-lehre.de/lehre/elf-prozent-der-studierenden-beziehen-
bafoeg-5250 (Abfrage: 27.01.2023).
Dröscher, Daniela (2021): Zeige deine Klasse.
Die Geschichte meiner sozialen Herkun.
Hamburg: Homann und Campe.
El-Mafaalani, Aladin (2020): Mythos Bildung.
Die ungerechte Gesellscha, ihr Bildungssystem und seine Zukun.
Köln: Kiepenheuer & Witsch.
Eribon, Didier (2023): Rückkehr nach Reims.
Berlin: Suhrkamp.
Hermann, Kristin (2021): „Es würde Studierenden gerecht werden, wenn man sie
nicht wie Kinder behandelt. Ein Interview mit Rolf Dermann, Spiegel vom 1.9.2021.
www.spiegel.de/start/bafoeg-gruender-von-arbeiterkind-im-interview-a-
01092042-ba8b-4b76-af6b-412912acda02 (Abfrage: 3.7.2023).
22 23
Ann-Kristin KolwesAnn-Kristin Kolwes
. EINLEITUNG
Im Unterschied zu Schulen verfügen Hoch-
schulen 1 nicht über spezische Sonderins-
titutionen für Studierende mit Behinderun-
gen, ähnlich den Förderschulen. Es existie-
ren keine dedizierten „Förderhochschulen“.
Obwohl verstärkte Anstrengungen unter-
nommen werden, um inklusiver zu werden,
bleibt das (Hochschul-)Bildungssystem mit
einem erheblichen Risiko der Exklusion
konfrontiert. Rechtliche Maßnahmen, wie
Nachteilsausgleiche usw., können keine
Chancengerechtigkeit garantieren oder
strukturelle Barrieren auf lösen. Studenti-
sche, wissenschaftliche Teilhabe ist für
Menschen mit Behinderung noch sehr ein-
geschränkt möglich und die Lebensreali-
täten werden kaum empirisch betrachtet.
Vor diesem Hintergrund beschäigt sich
dieser Beitrag 2 mit Barr ieren im Hochschul-
kontext. Um der Frage nachzugehen, wie
inklusiv die Hochschule ist, wird Behinde-
rung zunächst theoretisch eingeordnet (2);
hierf ür werden vier Modelle dargestellt. Im
Anschluss (3) werden Teilhabeinstrumen-
te beschrieben, die zur Inklusion in Hoch-
schulen beitragen sollen. Nach der Vorstel-
lung der zentr alen Ergebnisse zur Situation
von Studierenden mit Behinderung (4) wer-
den Bemühungen von Hochschulen im Kon-
text der Modelle von Behinder ung evaluiert
und auf ihre Inklusionsfähigkeit hin disku-
tier t (5).
Lenger, Alexander (2008): Die Promotion. Ein Reproduktionsmechanismus
sozialer Ungleichheit.
Konstanz: UVK Verlagsgesellscha.
Middendor, Elke/Apolinarski, Beate/Becker, Karsten/Bornkessel, Philipp/Brandt,
Tasso/Heißenberg, Sonja/Poskowsky, Jonas (2017): Die wirtschaliche und
soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016. 21.
Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks – durchgeführt vom Deutschen
Zentrum für Hochschul- und Wissenschasforschung.
Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Miethe, Ingrid/Boysen, Wibke/Grabowsky, Sonja/Kludt, Regina (2014):
First Generation Students an deutschen Hochschulen. Selbstorganisation und
Studiensituation am Beispiel der Initiative www.ArbeiterKind.de.
Hrsg. Hans-Böckler-Stiung. Berlin: edition sigma.
DOI: doi.org/10.5771/9783845268354-1
ller, Christina (2015): Herkun zählt (fast) immer. Soziale Ungleichheiten
unter Universitätsprofessorinnen und -professoren.
Weinheim: Beltz Juventa.
ller, Christina/Gamper, Markus/Reuter, Julia/Blome, Frerk (2020):
Vom Arbeiterkind zur Professur. Gesellschaliche Relevanz, empirische Befunde
und Bedeutung biographischer Reflexion. In: Reuter, Julia/Gamper, Markus/
Möller, Christina/Blome, Frerk (Hrsg.): Vom Arbeiterkind zur Professur.
Sozialer Aufstieg in der Wissenscha.
Bielefeld: Transkript, S. 9–63.
Sayram, Iris (2022): Für euch.
Berlin: Claassen.
Statistisches Bundesamt (2021): Datenreport 2021.
Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland, S. 119.
Stierverband (2022): Vom Arbeiterkind zum Doktor.
Der Hürdenlauf auf dem Bildungsweg der Erststudierenden.
www.stierverband.org/medien/vom_arbeiterkind_zum_doktor
(Abfrage: 20.01.2023).
1 Unter Hochschulen werden sowohl Universitäten als auch Hochschulen für angewandte Wissenscha ge-
fasst.
2 D er Beitrag ba siert auf eine r überarbei teten Version des Vor trags im R ahmen der Tagung So ziale Ungleich-
heiten und Hochschule vom 04.11.2022 an der HAWK Hol zminden.
24 25
Ann-Kristin Kolwes
Olezia Boga
WIE INKLUSIV IST DIE HOCHSCHULE WIRKLICH?
BEHINDERUNGEN UND BARRIEREN IM
HOCHSCHULKONTEXT
In den 1990er Jahren entstand das Men-
schenrechtsmodell, welches Barrieren in
der gleichberechtigten Teilhabe an der Ge-
sellscha benennt und explizit die Rechte
von Menschen mit Behinderung fokussiert .
Das Modell bezieht sich konkret auf die Ein-
schränkungen bei Aktivitäten in allen Le-
bensbereichen. Menschenrechte haben für
alle Menschen eine universelle Gültigkeit
und können nicht aufgrund individueller
und zugeschriebener Eigenschaen aber-
kannt werden. 2006 verabschiedeten die
Vereinten Nationen die UN-Behinderten-
rechtskonvention (UN-BRK). Diese bildet
das Fundament und die Umsetzungsver-
pflichtung im Umgang mit Menschen mit
Behinderung (ebd., S. 102f.).
2.2 Internationale und nationale
Denitionen
Der vorliegende Beitrag schließt an die
Denition von Behinderung an, die in der
UN-BRK folgend formuliert wird: „Zu den
Menschen mit Behinderungen zählen Men-
schen, die lang fristige körperliche, see-
lische, geistige oder Sinnesbeeinträchti-
gungen haben, welche sie in Wechselwir-
kung mit verschiedenen Barrieren an der
vollen, wirksamen und gleichberechtigten
Teilhabe an der Gesellscha hindern kön-
nen.“ (UN-BRK 2009, Art. 1)
Die Begrie Behinderung und Beeinträch-
tigung werden meist synonym verwendet,
sie weisen jedoch auf verschiedene Dimen-
sionen hin: „Während ‚Behinderung‘ st ärker
auf die soziale Dimension verweist (durch
Barrieren in der Umwelt ‚behindert werden‘),
ist der Begri ‚Beeinträchtigung‘ neutraler
und bezieht sich auf konkrete Einschrän-
kungen bei Aktivitäten in verschiedenen
Lebensbereichen, mit denen die betroe-
nen Menschen konfrontier t sind“ (BMAS
2013, S. 7). Im deut schen Sozialrech t kommt
noch ein Zeitfaktor hinzu: „Menschen mit
Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes
sind Menschen , die langfris tige körperl iche,
seelische, geistige oder Sinnesbeeinträch-
tigungen haben, welche sie in Wechselwir-
kung mit einstellungs- und umweltbeding-
ten Barrieren an der gleichberechtigten
Teilhabe an der Gesellscha hindern kön-
nen. Als la ngfrist ig gilt ein Zeitrau m, der mit
hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs
Monate andauer t.“ (§ 3 BGG)
. INKLUSION UND HOCHSCHULE
Im vorangegangenen Kapitel wurde deut-
lich, dass die Ka tegorie Behinder ung keiner
einheitlichen Konzeption folgt. Die Lebens-
wirklichkeiten von blinden, roll stuhlfahren-
den oder kognitiv beeinträchtigten Men-
schen unterscheiden sich sehr voneinander.
Werden die Verwobenheiten zu Migration
und Geschlecht intersektional mitgedacht,
werden weitere Einschränkung in den Le-
benswirklichkeiten sichtbar (Westphal/
Boga 2022). Daher ist die Kategorie Behin-
derung vielmehr ein Konstrukt, das hypo-
thetische Implikationen zusammenfasst,
die dann behinderungsspezische Unter-
kategorien bilden (Capovilla 2021, S. 74 f.).
Im Verständnis der Inklusion 5 müssen alle
Menschen gesellschalich, politisch und
. EIN THEORETISCHER EINBLICK
Damit die Unterstützungsformen bzw. die
Teilhabeinstrumente der Hochschulen ein-
geordnet werden können, werden zunächst
unterschiedliche Modelle und Denitionen
von Behinderung vorgestellt.
2.1 Modelle von Behinderung
In den 1970er Jahr en wurden im Rahmen der
Disability Studie s unterschiedliche Modell e
von Behinder ung entwickelt , wobei Behinder-
tenbeweg ungen diese (zum Teil maßgeblic h)
mitfor mten (Waldschmidt 2020). Die Disabi-
lity Studies grenzen diese voneinander ab
und ordnen ihnen verschiedene Perspekti-
ven zu. Das medizinische (oder auch indiv i-
duelle) Modell war in der Vergangenheit
und ist es teilweise immer noch – auf eine
medizinische Perspektive festgelegt. Die
Wahrnehmung ist eine sehr dezitorientier-
te: eine Beeinträchtigung wird als Resultat
geistiger oder körperlicher Schädigung de-
niert. Hier wird implizie rt, dass jede Be ein-
trächtigung einer medizinischen Behan d-
lung (chirur gische Eingri e usw.) bedarf und
jeder Mensch mi t Beeinträcht igung von dieser
„geheilt “ werden muss. Die ge sellscha liche
Dimension und die Ausgrenzung werden
nicht themat isiert (Hirschb erg 2022, S. 96 f.).
Das gesells chasorientier te soziale Modell
hingegen individualisier t Behinderung nicht
mehr. Es veror tet Behinderung in den sozia-
len Umstän den, die zur Ausgren zung führen.
Allerdings führt der alleinige Fokus auf die
gesellschaliche Diskriminierung, die mit
ihren baulichen und sozialen Bar rieren be-
nachteiligt, zu einem Fehlen von persönli-
chen, ableistischen 3 und intersek tionellen 4
Erf ahrungen in diesem Ko nzept (ebd., S. 9 .).
Die Eindimensionalität beider beschriebe-
ner Modelle versucht das kulturelle Modell
auszugleichen. Behinderung wird dekons-
truier t und hinterfragt, wobei mehrheits-
gesellschaliche Normalit ätsvorstellungen
(Gesundheit, Leistungsfähigkeit usw.) be-
trachtet werden. Menschen mit Behinde-
rung wer den nicht mehr einseitig fok ussiert,
sondern alle Mitglieder der Gesellscha in
den Blick genommen (ebd., S. 101 f.).
3 Das Wort ableistisch bezieht sich auf den Begri Ableismus , der sich an den englischen Ausdruck „to be
able“ (fä hig sein) anlehnt. M it der Endung „-ismu s“ wird eine Ideo logie beschr ieben, bei der Pe rsonen auf-
grund bestimmter Merkmale, in diesem Fall einer Behinderung, auf diese reduziert und abgewertet wer-
den. Diese Ideologie der Abwer tung basier t auf der Vorstellung, dass der menschliche Kör per in einer vor-
geschr iebenen Weise funktionieren und leistungsfähig sein muss (Hutson 2010, S . 61 f).
4 Intersek tionelle Er fahrungen (bzw. der Ansatz der Intersektionalität) gehen davon aus, dass ein Mensch
von mehreren gesell schasrelevanten K ategorien betroen sein kann. Eine Frau mit Behinderung kann
sowohl durch sexistische als auch durch ableistische Strukturen diskriminiert werden. Diskr iminierungs-
erfahrungen werden allerdings nicht addiert, sondern wir ken sich je nach Kontext unterschiedlich aus
(Köbsell 2020, S. 115).
26 27
Olezia BogaOlezia Boga
zischen Themen wie Zugang und Zulas-
sung zum Studium, Nachteilsausgleiche im
Studium und in Prüfungen, Finanzierung
des Lebensun terhalts, Pf lege und Assis tenz,
informiert es auch über Lehre und Lernen
(DSW 2013). Im Folgenden werden schwer-
punktmäßig Praktiken aufgezeigt, die Stu-
dierende mit Beeint rächtigung unterstü tzen
und chancengleiche Bedingungen herstel-
len sollen.
Barrierefreiheit bezieht sich neben bauli-
chen Aspekten wie Rampen, Blindenleit-
systeme, Raumbeleuchtungen usw. auch
auf technische Asp ekte wie Kommunikation
und Informationen; sie liegt in der Verant-
wortung der Hochschulen (Przytulla 2016,
S. 199).
Nachteilsausgleiche kompensieren behin-
derungsspe zische Benachteiligungen und
werden individuell bei den Hochschulen
beantrag t (z. B. Studienzulassung, P rüfungs-
leistungen, Verläng erung der Regelstudien-
zeit). Die Studienorganisation wird damit
situationsbe dingt angepasst , beispielsweise
kann für ein e Prüfung eine Zei tverlänge rung
beantragt werden (Przy tulla 2016, S. 198).
Je nach Nachteil sausgleich müss en bestimm-
te Nachweise wie At teste, Stellungnahmen
usw. vorgelegt werden (DSW 2013, S. 98).
Beratungs- und Unterstützungsangebote
sind wichtige Anlaufstellen im Umgang mit
komplexen bür okratischen Pr ozessen rund
ums Studium. So wohl hochschulinter ne Be-
ratung sstellen können bei allg emeinen und
spezischen Fragen beraten als auch hoch-
schulexterne Stellen wie Studentenwerke
und Behinder tenverbände (Przytulla 2016,
S. 200). Viele Hochschulen bieten mittler-
weile studentische Peerberatungen an.
Neben Instrumenten, die von den Hochschu-
len selbst zur Inklusion eingesetzt werden
können, gibt es noch weitere, die von So-
zialleistungsträgern angeboten werden.
Personelle und technische Unterstützung
sind bspw. Studienassistenzen oder Vor-
lesegeräte für sehbeeinträchtige Studieren-
de. Technische Hilf smittel werden teilwe ise
auch von den Hochschulen selbst zur Ver-
fügung g estellt, wenn sie von vielen Studie-
renden genutzt werden. Im Gegensatz zu
Nachteilsausgleichen müssen personelle
und die meisten technischen Unterstüt zun-
gen bei Sozialleistungsträgern beantragt
werden (Przytulla 2016, S. 199 f.).
. ZENTRALE ERGEBNISSE ZUR
SITUATION VON STUDIERENDEN MIT
BEEINTRÄCHTIGUNG
Im Folge nden sollen nun die Ergeb nisse der
Studie „beeinträchtig t studieren“ (Poskow -
sky et al. 2018) in Bezug auf die Teilhabe-
instrumente eingeordnet werden.
Barrierefreiheit
Das Bild einer rollstuhlfahrenden Person
hat sich sowohl gesamtgesellschaftlich
als auch in Bezug auf Studierende mit Be-
hinderung s ymbolisch eingepr ägt. Dement-
sprechend waren/sind barrierefreie Vor-
stru kturell einbezog en werden. In Bezug auf
die Lebenslage von Menschen mit Behinde-
rung bedeutet da s, dass Rahmenbedingun-
gen angepasst werden müssen. Die deut-
sche Hochschullandscha verankert die
Thematik im Hochschulrahmengesetz , den
Landesho chschulgeset zen und in den Emp-
fehlungen der Hochschulrektorenkonferenz.
Impliziert werden die Anforderung en an die
Hochschulen durch die UN-BRK (Peschke
2019, S. 3). Die Ges etze (und Empfehlunge n)
verpflichten die Hochschulen dazu, ‚ihre‘
Studierenden nicht zu benachteiligen und
allen ein eigenständiges Studium zu ermög-
lichen. Barrierefreiheit, Nachteilsausglei-
che, Beratungsangebote sowie personelle
und technische Unterstützung wurden als
Teilhabeinstrumente etablier t und sollen
die Inklusion fördern.
Die Ergebnisse verschiedener Studien, auf
die im Verlauf dieses Beitrags noch einge-
gangen wird, zeigen deutlich, dass Beein-
trächtigungen im Studium negative Folgen
für die soziale und wirts chaliche Lage der
Studierenden haben. Auch auf den Studien-
verlauf hat eine Beeinträchtigung neg ative
Auswirkungen. Laut der repräsentativen
Studie „beeinträchtig t studieren“ (Poskow -
sky et al. 2018) an der 21.000 betroene
Studierende teilnahmen, wirken sich fol-
gende Beeintr ächtigungen 6 auf ein Studium
stark aus: 53 % haben psychische Erkran-
kungen, 20 % chronisch -somatische Erkr an-
kungen (Rheuma, MS, Darmerkrankungen),
6 % andere länger dauernde Erkr ankungen/
Beeintr ächtigungen (z. B. Tumorerkrankun-
gen, Autismus-Spektrum-Störung ), 4 % Be-
wegungsbeeinträchtigungen, 4 % Teilleis-
tungsstörungen (Legasthenie), 3 % Hör-/
Sprech-Beeinträchtigungen und 3 % Seh-
beeinträchtigungen 6 (ebd., S. 3). Insges amt
ist die Studierendenscha, die beeinträch-
tigungsspezische Studienerschwernisse
angibt, sehr heterogen.
3.1 Teilhabeinstrumente
Das Deut sche Studierendenwer k bietet ein
umfangreiches Handbuch „Studium und
Behinderung“ an. N eben behinderungsspe-
5 A uch wenn der Beg ri der Inklus ion omals in Be zug auf Menschen m it Behinderun g verwende t wird, fass t
er mehr zus ammen. Inklus ion meint, dass a lle Menschen unab hängig von ethn ischer Zugehö rigkeit, so zio-
ökonomischem Hintergrund, Behinderung, Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung oder anderen Kate-
gorien bzw. Merkmalen gleichberechtigt an Bildung, Arbeit, Freizeit- und anderen gesellschalichen Ak-
tivit äten teilnehmen können. Die Beseitigung von Barrieren und die Partizipation von allen ist dabei eine
gesamtgesellschaliche Aufgabe (hierzu Hilpert/Meyer/Lindmeier 2020).
6 Die St udien unterscheiden zwischen Studierenden mit Beeinträchtigung und chronischen Erkrankungen.
Da dieser Beitrag versucht, Behinderung aus einem kategorialen A nsatz zu betrachten, wird die chroni-
sche Erkrankung nicht explizit ausformuliert .
7 7 % haben zwei oder mehrere Beeinträchtigungen (Mehrfachbeeintr ächtigungen; psychische und chro -
nisch-s omatische Erk rankungen), die sich stark auf ihr Studium auswirken (Poskowsky et al. 2018, S. 3).
28 29
Olezia BogaOlezia Boga
derum keinen persönlichen Nutzen von
Beratungs- und Unterstützungsangeboten.
Einige Studierende haben den Bedarf an-
derweitig gedeckt. Am bekanntesten und
am häugsten aufgesucht sind die psycho-
logischen Beratungsstellen (Poskowsky et
al. 2018, S. 245).
Personelle und technische
Unterstützung
Besonders Studierende mit Bewegungs-
beeinträchtig ungen und/oder chronischen
Erkrankungen haben einen finanziellen
Mehrbedarf im Studium. Neben Lebens -
un terhaltungskosten verursachen Thera-
pien (z.B. Physio-, Psycho-, Ergotherapie
oder Logopädie), medizinische Behandlun-
gen, Hilfsmittel und beeinträchtigungsbe-
zoge-ne Fahr tkosten überdurchschnit tlich
hohe (nanzielle) Belastungen. Hinzu kom-
men außerdem Mehraufwendungen für
Wohnen, Alltagsassistenz und Pflege.
Außerdem kommen omals noch Ausga-
ben für Medikamente hinzu, die in Anbe-
tracht der sozioökomischen Situation ins-
gesamt schwer zu tragen sind. Zusatzkos-
ten für technische Hilfsmittel entstehen
häug für Studie rende mit einer Sinnes-
beeinträchtigung oder Bewegungsbe-
einträchtigung (Pos kowsky et al. 2018,
S. 273). Über die Häl e aller Studierenden
mit Beeinträchtigungen nutzt informelle
Unterst ützungen durch das private Umfeld
anstelle von formellen Angeboten der
Hochschulen (z.B. Peer-Beratung, Unter-
stüt zungsangebote von Bibl iotheken usw.)
(ebd., S. 209).
. EIN SPAGAT ZWISCHEN KOMPETENZ
UND INKOMPETENZ
Das Leistung spensum, die Prüfungsdichte,
zeitliche Vorgaben der Prüfungsleistungen,
feste Vorgaben im Studienverlauf usw. –
allgemein alle zeitlichen und for malen Vor-
gaben eines Studiums – orientieren sich
an der do mi nanten männlichen Norm in
Gesellscha und Hochschule. Der männ-
liche, deutsche, nanziell abgesicherte,
nicht-behinder te Student (Przytulla 2016,
S. 213) bildet den „normalen“ Studieren-
den, der seine komplette Zeit einem Stu-
dium widmen kann, weil er keine Care-Ar-
beit leisten muss, weder kr ankheitsbeding-
te Ausfälle hat noch das Studium haupt-
sächlich selbst finanzieren muss. Jede
Abweichung von dieser „wissenschali-
chen persona“ (Klein 2016, S. 83) führt zu
Behinderungen im Studium, die durch die
Teilhabeinstrumente wieder kompensiert
werden sollen. Die Studienorganisation
wird für Studierende mit Behinderung so
zum Teil herausfordernder al s das Studium
an sich.
Nachteilsausgleiche, Zeitverlängerung für
Prüf ungen usw. stellen zunächst eine Flex i-
bilisierung der Regelung dar, doch manifes-
tieren sie die Barrieren als individuelles
Problem einiger Studierender (Przytulla
2016, S. 213). Das Konzept der Nac hteilsaus-
gleiche funktioniert zumeist lediglich mit
einer medizini schen Begründung, die insti-
tutionell genehmigt werden muss. Die
Wahrnehmung von Studie renden mit Beein-
trächtigung seitens der Institution Hoch-
schule ist eine problemzentrierte und me-
kehrungen und Strukturvorgaben an Hoch-
schulen auf körperliche Beeinträcht igungen
fokussier t (Peschke 2019, S. 26). Aller dings
ist der Anteil der Studierenden mit einer Be-
wegungsbeeint rächtigung mittler weile sehr
klein (4 %). Auch der Anteil der Studieren-
den mit einer Seh-, Hör- oder Sprachbeein-
trächtigung ist mit ca. 2 % vergleichsweise
gering. Für mehr als die Häle der Studie-
renden mit Behinderung wirk t sich eine psy-
chische Erk rankung (53 %) am stärk sten auf
ihr Studium aus. Studierende gaben hier
Depressionen, Angs tstörungen und Persön-
lichkeitss törungen an. Drei viertel von ihne n
sind aufgr und ihrer psychische n Erkrankung
in Behandlung (P oskowsky et al. 2018 , S. 21).
Eine weitere Gruppe der Studierenden hat
Mehrfachbeeinträchtigungen; beispiels-
weise eine Bewegungsbeeinträchtigung in
Verbindung mit einer psychischen Erkran-
kung. Weitere Befunde der Studie zeigen,
dass beeinträchtigungsbezogene Auswir-
kungen durch geschlechtsbezogene noch
verst ärkt werden. Hinz ukommend wirkt sich
das Alter im Zusammenhang mit der Beein-
trächtigung deutlich erschwerend aus und
im Schnit t sind Studierende mit Beein träch-
tigung zwei Jahre älter als ihre Kommi-
liton:innen (Poskowsky et al. 2018, S. 23;
Mid dendor et al. 2017, S. 36).
Bauliche und technische Barrier efreiheit ist
selbst verständlich ein wichtiges Ins trument,
das aber omals nicht flächendeckend vor-
zunden ist; ebenso wird deutlich, dass
damit nicht alle Studierenden mit Beein-
trächtigung strukturell einbezogen werden,
insbesondere, wenn Ruhe- und Rückzugs-
räume fehle n (Poskowsky et al . 2018, S. 32 f.).
Nachteilsausgleiche
Die Mehrhe it der Studierenden nimmt Na ch-
teilsausgleiche nicht in Anspruch. Gründe
hierfür sind zum einen, dass Unklarheiten
über die Anspruchsberechtigung existie-
ren und zum anderen, dass Hemmungen
bestehen, verantwor tliche Personen an der
Hochschule anzusprechen. Ein großer Teil
der Studierenden mit Beeinträchtigung
nehmen Nachteilsausgleiche als „Sonder-
behandlung“ wahr und lehnen diese des-
halb ab. Insbesondere Studierende mit
psychischen Erkrankungen beantragen an-
teilig weniger Nachteilsausgleiche. Wird
aber ein Antrag gestellt, wird dieser häug
bewilligt. Allerdings variieren die Bewilli-
gungschancen je nach Form d er Beeinträch-
tigung. Während die meis ten Studierenden
mit Bewegungs- und Sinnesbeeinträchti-
gungen, chronischen, somatischen und
psychischen Erkrankungen o Anträge ge-
nehmig t bekommen, werden sie in der Gr up-
pe mit Teilleistungsstörungen vergleichs-
weise selten bewilligt (Poskowsky et al.
2018, S. 10).
Beratungs- und Unterstützungsangebote
Dreivier tel der Studierenden mit Beeinträch-
tigungen kennen zwar beeinträchtigungs-
spezische Beratungsangebote, aber nur
ein Drit tel nutzt dies e Angebote. Die Grün de
der Nicht-Inanspruchnahme sind vielfältig:
Zum einen besteht eine Unwissenheit über
die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Ziel-
gruppe. Einige wollen die Beeinträcht igung
nicht preisgeben und andere erwarten wie-
30 31
Olezia BogaOlezia Boga
den konkreten Lebenslauf und die Lebens-
situation der Hochschulabso lvent:innen mit
Beeinträchtig ung ignorieren 8 (Bauer/Groth/
Niehaus 2016, S. 224).
Die Idee einer ink lusiven Hochschule endet
nicht nach dem Studi um, sondern muss alle
Hochschulmit glieder mitdenken, allerdings
stößt die Thematisierung von Exklusion in
der Wissenscha bislang auf wenig Reso-
nanz (KBWN 2021, S. 59). Infolgedessen
fehlt es auch an w issenschalichen St udien
und einer kritischen Auseinandersetzung
mit dem Thema.
. AUSBLICK
Zusammenf assend kann für ein e studieren-
de Person m it Beeinträcht igung ein Studium
trotz einer fachlichen Qualifikation und
guter Noten zum Abbruch führen. Die enor-
me Leistungsanforderung im Studium und
die zeitlichen und finanziellen Mehrauf-
wände können trotz zahlreicher Teilhabe-
instrumente nicht aufgelöst werden. Die
verschären Rahmenbedingungen, die im
Zuge der Bologna Reform eingeführt wur-
den, die ver härteten Pr üfungs- und Studien -
ordnungen, die kaum Flexibilität im Studi-
um zulassen, treen im Allgemeinen alle
Studierenden; im stärksten Ausmaß aller-
dings die Studierenden mit Behinderung
(Bauer/Groth/Niehaus 2016, S. 249). Die
Individualisierung von strukturellen Barrie -
ren ist nicht vereinbar mit der UN-BRK und
vorhandene Bemühungen sind häug nicht
inklusiv. Vielmehr wird Inklusion vermie-
den, so lange ke ine grundlegende , kritische
Auseinandersetzung innerhalb der zustän-
digen Hochschulbereiche statt ndet (Raab
2019, S. 525). Eine Transformation erfolgt
nur dann, wenn auf verschiedenen Ebenen,
unter anderem rechtlich, strukturell, kultu-
rell und institutionell, Veränderungen pas-
sieren.
Im rechtlichen Kontext geht es darum, so-
zial- und bildungspolitische Hürden zu
überwinden und Studierenden mit Beein-
trächtigung eine verbesserte finanzielle
Unterstützung zu gewähren, die einfacher,
transparenter und über verschiedene Trä -
ger hinweg zugänglich ist. Dies könnte bei-
spielsweise die Schaung von eektiven
und ezienten Förderstrukturen bedeuten,
um die nanzielle Belastung für betroene
Studierende zu verringern und ihnen einen
reibungslosen Zug ang zu Hochschulbildung
zu ermöglichen (Welti 2016, S. 77).
Auf struktureller Ebene liegt der Fokus da-
rauf, Prüfungsformate zu önen und meh-
rere Ausarbeitungsformen anzuerkennen,
die unabhängig von Nachteilsausgleichen
genutz t werden können Das be deutet, dass
Studierende mit Beeinträchtigung nicht auf
spezielle Kompensationsmaßnahmen an-
gewiese n sind, sondern ver schiedene Wege
haben, um ihr Wissen und ihre Fähigkeiten
dizinische Wahrnehmung, die strukturelle
Barrieren weitgehend ignorier t.
In der Logik der Hochschulen bzw. in der
Pra xis wird zudem in binären U nterschieden
über Behinderung und Nicht-Behinderung
gedacht. Die jeweilige Stereotypisierung
(Passiv-Aktiv, Hilfsbedürftig-Autonom)
(Köb se ll 2020, S. 143) zeigt sich auch in der
hegemonialen Praxis. Neben den eigentli-
chen Anforderungen an ihre akademische
Qualikation müssen bet roene Studieren-
de noch weitere bürokratische, administr a-
tive, außerhochschulische Anforderungen
erbringen. Infolgedessen müssen sowohl
stu dienbezogene Leistungen erbracht wer-
den als auch der eigene Unterstützungsbe-
darf selbstständig erkannt, formuliert, be-
antrag t und omals erkämp werden.
Zugespitzt formuliert müssen Studierende
gleichzeitig beweisen, dass sie die fachli-
chen, akademischen Voraussetzungen er-
füllen, die Kompetenz besitzen zu studie-
ren und im Unterstützungssystem davon
überzeugen, dass sie ‚hilfsbedürig‘, ‚un-
fähig‘ und ‚inkompetent‘ sind, ebendiese
bestimmten Leistungen zu erbringen, um
dann schließlich überzeugend einen in di vi-
du ellen Nachteil kommunizieren zu können
(Capovilla 2021, S. 199).
Der Spagat zwischen Kompetenz und In-
kompetenz muss Studierenden mit Beein-
trächtigung auch im Umgang mit den kom-
plexen Logiken und Ordnungen der Zu-
ständigkeiten im Sozialleistungssystem
gelingen, wenn sie z. B. einen Anspruch auf
technische oder personelle Unterstützung
geltend machen wollen (Welti 2016, S. 76).
Der hohe zeitliche, nanzielle und emotio-
nale Mehrauf wand endet nicht zuletzt in
inoziellen Unterbrechungen, Wechseln
oder Abbr üchen des Studiums (Poskowsky
et al. 2018, S. 60f; Middendor  et al. 2017,
S. 36 .)
Bauliche Bedingungen und fehlende Zu-
gänglichkeiten stellen in erster Linie für
Stu dierende mit Bewegungsbeeinträchti-
gung und Sinnesbeeinträchtigung eine Un-
möglichkeit dar, erfolgreich zu studieren.
Neben der Studienorganisation sind fehlen-
de oder kaput te taktile, optische und akus-
tische Leit systeme und baulich e Hürden die
häufigsten Behinderungen im Studium
(Poskowsky et al. 2018, S. 169). Die Hoch-
schulen versuchen behindernde Zustände
durch individuelle Vorkehr ungen auszuglei-
chen, indem sie persönliche Assistenz an-
bieten. Damit ist allerdings die Zugänglich-
keit im Sinne der UN-BRK noch nicht her-
gestellt ( Welti 2016, S. 70).
Gelingt es den Studierenden mit Beein-
trächt igung, die vielen Hindernisse zu über-
winden und einen akademischen Werde-
gang umzusetzen, erscheinen bekannte
und unbekannte B arrieren. Bek annte struk-
turelle Benachteiligungen (fehlende Barrie-
refreiheit) und die ableistische Logik der
Leistungsfähigkeit erschweren oder verun-
möglichen weiterhin eine wissenschaliche
Karriere. Promotionsstellen, Stipendien
oder Graduiertenprogramme legen zudem
viele starre Kriterien (zügiger Studienab-
schluss, Auslandser fahrungen, politisches
Engagement, Publikationen usw.) fest, die
8 Im Hinblick auf die struk turelle Benachteiligung entstand 2013 das deutschlandweite P rojekt PROMI (Pro-
motion I nklusive) und f örderte 45 A kademiker:i nnen mit Behinde rung (Bauer/Gro th/Niehaus 2016 , S. 228).
32 33
Olezia BogaOlezia Boga
zu demonstrieren. Diese Flexibilität kann
dazu beitragen, dass Studierende ihre Po-
tenziale voll ausschöpfen können und ih-
nen gleiche C hancen und faire Bewer tungs-
möglichkeiten geboten werden (Platte/
Vogt/Werner 2016).
Im kulturellen Kontext geht es darum, ein
inklusives , student isches Miteinander und
eine umfassende soziale Integration zu för-
dern. Dies beinhaltet die Schaung von in-
klusiven Räumen und Strukturen, sowohl
innerhalb als auch außerhalb der Hoch-
schule, damit ein Gefühl der Zugehörigkeit
und des respektvollen Umgangs miteinan-
der entstehen kann. Durch eine inklusive
Kultur können Studierende mit Beeinträch-
tigung besser unterstützt werden, indem
Vorurteile und Stereotypen abgebaut wer-
den und ein Klima des Verständnisses und
der Solidarität geschaen wird (Fisseler
2016).
Darüber hinaus ist es von institutioneller
Bedeutung, die Hochschulforschung im Be-
reich der Beeinträchtigungen weiter auszu-
bauen und gezielt Forschungsprojekte zu
fördern, die dazu beitragen, das Verständ-
nis und die empirische Basis für Inklusion
an Hochschulen zu erweitern. Durch mehr
Forschung können bewährte Praktiken
identiziert, Hindernisse erkannt und inno-
vative Lösungsansätze entwickelt werden
(ebd.)
Um nachhaltige und umfassende Inklusion
an Hochschulen zu erreichen, is t es von ent-
scheidender Bedeutung, da ss Inklusion als
ein anerkanntes Qualitätsmerkmal des
Hochschulsystems etabliert wird. Dies er-
forder t ein gemeinsames Eng agement aller
Beteiligten, einschließlich der Hochschul-
leitungen, des Lehrpersonals, der Studie-
renden und der politischen Entscheidungs-
träger:innen (Platte/Vogt/Werner 2016).
LITERATUR
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Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen.
Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung.
www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/a125-21teilhabebericht.
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Herausforderungen für Hochschulen an der Schnittstelle zum Arbeitsmarkt. In:
Klein, Uta (Hrsg.): Inklusive Hochschule: Neue Perspektiven für Praxis und Forschung.
Weinheim: Beltz, S. 244–260.
Capovilla, Dino (2021): Behindertes Leben in der inklusiven Gesellscha.
Ein Plädoyer für die Selbstbestimmung. Weinheim: Beltz.
DSW. Deutsches Studentenwerk (2013): Studium und Behinderung. Informationen für
Studieninteressierte und Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten.
www.studentenwerke.de/sites/default/les/handbuch_studium_und_
behinderung_7_auflage.pdf (Abfrage: 19.02.2023).
Fisseler, Björn (2016): Studienerfolg von Studierenden mit gesundheitlichen
Beeinträchtigungen. Ein systematischer Überblick zum internationalen Stand der
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Praxis und Forschung. Weinheim: Beltz, S. 156–177.
Hilpert, Wolfram/Meyer, Dorothee/Lindmeier, Bettina (2020): Grundlagen und
Praxis inklusiver politischer Bildung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
www.bpb.de/system/les/dokument_pdf/Grundlagen-Praxis-inklusiver-pol-
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Hirschberg, Marianne (2022): Modelle von Behinderung in den Disabilit y Studies.
In: Waldschmidt, Anne (Hrsg.): Handbuch Disability Studies.
Wiesbaden: Springer, S. 93–109.
Hutson, Christiane (2010): Mehrdimensional verletzbar. Eine Schwarze Perspektive
auf Verwobenheiten zwischen Ablesim und Sexismus. In: Jacob, Jutta/Köbsell,
Swantje/Wollrad, Eske (2010) (Hrsg.): Gendering disability. Intersektionale Aspekte
von Behinderung und Geschlecht. Bielefeld: Transkript, S. 61–72.
Klein, Uta (2016): Inklusive Hochschule als partizipativer Prozess: Das Beispiel der
Universität Kiel. In: Klein, Uta (Hrsg.) Inklusive Hochschule. Neue Perspektiven für
Praxis und Forschung. Weinheim: Beltz, S. 80–103.
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Bundes bericht Wissenschalicher Nachwuchs 2021. Statistische Daten und
Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland.
www.buwin.de/dateien/buwin-2021.pdf (Abfrage: 23.02.2023).
34 35
Olezia BogaOlezia Boga
EINLEITUNG
Was kann queere Sichtbarkeit und Sensibi-
lität gegenüber geschlechtlicher Vielfalt
jenseit s von all-gender Toilet ten und Regen-
bogenflaggen zum Christopher-Street-Day
bedeuten? In diesem Beitrag soll es um die
spezische Situation von LSBTIQ+ Perso-
nen im Kontext Hochschule gehen. Es wer-
den Bedarfe und best-practice Beispiele
aus der Antidiskriminierungsarbeit vorge-
stellt, die dabei helfen sollen , Hochschulen
zu Orten zu machen, an denen sich alle
Personen willkommen fühlen können.
. BEGRIFFSKLÄRUNG QUEER UND LSBTIQ+
Im Folgenden soll es nicht um eine Einfüh-
rung in die Thematik queerer bzw. LSBTIQ+
Identitäten gehen, sondern vielmehr um die
spezische Situation an Hochschulen für
Personen, die sich innerhalb dieses Spek-
trums verorten. Trotzdem soll an dieser
Stelle eine kur ze Begrisk lärung vorgeno m-
men werden, um eine gemeinsame Grund-
lage für die folgenden Inhalte zu schaen.
Queer wird i m Folgenden als umbr ella-term,
also als Sammelbegri verstanden, unter
dem sich viele verschiedene andere Begrif-
fe zusammen nden. Dabei lassen sich z wei
Bereiche identizieren. Zum einen geht es
um sexuelle Vielfalt, d. h. um Vielfalt in Be-
zug auf sexuelle Identität. Dazu gehören
Personen, die sich als lesbisch, schwul, bi-
sexuell, homosexuell, asexuell und queer
verstehe n. Des Weiteren gibt e s den Bereich
der geschlechtlichen Vielfalt, der sich auf
geschlechtliche Identität(en) bezieht. Da zu
gehören die Begrie trans*, inter*, gender-
queer, gender-fluid, a-binär und weitere.
Dabei sind sowohl die sexuelle als auch
geschlechtliche Identität als Spektrum zu
verstehe n, die jeweils auch mit nor mativen
Vorstellungen verknüp sind. So stehen
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36 37
Ann-Kristin Kolwes
Katharina Völsch
QUEERE SICHTBARKEIT UND GESCHLECHTLICHE
VIELFALT
Befragung einen intersektionalen Ansatz,
in dem auch Daten zur sexuellen Identi tät
sowie zu chronischen Erkrankungen und
Behinderungen erfragt wurden. Darüber
hinaus hatten die Teilnehmenden die
Möglichkeit, Angaben zu nicht-binären Ge-
schlechtsidentitäten zu machen bzw. zur
trans* Identität. Die ersten Ergebnisse der
Studie, welche im November 2022 veröf-
fentlicht wurden, zeigen, dass es eine hö-
here Wahrscheinlichkeit gibt, dass Perso-
nen aus dem LSBTIQ* Spektrum im Ver-
gleich zu cis geschlechtlichen 3 und hetero-
sexuellen Personen geschlechtsbezogene
Gewalt er fahren. Darüber hinaus steigt
diese Wahrscheinlichkeit bei Personen mit
chronischen Erkrankungen und/oder Be-
hinderungen (Lipinsky et al. 2022, o.S.).
Weiterhin zei gt die Befra gung der European
Union Agency for Fundamental Rights „EU-
LGBTI II. A long way to go for LGBTIQ equa-
lity“ aus dem Jahr 2020, dass 43 % der Be-
frag ten (in Deutschland) sich nie oder sel-
ten oen als Teil der L SBTIQ community
zeigen. 45 % ver meiden immer oder o, die
Hand ihrer Partner*innen in der Öentlich-
keit zu halten. Dar über hinaus erleben 11 %
Diskriminierung bei der Jobsuche (Deutsc h-
land) und 26 % (EU) verschweigen am Ar-
beitsplatz, Teil der LSBTIQ community zu
sein (Euro pean Union Agency f or Fundamen-
tal Rights 2020, o.S.). Konkret kann dies
bedeuten, dass eine vermeintlich einfache
Frage nach dem letzten Wochenende unter
Kolleg*innen da zu führen kann, dass quee-
re Beschäigte Energie und Zeit darauf ver-
wenden müssen, sich zu überlegen, wie sie
auf diese Frage antwor ten, ohne sich ver-
sehentlich zu outen.
Wir man nun einen Blick auf die einzige
großangelegte Studie zum Themenfeld
LSBTIQ+ am Arbeitsplatz für Deutschland
„Out im Oce?!“ aus dem Jahr 2017, so zei-
gen die Autoren, dass es deutliche Unter-
schiede bezüglich der Verortung sexueller
und geschlechtlicher Vielfalt gibt, wenn es
darum geht, über dieses Thema mit den
Kolleg*innen z u sprechen. So gaben 3 0,6 %
der lesbischen und schwulen Bef ragten an,
mit wenigen oder keinen Kolleg*innen über
ihre sexuelle oder geschlechtliche Identi-
tät zu sprechen. Bei den bisexuellen Be-
frag ten waren es hingegen 55,5 % und bei
den trans* Bes chäigten 70 % (Frohn/Mein-
hold/Schmidt 2017, S. 33). Diese Zahlen
zeigen, dass es für trans* Beschäigte grö-
ßere Hürde n gibt, mit ihrer ges chlechtlichen
Identität am Arbeitsplatz sichtbar zu sein,
als für cis Beschäigte.
Ein Erklärungsansatz für die fehlenden
Daten zu geschlechtlicher und sexueller
Vielfalt bei den Studierenden und Beschäf-
tigten an Hochschulen könnte sein, dass
den oben genannten Begrien, die normativ
aufgeladenen Begrie von Heterosexuali -
tät bzw. binären Geschlechtseinteilungen
(männlich – weiblich) sowie die Überzeu-
gung, eindeutig festlegbarer und identi-
zierbarer Geschlechtsmerkmale (endo – in-
ter) gegenüber.1
Queer wird darüber hinaus im Folgenden
auch als politischer Begr i verstanden, de r
einen Gegenentwurf zu normativen Gesell-
schasordnungen und -praktiken ermög-
licht und als positive Selbstbezeichnung
Ausdruck der politischen Wiederaneignung
des Begries ist.
. LSBTIQ+ UND HOCHSCHULE
Wie gest altet sich nun die Situatio n an deut-
schen Hochschulen (Universitäten und
HAWs) für LSBTIQ+ Personen? Grundsätz-
lich lässt sich festhalten, dass es wenig bis
keine Daten zu diesem Themenfeld für
Deuts chland gibt. Die Datenlücke erstreck t
sich dabei sowohl auf die Gruppe der tech-
nisch-administrativ und wissenschalichen
Beschäigten wie auch der Studierenden.
Dies liegt zum einen daran, dass Diversit y
Monitoring, welches kontinuierlich Daten
für Studierende und Beschäigte erheben
und zum Vergleich bereitstellen könnte, an
deutsch en Hochschulen noch in den K inder-
schuhen steckt. Ausge nommen davon sind
die klassischen Gleichstellungsdaten, die
jedoch in der Regel lediglich binäre Ge-
schlechtskategorien (männlich – weiblich)
abbilden und deren Erhebung gesetzlich
gerege lt ist. Der drit te positive Geschle chts-
eintrag „divers“, welcher nach dem Urteil
des Bundesverfassungsgerichtes aus dem
Jahr 2017 als Personenstandseintrag mög-
lich sein muss, wird in den Gleichstell-
ungsdaten bisher nicht flächendeckend
erfasst. Bemerkenswert ist hier, dass der
Geschlechtseintrag „divers“ vo n Studieren-
den öer genu tzt zu werden sche int, als von
Beschäigten.
Neben standardisiert erhobenen Monito-
ring Daten liegen bisher sehr wenige Befra-
gungen vor, die geschlechtliche und sexuel-
le Vielf alt und die Erfahr ungen von LSBT IQ+
Personen im spezifischen Bereich Hoch-
schule abbilden. Eine Ausnahme bildet die
Befragung im Rahmen des europäischen
UniSAFE Projektes
2. Von Januar bis Mai
2022 wurden an 46 Universitäten und For-
schungseinrichtungen in 15 europäischen
Ländern die Beschäigten und Studieren-
den dazu eingeladen, sich an einer Befra-
gung zum Thema geschlechtsbezogene
Gewalt im Hochschulkontext zu beteili gen.
Mit 42.186 au sgewerteten Fragebögen han-
delt es sich um die größte europäische Stu-
die in diesem Kontext. Dabei verfolg te die
1 Als Anregung zum Weiterlesen: Steinbeck, Kathar ina/Kastirke, Nicole (2014): Heteronormativität als Her-
ausforderung für die Soziale Arbeit. Herbolzheim: Centaurus Verlag & Media. link.springer.com/content/
pdf/10.1007/978-3-86226-921-1_1.pdf (Abfrage: 12.08.2023).
2 Ausführliche Informationen zum Projek t nden sich unter ht tps://unisafe-gbv.eu/ (Abfrage: 30.01. 2023)
3 Die Begri e „cisgeschl echtlich“, „cisg ender“ oder „ cis“ (lat. „c is-“: diesseit s) beschreibe n Menschen, we l-
che sich dem bei der Gebur t zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlen. Diese Menschen erleben häug
eine Übereinstimmung zwischen ihrem Körper und ihrer Geschlechtsidentität . Cisgeschlechtlichkeit wird
gesell schalich als „normal“ angesehen und in der Folge genießen gesellschaliche Vorteile.
38 39
Katharina VölschKatharina Völsch
von Frohn/Meinhold/Schmidt (2017). So be-
richten in der erwähnten Befragung trans*
Personen mit einem stärkeren „passing
6,
dass es für sie einfa cher ist, über ihre t rans*
Identität zu sprechen. 7
Auch für andere queere Personen kann
Sichtbarkeit mit hohen Risiken verbunden
sein. Dies zeig t sich auch an den in die Öf-
fentlichkeit gelangten Fällen queerfeinli-
cher Gewalt. Diese sind in den letzten Jah-
ren laut dem L esben- und Schwule n Verband
Deutschland (LSVD) kontinuierlich ange-
stiegen. Der LSVD (2023) beru sich bei
dieser Aussage auf die Daten aus dem Bun-
desinnenministerium zu Straf- und Gewalt-
taten im Bereich Hasskriminalität aus den
Jahren 2019 und 2020. An dieser Stelle ist
es wichtig zu betonen, dass es sich nur um
die angezeigten Übergrie handelt. Nicht
justiziable Formen von Disk riminierung und
Gewalt, wie beispielsweise Mikroaggres-
sionen, werden hier nicht berücksichtigt.
Sie haben aber eine immense Auswirkung
auf queere Studierende und Beschäigte
an den Hochsch ulen. Darüber hinaus r ichtet
sich öentliche Gewalt gegen queere Per-
sonen immer auch als Botschastat gegen
andere queere Personen bzw. gegen diese
Personengruppe im Allgemeinen.
Auf der anderen Seite ist Sichtbarkeit von
queeren Personen und Lebensrealitäten
unerlässlich, um Diskriminierungsrisiken
zu senken und Vielfalt zu einem selbstver-
ständlichen Bestandteil deutscher Hoch-
schulen werden zu lassen. Zum einen kön-
nen Studierende, Auszubildende und Be-
schäigte Vorbilder nden, die ihnen den
Alltag an der Hochschule erleichtern. Es
kann eine Community entstehen, die sich
für gegenseitige Unterstützung und Emp-
owerme nt einsetzt . Zum anderen wird damit
die vermeintliche Normalität in Frage ge-
stellt, was unerlässlich ist, um die Hoch-
schule zu einem gerechteren Or t für alle zu
machen. Dar über hinaus ermögl ichen sicht-
bare Strukturen, wie zum Beispiel gut auf-
ndbare Informationen zu vorgezogener
Vornamensänderung sowie Unter stützungs-
und Community-Str ukturen, eine Kultur der
Anerkennung und Erhöhung der individuel-
len Sicherheit queerer Personen.
Wenn es um die Frage nach Sichtbarkeit
geht, muss auch die Frage nach Privilegien
gestellt werden. Konkret danach, wer es
sich „leisten“ kann, sichtbar zu werde n und
zu sein. Ein unbefristeter Vertrag oder der
erfolg reiche Abschluss wichtiger Prüfungen
können ein Sichtbarwerden erleichtern. Wer
Fragen zu Geschlecht und sexueller Identi-
tät immer noch als tabuisierte, rein private
und damit in der Öentlichkeit unsichtbar
(gemachte) Diversitätsdimensionen ange-
sehen werden. Dabei verber gen sich hinter
diesen Dimensionen nicht nur Aussagen
dazu, wer wen liebt oder wie die eigene Ge-
schlechtsidentität wahrgenommen wird.
Vielmehr fungieren se xuelle und geschlecht-
liche Identität auch als soziale Strukturka-
tegorien und Platzanweiser innerhalb ge-
sellschalicher Machtverhältnisse (Scherr
2017, S. 39–56). Für queere Mitglieder und
Angehörige der Hochschule kann dies be-
deuten, auch im Hochschulalltag Erfahrun-
gen von Benachteiligung, Diskriminierung
und Gewalt machen zu müssen.
Diese Erfahrungen können deutliche Auswir-
kungen auf individueller Ebene aber auch
für die gesamte Hochschule haben. So ist
eine Folge des Erlebens von Diskriminie-
rung und Mikroaggressionen 4 sogenannter
Minoritätenstress. Damit wird das indi vidu-
ell erhöhte psychische und physische
Stresserleben auf Grund der Zugehörigkeit
zu einer marginalisier ten Gruppe beschrie-
ben (Meyer 2003, S. 674–697). Minoritä-
tenstress führt unter anderem zu einem
erhöhten individuellen Risiko z. B. für Herz-
Kreislauf-Erkrankungen und spezisch bei
Personen aus dem LSBTIQ+ Spektrum, an
Depressionen zu erkranken (Pöge et al.
2020, S. 12–21). Dies zieht eine verminder-
te Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Ar-
beits- und Studienleistungen nach sich.
Wenn Diskriminierungserfahrungen über
einen längeren Zeitraum nicht beseitigt
werden, drohen zudem nicht selten der Ab-
bruch des Studiums oder die Kündigung.
Neben den oben beschriebenen Auswirkun-
gen geht es aber auch um die Erf üllung von
menschlichen Grundbedür fnissen, wie das
sichere Benutzen einer für die eigene Ge-
schlechtsidentität passenden Toilette.
. LSBTIQ+ UND SICHTBARKEIT
Besonders hervorheben möchte ich in Be-
zug auf das Themenfeld Sichtbarkeit, dass
es sich hierbei um ein Spannungsfeld han-
delt, in dessen Mittelpunkt die Frage steht,
für wen und unter welchen Bedingungen
Sichtbarkeit möglich ist bzw. werden kann.
So kann es vor allem für trans* Personen
eine Frage d er persönlichen Sicher heit sein,
nicht als trans* sichtbar zu sein oder zu
werden. Sichtbar zu werden kann f ür trans*
Persone n bei spielsweise bedeuten, mit de -
adnaming 5 konfrontiert zu werden oder
andere oen verba le, psychische oder phy-
sische Angrie zu erleben. Dies spiegelt
sich auch in den Zah len aus der Befragung
4 Unter Mikroagg ression werden implizite oder explizite beleidigende oder abwertende Handlungen und
Aussagen verstanden, die sich gegen einzelne Personen bzw. Personengruppen richten, die zu marginali-
sierten Gruppen g ehören (Torino et al. 2019, S. 3 –15).
5 Als „deadnaming“ wird die nicht einvernehmliche Verwendung des bei der Geburt zugewiesenen ( ge-
schlechtsspezischen) Namens durch Andere f ür trans* oder nicht nicht-binären Personen verstanden.
6 „Passing “ bedeutet, da ss Personen von A nderen in das System der binären Geschlechterordnung eingeord-
net werd en ohne das eine Ir ritation e ntsteht. Di es senkt in der Re gel das individ uelle Diskrim inierungsr isiko.
7 Als Anregung zur weiteren Auseinanders etzung: BMF SFJ (2016): Gutachten: Regelungs- und Refo rmbedarf
für tr ansgeschlechtliche Menschen. Begleitmaterial zur Interministeriellen Ar beitsg ruppe Inter- & Trans-
sexualität – Band 7. Berlin. www.bmfs.de/resource/blob/114064/460f9e28e5456f6cf2ebdb73a966f0c4/
imag-band-7-regelungs-und-refor mbedarf-fuer-transgeschlechtliche-menschen-band-7-data.pdf (Abfrage:
12.08.2023)
40 41
Katharina VölschKatharina Völsch
(über-)regionale Vernetzung
Öentlichkeitsarbeit (Flaggen, Post-
karten usw.)
Auragsvergabe (wer wird für welche
Themen eingeladen, wer bekommt
z. B. Grak-Auräge, usw.)
Prävention und Sensibilisierung:
Workshops
Flaggen und Postkarten
Fachtage
Lehre und Wissenscha:
Curriculum
Haus- und Abschlussarbeiten
Forschung
. FAZIT
Auch wenn viele Hochschulen sich als tole-
rante und oene Orte verstehen, was bei-
spielsweise mit dem Hissen der Regenbo-
genflagge zum alljährlichen Christopher-
Street-Day zum Ausdruck gebracht wird,
sind sie weder Or te, die sich außerhalb
gesellschalicher Machtverhältnisse be-
wegen noch sind sie sogenannte „enlight-
ened organisations“ (Wöller et al. 2022) in
denen keine Diskriminierung und Benach-
teiligung stattnden. Vielmehr ndet auch
an Hochschulen ein systematischer Aus-
schluss von LSBTIQ+ Personen und Pers-
pektiven statt. Darüber hinaus sind die
queeren Mitglieder und Angehörigen der
Hochschulen außerhalb dieser mit Über-
grien und Gewalt konfrontiert. Diese Er-
fahrungen bringen sie mit in den Raum
Hochschule.
Aus dieser Feststellung und den weiteren
bisherigen Ausführungen ergeben sich vier
grundlegende Erkenntnisse, die (mehr)
queere Sichtbarkeit ermöglichen können
und damit für die Reduzierung von Gewalt-
und Diskriminierungsrisiken an Hochschu-
len unerlässlich sind:
1. Die Anerkennung der unterschiedlichen
Lebensrealitäten queerer Menschen so-
wie die kontinuierliche Aneignung von
Wissen über die spezischen Herausfor-
derungen, welche beispielsweise mit ei-
nem Transitionsprozess einhergehen, muss
die Grundlage für die solidarische Arbeit
für mehr siche re queere Sichtbar keit sein.
2. Maßnahmen und Inter ventionen dürfen
keine „Eint agsflieg en“ sein. Vertr auen und
Verlässlichkeit sind wichtige Bestandtei-
le queersensibler Diversitätsarbeit. Die-
se können nur durch Kontinuität und
Authentizität gewährleistet werden.
3. Nachhaltige und dauerhae Strukturen
tragen zu einer Kultur bei, in de r sich alle
willkommen fühlen können (belonging).
4. Nach dem M otto „nicht ohne uns über uns“
müssen queere Perspektiven in alle Pro-
zesse mit einbezogen und bei Entschei-
dungen berücksichtigt werden.
Darüber hinaus muss bei den oben genann-
ten Punkten die Frage handlungsleitend
sein, wer aus w elcher Perspektive über was
und wen sprechen kann. Nicht zu vernach-
lässigen is t auch die strukt urelle Verortung
von Hochschulen als Teile des Landesdien-
Diskriminier ung befürchtet, die exis tentiel-
le Problem e hervorr ufen kann, wird über e in
Sichtbar werden und damit auch die Erhö-
hung möglicher Risiken möglicherweise
anders entscheiden.
Damit Sichtbarkei t im Sinne eines Gesehen -
werdens als ganze Person, mit allen Facet-
ten der eigenen Identität, möglich werden
kann, bra ucht es drei Bausteine , die in allen
Bereichen der Hochschule umgesetzt wer-
den müssen:
1. Belonging –
alle können sich als Teil der Hochschule
fühlen, es geht um ein Angenommen–Sein
und um Zugehör igkeit mit allen Facet ten der
eigenen Identität. Alle Perspektiven werden
gleicher maßen gehör t und mitgedacht. Der
schwule Schwarze
8 Dozent ist genauso
selbst verständlich Teil der H ochschule, wie
die trans* Frau, die in der Verwaltung arbei-
tet oder die*der nicht-binäre Studierende,
die*der einen Rollstuhl benutzt.
2. Age ncy –
queere Personen und Personen aus dem
LSBTIQ+ Spektrum können sich selbst or-
ganisiere n und vernetzen . Sie gestalten und
entscheiden alle sie betreenden Fragen
mit den Entscheidungsträger*innen inner-
halb der Hochschule.
3. Ally ship –
alle Mitg lieder und Angehör igen zeigen und
leben Unterstützung für die Belange und
Rechte von L SBTIQ+ und queer en Personen.
Insbesondere im R ahmen ihrer Führungsver-
antwor tung nehmen sie Diskriminierungs-
vorfälle ernst und gestalten nachhaltige
Strukturen zur Förderung des Diskriminie-
rungsschutzes. Als Lehrende gestalten sie
ihre Lehre diversitätssensibel. Als Kommi-
liton*innen intervenieren sie in akuten (queer-
feindlichen) Diskriminierungssituationen.
4. Maßnahmen, Interventionen und
best-practice
Konkrete Maßnahmen und Interventionen
können sich an vier B ereichen innerhalb der
Hochschule orientieren. Im Folgenden wer-
den diese mit konkreten Beispielen darge-
stellt:
Struktur:
WCs/Umkleiden für alle Geschlechter
Vornamensänderung (unabhängig von
der Personenstandsänderung)
Niedrigschwelliges Identit y Management
Leitlinien zu geschlechtergerechten
und diversitätssensiblen Sprache
und Lehre
Wirksame Antidiskriminierungsstrukturen
Community:
Stammtisch(e)
8 Schwar z wird hier als pol itische Selbs tbezeichnung g roßgeschri eben (Aydemir/Yaghoobif arah 2019, S. 11).
42 43
Katharina VölschKatharina Völsch
stes der jewe iligen Bundesländer. Als s olcher
Teil des öentlichen Dienstes kommt ihnen
eine Vorbildf unktion für die Umse tzung von
Gesetzen (z.B. Allgemeines Gleichbehand-
lungsgesetz) zu.
Schlussendlich lässt sich feststellen, dass
Hochschulen noch mehr dafür tun müssen,
ihrer gese tzlichen Aufg abe, Bildung für alle
Menschen gleichermaßen zugänglich zu
machen, nachzukommen. Ein erster Schritt
in diese Richtung muss der Abschied vom
„Norm-Studenten“ und die umfängliche An-
erkennung queerer Lebensrealitäten sein.
Des Weitere n bedarf es einer breiten Daten-
grundlage sowohl zur Zusammensetzung
der Studierendenscha und der Gr uppe der
Beschäigten sowie zu deren Erfahrungen
von Benachteiligung und Diskriminierung,
um passgenaue Maßnahmen zur Senkung
der Diskriminier ungsrisiken und Förder ung
von Vielfalt zu entwickeln. Neben diesen
strukturellen Elementen ist jedoch eine
grundlegende Auseinandersetzung mit ei-
genen Vorannahmen unerlässlich, um Stu-
dierenden und Beschäftigten aus dem
LSBTIQ+ Spektrum die Möglichkeit zu ge-
ben, sich vollumfänglich willkommen und
als Teil ihrer Hochschule fühlen zu können.
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44 45
Katharina VölschKatharina Völsch
2015 wies die Antidiskriminierungsstelle
des Bundes auf Schutzlücken im Hoch-
schulkontext hin und veröentlichte Hand-
reichungen zur SDG-Thematik (AdB 2015).
Einige Jahre später formulierten Wissen-
schasorganisationen die ersten Stellung-
nahmen zum Umgang mit sexualisier ter
Diskriminierung und Gewalt im Wissen-
schasbereich. 2018 gab die Hochschul-
rektorenkonferenz ihre Empfehlungen
„Gegen sexualisier te Diskriminierung und
sexuelle B elästigung an Ho chschulen“ (HRK
2018) herau s und 2019 publizierte der De ut-
sche Hochschulverband eine Resolution
gegen sexuelle Belästigung und Mobbing
an Hochschulen (Deutscher Hochschulver-
band 2019).
Die Bundeskonferenz der Frauen- und
Gleichstellungsbeauragten an Hochschu-
len (bukof) ist mit ihrer Kommission „Se-
xualisierte Diskriminierung und Gewalt an
Hochschulen“ eine wichtige Impulsgeberin
für die Hoc hschulen. Die Kommission wur de
gegründet, um die Benachteiligung von
Frauen an Hochschulen aufgrund von SDG
abzubauen, nachhaltig darauf aufmer ksam
zu machen und sich daf ür einzusetzen , dass
die Hochschulen präventive Maßnahmen
vorhalten. 2018 ver öentlichte die Kommis-
sion ein Grundsatzpapier zu Sexualisierter
Diskriminierung und Gewalt an Hochschu-
len, das 2022 in einer aktualisierten und
erw eiterten Neuau flage erschi en bukof 2022).
Um das Thema im Bewusstsein zu halten
und über Neuigkeiten zu informieren, gibt
die bukof-Kommission halbjährlich einen
Newsletter heraus.
Im letzten Jahr wurde auch vom Netzwerk
Frauen- und Geschlechterforschung NRW
eine neue Handreichung zum Thema „Se-
xualisier ter Belästigu ng, Gewalt und Macht-
missbrauch an Hochschulen entgegenwir-
ken“ herausgegeben (Mense/Mauer/Her-
mann 2022). Die Handreichung umfasst
sowohl theoretische Perspektiven, Rechts-
kontexte und Empfehlungen zum Umgang
mit sexualisierter Belästigung und Gewalt
im Hochschulkontext als auch Bestands-
aufnahmen zur sexualisierten Diskriminie-
rung und Gewalt an Hochschulen. Sie kon-
zentriert sich auf drei Handlungsebenen:
1. Schutz etablieren
2. Risiken minimier en
3. Handlungsperspektiven erönen.
In der Einleitung heben die Autorinnen her-
vor, dass an Hochschulen die Tendenz be-
steht, „das Vorkommen sexualisierter Dis-
kriminierung und Gewalt zu verneinen, da
sich Hochschulen selbst als Or te der Wis-
senscha, der Intellektualität und des Den -
kens sowie eines oenen und toleranten
Umgangs verstehen.“ (Mense/Mauer/Her-
mann 2022, S. 5) Heike Pantelmann und
Tanja Wälty (2022, S. 14) bilanzieren in ih-
rem Beitr ag „Sexualisierte Disk riminierung
und Gewalt im Hochschulkontext“, dass
Hochschulen als Orte des Geschehens bis-
her weitgehend unbeachtet bleiben: „Trotz
vielfältiger Bemühungen um Gleichstellung
und Diversity werden SDG häug nicht in
den Blick genommen. Es gibt kaum S tudien,
die sich ver tie mit den Bedingungen, Funk-
tionsweisen und Konsequenzen dieses
Phänomens an Hochschulen auseinander-
setzen.“ Weiter heißt es bei Pantelmann
und Wälty (2022, S. 14): „Erst seit einigen
EINLEITUNG
Geschlechtsbezogene Gewalt ist ein syste-
misches Problem, das wissenschaliche
Einrichtungen nicht weniger betri als an-
dere Teile der Gesellscha.
Zur Untersuchung von sexualisierter Diskri-
minierung und Gewalt (SDG) im Hochschul-
kontext w urde in den Jahren 2009 –2011 das
erste EU-Projekt „Gender-based violence,
stalking and fear of crime“
1 unter Beteili-
gung von fünf europäischen Universitäten
durchgef ührt. Diese St udie wurde durch die
Europäische Kommission im Rahmen des
Prog ramms „Prevent ion of and ght agains t
Crime“ nanzie rt. Durch die E rhebungen ent-
standen erstmals transnational vergleich-
bare Daten, eine Bewusstseinsschärfung
für sexualisierte Gewalt, eine Ermittlung
des spezischen Hilfebedar fs und eine Ent-
wicklung von Best-Practices für Hochschu-
len (siehe hierzu die einzelnen Länderbe-
richte: Feltes et al. 2012a)
Katrin List, damals wissenschaliche Ko-
ordinatorin des EU-Projektes an der Ruhr-
Universität Bochum, veröentlichte 2014
weitere Ergebnisse einer vergleichenden
Hochschulbefr agung zur geschlechtsspezi-
schen Gewaltbetroenheit von Studieren-
den (List 2014).
Nicola Hille
SOZIALE UNGLEICHHEITEN UND GESCHLECHT:
SEXUALISIERTE DISKRIMINIERUNG UND GEWALT ALS
STRUKTURELLE HERAUSFORDERUNG FÜR HOCHSCHULEN
1 Projektpartner : Ruhr-Universität Bochum/Deutschland (Projek tleitung: Pr of. Dr. Thomas Feltes), Universi-
tät Bologna/Italien (Projek tleitung: Prof. Dr. Augusto Balloni), Univer sitá Autonoma de Barcelona/Spa -
nien (Pr ojektleitung: Prof. Dr. Encarna Bodelin), Jagiellonian Universität K rakau/Polen (Projektleitung:
Prof. Dr. Janina Szapska), Universität Keele/Großbritannien (Projektleitung: Prof. Dr. Philipp Stenning).
www.gendercrime.eu/.
46 47
Nicola Hille
nellen Maßnahmen generieren, um letzt-
endlich mit diesen Erkenntnissen zu einer
höheren W irksamkeit des Pr äventions- und
Interventionsgeschehen beizutr agen“ (Leib-
niz-Gemeinscha 2021).
Um eine Wissensbasis für die Entwicklung
eektiver Maßnahmen zur Reduktion von
geschlechtsbezogener Gewalt zu schaen,
wurden in der ersten Projek thäle bis Ende
2022 zunächst Daten über geschlechtsbe-
zogene Gewalt, einschließlich sexueller Be-
lästigung, in Hochschulen und For schungs-
einrichtungen erhoben. Dazu zählte eine
Online-Bef ragung zum Vorkommen und den
Auswirkungen von geschlechtsbezogener
Gewalt einschlie ßlich sexueller Belästig ung
in Hochschulen und Forschungseinrichtun-
gen in 15 europäischen Ländern. Darüber
hinaus wurden rechtliche und politische
Rahmenbedingungen in der Wissenscha
durch ein umfangreiches Mapping in 30 EU-
und assoziier ten Staaten bewertet. Dies
war die Grundlage, um mithilfe institutio-
neller Fallstudien und qualitativer Inter-
views die Mechanismen geschlechtsbezo-
gener Gew alt und ihrer Auswi rkungen in den
Wissenschaftseinrichtungen zu untersu-
chen und das Zusammenwirken von Res-
sourcen und hinderlichen Faktoren zu be-
werten. Über einen Zeitraum von drei Jah-
ren (bis 2024) untersucht das Projektteam
die Zusammenhänge von geschlechtsbe-
zogener Ge walt in der Wissenscha  auf drei
Ebe nen:
Rechtliche und politische Rahmenbedin-
gungen we rden durch ein umfangr eiches
Mapping in den 27 Mitgliedsländern der
EU und 3 assoziierten Staaten analysiert
(Makroebene).
Jahren entwickelt sich im internationalen
Kontext ein Forschungszweig, der sich mit
dem akademischen Bedingung sgefüge von
SDG aus einer intersektionalen, struktur-
theoretischen und machtkritischen Pers-
pektive auseinandersetzt. Dabei werden
unterschiedliche Faktoren diskutiert, die
das Vorkommen von SDG an Hochschulen
begünstigen.“ Julia Gebrande und Kathari-
na Simon (2022, S. 56) formulieren in ihre m
Beitrag „Handlungskonzepte gegen Sexua-
lisierte Belästigung, Diskriminierung und
Gewalt an Hochschulen“, dass Hochschulen
Lern- und Arbeitsorte sind, die von unglei-
chen Machtverhält nissen und struk turellen
Hierarchien geprägt sind.
Ein Fazit der H andreichung ist, dass im de ut-
schen Hochschulraum sowohl systemati-
sche, the oriegeleitete F orschungen als auch
darauf basierende Handlungsstrategien
fehlen, die der Ko mplexität des Phän omens
sexualisierter Diskriminierung und Gewalt
gerecht werden und die zum Teil subtilen
Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse in
Wissenscha und Hochschule berücksich-
tigen.
Für den europäischen Hochschulr aum lässt
sich feststellen, dass seit 2021 eine inten-
sivere Erforschung geschlechtsbezogener
Gewalt an wissenschalichen Hochschul-
einrichtungen stattndet. Anfang Februar
2021 ging das Forschungsprojekt UniSAF E
„Gender-based violence and institutional
responses: Building a knowledge base and
operational tools to make universities and
research organizations safe“ an den Start,
dass Formen geschlech tsbezogener Gewalt
in der Wissenscha und institutionelle Ant-
worten dagegen untersucht. Ziel des euro-
päischen Projektes ist der Aufbau einer
Wissensbasis und die Entwicklung operati-
ver Werkzeuge, um Hochschulen und For-
schungseinrichtungen sicher er zu machen.2
In dem Projekt nimmt das Kompetenzzent-
rum Frauen in Wissenscha und F orschung
CEWS 3, gemeinsam mit acht europäischen
Partnereinrichtungen, diese speziellen For-
men von Gewalt in den Blick.4
Anke Lipinsky, wissenschaliche Leiterin
des Projektes bei GESIS, erläuter te die Pro-
jektziele wie folgt: „Geschlechtsbezogene
Gewalt, einschließlich sexueller Belästi-
gung, ist an Hochschulen und Forschungs-
einrichtungen keine Ausnahme und kommt
auch in virtuellen Arbeits- und Studienkon-
texten vor. O mangelt es an Handlungs-
sicherheit unter Studierenden und Beschäf-
tigten in solchen Situationen. Dazu werden
die meisten Fälle nicht gemeldet, weil sie
beispielsweise zu unbedeutend ersche inen
oder es den Betroenen unangenehm ist
mit Dritten darüber zu sprechen. Darum
wollen wir im P rojekt UniSAF E mehr Wissen
über die Dy namiken zwischen Gewalterfah -
rungen, den Auswirkungen und institutio-
3 Das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenscha und Forschung (CEWS) gehört zu GE SIS – Leibniz-Institut
für Sozialwissenschaen und ist der nationale Knotenpunkt zur Verwirklichung der Geschlechtergerech-
tigkeit in Wissenscha und Forschung. Das CE WS hat sich in den über 20 Jahren seines Bestehens zum
Kompetenzzentrum Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenscha weiterentwickelt und unterstützt eine
evidenzbasierte Wissenschas- und Gleichstellungspolitik. Ziel ist es , Wissenscha insbesondere für
Frauen diskriminierungsf rei zu machen und insgesamt das akademische Feld geschlechtersensibel und
respek tvoll zu gest alten. Das Alleinstellungsmerkmal des CEWS ist die kohärente Verschränkung von For-
schung, Vernetzung, Beratung und wissenschalichem Service. Dabei stellt das CEWS für seine Zielgrup -
pen – Gleichstellungsakteur*innen, Leitungspersonen der Wissenschaseinrichtungen, Politikgestal-
tende und Forschende – die Brücke zwischen Forschung und Pr axis dar. Das Wirkung sfeld von CE WS ist
national wie international und tr ägt zur Ver besserung von Qualität, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von
Gleichstellungspolitiken und -maßnahmen in Wissenscha und Forschung bei.
4 Projek tpartner*innen: European Science Foundation, Frankreich; Örebro Universitet, Schweden; GESIS – Leib-
niz-Institut für Sozialwissenschaen, Deutschland; Yellow Window, Belgien; Institute of Sociology, Czech
Academy of Sciences, Tschechische Republik; Universidad Computense Madr id, Spanien; Lithuanian Social
Research Centre, Litauen; Jag iellonian Universit y in Krakow, P olen; Oxford Brookes Universit y, UK. Geför-
dert durch: Horizont 2020. Die Pr ojektleitung für Deutschland lieg t bei Dr. Anke Lipinsky (CEWS, GESIS).
2 Projektlaufzeit: 01.02.2021-31.01.2024. Zentrale Projektwebseite https://unisafe-gbv.eu/. Projektseite der
deutschen Beteiligten (CEWS): www.gesis.org/en/cews/cews-home/projects/current-projects/unisafe (Ab-
frage: 15.07.2023).
48 49
Nicola HilleNicola Hille
nalen Tag zur Beseitigung von Gewalt ge-
gen Frauen, hochschulweite Veranstaltun-
gen durch. Staatliche Institutionen haben
die wichtige Aufgabe und Verpflichtung,
präventiv gegen alle Formen geschlechts-
spezische r Gewalt tätig zu wer den. Um für
die Themen sexualisierte Diskriminierung
und Gewalt zu sensibilisieren und Hand-
lungsmöglichkeiten aufzuzeigen, lud das
Gleichstellungsbüro am 25.11.2020 zu ei-
nem Online-Vortrag zum Thema „Sexuali-
sierte Diskriminierung und Gewalt – (K )ein
Thema an der H AWK?“ ein. Im A nschluss an
den Vortrag stellte der Hauptamtliche Vize-
präsident die neue Richtlinie zur Beschwer-
destelle nach dem Allgemeinen Gleichbe-
handlungsg esetz (AGG) vor, in der ein hoch-
schulweiter Umgang mit Gewalt, Belästi-
gung, Benachteiligungen und Diskriminie-
rungen festlegt ist und erläuter te den
Auau der neuen AGG-Beschwerdestelle
an der HAWK.
Zudem beteiligte sich die HAWK erstmals
an allen drei Hochschulstandorten in Hil-
desheim, Hol zminden und Götti ngen an der
weltumspannenden Beleuchtungskampag-
ne „Orange the World“, die 1991 von den
„UN Women“, einer Org anisation der Verein-
ten Nationen, ins Leben gerufen wurde.
Seither leuchten alljährlich in der Zeit zwi-
schen dem „Internationalen Tag gegen Ge-
walt an Frauen und Mädchen“ am 25. No-
vember und dem „Internationalen Tag der
Menschenrechte“ am 10. Dezember rund
um den Globus markante Gebäude in oran-
ger Farbe. Mit der Beleuchtungsaktion
möchte die HAWK ein deutliches Zeichen
gegen Gewalt an Frauen setzen.
2021 lud das Gleichs tellungsbüro der HAWK
anlässlich des Internationalen Tags gegen
Gewalt an Frauen zu einer HAWK-internen
Online-Veranstaltung zum Thema „Sexua-
lisierte Belästigung und Gewalt gegen Stu-
dierende“ ein. Als Referentin konnte Dr.
Kat rin List gewonnen werden, die an der
EU-Stu die „Gender-Based Violence against
Female Students in European University
Settings“ (List 2017) mitgearbeitet hatte
und von 2009-2013 wissenschaliche Ko-
ordinatorin des EU -geförderten F orschungs-
projektes „Gender-based V iolence, Stalking
and Fear of Crime“ (www.gendercrime.eu)
war. Im Vortrag wies Kat rin List auf den Um-
fang und die Folgen sexualisierter Disk rimi-
nierung und Gewalt im Studium hin und
machte auf den Hilfebedarf der Studentin-
nen aufmerksam. Im Anschluss an den Vor-
trag stellten Alicja Boß, Elena Plinke und
Kristina Sophie Wiegand, Studentinnen der
Fakultät Gestaltung an der H AWK, ihre App-
Entwicklung „Social & Service Design: Wie
können analoge und digitale Mittel dabei
helfen, nächtliche Heimwege sicherer zu
gestalten?“ vor.
2022 beteiligte sich das Gleichstellungs-
büro der HAW K anlässlich des Inter nationa-
len Tags gegen Gewalt an Frauen an mehre-
ren Kooperationsveranstaltungen. Im Som-
mersemester 2022 hat ten Bachelor-Studen-
tinnen in einem Kurs bei Prof. Alessio Leo-
nardi an der Fakultät Gestaltung Ideen und
Motive zur Gestaltung einer neuen Fahne
für die HAWK entwickelt. Die Aufgabenstel-
lung zu dieser Projektarbeit wurde gemein-
sam mit dem Gleichstellungsbüro und der
Senatskommission für Gleichstellung er-
Eine Befragung von Beschäigten und
Studierend en an 45 Hochschulen und Wis-
senschase inrichtungen, sowie in einem
Netzwerk von international mobilen For-
schenden, soll umfassende Einblicke in
die Prävalenz und Auswirkungen von
geschlechtsbezogener Gewalt geben. Die
Befr agung wird in 15 Lände rn durchgefüh rt
(Mikroebene).
Institu tionelle Antw orten und Proze sse im
Umgang mit Gewalt werden anhand von
Daten analysiert, die durch Fallstudien,
Inter views und ein str ategisches Mapping
von Interventionen in Wissenschasein-
richtungen in 15 Ländern gesammelt wur-
den (Mesoebene).
Zu den erhoen Ergebnissen gehören:
Ein bessere s Verständnis von gesc hlechts-
bezogener Gewalt an Hochschulen und
Forschu ngseinrichtu ngen in Europa und de -
ren Auswirkungen auf Menschen, Wissen-
schasorganisationen und die Gesell scha
Eekti ve Strategien un d Maßnahmen, die
an Univers itäten und Fors chungsorg anisa-
tionen umgesetzt werden können
Mehr Handlungssicherheit unter Studie-
renden und Be schäigten im Umg ang mit
geschlechtsbezogener Gewalt
Methoden und Empfehlungen, um ge-
schlechtsbezogene Gewalt im akademi-
schen Umfeld und an Forschungsarbeits-
plätzen in Europa zu reduzieren.
Die Feldphase der UniSAFE-Umfrage zur
geschlechtsbezogenen Gewalt in der Wis-
senscha endete am 1. Mai 2022. Von Ja-
nuar bis Mai 2022 nahmen Mitarbeiter*in-
nen und Studierende aus 46 Hochschulen
und Forschungseinrichtungen in Europa an
der Umfrage teil. Mit mehr als 42 000 Ant-
wor ten ist es die g rößte mehrsprachige U m-
frage, die bisher im Europäischen For-
schungsraum zu diesem Thema durchge-
führt wurde.5
Ergebnisse der UniSAFE-Umfrage:
Fast zwei von drei Mitarbeitenden und
Studierenden, die an der UniSAFE-Umfra-
ge teilnahmen, haben seit Beginn ihrer Tä-
tigkeit an ihrer Einrichtung mindestens
eine Form von geschlechtsbezogener Ge-
walt erlebt. Ein Newsletter zum UniSAFE-
Projekt
6 informiert über die Projektergeb-
nisse.
AKTIVITÄTEN DES GLEICHSTELLUNGS
BÜROS DER HAWK
Seit 2019 führt das Gleichstellungsbüro
jährlich am 25. November, dem Internatio-
5 Die Online-Umfrage von UniSA FE wurde in fünfzehn Ländern durchgeführt: Bel gien, Tschechische Repub -
lik, Finnland, Frankreich, Deutschland, Island, Irland, Italien, Litauen, Polen, Serbien, Spanien, Schwe-
den, Tür kei und Vereinigtes Königreich sowie unter einer internationalen Vereinigung von For schenden.
Eine Zusammenfassung der Umfr ageergebnisse nden Sie unter: unisafe-gbv.eu. Weitere Informationen:
www.gesis.or g/cews/drittmittelprojekte/aktuelle-projekte/unisafe.
6 unisafe-gbv.eu/newsletter.
50 51
Nicola HilleNicola Hille
Am 1. Mai 2021 hat der Senat die neue
„Richtlinie zur Schaung einer Anlaufstelle
nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungs-
gesetzes (AGG)“ beschlossen.7 Die erste
konstituierende Sit zung des neuen AGG-Ko-
ordinierungsgremiums fand im Oktober
2021 statt. Seitdem tri sich das Gremium
regelmäßig zu Arbeitstreen und hat ein
konkretes Verfahren für den Beschwerde-
weg erarbeitet.8 Damit ist eine gute Grund-
lage geschaen, um sich an der HAWK mit
geschlechtsbezoge ner Diskriminierung und
Gewalt strukturell auseinander zu setzen.
arbeitet. Die Ergebnisse des studentischen
Projektes wurden in der Ausstellung „Ein
Zeichen gegen Gewalt“ gezeigt, die am
25.11.2022 auf dem Weinbergcampus der
Fakultät Gestaltung erönet wurde. Auch
der Präsident der HAWK, Dr. Marc Hudy,
wandte sich an diesem Tag mit einer Video-
botschaft an alle Beschäftigten, um ein
deutliches Z eichen gegen Gewalt an F rauen
zu setzen.
AGGBESCHWERDESTELLE UND
AGGRICHTLINIE DER HAWK
Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine
große Hürde für die Geschlechtergerechtig-
keit und sie ist zugleich auch eine große
Herausforderung für Hochschulen.
Nach § 13 des Allgemeinen Gleichbehand-
lungsgeset zes (AGG) sind Hochschulen ver-
pflichtet, eine Beschwerdestelle und ein
Beschwerdeverfahren bei Diskriminie-
rungen aufgrund der schützenswerten
Merkmale nach dem AGG (Alter, Behinde-
rung, Ethnische Herkun, Geschlecht, Reli-
gion/Weltanschauung, sexuelle Identität)
einzurichten. Das Beschwerderecht gilt
für Beschäigte und Studierende. Die kon-
krete Ausgestaltung wird den einzelnen
Hochschule n überlassen. Der H AWK fehlten
bis 2019 eine solche AGG-Beschwerdestel-
le und ein Besch werdeverf ahren. Basierend
auf den Empfehlungen des Modellprojekts
„Diskriminierungsfreie Hochschule“ der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat
die Hauptamtliche Gleichstellungsbeauf-
tragte einen Leitfaden zum Auau einer
AGG-Beschwerdestelle an der HAWK er-
stellt.
2020 hat das Präsidium der HAWK im Auf-
trag der Gleichstellungskommission und
in Zusammenarbeit mit der hauptberuf-
lichen Gleichstellungsbeauftragten und
dem Gleichstellungsbüro ein Konzept zur
Umsetzung der Vorgaben des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erarbei-
tet.
Ziele
Schaung einer oziellen Anlaufstelle
und eines standardisierten Ver fahrens
für Bet roene von Diskr iminierungen auf-
grund der schützenswerten Merkmale
nach dem AGG
Aufdeckung und Aulärung von Diskri-
minierung (seitens Hochschule): objek ti-
ve Sachverhaltsprüfung und Konfliktlö-
sung
Sicherstellung der Umsetzung von Maß-
nahmen zur Beseitigung von Disk riminie-
rung
7 ww w.hawk.de/de/hochschule/organisation-und-personen/zentrale-einrichtungen/gleichstellungsbuero/or-
ganisation-und-rechtsgrundlagen. Die HAWK-Richtlinie zur Schaung einer Anlaufstelle nach dem Allge -
meinen Gleichbehandlungsgesetz ist zum Download unter „All gemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)“
zu nden.
8 Weitere Infor mationen zu m Antidiskr iminierung sgremium de r HAWK und den Mit glieder n nden Sie auf der
Homepage: ww w.hawk.de/de/hochschule/organisation-und-per sonen/organe-und -gremien/beauragte -
und-vertretungen/agg-gremium.
52 53
Nicola HilleNicola Hille
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www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/
BT_Bericht/gemeinsamer_bericht_dritter_2017.html.
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Nicola HilleNicola Hille
www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/
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5. doi.org/10.17169/ogj.2021.120.
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Nicola HilleNicola Hille
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Dr. Ann-Kristin Kolwes
ist Expertin für Bildungs- und Chancengerechtigkeit im Bereich Hochschule und
wissenschaliche Karrierewege. Sie ist Mitgründerin und Vorsitzende des gemein-
nützigen Vereins Erste Generation Promotion e. V., der sich für Promo vierende
und Promotionsinteressierte mit einem nichtakademischen Familienhintergrund
einsetzt. Seit 2017 leitet sie zudem das deutschlandweit einzig artige Programm
Erste Generation Promotion Mentoring+ für diese Zielgruppe an der Universität zu
Köln. Kolwes ist promovierte Historikerin und selbst Erstakademikerin.
kontakt@egp-verein.de
Julian Sehmer
lehrt und forscht im Rahmen einer Verwaltungsprofessur im Studienbereich Soziale
Arbeit an der HAWK in Holzminden und ist Sprecher des Instituts für Theorie und
Empirie des Sozialen. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind: Disziplinäre
und professionsbezogene Verständnisse von Professionalität, sozialpädagogische
Subjekt- und Adressierungspraktiken, soziale Normen und normative Ordnungen,
rechte Dynamiken, Queer feindlichkeit, Theorie-Praxis-Verhältnisse, Kinderschutz.
Katharina Völsch
leitet seit 2019 die Stabsstelle Antidiskriminierungsstelle für Studierende an
der Philipps-Universität Marburg. Sie ist Kulturwissenschalerin und Social Justice
Trainerin. Seit vielen Jahren engagiert sie sich in unterschiedlichen aktivistischen
Bezügen für die Rechte von LSBTIQ+. katharina.voelsch@verwaltung.uni-marburg.de
Leonie Wagner
ist Professorin für Pädagogik und Soziale Arbeit an der HAWK in Holzminden.
Julia Besche
Hochschule für angewandte Wissenscha und Kunst in Holzminden, Studium Soziale
Arbeit (M.A.), Ver walterin der Professur für normative Rahmungen in der Sozialen Arbeit
Olezia Boga, M.A.
ist wissenschaliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Sozialisation mit dem Schwerpunkt
Migration und interkulturelle Bildung an der Universität Kassel. Ihre Forschungsinter-
essen sind Disability Studies, gesellschaliche Teilhabe und Intersektionalität entlang
Behinderung und Migration und Flucht. o.boga@uni-kassel.de
Nicola Hille (geb. 1967 in Aachen)
ist seit 2019 hauptberufliche Gleichstellungsbeauragte der Hochschule für ange-
wandte Wissenscha und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK). Wichtigste
Publikationen der letzten Jahre: Qualität mit Quote. Zur Diskussion um Exzellenz,
Chancengleichheit und Gleichstellung in Wissenscha und Forschung (hrsg. Göttingen
2019); Gleiche Rechte – Gleiche Chancen? Recht und Geschlecht 1919 bis 2019: Ein
langer Weg zum Erwerbsrecht für Frauen, zum Stimmrecht für Frauen und zum Bildungs-
recht für Frauen (Göttingen 2020); Rückblicke und Ausblicke: Gleichstellungsarbeit
an der HAWK (hrsg. Hildesheim 2022).
AUTOR:INNEN UND HERAUSGEBER:INNEN
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Impressum
HAWK
Hochschule für angewandte Wissenscha und Kunst
Hildesheim/Holzminden/Göttingen
Fakultät Management, Soziale Arbeit, Bauen
Haarmannplatz 3
37603 Holzminden
Herausgeber*innen
Julia Besche, Julian Sehmer & Leonie Wagner
DOI
10.48547/202309-001
Gestaltung
CI/CD Team der HAWK
Stand
Oktober 2023
Druck
Gutenberg Beuys Feindruckerei, Langenhagen
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Article
Full-text available
In this article the author reviews research evidence on the prevalence of mental disorders in lesbians, gay men, and bisexuals (LGBs) and shows, using meta-analyses, that LGBs have a higher prevalence of mental disorders than heterosexuals. The author offers a conceptual framework for understanding this excess in prevalence of disorder in terms of minority stress— explaining that stigma, prejudice, and discrimination create a hostile and stressful social environment that causes mental health problems. The model describes stress processes, including the experience of prejudice events, expectations of rejection, hiding and concealing, internalized homophobia, and ameliorative coping processes. This conceptual framework is the basis for the review of research evidence, suggestions for future research directions, and exploration of public policy implications.
Chapter
Sowohl Geschlecht als auch Behinderung sind gesellschaftliche Konstrukte. Beide werden im Alltag, im Austausch mit anderen Menschen und Institutionen ständig hergestellt. Dieser interdisziplinäre Band diskutiert die vielfältigen Verflechtungen von Behinderung und Geschlecht, indem intersektionale Perspektiven eingenommen werden: Wie sind Behinderung und Geschlecht mit den Kategorien »Rasse«, Ethnizität, Alter, Sexualität und Lebensformen verknüpft? Erstmalig für den deutschsprachigen Raum führen die Beiträge Erkenntnisse u.a. der Migrationsforschung, der Demografieforschung und der Queer Studies mit Diskussionen aus den Feldern der Disability und Gender Studies zusammen.
Chapter
In diesem Beitrag soll ‚Behinderung‘ als Möglichkeitsraum an Hochschulen und Universitäten diskutiert werden. Bezugspunkt ist die Debatte um eine inklusive Hochschule (Klein 2016; Dannenbeck & Dorrance, Inklusionssensible Hochschule: Grundlagen, Ansätze und Konzepte für Hochschuldidaktik und Organisationsentwicklung, Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 2016) und hier besonders Fragen zur inklusiven Lehre an Hochschulen. Ausgehend davon möchte ich Hochschule als Wissenschaftskultur diskutieren. Diesbezüglich rekurriere ich auf ein Verständnis von Hochschule, welches Hochschule erstens als Institution begreift, zweitens Institutionen kulturwissenschaftlich deutet. Maßgebliches Erkenntnisinteresse einer kulturwissenschaftlichen Sicht auf Institutionen sind In-/Exklusionsprozesse, die in Institutionen stattfinden. Insofern sollen Prozesse der In-/Exklusion unter Bedingungen von Inklusion an Hochschulen analysiert werden. Im Rahmen dessen bildet Mehrfachzugehörigkeit (Zu dieser Thematik gehören auch alle Formen von chronischer und psychischer Erkrankung.) einen Schwerpunkt. In diesem Kontext wird sich die feministische Intersektionalitätsdebatte (Winker & Degele, Intersektionalität: Zur Analyse sozialer Ungleichheiten (Sozialtheorie), Transcript, Bielefeld, 2010; Lutz et al., Fokus Intersektionalität: Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzeptes, VS Springer, Wiesbaden, 2012) sowie auf die Disability Studies bezogen.
Article
Due to their age and lifestyle, female students in general are at an increased risk of various forms of sexual violence. Particular sociocultural contexts also form the background of gender-based violence in professional and academic structures. Yet despite institutional and legal efforts to protect (potential) survivors of sexual violence from primary (and secondary) victimization, persistent assaults demonstrate the reluctance of organizations and individuals to fully accept women’s experiences as being physically and psychologically harmful. Based on quantitative and qualitative data obtained in the context of the European research project “Gender-Based Violence, Stalking and Fear of Crime”, ¹ this article presents a comparative analysis of the prevalence of sexual violence, feelings of safety (or a lack thereof) and the reasons for (non-)disclosure for five European countries. A dataset of about 21,000 responses from German, British, Italian, Spanish and Polish students indicates that sexualized violence is a major problem at universities and that it has yet to be recognized as such. This – added to the fact that it is generally suppressed or concealed by universities – makes it society’s problem as well. The article discusses widespread social myths about victims and perpetrators, the role of the new media in victimization, and the issues of universities’ responsibility for their students (through institutional policy and specific responses to incidents of gender-based violence). The results presented here demonstrate the contradictory perceptions that students have in regard to their experiences and the nature of sexualized violence in an academic environment.
Informationen für Studieninteressierte und Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten
  • Deutsches Studentenwerk
DSW. Deutsches Studentenwerk (2013): Studium und Behinderung. Informationen für Studieninteressierte und Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten. www.studentenwerke.de/sites/default/files/handbuch_studium_und_ behinderung_7_auflage.pdf (Abfrage: 19.02.2023).
Ist eine andere Hochschule (un)möglich? Inklusive Hochschule -Umrisse einer Soziologie der Abwesenden
  • Nicole Przytulla
  • Viktoria
Przytulla, Nicole Viktoria (2016): Ist eine andere Hochschule (un)möglich? Inklusive Hochschule -Umrisse einer Soziologie der Abwesenden. In: Klein, Uta (Hrsg.): Inklusive Hochschule: Neue Perspektiven für Praxis und Forschung. Weinheim: Beltz, S. 196-222.
Homophobe Gewalt: Angriffe auf Lesben, Schwule, bisexuelle, trans-und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*). Zahlen/Statistik zu homophober und transphober Gewalt PMK Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung
  • Lsvd
  • Lesben
  • Schwulenverband
LSVD. Lesben und Schwulenverband (o. J.): Homophobe Gewalt: Angriffe auf Lesben, Schwule, bisexuelle, trans-und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*). Zahlen/Statistik zu homophober und transphober Gewalt PMK Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung. lsvd.de/de/ct/2445-Homophobe-Gewalt#wie-viel-homophob-motivierte-straftaten (Abfrage: 29.01.2023).
Sexuelle Belästigung und Mobbing an Hochschulen. Deutscher Hochschulverband fordert rechtsförmliche Verfahren
  • Deutscher Hochschulverband
Deutscher Hochschulverband (2019): Sexuelle Belästigung und Mobbing an Hochschulen. Deutscher Hochschulverband fordert rechtsförmliche Verfahren. www.hochschulverband.de/aktuelles-termine/sexuelle-belaestigung-undmobbing-an-hochschulen (letzter Aufruf: 15.07.2023).
Gegen sexualisierte Diskriminierung und sexuelle Belästigung an Hochschulen. Empfehlung der 24. Mitgliederversammlung der HRK am 24
  • Hrk
  • Hochschulrektorenkonferenz
HRK. Hochschulrektorenkonferenz (2018): Gegen sexualisierte Diskriminierung und sexuelle Belästigung an Hochschulen. Empfehlung der 24. Mitgliederversammlung der HRK am 24. April 2018 in Mannheim. www.hrk.de/positionen/ beschluss/detail/gegen-sexualisierte-diskriminierung-und-sexuelle-belaestigungan-hochschulen (Abfrage: 15.07.2023).
Geschlechtsspezifische Gewaltbetroffenheit von Studentinnen und Studenten. Ergebnisse einer vergleichenden Hochschulbefragung im Kontext der Frauen-und Männerforschung
  • Katrin List
List, Katrin (2014): Geschlechtsspezifische Gewaltbetroffenheit von Studentinnen und Studenten. Ergebnisse einer vergleichenden Hochschulbefragung im Kontext der Frauen-und Männerforschung. Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 2013. Holzkirchen, Oberbay: Felix.