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Was denken christliche Religionslehrkräfte über Politik, politische Bildung und kontroverse Themen?: Überblick über die bisherige Forschung und Ergebnisse einer quantitativen Studie

Authors:

Abstract

Im aktuellen Kontext, in dem liberale Demokratien durch Krisenphänomene herausgefordert werden, wird pädagogisch und fachdidaktisch über die Querschnittsaufgabe politischer Bildung debattiert. Eine besondere Bedeutung besitzen dabei kontroverse Themen, die Lehrkräfte fordern und gleichzeitig positive Effekte für demokratische Beteiligung versprechen. Um das empirische Wissen in der Religionspädagogik zu diesem Themenbereich zu vertiefen, werden im folgenden Artikel drei Schritte begangen: Erstens werden bisherige Untersuchungen aus der Religionspädagogik daraufhin befragt, ob sie relevante Informationen über Vorstellungen und Einstellungen von Religionslehrkräfte zum Bereich „Politik, politische Bildung und kontroverse Themen“ enthalten. Zweitens werden die Ergebnisse einer aktuellen quantitativen Studie zu diesem Themenbereich im Kontext des konfessionellen Religionsunterrichts vorgestellt, diskutiert und in den Forschungsstand eingeordnet. Abschließend werden Leerstellen und Perspektiven zukünftiger Forschung markiert, um das empirische Forschungsdesiderat zum Themenbereich weiter zu schließen.
Religionspädagogische Beiträge. Journal for Religion in Education
https://doi.org/10.20377/rpb-298
Was denken christliche Religionslehrkräfte über Politik, politische Bildung
und kontroverse Themen? Überblick über die bisherige Forschung und Er-
gebnisse einer quantitativen Studie1
Jan-Hendrik Herbst
Technische Universität Dortmund
Kontakt: jan-hendrik.herbst@tu-dortmund.de
eingereicht: 16.10.2023; angenommen: 22.11.2023
Die quantitative Untersuchung (Prestudy) wurde durch die TU Dortmund Young Academy gefördert, die anschließende qua-
litative Forschung wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert (Projekt-Akronym: KoTheRU, Projektnummer
518876574).
Zusammenfassung: Im aktuellen Kontext, in dem liberale Demokratien durch Krisenphänomene herausgefordert
werden, wird pädagogisch und fachdidaktisch über die Querschnittsaufgabe politischer Bildung debattiert. Eine
besondere Bedeutung besitzen dabei kontroverse Themen, die Lehrkräfte fordern und gleichzeitig positive Effekte
für demokratische Beteiligung versprechen. Um das empirische Wissen in der Religionspädagogik zu diesem The-
menbereich zu vertiefen, werden im folgenden Artikel drei Schritte begangen: Erstens werden bisherige Untersu-
chungen aus der Religionspädagogik daraufhin befragt, ob sie relevante Informationen über Vorstellungen und
Einstellungen von Religionslehrkräfte zum Bereich „Politik, politische Bildung und kontroverse Themen“ enthal-
ten. Zweitens werden die Ergebnisse einer aktuellen quantitativen Studie zu diesem Themenbereich im Kontext
des konfessionellen Religionsunterrichts vorgestellt, diskutiert und in den Forschungsstand eingeordnet. Abschlie-
ßend werden Leerstellen und Perspektiven zukünftiger Forschung markiert, um das empirische Forschungsdesi-
derat zum Themenbereich weiter zu schließen.
Schlagwörter: Politische Bildung, Kontroverse Themen, Beutelsbacher Konsens, Religionslehrkräfte-Forschung
Abstract: Currently, liberal democracies are being challenged by crises. There is an ongoing pedagogical and di-
dactic debate regarding the cross-cutting task of civic education. Controversial issues are particularly significant in
this discussion, as they pose challenges for teachers while simultaneously promising positive effects for democratic
participation. To deepen empirical knowledge in the field of RE on this topic, the following article proceeds in three
steps: Firstly, it examines existing research in RE to determine if they contain relevant information about the beliefs
and attitudes of RE teachers toward “Politics, Civic Education and Controversial Issues.” Secondly, it presents and
discusses the results of a recent quantitative study about this topic within the context of denominational RE and
integrates these results into the current state of research. Finally, it outlines gaps and perspectives for future re-
search to further address the empirical research deficit in this area.
Keywords: Religious Civic Education, Controversial Issues in RE, Beutelsbach Consensus, Research about RE
teachers
1 Danksagung: Für Hinweise und Rückmeldungen danke ich Angela Bieda, Jonas Bonke, Johannes Drerup, Ste-
phan Dutke, Frederike Gabelt, Claudia Gärtner, Marlene Herbst, Sebastian Hüting, Anna Klie, Janine Kuropka,
Gert Pickel, Alexander Unser und besonders Henrike Herdramm.
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Einführung
Die letzten Jahrzehnte sind geprägt von krisenhaften Großereignissen wie der Covid-19-Pandemie. Die-
se Krisenereignisse werden im Religionsunterricht (RU) thematisiert und religionspädagogisch reflek-
tiert (z. B. Gärtner, 2020; RpB 44/2021, Nr. 2; Schambeck & Verburg, 2022). Mit den Krisenereignissen
gehen Bedrohungen für die politischen Ordnungen einher. Herausgefordert sind gerade liberale De-
mokratien, deren Zustimmungswerte rapide abnehmen, wohingegen autoritäre Einstellungen zuneh-
men. Für Deutschland sei dies exemplarisch anhand der von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförder-
ten repräsentativen Studie von Neu (2023, S. 1) belegt. Diese zeigt erstens eine relativ große Zustim-
mung zu Verschwörungserzählungen. Knapp ein Drittel der deutschen Bevölkerung hält es für wahr-
scheinlich, „dass geheime Mächte die Welt steuern.“ Zweitens ist das Misstrauen gegenüber demokra-
tischen Institutionen stark ausgeprägt. Beispielsweise waren gut 60% der Befragten der Auffassung,
dass die Medien nur das herausbrächten, „was die Herrschenden vorgeben“ (Neu, 2023, S. 22; für einen
differenzierten Überblick: Heller, 2023, Kap. 1).
In einer solchen Situation setzen sich unterschiedliche Fachdidaktiken mit der Aufgabe auseinander,
politische Bildung als Unterrichtsprinzip, also als Querschnittsaufgabe aller Schulfächer zu gestalten
(z. B. Ammerer, Geelhaar & Palmstorfer, 2020). Dieser pädagogische und fachdidaktisch übergreifende
Diskurs entzündet sich besonders an der sog. „Kontroverse um kontroverse Themen“ (z. B. Drerup,
Zulaica y Mugica & Yacek, 2021; Zeitschrift für Praktische Philosophie 10/2023, Nr. 1). Kontroversitäts-
geboten zufolge sollten (die meisten der) Themen, die gesellschaftlich und/oder wissenschaftlich kont-
rovers diskutiert werden, auch im Schulunterricht kontrovers diskutiert werden. Solche Gebote finden
sich für unterschiedliche Fächer: Grundlegend ist hier der Beutelsbacher Konsens aus der politischen
Bildung, der auch in der Religionspädagogik debattiert wird (z. B. Zimmermann, 2022). Darüber hinaus
gibt es ähnliche Konsensformulierungen, die allesamt ein Kontroversitätsprinzip enthalten, auch an der
Schnittstelle von sozialwissenschaftlicher, philosophischer, ethischer und religiöser Bildung. Beispiel-
haft genannt werden können diesbezüglich die Frankfurter Erklärung, der Dresdener Konsens sowie
religionspädagogisch der Schwerter und der Koblenzer Konsent (z. B. Herbst, Gärtner & Kläsener,
2023). Darüber hinaus wird auch in der neuen Musterordnung für die Erteilung der katholischen Missio
canonica ein Kontroversitätsgebot in Anlehnung an den Beutelsbacher Konsens formuliert (DBK, 2023,
S. 3).
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der politischen Dimension religiöser Bildung in den
letzten zwei Dekaden einige ausführliche Publikationen gewidmet wurden (z. B. Gärtner, 2020; Grüm-
me, 2009; Könemann & Mette, 2013; Schlag, 2010). Religionspädagogische Forschung zu diesem The-
menbereich entfaltet sich im Rahmen verschiedener Methodenmodi, besonders im Horizont von histo-
rischen, systematischen und fachdidaktischen Zugängen. Neue Forschungszugänge zum Feld, bei-
spielsweise eine international-vergleichende Perspektive, werden dabei als Potenzial erachtet, das The-
menfeld noch stärker in die religionspädagogische Fachdebatte zu integrieren. Dies wird als nötig er-
achtet, weil das Forschungsfeld trotz der erwähnten Beiträge nach der Einschätzung mancher Reli-
gionspädagog*innen noch immer zu wenig beachtet werde und es noch nicht zufriedenstellend gelun-
gen sei, die politische Dimension religiöser Bildung systematisch in den religionspädagogischen Fach-
diskurs aufzunehmen (Schweitzer, 2024).
Die geringe Beachtung mag auch daran liegen, dass ein methodischer Zugang in dieser Debatte beinahe
gänzlich ausgeklammert wird: Es existiert bisher quasi keine empirische Forschung zu politischer Bil-
dung und kontroversen Themen im RU (z. B. Emmelmann, Käbisch, Meyer & Zimmermann, 2019, S. 4;
Herbst, 2022a, S. 513514). Dadurch werden, so ließe sich Porzelts (2011, S. 152153) Kritik an Grümmes
(2009) prägender Studie verallgemeinern, „überhöhte Ziele“ für den RU formuliert, ohne deren prakti-
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sche Umsetzbarkeit zu überprüfen und realistisch zu erden. Vor diesem Problemhorizont soll das rele-
vante Forschungsdesiderat in diesem Beitrag in ersten Ansätzen bearbeitet werden, indem sich den Re-
ligionslehrkräften als zentralen Akteur*innen von religiöser Bildung zugewendet wird. Dies ist beson-
ders sinnvoll, weil Lehrkräfte Schlüsselpersonen sind, von denen es abhängt, ob politische Bildung
stattfindet und kontroverse Themen auf produktive Weise im Unterricht verhandelt werden (z. B.
Herbst, 2023, S. 14). Darüber hinaus bieten sich empirische Erhebungen zu Lehrkräften aus forschungs-
pragmatischen Gründen an: Im unerforschten Terrain bieten sie einen sinnvollen Startpunkt, der eine
gute Basis für mögliche Folgestudien eröffnet, die komplexere Zusammenhänge erforschen (Kap. 3).
1. Bisherige Forschung zu Religionslehrkräften mit Relevanz für die Forschungsfrage
In den letzten Jahren sind vielfältige Studien erschienen, die Vorstellungen und Einstellungen von Re-
ligionslehrkräften empirisch erheben (z. B. Heimbrock, 2017; Pohl-Patalong, Woyke, Boll, Dittrich &
Lüdtke, 2016). Der Themenbereich „Politik, politische Bildung und kontroverse Themen“ wurde dabei
bisher kaum in den Blick genommen. In Bezug auf den Bereich „Politik“ erhob eine Studie die Bedeu-
tung von politischem und zivilgesellschaftlichem Engagement bei Theologiestudierenden, also u. a. bei
zukünftigen Religionslehrkräften (Riegel & Zimmermann, 2022, S. 107). Dabei wird folgendes festge-
stellt: „Mitgliedschaft in politischen Parteien, Initiativen oder NGOs (z. B. Greenpeace, Amnesty Inter-
national o. Ä.: 8%) und Mitarbeit bei der Leitung auf Ebene der politischen Gemeinde (z. B. Mitglied im
Gemeinderat o.Ä.: 4%.)“. Einen „moderaten Effekt“ (Riegel & Zimmermann, 2022, S. 106) auf das poli-
tische Engagement können die Studienautor*innen dabei lediglich bezüglich des Geschlechts feststel-
len, „insofern männliche Studierende hier eine etwas höhere Rangsumme zeigen als weibliche“. Zudem
belegen Riegel & Zimmermann (2022, S. 127):
„das politische Engagement ist bei Magister-Studierenden am stärksten ausgeprägt. Signifikant
schwächer engagieren sich Studierende auf Lehramt Berufsschule im politischen Bereich […].
Nochmals signifikant schwächer fällt dieses Engagement bei Grundschulstudierenden aus. Die
Studierenden auf Gymnasium und Sekundarstufe I liegen zwischen Berufsschule und Grund-
schule.“
Diese Befunde deuten darauf hin, dass Politik zumindest als Betätigungsfeld des Engagements für
angehende Religionslehrkräfte keine wichtige Rolle spielt. Ob dies auch für (länger) praktizierende Re-
ligionslehrkräfte gilt, wurde bisher nicht erforscht.
Der wichtigste Befund bisheriger Forschung im Bereich politischer Bildung ist, dass diese im RU zwar
mitschwinge, „aber in der Einschätzung der Lehrkräfte für die Inhalte ihres RUs keine zentrale Bedeu-
tung“ (Emmelmann et al., 2019, S. 4) besitze. So zumindest werden die Ergebnisse zweier Studien inter-
pretiert, von denen die eine bereits etwas älter (Feige & Tzscheetzsch, 2005, S. 25) und die andere noch
nicht vollständig publiziert war (Pirner, 2022). Festgemacht wird diese Einschätzung besonders daran,
dass Religionslehrkräfte in den besagten Studien politische Bildung nicht als zentrales Ziel von RU be-
werten, sondern „im unteren Mittelfeld“ (Emmelmann et al., 2019, S. 4) der verschiedenen Zielvorstel-
lungen einordnen.
Spezifizieren lässt sich dies an der Studie von Pirner (2022, S. 5559) und der Frage, wie Religionslehr-
kräfte den Beitrag des RUs zu fächerübergreifenden Bildungszielen einschätzen. Konkret wurden die
Lehrkräfte danach gefragt, zu welchen „schulart- und fächerübergreifende[n] Bildungs- und Erzie-
hungsziele[n] […] der Religionsunterricht […] in besonderer Weise beitragen“ könne (Pirner, 2022, S.
55–56). Für 16 verschiedene Bildungs-/Erziehungsziele sollten die Religionslehrkräfte dabei ihre Ein-
schätzung geben. Politische Bildung findet sich dabei an der zehnten Stelle, wobei einzig Erziehungs-
/Bildungsziele wie „Technische Bildung“ oder „Verkehrserziehung“ noch niedriger eingestuft werden
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(Kap. 2.2). Auf den ersten Blick stimmt es also, dass der Beitrag des RUs zur politischen Bildung „deut-
lich zurückhaltender beurteilt“ (Pirner, 2022, S. 57) wird als bei anderen Erziehungs-/Bildungszielen.
Pirner (2022, S. 57) zufolge muss diese verhältnismäßig niedrige Bewertung „zu denken geben“. Aller-
dings ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass Erziehungs-/Bildungsziele wie „Werteerziehung“ (Rang
1), „Soziales Lernen“ (2), „Menschenrechtsbildung“ (3), „Interkulturelle Bildung“ (4) oder „Bildung für
nachhaltige Entwicklung“ (7) allesamt einen Bezug zur politischen Bildung besitzen. Dies wird beispiel-
haft daran deutlich, „dass im bayerischen ‚Lehrplan PLUS‘ die Menschenrechtsbildung unter dem Bil-
dungsziel ‚Politische Bildung‘ subsummiert [sic!] wird“ (Pirner, 2022, S. 57). Auf diesen Sachverhalt
deuten auch die Ergebnisse einer instruktiven studentischen Abschlussarbeit hin, die einen weiten Be-
griff politischer Bildung anlegt, der auch Werte- und Menschenrechtsbildung umfasst: In Florian Mayrs
(2015, S. 69–74) Studie zu österreichischen AHS-Religionslehrkräften wird politische Bildung im RU als
ein wichtiges Ziel erachtet. Beispielsweise verorten 70,4% der Befragten Politische Bildung stark (53,9%)
oder eher stark (16,5%) im RU (Mayr, 2015, S. 71). Diese Werte liegen höher als bei allen anderen Fächern
außer Ethik und Geschichte. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass politische Bildung in Öster-
reich kein ordentliches Unterrichtsfach, aber als Unterrichtsprinzip etabliert ist.
Zuletzt konstatiert eine themenspezifische Studie, dass eine „gesellschaftspolitische Kontextualisierung
des Religionsunterrichts noch nicht Allgemeingut der Lehrerinnen und Lehrer zu sein“ (Forschungs-
gruppe REMEMBER, 2020, S. 64) scheint. Als herausfordernd wird besonders die Spannung betrachtet,
einerseits Überwältigung besonders bei emotionalisierenden Themen wie der Schoah zu vermeiden
und andererseits Position zu beziehen, wenn extremistische Auffassungen im Unterricht von Schü-
ler*innen vertreten werden (Forschungsgruppe REMEMBER, 2020, S. 64, 7273). Darüber hinaus findet
sich bisher keine deutschsprachige Studie, die untersucht, was christliche Religionslehrkräfte über
„kontroverse Themen“ denken. Diese Leerstelle wird im Folgenden ansatzweise auf der Basis einer
quantitativen Studie bearbeitet.
2. Vorstellung der Ergebnisse einer quantitativen Studie: Was denken christliche Religionslehr-
kräfte über Politik, politische Bildung und kontroverse Themen?
Im Folgenden wird die bisherige Forschung ergänzt, indem die wichtigsten Ergebnisse eines Fragebo-
gens zum Themenbereich präsentiert werden, der im Folgenden als PBkT („Politische Bildung und kon-
troverse Themen im RU“) bezeichnet wird. Eine qualitative Folgestudie soll diese Ergebnisse im An-
schluss vertiefen und kontrollieren. Der Fragebogen, dessen Daten vom 12.09.2023 bis zum 12.10.2023
erhoben wurden, umfasst eine Gelegenheitsstichprobe (convenience sampling) von n = 293 derzeit prak-
tizierenden Religionslehrkräften (vollständige Antworten: 73,0%; unvollständige Antworten: 27,0%).
Die Lehrkräfte wurden erreicht über Mailverteiler von Lehrkräfteverbänden, religionspädagogischen
Fachverbänden und kirchlichen Stellen (z. B. Schulabteilungen). Alle Teilnehmer*innen gaben ihr Ein-
verständnis zur wissenschaftlichen Auswertung ihrer anonymisierten Daten. Insgesamt wurde ein brei-
ter demographischer Zuschnitt gewählt:
Alter: Die Teilnehmer*innen repräsentieren alle Altersklassen, wobei sie tendenziell eher älter als
jünger sind (2029 Jahre: 12,6%; 30–39 Jahre: 22,5%; 4049 Jahre: 20,9%; 5059 Jahre: 25,3%; mind.
60 Jahre: 18,6%; n = 253).
Geschlecht: An der Umfrage nahmen mehr Frauen als Männer teil (weiblich: 61,7%; männlich: 37,5%;
divers: 0,8%; n = 253). Dazu trägt sicherlich auch der hohe Anteil von Frauen unter den befragten
Grundschullehrkräften bei (weiblich: 83,8%; männlich: 13,5%; divers: 2,7%; n = 37).
Konfession: An der Umfrage nahmen deutlich mehr katholische als evangelische Religionslehrkräfte
teil (römisch-katholisch: 77,9%; evangelisch: 22,1%; n = 253).
Bildungsstufe: An der Umfrage nahmen vorwiegend Sekundarstufe II-Lehrkräfte teil (Sekundar-
stufe II-Unterricht: Ja: 79,5%; Nein: 20,5%; n = 249).
J.-H. Herbst | 9
Bundesland: An der Umfrage nahmen vorwiegend Lehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen teil (NRW:
55,8%; Baden-Württemberg: 16,7%; Niedersachsen: 10,8%; andere: 16,7%; n = 251).
Diese Breite des demographischen Zuschnitts besitzt den Vorteil, einen Überblick über den erforschten
Themenbereich zu erhalten. Nachteilig ist, dass kontextabhängige Faktoren (z. B. Bundesland, Schul-
form) implizite Auswirkungen auf die Daten besitzen können (Kap. 2.4).
Ein Hauptziel des Fragebogens, ein begründetes Sampling für die qualitative Folgestudie zu generieren,
wurde erreicht, da über 50 Teilnehmer*innen ihre Bereitschaft für eine solche Erhebung erklärten. Dar-
über hinaus erschließt der Fragebogen zwar keine komplexen Zusammenhänge auf der Basis von Mes-
sungen, aber er bietet Informationen bezüglich der Perspektive von Religionslehrkräften auf das Feld
„Politik, politische Bildung und kontroverse Themen“.
2.1 Ergebnisse zur Perspektive von Religionslehrkräften auf Politik
Die Erhebung gibt erstens einen Einblick in das politische Interesse und die politischen Einstellungen
von Religionslehrkräften. Religionslehrkräfte sind dem politischen Bereich stärker als sich im Hinblick
auf bisherige Studien erwarten ließ deutlich zugeneigt: Über 80% von ihnen interessieren sich sehr
oder eher schon für Politik insgesamt (83,2%), Weltpolitik (81,0%) und Bundespolitik (90,7%). Etwas
geringer fallen die Werte für EU-Politik (73,8%) und Kommunalpolitik (55,3%) aus. Auch im Vergleich
llt dieses Interesse auf: Sie zeigen in allen Bereichen ein (deutlich) höheres Interesse als österreichische
Lehramtsstudierende in einer repräsentativen Umfrage (Hämmerle, Sander & Sickinger, 2009, S. 365).
Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die österreichische Umfrage schon älter ist und das eingangs
skizzierte Krisenszenario das politische Interesse unter Lehrkräften insgesamt erhöht haben könnte.
Wie sehr interessieren Sie sich für Politik in den folgenden Bereichen?
Vergleich
Mittelwerte PBkT
Mittelwerte bei Hämmerle et al.
Differenz
Politik insgesamt
1,84 (n = 238)
2,29
0,45
Weltpolitik
1,91 (n = 237)
2,09
0,18
EU-Politik
2,12 (n = 237)
2,25
0,13
Politik in Deutschland/
Österreichische Innenpolitik
1,64 (n = 237)
2,29
0,65
Kommunalpolitik
2,46 (n = 237)
2,66
0,20
1 = sehr; 2= eher schon; 3 = teils/teils; 4 = wenig; 5 = gar nicht.
Ein zweiter Befund in diesem Bereich ist, dass Religionslehrkräfte von ihrer politischen Einstellung
nicht den bundesdeutschen Durchschnitt repräsentieren, sondern stärker ‚progressiven‘ (autonomieori-
entierten) als ‚konservativen‘ (traditionsorientierten) Einstellungen folgen. Dies lässt sich an zwei Sach-
verhalten veranschaulichen: Erstens erhält die Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ überdurchschnittlich
viel und die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) überdurchschnittlich wenig Zuspruch. Dies
zeigt ein Vergleich mit zwei Umfragewerten von Infratest dimap (Id, 2023) im Zeitraum der PBkT-Um-
frage:
Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?
n = 213
Religionslehrkräfte
Id, 12.09.13.09.
Differenz zum ID-M.
CDU/CSU
20,7%
28%
-7,3%
SPD
13,1%
16%
-2,9%
Grüne
52,1%
15 %
+37,6%
FDP
3,3%
7 %
-3,2%
Linke
3,3%
4 %
-0,7%
AfD
1,9%
22%
-20,1%
10 | RpB, 520
Andere
4,2%
8%
-4,8%
Nicht-
wahl
1,4%
Wird bei Id nicht erhoben. Bei der Bundestagswahl 2021 lag dieser
Anteil bei 23,4 % (Bundeswahlleiterin, 2021). Die Differenz beträgt
dann -22%.
Ein weiterer Hinweis auf die stärker ‚progressiven‘ Einstellungen von Religionslehrkräften geben ihre
eigenen Positionierungen bezüglich aktueller Kontroversen in der Gesellschaft. Auch hier wird sicht-
bar, dass Religionslehrkräfte eine Tendenz zu Positionen haben, die als ‚progressiv‘ eingeordnet wer-
den.
Rang
Aussage
M
SD
n
1.
Ein homosexuelles Paar sollte die Möglichkeit haben zu heiraten.
1,35
0,80
215
2.
Deutschland sollte Menschen aufnehmen, die vor Armut fliehen.
2,07
1,01
214
3.
Die Corona-Maßnahmen in Deutschland waren insgesamt ange-
messen.
2,20
0,92
215
4.
Wenn ein unheilbar Kranker es ausdrücklich wünscht, sollte er
das Recht haben zu sterben.
2,31
1,03
213
5.
Eine Schwangerschaft abzubrechen, sollte grundsätzlich erlaubt
sein.
2,73
1,26
213
6.
Deutschland sollte schwere Panzer an die Ukraine liefern.
2,87
1,22
201
7.
Die Aktionen der „Letzten Generation“ für Klimaschutz sind an-
gemessen.
3,37
1,21
214
8.
Schwarze Menschen passen nicht nach Deutschland.
4,97
0,18
215
Wertung: stimme voll und ganz zu = 1; stimme eher zu = 2; teils/teils = 3; stimme eher nicht zu = 4; stimme
gar nicht zu = 5.
Ohne an dieser Stelle immer ähnlich präzise Vergleichswerte wie bei der Sonntagsfrage angeben zu
können, sind hierbei besonders folgende Beobachtungen auffällig:
Die Protestaktionen der „Letzten Generation“ werden zwar eher ablehnend als zustimmend be-
trachtet, doch Religionslehrkräfte scheinen sie positiver als der Bundesdurchschnitt zu sehen wie
ein Vergleich mit ähnlichen Umfragen andeutet (Fischer & Krieger, 2023; Göllert, 2023; Kolvenbach,
Schader & Schwartz, 2023).
Religionslehrkräfte in Deutschland distanzieren sich deutlicher von explizitem antischwarzen Ras-
sismus als es beispielsweise die Leipziger Autoritarismusstudie für den Bundesdurchschnitt fest-
stellt (Decker, Kiess, Heller & Brähler, 2022). Zudem sind sie überdurchschnittlich offen für die
Aufnahme von Migrant*innen, die nicht nur aus asylrechtlichen, sondern auch aus ökonomischen
Gründen nach Deutschland einwandern möchten (Faus & Storks, 2019, S. 12).
Ethische Kontroversen, die im RU etwa zu Beginn der Oberstufe diskutiert werden, repräsentieren
die Items 1, 4 und 5, die wörtlich aus dem Religionsmonitor übernommen sind (z. B. Pollack &
Müller, 2013, S. 22). Hier deutet besonders die sehr hohe Zustimmung der Lehrkräfte für die gleich-
geschlechtliche Ehe ‚progressive‘ Werte an. Anders verhält es sich bei den Items zu ‚Schwanger-
schaftsabbruch‘ und ‚Sterbehilfe‘. Hier sind die Lehrkräfte in Bezug auf eine positive Beurteilung
tendenziell zurückhaltender, sie tendieren damit etwas weniger als der Gesellschaftsdurchschnitt
zu autonomieorientierten Positionen. Eine ungefähre Einschätzung hierfür bietet die folgende Ta-
belle mit den Daten vom Religionsmonitor, die trotz aller unterschiedlichen Voraussetzungen einen
ersten Vergleich bietet.
J.-H. Herbst | 11
Item
Zustimmung
PBkT
Teils/Teils
PBkT
n
Zustimmung Religionsmonitor, 2013
Differenz
Ostdeutschland
1
91,6%
5,1%
215
78%
+ 16,6/21,7%
4
61,5%
26,3%
213
88%
- 21,5/+4,8%
5
46,5%
26,3%
213
69%
- 7,5/+18,8%
Als Zustimmung angegeben ist jeweils der Anteil derjenigen, die „eher“ bzw. „voll und ganz“ zustimmen. Als
Differenz ist die Abweichung zwischen Zustimmung in der PBkT-Umfrage und dem Religionsmonitor ange-
geben, wobei aufgrund der geringen Teilnehmer*innen-Zahl aus ostdeutschen Bundesländern (2,8%) an der
PBkT-Umfrage der Religionsmonitor-Wert für Westdeutschland verwendet wurde. Der erste Differenzwert ist
exklusive, der zweite inklusive der Teils-/Teils-Antworten. Beim Vergleich ist (neben d. Zeitabstand) nämlich
auch der Sachverhalt zu bedenken, dass der Religionsmonitor (2013) auf einer vierstufigen Likert-Skala basiert,
die keine „teils/teils“ Antwort umfasst. Für eine tendenzielle Vergleichbarkeit spricht, dass sich die Werte für
die gleichgeschlechtliche Ehe zwischen 2013 und 2017 nicht grundlegend geändert haben: Die Zustimmung
zur gleichgeschlechtlichen Ehe ist in dieser Zeit leicht gestiegen (Müller & Pollack, 2022, S. 1314). Zu ver-
muten ist, dass sich diese Tendenz seit der gesetzlichen Ermöglichung einer solchen Ehe (2017) fortgesetzt hat.
2.2 Ergebnisse zur Perspektive von Religionslehrkräften auf politische Bildung
Als zweites bietet die Umfrage einen Einblick darin, wie Religionslehrkräfte die Bedeutung des RUs für
politische Bildung und ihre eigene Ausbildung in dieser Hinsicht einschätzen. Insgesamt sehen die Be-
fragten durchaus das Potenzial, dass der RU politische Bildung ermöglicht. Das lässt sich am folgenden
Indikator festmachen: Ähnlich wie Mayr (2015, S. 71) und in Anlehnung an die österreichische Studie
von Hämmerle, Sandner und Sickinger (2009, S. 364) wurden die Religionslehrkräfte gefragt, für wie
geeignet sie bestimmte Fächer(-gruppen) für die Vermittlung von Politischer Bildung halten. Ein Ver-
gleich zeigt dabei, dass Religionslehrkräfte einerseits besonders zuversichtlich sind, was den Beitrag
aller Fächer zur politischen Bildung angeht, da sie außer im Fall von Mathematik und Naturwissen-
schaften den Fächern einen Wert zwischen „sehr“ und „eher schon“ zuordnen. Zweitens trauen Reli-
gionslehrkräfte dem RU ungefähr einen ebenso großen Beitrag zu politischer Bildung zu wie zu Philo-
sophie/Ethik und Geschichte/Geographie.
Nr.
Fächer(-gruppe)
M (PBkT)
M bei Hämmerle et al.*
Differenz
1
Deutsch und Fremdsprachen
1,43 (26,7%; n = 236)
1,88 (1,70/2,06)
0,45
2
Geschichte/Geographie
1,34 (2,6%; n = 234)
1,36 (1,25/1,46)
0,02
3
Mathematik und Naturws.
2,24 (26,3%; n = 232)
3,28 (3,45/3,49/2,89)
1,04
4
(Praktische) Philosophie/Ethik
1,35 (5,9%; n = 236)
2,21
0,86
5
Religion
1,38 (9,7%; n = 237)
2,35
0,97
6
Musik/Kunst
1,44 (39,7%; n = 232)
3,17 (3,23/3,10)
1,73
* Wertung (wie bei Hämmerle et al., 2009): sehr = 1; eher schon = 2; eher nicht = 3; gar nicht = 4. Da keine
„teils/teils“-Antworten verwendet wurden, sind diese zur Vergleichbarkeit nicht in die Wertung aufgenommen
worden, der prozentuale Anteil dieser Antworten ist in Klammern jeweils angegeben. Abschließend folgt die
Anzahl der Antworten, bei Hämmerle et al. handelt es sich um n = 1000 Studienteilnehmer*innen. Zudem sind
bei Hämmerle et al. die Fächergruppen differenzierter abgebildet. Sie sind durch Mittelwertberechnungen syn-
thetisiert und hier folgendermaßen zusammengefügt worden: Deutsch und Fremdsprachen = Deutsch, Fremd-
sprachen; Geschichte/Geographie = Geschichte, Geografie; Mathematik und Naturwissenschaften = Mathema-
tik, Physik, Chemie, Biologie; (Praktische) Philosophie/Ethik = Psychologie und Philosophie; Religion = Reli-
gion; Musik/Kunst = Musik, Bildnerische Erziehung. Die jeweiligen Einzelwerte sind dabei ebenfalls in Klam-
mern entsprechend der hier benannten Reihenfolge angegeben.
12 | RpB, 520
Diese Befunde ordnen die in Kap. 1 diskutierten Ergebnisse von Pirner (2022, S. 56) noch einmal in einen
anderen Zusammenhang ein. Dessen Ergebnisse wurden allerdings auch in dieser Studie bestätigt, in
der ebenfalls danach gefragt wurde, zu welchen fächerübergreifenden Bildungszielen der RU in beson-
derer Weise beitragen könne. Weder vom Rang noch von den Durchschnittswerten ändert sich deutlich
etwas gegenüber Pirner (2022), wobei einige Werte etwas höher liegen (interkulturelle Bildung, Medi-
enbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, politische Bildung). Insgesamt scheinen Religions-
lehrkräfte dem RU mit Blick auf fächerübergreifende Bildungsziele viel zuzutrauen, wobei ebenfalls
eng mit politischer Bildung zusammenhängende Bereiche wie Menschenrechtsbildung und Bildung für
nachhaltige Entwicklung (deutlich) über dem Wert 4 liegen und damit ein besonderer Beitrag des RUs
zu ihnen erwartet wird.
Nr.
Fächerübergreifendes Bildungsziel
Durchschnittswerte
PBkT
Durchschnittswerte
Pirner, 2022*
1
interkulturelle Bildung (n = 228)
4,45 (4)
4,14 (4)
2
Medienbildung (n = 229)
3,47 (9)
3,15 (11)
3
Menschenrechtsbildung (n = 229)
4,46 (3)
4,33 (3)
4
sprachliche Bildung (n = 229)
3,54 (6)
3,53 (8)
5
Werteerziehung (n = 228)
4,68 (1)
4,70 (1)
6
soziales Lernen (n = 228)
4,56 (2)
4,43 (2)
7
politische Bildung (n = 229)
3,52 (8)
3,27 (10)
8
Familien- und Sexualerziehung (n = 229)
3,54 (7)
3,47 (9)
9
Bildung für nachhaltige Entwicklung
(n = 229)
4,21 (5)
3,93 (7)
* Das Messinstrument wurde von Pirner (2022, S. 56) übernommen: 5 = sehr viel, 4 = viel, 3 = mittel, 2 =
weniger viel, 1 = wenig. In den Klammern wird der Rang des Ziels im Vergleich zu den anderen abgefragten
Zielen angegeben. Da manche bei Pirner (2022) abgefragten Ziele in der PBkT-Umfrage weggelassen wurden,
findet sich in der rechten Spalte nicht jeder Rang.
Darüber hinaus stimmt eine deutliche Mehrheit von 77,1% aller Befragten der Aussage voll und ganz
oder eher zu, dass angehenden Religionslehrkräften in Studium und Ausbildung politische Bildung
vermittelt werden sollte.
Stimme voll
und ganz zu
Stimme eher zu
Teils/teils
Eher nicht
Nicht
n = 236
32,2%
44,9%
16,9%
4,7%
1,3%
Diese Zustimmungswerte sind besonders bedenkenswert mit Blick auf Daten, die zeigen, dass Religi-
onslehrkräfte in dieser Hinsicht nicht besonders gut ausgebildet sind. Dafür spricht, dass Themen der
politischen Bildung bei 56,9% der Befragten selten oder nie im theologischen Studium und der religi-
onspädagogischen Ausbildung behandelt wurden. Besonders das Referendariat wird dabei selten als
Quelle solcher Kenntnisse genannt.
Wie häufig wurden Themen der politischen Bildung in Ihrem theologischen Studium und Ihrer religionspäda-
gogischen Ausbildung behandelt?
Sehr häufig
Häufig
Manchmal
Selten
Nie
n = 232
0,9%
7,3%
34,9%
44,0%
12,9%
Wo konnten Sie Kenntnisse zu politischer Bildung erwerben (mit Mehrfachnennung)?
Schule
Studium
Referendariat
Fortbildungen
Kollegium
Gar nicht
n = 235
69,8%
58,7%
20,0%
58,3%
30,2%
3,4%
J.-H. Herbst | 13
Zudem fühlen sich nur 42,3% der Befragten durch ihre Ausbildung sehr oder eher schon darauf vorbe-
reitet, politische Bildung im RU zu vermitteln. Ein weiterer Indikator ist der Beutelsbacher Konsens,
dessen Kenntnis das Unterrichten von Kontroversen unterstützen kann (Oberle, Ivens & Leunig, 2018):
Hier liegen die Werte im Vergleich zu Politiklehrkräften niedriger.
Fühlen Sie sich ausreichend darauf vorbereitet, im Religionsunterricht politische Bildung zu vermitteln?
Sehr
Eher schon
Teils/teils
Eher nicht
Gar nicht
n = 234
9,4%
32,9%
27,4%
24,4%
6,0%
n = 31*
22,6%
35,5%
29,0%
6,5%
6,5%
Kennen Sie den sog. Beutelsbacher Konsens?
Ja, sehr gut
Ja, so einigermaßen
Nein, eher nicht
Nein, überhaupt nicht
n = 236
22,5%
27,5%
16,1%
33,9%
n = 33*
36,4%
39,4%
12,1%
12,1%
n = 121**
38,8%
23,2%
7,4%
30,6%
* Als zweiter Wert wurden hier nur diejenigen Religionslehrkräfte angegeben, die als Zweitfach das Fach „Po-
litik“, „Sozialwissenschaften“ o. ä. unterrichten.
**Als dritter Werte sind Ergebnisse von Oberle et al. (2018, S. 56) für Politiklehrkräfte angegeben.
Für eine geringe politikdidaktische Grundausbildung der Lehrkräfte spricht auch, dass politisches Wis-
sen und politikdidaktische Kompetenzen von den befragten Personen selbst als Leerstelle ihrer profes-
sionellen Expertise angesehen werden. Dabei halten 16,4% bzw. sogar 49,3% der Befragten ihr politi-
sches Wissen bzw. ihre politikdidaktischen Kompetenzen für gering oder sehr gering ausgeprägt.
Rang
Wie schätzen Sie Ihre fachlichen und fachdidaktischen Fähigkeiten ein?
M
SD
n
1
Pädagogische Kompetenzen
1,89
0,72
227
2
Moderationsfähigkeiten
1,99
0,81
226
3
Religionsdidaktische Kompetenzen
2,00
0,75
227
4
Systematisch-theologisches Wissen
2,23
0,81
228
5
Biblisches Wissen
2,39
0,74
228
6
Historisches Wissen
2,53
0,92
228
7
Politisches Wissen
2,68
0,92
226
8
Politikdidaktische Kompetenzen
3,52
0,89
225
sehr stark ausgeprägt = 1; stark ausgeprägt = 2; mittelmäßig ausgeprägt = 3; gering ausgeprägt = 4; sehr gering
ausgeprägt = 5.
2.3 Ergebnisse zur Perspektive von Religionslehrkräften auf kontroverse Themen
Einen dritten Einblick bietet die Umfrage in das Feld „Kontroverse Themen“, das mit politischer Bil-
dung zusammenhängt, aber nicht zwingend auf diese beschränkt ist. Schließlich gibt es auch inner-
kirchliche und theologische Kontroversen, die nicht unmittelbar als politisch zu bezeichnen sind und
im RU behandelt werden (Herbst, 2022b). In Bezug auf diesen Bereich zeigt die Umfrage, wie Religi-
onslehrkräfte mit Kontroversen im Unterricht umgehen und welche Herausforderungen sie beim Un-
terrichten sehen. Als erstes wird deutlich, dass Religionslehrkräfte eher häufig kontroverse Themen
unterrichten (M: 2,44; SD: 0,80), allein 6,0% geben an, selten oder nie solche Themen im RU zu behan-
deln.
Wie oft unterrichten Sie Themen, die als kontrovers gelten?
Sehr häufig
Häufig
Manchmal
Selten
Nie
n = 218
12,8%
37,2%
44,0%
5,5%
0,5%
14 | RpB, 520
Zudem besteht eine hohe Bereitschaft, kontroverse Themen zu unterrichten: Insgesamt gaben die Lehr-
kräfte in nur 6,4% aller Fälle an, nicht dazu bereit zu sein, ein bestimmtes kontroverses Thema zu un-
terrichten. Verhältnismäßig besonders gering war die Bereitschaft hier bei den Themen Kirchlicher
„Missbrauchsskandal“ (12,8%), Tierethik (10,5%) und Wirtschaftsethik (10,3%). Interessanterweise han-
delt es sich dabei um Themen, die bei einem Ranking von zehn Themen nach dem Grad ihrer Kontro-
versität im RU im unteren Mittelfeld liegen.
Kontroversitätsgrad von Themen
M
Top 3-Rang-Anteil
Unterrichtsbereitschaft
n
Abtreibung/Sterbehilfe
3,42
62,4%
98,0%
215
Flucht und Migration
4,53
39,6%
94,5%
216
(Homo-)Sexualität
5,26
34,0%
93,5%
216
Krieg und Frieden
5,27
31,5%
99,1%
215
Religiöser Fundamentalismus
5,65
24,4%
95,3%
214
Rassismus und Antisemitismus
5,77
19,8%
98,1%
216
Kirchlicher „Missbrauchsskandal“
5,89
36,5%
87,2%
211
Klimawandel
5,92
23,4%
96,3%
215
Tierethik
6,47
20,3%
89,5%
209
Wirtschaftsethik
6,83
15,7%
89,7%
203
Sortiert sind die Themen nach dem Mittelwert. Der Datensatz wurde zur Vergleichbarkeit von Rankings berei-
nigt: Aussortiert wurden Rankings, die nicht alle zehn Themen beinhalten (n = 202). Die Unterrichtsbereitschaft
gibt an, ob die Befragten bereit sind, das jeweilige Thema zu unterrichten.
Über diese Ergebnisse hinaus geben die Daten auch einen ersten Aufschluss darüber, wozu und wie
Religionslehrkräfte kontroverse Themen insgesamt unterrichten. Die folgende Tabelle zeigt, welche
Lernziele Religionslehrkräfte mit dem Unterrichten kontroverser Themen verfolgen und mit welchen
Methoden sie diese unterrichten.
Lernziele
M
SD
n
Methodenverwendung
M
SD
n
Wissen vermitteln
1,66
0,57
218
Diskussionen
1,73
0,77
218
Urteilskompetenzen
fördern 1,19 0,42 219 Rollenspiele 2,92 1,03 218
Argumentationsfähig-
keit schulen 1,42 0,55 219 (digitale) Recherche 2,35 0,96 216
Einstellungen verän-
dern 2,63 1,05 207
außerschulische Lern-
orte 3,28 0,85 218
Verhalten verändern 2,48 1,04 205
politische Aktionen
(z. B. Demonstrationen) 4,64 0,62 217
externe Gäste
(z. B. Zeitzeug*innen) 3,48 0,88 218
Lernziele: kein Ziel = 5, unwichtiges Ziel = 4, eher unwichtiges Ziel = 3, wichtiges Ziel = 2, sehr wichtiges Ziel
= 1; Methodenverwendung: nie = 5, selten = 4, manchmal = 3, häufig = 2, sehr häufig = 1.
Was hierbei auffällt, ist eine hohe Zustimmung der Religionslehrkräfte dazu, dass das Unterrichten von
Kontroversen die Urteils- und Argumentationskompetenzen der Schüler*innen fördern sowie Wissen
vermitteln soll. Das korrespondiert damit, dass Religionslehrkräfte gerade „diskursive Ziele“ wichtig
finden: Beispielsweise sollen die Schüler*innen dazu befähigt werden, „über religiöse Fragen zu disku-
tieren“ und einen interweltanschaulichen „Dialog über Werte und Normen“ führen zu können (Pirner,
2022, S. 11). Gegenüber einer Veränderung von Einstellungen und Verhalten sind die Lehrkräfte dage-
gen deutlich skeptischer: Während die ersten drei Ziele jeweils 0% der Befragten für „kein Ziel“ hielten,
waren die Werte hier für Einstellungs- (8,2%) und Verhaltensänderungen (7,3%) deutlich höher und
J.-H. Herbst | 15
das, obwohl solche Ziele religionspädagogisch durchaus als zentral befürwortet werden (z. B. hinsicht-
lich des kontroversen Themas „Krieg und Frieden“ (Mokrosch & Spiegel, 2018, Kap. 1.9)). Gleichzeitig
wird in der Religionspädagogik selbst kontrovers diskutiert, ob Einstellungen, Haltungen und Verhal-
ten von Schüler*innen durch Unterricht beeinflusst werden sollte (Dressler, 2020, S. 7; Schweitzer, 2015,
S. 2).
Wenig überraschend ist, dass die häufigste methodische Form das Diskutieren darstellt gefolgt von,
jeweils mit größeren Abständen, (digitalen) Recherchen und Rollenspielen. Eher selten werden außer-
schulische Lernorte besucht und externe Gäste eingeladen, fast nie werden politische Aktionen durch-
geführt. Allerdings geben auch hier 63 Lehrkräfte an, Erfahrungen mit dieser Lernform gemacht zu
haben (16x „manchmal“, 47x „selten“). Bei diesem Item hatten die Lehrkräfte auch die Möglichkeit,
offen auf die Frage zu antworten, mit welchen weiteren Methoden sie kontroverse Themen unterrich-
ten. Dabei genannt wurden unterschiedliche Formen von
Diskussion (z. B. Pro-/Kontra-Debatte, Podiumsdiskussion, Fish-Bowl, Kugellager, Dilemma-Dis-
kussion),
Informationsrecherche (z. B. Filme, Podcasts, Planspiele, digitale Medien, Expert*innen-Befragun-
gen, Ausstellungsbesuche, Texte mit unterschiedlichen Positionen lesen).
Sichtbarmachung der kontroversen Positionen (Mentimeter, Meinungslinie, anonyme Umfragen in
der Klasse, Argumentationswippe, räumliches Positionieren).
Ergebnisdarstellung (z. B. Stellungnahmen, Poster/Plakate, Referate, kreatives Schreiben, Tage-
bucheinträge, ästhetische Gestaltung/Bilder, Social-Media-Beiträge, Learning Snacks, politische De-
monstration an der Schule).
Arbeiten mit biblischen Texten, was allerdings nur zweimal erwähnt wurde.
Abschließend geben die Daten auch Hinweise darauf, welche Herausforderungen für Religionslehr-
kräfte mit dem Unterrichten von Kontroversen einhergehen. Das bereits in Kap. 2 diagnostizierte Aus-
bildungsdefizit in Bezug auf politikdidaktische Kompetenzen verschärft sich bezüglich kontroverser
Themen noch einmal: Nur 24,1% der Lehrkräfte fühlen sich sehr gut oder eher gut darauf vorbereitet,
solche Themen zu unterrichten (M = 3,22; SD = 0,99; n = 212).
Wie gut fühlen Sie sich durch Ihre Lehrkräfteausbildung darauf vorbereitet, kontroverse Themen zu unterrich-
ten?
Sehr gut (1)
Eher gut (2)
Teils/teils (3)
Gar nicht gut (5)
n = 212
3,8%
20,3%
35,4%
9,0%
n = 27*
3,7%
18,5%
40,7%
7,4%
* Als zweiter Wert wurden hier nur diejenigen Religionslehrkräfte angegeben, die als Zweitfach das Fach „Po-
litik“, „Sozialwissenschaften“ o. ä. unterrichten.
Eine Schwierigkeit könnte dabei auch darstellen, dass neutraler Unterricht nur von 14,2% der Befragten
für auf jeden Fall möglich (2,4%) oder eher möglich (11,8%) gehalten wird. Die Skepsis bzw. das Be-
wusstsein für die Schwierigkeit, neutral zu unterrichten, ist stark ausgeprägt (M = 3,63; SD = 1,01; n =
212; auf jeden Fall möglich = 1; eher möglich = 2; teils/teils = 3; eher nicht möglich = 4; gar nicht möglich
= 5).
Externe Einflussnahmen auf den RU werden von den Religionslehrkräften dagegen als eine geringere
Herausforderung betrachtet: Ihre Sorge von anderen schulischen und/oder gesellschaftlichen Ak-
teur*innen beim Unterrichten von Kontroversen Kritik/Sanktionen zu erfahren, ist eher gering. Diese
Ergebnisse unterscheiden sich durchaus von anderen Studienergebnissen zum Beispiel zum islami-
schen RU in Österreich (Tuna, 2020) wobei Kontextfaktoren eine Rolle bei den Differenzen spielen
könnten (z. B. Fachkonstitution, Schulumfeld).
16 | RpB, 520
Haben Sie Sorge, beim Unterrichten von kontroversen Themen Kritik/Sanktionen zu erfahren?
Von …
M
SD
n
Eltern
2,06
0,83
217
religiösen Gruppen aus dem Umfeld
1,99
0,96
216
Schüler*innen
1,90
0,82
217
der Amtskirche
1,87/1,96*
0,96
212
Kolleg*innen
1,71
0,82
217
staatlichen Schulaufsichtsbehörden
1,63
0,78
215
der Schulleitung
1,63
0,81
217
politischen Parteien
1,57
0,82
213
Gar keine Sorge = 1, eher keine Sorge = 2, teils/teils = 3, eher große Sorge = 4, sehr große Sorge = 5. * Hier ist
der Mittelwert für die katholischen Religionslehrkräfte angegeben, die dieses Item bearbeiteten (n = 163).
Bei der Amtskirche ist es sinnvoll, noch einmal zwischen evangelischer und katholischer Konfession zu
differenzieren, wobei die Sorge vor amtskirchlicher Kritik bzw. amtskirchlichen Sanktionen auf katho-
lischer etwas höher als auf evangelischer Seite ist. Auch ein Großteil der katholischen Befragten hat
zwar eher keine oder keine Sorge (73,7%). Zu erwähnen gilt es allerdings auch, dass ein Großteil der
Lehrkräfte, die Sorgen vor amtskirchlicher Kritik bzw. amtskirchlichen Sanktionen haben, katholisch ist
(bei teils/teils: 32 von 34 (94,1%); eher große Sorge: 9 von 11 (81,8%); sehr große Sorge: 3 von 3 (100,0%)).
2.4 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse
Die Fragebogenstudie bietet erste Einblicke darin, was christliche Religionslehrkräfte über Politik, poli-
tische Bildung und kontroverse Themen denken. Deutlich wird, dass Religionslehrkräfte am politischen
Zeitgeschehen interessiert sind und eher ‚progressive‘ als ‚konservative‘ Einstellungen vertreten. Sie se-
hen im RU ein Potenzial politische Bildung zu vermitteln und finden diese eher bedeutsam, aber nicht
zentral. Das Unterrichten von kontroversen Themen wird von ihnen als ein praxisrelevantes Inhaltsfeld
markiert, mit dem die meisten Lehrkräfte Berührungspunkte im Schulalltag haben. Besonders die För-
derung von Urteils- und Argumentationskompetenzen sowie Wissensvermittlung werden als Ziele in
diesem Kontext angegeben. Über ihre Praxis berichten Religionslehrkräfte, dass sie meistens diskursive
Methoden zum Unterrichten von Kontroversen verwenden. Bestimmte Methoden, wie z. B. politische
Aktionen, werden nur äußerst selten angewendet. Hierbei bieten die Daten anders etwa als Oulton,
Day, Dillon und Grace (2004, S. 503), denen zufolge dies häufig an schulischen Einschränkungen
und/oder mangelnden methodischen Kompetenzen liegt keine Hinweise darauf, welche Gründe Re-
ligionslehrkräfte jeweils dafür haben, eine Methode (nicht) zu verwenden. Besonders hervorzuheben
ist die hohe Bereitschaft der Religionslehrkräfte, kontroverse Themen zu unterrichten. Dies läuft Ergeb-
nissen von Gindi, Sagee und Gilat (2021, S. 144145) zuwider, die für den israelischen Kontext feststell-
ten, dass Lehrkräfte kontroverse Themen desto eher unterrichten, je weniger religiös sie sind. Und konfes-
sionelle Religionslehrkräfte sind eben ziemlich religiös (z. B. Pirner, 2022, S. 15). Diese Bereitschaft ist
dabei gerade besonders bei Themen hoch, die auch als kontrovers im Unterricht wahrgenommen wer-
den. Hier sind Kontroversen zu nennen, die auch innerhalb der Kirche lebendig debattiert werden (z. B.
Abtreibung/Sterbehilfe; (Homo-)Sexualität) oder aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen
markieren (Flucht und Migration; Krieg und Frieden). Ob diese Bereitschaft auch mit der geringen
Sorge vor amtskirchlichen Konsequenzen und schulischen Interventionen von gesellschaftlichen Ak-
teuren zusammenhängt, kann nicht belegt, aber vermutet werden. Abschließend ist insgesamt als wohl
größte Herausforderung für Religionslehrkräfte ihre mangelnde (politikdidaktische) Ausbildung deut-
lich geworden, die eine Handlungsnotwendigkeit impliziert. Dabei wäre in der Ausbildung auch ein
reflektierter Umgang mit dem Sachverhalt zu erlernen, dass nur wenige Religionslehrkräfte neutrales
Unterrichten für möglich halten.
J.-H. Herbst | 17
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern die Ergebnisse verallgemeinert werden können.
Eine Schwierigkeit stellt sicherlich die Breite der Gelegenheitsstichprobe dar. Beispielsweise werden
Lehrkräfte befragt, die in unterschiedlichen Schulstufen und Bundesländern unterrichten. Unklar ist
auch, ob die Umfrage ein bestimmtes Bias besitzt. Anzunehmen ist, dass besonders Lehrkräfte an der
Umfrage teilgenommen haben, die sich für Politik und politische Bildung interessieren, wodurch zu-
mindest leichte Verzerrungen entstehen können. Das könnte auch Einstellungen betreffen, insofern sich
‚progressive‘ stärker als ‚konservative‘ Personen für kontroverse Themen zu interessieren scheinen
(Gindi et al., 2021, S. 144–146). Ein Indikator, der gegen eine starke Verzerrung spricht, ist der Anteil
derjenigen, die bei der Befragung angaben, auch „Politik“ oder ein ähnliches Fach zu unterrichten: Die-
ser ist mit 12,4% nicht auffallend hoch. Auch die deutliche Nähe zu den Ergebnissen von Pirner (2022),
die in Kap. 2.2 festgestellt wurde, spricht gegen deutliche Biaseffekte. Dennoch sollte gerade bei Items
wie etwa der Sonntagsfrage, die religiöse und/oder politische Einstellungen betreffen, berücksichtigt
werden, dass soziale Erwünschtheit ein Faktor sein kann. Beispielsweise ist es durchaus denkbar, dass
Parteien, die den politischen Rändern zuordenbar sind, in Wirklichkeit eine höhere Zustimmung unter
Religionslehrkräften erhalten. Nichtsdestoweniger ist auf der Basis der Ergebnisse davon auszugehen,
dass Religionslehrkräfte derzeit insgesamt deutlich häufiger Zuspruch für die Grünen und deutlich sel-
tener Zuspruch für die AfD hegen als der bundesdeutsche Durchschnitt.
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die Umfrage keine komplexen Messungen umfasst und auf der
Basis bewährter Items abstrakte Begriffe wie „Politik“, „politische Bildung“ und „kontroverse The-
men“ abfragt, ohne Verständnisdifferenzen zu erheben. Die Bedeutung dieser Schwierigkeit wird daran
deutlich, dass die Ergebnisse zur Frage, zu welchen fächerübergreifenden Bildungszielen der RU in
besonderer Weise beitragen könne (Kap. 2.2), sich nur dann angemessen interpretieren lassen, wenn die
Breite des zugrunde gelegten Begriffs politischer Bildung nachvollziehbar ist. Diese Beschränkung der
Studie ist unbedingt zu berücksichtigen, auch wenn Vorstellungen abstrakter Konzepte im Fragebogen
bewusst durch Beispiele eingegrenzt werden (z. B. Liste kontroverser Themen). Erst die geplante qua-
litative Folgestudie wird diesbezüglich einige Unschärfen eliminieren können.
3. Ausblick: Perspektiven zukünftiger Forschung
Der Artikel verweist auf das Potenzial, die politische Dimension religiöser Bildung empirisch zu erfor-
schen. Weitere Schritte sind nötig und möglich, um die präsentierten Ergebnisse zu vertiefen: Erstens
ließe sich die hier fokussierte Forschung über Religionslehrkräfte noch in einen größeren Rahmen stel-
len, indem sie (noch stärker) zu religionspädagogischen Studien mit inhaltsaffinen Themenbereichen
oder Studien aus anderen Fächern/Ländern in ein Verhältnis gesetzt wird. Beispielsweise ließen sich
die Ergebnisse in den Horizont des Themenbereichs ‚Positionalität‘ einordnen (Überblick über einige
Studien: Fabricius, 2022; Lorenzen, 2022). Der inhaltliche Zusammenhang besteht darin, dass in beiden
Fällen die Frage relevant ist, ob bzw. unter welchen Bedingungen Religionslehrkräfte ihre Auffassung
im Unterricht offenlegen sollten. Und Studien aus anderen Fachdidaktiken oder religionskundliche For-
schung aus anderen Ländern eröffnet empirisch gestützte Hinweise darauf, wie Lehrkräfte insgesamt
über Unterrichtskontroversen denken (überblickshaft: Herbst, 2022b; 2023). Diese Ergebnisse lassen sich
allerdings nicht unmittelbar auf die religionspädagogische Situation in Deutschland übertragen, da das
Unterrichten von Kontroversen fach- und kontextspezifisch ist.
Zweitens wären die Vorstellungen und Einstellungen von Schüler*innen zu Politik, politischer Bildung
und kontroversen Themen im RU zu erforschen und zu den angeführten Ergebnissen in ein Verhältnis
zu setzen. Dabei müsste korrigierend und vertiefend auch der RU selbst empirisch erforscht werden,
gerade, weil der Eigenwahrnehmung von Religionslehrkräften in Bezug auf Positionalität nicht unbe-
dingt zu trauen ist (z. B. Fabricius, 2022, Kap. 4). Der methodische Benchmark bezüglich kontroverser
Unterrichtsthemen ist sicher die Arbeit von Hess & McAvoy (2015), deren Autorinnen Schüler*innen-
18 | RpB, 520
und Lehrkräfte-Perspektiven systematisch mit empirischer Unterrichtsforschung koppeln (erste religi-
onspädagogische Ansätze: Meyer & Sterck-Degueldre, 2019).
Drittens sind das markierte Ausbildungsdefizit (besonders im Umgang mit kontroversen Themen) und
effektive Schulungsmöglichkeiten für Lehrkräfte detaillierter zu erforschen. Orientierung bietet hier die
Vergleichsstudie von Pace (2021), die untersucht, wie Fachleiter*innen unterschiedlicher Fächer in den
USA und Großbritannien zukünftigen Lehrkräften den Umgang mit kontroversen Themen beibringen.
Ihre Ergebnisse und die von ihr entfalteten bildungspraktischen Orientierungen können auch religions-
pädagogische Impulse setzen (Herbst, 2023, S. 14). Das Ideal wären hier Interventionsstudien, die ent-
sprechende Schulungen in der unterrichtspraktischen Ausbildung überprüfen.
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Article
Full-text available
The article asks how the religious landscape in Germany is shaped today, and how this relates to other areas of social cohesion. The focus is on general and overarching trends and patterns, as well as on aspects that separate different social groups. After a brief historical outline, the current situation and development of the religious field is presented on the basis of selected findings from the Religion Monitor. In addition to differentiating between the territory of the “old” Federal Republic and that of the former GDR, the focus here is on a comparison of the socially most important religious or ideological groupings. Finally, the extent to which the groups differ with respect to selected social and political attitudes and orientations is analyzed. With regard to the role of religion in society and its significance for the population, a decisive dividing line still runs within Germany between the largely secularized “East” and the “West,” which is still comparatively strongly influenced by confessional religion. Intra-religious differences can be identified mainly between the Christianized segments of the population on the one hand and the Muslim minority on the other. With regard to the question of the extent to which religion also influences other value areas and what role it plays in this context for aspects of social cohesion, the results are quite ambivalent: With regard to agreement on the legitimacy of democracy, we could hardly identify any differences between the religions, but we could identify differences between different types of religiosity. Attitudes toward gender roles and same-sex marriage, on the other hand, also differ depending on religious affiliation. Stronger reservations about liberal attitudes in this regard can be found above all among respondents of the Muslim faith, although a convergence with the other groups can be observed across the generations.
Article
In the public debate, it is often argued that RE is important because it promotes social cohesion. In the academic debate, however, this position is controversial because, firstly, this goal is associated with a politicization of RE and, secondly, empirical evidence on whether or how RE causes this effect seems to be lacking. In this article, I argue first that cohesion is an adequate subgoal of RE , assuming a social rather than a state-political understanding of cohesion. Second, I refer to international studies on teaching controversial issues ( CI s), which show that students can learn participation, tolerance, and common good orientation through high-quality exploration of CI s in class. However, due to methodological difficulties and negative side effects, the discussion of CI s in RE cannot be assumed to be a magic bullet for achieving cohesion. For instance, uncertainties and ambiguities accompany forms of dissent in the classroom, which may lead to authoritarian dispositions and political intolerance. In addition, there are particular challenges for inclusive and especially denominational RE in terms of teachers, issues, students, and external factors.