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Abstract
Mit der geltenden Bundesver-
fassung von ist die schweizerische
Sicherheitsverfassung auf ein neues Fun-
dament gestellt worden. Im Ergebnis hat
mehr als eine blosse Nachführung statt-
gefunden. Gleichwohl besteht ein grund-
sätzlicher Reformbedarf. Innerhalb der be-
stehenden Sicherheitsarchitektur gewinnt
die Aufgabenwahrnehmung durch den Bund
an Bedeutung. Die Unterscheidung zwi-
schen innerer und äusserer Sicherheit gilt
sicherheitspolitisch als überholt, ist aber
rechtlich dominant. Die Verfassung bleibt
überzeugende Antworten an moderne Be-
drohungen zunehmend schuldig. In ein-
zelnen Bereichen gelingt es nicht, stabile
rechtliche Rahmenbedingungen herzustel-
len. Das Parlament unterschätzt die ihm zu-
gedachte Rolle als Hüterin der Verfassung.
RésuméDans la Constitution fédérale de
, les dispositions relatives à la sécu-
rité reposent sur de nouveaux fondements.
Ainsi, c’est plus qu’une simple mise à jour
formelle qui a eu lieu. Néanmoins, il sub-
siste toujours un besoin de réforme fon-
damentale. La prise en charge de tâches
par la Confédération s’impose de plus en
plus dans l’architecture de la sécurité. La
distinction entre sécurité intérieure et ex-
térieure est considérée comme dépassée
en politique sécuritaire, mais elle domine
toujours sur le plan juridique. La Constitu-
tion doit apporter davantage de réponses
convaincantes aux menaces modernes. Il
existent des domaines où l’on ne parvient
pas à créer un cadre juridique stable. Le
Parlement sous-estime le rôle de gardien
de la Constitution.
RETO MÜLLER,
Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Forschung
Die Sicherheitsverfassung von 1999:
Entwicklungen und Entgrenzungen
DOI dgdca
Schlüsselbegriffe Verfassung; Sicherheit; Bundesstaat; Armee; Polizei; Grundrechte
Keywords constitution; security; federal state; armed forces; police; human rights
DR. IUR. RETO MÜLLER ist Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften (ZHAW) und Lehrbeauftragter an der ETH Zürich sowie der Universität Basel.
E-Mail: mute@zhaw.ch
14 stratos 2 . 23
Einleitun Als Grundgesetz konstituiert die Bundes-
verfassung vom 18.April 1999 (BV, SR101) die schwei-
zerische Eidgenossenschaft als demokratischen, föde-
ralistischen und sozialen Rechtsstaat. Die höchsten
Normen betreen insbesondere die Organisation des
Bundes und seiner Institutionen, legen staatliche Auf-
gaben fest, garantieren die Autonomie der Kantone,
verankern allgemeine rechtsstaatliche Prinzipien, be-
zeichnen Grundrechte und sichern die demokratische
Partizipation ab.
Die Gewährleistung der Sicherheit bildet ein Element staat-
licher Souveränität und einen Staatszweck des Bun-
des (Art.2 BV). Das Verfassungsrecht ermöglicht, re-
gelt und begrenzt die Ausübung hoheitlicher Gewalt
(Art.5 BV).
Mit der BV von 1999 war eine verfassungsrechtliche
Nachführung angestrebt worden, um anschliessend spe-
zifische Reformpakete implementieren zu können (de-
mokratische Rechte und Justiz sowie später der neue
Finanzausgleich). Für den Bereich der Sicherheit wa-
ren keine inhaltlichen Reformen vorgesehen. Gleich-
wohl haben sowohl die neue Kodifikation als auch
Sachzwänge eine Entwicklung angestossen. Der aktu-
elle Reformbedarf dürfte ungleich grösser sein als der
politische Reformwille.
Verbandskompetenzen als
bundesstaatliche Eckwerte Anders als ihre von
zahlreichen Teilrevisionen geprägte Vorgängerin vom
29.Mai 1874 weist die geltende BV eine klare Grund-
struktur auf. So sind Grundrechte katalogisiert (Art.7.),
das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen ist grund-
sätzlich umschrieben (Art.42. BV), die Verbandskompe-
tenzen des Bundes sind nach Sachbereichen gegliedert
(Art.54. BV) und die Organkompetenzen der Bundesver-
sammlung (Art.148.), des Bundesrats (Art.174.) und
des Bundesgerichts (Art.188.) in den entsprechenden
Kapiteln festgelegt.
Die Sicherheitsverfassung als Querschnittsbereich ist nur
schwer fassbar: Die BV folgt einem oenen Sicherheits-
begri; sie verzichtet weitgehend auf Definitionen
oder Umschreibungen. Der Abschnitt «Sicherheit,
Landesverteidigung, Zivilschutz» macht den beschei-
denen formellen Kern der Sicherheitsverfassung aus
(Art.57–61BV). Zahlreiche weitere Bestimmungen ge-
hören zur materiellen Sicherheitsverfassung: Etwa die
umfassende Bundeszuständigkeit in auswärtigen An-
gelegenheiten (Art.54Abs.1BV), die Gesetzgebungs-
kompetenz über Waen (Art.107Abs.1 BV), jene über
das Kriegsmaterial (Art.107Abs.2 BV), die Bekämpfung
übertragbarer, stark verbreiteter oder bösartiger
Krankheiten von Menschen und Tieren (Art.118Abs.2
BV), das Strafrecht (Art.123BV) oder die Kernenergie
(Art.90BV).
Trotz der Nachführung bestehen weiterhin massgebli-
che ungeschriebene Bundeskompetenzen: Inhärente Kompe-
tenzen sind in der Staatlichkeit des Bundes begründet;
dazu gehören sein Hausrecht oder der Nachrichten-
dienst als Teil der Staatsleitung. Implizite Kompeten-
zen sind notwendig, um explizite Kompetenzen ef-
fektiv ausüben zu können; dazu gehören etwa die
sicherheitspolizeilichen Kompetenzen der Zollbehör-
den. Die Regeln zum eigentlichen Staatsnotstand sollen
weiterhin an die (ungeschriebene) Übung anknüpfen.
Ein wesentliches Strukturelement der Sicherheitsver-
fassung bildet die kantonale Polizeihoheit: Die Zustän-
digkeit zur allgemeinen Gefahrenabwehr ist bei den
Gliedstaaten verblieben. Als Aufgabe wird sie im We-
sentlichen von kantonalen und kommunalen Polizei-
korps auf der Grundlage von 26 kantonalen Polizei-
gesetzen erfüllt. Das Bundesamt für Polizei (fedpol)
operiert innerhalb enger Aufgabenbereiche. Auch
weitere Aspekte des Bevölkerungsschutzes betreen
grösstenteils kantonale Zuständigkeiten (Feuerwehr,
Gesundheitswesen, Zivilschutzorganisationen, Tech-
nische Betriebe). Als Garant gegenüber den Kantonen
(Art.52Abs.1 BV) trägt der Bund eine Letztverantwor-
tung; zur Not darf und muss er intervenieren (Art.52
Abs.2 BV).
Subsidiarität versus Realität Diese Grundord-
nung gerät spätestens seit dem Ende des Ost-West-
Konflikts an ihre Grenzen. Insbesondere gilt eine ste-
«Die Sicherheitsverfassung als Querschnittsbe-
reich ist nur schwer fassbar: Die BV folgt einem
oenen Sicherheitsbegri; sie verzichtet weitge-
hend auf Definitionen oder Umschreibungen.»
15Forschung – Die Sicherheitsverfassung von 1999: Entwicklungen und EntgrenzungenDie Sicherheitsverfassung von 1999: Entwicklungen und Entgrenzungen
reotype Abgrenzung zwischen äusserer und innerer
Sicherheit angesichts moderner Bedrohungsformen
als weitgehend überholt: Während etwa die Abwehr
von Terrorismus oder der Schutz kritischer Infrastruk-
turen eigentliche Querschnittsaufgaben bilden, lassen
sich neue Phänomene wie Cyber-Bedrohungen nach
diesem Schema nur begrenzt erfassen.
Verfassungsrechtliche Herausforderungen finden sich
inzwischen aber auch in «gewöhnlichen» Aufgaben-
feldern. So füllt das Schengener Informationssystem
(SIS) für die Polizeiorgane teilweise jene Lücke auf, wel-
che mangels gesamtschweizerischer Möglichkeit zum
polizeilichen Datenaustausch fehlt. Die Zollorgane neh-
men, gestützt auf Verträge mit den Grenzkantonen,
auch eigentliche Polizeiaufgaben wahr. Mit der (vorerst
sistierten) Änderung der Zollgesetzgebung sollen ihre
Befugnisse erweitert werden. Selbst wiederkehrende
Grossanlässe wie das World Economic Forum lassen sich
ohne Assistenzdienste der Armee kaum bewältigen.
Die eigentlich verlangte ausserordentliche Lage für die
Unterstützung ziviler Stellen durch militärische Kräfte
(Art.58Abs.2 BV) wird analog den Anforderungen an
eine besondere Lage interpretiert und damit transmu-
tiert. Die im Militärgesetz vom 3.Februar 1995 (MG, SR
510.10) katalogisierten Aufgaben (eigentlich Aufträge)
der Armee (Art.1 MG) stehen teilweise im Spannungs-
verhältnis zur verfassungsrechtlich vorgesehenen Sub-
sidiarität.
Mit dem Sicherheitsverbund Schweiz wird die Zusammen-
arbeit zwischen den verschiedenen zuständigen Stel-
len gestärkt. Durch Koordination allein lassen sich
strukturelle Probleme aber nicht völlig überwinden.
Insbesondere dürfen die Kantone ihre Aufgaben im
Bereich der inneren Sicherheit nicht an den Bund de-
legieren. Dafür wäre der Weg der Verfassungsänderung
zu beschreiten (Art.194 BV).
Eineschränkte
Verfassunserichtsbarkeit Eine Eigenart des
helvetischen Rechtsstaats besteht in der Beschränkung
der Verfassungsgerichtsbarkeit. Während das Bundesge-
richt kantonales Recht auf eine Übereinstimmung mit
dem höchsten Recht überprüfen darf – und es etwa im
Bereich der Polizeigesetzgebung auch korrigierend ein-
greift – muss es Bundesgesetze in jedem Fall beach-
ten (Art.190BV).
Im Sicherheitsbereich können nicht nur kantonale
Zuständigkeiten ausgehöhlt werden, sondern auch
grundrechtliche Garantien der Bürgerinnen und Bür-
ger betroen sein. Beispielsweise hat das deutsche
Bundesverfassungsgericht eine Gesetzesnorm zum Ab-
schuss entführter Flugzeuge als unvereinbar mit den fun-
damentalsten Normen des Grundgesetzes erkannt.
Das Schweizer Militärgesetz lässt den Waeneinsatz
gegen zivile Luftfahrzeuge bei eingeschränktem Luftver-
kehr im Einzelfall ultima ratio zu und legt den Ent-
scheid in die Hände der Vorsteherin des VBS – welche
ihn ihrerseits an den Kommandanten der Luftwae
delegieren darf (Art.92aMG).
Zu den rechtsstaatlichen Anforderungen im Polizeibe-
reich können neben individuellen Abwehransprüchen
auch grundrechtliche Schutzpflichten gehören. So
fliessen aus dem Recht auf Leben (Art.10Abs.1BV so-
wie Art.2 der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion [EMRK, SR 0.101]) positive Pflichten des Staates
sowohl zur konkreten als auch zur abstrakten Gefah-
renabwehr.
Armee und Dienstpflicht Hinsichtlich des Erhalts
der Verteidigungskompetenz und bei Diskussionen über
die Höhe der Bestände von Armee und Zivilschutz sind
deren Aufgaben sowie die (Bundes-)Dienstpflichten zu
berücksichtigen (Art.58.BV).
Künftig wird es darum gehen, die wesentlichen Kampf-
systeme der Armee zu erneuern und das Dienstpflicht-
system insgesamt zu reformieren. Unter den aktuel-
len Bestandesentwicklungen scheint der Zivilschutz
«Diese Grundordnung gerät spätestens seit dem
Ende des Ost-West-Konflikts an ihre Grenzen.
Insbesondere gilt eine stereotype Abgrenzung
zwischen äusserer und innerer Sicherheit
angesichts moderner Bedrohungsformen als weit-
gehend überholt.»
«Mit dem Sicherheitsverbund Schweiz wird die
Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen
zuständigen Stellen gestärkt. Durch Koordina-
tion allein lassen sich strukturelle Probleme aber
nicht völlig überwinden.»
16 stratos 2 . 23
besonders zu leiden. Die Militär- und die Schutz-
dienstpflicht nur für Schweizer Männer (und die damit
ausgedrückte Zurücksetzung der Frauen) sind mit der
Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlech-
ter nicht vereinbar.
Zankapfel Kriesmaterial Bei den Regeln zur
Kriegsmaterialausfuhr kollidiert der helvetische
Wunsch nach einer friedlichen Weltordnung mit dem
Erhalt einer gewissen Autonomie im Rüstungsbereich.
Der verfassungsrechtliche Zielkatalog der Schweizer
Aussenpolitik (Art.54Abs.2 BV) sowie völkerrechtliche
Vorgaben bilden den Rahmen zur Konkretisierung ins-
besondere im Kriegsmaterialgesetz vom 13.Dezember
1996 (KMG, SR 514.51).
Die Schweizer Haltung war in den letzten Jahren wenig
kohärent. Einerseits waren die Ausfuhrbeschränkungen
aufgrund eines ständerätlichen Vorstosses auf dem Ver
-
ordnungsweg gelockert worden – andererseits war
die Schweiz dem Waenhandelsvertrag beigetreten.
Schliesslich folgte mit dem indirekten Gegenvorschlag
zur «Korrektur-Initiative» eine deutliche Verschär-
fung der Bewilligungskriterien für Auslandsgeschäfte
(Art. 22a KMG).
Am 24. Februar 2022 hat Russland einen (zweiten)
völkerrechtswidrigen militärischen Angri auf die
Ukraine begonnen. Bei Lieferungen von Schweizer
Kriegsmaterial hätten die Anforderungen des Waen-
handelsvertrages eingehalten werden müssen (Art.6
und 7). Seit dem 1.Mai 2022 gelten die Verschärfun-
gen des KMG. Die aktuellen parlamentarischen De-
batten sind stark von der Neutralitätspolitik sowie vom
Neutralitätsrecht geprägt. Die juristischen Herausforde-
rungen liegen aber eher in der völkerrechtskonformen
Auslegung des Kriegsmaterialrechts.
Orankompetenzen als Lackmustest Wie ihre
beiden Vorgängerinnen überträgt die geltende BV
dem Bundesrat die Zuständigkeit (Organkompetenz)
in den Bereichen äussere und innere Sicherheit. Al-
lerdings fokussiert sie auf konkrete «Massnahmen»
(Art.185Abs.1 und 2 BV) – welche verfassungsunmittel-
bar erfolgen dürfen, «um eingetretenen oder unmittel-
bar drohenden schweren Störungen der öentlichen
Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu
begegnen» (Art.185Abs.3 BV). Dies entsprach zwar der
früheren Verfassungsübung – doch auf der nachgeführ-
ten Rechtsgrundlage erweiterten die rechtsanwenden-
den Behörden diese Ausprägung der polizeilichen Gene-
ralklausel inhaltlich.
So wurde rund um die Rettung der UBS im Jahr 2008
sowohl die Unvorhersehbarkeit einer möglichen Ge-
fährdung als eigenständige Voraussetzung aufgegeben
als auch der Kreis der zulässigen Schutzgüter um das
Funktionieren des Finanzplatzes erweitert. Bei der
Rettung der Credit Suisse (CS) im Frühling 2023 wich
der Bundesrat von der bestehenden Gesetzesordnung
ab. Bereits während der Corona-Pandemie hatte die
Anwendung von «Notrecht» im Fokus gestanden, doch
ging es bei den besonders umstrittenen Massnahmen
um den gebotenen Schutz der öentlichen Gesundheit
und um Fragen der Verhältnismässigkeit.
Die Ausübung der verfassungsunmittelbaren Kom-
petenzen des Bundesrats ist abhängig von einer ad-
äquaten Gefahrenerkennung und den flankieren-
den gesetzlichen Rahmenbedingungen, aber auch
zu messen an den Möglichkeiten parlamentarischer
Beschlussfassung – allenfalls auf dem Weg des Dring-
lichkeitsrechts (Art.165 BV).
Fazit und Ausblick Das verfassungsrechtliche «Sys-
tem» zur Gewährleistung der Sicherheit setzt sich aus
den Fragmenten einzelner Verfassungsnormen, aus
ungeschriebenem Verfassungsrecht sowie aus der
Interpretation von beidem zusammen. Kompetenz-
«Künftig wird es darum gehen, die wesentlichen
Kampfsysteme der Armee zu erneuern und das
Dienstpflichtsystem insgesamt zu reformieren.»
«Die aktuellen parlamentarischen Debatten
sind stark von der Neutralitätspolitik sowie vom
Neutralitätsrecht geprägt. Die juristischen Her-
ausforderungen liegen aber eher in der
völ kerrechtskonformen Auslegung des Kriegs-
materialrechts.»
17Forschung – Die Sicherheitsverfassung von 1999: Entwicklungen und Entgrenzungen
erweiternde Novellen des Bundesgesetzgebers sind
rechtsstaatlich heikel und führen zu Unsicherheit.
Der in der BV abgebildete status quo sichert den gesell-
schaftsvertraglichen Konsens ab und perpetuiert poli-
tisch Erreichtes. Zu den Stärken des helvetischen Ver-
fassungsrechts gehört seine Erneuerungsfähigkeit. Ein
Reformpaket Sicherheit wurde bislang nicht geschnürt.
Selbst auf der Grundlage des Berichts Malama sind
keine umfassenden Reformen erfolgt.
Der verfassungsrechtlich verankerten Konzeption
kann je länger desto weniger nachgelebt werden. Ver-
änderte Bedrohungen und gestiegene rechtliche An-
forderungen verlangen nach adäquaten Antworten. Es
gilt zu klären, wie der Gewährleistung der Sicherheit
als Querschnittsaufgabe pro futuro besser Rechnung ge-
tragen werden kann.
Literaturverzeichnis
Giovanni Biaggini, Die CS-Übernahme und der «Fluch des Not-
rechts», Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Ver-
waltungsrecht 124/2023, S.309.
«Der verfassungsrechtlich verankerten Konzep-
tion kann je länger desto weniger nachgelebt
werden. Veränderte Bedrohungen und gestiegene
rechtliche Anforderungen verlangen nach
adäquaten Antworten.»
Endnoten
1 Bundesrat, Botschaft über eine neue Bundesverfassung, S.36 ff.
und 98ff. Zur historischen Einordnung vgl. den Artikel über die Armee in
den Verfassungen der Eidgenossenschaft von Alfonso C. Hophan in dieser
stratos-Ausgabe.
2 Die BV selbst verwendet je nach Kontext unterschiedliche Begriffe
(«Sicherheit», «Innere Sicherheit», «Schutz der Bevölkerung», «Abwehr
schwerwiegender Bedrohungen», «ausserordentliche Lagen», «verfas-
sungsmässige Ordnung» etc.). Vgl. zum Sicherheitsbegrif f Mohler, Verständ-
lichkeit der Verfassung, Rz.17f.
3 Vgl. Müller/Mohler, Art.57 BV, Rz.47ff.
4 Bundesrat, Botschaft über eine neue Bundesverfassung, S.419.
5 Vgl. Möckli, Sicherheitsverfassung, Rz.8.
6 Weiterführend Müller/Linsi, Die Behördenarchitektur des Bundes,
Rz.14ff.
7 Vgl. Meyer, Grundaufgabe der Armee und weitere Aufgaben des
Staates, Rz.107ff.
8 Vgl. Bundesrat, Bericht in Erfüllung des Postulats Malama, S.4488;
Müller/Mohler, Art.57 BV, Rz.37 oder Möckli, Sicherheitsverfassung, Rz.15.
9 Bundesrat, Bericht in Erfüllung des Postulats Malama, S.4476ff.;
Möckli, Sicherheitsverfassung, Rz.4f.
10 Vgl. Leupold, Die Schweizer Polizei weiss nicht, was die Polizei weiss,
passim, und nun die Motion 23.4311 der SiK-N vom 10. Oktober 2023.
11 Die Ar t.96 und 97 des Zollgesetzes vom 18.März 2005 (SR 631.0)
sind verfassungskonform auszulegen. Kritisch Mohler, Föderalismus im Si-
cherheits- und Polizeirecht – Reform dringend!, S.29ff.
12 Weiterführend Saladin, Einsatz der Armee, insb. Rz.37.
13 Weiterführend Schweizer, Einleitung zur Justizverfassung, Rz.10.
14 So etwa BGE 137 I 31 und 140 I 2 (Hooligan-Konkordat) oder BGE
136 I 87, 140 I 353 und 140 I 381 (präventive polizeiliche Überwachung) oder
BGer, Urteil 1C_181/2019 vom 29.April 2020 (technische Überwachung so-
wie Wegweisung von illegal campierenden Fahrenden).
15 Vgl. Bundesverfassungsgericht (Deutschland), Urteil 1 BvR 357/05
vom 15.Februar 2006, Ziff. 86ff.
16 Vgl. etwa EGMR Frick v. Switzerland, 23405/16 (2020), Scavuzzo-
Hager and others v. Switzerland, 41773/98 (2006) oder Gsell v. Switzerland,
12675/05 (2009).
17 Zum Verhältnis der EMRK-Grundrechte zum nationalen Recht vgl.
BGE 125 II 417 (PKK) sowie BGE 139 I 16 (Ausschaffungsinitiative); weiter-
führend Schweizer, Einführung zu den Grund- und Menschenrechten, Rz.31.
18 Müller/Greuter, Der grundrechtliche Rahmen für Anti-Terror-Opera-
tionen in Europa, passim.
19 VBS, Zukunft der Bodentruppen, passim.
20 Bundesrat, Alimentierung von Armee und Zivilschutz, insb. Teil1,
S.31ff. Vgl. hierzu auch den Artikel von Thomas Ferst und Tibor Szvircsev
Tresch zur Wehrstruktur der Schweiz und denjenigen von Johana Drabek
und Etienne J. Heitz zum Forschungsprojekt «Alimentierung der Armee» in
dieser stratos-Ausgabe.
21 Bundesrat, Alimentierung von Armee und Zivilschutz, insb. Teil2,
S.15ff.
22 Vgl. BGer, Urteil 2C_1051/2016 vom 24. August 2017, E. 3.3 f.
(m.w.H.).
23 Vgl. Mohler/Müller, Art. 107 BV, Rz.3f. und 22ff.
24 Motion 13.3662 (SIK-N), Benachteiligung der Schweizer Sicherheits-
industrie beseitigen vom 25.06.2013 und im Anschluss die Aufhebung von
Art.5 Abs.2 Bst.a der Kriegsmaterialverordnung vom 25.Februar 1998 (AS
2014 3045) hinsichtlich der Verwicklung des Bestimmungslands in einen
internen oder internationalen bewaffneten Konflikt.
25 Vertrag über den Waffenhandel vom 2.April 2013 (SR 0.518.61).
26 Eidgenössische Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürger-
kriegsländer (Korrektur-Initiative)» und im Anschluss daran die Änderung
des Kriegsmaterialgesetzes vom 1.Oktober 2021 (AS 2022 226).
27 Änderung des KMG vom 1.Oktober 2021 (AS 2022 226).
28 Vgl. Mohler/Müller, Art.107 BV, Rz.40 und 45ff.
29 Exporte sind insbesondere unzulässig in Länder, die in einen bewaff-
neten Konflikt verwickelt sind (Art.22a Abs.2 Bst.a KMG); es genügt, «wenn
zwischen Staaten auf bewaffnete Gewalt zurückgegriffen wird» (Bundesrat,
Botschaft zur Änderung des Kriegsmaterialgesetzes, S.36). Ob ein Land völ-
kerrechtswidrig angegriffen wurde und sich legitimerweise verteidigt, spielt
nach dem Normwortlaut keine Rolle. Die Ausnahme nach Art.22a Abs.4
KMG ist m.E. zu eng gefasst.
30 Vgl. Mohler/Müller, Art.107 BV, Rz.94.
31 Art.102 BV 1874 (= Art.90 BV 1848) Ziff. 9: Der Bundesrat «(…)
wacht für die äussere Sicherheit, für die Behauptung der Unabhängigkeit
und Neutralität der Schweiz» und Ziff.10 «Er sorgt für die innere Sicher-
heit der Eidgenossenschaft, für Handhabung von Ruhe und Ordnung».
32 Bundesgericht, Urteil 2C_166/2009 (Hundeeuthanasie) und dann
BGE 137 II 431, insb. E.4.1 (UBS – wobei dort vom «Finanzmarkt» die Rede
ist).
33 Lesenswert auch hinsichtlich des öffentlichen Interesses Biaini,
Die CS-Übernahme und der «Fluch des Notrechts», S.310f.
34 Vgl. auch GPK, Krisenorganisation des Bundes, S.132 (Empfehlung
10).
35 Vgl. insb. Art.7bff. des Regierungs- und Verwaltungsorganisations-
gesetzes vom 21.März 1997 (SR 172.010), Art.152 des Parlamentsgesetzes
13.Dezember 2002 (SR 171.10) sowie Art.28 des Finanzhaushaltgesetzes
vom 7.Oktober 2005 (SR. 611.00).
36 Mohler, Verständlichkeit der Verfassung, Rz.29.
37 In diesem Sinne auch Möckli, Sicherheitsverfassung, Rz.9.
38 Bundesrat, Bericht in Erfüllung des Postulats Malama, S.4591 ff.
(Thesen und Schlussfolgerungen).
18 stratos 2 . 23
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Bundesrat, Botschaft zur Volksinitiative «Gegen Waenexporte
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Bundesrat, Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee, Bericht
vom 7.Juni 2019 (BBl 2019 4961).
Bundesrat, Alimentierung von Armee und Zivilschutz, Teil1: Ana-
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Bundesrat, Die Sicherheitspolitik der Schweiz, Bericht vom 24.No-
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Krisenorganisation des Bundes für den Umgang mit der
Covid-19-Pandemie (Januar bis Juni 2020), Bericht vom
17.Mai 2022 (BBl 2022 1801).
Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SiK-N),
Motion 23.4311 «Schaung einer Verfassungsgrundlage
für eine Bundesregelung des nationalen polizeilichen
Datenaustausches» vom 10. Oktober 2023.
VBS, Zukunft der Bodentruppen, Grundlagenbericht über die
Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Bodentruppen
(vermutlich 2019).
19Forschung – Die Sicherheitsverfassung von 1999: Entwicklungen und Entgrenzungen