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Die Bedeutung von Futures Literacy für die berufliche
Lehrkräftebildung der Zukunft. Ein Interview mit Prof.in Dr.in
Julia Gillen
Julia Gillen, Ariane Steuber, Natalie Banek
1Einleitung
Futures Literacy wurde von der UNESCO zur „essenziellen Kompetenz des
21. Jahrhunderts“ (Sippl/Brandhofer/Rauscher 2023, o. S.) erklärt. Seitdem
hat sich das Konstrukt zunehmend in der der Pädagogik etabliert und ist
vor dem aktuellen gesellschaftlichen Hintergrund – trotz seiner bislang
noch eher vagen Konzeptualisierung – eine zentrale Leitidee für die Gestal
tung von schulischen und hochschulischen Bildungsprozessen geworden.
Die in diesem Band versammelten Beiträge eröffnen aus einer Vielzahl
von Perspektiven (berufs-)pädagogische Zugänge zum Konzept Futures
Literacy. Einleitend wurde deutlich, dass insbesondere die Themenfelder
Inklusion bzw. der Umgang mit Heterogenität, Digitalisierung und der
strukturell bedingte Lehrer:innenmangel die zentralen Herausforderungen
für die berufliche Lehrkräftebildung – nicht nur am Standort Hannover
– darstellen (siehe den Beitrag von Natalie Banek et al. in diesem Band).
In allen Beiträgen zeigte sich, dass es neben den regulären Anforderungen,
die an Lehrkräfte im (beruflichen) Schulkontext, aber auch an die Betei
ligten im betrieblichen Kontext gestellt werden, additive Aufgaben und
Querschnittsthemen gibt, die es je nach Setting zu behandeln gilt, sei es
z. B. Gesundheitskompetenz, Medien- und Digitalisierungskompetenz oder
Diversitätssensibilität. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass das
Konzept der Futures Literacy weit über die Betrachtung von Querschnitts
aufgaben oder eine Ansammlung von Future Skills hinausgeht, indem es
z. B. Fragen der pädagogischen Haltung der Lehrkräfte und des ausbilden
den Personals sowie der pädagogischen Kultur in Bildungsinstitutionen
anspricht.
Was dabei aber offenbleibt, sind Fragen der Partizipation, z. B. im Rah
men epistemischer Gerechtigkeit (Epistemic Justice) und der Ermöglichung
von Beteiligung. Wer entscheidet, was als Futures Literacy gilt? Welche
Personen- und Beteiligtengruppen oder (wissenschaftliche) Communities
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prägen und füllen diesen Begriff, bzw. formen die Zukunftsgestaltungskom
petenzen aus? Die grundlegende Herausforderung, die sich bei einer spezi
fisch epistemischen Form der Gerechtigkeit stellt, ist die Frage, inwiefern
einige Personen – und nicht andere – bei der Beeinflussung und Mitwir
kung im Vorteil sind, zum öffentlichen Diskurs beizutragen und somit
einen epistemischen Beitrag zu leisten (vgl. Walker/Boni 2020). Damit sind
Überlegungen zu Futures Literacy immer auch eng an eine Betrachtung
von Inklusion und Benachteiligung zu knüpfen. Grundsätzlich lässt sich
dabei festhalten, dass in der Lage zu sein, erkenntnistheoretische Beiträge
leisten zu können, grundlegend für das menschliche Wohlbefinden sowie
für ein menschenwürdiges Leben ist (vgl. Fricker 2007; 2017). Partizipative
Forschungsprozesse können solche Beiträge und die entsprechenden Fähig
keiten und Funktionalitäten fördern (vgl. Walker/Boni 2020).
Das nachfolgende Interview mit Julia Gillen greift die zentralen, in
diesem Band betrachteten Diskurslinien noch einmal auf und gibt einen
strukturellen Blick auf die berufliche Lehrkräftebildung der Zukunft. Da
es im Kontext von Futures Literacy im Wesentlichen darum geht, mögli
che Zukunftsszenarien zu antizipieren, um die Gegenwart besser gestalten
zu können (Miller/Sandford 2018), wurden in dem Interview zum einen
Fragen angesprochen, die sowohl die Gegenwart der beruflichen Lehrkräfte
bildung thematisieren als auch solche Fragestellungen, die den Fokus auf
die Zukunft der beruflichen Lehrkräftebildung richten, indem sie u. a. die
‚Berufliche Lehrkraft der Zukunft‘ charakterisieren.
2Ausgewählte Interviewpassagen
I:1 Du hast über das Thema Teacher Training for the Future geschrieben.
Warum ist das deiner Meinung nach ein wichtiger Bestandteil von Futures
Literacy?
Julia Gillen: Also mir geht es in dem Beitrag tatsächlich nicht so sehr um
den Lehrer:innenmangel, und zwar, weil ich finde, das dies bildungspoliti
sche bzw. bildungssystematische Fragen sind, die an anderer Stelle bespro
chen und gelöst werden müssen. Dazu kann ich eine Position haben, aber
als Hochschule können wir relativ wenig an dieser Problemlage ausrichten.
Deswegen geht es mir in dem Beitrag vor allem darum eine Linie aufzuma
1Das Interview wurde im März 2023 von Dr.in Natalie Banek und Dr.in Ariane Steuber
geführt.
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chen, die heißt: Wir wissen genau, wie gute Schule aussieht! Dafür gibt es
genug Beispiele. Auch die Schulpreis-Schulen, in Niedersachsen übrigens
ziemlich viele, zeigen uns sehr eindrücklich, wie gute Schule aussieht. Und
die Frage lautet dann im Grunde systematisch: Wie schaffen die Schulen
als Organisationen und die Gemeinden als Schulträger dieses hohe Niveau
zu erreichen, sowohl kulturell als auch baulich und so weiter? Das Bauliche
gehört meiner Meinung nach tatsächlich stark dazu. Und damit meine ich
die Bereitschaft, Räume für Lernen und Entwicklung zu schaffen. Und
zweitens lautet die Frage: Wie schaffen es die Personen in den Organisatio
nen, also die Führungsmannschaft in Schulen und die Kollegien, die Kultur
in diese Richtung zu tragen?
Bei der Kultur gerät dann auch die Ausbildung in den Fokus und damit
die Frage, was wir als Universität tun können, um die Studierenden so
auszubilden, dass sie eine Vorstellung davon haben, wie gute Schule aus
sieht, wie Lehrkräfte miteinander arbeiten, wie man mit den Schüler:innen
arbeitet, welches Bild von Schüler:innen vorteilhaft ist, eines von jungen
Erwachsenen, die sich in der beruflichen Schule entwickeln und so weiter.
Da ist das Mindset oder die Idee von Schule ganz entscheidend, die wir den
Studierenden mitgeben und ihre Fähigkeiten und Kompetenzen, also wie
wir sie ausbilden.
I: Ja. Das leitet eigentlich ganz gut über zur nächsten Frage, nämlich:
Dieser Kompetenzbereich Innovieren, der ist ja ziemlich stark auch mit
dem Konzept Futures Literacy angesprochen. Und da steht Deutschland
wohl im Vergleich mit anderen Ländern auch nicht allzu gut da, was diese
Kompetenz angeht. Hättest du da eine Idee, wie man die Schulen oder auch
die Studierenden stärker machen könnte für den Bereich?
Julia Gillen: Ja, also meine beiden Kinder sind aktuell in anderen Schul
systemen unterwegs, der eine ist in Kanada, der andere geht jetzt nach
Neuseeland. Wenn man sich die Schulsysteme dort anschaut, dann fällt
vor allem eine große Entspannung auf, weil sie viel weniger Fächer und
einen weniger gedrängten Stundenplan haben. Sie gehen quantitativ ebenso
lange zur Schule wie in Deutschland, die Schüler:innen haben aber weniger
Fächer und viel häufiger Blockunterricht. Das führt in der Folge dazu, dass
die Lehrkräfte ebenfalls nicht so hohe Stundensätze haben, sondern dass
man den Lehrkräften sagt: „Passt auf, eurer Job ist nicht nur Unterricht hal
ten, vorbereiten, nachbereiten, Klausuren schreiben lassen und bewerten,
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sondern ein Drittel eurer Arbeitszeit besteht darin, die Schulentwicklung
mitzumachen in Konferenzen, Entwicklungsgruppen und so weiter.“
Mein Eindruck ist, dass gerade das niedersächsische Schulsystem davon
noch weit entfernt ist, weil aufgrund der Unterrichtsversorgung – da ist
ja der Marker für Unterrichtsversorgung, wie viel Prozent wir da gerade
haben – entschieden wird, was Lehrer:innen machen dürfen, wann sie frei
bekommen, wann sie ihre Stunden reduzieren dürfen und so weiter. Das
wird in Niedersachsen so streng ausgelegt, dass die Lehrkräfte sehr stark in
Unterricht eingebunden sind und damit kaum Raum dafür haben Entwick
lungen voranzutreiben. Die Schulpreis-Schulen haben dies bewerkstelligt
und die Lehrer:innen haben Entwicklungsräume. Damit sind diese Schulen
heute da, wo sie sind.
Ausgehend davon geht es bei unseren Studierenden tatsächlich darum, dass
wir ihnen einerseits schon diese Haltung und das Mindset […] mitgeben,
aber auch ganz klare Handlungskonzepte. Also dass wir mit Ihnen anschau
en: „Wie funktioniert es denn?“ Dies fordern die Studierenden auch regel
mäßig ein: Nicht nur ein theoretisches Verständnis darüber, was Inklusion
und Diversität und dies und das ist, sondern auch eine Auseinandersetzung
mit der Frage „Wie setzt man das denn konkret um?" Da sollten wir als
Universität auch einen Schwerpunkt setzen, weil wir ganz gerne auf der
abstrakteren Ebene bleiben und mit ihnen eben nicht überlegen: „Was heißt
das konkret für Unterricht, für Schule? Was kann man da machen?“ Das
liegt, glaube ich, auch immer daran, dass uns allen, also den Lehrenden
und den Studierenden, die Praxis ein bisschen ferner ist.
I: Damit wäre schon eine große aktuelle Herausforderung in der berufli
chen Bildung angesprochen. Was siehst du noch als aktuell große Heraus
forderung in der beruflichen Lehrkräftebildung?
Julia Gillen: Also in der beruflichen Lehrkräftebildung sehe ich vor allem,
dass die Studierenden einen Blick für die Heterogenität der möglichen Bil
dungssettings oder Unterrichtssettings benötigen. Sie werden ja vor Schü
ler:innengruppen stehen, die extrem stark durch Heterogenität, vor allem
durch Schüler:innen mit Migrationshintergrund, geprägt sind und dadurch
möglicherweise große sprachliche Barrieren existieren. Gleichzeitig werden
sie vor Schüler:innengruppen stehen, die über die berufliche Schule das
Abitur erwerben wollen, während andere ihren ersten Schulabschluss in
der beruflichen Schule nachholen. Dadurch entsteht eine große Leistungs
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heterogenität. Diese Vielfalt der beruflichen Schule empfinde ich ja als gro
ße Chance und glaube, die Herausforderung für uns als Ausbildungsinstitu
tion ist es, den Studierenden quasi diese Vorteile der Vielfalt klarzumachen
und ihnen auch die Angst davor zu nehmen. Ich nehme tatsächlich Angst
oder zumindest Sorge wahr, so dass heterogene Schüler:innengruppen eher
als ‚chaotisch‘ wahrgenommen werden.
Noch eine weitere Herausforderung ist vielleicht das Thema Digitalisie
rung. Wenn man im dualen System aus dem Blickwinkel der Betriebe her
guckt, dann müssen sie immer digitaler werden, wenn sie am Markt bleiben
wollen. Das hat heute eine viel höhere Geschwindigkeit als die Technikent
wicklung in den 80er Jahren. Diese Technikentwicklung in den Betrieben
mitzubekommen, ist aktuell eigentlich nur parallel zum laufenden Arbeits
alltag von Lehrer:innen möglich. Wir wissen ja nicht, was in zehn Jahren
für Techniken in den Betrieben eingesetzt werden. Deswegen können wir
heute unseren Studierenden diese Techniken auch noch nicht beibringen.
Deshalb aber müssen wir den Studierenden in der Lehrkräftebildung schon
eine generelle Offenheit für digitale Prozesse, digitale Systeme und die
Offenheit zu experimentieren mitgeben. Zum Beispiel merkt man gerade
in der Hochschule ganz deutlich, wie ChatGPT aufgefasst wird und wie
unterschiedlich die verschiedenen Fachgruppen damit umgehen. Eigentlich
müssen unsere Lehrkräfte, die wir ins Land schicken, experimentierfreudi
ger werden, damit sie dranbleiben können.
I: Genau. Wir haben ja schon über verschiedene Querschnittsaufgaben
gesprochen, nämlich Digitalisierung zum einen und Inklusion und Hetero
genität zum anderen. Und es gibt ja noch andere Querschnittsaufgaben,
wie zum Beispiel die Förderung von Gesundheitskompetenz und so weiter.
Aus meiner Sicht wäre die Frage interessant oder wichtig, ob jetzt alle diese
Querschnittsaufgaben eigentlich gleich wichtig sind, oder ob man in einer
Art und Weise hierarchisieren müsste dahingehend, dass man bestimmte
Aufgaben vorrangig bearbeitet. Wie siehst du das?
Julia Gillen: Wenn man die Geschichte der Querschnittsaufgaben anguckt,
dann ist Heterogenität in meiner Wahrnehmung schon immer mehr oder
weniger da gewesen. Früher wurde in dem Kontext der Begriff der Binnen
differenzierung verwendet. Das war der damals genutzte Begriff, an der
Stelle steht jetzt die Individualisierung. Aber spätestens mit dem Aufkom
men des Begriffs Inklusion ist auch der Begriff der Querschnittsaufgaben
in der Lehrkräftebildung angekommen. Das war ja 2009, als Deutschland
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die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet hat. In der Folge ka
men dann immer mehr Querschnittsaufgaben hinzu, also Digitalisierung,
Demokratiebildung und Gesundheitskompetenz. Die Frage nach der Be
deutung ist von daher wichtig, dass man feststellen musste, dass sich bei
Inklusion die Frage überhaupt nicht gestellt hat, ob das wichtig ist oder
nicht. Es war völlig selbstverständlich, dass das Thema quer in alle Felder,
alle Fächer und Fachbereiche mitaufgenommen werden musste. Und bei
Digitalisierung im Grunde auch. Sie hat als Querschnittsthema auch so
einen unhinterfragten Durchmarsch gemacht, weil Digitalisierung alles ist
im Bildungskontext, also von digitalen Lernmedien bis hin zu dem, was wir
in der beruflichen Bildung im Arbeitsalltag an Digitalisierung erleben.
Dazu kamen dann die auch wichtigen, aber meiner Meinung nach nicht so
durchgesetzten Aufgaben, wie Gesundheitskompetenz, Demokratiebildung
und Nachhaltigkeit, wo man sagen muss: Ja, die sind alle wichtig, aber
die kommen nicht auf so einem bildungspolitisch starken Ross daher,
das sie unabdingbar macht. Insofern hat die MaVO, die niedersächsische
Landesverordnung für die Masterstudiengänge, auch in § 1, Satz 2 bereits
die Querschnittsaufgaben benannt. Dort wird es künftig in der nächsten
Novelle eine Abstufung von unbedingt notwendigen Querschnittsaufgaben
zu wünschenswerten Aufgaben geben.
Diese unbedingt notwendigen Querschnittsaufgaben sind Umgang mit
Heterogenität, sprachliche Diversität, Digitalisierung und Inklusion. Die
KMK trifft diese Unterscheidung auch. Sie hat sozusagen festgesetzte Quer
schnittsaufgaben und dann hat sie weitere, ein bisschen abgeschwächte
Aufgaben, und die Unterscheidung finde ich eigentlich ganz klug, weil wir
sonst in der Lehrkräftebildung die eigentlichen fachlichen Themen nicht
mehr abdecken könnten. Zusätzliche Querschnittsthemen stehen ja immer
in zeitlicher Konkurrenz zu anderen Themen.
Ich persönlich denke, dass wir zum Beispiel Demokratiebildung oder
Nachhaltigkeit in den Bildungswissenschaften immer miteinfließen lassen
können, aber Demokratiebildung im Chemieunterricht wird schon schwie
riger. Es ist also nachvollziehbar, wenn man die Einbindung ins Curriculum
auch nicht von jedem Fach in gleichem Maße einfordert.
I: Okay. Gut, dann wollten wir noch fragen: Was läuft denn in der berufli
chen Lehrkräftebildung schon richtig gut aus deiner Sicht? Gerade auch
hier an der Leibniz Universität Hannover (im Folgenden: LUH)?
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Julia Gillen: Was sich tatsächlich total durchgesetzt hat, aber auch immer
noch wichtig ist, sind diese Ideen der beruflichen Handlungskompetenz,
des handlungsorientierten Lernens und der Kompetenzorientierung, die
für die Studierenden eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müssen.
Das haben sie hoffentlich dann sehr gut durchdrungen. Das dürften auch
alle Standorte gleichermaßen so ausbilden. Bei den Standorten in der wirt
schaftspädagogischen Lehrkräftebildung, die zusammen mit den BWLern
studieren, könnte das ein bisschen anders sein.
Was aber bei uns meiner Meinung nach auch gut läuft, ist eine ziemlich
lernförderliche Haltung gegenüber den Studierenden. Also ich nehme es
zum Teil von anderen Standorten wahr, dass sie deutlich restriktiver sind
und ein anderes Bild von Studierenden haben. Gerade bei uns im Institut
wird Diversität als Chance und als Vielfalt begriffen. Ihr alle als Mitarbei
tende handelt, noch mehr als ich, auch in Bezug auf die Diversität der
Studierenden und nehmt euch die Zeit für ihre persönlichen Belange. Also
ich finde Hannover ist dadurch ein Vorbild im Umgang mit der Diversität
der Studierenden, was Multiplikationswirkung in die Schulen haben dürfte.
Was wir auch haben, über die Qualitätsoffensive Lehrerbildungs-Projekte
wahrscheinlich sogar stärker als andere Standorte, ist die Vernetzung unter
den beruflichen Fachrichtungen. Es ist etabliert, dass sich die Beteiligten
untereinander kennen, dass sie miteinander zu tun haben, auch wenn sie
vielleicht nicht alle die gleiche Haltung haben. Dazu werden die Lehrkräf
tebildung im Allgemeinen und auch die berufliche Lehrkräftebildung als
gemeinsame Aufgabe an der LUH wahrgenommen. So eine Situation haben
nur ganz wenige Standorte, dass eine Hochschule so hinter der beruflichen
Lehrkräftebildung steht.
I: Ja, genau das wäre die nächste Frage gewesen, ob du sagen würdest, dass
die Lehrkräftebildung hier in Hannover einen angemessenen Stellenwert
einnimmt.
Julia Gillen: Manchmal wundere ich mich tatsächlich über den hohen
Stellenwert der Lehrer:innenbildung hier an der LUH. Also ja, wir haben
mit dem Aufbau der School und auch mit dem neuen Gebäude für die
Lehrkräftebildung auch viel gemacht, das trägt natürlich alles. […]
I: Okay, dann blicken wir jetzt einfach auch mal ein bisschen in die Zu
kunft. Wo siehst du die berufliche Lehrkräftebildung in fünf Jahren?
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Julia Gillen: Ich bin davon überzeugt, dass wir in der beruflichen Lehrkräf
tebildung inzwischen mit unseren SPRINT-Studiengängen etwas geschaf
fen haben, was uns ziemlich zukunftsfähig aufstellt. Durch diese SPRINT-
Studiengänge können wir ja innerhalb von kürzerer Zeit als normale kon
sekutive Lehramtsstudiengänge Lehrkräfte ausbilden. Da schauen nun alle
anderen Lehrämter genau hin und stellen fest: „Das wollen wir auch tun.
Das müssen wir auch tun.“ Im Grunde gibt es nur zwei Konzepte, die
Hochschulen einsetzen können, um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwir
ken: Das sind einmal die lehramtsqualifizierenden Quereinstiegs-Master-
oder SPRINT-Studiengänge. Das ist zweitens die Beteiligung an Qualifizie
rungsprogrammen der Kultusministerien.
Von daher glaube ich, dass wir in fünf Jahren gar nicht so einen starken
strukturellen Unterschied haben werden. Ich denke eher, dass wir ähnliche
Module, ähnliche Formationen haben werden und inhaltlich möglicher
weise noch viel klarer wissen werden, was an Digitalisierung wirklich not
wendig ist und was nicht. Denn da passiert ja auch viel, von dem man
heute sagen muss, dass wir noch nicht unbedingt wissen, ob das wirklich
hilft. Und was mein Wunsch wäre, für alle Masterstudiengänge der LUH
und auch für den Masterstudiengang des beruflichen Lehramts, dass wir
stärker projektorientiert arbeiten und den Studierenden eher komplexe
Aufgaben geben, die sie als Projekte bearbeiten und vorstellen, und dass wir
nicht an den immer noch gängigen konservativen Lehrformaten festhalten.
Die Architekt:innen an der LUH machen das schon lange. Das sind ja
große Vorbilder bei uns.
I: Ja, das hat da Tradition tatsächlich.
Julia Gillen: Davon kann man eine Menge lernen. Das ist hoch motivie
rend für die Studierenden. Dann stellt sich auch die Frage der Anwesenheit
nicht mehr, weil sie bei den Präsentationen natürlich anwesend sind und
alles andere selbstgesteuertes Lernen ist und an beliebigen Standorten pas
sieren kann. Das ist eine andere Art von Lernen und ich hoffe, dass wir da
deutlich mehr hinkommen.
I: Damit hast du eigentlich schon einen Teil der nächsten Frage vorweg
genommen. Ich wollte nämlich noch mal fragen: Welche hochschuldidak
tischen Formate bräuchten wir, damit angehende Lehrkräfte ihre Zukunfts
gestaltungskompetenzen schon besser trainieren würden? Also Projektori
entierung ja, aber bei dem Konzept Futures Literacy, da geht es ja auch
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wirklich darum, Vorhersagefähigkeiten zu entwickeln und verschiedene
Zukunftsszenarien durchzuspielen, weil die Zukunft natürlich ungewiss ist.
Und genau mit dieser Unsicherheit umzugehen zum Beispiel, das wäre ja
auch eine wichtige Kompetenz.
Julia Gillen: Ja. Das muss man tatsächlich einmal durchdeklinieren. Was
heißt es „mit Unsicherheit umzugehen“ für den Uni-Alltag? Ich nehme die
Universität als Bildungsinstitution, anders als eine Fachhochschule oder
eine Schule, schon als Ort war, wo man selbst sehr initiativ sein muss, einen
Plan und eine Struktur benötigt. Das hat aber erst mal noch nicht so viel
mit Umgang mit Unsicherheit zu tun, weil das System an sich stabil ist.
Wenn ich eine Vorlesung gewählt habe, dann findet die in der Regel auch
statt. Den Umgang mit Unsicherheiten wüsste ich jetzt gerade gar nicht,
wie man den ausbildet, denn das ist ja eine Form von Resilienz. Quasi
aushalten zu können, dass das mit mir persönlich nichts macht, wenn ich
nicht weiß, ob ich morgen dies, das oder jenes mache. […]
I: Es gibt ja in der Didaktik diesen Ansatz zur Szenario-Methodik, dass
man versucht, verschiedene Szenarien zu entwickeln, eine Art Zukunftsrei
sen. […] Man macht es ja eigentlich beim handlungsorientierten Lernen
auch, dass man erst mal in der Planungsphase verschiedene Lösungsansät
ze entwickelt und vielleicht auch erst mal ein bisschen ‚Rumprobieren‘
zulässt und diese ersten Lösungsansätze auch ernsthaft diskutiert. Also
vielleicht so in die Richtung.
Julia Gillen: Ja, das ist wahrscheinlich total richtig. Wenn ich überlege,
ich bin ja 2021 im Januar Vizepräsidentin für Studium und Lehre gewor
den. Da waren wir gerade aufgrund der Corona-Pandemie im Lockdown
und es war sozusagen nichts klar, gar nichts. Man muss dann irgendwie
entscheiden: Findet die Prüfungsphase statt? Ja, nein. Studierende rein,
raus. Und das war hoch unsicher und volatil. Das Interessante ist, dass es
Hochschulen gab, die relativ schnell in diesen Szenarien gedacht haben,
also festgelegt haben: Wenn die Inzidenz so ist, dann machen wir so und
wenn die Inzidenz so ist, dann so. Das haben wir an der LUH nicht
gemacht. Braunschweig hat so agiert und ich habe gemerkt, dass das System
in Braunschweig deutlich stabiler lief in der Zeit, weil die Entscheidungen
eben transparenter waren. Also die Unsicherheit wurde dort von vornhe
rein in Kanäle gespurt. Welches Szenario dann eintrat, das wusste zu der
Zeit auch niemand. Aber alle wussten, dass eines dieser Szenarien eintreten
wird. Und dieses „in Szenarien denken“ ist tatsächlich eine unterstützende
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Struktur. Es ist ja die geistige Übung, Struktur in eine Unklarheit zu bringen
ohne zu determinieren.
I: Ja, genau. Die Krise ist etwas anderes als der normale Alltag. Und dann
braucht es ‚Wenn-Dann-Szenarien‘. Ich glaube, das ist ganz gut. Und ich
denke, das hängt auch sehr mit einer pädagogischen Haltung zusammen
und das müsste man vielleicht noch stärker fördern. Und das ist ja nicht
unbedingt dieses Rezepthafte, was die Studierenden immer fordern, son
dern man braucht dazu, glaube ich, mehr Mut. […] Man muss auch selbst
versuchen, sich noch mehr Informationen zu suchen, dass man eben sagt:
„Wo kriege ich die Inzidenz-Werte her und wo kriege ich dann Informatio
nen über mögliche Maßnahmen?“ Und das ist vielleicht auch noch mal ein
anderes Lernen als das Lernen, was projektorientiertes Lernen wäre.
Julia Gillen: Genau, und das ist tatsächlich etwas, was man hochschuldi
daktisch in die Universität integrieren muss. Beim Tag der Lehre neulich
ging es darum, wie wir nun konkret das projektorientierte Lernen breit ein
führen. Wir hatten Prof.in Dr.in Hanne Leth Andersen als Speakerin von der
Universität in Roskilde eingeladen, also einer dänischen Universität. Dort
machen sie Projektorientierung sehr breit und konsequent. Wie immer bei
den Dän:innen und Niederländer:innen: Wenn, dann richtig. Bei uns an
der LUH waren alle total angeknipst. In meinem anschließenden Vortrag
habe ich es bestärkt und fände es sehr begeisternd, wenn wir in fünf Jahren
mit den Masterstudiengängen auch dort wären.
Aber Lernen in Szenarien ist fast noch wichtiger, weil damit die Lehrenden
davon abgebracht werden, Rezepte zu liefern. Meine Gespräche mit meinen
Kolleg:innen an der LUH drehen sich viel darum, wie projektorientiertes
Lernen konkret umgesetzt wird. Dazu kann ich nur sagen: Dieser Reflex,
eine Lösung und eine Antwort anzubieten, noch bevor die Studierenden
selbst gedacht haben, ist leider Rezeptdenken. Das bedeutet hochschuldi
daktisch auch, dass es darum gehen muss, das eigene Mindset zu ändern
und zu sagen: „Ich weiß zwar, was ich machen würde, weil ich eine große
Expertise habe. Ich will euch aber beibringen, vom Rezepte-Holen zum
Selber-Denken zu kommen.“
I: Die nächste Frage bezieht sich noch mal auf die pädagogische Haltung.
Das haben wir ja schon thematisiert. Also ich kenne das auch aus mei
nen Seminaren und das kennt ihr, glaube ich, auch. Gerade wenn es um
Querschnittsaufgaben geht, oder um dieses Durchspielen verschiedener
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Szenarien, das schafft erst mal ein Überforderungsgefühl auf Seiten der
Studierenden und sie fragen dann berechtigterweise: „Wie soll ich diese
ganzen Querschnittsaufgaben bearbeiten? Das geht zulasten des Fachlichen
und so weiter und so fort.“ Und trotzdem noch mal: Was ist aus deiner
Sicht besonders wichtig in Bezug auf diese pädagogische Haltung, die Stu
dierende entwickeln sollten?
Julia Gillen: Also bezüglich der Querschnittsthemen ist ja überhaupt nicht
gesagt, welche Querschnittsthemen in den nächsten Jahren noch dazukom
men. Ich glaube tatsächlich, dass es nicht noch Tausende sein werden, das
kann ich mir gar nicht vorstellen. Eben auch, weil das aktuell wieder ein
bisschen abnimmt. Das bedeutet, dieses Prinzip wird bleiben, dass neue
Themen in die Schule und damit auch in die Lehrkräftebildung kommen.
Aber das würde ich mehrheitlich immer eher in der Lehrer:innenfortbil
dung als in der Lehrer:innenausbildung verorten. Wir sollten in der Lehr
kräftebildung in der Universität die Themen ein bisschen anteasern, aber
dabei sollten wir nicht die grundlegenden Fächer und Kompetenzen ver
nachlässigen, weil, eine gute Fachlichkeit in Chemie oder eine Fachlichkeit
in Politik, die lerne ich halt nur in der Universität. Wenn die Universität
diesen Beitrag nicht mehr leistet, weil sie sich in anderen Dingen verzettelt,
dann holt das auch niemand mehr nach. Wenn man sich das Fortbildungs
programm des NLQ anguckt, dann haben die diese ganzen Querschnitts
themen auf ihrer Agenda. […]
I: […] Also ja, wir machen hier schon viel im Bereich Diversität und
Inklusion. Und ich sage mal so, meine eigene Erfahrung ist dabei auch,
dass es bisweilen sehr mühsam ist und es auch immer noch sehr heftige
Grundsatzdiskussionen gibt. Aber nach einer gewissen Zeit merkt man
auch, dass die Studierenden anders diskutieren. Und trotzdem denke ich,
dass das noch nicht an pädagogischer Haltung reicht, weißt du?
Julia Gillen: Mir fällt immer wieder auf, dass die Studierenden ihre päd
agogische Haltung auf die Basis ihres eigenen schulischen Erfahrungswis
sens zurückführen. Meistens kommen die Studierenden noch aus Gymna
sien. Die bringen also ein bestimmtes Bild von Schule mit. An diese päd
agogische Haltung kommen wir durch Diskurs heran, aber auch dadurch,
dass wir Bilder von Schule oder Unterrichtszenarien in die Universität
hinein bekommen, beispielsweise über Videos, und an diesen Videos dann
Lehrkräftehandeln im positiven Umgang beobachten können.
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Also die angehenden Lehrkräfte brauchen eigentlich positive Umgangsbil
der. Der Diskurs, also das Reden darüber, findet immer auf einer abstrak
teren Ebene statt und ändert darum auch noch nicht die Bilder im Kopf
der Studierenden. Am liebsten hätte ich zehn Unterrichtsvideos aus beruf
lichem Unterricht. Aufgrund meiner schulischen Erfahrung, die ja nicht
wirklich sehr groß ist und auch schon lange her, habe ich erlebt, wie
handlungsorientiertes Lernen aussehen kann und ich habe erlebt, dass man
auch mit Leuten umgehen kann, die die ganze Nacht durchgezockt haben
und ansonsten kein Deutsch sprechen. Dieses Bild wiederum fehlt unseren
Studierenden, dieses positive Bild vom Umgang mit Heterogenität. Genau
darum kommen sie immer wieder auf ihre alten Bilder zurück.
I: Damit sind wir auch eigentlich schon fast am Ende unseres Interviews
angelangt. Als abschließende Frage: Kannst du möglichst kurz und knapp
mit wenigen, schlagkräftigen Worten die ‚Lehrkraft der Zukunft‘ charakteri
sieren?
Julia Gillen: Ich würde sagen, die ‚Lehrkraft der Zukunft‘ braucht eine gute
Balance zwischen Fachlichkeit und der Idee, diese Fachlichkeit immer den
aktuellen Bedingungen anzupassen. Sie braucht eine gute Balance zwischen
der erzieherischen oder pädagogischen Idee von Schule und der fachlichen
Weiterentwicklung. Also dieses Verständnis: Ich bin eben nicht nur Wis
sensvermittler:in, sondern vor allem Vorbild in pädagogischen Prozessen
und Gestalter:in von pädagogischen Prozessen. Die Schule der Zukunft
wird für mich getragen durch Kolleg:innen, die in Teams die Schulkultur
prägen und Lust haben, gemeinsam zu gestalten, Probleme zu lösen, Insti
tutionen zu transformieren und dafür auch die richtigen Rahmenbedingun
gen haben. Aber die weit entfernt sind von dem: „Ich bin alleine, bereite
meinen Unterricht vor und schreibe meine Klausuren.“ Sondern die eher
von einem Gemeinschaftsbild geprägt sind.
I: Genau. Und da frage ich mich manchmal, das sehe ich tatsächlich noch
gar nicht so, sondern eben viel häufiger noch diese pragmatische Haltung.
Und da habe ich mich auch oft schon gefragt, wie man den Lehrkräften
Lust darauf machen kann, dass sie gestalten wollen, dass sie sich wirklich
richtig reingeben wollen?
Julia Gillen: Das kann relativ leicht funktionieren, wenn man in einer
Schule Lehrer:innenteams bildet, die gemeinsam ihren unterrichtlichen
Einsatz in den Lernfeldern planen und eher sozusagen selbst in Verantwor
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tung gehen und sich fragen, was ihre Rolle in diesem Team ist. Durch
diese Gruppe werden sie herausgelöst aus dem Einzelkämpfer:innentum
und ihnen wird mehr Verfügungsraum über die Gestaltung von Zeit und
Raum gegeben.
I: Also mehr Verantwortung, tatsächlich aber auch mehr Gestaltungsraum.
Julia Gillen: Genau. Dann wird man immer noch Lehrkräfte haben, die
das nicht nutzen oder da nicht mitgehen. Aber das wird der kleinere Anteil
sein. Ich habe schon Schulen erlebt, wo dies gelungen ist. Man merkt, dass
diese Teams immer mit hohem Engagement unterwegs sind, weil sie auch
für ihre persönliche Work-Life-Balance besser sorgen können. Eher so wie
wir an der Universität auch in Teams arbeiten, jenseits von Schule. Aber
das Bild von Schule ist eine Aufgabe der Führungskräfte. Aber es gibt eben
auch Führungskräfte, die ein neues Bild von Schule einführen wollen und
die an den Kollegien scheitern. […] Also ist es vielleicht auch ein längerer
Entwicklungsprozess.
I: Okay. Damit wären wir auch schon am Ende unseres Fragenkatalogs.
Vielleicht möchtest du ja aber auch noch etwas hinzufügen, was dir ganz
wichtig zu dem Thema ist, was wir nicht gefragt haben.
Julia Gillen: Bei uns in der beruflichen Lehrkräftebildung sehe ich tatsäch
lich Verbesserungsbedarf darin, dass wir auch fachübergreifender zusam
menarbeiten könnten. Dadurch, dass wir im Master tatsächlich ein Projekt
band einführen und dann nicht nur unser pädagogisches Projekt machen,
sondern ein Projekt in der beruflichen Fachrichtung, und wir machen
den pädagogischen Anteil. Wenn man also sozusagen interdisziplinärer da
rangehen würde. Das könnte ich mir gut vorstellen.
Und sonst? Tatsächlich ein bisschen die Frage der Zukunftsfähigkeit, der
Art von Ausbildung, die wir machen. Die Zukunftsfähigkeit sehe ich inhalt
lich sehr gut gegeben. Das ist gar nicht so schwierig. Aber methodisch
müssen wir das auch tun, um die Studierenden zu halten. Denn die Studie
rendenschaft ändert sich. Die Studierenden von heute sind weniger bereit
oder in der Lage, zu Hause alleine komplexe Aufgaben zu lösen. Auch sie
profitieren vom Lernen im Team mit flexibleren Strukturen.
I: Und dann danken wir dir für das Gespräch.
Die Bedeutung von Futures Literacy für die berufliche Lehrkräftebildung der Zukunft
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