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Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann

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Although the Brothers Grimm give a different indication of origin for the fairy tale Die weiße und die schwarze Braut (KHM 135), the correspondence of characteristic linguistic phenomena with the fairy tales of Dorothea Viehmann suggests that this tale could also have been contributed by her. With the help of the “original version” from the Berlin Grimm estate, a wealth of further linguistic-stylistic and lexical-motif evidence is presented that corroborates this attribution. Considerations of the history of transmission, biography, and biography of the work make this assumption plausible, as do codicological and comparative analyses of the manuscript.
This content is subject to copyright. Terms and conditions apply.
Fabula 2023; 64(3–4): 243–281
2023
Holger Ehrhardt
Ein übersehenes Märchen von Dorothea
Viehmann
Philologische, stilometrische und motivvergleichende
Untersuchungen zu KHM 135 Die weiße und die schwarze Braut
In memoriam Heinz Rölleke
https://doi.org/10.1515/fabula-2023-0015
Abstract: Although the Brothers Grimm give a different indication of origin for
the fairy tale Die weiße und die schwarze Braut (KHM 135), the correspondence
of characteristic linguistic phenomena with the fairy tales of Dorothea Viehmann
suggests that this tale could also have been contributed by her. With the help of
the “original version” from the Berlin Grimm estate, a wealth of further linguistic-
stylistic and lexical-motif evidence is presented that corroborates this attribution.
Considerations of the history of transmission, biography, and biography of the work
make this assumption plausible, as do codicological and comparative analyses of
the manuscript.
Zusammenfassung: Obwohl die Brüder Grimm eine andere Herkunftsangabe zum
Märchen Die weiße und die schwarze Braut (KHM 135) machen, lässt die Übereinstim-
mung charakteristischer sprachlicher Phänomene mit den Märchen von Dorothea
Viehmann vermuten, dass auch diese Erzählung von ihr beigetragen sein könnte.
Unter Zuhilfenahme der „Urfassung“ aus dem Berliner Grimm-Nachlass wird eine
Fülle weiterer sprachlich-stilistischer bzw. lexikalisch-motivischer Indizien darge-
legt, die diese Zuschreibung erhärten. Überlieferungsgeschichtliche, biographische
und werkbiographische Erwägungen plausibilisieren diese Annahme ebenso wie
die kodikologische und schriftvergleichende Beurteilung des Manuskripts.
Holger Ehrhardt, Professor für Germanistik an der Universität Kassel.
E-Mail: holger.ehrhardt@uni-kassel.de
Open Access. © 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizen-
ziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
244 Holger Ehrhardt
1  Einleitung
An der Herkunft des Märchens Die weiße und die schwarze Braut aus dem „Meklen-
burgischen und Paderbörnischen“ gab es bisher in der Forschungsliteratur keinen
Zweifel. Johannes Bolte, dem der handschriftliche Märchennachlass zur Neubear-
beitung der Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm
vorlag, konnte zu dieser Angabe zwar ergänzen: „Von Jacob Grimm erzählt (Die
Ente am Gossenstein)“, doch wurde der ursprüngliche Herkunftsvermerk nicht
bezweifelt.
In den Originalanmerkungen (1815) der Kinder- und Hausmärchen (im Folgen-
den: KHM) hatte Wilhelm Grimm noch eine zweite Variante mitgeteilt:
Nach der einen Erzählung wird der Bruder nicht blos unter die Schlangen gesetzt, sondern
wirklich umgebracht und unter die Pferde im Stall begraben. Die Ente kommt Abends ans
Gitterloch [im Handexemplar korrigiert zu Gatterloch] geschwommen und singt:
macht auf die Thür, daß ich mich wärme,
mein Bruder liegt unter den Pferden begraben
hauet den Kopf der Ente ab
wodurch die Handlung des Königs, daß er ihr den Kopf abhaut, woran ihre Lösung gebunden
war, besser begründet wird. Am Ende wird der Bruder im Stall ausgegraben und stattlich
unter die Erde gebracht […].
Heinz Rölleke verwies in seiner Edition der Urfassungen auf ein Exzerpt Jacob
Grimms, das 1810 als Nr.22 in die Sendung an Clemens Brentano aufgenommen
und das in den Anmerkungen von Wilhelm Grimm als „moderne, schlechte Ueber-
arbeitung“ aus den Sagen der böhmischen Vorzeit (Prag 1808, 141–185) bezeichnet
wurde. Diese Urfassung ging zurück auf eine Zuschrift von Ludovica Jordis an die
Brüder Grimm, die aus der böhmischen Sage Die goldene Ente. Ein Nazionalmähr-
chen des Alterthums „den alten Grund so gut möglich ausgezogen“ hatte. Jacob
Grimm vermerkte am Rand dieses Manuskripts: „viel beßer im Pentamerone Li [!]
1KHM 1856, 217, vgl. auch KHM 1815, XXXVII (Anhang): „(Aus dem Meklenb. und Paderbörn.)“ und
KHM 1822, 227: „Aus dem Meklenburgischen und Paderbörnischen“.
2Bolte, Johannes/Polívka, Jiří: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder
Grimm. Leipzig 1918, Bd.2, 85.
3KHM 1815, XXXVIIf. (Anhang).
4Vgl. Rölleke, Heinz (Hg.): Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm. Synopse der hand-
schriftlichen Urfassung von 1810 und der Erstdrucke von 1812. Cologny-Genéve 1975, 122–126.
5KHM 1815, XXXVII (Anhang).
6Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz, Nachlass Grimm o. Nr. C 2,6, fol. 2–4. Die
Urheberin der Handschrift ergibt sich aus dem Vergleich mit anderen Schriftstücken.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 245
doje pizzelle IV.7“. Wilhelm ergänzte: „(37.) zu 135 Schwarze u weiße Braut/ deutsch
Frau Holle/ bei Grote das letzte Märchen u. etwas besser“.
Allenfalls im Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen lässt sich eine gewisse
Skepsis vermuten, wenn Hans-Jörg Uther schreibt: „‚Aus dem Meklenburgischen
und Paderbörnischen‘, h eiß t es im Anmerkungsband (KHM 1856, 217) über die
Kontamination dieses Zaubermärchens aus dem Themenkreis der unterschobenen
Braut“ [meine Hervorhebung, H. E.]. Andererseits wird resümiert: „Der meck-
lenburgische Beiträger ist unbekannt; die paderbörnische Fassung dürfte von der
Familie von Haxthausen beigesteuert sein.“ Zu den Herkunftsangaben generell
bemerkt Uther an anderer Stelle seines Handbuchs, „daß der im Handexemplar der
ersten Ausgabe der KHM von 1812/15 nachträglich handschriftlich festgehaltene Per-
sonenkreis nicht unbedingt die Gewähr dafür bietet, daß der notierte Beiträger das
jeweilige Stück tatsächlich erzählt hat“. Wir wollen diesen Zweifel hier aufgreifen
und zeigen, dass die in den Anmerkungen gedruckten Herkunfts-
a ng a b en bei diesem Märchen nicht zutreffend sind.
2  Die Urfassung von KHM 135
Die nachfolgende Synopse zeigt unmissverständlich, dass das von der Hand Jacob
Grimms stammende Manuskript „Die Ente am Goßenstein“ die alleinige Vorlage für
KHM 135 abgegeben hat und nicht mit einem weiteren Text kontaminiert wurde.
Die Angabe zweier Orte muss dementsprechend so verstanden werden, dass allein
der vermeintlich mecklenburgische Beitrag als Textgrundlage dient und die abwei-
chende paderbörnische Variante in den Anmerkungen mitgeteilt wird, so wie das
auch bei anderen Märchen zu beobachten ist.
7Ebd., fol. 2r und 4v. Vgl. zu diesem Märchen auch KHM 1822, 428, bzw. die bessere Variante in den
Volksmärchen der Böhmen (430f.).
8Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Entste-
hung– Wirkung– Interpretation. Berlin/Boston 32021, 276.
9Uther (wie Anm.8), 466.
10Vgl. hierzu in KHM 1815 die Anmerkungen zu Nr.5 Dat Erdmänneken (KHM 91), wo die abwei-
chende „Recension aus der Gegend von Cöln am Rhein“ mitgeteilt wird. Ab dem Anmerkungsband
von 1822 wendet Wilhelm Grimm dieses Leithandschrift-Prinzip häufiger an.
246 Holger Ehrhardt
SBPK, Nachlass Grimm o. Nr. C ,, fol. –
Die Ente am Goßenstein
Eine Frau ging mit ihrer Tochter über Feld
Futter schneiden. Da kam der liebe Gott zu
ihnen gegangen und frug: wo geht der Weg ins
Dorf? Ei, sprach die Mutter, sucht euch selbst,
und die Tochter fiel ein: „oder bringt euch
einen Wegführer mit.“ Da erzürnte der liebe
Gott und sprach einen Fluch aus, daß sie beide
Mutter und Tochter sollten schwarz werden
wie die Nacht und häßlich, wie die Sünde.
Der liebe Gott aber ging weiter und begegnete
einem Mädchen, das war jener Frauen Stief-
tochter und frug sie: wo geht der Weg ins Dorf?
Sprach sie: ich will ihn euch zeigen und ging
mit ihm bis ans Dorf. Wie sie davor waren,
sprach der liebe Gott einen Seegen über sie aus
und sagte: wähl dir drei Sachen aus, daß ich
sie dir gewähre. Also sprach das Mädchen: ich
möchte gern schön werden wie die Sonne. Da
wurde sie weiß und schön wie der Tag. Dann
möchte ich einen Geldbeutel haben, der nie
leer würde. Das geschah auch und der liebe
Gott sagte: vergiß aber nicht das beste, meine
Tochter! Sprach sie: ich wünsche mir zum
dritten das ewige Himmelreich nach meinem
Tod. Das wurde ihr auch zugesagt und beide
schieden von einander.
Wie nun die Stieftochter nach Haus kam,
sah sie die Mutter und Tochter kohlschwarz
geworden und diese ärgerten sich, wie schön
und weiß sie geworden war. Die Stieftochter
erzählte aber alles, was sich mit ihr zugetragen
hatte, ihrem Bruder, der war Kutscher beim |
König, der Bruder malte sich nun seine
Schwester ab nahm das Bild mit an Hof und
hing es in seiner Stube auf, und alle Tage ging
er davor stehen und dankte Gott für das Glück
seiner lieben Schwester.
Nun war aber gerade dem König, wobei er
diente, seine Gemahlin verstorben, welche
so schön gewesen war, daß man keine finden
konnte, die ihr gliche, und der König trauerte
tief um sie. Die Hofdiener sahen es indeßen
dem Kutscher ab, daß er tagtäglich vor dem
KHM 
Die weiße und schwarze Braut.
Eine Frau ging mit ihrer Tochter und Stief-
tochter über Feld, Futter zu schneiden. Da kam
der liebe Gott als ein armer Mann zu ihnen
gegangen und fragte: „wo führt der Weg ins
Dorf?“ „Ei, sprach die Mutter, sucht ihn selber,“
und die Tochter setzte noch hinzu: „habt ihr
Sorge, daß ihr ihn nicht findet, so bringt euch
einen Wegweiser mit.“ Die Stieftochter aber
sprach: „armer Mann, ich will dich führen,
komm mit mir.“ Da erzürnte der liebe Gott
über die Mutter und Tochter, wendete ihnen
den Rücken zu, und verwünschte sie, daß sie
sollten schwarz werden wie die Nacht, und
häßlich wie die Sünde. Der armen Stieftochter
aber ward Gott gnädig und ging mit ihr, und als
sie nah am Dorf waren, sprach er einen Segen
über sie und sagte: „wähl dir drei Sachen aus,
die will ich dir gewähren.“ Da sprach das
Mädchen: „ich mögte gern schön werden, wie
die Sonne,“ alsbald wurde sie weiß und schön,
wie der Tag. „Dann mögte ich einen Geldbeutel
haben, der nie leer würde:“ den gab ihr der
liebe Gott auch, sprach aber: „vergiß das Beste
nicht, meine Tochter!“ Sagte sie: „ich wünsche
mir zum dritten das ewige Himmelreich nach
meinem Tode.“ Das wurde ihr auch zugesagt,
und also schied der liebe Gott von ihr.
Wie nun die Stiefmutter mit ihrer Tochter
nach Hause kam und sah, daß sie beide kohl-
schwarz und häßlich waren, die Stieftochter
aber weiß und schön, ward sie ihr im Herzen
noch böser und hatte nur im Sinn, wie sie ihr
ein Leid anthun könnte. Die Stieftochter aber
hatte einen Bruder, Namens Reginer, den liebte
sie sehr und erzählte ihm alles, was geschehen
war. Der Bruder mahlte sich nun seine Schwes-
ter ab und hing das Bild in seiner Stube auf, in
des Königs Schloß, bei dem er Kutscher war,
und alle Tage ging er davor stehen und dankte
Gott für das Glück seiner lieben Schwester.
Nun war aber gerade dem König, bei dem er
diente, seine Gemahlin verstorben, welche
so schön gewesen war, daß man keine finden
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 247
schönen Bild stand, misgönntens ihm und
meldetens dem Könige. Da befahl dieser das
Bild vor sich zu bringen u. sah, daß es in
allem seiner seeligen Gemahlin glich, nur
noch schöner war, so daß er sich sterblich
hinein verliebte und den Kutscher frug, wen
das Gemälde vorstellte? Als nun der Kutscher
gesagt hatte, wie daß es seine Schwester
wäre, entschloß sich der König, daß er keine
andere zur Gemahlin haben wollte, gab ihm
Wagen und Pferde und schickte ihn fort, seine
erwählte Braut abzuholen. Der Kutscher kam
also nach Haus, da war seine Schwester froh,
allein die Stiefmutter mit ihrer Tochter ärger-
ten sich über alle Maßen vor Eifersucht und
die Frau, welches eine böse Hexe war, hätte
gern das Glück zerstört und ihrer schwarzen
Tochter zugewendet. |
Also machte sie den Kutscher halb-blind
und die Schwester harthörig, darauf stiegen
sie alle in den Wagen ein, die Braut, die alte
Stiefmutter mit ihrer Tochter und der Kutscher
auf den Bock, den Wagen zu führen. Wie sie
nun eine Weile gereist waren unterwegs rief
der Kutscher:
deck dich zu Schwester,
daß Regen dich nicht näßt
und Wind nicht bestäubt
und du fein schön zum König kommst!
Fragt die Braut: was sagt mein lieber Bruder?
ach, antwortet die alte Hexe: er hat gesagt du
sollst dein gülden Kleid ausziehen und deiner
Schwester geben. Da thut sies aus und die
schwarze an, die Braut aber einen schlechten,
grauen Kittel.
Fahren sie weiter, da ruft der Kutscher vom
Bock:
deck dich zu mein Schwesterlein
daß dich Regen nicht netzt
und Wind nicht stäubt,
und daß du fein schön zum König kommst.
Was sagt mein lieber Bruder? ach, du soll-
test deine güldne Haube abthun und deiner
Schwester da geben. Thut sies wiederum und
sitzt im blosen Haar selber.
Eine Zeit darauf ruft der Kutscher zum
drittenmal:
konnte, die ihr gliche, und der König war
darüber in tiefer Trauer. Die Hofdiener sahen
es indessen dem Kutscher ab, wie er täglich
vor dem schönen Bilde stand, misgönntens
ihm und meldeten es dem König. Da ließ dieser
das Bild vor sich bringen, und sah, daß es in
allem seiner verstorbenen Frau glich, nur noch
schöner war, so daß er sich sterblich hinein
verliebte, und den Kutscher fragte, wen das
Bild vorstellte? Als der Kutscher gesagt hatte,
daß es seine Schwester wäre, entschloß sich
der König, keine andere, als diese, zur Gemah-
lin zu nehmen, gab ihm Wagen und Pferde
und prächtige Goldkleider, und schickte ihn
fort, seine erwählte Braut abzuholen. Wie der
Kutscher mit der Botschaft ankam, freute sich
seine Schwester, allein die schwarze ärgerte
sich über alle Maßen vor großer Eifersucht,
und sprach zu ihrer Mutter: „was helfen nun
all’ eure Künste, da ihr mir kein solches Glück
verschaffen könnt.“ Da sagte die Alte: „sey
still, ich will dirs schon zuwenden,“ und durch
ihre Hexenkünste trübte sie dem Kutscher die
Augen, daß er halb blind war, und der weißen
verstopfte sie die Ohren, daß sie schwer hörte.
Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut
in den herrlichen königlichen Kleidern, dann
die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und der
Kutscher saß auf dem Bock, um zu fahren. Wie
sie eine Weile gereist waren unterwegs rief der
Kutscher:
„Deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht näßt,
daß Wind dich nicht bestäubt,
daß du fein schön zum König kommst!“
Die Braut fragte: „was sagt mein lieber
Bruder?“ „Ach, sprach die Alte, er hat gesagt,
du solltest dein gülden Kleid ausziehen und
es deiner Schwester geben.“ Da zog sie’s aus
und that’s der Schwarzen an, die gab ihr dafür
einen schlechten grauen Kittel. So fuhren sie
weiter, über ein Weilchen rief der Bruder
wieder:
„Deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht näßt,
daß Wind dich nicht bestäubt
und du fein schön zum König kommst!“
248 Holger Ehrhardt
deck dich fein zu mein Schwesterlein,
daß dich der Regen nicht netzt
und Wind nicht bestäubt
daß du recht schön zum König kommst|
„was sagt mein lieber Bruder?“ Da fuhren
sie gerad über ein tiefes Waßer und die Alte
sprach: ach er hat gesagt du möchtest einmal
aus dem Wagen sehn.“ Kaum thut sie das, so
stoßen sie die beiden andern hinein, sie wird
aber zu einer weißen Ente und schwimmt fort.
Der Kutscher aber merkte nichts davon und
fuhr den Wagen weiter, bis sie an Hof kamen,
da stellte er dem König die schwarze als seine
Schwester vor, weil es ihm trüb vor den Augen
war und er die Goldkleider schimmern sah.
Der König erblickt kaum die grundlose Häß-
lichkeit seiner vermeinten Braut, wird er sehr
bös und befiehlt den Kutscher in eine Grube zu
werfen, die war voll Ottern und Schlangenge-
zücht welches geschah. Die Hexe aber wußte
den König doch so zu bestricken, daß er sie um
ihre Tochter behält und zu sich nimmt bis daß
sie ihm endlich ganz leidlich vorkommt, und er
sie wirklich zur Gemahlin annimmt.
Einmal abends saß die schwarze Braut dem
König auf seinem Schoos, kam eine Ente zum
Goßenstein in die Küche geschwommen u.
sagte zum Küchenjungen:
Jüngelchen, mach Feuer an,
daß ich meine Federn wärmen kann.
das thut der Küchenjung u. macht ihr ein
Feuer auf den Heerd, kam die Ente und setzte
sich daneben und strich sich die Federn |
mit dem Schnabel zurecht. Während sie so saß
und sich gut that, fragte sie:
„was macht mein Bruder Reginer?“
sagte der Küchenjung:
liegt tief bei Ottern und Schlangen.
fragte sie:
was macht die schwarze Hex im Haus?“
sprach der Küchenjung:
die sitzt warm ins Königs Arm.
sagte die Ente: daß Gott erbarm
u. ging wieder den Goßenstein hinaus.
Den folgenden Abend kam sie ebenso wieder
zum Goßenstein geschwommen u. that diesel-
ben Fragen u. schwomm dann wieder fort
Die Braut fragte: „was sagt mein lieber
Bruder?“ „Ach, sprach die Alte, er hat gesagt,
du solltest deine güldne Haube abthun und
deiner Schwester geben.“ Da that sie die Haube
ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen
Haar. So fuhren sie weiter; wiederum über ein
Weilchen rief der Bruder:
„Deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht näßt,
daß Wind dich nicht bestäubt
und du fein schön zum König kommst!“
Die Braut fragte: „was sagt mein lieber
Bruder?“ „Ach, sprach die Alte, er hat gesagt,
du mögtest einmal aus dem Wagen sehen.“ Sie
fuhren aber gerade über ein tiefes Wasser, wie
nun die Braut aufstand und aus dem Fenster
sah, da stießen sie die beiden andern hinaus,
daß sie gerad’ ins Wasser fiel, sie versank
auch, aber in demselben Augenblick stieg
eine schneeweiße Ente hervor und schwamm
den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts
davon gemerkt und fuhr den Wagen weiter,
bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem
König die Schwarze als seine Schwester, und
meinte auch, sie wär’s, weil es [] ihm trüb
vor den Augen war und er doch die Gold-
kleider schimmern sah. Der König, wie er die
grundlose Häßlichkeit an seiner vermeinten
Braut erblickte, ward sehr bös und befahl den
Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll
Ottern und Schlangen-Gezücht war. Die alte
Hexe aber wußte den König doch so zu bestri-
cken und ihm die Augen zu verblenden, daß er
sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm,
bis daß sie ihm ganz leidlich vorkam und er
sich wirklich mit ihr verheirathete.
Einmal Abends saß die schwarze Braut dem
König auf dem Schoos, da kam eine weiße Ente
zum Gossenstein in die Küche geschwommen
und sagte zum Küchenjungen:
„Jüngelchen mach Feuer an,
Daß ich meine Federn wärmen kann!“
Das that der Küchenjunge und machte ihr
ein Feuer auf dem Heerd, da kam die Ente,
schüttelte sich und setzte sich daneben und
strich sich die Federn mit dem Schnabel
zurecht. Während sie so saß und sich wohlthat,
fragte sie:
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 249
und den dritten Abend noch einmal. Da ging
der Küchenjung u. sagte alles dem König. Der
König ging aber des Abends hin und wie die
Ente den Kopf durch den Goßenstein hängt,
nimmt er sein Schwert und haut ihr durch
den Hals, da wurde sie aufeinmal zu dem
schönsten Mädchen stand ganz naß da und
glich genau dem Bild, das der Bruder von ihr
gemacht hatte. Der König war voll Freuden
und ließ ihr reiche Kleider bringen, als sie
die angethan hatte erzählte sie alles, was
ihr geschehn und wie sie in den Fluß hinab
geworfen worden war, die erste Bitte die sie
that, war daß man ihren Bruder wieder aus
dem Schlagengraben heraushohlen |
möchte, welches sogleich geschah. Aber der
König ging hin in die Cammer, wo die alte
Hexe saß u. fragte: was verdient die, welche
das und das thut? indem er ihr den ganzen
Hergang erzählte. Da war sie verblendet,
merkte nichts und sprach: die verdienen, daß
man sie nackigt auszieht und in ein Faß Nägel
legt und vor das Faß ein Pferd spannt und das
Pferd in alle Welt schickt. Alles das geschah
nun, der König heirathete die schöne Braut
und belohnte den treuen Kutscher auf das
reichlichste für seinen Dienst
„Was macht mein Bruder Reginer?“
Der Küchenjunge antwortete:
„Liegt tief bei Ottern und Schlangen.“
Fragte sie:
„Was macht die schwarze Hex im Haus?“
Der Küchenjunge antwortete:
„Die sitzt warm ins Königs Arm.“
Sagte die Ente:
„Daß Gott erbarm!“
und schwamm den Gossenstein hinaus.
Den folgenden Abend kam sie wieder und that
dieselben Fragen und den dritten Abend noch
einmal. Da konnte es der Küchenjunge nicht
länger übers Herz bringen und sagte dem
König alles. Der König aber ging den andern
Abend hin und wie die Ente den Kopf durch
den Gossenstein herein streckte, nahm er
sein Schwert und hieb ihr den Hals durch, da
wurde sie auf einmal zum schönsten Mädchen,
und glich genau dem Bild, das der Bruder
von ihr gemacht hatte. Der König aber war
voll Freuden und weil sie ganz naß dastand,
ließ er ihr köstliche Kleider bringen, als sie
die angethan hatte, erzählte sie ihm, wie sie
in den Fluß war hinab geworfen worden,
und die erste Bitte, die sie that, war, daß ihr
Bruder aus der Schlangenhöhle herausgeholt
würde, welches auch gleich geschah. Aber der
König ging in die Kammer, wo die alte Hexe
saß, und fragte: „was verdient die, welche das
und das thut?“ indem er den ganzen Hergang
erzählte. Da war sie verblendet, merkte nichts
und sprach: „die verdient, daß man sie nackt
auszieht und in ein Faß mit Nägeln legt und
vor das Faß ein Pferd spannt und das Pferd in
alle Welt schickt.“ Alles das geschah nun an
ihr und ihrer schwarzen Tochter, der König
heirathete die schöne Braut und belohnte den
treuen Bruder, indem er ihn zu einem reichen
und angesehenen Mann machte.
Sprachlich-stilistische und motivische Spezifika dieses Textes deuten darauf hin,
dass die Herkunftsangabe „aus dem Meklenburgischen“ im Anmerkungsband
nicht stimmen kann. Eine ganze Kette von Indizien beweist nämlich, dass es sich
bei diesem Text um eine bisher übersehene Märchenerzählung von Dorothea Vieh-
mann handelt.
250 Holger Ehrhardt
3  Zum Korpus der Viehmann-Märchen
Die nachfolgenden Vergleiche und Betrachtungen basieren auf einem Korpus der
Märchen und Varianten von Dorothea Viehmann und zwar hauptsächlich aus den
gedruckten KHM-Ausgaben von 1815 bzw. 1819 oder 1822, also denjenigen Versio-
nen, die stilistisch am wenigsten überarbeitet wurden:
1) Märchen mit dem Herkunftsvermerk „Zwehrn“: KHM 89, 94, 98, 100, 102, 106,
108, 111, 115, 118, 122a, 125, 127 und 128 in der KHM-Ausgabe von 1815,
2) Ersetzungen von anderen Märchen in der KHM-Ausgabe von 1819: KHM 6, 9,
22, 29, 34, 61, 63, 71, 76 und 122, in denen sich jedoch einige auszuscheidende
Textpassagen der Ausgabe von 1812 erhalten haben (und zwar in KHM 9, 29, 34,
61 und 63),
3) Viehmann-Varianten, die im Anmerkungsband von 1822 mitgeteilt werden:
KHM 4, 21, 27, 60, 90 und 92,
4) Kontaminationen, bei denen jedoch nur diejenigen Textteile berücksichtigt
werden, die sich durch Textvergleich oder die Hinweise im Anmerkungsband
von 1822 sicher als Viehmann-Passagen nachweisen lassen: KHM 13 (1819;
Anm.1822), 31 (1819, Anm.1822), 57 (1819; Anm.1815), 58 (1819, Anm.1822) und
59 (1819, Anm.1822) und KHM 120 (1815),
5) die von Jacob Grimm angefertigte Mitschrift einer Gespenstersage mit dem Titel
„Der arme Bauer auf dem Kirchhof“ und dem Herkunftsvermerk „Zwerner
Frau am 23 Juni 1813“.
Der Vergleich dieser Viehmann-Texte mit dem vorliegenden Manuskript „Die Ente
am Goßenstein“ zeigt im Folgenden eine Reihe signifikanter Gemeinsamkeiten, die
nahelegen, dass der Urtext zu KHM 135 von Dorothea Viehmann stammt.
4  Sprachlich-stilistische Beobachtungen
4.1  Iterative Phraseoschablone mit dem Muster ‚X und X‘
Eine nur in den Texten Dorothea Viehmanns festzustellende Ausdrucksweise, um
konkrete lokale und zeitliche Angaben zu vermeiden, ist die iterative Phraseoschab-
lone mit dem Muster ‚X und X‘. So wird in KHM 98 von Doktor Allwissend berichtet,
11Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz, Nachlass Grimm 1756, IV, fol. 193a.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 251
dass er „in dem und dem Dorfe wohnte“, in KHM 120 wird den drei Handwerks-
burschen geraten, „in das und das Wirthshaus“ zu gehen. In Jacob Grimms Mit-
schrift der Gespenstersage „Der arme Bauer auf dem Kirchhof“ findet sich die
Formulierung „unter der und der Zeit“. Auch im vorliegenden Manuskript zu KHM
135 findet sich die gleiche Phraseoschablone: „was verdient die, welche das und
das thut?“ Diese Phraseoschablone ist einer der auffälligsten Hinweise auf Doro-
thea Viehmann, denn diese eigenwillige Ausdrucksweise für semantische Unbe-
stimmtheit ist nur in den drei erwähnten Viehmann-Texten sowie im vorliegenden
Manuskript nachweisbar und von dort unverändert in die KHM-Ausgabe von 1815
übernommen worden.
Die Exklusivität dieser Phraseoschablone für die Märchen von Dorothea Vieh-
mann und somit für ihren Sprachgebrauch scheint der Grund dafür zu sein, dass
Wilhelm Grimm sie in einem anderen Text eliminiert. Und zwar stellt das „Oster-
Märl“ aus dem „3. Discurs“ von Andreas Strobls Ovum Paschale Novum Oder Neuge-
färbte Oster-Ayr die Vorlage für KHM 77 Das kluge Grethel dar. In diesem Predigte-
xempel findet sich die erwähnte Phraseoschablone in ähnlichem Gebrauch wie bei
Dorothea Viehmann: Der Herr informiert das kluge Grethel nämlich, „er hab diesen
und diesen Herrn eingeladen“. Wie die von Wilhelm Grimm stammende Abschrift
dieses Textes zeigt, war ihm diese Formulierung bekannt. Bei der Erstedition des–
eben nicht von Dorothea Viehmann stammenden– Märchens in der KHM-Aus-
gabe von 1819 ändert er diese Formulierung ab: „Grethel, heut Abend kommt ein
Gast,[…].“ Umgekehrt aber wird diese Phraseoschablone in der zweiten Auflage
der KHM in ein Märchen integriert, das nachweislich nicht von Dorothea Viehmann
stammt, nämlich KHM 37 Daumesdick. Der Märchenheld rät dem Wolf: „In dem und
dem Haus, da mußt du durch die Gosse hinein kriechen und wirst Kuchen, Speck
und Wurst finden, so viel du essen willst, […].“ In der Urfassung dieses Märchens
findet sich die Formulierung noch nicht: „Daumesdick beschrieb ihm also das Haus,
12KHM 1815, 88.
13KHM 1815, 180.
14Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz, Nachlass Grimm 1756, IV, fol. 193a.
15KHM 1815, 258.
16Strobl, Andreas: Ovum Paschale Novum Oder Neugefärbte Oster-Ayr. Salzburg 1700, 22–26,
17Ebd., 24.
18Vgl. Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz, Nachlass Grimm o. Nr. C 1,4, fol.
18–20.
19Es ersetzt KHM 77a Vom Schreiner und Drechsler.
20KHM 1819, Bd.1, 398.
21KHM 1819, Bd.1, 197.
252 Holger Ehrhardt
wo er durch eine Gosse bequem einkriechen könne […].“ Hier deutet sich ein
Phänomen an, das bei weiteren Textbeispielen noch ausführlicher zu behandeln
sein wird: die Übernahme von Viehmann-spezifischen Formulierungen in andere
Märchen des KHM-Korpus.
4.2  Verberst-Redeanzeige
Ein weiteres sehr auffälliges, wiederum fast ausschließlich in den Viehmann-Mär-
chen vorkommendes sprachlich-stilistisches Phänomen ist die vorangestellte Ver-
berst-Redeanzeige, die Erstposition des finiten Verbs in einer Inquit-Formel am
Satzbeginn, also z.B. die einen neuen Satz beginnende Redeeinleitung: „Sprach der
liebe Gott:…“ Wegen seiner Signifikanz wird dieses Phänomen hier ausführlicher
behandelt.
Im Band1 der KHM (1812), während dessen Sammlungszeit die Brüder Grimm
Dorothea Viehmann noch nicht begegnet waren, findet sich dieses sprachliche Phä-
nomen nicht. Im Band2, in dem 14 Viehmann-Märchen zum ersten Mal publiziert
sind, findet sich diese Verberststellung am Satzbeginn 16-mal, zehnmal davon in
Viehmann-Märchen und dreimal im zu untersuchenden KHM 135.
KHM 135 Die weiße und die schwarze Braut
Sagte sie: „ich wünsche mir zum dritten das ewige Himmelreich nach meinem Tode.“;
Fragte sie: „Was macht die schwarze Hex im Haus?“
Sagte die Ente: „Daß Gott erbarm!“
KHM 94 Die kluge Bauerntochter
Sagte sie, „ja,“ wenn ihr mir versprecht, daß ihr mich nicht verrathen wollt’, will ich’s euch
sagen: […]“;
Sagte der Bauer: „so gut als zwei Ochsen können ein Füllen kriegen, so gut kann ich auch auf
dem trockenen Platz fischen.“;
Fragte der Laufer, wie er fischen könnte, es wär’ ja kein Wasser da.
22Petzoldt, Leander: Friedrich Wilhelm Carové: Volkserzählungen, Glaubensvorstellungen und
Bräuche aus dem Rheinland und von der Mosel (1816). Ein unveröffentlichtes Manuskript aus der
Staatsbibliothek zu Berlin (Sign. 1756 V). In: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 41
(1997) 139–202, hier 154.
23Ich danke meinem Kollegen Vilmos Ágel für seine fachliche Hilfe.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 253
KHM 100 Des Teufels rußiger Bruder
Sprach der Teufel: „damit du deinen verdienten Lohn kriegst, geh’ und raff’ dir deinen Ranzen
voll Kehrdreck und nimm’s mit nach Haus […]“
KHM 111 Der gelernte Jäger
Sagten sie weiter: „es ist aber etwas noch dabei, es liegt ein kleines Hündchen dort, […]“
Fragte er, ob sie des Königs Tochter wäre?
KHM 118 Die drei Feldscherer
Sprach der erste, er wollte seine Hand abschneiden und morgen früh wieder anheilen;
KHM 122a Die lange Nase
Sprach er: „es ist so, sonst müßt mein Pulver helfen und wenn Sie es nicht herausgeben,
müssen Sie sterben an der langen Nase.“
KHM 125 Der Teufel und seine Großmutter
Sprach der andere: „da steht ein großes Kornfeld, wenn wir hinein kriechen, findet uns kein
Mensch, das Herr kommt nicht hinein.“
Sprach der Teufel höhnisch: „die sind mir gewiß, […]“
Diese eigentümliche Redeeinleitung findet sich jeweils auch einmal im Portalmär-
chen des Bandes 2, KHM 87 Der Arme und der Reiche, in KHM 88 Das springende
singende Löweneckerchen sowie in KHM 110 Der Jud’ im Dorn, was jedoch der
Zuschreibung dieser Formulierung nicht widerspricht. Erstens hat Axel Winzer
unlängst gezeigt, welche besondere Sorgfalt Wilhelm Grimm auf die sprachliche
Gestaltung der Portalmärchen der beiden Bände gelegt hat. Vielleicht geht man
nicht zu weit, wenn man die Verwendung dieser charakteristischen Spracheigen-
tümlichkeit Dorothea Viehmanns als programmatisch für die Authentizität ihrer–
und auch der anderen– Märchen annimmt? Nach ihrem Porträt als Frontispiz, im
Märchen Nr.1 des zweiten Bandes, soll dieses sprachliche Signal auf die Mündlich-
keit der Märchenerzählungen hindeuten. Jedenfalls ist diese Spracheigentümlich-
keit eine Konkretisierung der Bemerkung im Vorwort des Bandes 2: „Manches ist
auf diese Weise wörtlich beibehalten, und wird in seiner Wahrheit nicht zu ver-
24Vgl. Winzer, Axel: Permanente Metamorphosen. Neues zur Verlags- und Editionsgeschichte der
Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Marburg 2021, 131f.
254 Holger Ehrhardt
kennen seyn“; das „schwer wägbare Verhältnis“ von mündlicher Erzählung und
Reformulierung, aber auch von Übertragung auf andere Märchen, wird hiermit
etwas fassbarer.
Zweitens lässt sich beweisen, dass diese eigenwillige Redeweise tatsächlich von
Dorothea Viehmann herrührt. Die erste Version von KHM 58 Vom treuen Gevatter
Sperling (1812) stammt von Gretchen Wild und hier findet sich diese vorangestellte
Verberst-Form noch nicht. In der zweiten Ausgabe von 1819 wird über die benutzten
Textvarianten mitgeteilt: „die vollständigste ist aus Zwehrn und liegt zu Grund.“
In den neu hinzugekommenen Passagen dieses Märchens findet sich zweimal
die Formulierung: „Sprach der Sperling“. Ein weiterer Beweis findet sich in der
Viehmann-Variante zu KHM 4 Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen in den
Anmerkungen; dort steht ebenfalls „Sprach der Schmied“ und „Sprach der König“.
Diese besondere Redeeinleitung am Satzbeginn wurde bisher vermutlich des-
wegen nicht auf Dorothea Viehmann zurückgeführt, weil sie ab der zweiten Auflage
der KHM in viele andere KHM-Texte eindringt. Für die Ausgabe von 1819 lassen
sich die Redeeinleitungen „Sprach/Sagte/Fragte/Antwortete der/die/das“ 134-mal
finden, in den folgenden Großen Ausgaben jeweils 125-mal. Wenn man diesen spe-
ziellen Textredaktionen Wilhelm Grimms im Detail nachgeht, stellt man fest, dass
sie im Verlauf der Auflagengeschichte relativ konstant bleiben, d.h. sie bleiben in
den meisten Fällen bis zur Ausgabe letzter Hand (1857) erhalten und geben u.a.
damit dem KHM-Textkorpus ein besonderes Gepräge von Mündlichkeit. Bei einigen
wenigen– meist nicht von der Viehmännin herrührenden– Märchen werden diese
Redeeinleitungen in der dritten Ausgabe (1837) jedoch wieder zurückgenommen:
KHM 16 Die drei Schlangenblätter, KHM 36 Tischlein deck dich, KHM 44 Gevatter
Tod, KHM 56 Der Liebste Roland, KHM 116 Das blaue Licht, in zwei Fällen jedoch
auch bei dem Viehmann-Märchen KHM 118 Die drei Feldscherer und bei KHM 4 Von
einem der auszog, das Fürchten zu lernen, für das zumindest eine Variante von ihr
nachweisbar ist. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass zwei Märchen,
25KHM 1815, V (Vorrede).
26Ehrhardt, Holger: Dorothea Viehmann und ihre Quellen. Ein Blick auf die Stoffgeschichte von
KHM 118 Die drei Feldscherer. In: Wandern und Märchen. Bericht einer wissenschaftlichen Tagung
am 12.Oktober 2018 im Schloss Philippsruhe in Hauau. Hg. Hugenotten- und Waldenserpfad e.V.
Neu-Isenburg 2019, 35–44, hier 39.
27KHM 1822, 103.
28KHM 1819, Bd.1, 298.
29KHM 1822, 11.
30Die Kleinen Ausgaben bleiben hier unberücksichtigt, auch wenn inzwischen außer Zweifel
steht (vgl. Winzer [wie Anm.24]), dass sie entscheidend für die Textredaktion mancher Märchen
waren. Die hier interessierenden Textvarianten befinden sich jedoch in den Großen Ausgaben von
1815/1815 und 1819.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 255
KHM 111 Der gelernte Jäger und KHM 157 Der Sperling und seine Kinder, erst ab der
sechsten Auflage von 1850 jeweils eine Verberst-Redeeinleitung aufweisen.
Die Übernahme Viehmann’scher Formulierungen in andere Märchen hat Heinz
Rölleke mehrfach beschrieben. Die zuerst in KHM 120 Die drei Handwerkspur-
schen auftretende Formel „Es trug sich […] zu“ lässt sich in der zweiten Ausgabe
28-mal in 23 Märchen in geringen Variationen („Nun/Da trug es sich/sichs (aber) zu“)
nachweisen. Auch diese Formulierungen bleiben bis zur Großen Ausgabe letzter
Hand relativ konstant, zeigen allerdings nicht wie bei der Verberst-Redeanzeige
eine relative Fokussierung auf die Viehmann-Texte. Weitere Beispiele, die Rölleke
für das „unverändert bewahrte Erzählrepertoire“ aufzählt, sind die Absatzein-
leitungen „Es begab sich aber“ oder „Es geschah aber“, die „an die stereotype bib-
lische Formulierung ‚Fiat autem‘ angelehnt“ sind.
Welche Relevanz hat dieses sprachliche Phänomen nun für den in Frage ste-
henden Text von KHM 135? Die sehr ungewöhnliche syntaktische Form kann auf
Dorothea Viehmanns Erzählungen zurückgeführt werden. Das gedruckte Märchen
Die weiße und die schwarze Braut weist schon in der Ausgabe von 1815, also noch vor
der Verbreitung der Verberst-Redeeinleitung auf andere Märchen, dreimal diese
Form auf und damit ist ein wichtiger Fingerzeig auf ihre Beiträgerschaft gegeben.
Mit Blick auf das Märchenmanuskript wird es noch eindeutiger, denn hier finden
sich sieben solcher Inversionen am Satzanfang:
Sprach sie: ich will ihn euch zeigen und ging mit ihm bis ans Dorf.
Sprach sie: ich wünsche mir zum dritten das ewige Himmelreich nach meinem Tod.
Fragt die Braut: was sagt mein lieber Bruder?
sagte der Küchenjung: liegt tief bei Ottern und Schlangen.
fragte sie: was macht die schwarze Hex im Haus?“
sprach der Küchenjung: die sitzt warm ims Königs Arm.
sagte die Ente: daß Gott erbarm
In drei weiteren Sätzen fallen ähnliche Inversionen auf, hier jedoch nicht als Rede-
einleitung, sondern als uneingeleiteter Nebensatz bzw. als Hauptsatz mit Verberst-
stellung:
31Vgl. Rölleke, Heinz: Grimms Märchen als sprachliches Kunstwerk. In: „Alt wieder Wald“: Reden
und Aufsätze zu den Märchen der Brüder Grimm. Hg. Heinz Rölleke. Trier 2006, 3–23, hier 9 sowie
ders.: Die Beiträge der Dorothea Viehmann zu Grimms „Kinder- und Hausmärchen“. In: Dorothea
Viehmann. Hg. Holger Ehrhardt. Kassel 2012, 30–45, hier 34.
32KHM 1815, 181.
33Rölleke 2012 (wie Anm.31b), 34.
34Rölleke 2012 (wie Anm.31b), 34.
256 Holger Ehrhardt
Fahren sie weiter, da ruft der Kutscher vom Bock:
Thut sies wiederum und sitzt im blosen Haar selber.
Der König erblickt kaum die grundlose Häßlichkeit seiner vermeinten Braut, wird er sehr bös
und befiehlt den Kutscher in einer Grube zu werfen […].
5  Lexikalische Gemeinsamkeiten mit anderen
Viehmann-Märchen
Über den speziellen Wortschatz bzw. besondere Themenbereiche Viehmann’scher
Texte wurde schon an anderer Stelle berichtet. Hier, wo ein Manuskript mit etwa
1250 Wörtern bzw. die Grimm’sche Bearbeitung mit etwa 1280 Wörtern mit den
übrigen Viehmann-Texten verglichen wird, dürfen naturgemäß nur wenige aus-
sagekräftige lexikalische Übereinstimmungen mit anderen Viehmann-Texten
erwartet werden. Dennoch sind diese nachzuweisen.
Am deutlichsten ist hierbei das Wort „nackt“– in der KHM 135-Handschrift
„nackigt“–, das sich in den ersten beiden Auflagen der KHM insgesamt noch elfmal
findet, davon siebenmal bei Dorothea Viehmann, in KHM 89 „splinternackt“, in
KHM 94 dreimal „nackend“, in KHM 59, nachdem es 1819 mit einer Viehmann-
Erzählung verschmolzen ist, „nackigt“ und in der Viehmann-Variante zu KHM 92:
„nackte“, darüber hinaus aber auch in vier Nicht-Viehmann-Märchen schon in
der Erstausgabe. Wenn man die rein lexikalische Ebene verlässt und den Kontext
berücksichtigt, stellt man fest, dass in den Nicht-Viehmann-Märchen ausschließlich
von nackten Männern berichtet wird: ein Müller, zwei Wichtelmänner, ein Jude
und ein nackter Sohn. Nur in Dorothea Viehmanns Märchen werden nackte Frauen
erwähnt: eine falsche Kammerjungfer, eine kluge Bauerntochter, Catherlieschen
sowie eine nackte Jungfrau. Wenn nun im Manuskript zu KHM 135 davon die Rede
ist, dass man die böse Stiefmutter „nackigt auszieht“, ist hier ein sonst nur in den
Märchen Dorothea Viehmanns zu findendes Motiv entdeckt, dass sich– unabhängig
vom Wortlaut– auch in anderen ihrer Märchen zeigt: In KHM 22 Das Räthsel nimmt
35Vgl. Ehrhardt (wie Anm.26), 41–44.
36KHM 1815, 24.
37KHM 1815, 64.
38KHM 1819, Bd.1, 308.
39KHM 1822, 172.
40KHM 33: „splinternackend“ (KHM 1812, 151), KHM 39 I: „nackte“ (KHM 1812, 181), KHM 110;
„nackicht“ (KHM 1815, 136) und in KHM 138 die niederdeutsche Form „splenternaket“ (KHM 1815,
266).
41KHM 1815, 244.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 257
der Diener des Kaufmanns von der Magd „das Kleid, das sie anhatte und jagte sie
mit Ruthen fort“ als „Zeichen seiner Intimität mit ihr“; ähnlich verhält es sich
in KHM 108 Hans mein Igel. Hier zieht der Titelheld die falsche Prinzessin aus und
sticht sie mit seiner Igelhaut blutig. Meist scheint der Funktionszusammenhang
mit den moralischen Vorstellungen des Christentums verknüpft zu sein, da Nackt-
heit überwiegend als Zeichen von Schande, Bestrafung oder Demütigung verwen-
det wird.
Das in KHM 135 verwendete Wort „Kittel“ taucht in der Ausgabe von 1815 ledig-
lich in zwei weiteren Viehmann-Märchen auf, bei KHM 100 Des Teufels rußiger
Bruder und KHM 106 Der arme Müllerbursch und das Kätzchen, sonst beim Nicht-
Viehmann-Märchen KHM 136 De wilde Mann nur die westfälische Dialektform
„Kiel“. In der KHM-Ausgabe von 1819 findet sich das Wort im neu hinzugekom-
menen KHM 84 Hans heirathet sowie in KHM 21 Aschenputtel. Im Vergleich der
Aschenputtel-Versionen von 1812 und 1819 wird aus „Rock“ und „Aschenkleid“
„Kittel“ bzw. „Kittelchen“. Auch hier ist das Phänomen zu beobachten, dass Vieh-
mann-Formulierungen in der Ausgabe von 1819 in andere Märchen eindringen.
Es finden sich noch weitere Parallelen zwischen dem „Goßenstein“-Manuskript
und dem Vergleichskorpus, u.a. die Wörter „verblendet“, „kohlschwarz“, Kleider
„anthun“ oder jemanden „vor sich bringen“ lassen. Diese Beispiele sind jedoch aus
sprachstatistischer Sicht weniger aussagekräftig als die oben aufgezeigten.
6  Motivvergleiche mit anderen
Viehmann-Märchen
Die Märchenerzählungen der Viehmännin zeigen ein besonderes Motivrepertoire,
eine Präferenz für bestimmte Sujets oder Figuren. Das hier in Frage stehende
Märchen KHM 135 weist eine Reihe von spezifischen Motiven, Erzählzügen oder
Formulierungen auf, die sich fast identisch oder in abgewandelter Form in anderen
Viehmann-Märchen finden lassen.
42KHM 1819, Bd.1, 125.
43Goldberg, Christine: Nackt, Nacktheit. In: Enzyklopädie des Märchens 9. Hg. Rolf Wilhelm Bred-
nich u.a. Berlin/New York 1999, 1128–1137, hier 1134.
44Vgl. KHM 1815, 130.
45Goldberg (wie Anm.43), 1129f.
46KHM 1815, 260.
47Wobei für KHM 21 eine Viehmann-Variante erwähnt wird.
48Vgl. Rölleke (wie Anm.31a), 37, und Ehrhardt (wie Anm.26), 41–44.
258 Holger Ehrhardt
6.1  Futter schneiden
Das Manuskript zu Die weiße und die schwarze Braut beginnt mit dem Satz: „Eine
Frau ging mit ihrer Tochter über Feld Futter schneiden.“ Die gleiche landwirtschaft-
liche Tätigkeit findet sich im gesamten KHM-Korpus nur noch zweimal erwähnt,
beide Male in Viehmann-Märchen:
KHM 34 Die kluge Else
geh du ins Feld und schneid das Korn, daß wir Brot haben
KHM 59 Der Frieder und das Catherlieschen
will ins Feld gehen, Frucht schneiden.
6.2  Eine nie versiegende Geldquelle
Die Stieftochter äußert gegenüber dem lieben Gott: „Dann möchte ich einen Geld-
beutel haben, der nie leer würde.“ Solche nie versiegenden Geldquellen finden sich
in drei weiteren Viehmann-Märchen:
KHM 122 Die lange Nase
Da schenkte ihm das Männchen ein altes Beutelchen, das wurde nie leer von Geld, soviel auch
herausgenommen wurde;
KHM 125 Der Teufel und seine Großmutter
er war aber der Teufel und gab ihnen ein kleines Peitschgen, womit sie sich Geld peitschen
konnten, soviel sie wollten.
KHM 120 Die drei Handwerkspurschen
so wäre gleich alles Geld verschwunden; so lange sie es aber befolgten, sollten ihre Taschen
immer voll seyn.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 259
6.3  Schöne Kleider gegen schlechte tauschen
Auf der Fahrt zum König fordert die Stiefmutter in KHM 135 ihre Stieftochter auf,
sie solle ihr „gülden Kleid ausziehen und [ihrer] Schwester geben. Da thut sies aus
und die schwarze an, die Braut aber einen schlechten, grauen Kittel“. Dieses Klei-
dertausch-Motiv findet sich in fünf Viehmann-Märchen:
KHM 89 Die Gänsemagd
außerdem hieß sie die Kammerfrau auch noch die königlichen Kleider ausziehen und ihre
schlechten anlegen
KHM 111 Der gelernte Jäger
wenn sie den nicht heirathen wollte, sollte sie die königlichen Kleider ausziehen und Bauern-
kleider anthun
KHM 6 Der getreue Johannes
Nun ließ der getreue Johannes alles auf ein Schiff laden und zog Kaufmannskleider an und
der König mußte ein gleiches thun, so daß er unkenntlich war
KHM 21 Aschenputtel (1819)
Da nahmen ihm die Schwestern seine schöne Kleider, gaben ihm einen grauen alten Kittel
anzuziehen.
KHM 122a Die lange Nase
Da zog sie sich an wie ein armes Mädchen
6.4  Sich selbst unwissentlich das Urteil sprechen und die
Strafe des Nagelfasses
Die Handschrift zu KHM 135 endet mit einer Frage des Königs, nachdem die Ver-
tauschung der Braut aufgedeckt worden ist:
Aber der König […] fragte: was verdient die, welche das und das thut? indem er ihr den ganzen
Hergang erzählte. Da war sie verblendet, merkte nichts und sprach: die verdienen, daß man
sie nackigt auszieht und in ein Faß Nägel legt und vor das Faß ein Pferd spannt und das Pferd
in alle Welt schickt. Alles das geschah nun, […].
49KHM 1815, 255.
260 Holger Ehrhardt
Die Selbstverurteilung und diese sehr spezielle Strafe des Nagelfasses finden sich in
drei weiteren Viehmann-Märchen. Am bekanntesten ist Die Gänsemagd:
KHM 89 Die Gänsemagd
gab der alte König der Kammerfrau ein Räthsel auf: was eine solche werth wäre, die den
Herrn so und so betrogen hätte, erzählte damit den ganzen Verlauf und fragte: „welches
Ur theils ist diese würdig?“ Da sprach die falsche Braut: „die ist nichts bessers werth, als splin-
ternackt ausgezogen in ein Faß inwendig mit spitzen Nägeln beschlagen geworfen zu werden,
und zwei weiße Pferde davor gespannt müssen sie Gaß auf Gaß ab zu Tode schleifen!“ „Das
bist du, sprach der alte König, und dein eigen Urtheil hast du gefunden und darnach soll die
widerfahren,“ welches auch vollzogen wurde
KHM 111 Der gelernte Jäger
und fragte weiter, was der werth wäre, daß ihm widerführe? Da sprach der Hauptmann: „der
gehört in Stücken zerrissen zu werden.“ Da sagte der König, er hätte sich selber sein Urtheil
gesprochen, und ward der Hauptmann gefänglich gesetzt und dann in vier Stücke zerrissen,
Ein Vergleich der beiden Varianten von KHM 13 Die drei Männlein im Walde der
Erst- und Zweitausgabe belegt überdies (wie schon oben im Fall der Verberst-Rede-
anzeige), dass die Selbstverurteilung und das Motiv des Nagelfasses hier auf Doro-
thea Viehmann zurückgehen. In der von Dortchen Wild beigetragenen Version von
1812 endet das Märchen noch wie folgt: „Die Falschheit der Stiefmutter und ihrer
Tochter kam an den Tag und sie wurden den wilden Thieren im Walde zu fressen
gegeben.“
1819 endet das Märchen:
Und als es getauft war, sprach er: „was gehört einem Menschen, der den andern aus dem
Bett trägt und ins Wasser wirft.“ „Ei, antwortete die Alte, daß sie in ein Faß gesteckt wird, das
mit Nägeln ausgeschlagen ist, und den Berg hinab ins Wasser gerollt.“ Da ließ der König ein
50Vgl. Lox, Harlinda: Urteil. In: Enzyklopädie des Märchens 13. Hg. Rolf Wilhelm Brednich u.a.
Berlin/New York 2010, 1276–1281, hier 1280 (insbesondere: 5. Sich selbst unwissentlich das Urteil
sprechen).
51Ruth Bottigheimers auf unausgeglichene Geschlechterverteilung der Übeltäter hinzielende
Bemerkung im Artikel „Nagelfaß“ der Enzyklopädie des Märchens (Dies.: Nagelfaß. In: Enzyklo-
pädie des Märchens 9. Hg. Rolf Wilhelm Brednich u.a. Berlin/New York 1999, 1146–1149, hier 1148)
ist in zweierlei Hinsicht nicht korrekt: Erstens endet KHM 13 in der Erstausgabe nicht mit einer
Nagelfasshinrichtung. Zweitens gehen diese Bestrafungen auf Erzählungen einer Frau, Dorothea
Viehmann, zurück.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 261
solches Faß holen und die Alte mit ihrer Tochter hineinstecken, dann ward der Boden zuge-
hämmert und das Faß bergab gekuttelt, bis es in den Fluß rollte.
Die Bestrafung mit dem Nagelfass findet sich bereits in der Erstausgabe, in einem
anderen Märchen. Nach der Kontamination mit der Viehmann-Erzählung bleibt
diese Stelle unverändert:
KHM 9 Die zwölf Brüder
Die böse Stiefmutter ward in ein Faß gesteckt, das mit siedendem Oehl und giftigen Schlangen
angefüllt war und starb eines bösen Todes.
Bei KHM 3 Marienkind, einem Nicht-Viehmann-Märchen, wird eine Variante mit
einer ähnlichen Stafe, jedoch ohne Selbstverurteilung mitgeteilt: „der Verrath
kommt an den Tag, und die böse Schwiegermutter wird in ein Faß gethan, das ist
mit Schlangen und giftigen Nattern ausgeschlagen und einen Berg herabgerollt.“
Schließlich findet sich in den Anmerkungen zu KHM 11 Brüderchen und Schwes-
terchen (1812) eine weitere fragmentarische Variante mitgeteilt, die sich als Frag-
ment in der Oelenberger Handschrift befindet, in der diese Bestrafung zu finden
ist. „Die Unschuld aber kommt an den Tag, die Schwiegermutter wird in eine mit
scharfen Messern angefüllte Tonne gethan und einen Berg herabgerollt.“
Man kann hier also keine Ausschließlichkeit, sondern lediglich eine Häufung
dieses Motivs für die Viehmann-Märchen konstatieren. Das erklärt sich einerseits
leicht durch eine Geschichte aus Basiles Pentamerone, die Geschichte von Nennillo
und Nennella (5,8):
Der Vater kommt und erkennt sie mit Freuden, die Stiefmutter wird geholt und gefragt, was
der verdiene, der so ein paar schöne Kinder der Todesgefahr aussetze? Sie antwortet: „in
ein Faß eingeschlossen, einen Berg herabgewälzt zu werden“. Dies selbstgesprochene Urtheil
wird vollzogen.
In derselben Quelle gibt es das Motiv der selbstzugesprochenen Strafe noch einmal,
in der Geschichte La mortella (1,2): „Der Prinz fragt, indem er auf seine schöne Braut
weist, was diejenigen verdienten, die ihr ein Leid anthäten? Sie antworten: bei
lebendigem Leibe in das heimliche Gemach geworfen zu werden.“
52KHM 1812, VI (Anhang).
53Vgl. Rölleke (wie Anm.4), Nr.32.
54KHM 1812, VII (Anhang).
55KHM 1822, 367.
56KHM 1822, 284. Vgl. auch die handschriftlich überlieferte Übersetzung dieses Märchens im
Grimm-Nachlass (Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz, Nachlass Grimm o. Nr. C
262 Holger Ehrhardt
Andererseits bemerkt Wilhelm Grimm im Anmerkungsband von 1822 zu KHM
13: „Die Strafe in einem mit Nägeln ausgeschlagenen Faß gerollt zu werden, ist
eine alte Sitte.“ Belege finden sich u.a. in einer holländischen Chronik, einem
schwedischen und dänischen Volkslied, bei Perrault sowie im Pentamerone.
Bolte/Polívka können in den Anmerkungen noch mehrere Dutzend weiterer Belege
finden, u.a. bei Hans Sachs oder in Kirchhofs Wendunmut.
6.5  Liebe im Brautwerbermärchen und Liebe durch Bild
Lutz Röhrich konstatiert in Märchen und Wirklichkeit, dass in der „Mehrzahl
der Brautwerbermärchen […] die Liebe […] merkwürdigerweise gar keine Rolle
[spielt].“ Im Märchenkorpus der KHM kann er lediglich zwei Ausnahmen finden,
die von der ursprünglichen Form dieses Märchens abweichen und in denen sich die
Könige in ein Bild verlieben: KHM 6 Der treue Johannes und KHM 135. Die damit ver-
bundene „Brautsuche aufgrund eines Bildes“, ein populäres Motiv in der orienta-
lischen und europäischen Literatur des Mittelalters, insbesondere der Berta-Sage,
lässt sich in den KHM ebenso nur in diesen beiden Märchen finden.
6.6 Entzauberung durch Enthaupten
Wilhelm Grimm verweist in den Anmerkungen der Erstausgabe zu KHM 135 darauf,
dass die Entzauberung durch Enthaupten in der paderbörnischen Variante mit dem
Lied der Ente „besser begründet wird“. Die Spontanität dieser Handlung erklärt
sich vielleicht aus der Vertrautheit Dorothea Viehmanns mit diesem Motiv, denn es
findet sich in fünf weiteren ihrer Märchen. In KHM 6 bittet der in einen Stein ver-
wandelte treue Johannes den König, seinen beiden Kindern den Kopf abzuhauen,
weil er durch ihr Blut zurückverwandelt werden kann. In KHM 13 wird das Schwert
1,5, fol. 11): „und der König weist seine schöne Braut und fragt was die verdienten, die ihr ein Leid
thäten? Sie sagten: lebendig in einen Abtritt geworf[en] zu werden, und so geschiehts.“
57KHM 1822, 24.
58Vgl. KHM 1822, 24.
59Vgl. Bolte, Johannes/Polívka, Jiří: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder
Grimm. Leipzig 1912, Bd.1, 109.
60Röhrich, Lutz: Märchen und Wirklichkeit. Eine volkskundliche Untersuchung. Wiesbaden 1956,
95.
61Rumpf, Marianne: Braut: Die schwarze und die weiße Braut (AaTh 403). In: Enzyklopädie des
Märchens 2. Hg. Rolf Wilhelm Brednich u.a. Berlin/New York 1979, 730–738, hier 732.
62KHM 1815, XXXVVV (Anhang).
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 263
symbolisch über der Ente geschwungen, hier geht die Textpassage zwar auf die
Version von 1812 zurück, eine Abweichung der Viehmann’schen Erzählung wird
jedoch nicht erwähnt. Die „Zwehrner“ Fassung zu KHM 60 weicht im Ausgang des
Märchens ab, und zwar
schließt dieses mit der Hochzeit und mit der Erlösung der drei Thiere. Sie bitten flehentlich
ihnen den Kopf abzuhauen, er will sich lange nicht dazu verstehen, wie er es endlich thut,
so verwandelt sich der Has in eine schöne Königstochter, das Reh in eine Königin, der Bär in
den König.
Auch für KHM 57 lässt sich eine Viehmann’sche Variante bezeugen, in der das Töten
des Fuchses vorkommt. In dieser Form der Entzauberung von Tierhelfern „liegt
eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Abstreifen der Tierhaut in anderen Märchen
vor“, ein Motiv, das wiederum im Viehmann-Märchen KHM 108 auftaucht.
6.7  Böse Frauen: Stiefschwestern, Stiefmütter, falsche
Prinzessinnen und unterschobene Bräute
Die Häufung des nächsten Motivs in den Märchen Dorothea Viehmanns setzt
einen kurzen biographischen Exkurs voraus und bestätigt nebenbei, dass sich die
„Anknüpfung“ einiger Viehmann-Märchen „an die Wirklichkeit an einer gewissen
Lokalfärbung des Handlungsmilieus [zeigt], das z.T. der Umwelt der Erzähler nach-
gezeichnet ist“.
Die Auswertung der Kirchenbücher, insbesondere der Pateneinträge der
Kinder von Dorothea Viehmann, deutet darauf hin, dass sie und ihre zweitälteste
Schwester Anna Sabina Pierson ein gespanntes Verhältnis zueinander hatten. Es
scheint zu einem Zerwürfnis gekommen zu sein und die mehrfach erwähnte Armut
der Familie Viehmann scheint eine Folge davon gewesen zu sein.
63KHM 1822, 109.
64Vgl. KHM 1815, XXXVI (Anhang): „Einmal wird auch erzählt, daß der Fuchs, nachdem er den
Schuß zuletzt empfangen, ganz verschwindet und nicht zu einem Menschen wird.“ Am Rand des
Handexemplars notierte Jacob Grimm dazu: „die zwerener Frau: vom Vogel Venus.“
65Soons Alan: Enthauptung. In: Enzyklopädie des Märchens 4. Hg. Rolf Wilhelm Brednich u.a.
Berlin/New York 1984, 13–18, hier 15.
66Neumann, Siegfried: Realitätsbezüge. In: Enzyklopädie des Märchens 11. Hg. Rolf Wilhelm Bred-
nich u.a. Berlin/New York 2004, 377–400, hier 389. Vgl. dazu auch Röhrich (wie Anm.60), 162–177,
insbesondere 164.
67Vgl. Ehrhardt, Holger: Dorothea Viehmann, geb. Pierson. Herkunft, Lebensweg und Erinnerung.
In: Dorothea Viehmann. Hg. Holger Ehrhardt. Kassel 2012, 8–29, hier 13f.
264 Holger Ehrhardt
Als die Ehe zwischen Nikolaus Viehmann und Dorothea Pierson am 9.März 1777
geschlossen wurde, war die Braut bereits im dritten Monat schwanger. Der Nieder-
zwehrener Schneider Nikolaus Viehmann, dessen Eltern ihren Bauernhof infolge
des Siebenjährigen Krieges aufgeben mussten, schien überdies nicht als standesge-
mäßer Ehemann für die älteste Tochter des Gasthausbesitzers Isaac Pierson angese-
hen worden zu sein. Zudem, so die Familienüberlieferung, war sein Lebenswandel
nicht ganz tadellos. Das Gasthaus Knallhütte ging jedenfalls nicht an die älteste
Tochter, sondern im Jahr 1788 für einige Jahre an einen anderen Besitzer über, bis
es 1794 wurde es vom Bierbrauer Otto Keim erworben wurde, der Dorothea Vieh-
manns Schwester Anna Sabina Pierson am 24.November 1786 geheiratet hatte.
In diesen Zusammenhang ist die Geburt des dritten Kindes von Nikolaus und
Dorothea Viehmann aus mehreren Gründen bemerkenswert. Dorothea Viehmann
hatte nach ihren ersten beiden Kindern, die 1777 und 1778 auf der Knallhütte
geworden wurden, neun Jahre lang kein Kind mehr bekommen. Der Geburtster-
min ihrer dritten Tochter (27.September 1787) liegt zehn Monate nach der Hochzeit
ihrer Schwester Anna Sabina. Das Kind wird in Niederzwehren geboren, d.h. die
Familie Viehmann muss vorher von der Knallhütte weggezogen sein. Beim ersten
Kind wurde die nächstältere Schwester Anna Margaretha zur Patin gebeten, beim
zweiten Kind eine Bekannte aus Niederzwehren, nun, beim dritten, wurde Anna
Sabina ausgelassen und die nächstjüngere Schwester Martha Elisabeth zur Patin
gebeten. Nach dem Tod des Vaters (1798) kam es offensichtlich zu einer späten
Versöhnung, denn die letztgeborene Tochter Dorothea Viehmanns wurde auf den
Namen Anna Sabina getauft. Dennoch deuten diese Daten auf einen Konflikt zwi-
schen beiden Schwestern und dieser schien doch lange nachzuwirken.
Heinz Rölleke hat darauf verwiesen, dass Dorothea Viehmanns „eigenes sozia-
les Umfeld, in dem sie aufwuchs und lebte, […] auf ihr Repertoire“ Einfluss genom-
men habe. Eine Figurenanalyse im Viehmann-Korpus zeigt, dass es in neun der
insgesamt 18 Zaubermärchen (einschließlich Varianten) weibliche Figuren gibt, die
mit negativen Eigenschaften behaftet sind: die „böse Kammerjungfer“ (KHM 89),
die für ihre „Falschheit“ bestrafte Königstochter (KHM 108), die „falsche Prinzes-
sin“ (KHM 122a), die „alte Hexe“ und die „falsche Braut“ (KHM 127), die Mutter
68Vgl. Presche, Christian: Die Knallhütte bei Rengershausen– das Elternhaus der Dorothea Vieh-
mann. Anfänge und Baugeschichte eines Straßenwirtshauses. In: Dorothea Viehmann. Hg. Holger
Ehrhardt. Kassel 2012, 108–141, hier 126.
69Rölleke (wie Anm.31b), 37.
70KHM 1815, 24.
71KHM 1815, 130.
72KHM 1815, 188.
73KHM 1815, 211 und 219.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 265
des Königs, „die eine böse Frau war“ (KHM 9), die „alte Hexe“ (KHM 122)– und
schließlich in KHM 135 die „schwarze Hex“ und ihre Tochter.
In den mitgeteilten Varianten wird die Fixierung auf diesen Figurentyp noch
deutlicher. Der Vergleich der beiden Versionen von KHM 13 von 1812 (Dortchen
Wild) und 1819 (Kontamination mit Erzählung von Dorothea Viehmann) zeigt, dass
aus ihrer Version besonders solche Züge und Motive neu hinzugekommen sind
bzw. geändert wurden, die die Bosheit der Stiefmutter zeigen: das Versprechen,
die Tochter des Mannes zu bevorzugen, das langsame Hintergehen dieses Verspre-
chens, die Hoffnung, dass die Tochter des Mannes erfriert, der Neid der Stiefschwes-
ter auf die Zaubergabe, das qualvolle Garnschlittern als Aufgabe für die Tochter des
Mannes, der Besuch der Stiefmutter und Stieftochter bei der neuen Königin, das
Motiv der unterschobenen Braut, die Selbstverurteilung der Stiefmutter und die
Bestrafung mit dem Nagelfass.
Ebenso zeigt die Viehmann-Variante zu KHM 21 die Figur der falschen Stiefmut-
ter am Beginn und das Motiv der unterschobenen Braut in einem retardierenden
Zusatz nach dem vorerst glücklichen Ende:
Eine davon, aus Zwehrn hat nicht den Eingang, wo die sterbende Mutter ihrem Kinde Bei-
stand verspricht, sondern fängt gleich damit an, daß es einem Stiefkind schlimm geht; auch
ist das Ende verschieden. Nämlich, nachdem Aschenputtel ein Jahr lang vergnügt mit dem
König gelebt, verreist er und läßt ihr alle Schlüssel zurück, mit dem Befehl, eine gewisse
Kammer nicht zu öffnen. Als er aber fort ist, wird sie von der falschen Schwester verleitet,
die verbotene Kammer aufzuschließen, worin sie einen B l u t b r un ne n finden. In diesen
wird sie hernach, als sie bei der Geburt eines Söhnleins krank liegt, von der bösen Schwester
geworfen, die sich an ihrer Stelle ins Bett legt; aber die Wachen hören das Jammergeschrei,
retten die rechte Königin und die falsche wird bestraft.
Die Zusammensetzung des Motivs der unterschobenen Braut mit dem Aschenbrö-
delmotiv ist in der internationalen Erzählliteratur häufiger zu beobachten; in den
deutschen Märchen findet sie sich nur bei Dorothea Viehmann. Das Motiv alleine
kommt in den Kinder- und Hausmärchen am häufigsten in Viehmann-Märchen vor:
in KHM 13, 21, 89, 127 und 135. Die Bevorzugung dieses Figurtyps und Motivs bei
74KHM 1819, Bd.2, 53.
75KHM 1815, Bd.2, 257.
76KHM 1822, 36f.
77Vgl. Arfert, Paul: Das Motiv der unterschobenen Braut in der internationalen Erzählliteratur
mit einem Anhang: Ueber den Ursprung und die Entwicklung der Bertasage. Schwerin 1897, 24–26
und 29.
78Ebd., 8, 15 und 23f., Bolte/Polívka (wie Anm.59) Bd.1, 85, und Röhrich (wie Anm.60), 102f.– Das
Motiv findet sich auch in KHM 11 Brüderchen und Schwesterchen.
266 Holger Ehrhardt
Dorothea Viehmann bekräftigt die Zuschreibung von KHM 135 zu ihrem Märchen-
korpus erneut.
7  Überlieferungsgeschichtliche Gemeinsamkeiten
Vermutlich deswegen, weil Dorothea Viehmann eine Nachfahrin hugenottischer
Einwanderer war, wurde übersehen, dass die meisten ihrer Märchen stofflich und
motivisch mit den Erzählungen des Pentamerone oder denen der Gesta Romano-
rum übereinstimmen. Wilhelm Grimm erwähnt diesen Zusammenhang zwar nicht
explizit, wohl aber nimmt er im Anmerkungsband von 1822 eine Gegenüber-
stellung der KHM und der Pentamerone-Märchen vor, die 1856 noch ergänzt wird.
Von den 33 Märchen dieser Konkordanz finden sich Übereinstimmungen mit 13
Märchenbeiträgen bzw. -varianten von Dorothea Viehmann:
(1, 2) 2 Der Heidelbeerstrauch 76 Die Nelke.
(1, 4) 4 Vardiello 59 Frieder und Catherlieschen.
(1, 5) 5 Der Floh 71 Sechse durch die Welt.
(1, 6) 6 Aschenkätzchen 21 Aschenputtel.
(1, 7) 7 Der Kaufmann 60 Die zwei Brüder.
(1, 9) 9 Die Hirschkuh 60 Die zwei Brüder.
(2, 5) 15 Die Schlange 108 Hans mein Igel.
(2, 10) 20 Der Gevatter 61 Das Bürle.
(3, 2) 22 Mädchen ohne Hände 31 Mädchen ohne Hände.
(3, 8) 28 Der Dummling 71 Sechse durch die Welt.
(3, 10) 30 Die drei Feen 13 Die drei Männlein.
(4, 4) 34 Die sieben Speckschwarten 14 Die drei Spinnerinnen.
(4, 7) 37 Die zwei Kuchen 135 Die weiße u. schwarze Braut.
(4, 9) 39 Der Rabe 6 Der treue Johannes.
Bei den Gesta Romanorum bemerkt Wilhelm Grimm vier weitere Übereinstimmun-
gen:
2 Kap.44 29 Der Teufel mit den drei goldenen Haaren
5 Kap.37 118 Die drei Feldscherer
10 Kap.8 122 Der Krautesel
12 Kap.24 94 Die kluge Bauerntochter
79KHM 1815, XXV (Anhang): „Ist König Porc bei Straparola (II.1.)“.
80KHM 1856, 293f.
81Vgl. ebd., 294–299. Man könnte hier zudem Einzelmotive aufzählen, die sich weiteren Märchen
finden.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 267
Parallelen zu französischen Märchen von Perrault und der Madame d’Aulnoy lassen
sich weitaus seltener feststellen. Wilhelm Grimm stellt im Anmerkungsband von
1856 sechs Viehmann-Märchen den französischen Barockmärchen gegenüber: KHM
13 und Perraults Nr.1 (les fées), KHM 21 und Perraults Nr.6 (Cendrillon), KHM 135
und die Nr.6 (Rosette) der Madame d’Aulnoy, KHM 63 bzw. 106 und deren Nr.19 (La
chatte blanche) sowie KHM 71 und Nr.20 (Belle-Belle ou le chevalie fortuné).
Zusammengefasst: 17 Viehmann-Märchen, d.h. fast die Hälfte der von ihr
herrührenden Beiträge, weisen Übereinstimmungen mit dem Pentamerone oder
den Gesta Romanorum auf, während bei den französischen Einflüssen lediglich
sechs ihrer Märchen aufgezählt werden. Es mag dahinstehen, welche Schlussfol-
gerungen sich daraus ziehen lassen, für die vorliegende Untersuchung bleibt fest-
zuhalten: Auch eine überlieferungsgeschichtliche Perspektive legt nahe, dass ein
beträchtlicher Teil der Viehmann-Märchen und das fragliche KHM 135 literarische
Vorstufen aus denselben Quellen haben.
Die bisher aufgezeigten Gemeinsamkeiten von KHM 135 mit anderen Märchen
Dorothea Viehmanns treten so überdeutlich hervor, dass man an dieser Stelle pro-
blemlos zu einem Fazit übergehen könnte. Die Indizien sind allesamt textimma-
nent, sie gründen sich auf sprachlich-stilstatistische, lexikalisch-motivische und
überlieferungsgeschichtliche Erwägungen. Im Folgenden soll der Frage nachgegan-
gen werden, ob textexterne Faktoren diese Beobachtung bestätigen. Gibt es hierfür
plausible biographische, schriftvergleichende oder kodikologische Argumente?
8  Biographie und Entstehungsgeschichte der KHM
Die falsche Herkunftsangabe „(Aus dem Meklenb. und Paderbörn.)“ zu KHM 135
ließe sich freilich schlicht als ein Versehen erklären. Eine gesonderte Autopsie
der Viehmann- und der Haxthausen-Märchen mit Blick auf die biographischen
Zusammenhänge und die Entstehungsgeschichte des Bandes 2 der KHM vermag
die Zusammenhänge jedoch ein wenig detaillierter zu illustrieren.
82Wobei die Gesta Romanorum allerdings nicht als italienische oder neapolitanische Überliefe-
rung angesehen werden. Vgl. auch KHM 1856, 294: „Es kann ein Engländer oder Franzose gewesen
sein, am wahrscheinlichsten ist es, da deutsche Namen von Hunden vorkommen, ein Deutscher.“
83Rölleke (wie Anm.31b), 35 und 37, sieht bei folgenden Märchen französische Einflüsse: KHM21,
57, 60, 76, 92, 63, 122, 127, 128; Rimasson-Fertin, Natacha: „Echt hessische Märchen? Französische
Einflüss und Motive in den Viehmannschen Märchen der Brüder Grimm. In: Dorothea Viehmann.
Hg. Holger Ehrhardt. Kassel 2012, 46–58, bei KHM 63, 106 und 108.
84KHM 1815, XXXVII (Anhang).
268 Holger Ehrhardt
Aus dem Briefwechsel der Brüder Grimm wissen wir, dass Wilhelm die End-
redaktion des zweiten Bandes alleine besorgte; Jacob war die meiste Zeit des Jahres
1814 bis ins Jahr 1815 dienstlich in Anspruch genommen und als kurhessischer
Diplomat verreist: von Ende Dezember 1813 bis Juli 1814 nach Paris und von Sep-
tember 1814 bis Juni 1815 nach Wien. Zudem galt für die Redaktion der Kinder- und
Hausmärchen vermutlich das, was Jacob zum Band1 bemerkt hatte:
Aber die Märchen denke ich schreiben wir nach und nach ins Reine und schicken sie bald ab,
man kann sie ohne andere Entwürfe gleich beim Copiren einrichten, wenn du einstweilen
anfangen willst, soll es mir lieb seyn, denn du hast wohl überhaupt darin mehr Geschick als
ich.
Irgendwann in diesem Prozess der Drucklegung, bei dem Wilhelm saubere
Abschriften anfertigte, wurden die zurückbehaltenen Urfassungen der Märchen
für den Band1 und die redigierten Druckmanuskripte größtenteils vernichtet und
Herkunftsperson sowie Datum für das jeweilige Märchen ins Handexemplar über-
tragen. Das gleiche Verfahren, Manuskriptvernichtung und Datenübertragung, lässt
sich bis zu einem gewissen Zeitpunkt auch bei Band2 feststellen: Die von Wilhelm
Grimm im Handexemplar handschriftlich nachgetragenen Daten im Inhaltsver-
zeichnis dieses Bandes, die uns Auskunft über den Aufnahmezeitpunkt der meisten
Viehmann-Märchen erteilen, scheinen dies zu untermauern, denn sie brechen beim
letzten Viehmann-Märchen, KHM 128 Die faule Spinnerin, ab. Sie umfassen den
Zeitraum vom 5.Januar 1813 (KHM 105 von Dortchen Wild) bis zum 4.September
1814 (KHM 125 von Dorothea Viehmann). Einen Tag, bevor Dorothea Viehmann zum
ersten Mal bei den Brüdern Grimm zwei Märchen erzählt, berichtet Jacob Grimm
über die bis dahin gesammelten Märchen:
du glaubst nicht, wie einem unter dem Sammeln Muth und Glück wächst, das hab ich an den
Märchen seitdem gesehen; wir haben schon so manche reiche Beiträge erlangt, daß gleich ein
halber neuer Band könnte gegeben werden; auserdem ist noch viel versprochen. Erst dieser
Tage ist von Bökendorf ein Pack gar schöner, zum Theil plattdeutsch aufgeschriebener ein-
gegangen. Nächstdem unterstützt uns ein Candidat Siebert aus dem Ziegenhainischen brav;
dann ein Student Bauer aus Göttingen und Demoiselles Ramus hier in Caßel. Aus dem Oden-
wald und Frankfurt her muß auch eingehen.
85Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Kritische Ausgabe in Einzelbänden.
Bd.1.1: Briefwechsel zwischen Jacob und Wilhelm Grimm (Text). Hg. Heinz Rölleke. Stuttgart 2001,
241 (Jacob an Wilhelm Grimm, [21.Juni 1812]).
86UB Kassel: Landes- und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel, 2° Ms. hist. litt. 21[63 (Jacob
Grimm an Paul Wigand, 28.Mai 1813).
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 269
Nach der hier erwähnten Sendung der Familie Haxthausen aus Bökendorf (die
allerdings schon vom 21.Januar 1813 stammte) traf im September 1814, während
Jacob Grimms Abwesenheit, eine weitere Sendung in Kassel ein. Wilhelm schrieb
darüber im Oktober 1814 nach Wien: „Die Beiträge von Haxthausen werden dich
freuen; besonders ein neues Fuchsmärchen.“
Ein Blick auf die handschriftlichen Überlieferungen (die ‚Urfassungen‘) der
Märchen zum Band2, also von KHM 87 bis 143, zeigt in Bezug auf die Viehmann-
und Haxthausen-Märchen folgenden Befund:
Zu keinem Viehmann-Märchen gibt es eine Handschrift, jedoch fast durchweg
einen Datumseintrag im Inhaltsverzeichnis des Bandes 2 (1815) der Handexem-
plare.
Für die meisten Märchen aus dem „Paderbörnischen“ oder aus dem „Münster-
land“ existiert eine Handschrift aus den Händen der Familie von Haxthausen
bzw. von Jenny von Droste-Hülshoff.
Fast alle anderen Märchen, für die es weder einen Datumseintrag noch eine
Handschrift gibt, stammen nicht aus dem Paderbörnischen oder Münster-
land.
Die Handschrift zu KHM 135 mit dem Titel „Die Ente am Goßenstein“ fällt also in
mehrerlei Hinsicht auf:
Sie ist die einzige erhaltene Handschrift Jacob Grimms für ein Märchen zum
Band2 von 1815.
Sie ist die einzig erhaltene Handschrift Jacob Grimms für ein angebliches
Märchen aus Westfalen und ist im Band2 zwischen 13 Märchen aus dem Pader-
börnischen und Westfalen (KHM 131 bis 143) angeordnet.
Diese im weitesten Sinne der Überlieferungsgeschichte zuordenbare Besonder-
heit lässt es durchaus plausibel erscheinen, dass sich das von Jacob Grimm ver-
fasste Manuskript in der angespannten Lage der allein auf den Schultern Wilhelm
Grimms ruhenden Endredaktion versehentlich unter die westfälischen Beiträge
mischen konnte, ohne dass dieser den Fehler bemerkte. Aber auch Jacob Grimm,
87Grimm/Rölleke (wie Anm.85), 369 (Wilhelm an Jacob Grimm. Kassel, 13.Oktober 1814). Das
„Fuchs märchen“ ist KHM 132 Der Fuchs und das Pferd.
88Die an den Schluss gestellten Märchen (KHM 144 bis 155) sind „aus schriftlichen Quellen gesam-
melt“ (KHM 1815, XLIII [Anhang]).
89Eine Ausnahme bildet KHM 89 Die Gänsemagd.
90Lediglich KHM 134 Die sechs Diener und 142 Simeliberg fehlen. Bei KHM 139 Dat Mäken von
Brakel existiert nur die Druckvorlage von Wilhelm Grimm.
91Ausnahmen sind KHM 101 Der Teufel Grünrock und KHM 110 Der Jud’ im Dorn, für den eine
paderbörnische Variante zumindest als Kontamination diente.
270 Holger Ehrhardt
der sich allerdings bald nach seiner Rückkehr der Deutschen Grammatik zuwandte,
hat diesen Fehler später nicht revidiert.
9  Kodikologische und schriftvergleichende
Beurteilung
9.1  Einordnung
Das Manuskript „Die Ente am Goßenstein“ liegt in einem Konvolut zusammen mit
den meisten der Haxthausen’schen Märchen-Handschriften (Nachlass Grimm, o. Nr.
C 1,1), unter anderem also genau mit den in Wilhelm Grimms Brief vom 13.Oktober
1814 erwähnten und anderen „Beiträge[n] von Haxthausen“ und von Jenny Droste-
Hülshoff in nachstehender Reihenfolge: KHM 107a, 10, KL 9, KHM 91, 126, 138, 141,
132, 133, 136, 137, 96, 131, 140 und 113.
Dazwischen befinden sich (überaus seltene) Druckvorlagen von der Hand
Wilhelm Grimms für den zweiten Band der Erstausgabe von 1815, die (vermutlich
vom Setzer) abgezeichnet wurden: KHM 140, 96, 138, 141, 137, 136. Danach folgen
Märchenhandschriften anderer Beiträger, zu KHM 38, die hier in Frage stehende
Handschrift zu KHM 135 sowie Handschriften zu KHM 42 und 82. Die Manuskripte
zu KHM 38, 42 und 82 können unberücksichtigt bleiben, denn aus den Aufschriften
geht hervor, dass sie nicht zur Überlieferungsgruppe der Märchen aus dem Pader-
börnischen bzw. Münsterland gehören. Alle anderen Märchen dieses Konvoluts
gehören dorthin.
Nun ist die Zuordnung einer Handschrift zu einem Konvolut in der Regel ein
sehr schwaches Indiz für sachliche oder chronologische Zusammenhänge, denn sie
kann zufällig oder von Nachlassverwaltern und Archivaren verändert worden sein.
Aber in unserem Fall kann sie mit ziemlicher Sicherheit nachvollzogen werden,
denn es ist ein Umschlag beigelegt, der beweist, wie dieses Manuskript in das Kon-
volut gekommen ist. Er ist mit Tinte und Bleistift von Reinhold Steig beschriftet und
die KHM-Nummer wurde von Johannes Bolte mit Bleistift ergänzt:
Zu den Märchen (nr.135)
Zunächst
für Bolte
später: nach Cassel
92Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz, Nachlass Grimm o. Nr. C 1,1, fol. 43.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 271
Abb.1: Umschlag für das Manuskript zu KHM 135 von Reinhold Steig für Johannes Bolte, o. D.
(Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz, Abt. Handschriften und Historische Drucke,
Nachlass Grimm o. Nr. C 1,1, fol. 43)
Eine Einordnung in das Konvolut erfolgte also durch Johannes Bolte, nachdem
er das Manuskript von Reinhold Steig erhalten hatte und zwar zwischen 1901 und
1918, nach dem Tod Herman Grimms und vor dem Tod Reinhold Steigs.
Diese späte Einordnung wird auch dadurch plausibel, dass das Manuskript
durch eine mit Bleistift– und nicht wie sonst üblich, mit Blaustift – vermerkte
Zuordnung zu den KHM-Nummern hervorsticht. Die Schrift scheint allerdings vom
selben Schreiber herzurühren, der die Märchenmanuskripte mit Blaustift entspre-
chend der KHM-Nummer bezeichnet hat. Ziemlich sicher stammt sie vom selben
Schreiber, der mit Bleistift „(nr.135)“ auf dem Umschlag ergänzt hat, also offensicht-
lich von Johannes Bolte.
93Vgl. hierzu Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestand 340 Grimm, P 104 (Johannes Bolte an
Agnes Oestreich, 19.Januar 1920): „In früheren Jahren hat mir Prof. Steig Papiere aus dem Grimm-
schen Nachlass, die sich auf die Märchen bezogen, ohne weiteres anvertraut.“
272 Holger Ehrhardt
Abb.2: Beispiele der mit Blaustift nummerierten KHM-Manuskripte im Vergleich zu KHM 135
(Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz, Abt. Handschriften und Historische Drucke,
Nachlass Grimm o. Nr. C 1,1)
Wenn es sich bei dem „Goßenstein“-Manuskript um die Mitschrift einer Mär-
chenerzählung von Dorothea Viehmann handelt, muss es zwischen dem 29.Mai
1813 und dem 23.Oktober 1813 bzw. zwischen Anfang September 1814 und dem
20. oder 21.September 1814, vor der Abreise Jacob Grimms nach Wien, angefertigt
worden sein.
9.2  Kann die Ausprägung der Handschrift Hinweise auf ihren
Entstehungszeitraum geben?
Bei der Beurteilung von Handschriftencharakteristika muss berücksichtigt werden,
dass der Abschluss der Schreibentwicklung eines Menschen meist bis Mitte 20
vollzogen ist. Jedoch auch später noch lässt sich eine Entwicklung verfolgen, die
allerdings langsamer von statten geht. Die Schrift Jacob Grimms in den zu unter-
94Vgl. hierzu Rölleke, Heinz: Der früheste Beitrag Dorothea Viehmanns zu den Grimmschen Mär-
chen. In: Fabula 37 (1996), 113–115.
95KHM 122a Die lange Nase wurde mit dem Datum 4.September 1814 versehen. Jacob verließ
Kassel um den 20.September ab nach Wien; vgl. Grimm/Rölleke (wie Anm.85), 358–360 (Jacob an
Wilhelm Grimm. Regensburg, 22. und 23.September 1814).
96Vgl. Michel, Lothar: Gerichtliche Schriftvergleichung. Eine Einführung in Grundlagen, Metho-
den und Praxis. Berlin und New York, 1982, 27.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 273
suchenden Jahren– 1813/1814 ist er 28 bzw. 29Jahre alt– weist durchaus noch diesen
langsamen Wandel auf. Als Schriftproben stehen die Manuskripte der Oelenber-
ger Handschrift (1810) zur Verfügung, Briefe der folgenden Jahre (1810 bis 1813)
und eine weitere Märchen-Mitschrift, die schon erwähnte Gespenstersage Der arme
Bauer auf dem Kirchhof (1813).
An dieser Stelle soll keine Erfassung von Schriftmerkmalen durchgeführt
werden, die den Maßstäben für eine forensische Schriftvergleichung standhält,
sondern für philologische Datierungszwecke lediglich die systematische Variabi-
lität einiger Großbuchstaben mit Blick darauf untersucht werden, „ob sich ganz
bestimmte, wiederkehrende Merkmalsvariationen feststellen lassen und zwar […]
in bestimmten Schreibzonen (Ober-, Mittel- und Unterzone)“ sowie „an bestimmten
sonstigen Positionen (z.B. Satzanfängen, An- und Ausstrichen etc.)“.
9.3  Die Großbuchstaben A, G und U
Aus dem direkten Vergleich zwischen der Urfassung von 1810 und den vorliegenden
beiden Mitschriften Viehmann’scher Märchenerzählungen fallen Unterschiede bei
den Großbuchstaben A, G und U auf– ebenso, aber weniger instrumentalisierbar
bei den Kleinbuchstaben a und g. Bei der Ausformung dieser Buchstaben ist Jacob
Grimms Schrift im Jahr 1810 noch mehrheitlich der Schulvorlage der deutschen
Kurrent verpflichtet, die sich darin äußert, dass die linken ovalen Bestandteile
dieser Großbuchstaben durch Oberschleifen mit dem rechts befindlichen vertika-
len Abstrich verbunden werden.
Zwischen 1810 und 1813 verlieren sich diese Schleifen langsam und werden
durch eine Spitzkehre ersetzt, die die Girlande des Abstrichs einleitet. Der Zeitpunkt
dieses Verlustes ist bei den drei Buchstaben unterschiedlich und dadurch ist es in
einem gewissen Rahmen möglich, das Manuskript zeitlich einzugrenzen.
97Abgesehen davon lassen sich auch im Lauf seines späteren Lebens mehrere paradigmatische
Schriftänderungen feststellen, insbesondere bei der s-Schreibung.
98Online abrufbar unter: https://www.e-codices.unifr.ch/en/searchresult/list/one/fmb/ms-Grimm-
G-072-001 (30.August 2023).
99Vgl. das Grimm-Briefverzeichnis der Berliner Arbeitsstelle Grimm-Briefwechsel.
100Letztere weist allerdings Merkmale einer schnellen Mitschrift auf und ist daher im Vergleich
zu den langsam und deutlich geschriebenen anderen Manuskripten nur bedingt zu gebrauchen.
101Vgl. hierzu Michel (wie Anm.96), 84f.
274 Holger Ehrhardt
Schulvorlage 1810 1811 1812 1812
Abb.3: Ausgeschnittene Großbuchstaben aus Manuskripten und Briefen von Jacob Grimm
(1810–1813)
Beim Buchstaben A stellen wir in der Urfassung von 1810 eine etwa gleichran-
gige Koexistenz der Oberschleifen mit den Spitzkehren fest. In den Briefen zeigt sich
jedoch schon 1810 eine Prädominanz der Spitzkehren, Oberschleifen sind seltener,
aber noch bis März 1812 nachweisbar. Da das „Goßenstein“-Manuskript keinerlei
Oberschleifen beim A aufweist, lässt sich hiermit ein Terminus a quo nach dem
März 1812 etablieren.
Beim Buchstaben G lässt sich in der Urfassung von 1810 eine Prädominanz der
Oberschleife feststellen. In den Briefen ist sie seltener, jedoch häufiger als beim A
zu finden. Sie verschwindet etwas früher als beim A, etwa gegen Ende 1811, hält sich
allerdings in der stabileren Briefunterschrift beim Namen Grimm länger. Da wir im
vorliegenden Manuskript keinerlei Oberschleifen beim G finden, liegt der Terminus
a quo hier bei Ende 1811.
Die Durchsicht der Briefe Jacob Grimms an Paul Wigand bekräftigt diese
zeitliche Eingrenzung des untersuchten Manuskripts: Die Oberschleifen beim A
verschwinden im März 1811. In den Briefen von 1813 lässt sich kein A mit Ober-
schleife finden. Beim G ist diese nur in Briefunterschriften nachweisbar, beim U
bis Ende 1812.
102Beim Buchstaben U setzt der Verlust der Oberschleife etwas später ein, wohl in graphischer
Ausdifferenzierung zum A. In den untersuchten Texten der Urfassung von 1810 findet sich kein
Beispiel mit Girlande, in den Briefen lässt sich das erste U ohne Oberschleife im April 1811 finden.
Diese Entwicklung setzt sich fort, bis im März 1813 ein Übergewicht der Girlanden feststellbar ist,
im Juni 1813 ein deutliches Übergewicht. Im vorliegenden Manuskript lässt sich kein U finden,
sodass diese Phasenverschiebung beim Verlust der Oberschleife hier leider keine Hinweise liefern
kann, sondern lediglich das Datierungspotenzial aufzeigt.
103Vgl. Grimm-Portal der UB Kassel.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 275
9.4  Ausstriche
Ein weiteres Schriftmerkmal jenseits der Buchstabenvarianz verweist noch deut-
licher auf die in Frage kommende Zeit des Zusammentreffens der Brüder Grimm
mit Dorothea Viehmann. Gelegentlich wird beim letzten Buchstaben am Ende eines
Textes eine „besonders auffallende Gestaltung“ vorgenommen, eine ausladende
Geste in Form von Schnörkeln oder Schleifen. Diese hier nach Michel als Ausstri-
che bezeichneten Betonungen haben in der Urfassung von 1810 meist eine Form,
die vom Endbuchstaben nach unten und links führt, dann rückwärts nach rechts
gehend eine auf der Seite liegende Acht oder ein spiegelverkehrtes Et-Zeichen
beschreibt und dann nach links in einen nach oben geöffneten Bogen ausläuft.
Auf einigen für 1812 datierbaren Notizzetteln bzw. Manuskripten findet sich
nun eine demgegenüber vereinfachte Endgeste, die vom letzten Buchstaben nach
links läuft, um dann lediglich eine etwa 5cm große Schleife nach rechts zu beschrei-
ben und dann wieder nach links im Bogen nach oben ausläuft.
1810: liegende Et-Sigle
Abb.4: Ausstrich auf dem Manuskript der Oelenberger Handschrift (fol. 31bv)
1812: einfache, runde Schleife
Abb.5: Ausstrich auf einem Notizzettel, 1812 (Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz,
Abt. Handschriften und Historische Drucke, Nachlass Grimm 1756 III, 1, fol. 84r)
104Wittlich, Bernhard: Angewandte Graphologie. Berlin 1948, 59.
105Ebenso bei fol. 103r und 104r.
276 Holger Ehrhardt
23.Juni 1813: raumgreifende, runde Schleife
Abb.6: Ausstrich auf dem Sagenmanuskript „Der arme Bauer auf dem Kirchhof“, 23.Juni 1813
(Staatsbibliothek zu Berlin– Preußischer Kulturbesitz, Abt. Handschriften und Historische Drucke,
Nachlass Grimm 1756, IV, fol. 194r)
undatiert: raumgreifende, runde Schleife
Abb.7: Ausstrich auf dem Manuskript „Die Ente am Goßenstein“, o. D. (Staatsbibliothek zu Berlin–
Preußischer Kulturbesitz, Abt. Handschriften und Historische Drucke, Nachlass Grimm o. Nr. C 1,1,
fol. 42v)
1816: zusammengedrückte Schleife
Abb.8: Ausstrich auf dem Sagen-Manuskript „Die Siebenzehner“, 1816, (Staatsbibliothek zu Berlin–
Preußischer Kulturbesitz, Abt. Handschriften und Historische Drucke, Nachlass Grimm 1756 VI, fol.87)
106Ebenso bei fol. 110r.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 277
Der Ausstrich vom (hier undatierten) „Goßenstein“-Manuskript kann in die Zeit
ab 1812 eingeordnet werden, die Ähnlichkeit mit dem anderen erhaltenen Vieh-
mann-Manuskript vom 23.Juni 1813 ist auffällig ähnlich, dass man den Text mit
hoher Wahrscheinlichkeit auf das Jahr 1813 datieren kann.
10  Gattungstypologie und ATU-Klassifikation des
Viehmann-Korpus
Wie verhält sich diese neue Erkenntnis zur Herkunft von Die weiße und die schwarze
Braut mit der ATU-Klassifikation? Gattungstypologisch teilen sich die Viehmann-
Märchen (einschließlich KHM 135 und 195) in 18 Zaubermärchen, 7 Schwank-
märchen, 6 Schwänke, jeweils 2 Rätsel- und Tierschwänke sowie jeweils ein Tier-
märchen, Exemplum und Rätselmärchen. Die für unsere Betrachtung relevante
Gruppe der Zaubermärchen (ATU 300–749) ist im Falle des Viehmann-Korpus leicht
inkonsistent, da etwas mehr als ein Drittel der hier eingeteilten Zaubermärchen
Übergänge zum Schwankmärchen (KHM 4, 71, 90, 100, 106, 118) bzw. zum Schwank
(KHM 120) aufweisen.
Einige der Viehmann’schen Zaubermärchen lassen sich mehreren ATU-Typen
zuordnen: KHM 58 zu ATU 223 und 248, KHM 60 zu ATU 300, 303 und 567, KHM
29 zu ATU 461 und 930, KHM 31 zu ATU 706 und 930. Innerhalb der Gruppe der
Schwänke (ATU 1200–1963) fällt die Besonderheit von KHM 59 Der Frieder und das
Catherlieschen auf. Dieser „aktionsreiche Dummenschwank“ besteht aus mehre-
ren Episoden, die durch acht ATU-Klassifikation beschrieben werden müssen: ATU
1291, 1383, 1385*, 1387, 1541, 1653, 1696 und 1791. KHM 61 lässt sich zu 1358 A und C,
1297* und 1535 zuordnen.
Aber auch andere Viehmann-Märchen sind unikale Varianten mit eigentüm-
lichen Motivmischungen, kapriziösen Zutaten oder Kontaminationen aus ver-
schiedenen Vorlagen, z.B. KHM 111 Der gelernte Jäger „geht am Ende in den König
Drosselbart über“. In KHM 63 Die drei Federn wird der gleiche Reim der Itsche
verwendet wie in KHM 127 Der Eisenofen. Die „Zwehrner“ Variante zu KHM 21
Aschenputtel transzendiert die gattungstypische Morphologie des Märchens, indem
nach dem scheinbaren Happy Ending, der Hochzeit, noch zwei retardierende
Momente angehängt werden: die verbotene Kammer mit einem Blutbrunnen (vgl.
KHM 46 Fitchers Vogel oder KHM 62a Blaubart) und das Motiv der unterschobenen
107Uther (wie Anm.8), 141.
108KHM 1815, XXVIII (Anhang).
278 Holger Ehrhardt
Braut. In den Anmerkungen schreibt Wilhelm Grimm selbst zu KHM 135: „Im Pen-
tameroneIV.7. findet sich eine eigenthümliche, halb aus ihm, halb aus dem Gäns-
mädchen (oben Nr.3.) zusammengesetzte Recension […].“
Sowohl durch derlei Eigenarten und Eigensinnigkeiten als auch durch die
Autorität und starke Nachwirkung der Grimm’schen Sammlung haben manche
der Viehmann-Erzählungen einen titelgleichen ATU -Typ hervorgebracht: in der
Gruppe der Zaubermärchen ATU304 Der gelernte Jäger, ATU441 Hans mein Igel,
ATU 513A Sechse kommen durch die ganze Welt, ATU 516 Der treue Johannes,
ATU706 Mädchen ohne Hände, in der Gruppe der Nicht-Zaubermärchen ATU875
Die kluge Bauerntochter, ATU960 Sonne bringt es an den Tag, ATU1405 Die faule
Spinnerin, ATU1450 Kluge Else und ATU1641 Doktor Allwissend.
Die motivischen Wiederholungen und Kontaminationen im Viehmann-Kor-
pus zeigen sich innerhalb der ATU-Klassifikation durch die Zuordnung mehre-
rer Märchen zu einem Typ: ATU566 Fortunatus (KHM122a Die lange Nase und
KHM122 Der Krautesel), ATU930 Uriasbrief (KHM29 Der Teufel mit den drei gol-
denen Haaren und KHM31 Das Mädchen ohne Hände) sowie ATU1383 Teeren und
federn (KHM59 Der Frieder und das Catherlieschen und KHM34 Die kluge Else). An
dieser Stelle wird die Herkunft des Märchens KHM135 von Dorothea Viehmann
noch einmal besonders evident, denn ein anderes ihrer Märchen, KHM13 Die drei
Männlein im Walde, wurde demselben Typ wie das namensgebende KHM 135
zu geordnet, ohne dass dabei die Beiträgerschaft Dorothea Viehmanns bekannt
gewesen sein könnte, nämlich ATU403 Die schwarze und die weiße Braut.
11  Schlussbetrachtung
Quantitativ stilistische Untersuchungen haben gezeigt, dass KHM 135 sprachliche
Besonderheiten aufweist, die sich auf Dorothea Viehmanns zurückführen lassen.
Das Märchen enthält auch signifikante Elemente ihres sehr speziellen Motivreper-
toires. Überdies konnte die Zugehörigkeit zu den Viehmann-Texten textextern– bio-
graphisch, schriftvergleichend und kodikologisch– plausibilisiert werden. KHM 135
Die weiße und die schwarze Braut kann also künftig mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit als ein Märchen von Dorothea Viehmann aufgefasst werden
trotz einer anderslautenden Zuschreibung durch die Brüder Grimm und trotz der
Tatsache, dass die Grimm- oder Märchenforschung diesen Zusammenhang bisher
nicht bemerkt hat.
109KHM 1815, XXXVIII (Anhang)
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 279
In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte festzuhalten. Erstens erfolgten die
Umschreibung und Zuordnung dieses Märchens als Erzählung einer der bekann-
testen Beiträgerinnen der Brüder Grimm auf Grundlage einer philologischen
Quellenauswertung, mit Hilfe stilstatistischer Erwägungen sowie lexikalischer,
mehrheitlich aber motivischer Vergleiche. Zweitens besitzen wir durch die Neu-
zuschreibung nun das einzige Manuskript– eine Mitschrift bzw. eine Urfassung–
zu einem gedruckten Viehmann-Märchen. Dadurch wird es nun möglich sein,
den vieldiskutierten Satz „Manches ist auf diese Weise wörtlich beibehalten, und
wird in seiner Wahrheit nicht zu verkennen seyn“ zu beleuchten und in Beziehung
zu anderen Märchen und deren Bearbeitung zu setzen. Wir können am konkre-
ten Fall beobachten, ob Wilhelm Grimm die Viehmann-Texte behutsamer als die
anderen Märchen bearbeitet und welche Texteigenschaften, dialektalen und sti-
listischen Eigenheiten er bewahrt hat. Auch Heinz Röllekes Umkehrschluss zu
diesem Diktum „Vieles ist nicht wörtlich beibehalten, und das bei dieser Ausnahme-
erzählerin Dorothea Viehmann“ kann hier konkret überprüft werden.
In der Vorrede zum ersten Band der zweiten Ausgabe (1819)– also auch mit
Blick auf die Aufnahme weiterer zehn Märchen von Dorothea Viehmann sowie die
Verwendung ihrer Erzählungen für fünf Kontaminationen und drei Varianten
schrieben die Brüder Grimm über ihre Textredaktion:
Was die Weise betrifft in der wir gesammelt, so ist es uns zuerst auf Treue und Wahrheit
angekommen. Wir haben nämlich aus eigenen Mitteln nichts hinzugesetzt, keinen Umstand
und Zug der Sage selbst verschönert, sondern ihren Inhalt so wiedergegeben, wie wir ihn
empfangen; daß der Ausdruck großentheils von uns herrührt, versteht sich von selbst, doch
haben wir jede Eigenthümlichkeit, die wir bemerkten, zu erhalten gesucht, um auch in dieser
Hinsicht der Sammlung die Mannigfaltigkeit der Natur zu lassen.
Der genaue Vergleich von Manuskript und Erstdruck bestätigt, wie bereits erwähnt,
dass keine weitere Variante für die Textkonstitution von KHM 135 herangezogen
wurde. Der Inhalt des Märchens ist unverändert geblieben: Es wurden kein Erzähl-
zug und keine Handlung hinzugesetzt oder verschönert. Die Veränderungen des
Ausdrucks lassen sich in folgenden Kategorien, die an die Studie von Elisabeth
110Vgl. aber auch die Mitschrift der von ihr erzählten Variante zu KHM 195, das allerdings auf
einen Beitrag Philipp Hofmeisters zurückgeht.
111Vgl. Rölleke (wie Anm.31a), 9: „Wie weit der sprachliche Ausdruck in den von Dorothea
Viehmann beigetragenen Märchen beibehalten wurde, könnte nur eine Spezialuntersuchung auf-
zeigen.“
112Rölleke (wie Anm.31a), 7.
113KHM 1819, Bd.1, XV (Vorrede).
280 Holger Ehrhardt
Freitag angelehnt sind, feststellen: Hinzufügung bzw. Veränderung von Kon-
junktionen (17), Verwendung anderer Verben (16), Tilgung des Tempuswechsels im
Mittelteil (12), Vermeidung bzw. Hinzufügung von Volkssprache (12), Hinzufügung
von Attributen (8). Kleinere inhaltliche Ergänzungen (z.B. „kohlschwarz“ zu „kohl-
schwarz und häßlich“) lassen sich nur an acht Stellen nachweisen, Weglassungen
an vier Stellen. Eine Textversetzung bzw. Umstellung der Handlung findet sich
lediglich im Erzähleingang, wo der liebe Gott den drei Frauen zugleich begegnet,
während die Begegnung mit der Stieftochter in der Manuskriptfassung erst nach
der Verwandlung ihrer Stiefmutter und -schwester erfolgt. Der Name des Kutschers
Reginer wird in der Druckfassung bei seiner ersten Erwähnung genannt, anders als
im Manuskript. Dreimal werden psychologische Begründungen oder Motivationen
hinzugefügt (z.B. „hatte nur im Sinn, wie sie ihr ein Leid anthun könnte“). Die
leicht variierenden Verse der Ente werden vereinheitlicht; an einer Stelle wird die
Handlung verändert, indem die weiße Braut der schwarzen das Kleid anlegt („Da
thut sies aus und die schwarze an“ → „Da zog sie’s aus und that’s der Schwarzen
an“).
Anders zu klassifizierende Änderungen, die bei der Bearbeitung der Oelenber-
ger Handschrift beobachtet wurden, sind hier nur in geringerem Maße vorhanden.
Er erfolgt kaum eine Ersetzung von Personalpronomen durch Eigennamen, nur
einmal wird ein Diminutivum eingesetzt oder ein Kasus geändert. Satzumstellun-
gen finden sich nur in den Redeeinleitungen. Es werden keine Hypotaxen gebildet
und nur einmal ein erklärender Satz hinzugefügt („und meinte auch sie wär’s“).
Es werden keine konkreten Orts- und Zeitbezeichnungen oder Schilderungen von
Zuständen und Handlungen hinzugefügt. Indirekte Rede wird nur an einer Stelle
zu direkter, direkte nur an einer Stelle zu indirekter. Es finden sich keine hinzuge-
fügten Lautmalereien, kaum standesbezogene Ausdrucksweise, keine Märchen-
formeln oder neuen Charakterzüge. Am Ende wird eine kleine Ungenauigkeit
berichtigt: Auf die Frage „was verdient die“ antwortet die Hexe: „die verdienen“.
Dies wird in der Druckfassung korrigiert und die Verurteilung der Tochter explizit
erwähnt.
Längere Textpassagen, die ohne oder mit nur wenigen stilistischen Eingriffe in
die Druckfassung übernommen wurden, finden sich vor allem im letzten Teil des
Märchens, direkt nach der Verwandlung der Schwester, beim ersten Eintreten der
Ente in die Küche und die Verurteilung am Ende.
114Freitag, Elisabeth: Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm im ersten Stadium ihrer
stilgeschichtlichen Entwicklung. Vergleich der Urform (Oelenberger Handschrift) mit dem Erst-
druck (1.Band) von 1812. Phil. Diss. Universität Frankfurt a.M. Oestrich 1929.
Ein übersehenes Märchen von Dorothea Viehmann 281
Eine Hoffnung zum Schluss: Die Neuzuschreibung dieses Märchens möge nicht
dazu führen, dass die Annotationen und Herkunftsvermerke der Brüder Grimm
fortan generell in Zweifel gezogen werden. In den meisten Fällen sind sie verläss-
lich. Stattdessen möge eine positive und angemessen kritische Auseinandersetzung
mit den Kinder- und Hausmärchen weitere Impulse zur Erforschung dieses wichti-
gen Teils unserer Literatur hervorbringen.
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In: Enzyklopädie des Märchens 2. Hg. Rolf Wilhelm Brednich u. a
  • Marianne Rumpf
Rumpf, Marianne: Braut: Die schwarze und die weiße Braut (AaTh 403). In: Enzyklopädie des Märchens 2. Hg. Rolf Wilhelm Brednich u. a. Berlin/New York 1979, 730-738, hier 732.