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Finanzierung von Physician Assistants in Arztpraxen: Der Status quo

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Abstract

Seit über zehn Jahren haben sich hausärztlich-organisierte, niedrigschwellige Weiterbildungsmodule (Fortbildung zur NäPA® umfasst derzeit 271 Stunden, was ungefähr sieben Monaten berufsbegleitender Ausbildung entspricht (9)) entwickelt, die die bisherige Medizinische Fachangestellte (MFA) zu VERAH® oder NäPA® qualifizieren, deren Haupttätigkeit die Übernahme delegationsfähiger Leistungen in der Hausarztpraxis ist (10). Diese Tätigkeit wird sowohl im Rahmen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) als auch der HzV niedrigschwellig honoriert und ist für Arztpraxen nach wie vor als nicht kostendeckend zu bewerten. Dennoch besteht –aufgrund wachsender Erkenntnisse der medizinischen, technischen und gesundheitlichen Forschung und Entwicklung - weiterhin die Forderung der Wissenschaft nach stärkerem Wissenschaftsbezug und Akademisierung des Gesundheitspersonals, insbesondere für den Bereich der ambulanten Medizin (11). Dem haben viele Hochschulen in Deutschland mit der Etablierung eines 6-semestrigen Bachelor-Studiengangs „Physician Assistance“ Rechnung getragen. Dieser Hochschulabschluss mit einschlägigem Berufsbild ist sowohl im klinischen als auch im ambulanten Bereich allumfassend einsetzbar (12). Die große Mehrheit der PAs in Deutschland arbeitet im stationären Bereich, davon 61% in operativen Abteilungen (13). Fazit: Beide dargestellten Modellprojekte weisen als Gemeinsamkeit die dezidiert-nicht ausreichende Vergütungsstruktur für teilnehmende Praxen auf. Auch in der HzV ist bislang die Vergütung delegationsfähiger Leistungen an PA unklar. Somit ist festzustellen, dass der momentane Einsatz von PA im hausärztlichen Setting (im Gegensatz zu VERAH®/NäPA®) durch die fehlende Abbildbarkeit delegationsfähiger PA-Leistungen im EBM, der HzV und der GOÄ nicht zu finanzieren ist. Ein richtungsweisender Lichtblick könnte aktuell der ab 1.10.2023 gültige HzV-Vertrag der AOK Baden-Württemberg bedeuten, der einen Aufschlag auf die Grundpauschale i.H. von 10 Euro/eingeschriebenen Versicherten bei Anstellung z.B. eines PA in der Hausarztpraxis oder die akademisierte VERAH®/NäPA® vorsieht (14). In Anbetracht von sich z. T. dramatisch abzeichnenden Versorgungsengpässen in der hausärztlichen Versorgung bis 2030 sowie des Anstieges von Polymorbidität und damit verbundenerer erhöhter Nachfrage nach ärztlichen Leistungen wird die Delegation an akademisch-qualifizierte PA in der ambulanten Medizin alternativlos sein, wie der internationale Vergleich bereits jetzt eindrucksvoll belegt (15).
SCHWERPUNKT PHYSICIAN ASSISTANT
Ärzteblatt Rheinland-Pfalz | 11/2023
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SCHWERPUNKT
PHYSICIAN ASSISTANT
 git eine aureiene egennanzierung für
die anstellenden Hausärzte
Das zweite Modellprojekt wird seit 2022 von der Kassen-
ärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) als Mo-
dell eampraen - lokale esundheitszentren in der Hand
von rzten derzeit lediglich für 18 unterversorgte Regionen
Schleswig-Holsteins angeboten und fördert explizit die An-
stellung von Gesundheitsberufen mit hoher Delegationsfä-
higkeit (sowohl NäPa als auch PA gleichberechtigt) in den
sogenannten Teampraxen. Neben einer Förderung in Höhe
von 30.000 Euro für die Neugründung einer derartigen Team-
praxis sowie einer zusätzlichen Förderung von 20.000 Euro
als Vollzeit-Äquivalent (eine Arztstelle) für die Einbindung
zusätzlicher Stellen am Teampraxisstandort kann die An-
stellung von NäPa oder PA mit bis zu 10.000 Euro gefördert
werden.
Zumindest dabei kann von einer verbesserten Honorierung
von PAs gesprochen werden. Allerdings stehen 10.000 Euro
Förderung einem zu erwartenden PA-Brutto-Jahresgehalt
von circa 40.000 Euro gegenüber, was weiterhin eine nicht
ausreichende egennanzierung fr die anstellenden aus-
ärzte bedeutet.
Einsatz von PA stellt in der Hausarzt-zentrierten
Versorgung eine rechtliche Grauzone dar
Auch die Abrechnung delegationsfähiger Leistungen durch
PA in der Hausarzt-zentrierten Versorgung (HzV) ist aktuell
unklar, da diese explizit und ausschließlich durch VERAH
oder NäPa durchführbar sind und der Einsatz von PA ins-
gesamt eine rechtliche Grauzone darstellt. Ganz neu stellt
sich die Sachlage innerhalb der HzV in Baden-Württemberg
dar: Seit 1. Oktober 2023 fördert der AOK-HzV-Vertrag die
Anstellung eines PA mit 10 Euro Zuschlag auf die Vorhalte-
pauschale P1 pro eingeschriebenem Patienten befristet bis
31. Dezember 2025.
Als zusätzlich richtungsweisend fördert der AOK-HzV Ver-
trag mit einem Stipendiaten-Programm teilnehmende Pra-
en, die eine qualizierte F oder andere esundheits-
fachberufe zum akademisierten PA an einer akkreditierten
Hochschule ausbilden lassen, einmalig mit bis zu 5.000 Euro
begrenzt auf die ersten 300 Anträge. Dies entspricht ersten
Stellungnahmen des AOK-Bundesvorstandes, welche modi-
zierte elegationskonzepte in der hausärztlichen ersor-
gung der Zukunft positiv bewerten.
Finanzierung von Physician Assistants in Arztpraxen:
Der Status quo
Bereits seit 2007 existieren in Deutschland verschiedene De-
legationsmodelle für den hausärztlichen Bereich. Dabei er-
werben Medizinische Fachangestellte (MFA) unter anderem
usatzqualikationen, womit sie hausärztlich angeordnete,
spezische eistungen erbringen knnen ngst kommt es
immer häuger zum insatz on Physician ssistants P
sowohl in Klinik wie auch Praxis, welche einen Bachelor-
Abschluss mit einem sechssemestrigen Studiengang absol-
viert haben.
Die derzeitige Vergütungsregelung delegationsfähiger Leis-
tungen im hausärztlichen Sektor gilt ausschließlich für den
Einsatz angestellter Versorgungsassistenten in der Haus-
arztpraxis (VERAH) und nichtärztlicher Praxisassisten-
ten in Haus- und Facharztpraxen (NäPa). Diese Regelung
ist auf  uro pro Quartal pro ausarztsitz gedeckelt,
was noch nicht einmal ansatzweise zur enanzierung der
NäPa mit einem durchschnittlichen Monatsgehalt von circa
3.000 Euro ausreicht. Daher stellt sich die Frage nach der
Abrechenbarkeit delegationsfähiger Leistungen für PA in der
hausärztlichen Versorgung.
Zwei Modellprojekte fördern in Deutschland den
Einsatz von Physician Assistants in Hausarztpraxen
Derzeit existieren lediglich zwei Modellprojekte in Deutsch-
land, die zumindest ansatzweise den Einsatz von PA in der
Hausarztpraxis fördern: Das odellproekt der assenärzt-
lichen ereinigung estfalen-ippe  in Kooperation
mit der EU FH Rheine ermöglicht seit 2023 die Anstellung
von PA in allen Praxen der haus- und fachärztlichen Behand-
lungsebene für einen Zeitraum von zwei Jahren und wird an-
schließend wissenschaftlich evaluiert.
Teilnehmen können PA-Studenten ab dem vierten Fachse-
mester mit zuvor abgeschlossener medizinischer Fachaus-
bildung. Deren PA-Hausbesuche können zum Beispiel wie
Arzthausbesuche abgerechnet werden. Die Aufwandsent-
schädigung in he on  uro pro Quartal pro P deckt
allerdings nicht die Kosten der teilnehmenden Praxen und
liegt signikant unter dem durchschnittlichen monatlichen
Standard-Bruttogehalt eines vollausgebildeten PA. Für die
teilnehmenden Praxen besteht lediglich die Möglichkeit der
teilweisen egennanzierung durch eine engenauswei-
tung der Patientenzahlen mit deutlicher Steigerung delega-
tions- und abrechenbarer Leistungen durch PAs. Dies würde
jedoch wiederum zu einer drastischen Arbeitsausweitung
der anstellenden Ärzte/Ärztinnen führen und den beabsich-
tigten Effekt der Delegation konterkarieren.
Die Entwicklung verläuft nicht gleichförmig und ist
a
-
-
Foto: Adobe Stock/Robert Poorten
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Wissenschaft fordert Akademisierung des
Gesundheitspersonals
Seit über zehn Jahren haben sich hausärztlich-organisierte,
niedrigschwellige Weiterbildungsmodule (Fortbildung zur
NäPa umfasst derzeit 271 Stunden, was ungefähr sieben
Monaten berufsbegleitender Ausbildung entspricht) entwi-
ckelt iese qualizieren die bisherige F zu  oder
NäPa, deren Haupttätigkeit die Übernahme delegationsfä-
higer Leistungen in der Hausarztpraxis ist. Diese Tätigkeit
wird sowohl durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstabes
(EBM) als auch durch die HzV niedrigschwellig honoriert
und ist für Arztpraxen nicht kostendeckend zu bewerten.
Dennoch fordert die Wissenschaft stärkeren Wissenschafts-
bezug und Akademisierung des Gesundheitspersonals, ins-
besondere für den Bereich der ambulanten Medizin.
Beispielsweise forderte das IGES-Institut 2014, die Delega-
tion im hausärztlichen Bereich deutlich auszubauen. Ziel
dabei solle die Überführung in eine Regelleistung mit sach-
gerechter Vergütung sein, um die Kapazitäten in unterver-
sorgten Gebieten zu steigern. In der sogenannten „KarMed“-
Studie, einer multizentrischen Beobachtungsstudie zu Kar-
riereverläufen von Ärztinnen und Ärzten in der fachärztlichen
Weiterbildung, wurde ein Maßnahmenkatalog zur Lösung
der perspektivischen hausärztlichen Unterversorgung for-
muliert. Dabei lag der Fokus erstrangig auf der Einführung
eines Primärarztsystems, vergleichbar mit vielen Ländern
der Europäischen Union.
Des Weiteren wird neben der Verbindlichkeit eines hausärztli-
chen Leistungskataloges die Schaffung multiprofessioneller
entren der Primärersorgung mit eiblen rbeitszeitmo-
dellen, ähnlich zu einer Analyse der Robert-Bosch-Stiftung,
gefordert. Der Einsatz nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe
soll dabei gefördert werden. Ebendiese Forderung ist bereits
im Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung
des esundheitswesens aus dem ahr  zu nden, wo-
nach zur Lösung des ärztlichen Versorgungsproblems der
Zukunft die Stärkung der Hausarztzentrierung (Primärarzt-
modell) sowie die Delegation von zurzeit noch von Ärzten/
Ärztinnen durchgeführten Leistungen beziehungsweise die
Neustrukturierung von Aufgaben im Team gefordert wird.
Mehrheit der PAs in Deutschland ist im stationären
Bereich tätig
Der Forderung nach der Akademisierung des Gesundheits-
personals haben viele Hochschulen in Deutschland mit der
Etablierung des Bachelor-Studiengangs Physician Assi-
stance Rechnung getragen. Dieser Hochschulabschluss mit
einschlägigem Berufsbild ist sowohl im klinischen als auch
im ambulanten Bereich allumfassend einsetzbar. Die große
Mehrheit der PAs in Deutschland arbeitet im stationären Be-
reich, davon 61 Prozent in operativen Abteilungen.
Die Entwicklung verläuft nicht gleichförmig und ist
abhängig von der ärztlichen Fachgruppe
-10.567
-12.000
-10.000
-8.000
-6.000
-4.000
-2.000
0
2.000
Augenärzte
Urologen
Nervenärzte
Hautärzte
HNOrzte
Radiologen
Anzahl (stationär und ambulant)
Hausärzte
2014 2018 2022 2026 2030
Entwicklung
Hausärzte und Fachärzte
In einer Prognose von 2016
demonstriert die KBV die Ent-
wicklung der Anzahl von Ärzten
in Deutschland bis 2030. Für die
Grund versorger, insbesondere für
die Hausärzte, wird es immer
schwieriger, einen Nachfolger
zu finden.
Quelle B edia, ,  
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Beide dargestellten Modellprojekte weisen als Gemein-
samkeit die dezidiert nicht ausreichende Vergütungs-
struktur für teilnehmende Praxen auf. Auch in der HzV ist
bislang die Vergütung delegationsfähiger Leistungen an
PA unklar. Somit ist festzustellen, dass der momentane
Einsatz von PA im hausärztlichen Setting durch die feh-
lende Abbildbarkeit delegationsfähiger PA-Leistungen im
B, der z und der O nicht zu nanzieren ist
Ein richtungsweisender Lichtblick könnte der seit 1. Ok-
tober 2023 gültige HzV-Vertrag der AOK Baden-Württem-
berg bedeuten, der einen Aufschlag auf die Grundpau-
schale in Höhe von 10 Euro pro eingeschriebenen Ver-
sicherten bei Anstellung zum Beispiel eines PA in der
Hausarztpraxis oder die akademisierte VERAH/NäPa
vorsieht.
ie elegatin an aaeiqualizierte A in
der ambulanten Medizin wird alternativlos sein“
In Anbetracht von sich zum Teil dramatisch abzeich-
nenden Versorgungsengpässen in der hausärztlichen
Versorgung bis 2030 sowie des Anstieges von Polymor-
bidität und damit verbundenerer erhöhter Nachfrage
nach ärztlichen Leistungen wird die Delegation an aka-
demischqualizierte P in der ambulanten edizin al-
ternativlos sein, wie der internationale Vergleich bereits
jetzt eindrucksvoll belegt.
Aufgrund der erwartbaren Entwicklung der Erstattungs-
situation delegationsfähiger Leistungen an PA in der
Hausarztmedizin in den nächsten Jahren ist absehbar,
dass PA-Absolventen der akkreditierten Hochschulen
in Deutschland sich mehrheitlich für eine Tätigkeit im
Krankheit 2000 2050 Veränderung
2000 bis 2050
in %
An Diabetes erkrankte Personen
- pro 100.000 Einwohner
3.8 Mio
4640
4.9 Mio
7185  5.8
An Demenz erkrankte Personen
- pro 100.000 Einwohner
0.9 Mio
1044
2.1 Mio
3117  8.5
Jährliche Neuerkrankungen
an Herzinfarkt
- pro 100.000 Einwohner
0.3 Mio
333
0.5 Mio
797
 .
Jährliche Neuerkrankungen
an Schlaganfall
- pro 100.000 Einwohner
0.1Mio
197
0.3 Mio
437
 2.8
Jährliche Neuerkrankungen an rebs
- pro 100.000 Einwohner
0.4 Mio
503
0.6 Mio
857  0.
Jährliche Neuerkrankungen
an Pneumonie
- pro 100.000 Einwohner
1.0
1253
2.9
4197
 25
stationären Bereich mit gesicherter Einkommensperspektive
und klar denierten insatzstrukturen entscheiden werden or
dem Hintergrund des bereits bestehenden Fachkräftemangels
insbesondere im Gesundheitswesen wird dies die skizzierte Ent-
wicklung weiter verschärfen und negiert alle Forderungen der
einschlägigen Forschung.
Literatur bei den Autoren
Epidemiologische Daten
zur Krankheitsentwicklung
er ugten l
krankheiten bis 2050
Quelle Beske et al, ,  
Foto: privat
Autoren
Dr. Martin Schencking
Facharzt für Innere und
Allgemeinmedizin, Palliativ -
medizin, FK Geriatrie, Naturheil-
verfahren und Chirotherapie,
Praxis für Innere, Allgemein &
Palliativmedizin in Bad Ems
Freier wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut für
Allgemein- und Familienmedizin
der Universität Witten/Herdecke
Ohne Foto:
Ariane Schencking
Bachelor of Science
Physician Assistance
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