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Übungen der Selbstsorge und Achtsamkeit. Überlegungen zu einer Theorie der Bildung als koexistenzielle Praxis und Übung im Anschluss an M. Foucault und E. Fink

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Abstract

Bildung heißt anders werden – aber wie? Die Antwort liegt – so die hier ausgeführte These - in der wiederholenden, leiblich-geistigen und verkörpernden Praxis der Übung. Mit Foucault werden drei Weisen oder Formen der Übung als Praxis der Selbstsorge bestimmt und bildungs-, macht- und übungstheoretisch ausgewiesen. Vor diesem Hintergrund werde ich knapp auf meditative Übungen eingehen, die aktuell unter dem Titel Achtsamkeit bzw. mindfulness im Trend liegen. Auf dieser Grundlage wird dann mit E. Fink eine Theorie der Bildung als Praxis übender Selbstsorge im Horizont einer Lebenslehre und Lebenskunst entworfen. Schließlich werden phänomenologische mit sozialtheoretischen Zugängen in einer postphänomenologischen Perspektive zusammengeführt und für systematische Fragen und Probleme der Erziehungswissenschaft fruchtbar gemacht.

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Phenomenology developed a precise concept of the lived body early on in the 20th century by redefining the relation between body and mind with a non-dualistic theory. The criticism of the Eurocentric dualism of body and mind leads phenomenology and phenomenological educational studies on a trace of an elementary experiential dimension of the lived body and embodiment. In the following, I will join Plessner and Merleau-Ponty in making the Leib-Körper-difference, i.e., the difference between lived body and body, the starting point of an exploration in which embodiment in the double structure of body and mind, of objectification and experience, is taken into view from a Bildung-theoretical perspective on intercorporeal reflexivity. I argue that embodied reflexivity is expressed in judging as an existential and social practice. Judging as a reflexive coming-back to oneself – through a juxtaposition with the other as one's own Leib or the other as another person – allows for logical judgements and is at the same time its decentrating instance. First, I present the fundamentals of cognitivist and mechanist theories of learning in a critical differentiation (1.). Then the phenomenological determination of the double structure of body and Leib is developed in five points (2.). I will then illustrate and specify the question of the relation between the lived body and thinking using two examples (self-touching and shaking or pressing hands, respectively) (3.) and present a model of intercorporeal reflexivity in judging as a social and bodily dimensioned bending back in the horizon of otherness. Judging can thus be defined as an equally bodily, social, and pedagogically relevant practice that traces the dispositions of reason back to the unavailability of embodied experiences in the claim of self and other (4.).
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This contribution aims at expanding Benner’s understanding of non-affirmative Bildung from a phenomenological, practice-theoretical, and social-theoretical perspective. We thereby problematize the underlying fundamental dualism between socialization, habit, and affirmation on the one hand, and Bildung, transformation, and cognitive reflection on the other, along with a critique of the model of a rational subject. First, with Schütz, Husserl, and Fink, we provide a phenomenological perspective on judgment. With Schütz, it is possible to detach judgment, and thus Bildung and self-activity (Selbsttätigkeit), from the logocentric fixation on knowledge and truth. By including the life-world, the pre-predicative dimensions of judgment, habits, and opinions can be pointed out as the foundation and as the functional mode of judgment. Bildung thus becomes describable as a formation of opinions (Meinungsbildung). The sociality of opinion as judgment is then extended in the second step with Bourdieu in a social-theoretical perspective. For this, we work out habitualized doxa as the primary, judging approach to the world. We thus determine the pre-predicative judgment as a mode of the habitus and show that habitual dispositions in social practices are the basis of the experience of the world. In this way, habit, routine, and habitus can be taken out of the dual of mere affirmation and transformation that underlies Benner’s theory. The phenomenological and practice-theoretical considerations make it possible to bring into view both the life-world, and the bodily dimensions of pedagogical practice, as well as the dimensions of power, social inequality, distinction, and privilege, and capture them in their significance for the processes of Bildung.
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In heilpädagogischen Kreisen ist die Phänomenologie ein alter Bekannter. In Diskursen um Behinderung wird sie derzeit häufig mit jener therapeutisch-pädagogischen Haltung identifiziert bzw. darauf reduziert. Phänomenologische Zugänge sind jedoch deutlich vielgestaltiger. Aus diesem Grund haben sie auch in den Disability Studies und Mad Studies (Boger 2020a) einen festen Platz. Vorliegender Artikel konzentriert sich auf diese Möglichkeiten, phänomenologische Perspektiven nicht nur für neue Verständnisse von Behinderung, sondern auch für eine Beschreibung der fraglichen Erfahrungen von ‚Inklusion' und ‚Exklusion' nutzbar zu machen. Wie weist sich der Prozess des Behindert-Werdens in der Erfahrung aus? Was würde es bedeuten, eine ‚Erfahrung der Inklusion' zu machen? Und wie schlagen sich (traumatische) Erfahrungen der Exklusion in unseren Körpern nieder? Um diese Fragen zu erörtern, wird im Folgenden kurz in die Perspektive der Phänomenologischen Erziehungswissenschaft eingeführt (1). An zwei Themenfeldern wird sodann beispielhaft gezeigt, was eine phänomenologische Betrachtung an kritischen Impulsen einbringen kann: Zunächst geht es um eine phänomenologische Konturierung der Erfahrung von Inklusion (2). Sodann geht es um Bildungsprozesse, die es ermöglichen könnten, von Kulturen der Exklusion hin zu Kulturen der Inklusion umzulernen bzw. einen anderen Umgang mit Behinderung einzuüben (3).
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Der Beitrag geht von der Annahme aus, dass das Üben in der Sportpädagogik eine vergessene und verkannte Praxis ist, obwohl das Üben eine elementare Praxis der Sportpädagogik darstellt und kaum eine Unterrichtsstunde ohne Übungsphasen auszukommen vermag. Eine systematische und theoretisch elaborierte Auseinandersetzung mit dem Übungsbegriff steht in der Sportpädagogik bisher aus. Vor dem Hintergrund dieser Bestandsaufnahme verfolgt der Beitrag das Ziel, eine sportpädagogische Theorie des Übens in bildungstheoretischer Perspektive zur Diskussion zu stellen. Die bildungstheoretische Perspektive macht dabei deutlich, dass im Einüben einer Fertigkeit auch das Ausüben einer Fähigkeit stattfindet. Üben ist nicht nur etwas üben, sondern immer auch sich selbst üben. Als soziale und edukative Tätigkeit,die darauf abzielt, jemand anderen zum Üben anzuregen, betrifft die Übung das Verhältnis des Übenden zu sich, zu anderen und zur Welt, wobei es zu einer Transformation dieses Verhältnisses im Sinne einer bildenden Erfahrung kommen kann. Da sich von den Strukturen des Übens und Lernens nicht unvermittelt auf das Lehren und die Übung schließen lässt, werden aus den bildungstheoretischen Überlegungen schlussendlich auch didaktische Grundlagen der Übung im Sportunterricht abgeleitet.
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Zusammenfassung Der Beitrag geht von der Annahme aus, dass das Üben in der Sportpädagogik eine vergessene und verkannte Praxis ist, obwohl das Üben eine elementare Praxis der Sportpädagogik darstellt und kaum eine Unterrichtsstunde ohne Übungsphasen auszukommen vermag. Eine systematische und theoretisch elaborierte Auseinandersetzung mit dem Übungsbegriff steht in der Sportpädagogik bisher aus. Vor dem Hintergrund dieser Bestandsaufnahme verfolgt der Beitrag das Ziel, eine sportpädagogische Theorie des Übens in bildungstheoretischer Perspektive zur Diskussion zu stellen. Die bildungstheoretische Perspektive macht dabei deutlich, dass im Einüben einer Fertigkeit auch das Ausüben einer Fähigkeit stattfindet. Üben ist nicht nur etwas üben, sondern immer auch sich selbst üben . Als soziale und edukative Tätigkeit, die darauf abzielt, jemand anderen zum Üben anzuregen, betrifft die Übung das Verhältnis des Übenden zu sich, zu anderen und zur Welt, wobei es zu einer Transformation dieses Verhältnisses im Sinne einer bildenden Erfahrung kommen kann. Da sich von den Strukturen des Übens und Lernens nicht unvermittelt auf das Lehren und die Übung schließen lässt, werden aus den bildungstheoretischen Überlegungen schlussendlich auch didaktische Grundlagen der Übung im Sportunterricht abgeleitet.
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This analysis is based on qualitative data from interviews after 20-hour mindfulness-and compassion-based interventions in the primary school system in the German city of Solingen. Administrators, principals and teachers from all 21 schools were asked about their experiences and development following an adapted version of the 8-week MBSR program. Through content analysis, we identified indicators for improvements in self-awareness and self-regulation, more conscious communication and more open, trusting and appreciative relationships as well as health promoting, organizational and structural changes. On the threshold between intrapersonal
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Der Beitrag nimmt die Marginalisierung, Mythisierung und Entgrenzung des Ästhetischen zum Anlass einer systematischen Vergewisserung, die über eine Re- und Dekonstruktion anthropologischer, ästhetischer und pädagogischer Duale zu einer Neubestimmung der ästhetischen Erfahrung als Verweilen führt. Dabei werden systematische Reflexionen zur Theorie der ästhetischen Bildung und Erziehung entwickelt, die sowohl historische Diskurslinien der Ästhetik (Kant, Schiller, Gadamer) als auch zentrale Ansätze der Phänomenologie (Plessner, Merleau-Ponty, Fink) aufnehmen. Aufgrund der spezifischen Zeitstruktur des Verweilens sowie seiner leiblich basierten Verkörperungs-, Ausdrucks- und Imaginationsqualitäten, so die leitende These, wird in der ästhetischen Erfahrung ein imaginativer Umgang mit Sprache, Begriffen und Symbolen möglich, der sich als widerständiges Moment aus dem Alltäglichen und den Trivialisierungen des Ästhetischen ereignishaft heraushebt. Diese „Transgression“ (Foucault) im ästhetischen Verweilen lässt sich bildungstheoretisch als Veränderung und Umwendung im Mensch-Welt-Verhältnis bestimmen. Darauf angewiesen ist ästhetische Erziehung als Differenzierung und Kultivierung der Sinne sowie als Einübung in die Praxis kultureller Symbolsysteme. Schlagworte: Ästhetische Bildung und Erziehung, ästhetische Erfahrung, Verweilen, phänomenologische Erziehungswissenschaft, Bildungstheorie
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Dieser Beitrag versucht, die Potentiale aufzuzeigen, die die phänomenologische Betrachtungsweise in der Frühpädagogik einzubringen vermag. Phänomenologische Forschungen in der Frühpädagogik können zu einer theoretisch reflektierten und methodologisch abgesicherten, pädagogischen Bestimmung ihres Gegenstandes beitragen. Im Folgenden werden zunächst aus einer Perspektive der Allgemeinen Erziehungswissenschaft grundlagentheoretische Desiderata der Frühpädagogik wie Anthropologisierung und Essentialisierung „des“ Kindes sowie Finalisierung und Funktionalisierung kindlichen Lernens kritisch erörtert. Danach werden aus phänomenologischer Sicht Erfahrungs-Strukturen und Reflexions-Kategorien systematisch unterschieden und vor dem Hintergrund phänomenologischer, empirischer und theoretischer Studien in Kindheitsforschung und Frühpädagogik veranschaulicht.
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Günther Buck legt in dieser Studie eine phänomenologisch-hermeneutische Theorie des Lernens, des Beispiels und der Analogie vor, die für Pädagogik sowie für Sozial- und Kulturwissenschaften von grundlegender Bedeutung ist. Der Prozess der Erfahrung im Lernen wird in drei Momenten entfaltet: der epagogischen Gangstruktur, der antizipatorischen Horizonthaftigkeit und der dialektischen, „negativen“ Umwendung auf sich selbst. Lernen wird als Lernen aus Erfahrung und als Erfahrung kenntlich. Im zweiten und dritten Teil gelingt Buck eine Neubestimmung des Beispiels in seinen hermeneutischen, bildenden und didaktischen Funktionen. Unterschiedliche Typen der Analogie werden identifiziert und deren Funktionsweisen differenziert. Mit dieser Neuausgabe kann nach 30 Jahren das bekannteste und wirkungsmächtigste Buch von Günther Buck wieder zugänglich gemacht werden. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-17098-1
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In dem Band werden erstmals Grundlagentexte zur Phänomenologischen Erziehungswissenschaft von ihren Anfängen bis in die Gegenwart zusammengestellt. Die Sammlung gibt einen Überblick über Struktur, Entwicklung und Ausdifferenzierung der phänomenologischen Bewegung in der deutschsprachigen Pädagogik in den Feldern systematische Pädagogik, Bildungs-, Lern- und Erziehungstheorie, Pädagogik der frühen Kindheit, Schul- und Sonderpädagogik und der Erwachsenenbildung. Der Inhalt • Anfänge Phänomenologischer Erziehungswissenschaft • Anthropologie und Phänomenologische Erfahrungstheorie des Lernens und Erziehens • Koexistentiale Phänomenologie der Erziehung und Strukturpädagogik • Fremdheit und Andersheit im Lernen und Umlernen • Aktuelle Ansätze Phänomenologischer Erziehungswissenschaft
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Der Beitrag versucht, leibphänomenologische und machttheoretische Grundlagen für eine inklusive Erziehungs-, Lern- und Bildungstheorie zu entwickeln. Nach einer Rekonstruktion der dualistischen und logozentrischen Leibvergessenheit in der pädagogischen Anthropologie wird das phänomenologische Konzept der Verkörperung nach Plessner bzw. des Embodiments als praktische Positionierung zu sich und vor anderen dargestellt. Mit der so gewonnenen sozialtheoretischen Perspektive werden in einem zweiten Schritt mit Foucault drei Formen der Übung vorgestellt. Subjektivierungspraktiken als leiblich verankerte Praktiken der dezentrierten Selbst-Formung können so zugleich als Praxis gesellschaftlich normalisierende Formung bestimmt werden. (Körper-)Bildung kann damit als Selbst-Führung und Selbst-Formung vor anderen bestimmt werden, in der neben unterwerfenden und zwingenden auch gleichermaßen leiblich-freiheitliche Aspekte konstitutiv sind. Mit dieser Perspektive kann es möglich werden, gleichermaßen soziale, leibliche, emotionale und aisthetische Praktiken in Lernen, Bildung und Erziehung zwischen Normalisierung und Subjektivierung auszuweisen und diese für eine inklusive Theorie des Lernens, der Bildung und der Erziehung fruchtbar zu machen.
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Die Übung ist eine elementare und produktive Lernform. In der Praxis des Übens fallen gewusstes Können und gekonntes Wissen zusammen. Geübt wird nur, wenn man „es“ noch nicht kann, wenn man scheitert und es aufs Neue versucht. In den negativen Erfahrungen und in der verändernden Wiederholung manifestieren sich die produktiven Chancen der Übung. Was ist das Besondere und Gemeinsame sinnlich-ästhetischer, leiblich-motorischer und geistig-reflexiver Übungen? Wie lassen sich Fähigkeiten und Fertigkeiten, Haltungen und Einstellungen einüben und umüben? Welche Rolle spielen dabei leibliche, zeitliche und machtförmige Erfahrungen? Gegen die landläufige Verkürzung auf Drill, Automatisierung und Regelanwendung wird eine zeitgemäße, grundlagen- und sozialtheoretisch ausgewiesene Theorie und Didaktik der Übung vorgestellt. Aktuelle Trends der Erziehungs- und Kulturwissenschaften, Fachdidaktiken und der Lehr-Lernforschung werden aufgegriffen und Übungsformen der Antike, der frühen Neuzeit und der Reformpädagogik untersucht.
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Der Beitrag versucht Fragen nach der empirischen Identifizierbarkeit von bildenden Erfahrungen sowie jene nach ihrer Repräsentierbarkeit aus einer phänomenologisch orientierten Leib- und Erfahrungstheorie mit Heidegger und Derrida zu beantworten. Dabei wird die Materialität, Performanz und Präsenz des Leibes mit einer dreifachen Verschiebung herausgearbeitet: vom Diskurs zur leiblichen Äußerung und Gebärde (a), vom Sagen zum Zeigen (b) sowie von der Iteration der Zeichen zu einer interkorporalen Performativität (c). Schließlich wird auf dieser Grundlage eine Übungstheorie im Modus leiblicher Wiederholungen vorgestellt.
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Die konventionelle Doppelung von Pädagogik und Erziehungswissenschaft muss unter einer erfahrungstheoretischen und -wissenschaftlichen Perspektive nicht mehr aufrecht erhalten werden.. Erziehungswissenschaft richtet sich gleichermaßen reflexiv auf Theorie, Empirie und Praxis, in denen sich auf je unterschiedliche Weise Erfahrung artikuliert.
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Mit jedem Arbeitsschritt demontiere Foucault die Unterwerfungen, die uns produzieren und konstituieren. So kennzeichnet Francois Ewald in den siebziger Jahren Foucaults Methode, seine Zeitgenossen ins Zweifeln zu bringen und zu verunsichern in ihren Auffassungen darüber, wer sie sind und wie sie handeln (Ewald 1978, 7). Foucault seziert Machtformationen und arbeitet die Produktivität der Macht in der Moderne heraus. Es geht ihm darum, die historischen Erscheinungsformen der Macht zu unterscheiden und zu charakterisieren, um herauszufinden, wie Subjekte gemacht sind. „Die Geschichte der Gegenwart, die Geschichte unserer Identität formuliert Foucault als Analyse der Verhältnisse von Macht und Wissen in unserer Gesellschaft“ (ebd., 10). Wichtig zum Verständnis dieser Analytik der Macht ist, dass Foucault keinen Machtbegriff anlegt, der mit Unterdrückung assoziiert ist, sondern „Macht in der Positivität ihres Funktionierens“ beschreibt (ebd., 11), hinsichtlich der konkreten Bedingungen ihrer Ausübung und ihrer Wirkungen. Betont wird „die Produktivität der Macht, die nicht nur unterwirft, sondern auch hervorbringt, indem sie Gegenstandsbereiche, Wahrheitsrituale und politische Räume gestaltet, die bestimmen, was etwa das Individuum und sein Wissen bedeuten“ (Meyer-Drawe 2001, 450). Macht ist ein Oberflächenphänomen, sichtbar und erfahrbar dort, wo sie wirkt. Sie ist nichts, was man identifizieren könnte, nicht etwas, das von außen dem Objekt der Macht auferlegt würde, sondern sie realisiert sich in der Subjektivität selbst.
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Foucault stellt am Ende der Histoire de la folie in Bezug auf den schwankenden Boden der Humanwissenschaften als Wissenschaften des Menschen von sich selbst eine unerbittliche „Dialektik des modernen Menschen bei der Auseinandersetzung mit seiner Wahrheit“ fest. Diese Dialektik bestehe darin, dass „sie nie ausschöpft, was sie auf der Ebene der wirklichen/wahren Kenntnisse (connaissances vraies) ist. “2 In dieser knappen Aussage wird nicht nur eine vielleicht allzu begründete Skepsis gegenüber den Möglichkeiten einer wissenschaftlichen Objektivierung des Menschen angemeldet (Ebene der Wissenschaftskritik). Foucault deutet hier zudem einen erkenntnistheoretischen Zirkel der Humanwissenschaften an, den er in Les mots et les choses das empirischtranszendentale Doppel nennt, in dem die Humanwissenschaften der Moderne den Ermöglichungsgrund ihrer Erkenntnis in den geschichtlichen und empirischen Bedingungen des faktischen Existierens suchen müssen (also a posteriori das fundieren, was transzendental begründet werden soll) (Ebene der Erkenntniskritik). Zugleich und drittens kann diese Aussage zum „anthropologischen Zirkel“ in einer elementar-anthropologischen Perspektive gelesen werden als Anzeige eines fundamentalen Verweisungszusammenhangs von Seibstvergewisserung und Selbstbeschreibung einerseits und Selbstdurchstreichung und Selbstkritik anderseits (Ebene der Anthropologie und Bildungstheorie).
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Als zu Beginn der 1990er Jahre eine beachtliche Anzahl philosophischer Monographien erscheint, die sich intensiv mit den Arbeiten Michel Foucaults auseinandersetzen und dabei entweder einzelne Studien diskutieren, größere Themenfelder zu identifizieren suchen oder eine verlässliche Einführung in dessen unübersichtliches Gesamtwerk zu geben versprechen, werden diese in zwei Aufsätzen vorgestellt, die sich — von heute aus betrachtet — als eine erste, vorsichtige Zwischenbilanz der deutschsprachigen Foucault-Rezeption lesen lassen. Und obwohl die thematisch und methodisch höchst disparaten Studien keine einheitliche Foucault-Lektüre verraten, lassen sie in ihrer Gesamtheit doch eine eigentümliche Fixierung auf normative Fragestellungen erkennen, deren problematische Folgen denn auch von den beiden Rezensenten eigens herausgestellt werden: So merkt Ulrich Johannes Schneider in seinem Literaturbericht kritisch an, dass hierzulande die unvoreingenommene Kenntnisnahme von Foucaults Schriften noch immer von hartnäckigen Vorbehalten behindert werde, die insbesondere französischen Theoretikern entgegengebracht würden (vgl. Schneider 1991).
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Zeitschrift für Pädagogik (ISSN 0044-3247), Ausgabe 04, Jahr 2015, Seite 527 - 545 This contribution is an attempt at redefining the relation of the circle problem of theory, empiricism, and practice in pedagogics with phenomenological operations of insight and research and to link it back to a theory of pedagogical experience. A pedagogical approach oriented by empirical science allows us to productively interrelate pedagogical action and educational research as incongruent and subsequent articulations of experience. Such an approach may succeed if based on a phenomenologically oriented form of pedagogical empiricism that investigates subjective and social experiences in learning and education with the category of embodiment, operationalizes their communicative interrelations apparent in the reactions, and, finally, determines their pedagogical dimensions based on the practice and form of showing geared towards attracting attention. Der Beitrag unternimmt den Versuch, das Zirkelproblem von Theorie, Empirie und Praxis in der Pädagogik mit phänomenologischen Erkenntnis- und Forschungsoperationen neu zu relationieren und an eine Theorie der pädagogischen Erfahrung zurückzubinden. In einer erfahrungswissenschaftlich ausgerichteten Pädagogik können pädagogisches Handeln und erziehungswissenschaftliches Forschen als inkongruente und nachträgliche Artikulationen von Erfahrung produktiv aufeinander bezogen werden. Das kann mit einer phänomenologisch orientierten pädagogischen Empirie gelingen, die subjektive und soziale Erfahrungen im Lernen und Erziehen mit der Kategorie der Verkörperung erfasst sowie deren kommunikative Relationierung im Antwortgeschehen operationalisiert und schließlich mit der Praxis und der Form des auf Aufmerksamkeit zielenden Zeigens pädagogisch dimensioniert.
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In grundlagentheoretischer Perspektive (mit Bezug auf Schleiermacher) wird die trianguläre Struktur intergenerativer Erfahrung im Hinblick auf Lernen und Bildung dargestellt. Diese wird unter Rückgriff auf Erkenntnisse der phänomenologischen Kindheitsforschung, der kulturwissenschaftlichen Alternsforschung sowie der hermeneutisch-phänomenologischen Theorie des Erfahrungslernens (Buck, Meyer-Drawe) plausibel gemacht. In Eugen Finks Entwurf einer pädagogischen Beratungs- und Fragegemeinschaft wird ein Modell gefunden, das die Differenz und die Fremdheit der Generationen nutzt, um Ziele, Normen und Sinn in pädagogischen Situationen gezielt entwerfen zu können. Based on Schleiermacher and seen from a basic theoretical perspective, this paper outlines the triangular structure of inter-generational experience in learning and Bildung. The inter-generational structure is described by using findings of phenomenological early childhood research, of ageing research (based in cultural studies) and hermeneutic-phenomenological theory of learning from experience (Buck, Meyer-Drawe). Referring to Eugen Finks outline of a pedagogical community of counselling and questions the paper describes a model for designing and planning the aims, norms and meaning of pedagogical situations which takes the difference and strangeness within inter-generational relations into account.
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Mit jedem Arbeitsschritt demontiere Foucault die Unterwerfungen, die uns produzieren und konstituieren. So kennzeichnet François Ewald in den siebziger Jahren Foucaults Methode, seine Zeitgenossen ins Zweifeln zu bringen und zu verunsichern in ihren Auffassungen darüber, wer sie sind und wie sie handeln (Ewald 1978, 7). Foucault seziert Machtformationen und arbeitet die Produktivität der Macht in der Moderne heraus. Es geht ihm darum, die historischen Erscheinungsformen der Macht zu unterscheiden und zu charakterisieren, um herauszufinden, wie Subjekte gemacht sind. „Die Geschichte der Gegenwart, die Geschichte unserer Identität formuliert Foucault als Analyse der Verhältnisse von Macht und Wissen in unserer Gesellschaft“ (ebd., 10). Wichtig zum Verständnis dieser Analytik der Macht ist, dass Foucault keinen Machtbegriff anlegt, der mit Unterdrückung assoziiert ist, sondern „Macht in der Positivität ihres Funktionierens“ beschreibt (ebd., 11), hinsichtlich der konkreten Bedingungen ihrer Ausübung und ihrer Wirkungen. Betont wird „die Produktivität der Macht, die nicht nur unterwirft, sondern auch hervorbringt, indem sie Gegenstandsbereiche, Wahrheitsrituale und politische Räume gestaltet, die bestimmen, was etwa das Individuum und sein Wissen bedeuten“ (Meyer-Drawe 2001, 450). Macht ist ein Oberflächenphänomen, sichtbar und erfahrbar dort, wo sie wirkt. Sie ist nichts, was man identifizieren könnte, nicht etwas, das von außen dem Objekt der Macht auferlegt würde, sondern sie realisiert sich in der Subjektivität selbst.
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Üben ist eine Praxis, die einen produktiven, verstehenden und kritischen Zugang zu Kultur und zu demokratischen Gemeinschaften ermöglicht. Das Buch unternimmt daher eine Rehabilitierung des Übens als leibliche und geistige, wiederholende und kreative Praxis, mit der ein grundlegendes Verhältnis zu sich, zu Anderen und zur Welt konstituiert wird. Üben und Übung werden in ihren zentralen Strukturen vorgestellt und erfahrungs-, bildungs-, sozial- sowie erziehungstheoretisch ausgewiesen. Dabei wird gezeigt, dass Praxen wie Bewegen, Verstehen, Urteilen, Kritisieren und Unterrichten ein- und ausgeübt werden. Im Üben wird zudem das Verhältnis der Übenden zu sich (trans-)formiert. Leibliche, motorische, geistige, meditative, schulische und didaktische Übungen werden systematisch unterschieden und in ihren unterschiedlichen pädagogischen Feldern analysiert.
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Üben ist eine Praxis, die einen produktiven, verstehenden und kritischen Zugang zu Kultur und zu demokratischen Gemeinschaften ermöglicht. Das Buch unternimmt daher eine Rehabilitierung des Übens als leibliche und geistige, wiederholende und kreative Praxis, mit der ein grundlegendes Verhältnis zu sich, zu Anderen und zur Welt konstituiert wird. Üben und Übung werden in ihren zentralen Strukturen vorgestellt und erfahrungs-, bildungs-, sozial- sowie erziehungstheoretisch ausgewiesen. Dabei wird gezeigt, dass Praxen wie Bewegen, Verstehen, Urteilen, Kritisieren und Unterrichten ein- und ausgeübt werden. Im Üben wird zudem das Verhältnis der Übenden zu sich (trans-)formiert. Leibliche, motorische, geistige, meditative, schulische und didaktische Übungen werden systematisch unterschieden und in ihren unterschiedlichen pädagogischen Feldern analysiert.
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Thema des Sammelbands ist der Zusammenhang von Übung und Wissen in religiösen und philosophischen Kontexten der Vormoderne. An einzelnen regional und sozial differenzierten Fallbeispielen aus dem euro-asiatischen Raum werden Übungspraktiken, durch die Wissen hergestellt, vermittelt und bestätigt, aber auch hinterfragt und modifiziert wurde, klassifiziert und erörtert. Untersucht werden Materialien, Medien und Darstellungsweisen aus griechisch-römischer Philosophie, Christentum, Judentum und Islam, Hinduismus und Buddhismus, die von der wechselseitigen Verwiesenheit von Übung und Wissen zeugen. Überlegungen zum Thema im Kontext globaler Austauschbeziehungen, wie sie z.B. den modernen Yoga prägen, runden den Band ab.
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Obwohl der Empirie in praxisanalytischen Forschungszugängen ein zentraler Stellenwert beigemessen wird, ist die Methodendiskussion in der Soziologie der Praxis bisher zu kurz gekommen. Zwar herrscht Konsens darüber, dass mit einer am Begriff der Praxis ausgerichteten Erkenntnisweise eine Hinwendung zu sich vollziehenden Praktiken einhergeht, aber Antworten auf die Frage, welche Methoden dabei helfen können, stehen noch aus. Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes diskutieren deshalb, wie ein neues Ensemble an empirischen Methoden für einen praxisanalytischen Forschungszugang erschlossen werden kann. Sie verdeutlichen die Fruchtbarkeit unterschiedlicher methodischer Zugänge für eine Soziologie der Praxis und eröffnen Einblicke in Erfahrungen mit empirischer Praxisforschung.
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Maurice Merleau-Ponty, Michel Foucault und Pierre Bourdieu sind einflussreiche französische Denker des 20. Jahrhunderts. Ihre Bedeutung wird bereits dadurch angezeigt, dass sie alle drei an das Collège de France berufen wurden und ihnen damit die höchste akademische Auszeichnung in Frankreich zuteilwurde. Maurice Merleau-Ponty ist der älteste unter ihnen. Er lebte von 1908 bis 1961. Zwar lehrte er einige Jahre an der Sorbonne Kinderpsychologie, aber er arbeitete vor allem als Philosoph. Lange Zeit war er in Deutschland eher einem Kreis weniger Eingeweihter bekannt. Sie schätzen ihn als einen originellen Nachfolger von Edmund Husserl, der als Begründer der Phänomenologie unserer Zeit gilt. Merleau-Pontys Philosophie war stets umstritten, insbesondere aufgrund seines literarischen Stils. Sein Versuch, die Engführungen der rationalistischen Tradition aufzuheben, stellte ihn vor das nicht unerhebliche Problem, auf eine Sprache angewiesen zu sein, die das, was in Zweifel gezogen wird, permanent beglaubigt.
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Das Soziale, so wie es uns gegenwärtig aus der Immanenz heraus erscheint, bedient sich konstitutiv der Form des Spiels, um sich partikular konstituieren zu können; zugleich ist dieses Soziale jedoch kein Spiel. Das, was als das Soziale bezeichnet werden kann, markiert seit dem Beginn der Aufklärung etwas, das durch keine transzendenten Gründe mehr fundiert wird. Es ist seither mit der unmöglichen Aufgabe konfrontiert, sich aus sich selbst heraus gründen zu müssen, ohne dabei allerdings über Kriterien zu verfügen, die diese Selbstbegründungen absichern könnten. Seine Gründungsversuche bleiben grundlos. Doch wie kann sich dieses Soziale in einer solchen Grundlosigkeit überhaupt konstituieren? Die Antwort, die diese Untersuchung dekonstruierend aufzuzeigen versucht, lautet: Es tut so, als ob diese grundlosen Gründe eben alles andere als grundlos wären, und dabei rückt dieser Als-Ob-Modus im Sozialen – wie im Spiel – selbst kaum in den Fokus.
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In einer qualitativ gehaltvollen Beschreibung einer schulischen Lernsituation, einer phänomenologischen Vignette, werden an einem empirischen Beispiel negative Erfahrungen aufgesucht. In einer ersten Lesart der Vignette wird ermittelt, welche wissenschaftlich-theoretischen, subjektiven und biographischen Vorannahmen und Vorurteile den Blick auf negative Erfahrungen im Lernen prägen.
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Soweit wir auch schauen in der Gesellschaft der Gegenwart, ob lokal oder global, was sich ausbreitet, ist nicht das Allgemeine, es ist das Besondere. Was immer mehr gefördert und eingefordert wird, an was sich die Hoffnungen und Sehnsüchte heften, ist nicht das Standardisierte und Regulierte, sondern das Einzigartige, das Singuläre.
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Zusammenfassung Ausgehend von der jüngsten Diagnose eines ‚Practice Turn‘ in der Sozialtheorie und empirischen Forschungspraxis arbeitet der Artikel Strukturmerkmale einer ‚Praxistheorie‘ oder ‚Theorie sozialer Praktiken‘ im Vergleich zu alternativen Sozial- und Kulturtheorien heraus. Von besonderer Bedeutung erweisen sich dabei drei Grundannahmen: eine ‚implizite‘, ‚informelle‘ Logik der Praxis und Verankerung des Sozialen im praktischen Wissen und ‚Können‘; eine ‚Materialität‘ sozialer Praktiken in ihrer Abhängigkeit von Körpern und Artefakten; schließlich ein Spannungsfeld von Routinisiertheit und systematisch begründbarer Unberechenbarkeit von Praktiken.
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Michel Foucault (1926 – 1984) gilt als prononcierter Vertreter des Poststrukturalismus und muss nach Umfang, Reichweite und Rezeption seiner Arbeiten als einer der einflussreichsten sozialwissenschaftlichen Philosophen des 20. Jahrhunderts gelten, was keineswegs heißt, dass seine Thesen und Interpretationen unumstritten geblieben wären. Das trifft weniger auf seine frühen Arbeiten zu, die sich mit dem Wahnsinn und seiner gesellschaftlich-kulturellen Bedeutung („Maladie mentale et Psychologie“, 1954, deutsche Fassung: „Psychologie und Geisteskrankheit“, 1968; „Histoire de la Folie“, 1961; deutsche Fassung: „Wahnsinn und Gesellschaft“, 1969) beschäftigen.
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Dieser Artikel ist eine Art Querblick auf Meditation: Es geht nicht um Erleuchtung oder andere Ziele des Meditierens, sondern um die Erfahrungen, die in meditativer Übung gemacht werden. Dabei ist der Ausgangspunkt das durchschnittliche Alltagsbewusstsein eines Teilnehmers der mitteleuropäischen Zivilisation. Die Meditationspraxis, um die es geht, ist das Zazen. Die besprochenen Bewusstseinsformen sind: a) Nicht-Intentionales Bewusstsein b) Leeres Bewusstsein, Nicht-Denken c) Präsenzbewusstsein, Leibbewusstsein d) Nondualität e) Selbstbewusstsein.
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This book addresses key topics in social theory such as the basic structures of social life, the character of human activity, and the nature of individuality. Drawing on the work of Wittgenstein, the author develops an account of social existence that argues that social practices are the fundamental phenomenon in social life. This approach offers insight into the social formation of individuals, surpassing and critiquing the existing practice theories of Bourdieu, Giddens, Lyotard and Oakeshott. In bringing Wittgenstein's work to bear on issues of social theory the book shows the relevance of his work to a body of thought to which it has never been applied. The book will be of particular interest to philosophers of the social sciences, a wide range of social theorists in political science and sociology, as well as some literary theorists.
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Against the background of the recent diagnosis of a "practice turn" in social theory and cultural analysis, this article works out basic elements of what a "practice theory" can be in contrast to alternative social and cultural theories. Three features are of particular relevance for a theory of social practices: the "informal," tacit logic of practices and the location of the social in practical understanding and know-how-techniques; the materiality of practices as dependent on bodies and artefacts; finally, the tension between routinization and basic incalculabilities of social practices.
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Thesis (doctoral)--Universität, Freiburg (Breisgau), 2001. Includes bibliographical references.
Ist Achtsamkeit gegenwartszentriert und nicht-urteilend? Eine Diskussion der kognitiven Dimension von Achtsamkeit
  • Georges Dreyfus
Dreyfus, Georges. 2013. Ist Achtsamkeit gegenwartszentriert und nicht-urteilend? Eine Diskussion der kognitiven Dimension von Achtsamkeit. In Achtsamkeit. Ihre Wurzeln, ihre Früchte, Hrsg. Jon Kabat-Zinn und Mark Williams, 73-96. Freiburg: Arbor.