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Technologien für die erneuerbare Wärmebereitstellung und Abwärmenutzung
Innovative Wärmeversorgung im innerstädtischen Quartier:
Wärme- und Monitoringkonzept
Meyer J.1), Zeh R., Schmid M., Stockinger V.1)
1) Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm – Institut für Energie und Gebäude,
Keßlerplatz 12, 90489 Nürnberg, johannes.meyer@th-nuernberg.de, Tel. +49 911/5880-1854.
Kurzfassung
Die ca. 23 ha große Fläche der ehemaligen Lagarde-Kaserne in Bamberg wird derzeit zu einem zukunftsfähigen innerstädtischen Quartier
transformiert. Insgesamt sollen ca. 1.200 Wohneinheiten über ein kaltes Nahwärmenetz und dezentrale Wärmepumpen mit erneuerbarer
Wärme und Kälte versorgt werden. Die begrenzt verfügbaren Flächen und die hohe Bebauungsdichte erfordern die Nutzung unterschied-
licher regenerativer Wärmequellen (WQ). Die Umweltwärme wird über Erdwärmekollektoren (EWK) in der Freifläche, EWK unter
Gebäuden, Erdwärmesonden und einen Abwasserwärmetauscher erschlossen. Im Rahmen des Forschungsvorhabens MultiSource (FKZ:
03EN3057) wird die mögliche saisonale Verschiebung von Wärme sowie die gegenseitige Regeneration der unterschiedlichen WQ
analysiert. Die entwickelten Messkonzepte für das Monitoring ermöglichen systematische Analysen der einzelnen WQ und des gesamten
WQ-Systems.
Schlagworte: Multiple Wärmequellensysteme, Quartierskonzept, Oberflächennahe Geothermie, Abwasserwärme, Monitoring
1 Einleitung
Die ca. 23 ha große Fläche der ehemaligen Lagarde-Ka-
serne in Bamberg wird seit 2021 in einem innerstädti-
schen Infrastrukturprojekt transformiert. Abbildung 1
zeigt einen Abschnitt des Lagarde Campus während der
Bauphase im Jahr 2021 und hierzu im Vergleich sind in
Abbildung 2 die im Jahr 2022 fertiggestellten, bereits be-
wohnten mehrgeschossigen Gebäudekomplexe zu sehen.
In dem zukunftsfähigen Quartier werden aktuell die ers-
ten der ca. 1.200 geplanten Wohneinheiten mit erneuer-
barer Wärme versorgt.
Abbildung 1: Bauabschnitt des Lagarde Campus in 2021
(Quelle: Stadtwerke Bamberg)
Abbildung 2: Bauabschnitt des Lagarde Campus in 2022
(Quelle: Technische Hochschule Nürnberg)
Die begrenzt verfügbaren Flächen und die hohe Bebau-
ungsdichte im urbanen Raum erfordern die Nutzung un-
terschiedlicher regenerativer Wärmequellen. Die Um-
weltwärme wird über Erdwärmekollektoren in der Frei-
fläche, Erdwärmekollektoren unter Wohngebäuden, Erd-
wärmesonden und einen Abwasserwärmetauscher er-
schlossen.
2 Wärmeversorgungskonzept
Die Wärmequellen werden in der Energiezentrale im
Zentrum des Quartiers zusammengeführt und in einem
kalten Nahwärmenetz den dezentralen Wärmepumpen
für die Raumbeheizung und Trinkwarmwasserbereitung
zur Verfügung gestellt. Abbildung 3 zeigt die Trassen-
führung des kalten Nahwärmenetzes (blaugefärbtes
Netz). Bei der kalten Nahwärme handelt es sich um ein
Netz der 5. Generation [1], [2]. Das kalte Nahwärmenetz
Meyer J. et al. / 1. Konferenz zur Norddeutschen Wärmeforschung (2023) 2
wird ohne Wärmedämmung ausgeführt und mit mög-
lichst niedrigen Temperaturen betrieben, um Wärmever-
luste zu vermieden [3]. Im Anwendungsfall des Lagarde
Campus befindet sich die Netztemperatur während der
Heizperiode unterhalb der Erdreichtemperatur, was zu
Wärmegewinnen im Netz führt [4]. Die niedrigen Netz-
temperaturen (ca. 0 °C – 20 °C) ermöglichen neben der
Wärmebereitstellung auch eine passive Kühlung der Ge-
bäude zur Steigerung des Nutzerkomforts in den Som-
mermonaten [3]. Dieser Wärmeeintrag in das kalte Nah-
wärmenetz in den Sommermonaten führt wiederum zu
Synergieeffekten durch die beschleunigte Regeneration
der Erdwärmequellen [5].
Abbildung 3: Schematische Darstellung des Wärmenetzes am
Lagarde Campus (Quelle: Stadtwerke Bamberg)
Einige denkmalgeschützte Bestandsgebäude werden
über ein klassisches Nahwärmenetz (braungefärbtes
Netz) mit höheren Temperaturen von ca. 70 °C versorgt.
Für die Bereitstellung der höheren Versorgungstempera-
turen und als Redundanz der innovativen regenerativen
Wärmeversorgung werden in der Energiezentrale zwei
Erdgas-BHKW und ein Fernwärmeanschluss vorgese-
hen.
In dem dicht bebauten Quartier wird von einem Gesamt-
wärmebedarf von ca. 10 GWh/a ausgegangen. Etwa 2/3
des Wärmebedarfs sind durch die regenerative Wärme-
versorgung der unterschiedlichen Wärmequellensysteme
bereitzustellen. Zur Sicherstellung des hohen regenerati-
ven Anteils werden im Quartier unterschiedliche Wär-
mequellen kombiniert:
Abwasserwärmetauscher mit einer Länge von 250 m
und ca. 1 MW Wärmequellenleistung im Trocken-
abfluss
Erdwärmekollektoren mit einer Erdwärmekol-
lektorfläche von insgesamt 32.000 m² (anteilig 40 %
in der Freifläche, 60 % unter Gebäuden) und ca.
1,8 MW Wärmequellenleistung
Erdwärmesondenfeld mit 54 Erdwärmesonden bei
einer Bohrtiefe von 120 m, ca. 200 kW Heizleistung
und ca. 135 kW Kühlleistung
Zwei weitere Erdwärmesondenfelder befinden sich
in Planung (vsl. 20 und 47 Erdwärmesonden)
Die verfügbaren Freiflächen des Lagarde Campus wer-
den weitestgehend mit Erdwärmekollektoren belegt. Un-
ter den Wohngebäuden sind Erdwärmekollektoren ver-
baut, welche als Quelle und Speicher genutzt werden
können. Weiterhin stehen drei Flächen zur Verfügung,
die sich für die Installation von Erdwärmesondenfeldern
eignen. Das Erdwärmesondenfeld im Westen des
Lagarde Campus am zukünftigen „Platz der Menschen-
rechte“ konnte in 2022/23 bereits fertiggestellt werden.
Die beiden Erdwärmesondenfelder im östlichen Teilge-
biet befinden sich noch in der Planungsphase und sollen
im Zuge des allgemeinen Baufortschritts entstehen.
In Abbildung 4 wird die Flächennutzung der einzelnen
Wärmequellensysteme im Quartier farblich dargestellt.
Es wird deutlich, dass die Erschließung der unterschied-
lichen Wärmequellen mit einer effizienten Nutzung der
verfügbaren Flächen im urbanen Raum einhergeht.
Abbildung 4: Schematische Darstellung der Flächen der Wär-
mequellensysteme am Lagarde Campus (Quelle: Stadt Bam-
berg, bearbeitet)
Die Wärmequellen Erdwärme und Abwasserwärme stel-
len für das Forschungsvorhaben MultiSource eine neuar-
tige Kombination mit zu analysierenden Synergieeffek-
ten dar. Das Forschungsvorhaben besteht aus den Ar-
beitspaketen Messtechnische Erfassung (AP1), Boden-
kundliche Begleitung (AP2), Modellierung und Simula-
tion (AP3), Datenauswertung und Analyse (AP4) sowie
Projektkoordination & Wissenstransfer (AP5). Im For-
schungsvorhaben am Lagarde Campus werden im
Schwerpunkt folgende Aspekte untersucht:
Zusammenspiel und Wechselwirkungen der unter-
schiedlichen Wärmequellensysteme
Kollektoren unter Gebäude
Kollektoren in der Freifläche
Erdwärmesondenfeld
Abwasserwärmetauscher
Meyer J. et al. / 1. Konferenz zur Norddeutschen Wärmeforschung (2023) 3
Mögliche saisonale Verschiebung von Wärmeener-
gie
Analyse der Entzugsleistung von Erdwärmekollekt-
oren unter Gebäuden
Validierung der Wärmequellenauslegung
Weiterentwicklung von Simulationsprogrammen
In Abbildung 5 wird die Vernetzung der Wärmequellen
in der Energiezentrale und das Zusammenspiel der unter-
schiedlichen Quellen schematisch verdeutlicht.
Abbildung 5: Schematische Darstellung des Zusammenspiels
der Wärmequellensysteme (Quelle: Technische Hochschule
Nürnberg)
3 Messkonzept und Messtechnik
Die Grundlage für eine detaillierte Analyse des Energie-
systems während des zukünftigen Betriebs liefert das
umfangreiche Messkonzept. Das Messkonzept hat so-
wohl die Bilanzierung der Energiemengen der einzelnen
Wärmequellen als auch des Gesamtsystems als Ziel. Dar-
über hinaus sollen Messdaten für eine detaillierte Be-
trachtung der einzelnen Wärmequellen erhoben werden.
Die Energieanlagentechnik des Lagarde Campus wird
auf Basis der entwickelten Messkonzepte mit umfangrei-
cher Messtechnik ausgestattet. Die Komponenten wer-
den baubegleitend installiert und an eine Monitoring-Da-
tenbank angebunden. Bereits vergleichbare Forschungs-
vorhaben innovativer Leuchtturmprojekte, wie EnVi-
saGePlus (FKZ: 03ET1382) [6], ErdEis
(FKZ: 03ET1465) [7], KNW-Opt (FKZ: 03EN3020) [5]
oder +EQ-Net (FKZ: 03ET1299) [8], zeigten den Mehr-
wert eines Monitorings zur Sicherstellung eines opti-
mierten und effizienten Anlagenbetriebs.
3.1 Energiezentrale
In der Energiezentrale werden alle Wärmequellensys-
teme an einem Netzverteiler zusammengeführt und über
die einzelnen Stränge des kalten Nahwärmenetzes im
Quartier verteilt. Alle Wärmequellen und die einzelnen
Netzstränge werden jeweils mit einem separaten Wär-
memengenzähler ausgestattet. Die Installation der gro-
ßen Netzverteiler (DN 600) und zu installierende Wär-
memengenzähler sind in Abbildung 6 zu sehen. Darüber
hinaus werden an allen Pumpen der Quell- und Netzseite
Stromzähler eingesetzt, wodurch die Gesamteffizienz
des Systems beurteilt werden kann.
Abbildung 6: Installation der Netzverteiler und Wärmemen-
genzähler in der Energiezentrale (Quelle: Technische Hoch-
schule Nürnberg)
3.2 Erdwärmekollektoren
Ergänzend zur Wärmemengenmessung am Netzverteiler
in der Energiezentrale werden die Erdwärmekollektoren
mit Messtechnik im Erdreich ausgestattet. In einem defi-
nierten Tiefenprofil werden Temperatur- und Feuchte-
sensoren angebracht, wodurch die langfristigen Entwick-
lungen der Bedingungen im Erdreich analysiert werden
können. Beispielhaft zeigt Abbildung 7 das Messkonzept
eines in der Freifläche verbauten Erdwärmekollektors.
Die auf dem Lagarde Campus verbauten Erdwärmekol-
lektoren befinden sich im von Grundwasser unbeein-
flussten Bereich.
Abbildung 7: Messkonzept eines Erdwärmekollektors in der
Freifläche (Quelle: Technische Hochschule Nürnberg)
In Abbildung 8 sind Eindrücke der Messtechnik-Installa-
tion einer Messstelle in der Freifläche zu sehen. Die
Temperatur- und Feuchtesensoren werden im festgeleg-
ten Tiefenprofil im Zuge der Erdwärmekollektorverle-
gung angebracht. Ein Kunststoff-Gitterrost wird hierbei
als Hilfskonstruktion genutzt.
Erdwärmekollektor
in der Freifläche
Erdwärmekollektor
unter den Gebäuden
Abwasser-
wärmetauscher
Erdwärme-
sondenfeld
Energiezentrale
Wärme-
verbraucher
Legende: Temperaturfühler Feuchtefühler
Freifläche
Geländeoberkante
+ 75 cm
+ 25 cm
+ 10 cm
- 10 cm
- 25 cm
- 75 cm
Kollektor
- 50 cm
+ 50 cm
Meyer J. et al. / 1. Konferenz zur Norddeutschen Wärmeforschung (2023) 4
Abbildung 8: Installation der Temperatur- und Feuchtesenso-
ren im Erdreich nach dem Messkonzept (Quelle: Technische
Hochschule Nürnberg)
Die messtechnisch erfassten Erdwärmekollektoren wer-
den im Verteilerschacht mit einer Wärmemengenmes-
sung in der Sammelleitung und einer Temperaturmes-
sung in jedem einzelnen Strang ausgestattet (Messkon-
zept siehe Abbildung 9). Es werden Messstellen für Erd-
wärmekollektoren in der Freifläche, unter Gebäuden mit
Erdgeschoss und unter Gebäuden mit Kellergeschoss in-
stalliert. Dies ermöglicht einen Vergleich der geothermi-
schen Teilsysteme unter gleichen klimatischen Rahmen-
bedingungen. Zudem kann der jeweilige Wärmeenergie-
entzug mit den Erdreichbedingungen verglichen werden.
Abbildung 9: Messkonzept eines Erdwärmekollektor-Vertei-
lerschachts (Quelle: Technische Hochschule Nürnberg)
Auf dem Gelände des Lagarde Campus liegen im Boden-
bereich (8 m – 10 m unterhalb Geländeoberkante) sandig
tonige Bodenverhältnisse vor. Neben der beschriebenen
Messtechnik werden die Erdwärmequellen baubeglei-
tend geologisch untersucht. Durch moderne geowissen-
schaftliche Messgeräte können alle wichtigen Bereiche
und Parameter des Untergrunds (Wärmeleitfähigkeit,
Korngrößenverteilung, Lagerungsdichte, Saugspannung,
etc.) gezielt analysiert und eine effiziente Anbindung der
geothermischen Systeme erreicht werden.
3.3 Erdwärmesondenfeld
Das im Monitoring integrierte Erdwärmesondenfeld, be-
stehend aus 54 Bohrungen mit einer Bohrtiefe von
120 m, befindet sich in direkter Nähe zur Energiezent-
rale. Die Erdwärmesonden werden an einem zentralen
Verteilerschacht hydraulisch angebunden und vom Ver-
teilerschacht aus, über eine Sammelleitung, mit der Ener-
giezentrale verbunden. Abbildung 10 zeigt den Verteiler-
schacht während der Installationsarbeiten und die Anbin-
dung der installierten Messtechnik im Inneren des
Schachts. Nach Abschluss der Installationsarbeiten wird
auch der Verteilerschacht wieder vollständig mit Erd-
reich verfüllt.
Abbildung 10: Verteilerschacht des Erdwärmesondenfelds
und messtechnische Anbindung der Hybridkabel (Quelle:
Technische Hochschule Nürnberg)
Die in Abbildung 11 gelb markierten Erdwärmesonden
am Rand des Felds und die Erdwärmesonde im Zentrum
sind mit einem Hybridkabel und einer Kupferleitung aus-
gestattet. Zudem besitzen die sieben Erdwärmesonden
eine Wärmemengenmessung, welche an den Anbindelei-
tungen im Verteilerschacht installiert wurde.
Abbildung 11: Übersichtsdarstellung zur Veranschaulichung
der Lage der intensiv gemonitorten Erdwärmesonden (Quelle:
Technische Hochschule Nürnberg)
T T
T
T
T
T
T
T
T
T
T
V
VorlaufRücklauf
Hauptverteiler
Grundwasser-Fluss
ca. 75 m
ca. 41 m
Meyer J. et al. / 1. Konferenz zur Norddeutschen Wärmeforschung (2023) 5
Die im Verteilerschacht installierten Armaturen und ein-
gesetzte Messtechnik ermöglichen neben dem Thermal
Response Test (TRT) auch den Enhanced Geothermal
Response Test (EGRT), wodurch die thermischen Bo-
denparameter (Temperatur, Wärmeleitfähigkeit und
Bohrlochwiderstand) tiefenabhängig analysiert werden
können. Ziel ist eine detaillierte Betrachtung des Erdwär-
mesondenfelds im Hinblick auf die langfristige Entwick-
lung der Bodenparameter und auf eine mögliche saiso-
nale Verschiebung von Wärme innerhalb des Quartiers.
Im Speziellen soll die Messtechnik auch einen Vergleich
der Erdwärmesonden im Randbereich mit der Erdwär-
mesonde im Zentrum unter Berücksichtigung des Grund-
wasserflusses ermöglichen.
3.4 Abwasserwärmetauscher
Der Abwasserwärmetauscher kann in Kombination mit
den Erdwärmequellen eine Schlüsselrolle im Energiesys-
tem einnehmen. Die hohe Entzugsleistung von mindes-
tens 1 MW im Trockenabfluss kann einerseits als Wär-
mequelle direkt im kalten Nahwärmenetz bereitgestellt
werden, andererseits besteht die Möglichkeit, in den
Sommermonaten überschüssige Wärme im Erdwärme-
sondenfeld saisonal zu speichern. Zudem ist es denkbar
überschüssige Abwasserwärme zur Regeneration der
Erdwärmekollektoren unter Gebäuden einzusetzen und
somit diesen Speicher mehrmals im Verlauf der Heizpe-
riode nutzbar zu machen. Bereits 2021 wurde der Abwas-
serwärmetauscher in einem großen Sammelkanal neben
dem Baugebiet installiert (siehe Abbildung 12). Die
Stahlmatten entziehen dem Abwasser Wärmeenergie, die
über einen Wärmeträgerkreislauf in die Energiezentrale
transportiert wird [9], [10]. Die maximale Abkühlung des
Abwasserteilstroms beträgt bei Trockenabfluss 1 K. Die
Auswirkungen auf den Prozess der ca. 5,5 km entfernten
Kläranlage werden auf Grund mehrerer Zuflüsse im Ka-
nalsystem und des Wärmeaustausches mit dem umlie-
genden Erdreich als geringfügig eingeschätzt.
Abbildung 12: Montage des Abwasserwärmetauschers
(Quelle: Stadtwerke Bamberg)
Der Wärmetauscher besteht aus zwei Einheiten mit einer
Baulänge von jeweils 125 m und jeweils zwei Vor- und
Rücklaufleitungen, welche mit Drucksensoren und ei-
nem Wärmemengenzähler messtechnisch erfasst werden.
Abbildung 13 zeigt das Messkonzept. Die Komponenten
wurden in einem separaten Monitoringschacht direkt am
Abwasserwärmetauscher platziert.
Abbildung 13: Messkonzept des Abwasserwärmetauschers
(Quelle: Technische Hochschule Nürnberg)
4 Diskussion
Die installierte Messtechnik am Lagarde Campus soll die
Grundlage für eine langjährige detaillierte Analyse des
Energiesystems schaffen. Die generierten Daten der
Messtechnik-Komponenten werden in einer Monitoring-
Datenbank zentral gesammelt und den Projektpartnern
für die Datenauswertung zur Verfügung stehen. Dabei
bietet die innovative Wärmeversorgung am Lagarde
Campus neue Betrachtungsmöglichkeiten. Das Zusam-
menspiel der Wärmequellen Erdwärme und Abwasser-
wärme in einem kalten Nahwärmenetz ermöglicht neue
Potenziale. Der langjährige Betrieb der Anlagentechnik
in Kombination mit der wissenschaftlichen Begleitung
wird aufzeigen welche Rolle der Abwasserwärmetau-
scher im betrachteten Energiesystem einnehmen kann.
Das Potenzial zur saisonalen Verschiebung von Wärme
ist abhängig von der Verfügbarkeit überschüssiger
Wärme und von einer effizienten saisonalen Speicherung
im Erdwärmesondenfeld. Im Zuge des Forschungsvorha-
bens können beide Kriterien und das resultierende Poten-
zial zur saisonalen Verschiebung von Wärmeenergie in-
nerhalb des Quartiers analysiert werden. Eine weitere
Besonderheit stellt der Einsatz von Erdwärmekollektoren
unter den Gebäuden dar, welche als Quelle und Speicher
genutzt werden können. Im Vergleich zur Freifläche fehlt
unter den Gebäuden der Einfluss durch Niederschlag und
solare Einstrahlung zur natürlichen Regeneration der
Erdwärmekollektoren. Anhand der langfristigen Monito-
ringdaten können Entwicklungen der Erdreichtemperatu-
ren überwacht werden. In Kombination mit einer Bilan-
zierung der Wärmemengen des Erdwärmekollektors und
einer Betrachtung der geologischen Bodenparameter ist
eine aussagekräftige Analyse der Entzugsleistung von
Erdwärmekollektoren unter Gebäuden möglich. Im in-
nerstädtischen Raum bei geringen Flächenverfügbarkei-
ten kann die innovative Einsatzform der Erdwärmekolle-
ktoren neue Möglichkeiten für die Bereitstellung regene-
rativer Wärme bieten.
5 Zusammenfassung
Am Lagarde Campus entsteht eine innovative Wärme-
versorgung, welche zu einem hohen Anteil durch rege-
nerative Wärme bereitgestellt wird. Hierfür ist die Er-
schließung vier unterschiedlicher Wärmequellensysteme
T P
T P V
Vorlaufleitung
(2 Stück)
Rücklaufleitung
(2 Stück)
Meyer J. et al. / 1. Konferenz zur Norddeutschen Wärmeforschung (2023) 6
und eine effiziente Nutzung der verfügbaren Flächen not-
wendig. Das innerstädtische Quartier vereint die lokal
verfügbaren Wärmequellen aus unterschiedlichen Erd-
wärmequellen und Abwasserwärme in einem Gesamt-
system. Die Energiezentrale als Kopplungspunkt führt
alle erschlossenen Wärmequellen zusammen und verteilt
diese über ein kaltes Nahwärmenetz. Das Monitoring in
Kombination mit der bodenkundlichen Begleitung und
der simulativen Abbildung lässt eine detaillierte Analyse
des Energiesystems zu. Die wichtigsten Systemparame-
ter werden erfasst und dienen der Analyse langfristiger
Wechselwirkungen und Optimierungspotenziale der ver-
schiedenen regenerativen Quellen. Gemeinsam mit der
bodenkundlichen Begleitung können dynamische Simu-
lationsmodelle weiterentwickelt und die Wärmequellen-
auslegung validiert werden. Primäres Ziel ist hierbei eine
optimierte Betriebsstrategie des Gesamtsystems, um ei-
nen möglichst effizienten Betrieb der regenerativen Wär-
mequellen sicherzustellen.
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