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Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik). Theoretische Annäherungen und Verhältnisbestimmungen.

Authors:

Abstract

In welchem Zusammenhang stehen Rassismus und Rassekonstruktionen mit Sprachverhältnissen und Linguizismus? Trotz der Entstehung eines Forschungsfeldes sehen die Autor:innen in der theoretischen wie auch der methodologischen Grundlegung von Linguizismus(kritik) ebenso wie in der Verhältnisbestimmung von Rassismus(kritik) und Linguizismus(kritik) weiterhin offene Fragen und Schärfungspotenziale. Um das Verhältnis zwischen Rassismus(kritik) und Linguizismus(kritik) zu erfassen, setzen sich die Autor:innen mit macht- und diskriminierungskritische Perspektiven auseinander. Dazu zählt auch die im englischsprachigen Diskurs geprägte Perspektive der Raciolinguistics. Die Autor:innen kommen zum Schluss, dass für das migrationspädagogische Konzept von Linguizismus „race“ das zentrale Differenzmerkmal ist. Daraus schlagen sie folgende Systematisierung für die Erforschung von Linguizismus aus migrationspädagogischer Perspektive vor: 1) Sprachordnungen als rassistische Ordnungen oder: Hierarchisierung von Sprachen und Sprecher:innen, 2) Sprache als Merkmal rassistischer Differenzkonstruktion und 3) Rassistische Zu- und Einschreibungen von Sprachigkeit.
Spannungsverhältnisse migrationspädagogischer Zweitsprachdidaktik
i
Inhaltsverzeichnis
Nazli Hodaie, Sabine Guldenschuh, Silvia Demmig, İnci Dirim, Assimina Gouma, Heidi Rösch,
Nina Simon & Maria Weichselbaum
Editorial ........................................................................................................................................... 1
Radhika Natarajan
Sprachpolitisch betrachtet: Ein Seismogramm prämigrationspädagogischen Umgangs mit
dem Deutschen als dominanter oder zusätzlicher Sprache ........................................................ 9
David Füllekruss & Liesa Rühlmann
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik). Theoretische Annäherungen und
Verhältnisbestimmungen ............................................................................................................. 34
Karin Kämpfe, M Knappik, Yasemin Uçan & Christina Winter
Sprachliche Bildung in geteilter Verantwortung? Kooperation von Familie, Kita und
Grundschule im Kontext sprachlicher und institutioneller Ordnungen in der
Migrationsgesellschaft ................................................................................................................. 58
Assimina Gouma & Marion Döll
Migrationspädagogische Perspektiven auf Mehrsprachigkeit in Unterrichtsvignetten die
MALWE-Unterrichtsvignetten ................................................................................................... 87
Aybike Savaç
Rezension zu Pokitsch, Doris (2022): „Wer spricht? Sprachbezogene
Subjektivierungsprozesse in der Schule der Migrationsgesellschaft ................................... 115
© 2023 Füllekruss & Rühlmann. Open-Access-Publikation unter der Lizenz CC BY 4.0 (https://crea-
tivecommons.org/licenses/by/4.0/). Uneingeschränkte Nutzung, Verbreitung und Weiterverarbeitung ge-
stattet mit Verweis auf: Füllekruss, D. & Rühlmann, L. (2023): Sprache, Rassismus- und Linguizis-
mus(kritik). Theoretische Annäherungen und Verhältnisbestimmungen. Migrationspädagogische Zweit-
sprachdidaktik, 2/2023 (S. 34–57). doi: 10.25365/mpzd-2023-2-3. [veröffentlicht am 21.09.2023]
David Füllekruss & Liesa Rühlmann
Affiliation: Universität Bielefeld, Deutschland
E-Mail: david.fuellekruss@uni-bielefeld.de; liesa.ruehlmann@uni-bielefeld.de
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik). Theoretische Annäherungen und
Verhältnisbestimmungen
1. Einleitung
Sowohl mit Blick auf fachwissenschaftliche als auch auf öffentliche Diskurse um migra-
tionsgesellschaftliche Sprachverhältnisse lässt sich feststellen, dass ‚Sprache‘ je nach Per-
spektive und Interesse auf sehr unterschiedliche Weise aufgerufen und mit verschiedenen
Bedeutungen aufgeladen wird: In interkulturellen Ansätzen, in Konzepten der Mehrspra-
chigkeitsdidaktik oder in Forderungen nach ‚herkunftssprachlichem Unterricht‘ wird
Sprache oftmals als ‚identitätsstiftendes Merkmal‘ markiert und in Verbindung mit ‚kul-
tureller Herkunft‘ gebracht (vgl. kritisch Rühlmann, Dirim & Dönmez, 2023; Springsits
& Dirim, 2016, S. 143ff.). In Diskursen um Sprachenrechte1 tritt Sprache wiederum als
(zumeist identifikatorisches und kulturelles) ‚Gut‘ auf, welches es zu verteidigen oder zu
schützen gilt. Während in diesen beiden Zugängen der Fokus auf nicht-dominante Spra-
chen gerichtet wird, steht in dominanten Bildungsdiskursen häufig die zu erreichende
Sprache2 im Fokus und wird als ‚Eintrittsticket‘ oder ‚Schlüssel‘ (etwa zu Bildung, In-
tegration oder Teilhabe) verhandelt (vgl. kritisch dazu etwa zur Nieden, 2013).
Eine diskriminierungskritische Perspektive auf ‚Sprache‘ fragt hingegen danach, inwie-
fern Sprache als zugehörigkeitsrelevantes, Ein- und Ausschlüsse produzierendes Diffe-
renzmerkmal zum Einsatz kommt. So wurde die Bedeutung von Sprache als Differenz-
merkmal inzwischen in verschiedenen Studien und theoretischen Ausarbeitungen heraus-
gestellt (vgl. für einen Überblick etwa Khakpour, 2022, S. 34ff.; Thoma & Knappik,
2015). Anschließend an dieses Forschungsfeld beziehen wir uns mit der Relevanzsetzung
von Sprache im Folgenden insbesondere auf die Ebene diskursiv hergestellter (Nicht-)Zu-
gehörigkeit(en). Es werden dabei auch Fragen danach relevant, inwiefern soziale Räume
1 Vgl. etwa https://www.sprachenrechte.at/wofur-wir-eintreten [01.04.2023]; siehe auch die Ausführungen
unter Kapitel 3. zu linguistic human rights.
2 Mit Sprache ist dabei meist die Vorstellung eines standardsprachlichen Deutsch gemeint.
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durch Erwartungen, Setzungen oder Normierungen mit Bezug auf das Sprachliche hie-
rarchisch geordnet sind, inwiefern eine (im weitesten Sinne soziale) Verortung von Sub-
jekten aufgrund (vermeintlicher) Sprachkenntnisse (oder auch ‚Sprachdefizite‘) stattfin-
det oder inwiefern entlang von Körperlichkeit Rückschlüsse auf das Sprachliche gezogen
werden bzw. umgekehrt.
In all diesen genannten Bereichen bekommt Sprache eine mit Macht verwobene und
machtvoll wirkende Bedeutung: Welches Sprechen in welchen Räumen als legitim gilt,
also welche Ein- und Ausschlüsse aufgrund sprachlicher Dispositionen stattfinden und
welche subjektivierenden Effekte vorherrschende Sprachenordnungen haben, ist mit Fra-
gen gesellschaftlicher, diskursiver und institutionell wirksam werdender Machtverhält-
nisse verknüpft. Die in unserem Beitrag eingenommene Perspektive auf Sprache ist eine,
welche an der Machtförmigkeit sozialer Zusammenhänge durch Imaginationen, Normie-
rungen, Adressierungen oder Zuschreibungen mit Bezug auf das Sprachliche interessiert
ist. Dabei sollen weniger Sprachen bzw. das Sprachliche an sich und vielmehr Subjekti-
vierungsweisen, Zugehörigkeitsverhältnisse und Ausschlusspraktiken mit Bezug auf das
Differenzmerkmal Sprache in den Blick geraten.
Dass nicht zuletzt unter migrationsgesellschaftlichen Bedingungen in hegemonialen
Verhältnissen auch an Rassekonstruktionen anknüpfende, diese bedienende und hervor-
bringende sowie Rassismen stärkende Praktiken bedeutsam werden, wurde vielfach her-
ausgestellt (vgl. etwa Aygün-Sagdic, Bajenaru & Melter, 2015; Dean, 2019; Dirim &
Pokitsch, 2018; Khakpour, 2022; Rühlmann, 2023a, i.E.). Sprache ist, so kann im An-
schluss an rassismus- und linguizismuskritische sowie weitere machtkritische Arbeiten
festgehalten werden, ein relevantes Merkmal in der Verhandlung und Hervorbringung
natio-ethno-kultureller Zugehörigkeitsordnungen (Mecheril, 2003). Nadja Thoma (2018)
spricht daher auch von natio-ethno-kulturell-lingualen Zugehörigkeitsordnungen. In die-
sem Zusammenhang ist insbesondere der Begriff des Linguizismus relevant, welcher so-
wohl auf ein theoretisches Konzept, auf eine Analyseperspektive sowie auf eine (gegen-
warts-)analytische Beschreibung sozialer Verhältnisse respektive auf eine Herrschafts-
form verweist. Linguizismus kann in einer ersten allgemeinen Annäherung an eine De-
finition als eine Form oder Spielart von Rassismus verstanden werden, bei welcher die
sprachliche Disponiertheit von Subjekten zum rassismusrelevanten Differenzmerkmal
wird (Dirim, 2010).
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Trotz der Entstehung eines Forschungsfeldes sowohl im Bereich des Deutschen als Zweit-
sprache als auch in den Erziehungswissenschaften im Allgemeinen sehen wir in der the-
oretischen wie auch der methodologischen Grundlegung von Linguizismus(kritik) ebenso
wie in der Verhältnisbestimmung von Rassismus(kritik) und Linguizismus(kritik) weiter-
hin offene Fragen und Schärfungspotenziale. Daher sollen im Folgenden und anschlie-
ßend an die Diskussionen einer Arbeitsgruppe3, die im Rahmen der Vereinstagung des
Vereins Migrationspädagogische Zweitsprachdidaktik im Oktober 2022 durchgeführt
wurde, Fragen danach in den Blick genommen werden, wie Rassismus und Rassekon-
struktionen mit Sprachverhältnissen und Linguizismus in Zusammenhang stehen. Auch
wird betrachtet, wie das Verhältnis von Rassismus(kritik) und Linguizismus(kritik) an-
knüpfend an verschiedene theoretische Ansätze gefasst werden kann. Hierbei sollen ins-
besondere die Verhältnisse von Sprache, Körper und Rassekonstruktionen fokussiert wer-
den. Zunächst werden wir dafür das Verhältnis von Sprache und Rassismus und insbe-
sondere Theoretisierungen dieses Verhältnisses betrachten, wobei wir auf macht- und dis-
kriminierungskritische Perspektiven zurückgreifen. Ein Schwerpunkt liegt auf rassismus-
kritischen Betrachtungen von Sprachverhältnissen sowie auf Linguizismus(kritik),
wodurch wir eine Grundlage für eine nähere Auseinandersetzung des Verhältnisses von
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) schaffen. Im Anschluss diskutieren wir die
im englischsprachigen Diskurs geprägte Perspektive der Raciolinguistics (Flores & Rosa,
2015) und arbeiten heraus, wie sie sich zu Linguizismus(kritik) verhält. Im abschließen-
den Fazit versuchen wir, die sich aus den besprochenen Zugängen ergebenden Verhält-
nisse von Sprache, Rassismus und Linguizismus in eine Systematik zu bringen.
2. Sprache und Sprechen vor dem Hintergrund rassistischer Verhältnisse
Einen Zugang, der den Ausgangspunkt in der Betrachtung der Zusammenhänge von Ras-
sismus und Sprache an durch Rassekonstruktionen und Rassismen geprägten Ordnungen
nimmt, lässt sich bei Paul Mecheril und Thomas Quehl (2006) aus rassismuskritischer
3 Wir danken den Teilnehmenden für ihre Beiträge, welche Fragen sowie weitere Reflexionsanlässe und
Vertiefungen zum Thema aufgeworfen haben. Ein besonderer Dank gilt Natascha Khakpour und Isabel
Dean, die den Prozess der Auseinandersetzung in unserer intern über mehrere Monate lang sattfindenden
Arbeitsgruppe begleitet und geprägt haben. Dieser Austauschraum hat maßgeblich zum Entstehungsprozess
und einer Systematisierung im Rahmen dieses Artikels beigetragen.
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Perspektive ausmachen. Die Autoren fragen danach, welches Sprechen unter rassisti-
schen Verhältnissen legitim oder illegitim ist und stellen fest, dass
„das legitime Sprechen […] eine Farbe, einen Körper und eine kulturelle Physiognomie
[hat] […]. Die Art und Weise anerkannten Sprechens produziert nicht allein eine Körper-
lichkeit, einen Habitus inkorporierter Meisterschaft, sie setzt auch jene Körper und die
prototypische Imagination des Körpers […] voraus, die dem legitimen Sprechen zuge-
ordnet ist.“ (ebd., S. 365)
Der vorausgesetzte, (nicht-)rassialisierte Körper ist es also, der legitimes bzw. illegitimes
Sprechen ausweist bzw. ermöglicht oder verunmöglicht. Dabei rückt zunächst die Frage
danach ins Zentrum wer spricht. Sprache und Sprechen wird in dieser Perspektivierung
sowohl zum Ausdruck als auch zum Modus der Positioniertheit in rassistischen Ordnun-
gen. Mit diesem Zugriff kann davon ausgegangen werden, dass auch das wie des Spre-
chens konstitutiv mit rassistischen Ordnungen verbunden ist und rassialisierte Positionen
hervorbringt. Die Perspektive eröffnet vor allem die Frage danach, welches Sprechen
(und Sprechen-Können) rassialisierten Subjekten (nicht) zugeschrieben wird.
In einem späteren Text führen Mecheril und Quehl (2015) den Zusammenhang von Ras-
sismus und Sprache weiter aus und schreiben Sprache dabei die Funktion eines ‚Kitts‘ zu,
durch welchen Rassismen aufrechterhalten und verfestigt werden können:
„An rassistische Muster der Unterscheidung anschließende natio-ethno-kulturelle Deu-
tungen stehen in allen Bereichen des Zugehörigkeitsraums Deutschland zur Verfügung
und können unabhängig von formellen Einschlussregelungen und -semantiken in vielfäl-
tigen Zusammenhängen aktiviert werden (vgl. Mecheril, 2010, S. 14). Dabei erhöht der
Topos ,Sprache‘ die Flexibilität des natio-ethno-kulturellen Distinktionsschemas noch
einmal, weil ihm zusätzlich eine ,Kitt-Funktion‘ zukommt, mit der Ausgrenzungen sym-
bolisch aufrechterhalten werden, während rhetorisch für den materiellen Einbezug ‚der
Anderen‘ eingetreten werden kann.“ (Mecheril & Quehl, 2015, S. 162)
Es deuten sich in diesen fokussierten Einblicken bereits die komplexen Beziehungen zwi-
schen dem Differenzmerkmal Sprache und Rassismus je nach Betrachtungsebene an: Ne-
ben einer symbolischen Funktion zur Aufrechterhaltung einer über Rassismen vermittel-
ten Zugehörigkeitsordnung auf einer übergeordneten Ebene kommt mit Blick auf Körper
und Subjekte dem Sprachlichen die Rolle des Ausweises von Positioniertheit innerhalb
dieser machtvollen Ordnungen zu. Dabei werden entlang des Sprachlichen rassismusre-
levante Körperlichkeiten (re-)produziert. Sprechpraxen werden zugleich verbunden mit
einer Imagination von Körperlichkeit.
Während mit den ausgeführten Annäherungen eine macht- und rassismuskritische Per-
spektive auf Sprachverhältnisse geworfen wird, wird mit dem Begriff und dem Zugang
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
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‚Linguizismus(kritik)‘ angestrebt, die Analyse und dessen Gegenstand zu spezifizieren.
Hierbei können unterschiedliche theoretische Implikationen erkannt werden, die wir im
Folgenden in ihren Tendenzen nachzeichnen wollen.
3. Linguizismus(kritik): Sprache als Diskriminierungskategorie
Als eine grundlegende linguizismustheoretische Referenz auch im deutschsprachigen
Diskurs wird oftmals Tove Skutnabb-Kangas (1988) angeführt, die den Begriff des Lin-
guizismus in Publikationen zum sogenannten „linguistischen Genozid“, zum Recht auf
muttersprachlichen Unterricht sowie in einem fachwissenschaftlichen Diskurs um lingu-
istic human rights, vielfach auch gemeinsam mit Robert Phillipson, geprägt hat.4 İnci
Dirim und Nina Simon (2022) heben hervor, dass der von Dirim (2010) geprägte Ansatz
der Linguizismuskritik zwar an diese Arbeiten anknüpft, jedoch mit anderen theoreti-
schen Prämissen operiert:
„Linguizismuskritik hat […] einen anderen theoretischen Hintergrund als die ursprüngli-
chen Arbeiten von Skutnabb-Kangas und Phillipson, die von den 1980er Jahren an auf
sprachbezogene Diskriminierungen aufmerksam gemacht und deren Beendigung gefor-
dert haben, knüpft aber an diese Pionierarbeiten an. Das linguizismuskritische wissen-
schaftliche Interesse ist eher differenz- und diskurstheoretisch orientiert und geht davon
aus, dass durch Linguizismus sprachliche Unterschiede zu sozial relevanten Differenzen,
vergleichbar mit race, gender und class, werden.“ (Dirim & Simon, 2022, S. 5)
Im Folgenden soll ausgehend von dieser linguizismuskritischen Perspektive genauer her-
ausgearbeitet werden, worin die theoretischen, aber auch erkenntnisbezogenen Gemein-
samkeiten und Unterschiede der beiden Zugänge liegen und wie dabei jeweils das Ver-
hältnis von Linguizismus und Rassismus konzipiert wird. Hierfür ist es aufschlussreich,
die einführende Definition des Begriffes bei Skutnabb-Kangas zu betrachten:
„Linguicism is akin to the other negative -isms: racism, classism, sexism, ageism. Lin-
guicism can be defined as ideologies and structures which are used to legitimate, effec-
tuate and reproduce an unequal division of power and resources (both material and non-
material) between groups which are defined on the basis of language (on the basis of their
mother tongues).“ (Skutnabb-Kangas, 1988, S. 13)
4 Wir gehen hier v.a. auf die Arbeiten von Skutnabb-Kangas und Phillipson ein, da sie den Begriff ‚Lingui-
zismus‘ geprägt haben und ihn explizit zur Beschreibung und Analyse sprach(en)bezogener Herrschafts-
formen aufgreifen und theoretisieren. Sie stellen damit einen zentralen Referenzpunkt linguizismustheore-
tischer Ansätze dar. Dies soll nicht untergraben, dass Diskriminierungsverhältnisse entlang des Differenz-
merkmals Sprache auch von vielen anderen Autor:innen bearbeitet wurden und werden, wobei durchaus
unterschiedliche theoretische Annahmen und Gegenstandsbereiche relevant werden.
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Linguizismus wird hier zunächst als eine eigene Diskriminierungsform neben Rassismus,
Klassismus, Sexismus und Ageismus verstanden. In einer späteren Publikation ist eine
Veränderung des Verhältnisses von Linguizismus und Rassismus zu erkennen und Lin-
guizismus wird als eine Form von Rassismus beschrieben: „Linguistic genocide or LIN-
GUICIDE is the extreme form of a language-based form of racism, LINGUICISM“ (Skut-
nabb-Kangas 1994, o.S., Hv. i.O.). In jüngeren Veröffentlichungen ist jedoch eine Hin-
wendung zum früheren Verständnis festzustellen (vgl. Skutnabb-Kangas, 2015; Skut-
nabb-Kangas & Phillipson, 2023).5
Die Auffassung, dass die extremste Form von Linguizismus in einem „linguistischen Ge-
nozid“, also der ‚Vernichtung‘ von Sprachen liege, verdeutlicht, dass mit dem Zugriff bei
Skutnabb-Kangas und Phillipson eher Sprachen und linguistische Dominanzverhältnisse
den Gegenstand von Analyse und Kritik bestimmen. Dabei bleibt eine Betrachtung des
Einflusses dieser Verhältnisse auf Sprecher:innen meist implizit und fokussiert tendenzi-
ell die Ebene institutionalisierter Ausschlüsse und des (kollektiv geteilten und je indivi-
duell zum Tragen kommenden) Rechtes auf ‚Muttersprache‘. Dahingegen wird das Lin-
guizismusverständnis bei Dirim insofern subjektivierungstheoretisch erweitert, als Dis-
kriminierungserfahrungen und deren Einfluss auf (re-)produzierte Subjektpositionen und
Subjektivierungsprozesse ins Zentrum des Interesses gerückt werden. Etwa erlebte ‚sub-
tile‘ Formen des Linguizismus sowie weitere Formen des Linguizismus wie etwa Sprech-
verbote, Beleidigungen oder körperliche Gewalt werden dadurch als betroffene Indivi-
duen beeinflussende Dimensionen von Linguizismus diskutierbar gemacht. Durch die
subjektivierungs- und diskurstheoretische Fundierung werden in linguizismuskritischen
Analysen zudem nicht nur Sprecher:innen als diskriminierte Subjekte in den Blick ge-
nommen, auch die diskursive Hervorbringung sprachbezogener und rassismusrelevanter
Sprecher:innenpositionen sowie linguizistischer Denkweisen werden zum zentralen Ge-
genstand (vgl. etwa Bjegač, 2020; Dorostkar, 2013; Khakpour, 2022). Auf normativer
Ebene verfolge Linguizismuskritik dabei, so İnci Dirim, M Knappik und Nadja Thoma
(2018),
„das Ziel aufzudecken, inwiefern von kolonialen Denktraditionen vermittelte Unter-
schiede zwischen Sprachen, Dialekten, Soziolekten, Akzenten und anderen sprachlichen
5 So wird in der Einleitung in „The handbook of linguistic human rights“ (wieder) von Linguizismus als
eigene Diskriminierungsform neben anderen Diskriminierungsformen wie Rassismus gesprochen (Skut-
nabb-Kangas & Phillipson, 2023).
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Merkmalen aufgerufen werden, um Menschen und ihre Praktiken herabwürdigend zu ka-
tegorisieren und wie die Inanspruchnahme gesellschaftlicher Ressourcen dadurch einge-
schränkt wird.“ (ebd., S. 60)
Neben diesen epistemologischen und normativen Spezifizierungen und Weiterentwick-
lungen lässt sich in linguizismuskritischen Arbeiten auch eine Differenzierung des Ver-
hältnisses von Rassismus und Linguizismus erkennen. Wie aufgezeigt wird Linguizismus
in den häufig zitierten Definitionen nach Skutnabb-Kangas und Phillipson mal als eine
Diskriminierungsform neben Rassismus und mal als Form von Rassismus beschrieben.
Da eine weitere explizite rassismustheoretische Fundierung des Linguizismusverständ-
nisses ausbleibt, lässt sich die Verhältnisbestimmung als diffus beschreiben. Zwar ver-
deutlicht Phillipson (2009) die Verwobenheit gegenwärtiger und historisch gewordener
Sprachverhältnisse mit globalen kolonialen, imperialistischen und rassistischen Verhält-
nissen und Denktraditionen. Hierbei scheint jedoch Rassismus eher die gesellschaftlich-
strukturelle Bedingung für Linguizismus zu sein als eine konstitutive Dimension von Lin-
guizismus selbst. Demgegenüber wird die inhärente Berücksichtigung von Rassekon-
struktionen beim Ansatz von Dirim (2017) explizit hervorgehoben, wenn Linguizismus
als „eine spezifische Form des Rassismus“ verstanden wird, bei der „Sprachen, Sprech-
weisen, Akzente, also sprachliche Unterschiede herangezogen werden, um Menschen als
Mitglieder von (konstruierten) Sprachgemeinschaften abzuwerten“ (ebd., S. 7). Auch
Alisha Heinemann (2018) weist auf die Verschränkung von Rassismus- und Linguizis-
muskritik hin und bezeichnet Linguizismuskritik als eine „sinnvolle Ergänzung der ras-
sismuskritischen Perspektive […], da Sprache häufig im Kontext rassistischer Praxen auf-
gerufen wird“ (ebd., S. 22). Dem rassismuskritischen Zugang (vgl. Mecheril, 2004) liegt
dabei ein diskurstheoretisch und kulturwissenschaftlich geprägtes Rassismusverständnis
zugrunde, bei dem Rassismus als „eine Art allgemeine strukturelle Logik des gesell-
schaftlichen Zusammenhangs, die auf allen Ebenen gesellschaftlicher Wirklichkeit be-
deutsam sein kann“, in den Blick genommen wird (Scharathow, Melter, Leiprecht & Me-
cheril, 2009, S. 11).
İnci Dirim und Doris Pokitsch erweitern das rassismuskritische Linguizismusverständnis
und spezifizieren dabei den Gegenstand der Linguizismuskritik:
„[R]assismuskritische […] Arbeiten zeigen u. E. sehr deutlich, dass es nicht die Katego-
rien der Ausgrenzung sind, um die es vordergründig geht, sondern dass beliebige Unter-
schiede im Sinne von Differenzmerkmalen herangezogen und relevant gesetzt werden
können, um Unter- und Überordnung zu konstruieren […] Sprache ist eines dieser
Merkmale. Es geht beim Linguizismus also nicht vordergründig um die Sprache(n) selbst
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
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[…], sondern in erster Linie um die Menschen bzw. Gruppen, die abgewertet werden.“
(Dirim & Pokitsch, 2018, S. 21)
Hier lässt sich eine deutliche Abgrenzung vom Linguizismusverständnis nach Skutnabb-
Kangas und Phillipson erkennen, die einen stärkeren Fokus auf Sprachen selbst legen und
Fragen nach subjektbezogenen, rassismusrelevanten Diskriminierungserfahrungen ent-
lang des Differenzmerkmals Sprache sowie den diskursiven Bedingungen ihrer Hervor-
bringung teilweise in den Hintergrund rücken. Im Unterschied dazu ist mit dem lingui-
zismuskritischen Ansatz eine Analyseperspektive beschrieben, bei der Sprache zwar
ebenfalls als Differenzkategorie der Über- und Unterordnung als zentraler Analysegegen-
stand aufgerufen wird, die Aufmerksamkeit jedoch auf gesellschaftlich-diskursiven sowie
subjekt(ivierungs)relevanten Aushandlungen und resultierenden Verteilungen von Hand-
lungsmöglichkeiten und (symbolischen wie materiellen) Ressourcen liegt. Rassismusthe-
oretisch erscheint die Differenzkategorie Sprache hierbei als eine mögliche Ressource
von Rassismus neben anderen, etwa körperlichen, religiösen oder kulturellen Bedeu-
tungsträgern.6 Die rassismuskritische Konzeption von Linguizismus lässt zudem eine
analytisch-heuristische Übertragung rassismustheoretischer Annahmen zu, wie sie etwa
Birgit Springsits (2015, S. 97) im Anschluss an Birgit Rommelspachers (2009) Rassis-
musdefinition ausführt.7 Durch den rassismustheoretischen sowie rassismuskritischen
Einsatz des Linguizismusbegriffes wird nicht zuletzt auch der Konstruktionscharakter
von ‚sprachlichen Identitäten‘ und anknüpfenden Subjektivierungsweisen hinsichtlich
eindeutiger Verbindungen von Sprache und natio-ethno-kulturellen Zugehörigkeiten be-
fragbar gemacht. So wird etwa eine Reflexion und Kritik essentialisierender und mitunter
rassialisierender Verknüpfungen von Subjekt, Sprache und natio-ethno-kultureller Zuge-
hörigkeit ermöglicht, wie sie nicht zuletzt auch in Bezeichnungen wie ‚mother tongue‘
bzw. Muttersprache zum Ausdruck kommen (vgl. kritisch Springsits, 2015; Rühlmann et
al., 2023).
Zuletzt sei die Verschränkung respektive Intersektionalität von Linguizismus mit weite-
ren Diskriminierungsformen angesprochen. Wie auch Dirim und Simon (2022) gehen wir
6 Diese Annahme knüpft an das Verständnis von Rassismus als „flexibler Ressource“ an (vgl. Scherschel,
2006). Ebenso ist es anschlussfähig an Stuart Halls Verständnis von ‚Rasse‘ als „gleitenden Signifikanten“
(vgl. Hall, 2018 [1994]).
7 Springsits nennt hierbei sechs Dimensionen zur Analyse von Linguizismus: (1) Gruppenkonstruktion
durch Sprachigkeit; (2) Naturalisierung der Sprache; (3) Homogenisierung der Sprachgruppen; (4) Polari-
sierung der Gruppen in Bezug zur dominanten Sprache (Erst- oder Zweitsprachler:in); (5) Hierarchisierung
der Gruppen; (6) (Re-)Produktion oder Legitimierung von Diskriminierungen (Springsits, 2015, S. 97).
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davon aus, „dass Linguizismus in einen Raum intersektionaler Differenzsetzungen ein-
gebettet ist“ (ebd., S. 5). Dies bedeutet, dass neben Sprache und race weitere Differenz-
kategorien von Bedeutung sind, wenn Sprechpraxen, Sprecher:innen und Ausschluss-
praktiken betrachtet werden. Jedoch wird hier bedeutsam, dass es sich bei Linguizismus
nicht um eine Diskriminierungsform neben Rassismus, sondern um eine Rassekonstruk-
tionen aufrufende und hervorbringende sowie Rassismus legitimierende Diskriminie-
rungsform respektive um eine spezifische Spielart von Rassismus handelt. Linguizismus
greift demnach nicht als Analyse(instrument), wenn Diskriminierung in der Intersektion
von Sprache und class stattfindet. Gerät jedoch beispielsweise Diskriminierung entlang
von class, race und Sprache in den Fokus, so könnte mit dem hier vorgestellten Verständ-
nis von einer Intersektionalität von Linguizismus und Klassismus gesprochen werden.
Dies heben wir an dieser Stelle hervor, da wir in der Arbeitsgruppe im Rahmen der Ta-
gung u.a. darüber diskutiert haben, ob eine linguizismuskritische Perspektive auch dann
eingenommen wird, wenn race außer Acht gelassen wird.
Es lässt sich vor dem Hintergrund der diskutierten Einblicke in ausgewählte, den Diskurs
prägende und häufig zitierte linguizismustheoretische Zugänge zusammenfassend fest-
halten, dass die linguizismuskritische Fortführung des ‚ursprünglichen‘ Konzepts von
Skutnabb-Kangas (1988, 1994) trotz Anknüpfungen und Ähnlichkeiten die Relevanz-
setzung der Diskriminierungskategorie ‚Sprache‘ scheint uns hier der zentrale gemein-
same Nenner zu sein durchaus unterschiedliche (erkenntnis-)theoretische Implikationen
mit Konsequenzen hinsichtlich aufgeworfener Interessen, fokussierter Gegenstände und
normativer Bezugspunkte mit sich bringt.
4. Raciolinguistics
Eine rassismuskritische Betrachtung von Diskriminierungsverhältnissen entlang der Dif-
ferenzkategorie Sprache, die subjektivierungs-, diskurs- und/oder differenztheoretisch
fundiert ist, findet nicht nur unter einem expliziten Aufrufen des Linguizismusbegriffes
statt.8 Im englischsprachigen Diskurs lässt sich ein mit Linguizismuskritik nach Dirim
8 Verwiesen sei etwa auf die Arbeiten von Rey Chow (2014), Adrian Holliday (2006), Sender Dovchin
(2019) oder Thomas Paul Bonfiglio (2007).
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verwandter Ansatz z.B. in Arbeiten zu „linguistic racism“ (Dovchin, 2019) erkennen.
Diese Perspektive, so Sender Dovchin (2020),
„focuses on the central role that language plays in the enduring relevance of race/racism,
institutional/interpersonal discrimination in the lives of people of colour, ethnic minori-
ties, international students and Indigenous people, who experience linguistic disparity as
an everyday lived reality.“ (ebd., S. 807)
Eine weitere Perspektive, die mit Fokus auf die USA geprägt wurde, ist die der Raciolin-
guistics. Auf diese gehen wir im Folgenden ein und diskutieren, inwieweit eine Übertra-
gung in den deutschsprachigen Diskurs möglich und gewinnbringend sein kann. Während
sowohl die Linguizismuskritik als auch der Ansatz des linguistic racism zentrieren, wie
Sprecher:innen entlang von Sprechpraxen rassialisiert werden, steht in beiden Ansätzen
weniger im Fokus, wie Subjekte entlang von Rassialisierung als Sprecher:innen positio-
niert werden, wenn auch beide Perspektiven dies implizit betrachten. Expliziter wird dies
in der Perspektive der Raciolinguistics, welche Zuschreibungspraxen entlang eines „loo-
king like a language“ (Rosa, 2019) gleichermaßen in den Blick nimmt. Dabei steht, und
hier finden sich Anknüpfungen zu vorherig benannten Ausarbeitungen von Mecheril und
Quehl (2006, 2015), im Fokus, wie Subjekte entlang von race als Sprecher:innen konstru-
iert werden.
Ausgehend von einer Bezugnahme auf raciolinguistic ideologies (Flores & Rosa, 2015)
vollziehen Jonathan Rosa und Nelson Flores einen Perspektivwechsel „From Raciolingu-
istic Ideologies to a Raciolinguistic Perspective“ (2020) und leiten damit die zunehmende
Theoretisierung dieser Perspektive ein (vgl. dies., 2017, 2020). Dabei liegt der Schwer-
punkt darauf, Sprachideologien historisch einzubetten und postkoloniale Einordnungen
von Sprachideologien vorzunehmen. Auf diese Weise liegt der zentrale Fokus auf Macht-
verhältnissen, die raciolinguistic ideologies hervorbringen. Rosa und Flores (2017) gehen
hierbei von einer „co-naturalization“ (ebd., S. 621) der Kategorien race und Sprache aus,
womit sie auf kolonialrassistische geprägte Verwobenheiten verweisen, wie sie auch in
linguizismuskritischen Auseinandersetzungen von Dirim und Pokitsch (2018) zentral ge-
setzt werden. In der Perspektive der Raciolinguistics werden Abwertungen von Sprachen
auf diese Weise nicht losgelöst von historischen Einschreibungen betrachtet und die Ka-
tegorien race und Sprache als untrennbar und sich konstituierend begriffen. Zentrale Ein-
und Zuschreibungen werden von Rosa (2019) neben dem bereits erwähnten „looking like
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
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a language“ entlang eines „sounding like a race“ ausgemacht, welche er in einer ethno-
grafischen Studie an einer Schule in Chicago herausarbeitet. Im deutschsprachigen Dis-
kurs sehen wir die Wirksamkeit eines „sounding like a race“ v.a. in linguizismuskriti-
schen Arbeiten betrachtet, das „looking like a language“ hingegen v.a. in rassismuskriti-
schen Arbeiten oder Texten (vgl. etwa Mecheril & Quehl, 2006). Die Raciolinguistics
vereint somit rassismuskritische Perspektiven auf Sprachverhältnisse und linguizismus-
kritische Ansätze (Rühlmann, 2023, i.V.).
Seit ihrer Einführung findet die Raciolinguistics vermehrt Anwendung (Alim, Rickford
& Ball, 2016). Dabei werden verschiedene Fokussetzungen der Perspektive in verschie-
denen Disziplinen sichtbar. Die Gemeinsamkeit liegt im Forschungsgegenstand, wobei
bislang v.a. diskriminierte Sprecher:innenpositionierungen in den Fokus gelangen, häufig
aus erziehungswissenschaftlicher und/oder (sozio-)linguistischer Perspektive (vgl. etwa
The Language as Social Justice Working Group, 2023). Wir orientieren uns im Folgenden
v.a. an der von Flores und Rosa (2015) soziolinguistisch geprägten Perspektive, bei der
ein zentraler Bezugspunkt das „white listening subject“ darstellt (ebd., S. 149). Mit die-
sem Begriff beziehen sich Flores und Rosa auf den von Miyako Inoue (2003) geprägten
Begriff des „listening subjects“, durch welchen aufgezeigt wird, dass Hörendenpositio-
nierungen beeinflussen, wie Sprechpraxen verortet werden. Die Begrifflichkeit lenkt da-
mit, so Busch (2021), „die analytische Aufmerksamkeit darauf […], wie Kategorisierun-
gen gewissermaßen im Ohr der Zuhörenden geschaffen werden“ (ebd., S. 27). Zu ihrer
Konzeptualisierung des white listening subjects schreiben Flores und Rosa mit weiteren
Autor:innen:
„Of course, a white listening subject is not always just listening, nor is it only white. The
term refers to those who inhabit positions of institutionalized power that are produced
and maintained, on the one hand, through structures of white supremacy, and on the other
hand, through modes of perceiving and apprehending language, including but not limited
to listening. Through the conceptualization of the white listening subject, Flores and Rosa
make explicit the effect that the construction of a subjectivity based on claimed, ascribed,
and socialized racial superiority has had in deeming the language practices of racialized
bilinguals as inferior and non-academic.“ (García, Flores, Seltzer, Wei, Otheguy & Rosa,
2021, S. 210)
Die Autor:innen zeigen auf, dass Hörendenpositionierungen in deren machtvoller Posi-
tion betrachtet werden müssen, wenn hervorgebrachte Sprecher:innenpositionierungen
von Interesse sind. Machtkritische Forschungen im Kontext von Sprachigkeiten beschäf-
tigen sich zwar mit Dominanzverhältnissen. Dabei „verharrt der Fokus in amtlich
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
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deutschsprachigen Regionen [allerdings] häufig auf der Konstruktion von Nicht-Wir Mar-
kierungen, während das normative Zentrum, von welchem aus diese Markierungen vor-
genommen […] [werden, bislang] weiter im Verborgenen bleibt“, erklärt Pokitsch (2018,
S. 376). Die Konzeptualisierung der Raciolinguistics entlang des weißen hörenden Sub-
jekts kann hier einen notwendigen Perspektivwechsel ermöglichen, denn die „Betrach-
tung und Bewertung von Sprachigkeit erfährt […] eine Verschiebung von (hegemonial
aufgeladenen) Fokussierungen auf (vor allem veranderte) Sprecher:innen hin zu Hören-
denpositionierungen“ (Rühlmann, 2023, i.V.). So wird sicht- und diskutierbar, dass
machtvoll agierende Subjekte Sprachbewertungen vornehmen und beispielsweise als
(nicht-)standardsprachlich ausweisen. Als weiße hörende Subjekte treten potenziell alle
institutionell mit Macht versehenen Subjekte auf. Dies wird u.a. daran deutlich, dass alle
Lehrkräfte (ebenso wie Forschende) „auch jene, die mehrsprachig aufgewachsen sind
Teil der nationalen monolingualen Bildungssysteme sind“ (Dirim, 2013, S. 198).
Im deutschsprachigen Diskurs wurde der Ansatz der Raciolinguistics bisher wenig rezi-
piert. Eine Anwendung der Theorie unter Rückbezug auf raciolinguistic ideologies findet
sich in den Arbeiten Nadja Thomas (2020, 2022). In ihren Konzeptualisierungen von ra-
ciolinguistic ideologies beschäftigt sich Thoma mit Ergebnissen ihrer Dissertationsschrift
(Thoma, 2018), in welcher sie „die Lebensgeschichten von migrantisch positionierten
Germanistikstudent:innen aus einer biographieanalytischen Perspektive untersucht“
(Thoma, 2022, S. 68). Dabei zeigt sie auf, dass Universitäten Räume sind, in denen „sich
muslimische und muslimisierte Student:innen mit einer Reihe von auf raciolinguistic ide-
ologies beruhenden Adressierungen konfrontiert [sehen]“ (ebd., S. 75). So erkennt sie in
ihrer Analyse „Ideologien, in denen Sprache, race und Religion naturalisierend verzahnt
werden“ (ebd., S. 81), was u.a. insofern sichtbar ist, als Befragten beispielsweise durch
ihre Kommiliton:innen geringe(re) Deutschkenntnisse zugeschrieben werden (Thoma,
2020, 2022). Ein Rückgriff auf die raciolinguistic perspective (Rosa & Flores, 2017) fin-
det sich zudem in der Dissertationsschrift einer Mitautorin dieses Beitrags, Liesa Rühl-
mann (2023a, i.E.). Sie hat sich in einer Interviewstudie damit beschäftigt, wie mehrspra-
chige Personen auf ihre Schulzeit zurückblicken und welche Subjektivierungsprozesse
dabei erkennbar sind. U.a. wurden Praxen des raciolinguistic Otherings herausgearbeitet,
also wie Sprecher:innen entlang von race und Sprache als ‚anders‘ markiert wurden. Dar-
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
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über hinaus macht die Perspektive der Raciolinguistics möglich, privilegierte Spre-
cher:innenpositionierungen analytisch zu fassen, wofür in der englischsprachigen Arbeit
der Begriff der „raciolinguistic norm“ (ebd.) Verwendung findet. Unter diesem Begriff
werden Sprecher:innenpositionierungen gefasst, die als normalisiert und legitim konstru-
iert werden und wirksam sind (ebd.).
Durch eine raciolinguistic perspective lässt sich auf diese Weise aufzeigen, wie das
„white listening subject“ (de-)privilegierte Positionierungen des Sprechens hervorbringt.
Während Befragte of Color und Schwarze Interviewte z.B. häufig von erlebten Sprech-
verboten berichten (vgl. näher dazu Rühlmann, 2023b, i.E.), finden sich solche Krimina-
lisierungserfahrungen nicht in den Erzählungen weißer Sprecher:innen von ‚Prestigespra-
chen‘. Vielmehr, so zeigen Reflexionen ihres Erlebens in der Schule auf, lag die Entschei-
dungsmacht über Sprechpraxen bei ihnen, wie etwa eine Aussage von Valerie zeigt, einer
weißen Person, die in ihrer Familie Deutsch und Französisch spricht: „Also die/alle Leh-
rer, die ich hatte, waren keine Muttersprachler (.) in Französisch. Und deswegen würde
ich auch nie mit denen in der Pause Französisch reden“ (Rühlmann, 2023a, i.E.). Hier ist
es Valerie, die als sprechendes weißes Subjekt ihre Sprechpraxen in der Schule wählen
konnte. Auf Grundlage von native speaker Ideologien (Holliday, 2006) verortet Valerie
ihre Lehrkräfte nicht als mögliche Gesprächspartner:innen, wenn es um die Nutzung der
französischen Sprache außerhalb des Unterrichts geht. Die Schule als weiße Institution
und Lehrkräfte in ihrer Funktion als weiße hörende Subjekte haben Valeries Sprechen
gelobt und die Nutzung der französischen Sprache nicht als Gefährdung ihres Deutsch-
sprechens eingeordnet, wie weitere Interviewabschnitte zeigen. Es stand Valerie frei, zu
entscheiden, wann und ob sie welche Sprachen im Raum der Schule nutzen wollte. Es
lässt sich festhalten: „BPoC had to depend on the approval of the white listening subject
concerning (im)possibilities of language use, while white subjects could choose whether
or not they wanted to speak non-German languages“ (Rühlmann, 2023a, i.E.).
Während – wie wir oben herausgestellt haben linguizismuskritische Ansätze v.a. Dis-
kriminierung entlang von Sprachigkeit betrachten, ermöglicht die Raciolinguistics als
Analyseinstrument einen Blick auf (re-)produzierte privilegierte Sprecher:innenpositio-
nierungen. Durch die Raciolinguistics können also auch Norm-Konstruktionen entlang
von Sprachigkeit bzw. zugeschriebener Sprachigkeit in den Fokus gelangen, wodurch
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
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Herrschaftsverhältnisse und Praktiken des Otherings analytisch vertieft entlang von Pri-
vilegierung und Dominanz verortet werden. Die Linguizismuskritik macht Privilegierung
zwar auch sichtbar, es werden bislang allerdings v.a. diskriminierte Sprecher:innen ent-
lang von Linguizismus fokussiert. Es können mit der Raciolinguistics auch Norm-Spre-
cher:innenpositionierungen herausgearbeitet und Subjekte betrachtet werden, die nicht
negativ von Linguizismus betroffen sind, sondern innerhalb linguizistischer Verhältnisse
privilegiert werden. Auf ähnliche Weise betrachtet die Rassismuskritik nicht nur rassiali-
sierte Subjekte, sondern auch Subjekte, die im rassistischen System Bevorzugung erfah-
ren. Hier sehen wir mit Rückgriff auf die Raciolinguistics eine Erweiterung der bis dato
genutzten linguizismuskritischen Perspektive, die alle Sprecher:innen als von Linguizis-
mus betroffen markiert – entweder negativ oder aber positiv.
Wie wir in diesem Abschnitt dargestellt haben, legt Raciolinguistics den Schwerpunkt
insgesamt nicht auf sprechende Subjekte, sondern darauf, wie weiße hörende Subjekte
agieren und Sprechen bewerten und damit ermöglichen oder auch verunmöglichen kön-
nen. An dieser Stelle schlägt Rühlmann (2023a, i.E.) eine aktive Auseinandersetzung mit
der eigenen Hörendenpositionierung vor, wodurch auf struktureller, institutioneller
und/oder individueller Ebene ein Agieren als „reflexive white listening subject“ (ebd.)
stattfinden kann. Dadurch kann u.a. auch eine kritische Reflexion der eigenen For-
schungsposition vorgenommen und mit Blick auf Erhebungsmethoden in dessen Einfluss
betrachtet werden.
Wir stellen zusammenfassend fest, dass die Raciolinguistics als theoretische Perspektive
und analytisches Tool eine gewinnbringende Vertiefung ermöglichen kann, wenn Lingui-
zismus und/oder Rassismus thematisiert werden. Weiteren Klärungsbedarf erkennen wir
u.a. in der sprachlichen Übertragbarkeit der Perspektive, die sich v.a. aus den bisher we-
nigen deutschsprachigen Konzeptualisierungen ergibt.
5. Fazit: Zu einer Systematisierung des Verhältnisses von Sprache, Rassismus und
Linguizismus
In diesem Beitrag haben wir uns mit einer Verhältnisbestimmung von Rassismus- und
Linguizismus(kritik) beschäftigt, wobei der Fokus auf der Betrachtung von ‚Sprache‘ und
Sprechen aus machtkritischer Perspektive lag. Zunächst haben wir aufgezeigt, dass der
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
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Diskurs um Sprachen und Sprechpraxen in Macht- und Herrschaftsdiskurse eingelassen
ist und in Zugehörigkeitsverhältnissen Ein- und Ausschluss re-produziert wird. Hierbei
haben wir im ersten Schritt den Fokus darauf gelenkt, dass Sprechen in rassistischen Ver-
hältnissen stattfindet und je nach Sprecher:innenpositionierung als legitim oder illegitim
markiert wird. Diesen rassismuskritischen Blickwinkel auf migrationsgesellschaftliche
Sprachverhältnisse haben wir anschließend durch eine Betrachtung des Konzepts Lingui-
zismus vertieft. Hier haben wir insbesondere mit Bezug auf Entwicklungen der Perspek-
tive durch Dirim aufgezeigt, dass sich der Ansatz mit der Diskriminierung von Spre-
cher:innen bestimmter Sprachen beschäftigt. Im linguizismuskritischen Ansatz nach
Dirim wird dabei eine explizite Bezugnahme auf rassismuskritische Ansätze vorgenom-
men und unterstrichen, dass Linguizismus als Form von Rassismus eine grundlegende
Dimension rassistischer Verhältnisse darstellt. Linguizismus wird demnach als eine ras-
sistische Diskriminierungsform verstanden. In diesem Verständnis erweist sich etwa eine
linguizismuskritische Betrachtung von Klassenverhältnissen mit Blick auf Sprache(n) un-
ter Ausklammerung von race als widersprüchlich und ungeeignet. Entlang der in diesem
Beitrag fokussierten theoretischen Perspektiven wird deutlich, dass ein Begreifen von
Linguizismuskritik als verwoben mit Rassismuskritik für dessen Analyse zentral ist. Hilf-
reich kann es an dieser Stelle sein, für weitere, möglicherweise intersektional wirksame
Diskriminierungen entlang von Sprache weitere Konzepte und Begriffe zu prägen. Dies
würde verhindern, dass es zu einer Verwässerung von Linguizismus(kritik) kommt, wenn
der Begriff (auch) auf Sprach- und Sprechverhältnisse angewendet wird, in denen von
einer Nicht-Relevanz rassistischer Verhältnisse ausgegangen wird (was wiederum aus
rassismuskritischer Perspektive zu hinterfragen wäre).
Die Lesart der Einlassung von Linguizismus(kritik) in Rassismus(kritik) wird verstärkt
durch in der Raciolinguistics benannte Zuschreibungspraxen entlang eines „sounding like
a race“, welches wir in linguizismuskritischen Ansätzen bedacht sehen, sowie eines „loo-
king like a language“ (Rosa, 2019). Mit der Fokussierung auf Zuschreibungen entlang
von Körperlichkeit unterstreicht die Raciolinguistics die Notwendigkeit eines rassismus-
kritischen Blicks auf Sprachigkeit, wie er sich auch in der Linguizismuskritik findet. Wie
aufgezeigt wurde, kann insbesondere die rassismuskritische Betrachtung von Hörenden-
positionierungen als eine Besonderheit des Ansatzes ausgemacht werden, welche nicht
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
49
zuletzt auch für den (amtlich) deutschsprachigen Diskursraum eine wichtige Analyseper-
spektive darstellen kann. Der Ansatz der Raciolinguistics nimmt, so lässt sich zusammen-
fassend festhalten, die Wechselwirkungen von Sprache, Rassekonstruktionen und rassis-
tischen sowie linguizistischen Verhältnissen in den Blick und zeigt so an vielen Stellen
Überschneidungen zu rassismus- und linguizismuskritischen Ansätzen. Gleichermaßen
sind rassismuskritische und linguizismuskritische Perspektiven nützlich und wichtig, um
zentral spezifische Praktiken des Ein- und Ausschlusses zu benennen.
Im Anschluss an diese theoretisch-analytischen Ein- und Rückblicke soll hier versucht
werden, die Verschränkung von Sprache, Rassismus und Linguizismus zu systematisie-
ren (vgl. auch Füllekruss, Hofer-Robinson & Köck, 2022).
1) Sprachordnungen als rassistische Ordnungen oder: Hierarchisierung von Sprachen
und Sprecher:innen
Wie wir zunächst aufgezeigt haben, werden Sprachen nicht zuletzt aufgrund (post-)kolo-
nialer und globalisierter Sprachordnungen sowie der Vorherrschaft bestimmter Natiolekte
unterschiedliche Wertigkeiten zugeschrieben (Skutnabb-Kangas, 1988). Dies führt dazu,
dass Sprecher:innen dieser Sprachen ungleiche Handlungsmöglichkeiten und Zugänge zu
Ressourcen symbolischer wie materieller Art haben. Soziale Räume sind stets durchzo-
gen von Sprachordnungen: Welche Sprache(n) bzw. welche Sprechweisen als wertvoll,
legitim, präsent oder vorherrschend eingeordnet werden, ist Ergebnis umkämpfter histo-
rischer Entwicklungen und gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Es kann in diesem Zu-
sammenhang die These aufgestellt werden, dass die Legitimität des Sprechens rassistisch
(vor)strukturiert ist und dass legitimes Sprechen und damit verbundenes Gehört-Werden
in migrationsgesellschaftlichen Verhältnissen durch ein weißes Sprechen und Hören ge-
prägt ist, wie in der Raciolinguistics mit dem „white listening subject“ (Flores & Rosa,
2015) konkretisiert wird.
2) Sprache als Merkmal rassistischer Differenzkonstruktion
In linguizistischen Verhältnissen werden Rassekonstruktionen durch das Aufrufen des
Merkmals Sprache (re-)produziert. So vermitteln etwa sprachbezogene Adressierungen,
Zuschreibungen oder körperbezogene Imaginationen Rassekonstruktionen. Rassismus-
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
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theoretisch fundiert werden mit dieser Perspektivierung zum einen Praktiken der biolo-
gistisch-essenzialistischen Verknüpfung von Sprache, Körper und Zugehörigkeit und de-
ren Einsatz zur Legitimation und Festlegung von Differenzkonstruktionen betrachtet.
Diese Form entspricht (historisch) am ehesten einer kolonialen Ausprägung von Lingui-
zismus, bei der die Überlegenheit einer dominierenden Gruppe auf Sprache zurückgeführt
wird und vice versa (vgl. etwa Dirim & Pokitsch, 2018). Sprache wird dabei etwa zu
einem zentralen Indiz für Intelligenz, Modernität oder Zivilisiertheit. Zum anderen lässt
sich anknüpfend an Balibars Konzeption des Neo-Rassismus eine kulturalistisch-diffe-
rentielle Form ausmachen (vgl. Balibar, 1992); ‚Sprache‘ wird hier zu einem kulturali-
sierenden Code und stellt analog zu ‚Kultur‘ ein Sprachversteck für ‚Rasse‘ dar (Dirim
et al. 2018, S. 60). Mit Rosa (2019) gesprochen kommen hierbei Zuschreibungen entlang
eines „sounding like a race“ zum Tragen: Von der Sprache, genauer einer Sprechpraxis,
wird demnach auf natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit geschlossen und Sprecher:innen
werden (nicht) rassialisiert. Die Linguizismuskritik hält ein Analysewerkzeug bereit, um
die Rassialisierung von Sprecher:innen zu fokussieren und zu analysieren.
3) Rassistische Zu- und Einschreibungen von Sprachigkeit
In einer weiteren Dimension, die dem Modus der Verwobenheit von Rassekonstruktion
und Sprache zugeordnet werden kann, werden Rassekonstruktionen als Indiz für sprach-
liche Disponiertheiten herangezogen. Sprachlich pointiert zum Ausdruck gebracht wird
dies von Rosa (2019), der von einem „looking like a language“ spricht. Er hebt damit
hervor, dass entlang körperlicher Merkmale auf Sprachliches geschlossen wird. Dies kann
beispielsweise in ‚Komplimenten‘ („Sie sprechen aber gut Deutsch“) zum Ausdruck
kommen (Rühlmann, 2023, i.V.). Da Rassismen nicht allein entlang von Körperlichkeit
wirksam sind, sondern Subjekte auch entlang von weiteren Differenzmerkmalen Rassia-
lisierung erfahren können, scheint es in Anknüpfung an Rosa (2019) nützlich, (auch) von
einem „being racialized like a language user“ auszugehen.
Zusammenfassend erkennen wir einen engen und untrennbaren Zusammenhang von
Sprache, Rassismus und Linguizismus. Die Linguizismuskritik stellt dabei eine unwei-
gerlich mit der Rassismuskritik verwobene Perspektive dar, welche vor allem rassistische
Diskriminierung entlang von Sprachigkeit in den Blick nimmt. Die Linguizismuskritik
kann in Anschluss an Dirim als grundlegend rassismuskritisch verortet werden, wobei die
Sprache, Rassismus- und Linguizismus(kritik) David Füllekruss & Liesa Rühlmann
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Rassismuskritik fokussiert, wie Subjekte entlang von rassismusrelevanten Positionierun-
gen als Sprecher:innen verortet werden. Die Raciolinguistics kann dabei hilfreich sein,
diese Verwobenheiten aufzuzeigen und näher zu betrachten.
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Kurzbiografie der Beitragenden
David Füllekruss ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG 10 Migrationspädagogik und Ras-
sismuskritik an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld. Seine Arbeits-
schwerpunkte sind Migration und Bildung, Sprachverhältnisse in der Migrationsgesellschaft,
Rassismus- und Linguizismuskritik und postkoloniale Theorie.
Liesa Rühlmann ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Migrationspädago-
gik und Rassismuskritik an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld im
Projekt „Wissen über Rassismus. Zeitgeschichte im Spiegel biographischen (Erfahrungs-)Wis-
sens rassistisch diskreditierbarer Menschen in Ost- und Westdeutschland“ (WueRD) tätig. Ihre
Arbeitsschwerpunkte sind Rassismuskritik, Mehrsprachigkeit, Raciolinguistics und Subjektivie-
rung in Bildungsprozessen.
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Article
Full-text available
Der Beitrag fokussiert, wie Sprechverbote in der Schule Sprechpraxen mehrsprachiger Personen prägen. Unter Einnahme einer raciolinguistic perspective wird durch episodisch-narrative Interviews aufgezeigt, welche Rolle Sprechverbote in Subjektivierungsprozessen einnehmen. Dabei wird betrachtet, inwiefern Sprechverbote sich als rassistische Praxis ausmachen lassen und adressierte Sprecher*innen als raciolinguistic Others – rassialisiert-sprachliche Andere –markieren. Der Versuch eines Entzugs dieser Markierung durch Interviewte zeigt sich insbesondere durch ein Betonen der Nutzung (nur) der deutschen Sprache, wobei Sprechverbote zeitgleich eine Legitimierung erfahren und als angemessen eingeordnet werden.
Chapter
Full-text available
Der Text erkundet das Beziehungsgeflecht zwischen Sprache, race und Religion. Er zeigt den theoretischen Mehrwert auf, den eine sprachideologiekritische Perspektive auf sprachbezogene Differenzverhältnisse in ihrer Verschränkung mit anderen Differenzmarkierungen bietet und macht diese Perspektive für bildungswissenschaftliche Fragen fruchtbar. Empirische Grundlage sind ein Video eines Lehrers und biographische Interviews mit einer migrantisch positionierten Studentin in Österreich. Abschließend wird die Rolle sprachideologietheoretischer Perspektiven in der Lehrer*innenbildung diskutiert.
Book
Many school students in Germany are plurilingual and use German and further languages in their daily lives. This use is differently approached and valued. Not only languages spoken, but race, too, plays a role in how language use is addressed in schools. Interviews that were conducted and analyzed with a Grounded Theory approach show that subject positions assigned to students concerning plurilingualism shape how they reflect on experiences in school from a retrospective focus. By turning to a raciolinguistic perspective and drawing on subjectivation theory, the terms used to signify dominantly found re-positionings are 'raciolinguistic norm' and 'raciolinguistic Other'. The results highlight the necessity of focusing in more detail on how listening positionalities shape language use in society and in schools specifically.
Book
The book contains 8 chapters consisting of articles published earlier in journals and books between 1998 and 2009. It also includes four book reviews published in journals. It also includes an 'introductory encyclopaedia entry' on Linguistic Imperialism.
Article
Im (Grund-)Schulbereich dominieren bis heute monolinguale beziehungsweise neo-linguizistische Normsetzungen. An ihnen wirken vielfach auch pädagogische Fachkräfte und Lehrer_innen mit, deren Zielsetzung eigentlich gerade die Verringerung sprachbezogener Diskriminierung und die Anerkennung sprachlicher und ,kultureller‘ Diversität darstellt. Jedoch werden diese Normsetzungen auch immer wieder durch widerständige pädagogische und alltägliche Praktiken herausgefordert und unterlaufen. Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag, wie im monolingualistischen Sprachregime Differenz und Ungleichheit individualisiert werden und zeitgleich institutionelle und strukturelle Ursachen und Verankerungen im (Grund-)Schulbereich aus dem Blick geraten können. Nicht zuletzt geht der Beitrag auch der Frage nach, wie die Anerkennung sprachlicher Vielfalt im Kontext der Schule aussehen könnte.