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KI-ANWENDUNGEN IN DER HOCHSCHULBILDUNG AUS
STUDIERENDENPERSPEKTIVE
Sandra Hummel
THEMENSCHWERPUNKT
Die zunehmend an Bedeutung gewinnende Rolle Künstlicher Intelligenz (KI) in Ver-
milungs- und Aneignungsprozessen stellt erhebliche Veränderungen für Bildungs-
einrichtungen in Aussicht (Hummel et al., 2023; Internaonale Hochschule, 2023).
Die vermeintlichen Vorteile von KI reichen von der Aussicht auf maßgeschneidertes
Lernen (de Wi, 2020) bis hin zur Implemenerung dynamischer Bewertungsme-
thoden und der Schaung interakver Lernumgebungen in verschiedenen Forma-
ten, sei es online, mobil oder hybrid (Zhang & Aslan, 2021; Deutscher Ethikrat,
2023). Allerdings sind diese Entwicklungen nicht frei von Risiken und Problemen,
da die Gefahr besteht, dass der Mensch in diesem Prozess in den Hintergrund tri
und Bildung zunehmend von Algorithmen und Technologie besmmt wird. Aus
diesem Grund erfordert die Integraon von KI in Bildungsprozesse eine krische
Analyse, die nicht nur die avisierten Vorteile, sondern auch die zugrunde liegen-
den Faktoren und potenziellen Auswirkungen berücksichgt, die Einuss auf die
Hochschulbildung ausüben können (Garrel et al., 2023). Nur so können wir über-
legte Maßnahmen ergreifen, um grundlegende Werte wie Bildungsgerechgkeit,
individuelle Freiheit und Autonomie, Vielfalt und Inklusion sowie demokrasche
und ethische Werte zu wahren (Bartok et al., 2023), damit die angestrebten Ver-
änderungen im besten Interesse der Bildungsgemeinscha umgesetzt werden.
In diesem Arkel steht die Untersuchung movaonsbedingter Faktoren im Vorder-
grund, die Studierende dazu bewegen, KI in ihre Hochschulausbildung zu integrie-
ren. Ziel ist es, ein verees Verständnis für deren Auswirkungen auf soziale Lern-
prozesse und die Wissenschassozialisaon zu gewinnen. Zu diesem Zweck haben
wir im Sommersemester 2023 eine empirische Untersuchung an der Universität
Graz durchgeführt, die sich auf movaonsbedingte Faktoren konzentrierte, die die
Nutzung von KI-gestützten Bildungstools bei Studierenden der Geistes- und Sozial-
wissenschaen beeinussen. Die Untersuchung umfasste eine Online-Umfrage und
Fokusgruppeninterviews. Insgesamt wurden 64 Studierende im Durchschnisalter
von 24,6 Jahren einbezogen. Die Ergebnisse wurden in vier Kategorien zusammen-
gefasst (siehe Abbildung 1), um Move und Movaonen für die Nutzung von KI
im Studium darzustellen.
Mana-Teresa Donner
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Ezienzsteigerung: Studierende setzen KI-gestützte Tools ein, um relevante Infor-
maonen für ihre Studienanliegen zu erhalten. In diesem Zusammenhang betonen
sie die beträchtliche Zeitersparnis, die sich durch die unmielbare Konzentraon
auf Kernbereiche der jeweiligen Aufgabenstellung miels KI-Einsatzes ergibt. Ihrer
Einschätzung nach scheinen aufgrund dieser Fokussierung intensive Recherche-
arbeiten nur in begrenztem Maße erforderlich zu sein.
Autonomie: KI-gestützte adapve Bildungstechnologien bieten Lernenden Mög-
lichkeiten, ihre Lernprozesse zu überblicken, individuelle Zielsetzungen vorzuneh-
men und ihre Lernakvitäten daran orienert zu gestalten. Diese Anpassungsfä-
higkeit stärkt die Wahrnehmung der Lernenden von Autonomie, da sie auf diese
Weise habitualisierte Lernmuster und Lernstrategien hinterfragen und weiterent-
wickeln können.
Komplexitätsredukon: Weiters werden KI-gestützte Tools von Studierenden ver-
wendet, um komplexe Inhalte aus Lehrveranstaltungen vereinfacht darzustellen
und für sich besser nachvollziehbar zu machen. Auch Anwendungsmöglichkeiten
in der Form von Beispielen für den Praxistransfer theorescher Konzepte und
Modelle auf konkrete Anwendungsmöglichkeiten in realen Szenarien empnden
sie als hilfreich.
Webewerbsvorteil: Ein weiterer movaonaler Faktor für die Nutzung von KI ist
sozialer Druck, den einige Befragte aufgrund des Vergleichs der eigenen Leistungen
mit jener ihrer Kommiliton:innen verspüren (Hummel et al., 2023). In diesem Kon-
text verwenden sie etwa ChatGPT oder DeepL, um durch KI-basierte Ergänzungen
Abb. 1: Move für die Verwendung von KI im Studium
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oder Überprüfungen bessere Ergebnisse zu erzielen. Zudem greifen einige der
Befragten zu KI-gestützten Plagiatsprüfungssowareanwendungen, um sicherzu-
stellen, dass ihre Arbeiten trotz KI-generierter Anteile frei von unzulässiger Über-
nahme anderer Werke sind.
Diese Ergebnisse lassen erkennen, dass der Einsatz von KI im Studium aus Stu-
dierendenperspekve vordergründig zu posiven Auswirkungen auf ihre Studien-
leistungen und Studienmovaon führt. Allerdings besteht die Gefahr, dass efer-
gehende Lernprozesse negav beeinusst werden, wenn der Schwerpunkt auf der
Opmierung von Ergebnissen bei minimalem Aufwand liegt. Daher erweist es sich
als essenziell, dass Bildungseinrichtungen KI-Technologien nicht als Ersatz, sondern
als Ergänzung zu tradionellen Lehrmethoden betrachten. Dabei sollten prozess-
orienerte Lehransätze und die Betonung von formavem Feedback priorisiert
werden, um krisches Denken, umfassendes Verständnis und Subjekvierungs-
prozesse zu fördern.
Literatur
Bartok, L., Donner, M.-T., Ebner, M., Gosch, N., Handle-Pfeier, D., Hummel, S.,
Kriegler-Kastelic, G., Leitner, P., Tang, T., Veljanova, H., Winter, C., & Zwiauer,
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Sandra Hummel
ist Bildungswissenschaerin und Forschungsgruppenleiterin am Center for Scalable
Data Analycs and Arcial Intelligence (ScaDS.AI) der Technischen Universität
Dresden.
Mana-Teresa Donner
ist Doktorandin (Erziehungswissenschaen) und erforscht die lernpsychologische
Perspekve von KI-basiertem Mentoring in der Forschungsgruppe „Situated AI-ba-
sed Mentoring“ am ScaDS.AI (Technische Universität Dresden).
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