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Morphologie der deutschen
Sprache
Christine Römer
Jena, den 28. März 2008
Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX
Verwendete Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII
1 Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie . . . . . . 1
1.1 Das Objekt, die Gegenstände und Teildisziplinen der Mor-
phologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Weitere Analyseebenen für Wörter . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.1 Morphophonologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2.2 Morphosyntax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.2.3 Morphosemantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.2.4 Wortgrafie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2 Morphologische Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.1 Morphologische Wörter und Semiwörter . . . . . . . . . . . 19
2.2 Listeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.3 Funktionale Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.4 Morpheme, Morphe und Allomorphe . . . . . . . . . . . . . 27
2.4.1 Freie Morpheme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.4.2 Gebundene Morpheme . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.5 Stämme und Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.6 Morphologische Regeln oder Wohlgeformtheitsbedingun-
gen ................................. 38
3 Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie . . . . . . . . . . . 43
3.1 Herkunft der Kategorie Wortart . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.2 Kriterien für Wortarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
3.3 Wortarten – Kategorien der langue oder parole? . . . . . . . . 52
3.4 Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien . . . . . . . 54
3.4.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
3.4.2 Deskriptive Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
3.4.3 Funktionale Grammatiken . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.4.4 Generative Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
3.4.5 Dependenzgrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3.4.6 HPSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
V
Inhaltsverzeichnis
4 Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen . . . . . . . . . . 81
4.1 Eine grammatische Wortartenklassifikation fürs Deutsche . . 81
4.1.1 Einführendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
4.1.2 Das Wortartensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.2 Die flektierbaren Wortklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4.2.1 Verben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4.2.2 Substantive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
4.2.3 Adjektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
4.2.4 Pronomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
4.3 Die unflektierbaren Wortklassen . . . . . . . . . . . . . . . . 157
4.3.1 Adverbien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
4.3.2 Partikeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
4.3.3 Satzwörter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
4.4 Die verbindenden Wortklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
4.4.1 Präpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
4.4.2 Konjunktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
4.4.3 Subjunktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
5 Aktionsarten im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
5.1 Einführendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
5.2 Weite und enge Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
5.2.1 Die weite Aktionsartenauffassung . . . . . . . . . . . 184
5.2.2 Die enge Aktionsartenauffassung . . . . . . . . . . . 187
5.3 Aktionsartenmarkierung in der deutschen Sprache . . . . . . 188
5.3.1 Aktionsartenmarkierung durch Wortbildung . . . . . 195
5.3.2 Aktionsartenmarkierung durch syntaktische Fügun-
gen.............................197
6 Veränderungen in morphologischen Teilsystemen . . . . . . . . . 201
6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
6.2 Bildung neuer Wortbildungsaffixe . . . . . . . . . . . . . . . 202
6.3 Entlehnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
6.4 Phraseologisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
6.5 Univerbierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
6.6 Inkorporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
7 Ikonizität in der Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
8 Grammatikalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
8.1 Charakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
8.2 Grammatikalisierung im weiteren Sinn . . . . . . . . . . . . 220
VI
Inhaltsverzeichnis
8.2.1 Deverbale Präpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
8.2.2 Deverbale Partikeln und Satzwörter . . . . . . . . . . 228
A Anhang..................................233
A.1 Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
A.2 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
Index .....................................261
Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
VII
Einleitung
Die vorgelegte „Morphologie der deutschen Sprache“ zeigt, dass die Mor-
phologie keine trockene und langweilige Wissenschaft ist, wie man bei
manchen auf dem Markt befindlichen Publikationen annehmen kann, die
vor allem Formenparadigmen anbieten. In der Regel wird die Morpho-
logie mit in Grammatiken abgehandelt. Selbstständige Darlegungen zur
Morphologie der deutschen Sprache gab es in jüngerer Zeit wenige. Ver-
wiesen werden soll auf Bergenholtz (1976), Bhatt (1991) und Simmler (1998).
Erstere Monographie behandelt nur die Morphologie deutscher Substan-
tive, Verben und Adjektive und ist wie die letztere, die in Paragrafenform
abgefasst wurde, kein Studienbuch. Beide stellen (wie auch die knappe
Broschüre von Bhatt) nüchtern die morphologischen Daten dar.
Erwähnt werden soll auch noch das diffizile „Internationale Handbuch
zur Flexion und Wortbildung“ (2002), das als Lehrbuch nicht geeignet ist
und auch nicht spezifisch auf die deutsche Sprache orientiert ist.
Mit der „Morphologie der deutschen Sprache“ wird keine lückenlose mor-
phologische Beschreibung des Deutschen angestrebt. Es werden vielmehr
wichtige morphologische Themen angesprochen. Folgendes soll aufge-
zeigt werden:
• Die Morphologie beschäftigt sich im Rahmen der Grammatik mit
den Wortformen, ihren Regularitäten und Strukturen. Sie fragt vor
allem danach, wie Sprachen grammatische Merkmale markieren und
wie Wortformen und Wortstrukturen gebildet sind. Es wird jedoch
keine vollständige Darstellung aller Formenparadigmen der deut-
schen Sprache mit ihren Ausnahmen angestrebt. Die wesentlichen
Wortbildungsmuster werden bei den Hauptwortarten in Kapitel 4
besprochen.
• Die deutsche Sprache ist entgegen der landläufigen Auffassung kei-
ne vorrangig flektierende Sprache; auch die nicht flektierenden Wör-
ter haben einen großen Stellenwert in ihr.
• Die Wortklassen müssen mit grammatischen Merkmalen beschrie-
ben werden. Die Einbeziehung der Prototypentheorie erweist sich
dabei als sinnvoll.
IX
Einleitung
• Die verschiedenen grammatischen Frameworks legen unterschied-
liche Wortklassenmodelle zu Grunde. Um die Verständigung zwi-
schen den Modellen zu gewährleisten, sollen diese Unterschiede
aufgezeigt werden. Klein (2004, S. 403) stellt in einem Übersichtsar-
tikel die starke Forderung auf „Weg von den engen ‘frameworks‘
und ihren idiosynkratischen Begrifflichkeiten!“ Da er diese Forde-
rung selbst für unerfüllbar hält, hat er noch eine mildere Variante
parat: „Die mildere Variante heißt, daß jene, die in einem bestimm-
ten ‘framework‘ arbeiten, den Ertrag ihrer Bemühungen, soweit sie
ihn für schlüssig und von allgemeinem Interesse halten, so formu-
lieren, daß er dem Inhalt nach auch Vertretern anderer Richtungen
verständlich und nachvollziehbar ist.“
Da auch diese Forderung noch nicht allgemein anerkannt ist, beab-
sichtige ich, die Theorien so zu beschreiben, dass sie auch außerhalb
des jeweiligen Frameworks verstehbar sind.
• Ob Aktionsart und Aspekt grammatische Kategorien in der deut-
schen Sprache sind, ist ebenso umstritten wie ihre Definition. In die-
ser Publikation wird ein grammatischer, engerer Aktionsartenbegriff
zu Grunde gelegt.
• Lexikalisierung und Grammatikalisierung sind Vorgänge, die den
gewachsenen Benennungsbedarf in den Sprachen abdecken; sie zei-
gen auch die funktionale Gerichtetheit morphologischer Prozesse
auf. Sie sollen primär aus synchroner Sicht beschrieben werden.
• In die Beschreibung der Lexikalisierung geht die Bildung von Phra-
seologismen ein, weil die Grammatik die festen Wortverbindungen
einbeziehen sollte (vgl. Jackendoff (1997)).
• Univerbierung wird zusammen mit weiteren Tendenzen der mor-
phosyntaktischen Verdichtung beschrieben. In der morphologischen
Analyse der deutschen Sprache wird deutlich, dass es auch den
gegenläufigen Prozess der Verstärkung analytischer grammatischer
Formen (z. B. phrasale Verbkomplexe und Inkorporationen) gibt.
• Das Nebeneinanderstehen von homonymen Formen und Kategori-
en, Grammatikalisierungen im engeren und weiteren Sinne soll erör-
tert werden. Die Prozesse der morphophonologischen (formale Ero-
sion), syntaktischen und semantischen (Desemantisierung) Differen-
zierung werden besonders beschrieben. Damit wird die grammati-
sche Flexibilität des heutigen deutschen Sprachsystems dargelegt.
X
Einleitung
• Ikonizität tritt in den morphologischen Teilsystemen in unterschied-
lichen Formen auf.
Da dieses Buch vorrangig zur Beschäftigung mit der Morpho-
logie anregen möchte, enthalten die einzelnen Kapitel Übungs-
aufgaben bzw. Fragen zum Weiterüberlegen, für die im Anhang
Lösungsvorschläge gegeben werden.
Merksätze mit definitorischem Charakter werden durch eine vertikale
Doppellinie am äußeren Rand kenntlich gemacht.
Literatur, die zur Vertiefung studiert werden sollte, wird mit
dem Buchsymbol angekündigt.
Einige relevante wissenschaftliche Termini werden im angefügten Glossar
kurz erläutert. Das Buch ist in der amtlichen Orthografie abgefasst, in Zi-
tate wird aber nicht eingegriffen, sie werden originalgetreu wiedergege-
ben.
In der Regel werden die behandelten Phänomene mit realen Sprachbei-
spielen belegt. Diese stammen aus publizistischer und belletristischer Li-
teratur1, die ich in der Zeit der Entstehung des Buches gelesen habe, und
aus dem Internet.
Danksagungen
Bedanken möchte ich mich besonders bei Herrn Gunter Narr, der mir die
Möglichkeit der Veröffentlichung eingeräumt hat, und bei Frau Kathrin
Heyng für die Lektorierung. Bei Brigitte Matzke möchte ich mich für ih-
re hilfreichen fachlichen Hinweise und bei den Mitgliedern der German
Language TeX Users Group Communication List, von mrunix.de und von li-
nuxforen.de für ihre Hilfe beim Satz der Datei mit dem Betriebssystem Li-
nux und dem Satzsystem L
A
T
EX bedanken; mein ausdrücklicher Dank gilt
dabei Dirk Stratmann.
Fruchtbar für das Eindringen in die Morphologie waren auch die Gesprä-
che und die gemeinsamen Lehrveranstaltungen mit Peter Gallmann und
Jan-Philipp Söhn.
Jena, 28. März 2008 Christine Römer
1Die Autoren und Titel werden zwar angegeben, aber eine weitere Ausweisung im Li-
teraturverzeichnis unterbleibt.
XI
Verwendete Abkürzungen
A / Adj Adjektiv
Ä Äquation
Adv / ADV Adverb
Aff Affix
Agr Agreement
AVM Attribut-Wert-Matritze
BM Basismorphem
C / Comp Complementizer
CAT Category
CF Complementizer-feature
D / Det Determinierer = Artikel
dtr ditransitiv
Fl Flexiv
FVG Funktionsverbgefüge
GOV governed
HF Head-feature
HPSG Head-Driven Phrase Structure Grammar
HV Hilfsverb
I / Infl Inflection
Ind. Indikativ
itr intransitiv
j Junktiv
K / KON Konjunktion
KM kommunikative Minimaleinheit
N Nomen = Substantiv
Ø Nullmorphem
OBL oblique
P Phrase
Part / PTL Partikel
Präf Präfix
P / Präp Präposition
PRO phonetisch leeres Subjekt
SC Small Clause
SF Specifier-feature
XIII
Verwendete Abkürzungen
Sg. Singular
Spec Spezifikator
SpecW Wackernagelposition
str strikt-transitiv
SUB Subjunktion
Suff Suffix
SYNSEM syntaktische und semantische Informationen
SZW Satzwort
t Translativ (im Rahmen der Dependenzgrammatik)
t trace (Spur)
T Tense = Tempus
UK unmittelbare Konstituente
V Verb
VAL Valenz
WBM Wortbildungsmorphem
WG Wortgruppe
Zirkum Zirkumfix
→umformbar in
# in wörtlicher Lesart nicht akzeptabel
∗ungrammatisch / nicht akzeptabel
‘. . . ’ Bedeutung
SZ Süddeutsche Zeitung
a.a.O. am angegebenen Ort
XIV
1 Objekt, Gegenstände und
Teilbereiche der Morphologie
1.1 Das Objekt, die Gegenstände und
Teildisziplinen der Morphologie
In der Geschichte der Sprachwissenschaft hat sich eine bestimmte Tradi-
tion herausgebildet, die Sprachen wissenschaftlich zu beschreiben. In sei-
nem Epoche machenden „Cours de linguistique générale“ hat F. de Saus-
sure „die Sprache an und für sich“ (de Saussure (1931)) als Objekt der
Linguistik angesehen. Auch wenn heute berechtigt an seiner Unterschei-
dung von innerer und äußerer Sprachwissenschaft Kritik geübt wird, sehe
ich in der Grammatik im engeren Sinne1den Kernbereich der Sprachbe-
schreibung. Diese betrachtet drei grundlegende Wissensmodule: die Pho-
netik und Phonologie (Lautlehre) bzw. die Grafematik (Schriftlehre), die
Morphologie (Wortstruktur- und Formenlehre) und die Syntax (die Satz-
lehre). Traditionell werden in „der Wort- und Formenlehre (Morphologie)
[. . . ] die Wörter der Sprache untersucht: ihre grammatischen Merkma-
le, ihr innerer Aufbau und vor allem auch ihre Veränderbarkeit“ (Heuer,
Flückinger und Gallmann 2004, S. 26). Mit dieser Auffassung stimme ich
nicht überein, denn die Wortlehre ist das Arbeitsgebiet der Lexikologie
und nicht der Morphologie (vgl. Römer und Matzke (2005)).
Die Morphologie beschäftigt sich nur mit den für die Grammatik rele-
vanten Worteigenschaften.
Welche diese relevanten Charakteristika sind, ist nicht unumstritten. Be-
sonders darüber, ob die Wortbildung, die Beschreibung des Aufbaus der
Wörter, Teil der Morphologie oder der Lexikologie oder gar der Syntax
ist, gehen die Meinungen auseinander. Spezielle Randphänomene, wie
1Helbig (in Fleischer, Helbig und Lerchner 2001, S. 218–220) nimmt diese sinnvolle Un-
terscheidung in Grammatik im engeren und weiteren Sinne vor. Die Grammatik im
engeren Sinne beschreibt nach ihm, die „morphologischen und syntaktischen Regu-
laritäten einer natürlichen Sprache“. Die Grammatik im weiteren Sinne nimmt die
„Abbildung des gesamten Sprachsystems“ als Regelsystem vor. Helbigs enges Mor-
phologiekonzept wird von mir allerdings nicht geteilt.
1
Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie
die Zusammenbildungen (so Dreimaster) oder Zusammenrückungen (wie
Gernegroß) im Deutschen, veranlassen zur Diskussion. Die mehr traditio-
nellen Auffassungen, wie die zitierten Heuer, Flückinger und Gallmann
2004, knüpfen an die wörtliche Bedeutung von Morphologie an.
Morphologie leitet sich von dem griechischen Wort morphe ab, das ‘Ge-
stalt’ bedeutet; sie ist im Wortsinn also die Gestalt- oder Formenlehre.
Das engere traditionelle Verständnis von Morphologie stellt die Lehre von
der Bildung und Veränderung der grammatischen Wortformen, insbeson-
dere die Lehre von der Beugung der Wörter, der Flexion, und die da-
mit verbundene Abgrenzung grammatischer Wortklassen/-arten ins Zen-
trum (Fleischer u.a., 1983, S. 139). Das weitere Morphologieverständnis,
das heute oftmals zu Grunde gelegt wird, nimmt „die Verdeutlichung von
Funktions- und Strukturzusammenhängen“ (Fleischer u. a., 1983, S. 139)
und die Semantik und Pragmatik hinzu und ist vor allem nicht nur um ei-
ne Beschreibungs- sondern auch um eine Erklärungsadäquatheit im Rah-
men theoretischer Grammatikmodelle bemüht. In jüngerer Zeit wird ver-
stärkt korpusbasiert beschrieben, Befunde, denen nur die Autorenkom-
petenz zu Grunde liegt, werden berechtigterweise als nicht ausreichend
betrachtet (vgl. dazu beispielsweise Fanselow (2004)).
Das grammatische Wort ist das Objekt der Morphologie.
Deshalb möchte ich es kurz charakterisieren. Dass die Wörter die kleinsten
selbstständigen Einheiten im Satz sind, ist heute der Kern der Standard-
definition von Wörtern. Dies ist aber in verschiedener Hinsicht nicht aus-
reichend. Zum einen haben wir die Lexikonwörter von den Satzwörtern,
d. h. in Sätzen auftretenden Wörtern, zu unterscheiden. In dem folgenden
Beispielsatz kommt das Lexikonwort schlagen in verschiedenen Verwen-
dungsformen (schlug und schlagen) vor:
(1) „Mein Herz schlug dabei sehr stark“, hatte später Doralince zu
Hans Grill gesagt, „ich hörte es schlagen, es schien mir das Lau-
teste im Zimmer. [. . . ]“
(Eduard von Keyserling: Wellen. SZ/Bibliothek 2004, Band 30, S. 28)
Mit anderen Worten, wir haben eine Grund- oder auch Nennform bei den
Wörtern von den Wortformen für diese Grundformen zu unterscheiden.
Sowohl die Grundformen (Lexikonwörter) als auch die Wortformen
(Satzwörter) sind Gegenstände der Morphologie.
Außerdem müssen wir noch beachten, dass zu vielen Wörtern mehrere
Bedeutungen im mentalen Lexikon eingetragen sind. Wie in den Beispie-
len (2) sichtbar wird, gibt es zu dem Lautkörper barsch mehrere Bedeutun-
gen; er tritt mit verschiedenen Inhalten auf:
2
Das Objekt, die Gegenstände und Teildisziplinen der Morphologie
(2) a. Der Barsch (Egli) gehört zu den farbenprächtigsten Süßwasser-
fischen und ist in fast ganz Europa häufig und weit verbreitet.
(www.angeltreff.org; 6.10.2004)
b. „Bei uns gibt es keine Häftlinge“, lautet die barsche Antwort.
(www.zeit.de; 6.10.2004)
Dabei stellt sich für die Wissenschaft die Frage, ob es sich bei barsch um ein
Wort handelt oder ob wir es hier mit zwei Wörtern zu tun haben. Seit ge-
raumer Zeit ist es allgemein gültiges Wissen, dass Sprachzeichen aus zwei
Hauptkomponenten bestehen: aus einer Laut- und einer Bedeutungsseite.
Wir haben in unserem Gedächtnis zu dem Lautbild barsch zwei Hauptbe-
deutungen gespeichert: ‘Raubfisch in Flüssen’ und ‘Eigenschaft unfreund-
lich zu antworten’. Wenn nun diese unterschiedlichen Hauptbedeutungen
mit grammatischen Unterschieden verbunden sind, spricht man in der
lexikalischen Semantik von Homonymie (Gleichnamigkeit von Zeichen).
Dies ist bei dem Lautbild barsch der Fall. In der Bedeutung ‘Fisch’ liegt ein
Substantiv vor, das ganz bestimmte grammatische Eigenschaften im Deut-
schen hat, es muss dekliniert, mit einem Artikel und einem großen An-
fangsbuchstaben versehen werden. Die zweite Bedeutung dagegen wird
von einem Adjektiv realisiert, das keinen Artikel führen kann.
Das Adjektiv gut hat nach Eco drei Hauptbedeutungen:
(3) Wenn wir jedoch nach unserer Alltagserfahrung urteilen, neigen
wir dazu, als gut nicht nur das zu bezeichnen, was uns gefällt, son-
dern auch das, was wir gern hätten. Zahllos sind die Dinge, die
wir als gut beurteilen – eine erwiderte Liebe, ehrlich erworbenen
Reichtum, ein erlesener Leckerbissen –, und in all diesen Fällen
würden wir uns wünschen, dieses Gut zu besitzen. [. . . ] Oder wir
nennen etwas gut, das einem idealen Prinzip entspricht, aber Lei-
den kostet, wie der ruhmreiche Tod eines Helden [. . . ] Um eine tu-
gendhafte Handlung zu bezeichnen, die wir lieber bewundern als
selbst vollbringen, sprechen wir oft von einer „schönen Tat“.
(Umberto Eco: Die Geschichte der Schönheit. Carl Hanser Verlag
2002, S. 8)
Das Lautbild gut hat also auch mehrere Bedeutungen, diese sind jedoch
nicht mit grammatischen Unterschieden verbunden, es handelt sich hier
um Polysemie (reguläre Mehrdeutigkeit).
Sowohl die Laut- als auch die Inhaltsseite müssen bei morphologischen
Betrachtungen eingeschlossen werden.
3
Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie
Für andere (z. B. Fleischer, Helbig und Lerchner 2001, S.218) ist das Mor-
phem die Grundeinheit der Morphologie. Wie später im Kapitel 2 noch
ausgeführt wird, werden in den Morphemen die Grundbausteine der Wör-
ter gesehen.
Wie schon angedeutet, gibt es unterschiedliche Meinungen über das Ob-
jekt der Morphologie (Morphem oder Wort) und vor allem über die ver-
schiedenen Aspekte hinsichtlich welcher die Morpheme und Wörter un-
tersucht werden; aber auch darüber, in welche Teildisziplinen sich die
Morphologie gliedert. Einige neuere Beispiele dafür:
• Hoffmann (2003a, S. 1): „Der syntaktischen steht die Analyse des Lexi-
kons, der Struktur des Wortschatzes gegenüber. Sie behandelt im Rahmen
der Morphologie Wortbildung und Formen eines Wortes, in der lexikali-
schen Semantik Wortbedeutungen und Bedeutungsbeziehungen.“
Wortbildungs- und Wortformenlehre als Teildisziplinen der Morphologie
anzusehen, ist ein weit verbreiteter Standpunkt. Schwierig wird es, wenn
die Semantik explizit abgegrenzt wird, weil ja die Wortbildungen und
Wortformen auch semantische und pragmatische Aspekte haben. Bereits
Aristoteles hatte darauf hingewiesen, dass es keinen Inhalt ohne Form und
keine Form ohne Inhalt gibt. Sie beeinflussen sich auch gegenseitig (vgl.
Wurzel (2000a)). Hervorgehoben werden muss aber, dass die Morphologie
ihren Blick primär auf die Wortformen richtet.
Generell stellt sich bei einer Frage wie der nach den Teildisziplinen der
Morphologie das Problem, auf welcher begrifflichen Ebene man argumen-
tiert. Geschieht dies auf der Ebene der linguistischen Objekte/Einheiten
(Morphem, Wort, Wortform, Wortbildungen, . . . ) oder auf der Ebene des
Sprachsystems/der Grammatikmodule (Phonetik, Phonologie, Morpho-
logie, Syntax, Semantik, Pragmatik)? Alle Einheiten können ja jeweils auf
den verschiedenen Sprachsystemebenen beschrieben werden.
• Clément (1996) nimmt die Morphologie als eine eigene Komponente
der Grammatik an und unterscheidet ebenfalls zwei Teildisziplinen: die
Wortbildung und die Flexionslehre. Sie verweist aber auch darauf, dass
es verschiedene Abgrenzungsprobleme gibt: so zur Syntax bei der Pro-
blematik der Wortstellung. Sie geht von einem universalgrammatischen
Standpunkt aus und stellt fest: „Die Morphologie beschreibt nicht nur die
Wortformen, sondern auch die Reihenfolge der morphologischen Wörter
im Satz“ (Clément, 1996, S. 127). Dies wird damit begründet, dass in Spra-
chen ohne Deklination z. B. „bestimmte Wortbildungsregeln dafür sorgen,
dass die Subjekt-NP von der Objekt-NP unterschieden wird“ (a.a.O.). Zum
anderen treten auch bei der Beschreibung der Wortformen Abgrenzungs-
4
Weitere Analyseebenen für Wörter
probleme auf: „Es muss das Inventar der möglichen Formen eines Wortes
beschrieben werden; es muss aber auch beschrieben werden, welche Wort-
form in welchem Kontext möglich ist“ (Clément, 1996, S. 128). Clément
sieht vor allem in der Syntax den Ort, wo diese Beschreibungen vorge-
nommen werden. Es gibt aber auch lautliche und inhaltliche Aspekte, die
für die Kontexte von Wortformen verantwortlich sind.
Auf die Abgrenzungsprobleme zwischen Wortbildung und Syntax wur-
de ja schon hingewiesen. Um diesen Zusammenhängen Rechnung zu tra-
gen, ist das vorgelegte Buch auch nicht in diese Teildisziplinen gegliedert.
Der Wortbildungs- und der Wortformenaspekt wird jedoch ein wichtiger
Punkt bei der Beschreibung der Hauptwortarten sein.
Hinsichtlich der linguistischen Objekte können die beiden Teildiszipli-
nen Wortbildungs- und Flexionslehre angenommen werden. Im Hin-
blick auf die Sprachsystemebenen werden die Morphologie im engeren
Sinne, die Morphosemantik, Morphosyntax, Morphophonologie und
Wortgrafie unterschieden.
Auch diese modularen Blickwinkel sollen und müssen in die Beschreibun-
gen und Erklärungen einfließen.
1.2 Weitere Analyseebenen für Wörter
Wörter verstehen und angemessen in der Kommunikation benutzen zu
können, verlangt verschiedenartiges Wissen, das die individuellen Sprach-
benutzer im mentalen Lexikon gespeichert haben. Es wird bei Bedarf un-
bewusst aktiviert. Dieses Wissen kann in Anlehnung an das kognitive
Sprachbenutzermodell (vgl. Dijkstra und Kempen (1993)) in fünf Modu-
le gruppiert werden:
• Das phonetisch-phonologische Wissen, das die Klangmuster um-
fasst, denen die Wörter entsprechen müssen, um erkannt zu wer-
den. Weiterhin das artikulatorische Wissen über die Aussprache der
Wörter.
• Das morphologische Wissen über die morphologischen Eigenschaf-
ten der Wörter. Dieses Wissen ist der Hauptgegenstand des Buches.
• Das syntaktische Wissen, das benötigt wird, um Wörter richtig in
Sätzen und Texten zu verbinden.
5
Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie
• Das konzeptuelle Wissen, das Bedeutungswissen, das mit Lautkör-
pern verbunden wird. Dazu gehört auch das „Weltwissen“, das „en-
zyklopädische Wissen“, das jeder Sprachbenutzer im Laufe seines
Lebens erwirbt.
• Das orthografische Wissen, das Wissen über die richtige Schreibung
und deren motorische Ausführung, befindet sich bei Menschen, die
lesen können, auch im mentalen Lexikon.
Diese Wissensmodule voneinander zu trennen ist u. a. dadurch gerecht-
fertigt, dass sie mit unterschiedlichen Einheiten der Wörter verknüpft
sind und deshalb auch unterschiedlich organisiert werden. Andererseits
ist diese Trennung aber auch problematisch, weil diese Module bei der
Sprachproduktion und Rezeption miteinander interagieren.2Aus diesem
Grund werden bei der Darstellung des morphologischen Moduls die Zu-
sammenhänge berücksichtigt. Entsprechend der Modularisierung des gram-
matischen Wissens über die Wörter können folgende morphologische Teil-
disziplinen angenommen werden:
1. die Morphologie,
2. die Morphophonologie,
3. die Morphosyntax,
4. die Morphosemantik,
5. die Wortgrafie.
Wirklich etabliert hat sich neben bzw. innerhalb der Morphologie bisher
nur die Morphophonologie. Wenn sich die Morphologie weiterentwickeln
möchte, sollten m. E. diese Schnittstellenbereiche genauer erforscht wer-
den.
Ehe auf den Kernbereich Morphologie in den folgenden Kapiteln näher
eingegangen wird, sollen zu den anderen Wissensbereichen des Worts ei-
nige orientierende Bemerkungen angeführt werden.
1.2.1 Morphophonologie
Die Morphophonologie, auch zu Morphonologie verkürzt, geht auf den
Begründer der Phonologie N. Trubetzkoy (1890–1938) zurück. Sie beschäf-
tigt sich mit den phonologischen Charakteristika der Morpheme und Wör-
ter. Innerhalb der verschiedenen Frameworks der Grammatik befasst man
2Auf holistische, nicht modulare Wissensmodelle kann hier nicht eingegangen werden.
Sie nehmen eine ganzheitliche Speicherung im Gedächtnis an.
6
Weitere Analyseebenen für Wörter
sich unterschiedlich intensiv damit; besonders die Generative Gramma-
tiktheorie und die Natürlichkeitsgrammatik sehen sie als zentral an.
Trubetzkoy hatte in seinem Aufsatz „Gedanken über Morphophonologie“
definiert:
Unter Morphophonologie oder Morphonologie verstehen wir
bekanntlich die Erforschung der morphologischen Ausnutzung
der phonologischen Mittel einer Sprache. [. . . ] Eine vollausge-
bildete Morphonologie enthält folgende drei Teile: 1. die Lehre
von der phonologischen Struktur der Morpheme; 2. die Leh-
re von den kombinatorischen Lautveränderungen, welche die
Morphemverbindungen erleiden; 3. die Lehre von den Laut-
wechselreihen, die eine morphologische Funktion erfüllen.
(Trubetzkoy, 1958, S. 268–270)
Zu 1., der phonologischen Struktur der Morpheme, ist für das Deutsche
z. B. feststellbar, dass alle Basismorpheme mindestens einen Vokal ent-
halten. Generell ist das Deutsche aber als „Konsonantensprache zu be-
stimmen und in dieser Hinsicht etwa dem Arabischen oder Hebräischen
vergleichbar“ (Burkhardt, 1998, S. 113). Die Konsonanten sind die eigent-
lichen Silben- und damit Sprachzeichenträger. „Das bedeutet zugleich,
daß zwar (fast) alle diskriminierbaren Lauttypen eine distinktive Funktion
aufweisen und untereinander in Opposition stehen, dabei jedoch Teilsys-
teme unterschiedlichen Gewichts zu konstatieren sind, denn das jeweili-
ge Konsonantengerüst reicht zur Identifikation der Einzelzeichen weitge-
hend aus“ (Burkhardt, 1998, S.113). Die deutschen Wörter beginnen meist
mit Konsonanten und enden auch damit. Die deutsche Silbe kann bis zu
drei Konsonanten im Anlaut (Strecke) und vier Konsonanten im Auslaut
(selbst) aufweisen. Weil die Konsonanten oftmals zur Identifizierung der
deutschen Wörter ausreichen, konnten die Vokale auch zur Ausbildung
grammatischer Paradigmen Verwendung finden. Dies ist beispielsweise
bei der Pluralbildung (Bücher), der Tempora- (las) und Modimarkierung
(würde lesen) der Fall.
Zu 2., den kombinatorischen Lautveränderungen, kann für die deutsche
Sprache als ein relevantes Beispiel die Problematik der Allomorphe ange-
führt werden. Dies sind aus synchroner Sicht lautliche Formen des glei-
chen Morphems (wie in 4), die bei der Kombination mit anderen Morphe-
men realisiert werden3.
3Die Auffassung, dass Allomorphe verschiedene Morpheme sind, die „dieselbe Bedeu-
tung tr agen“ (Ernst, 2004, S. 110), wird von mir nicht vertreten.
7
Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie
(4) Maus
Mäus-chen ["mOy
<sç@n]
Mäus-e ["mOy
<z@]
Zu 3., den Lautwechselreihen mit morphologischen Funktionen, sind die
Ablautreihen bei den starken deutschen Verben ein allseits bekanntes Bei-
spiel:
(5) wir singen [+präsens]; wir sangen [+präteritum];
wir haben gesungen [+perfekt]
Neuere Darstellungen polemisieren gegen die strukturalistische phonolo-
gische Bezugnahme auf die Morpheme:
Auf Wortebene scheint es mir zur Beschreibung phonologi-
scher und morphologischer Regularitäten des Deutschen aus-
zureichen, mit den Kategorien Phonologisches Wort und Silbe
zu arbeiten.
(Neef, 1996, S. 49)
Auf die Kategorie Morphem bei der Beschreibung der deutschen Morpho-
logie zu verzichten, sehe ich nicht als sinnvoll an. Ich stimme aber Wiese
und anderen zu, die Trubetzkoys Morphonologieverständnis als zu eng
ansehen.
Es gibt aber auch Einengungsbemühungen bzw. den Wunsch, die Mor-
phophonologie völlig von der Morphologie abzutrennen, wie bei Wurzel.
Für Wurzel (1982), der die Natürliche Phonologie begründet hat, beschäf-
tigt sich die Morphophonologie nur mit dem „Miteinander- und Gegen-
einanderwirken“ der morphologischen und phonologischen Komponente
des Sprachsystems. Sie ist „der Interaktionsbereich von Phonologie und
Morphologie“ (S. 50). Der Bereich der Morphophonologie beginnt für ihn
dort, wo eine phonologische Regel durch morphologische Gegebenheiten
eingeschränkt wird (S. 51); bzw. „bildet sie den Bereich des Sprachsystems,
dessen Regeln nicht bzw. nicht mehr ausschließlich auf Grund von gram-
matischen Bedingungen funktionieren“ (S. 57).
Wurzel ist dabei vor allem auf die Erklärung von Sprachwandelerschei-
nungen orientiert. Bereits Trubetzkoy hatte aber betont, dass die Mor-
phophonologie nicht nur für sprachgeschichtliche Betrachtungen relevant
ist.
Hier wird den Auffassungen gefolgt, die „Phonologie und Morphologie
miteinander verzahnt“ sehen (Wiese, 1992, S.133). Booij (2000) sieht zwei
Wege der Interaktion von Morphologie und Phonologie: Zum einen spie-
8
Weitere Analyseebenen für Wörter
len morphologische Informationen eine wichtige Rolle für die phonolo-
gischen Systeme der Sprachen, weil die Verteilung der Laute und ihrer
Alternationen von den morphologischen Wortstrukturen bestimmt sein
kann. Zum anderen machen morphologische Prozesse von phonologi-
schen Informationen Gebrauch (S. 335).
Auch Eisenberg (1998, S. 27) sieht es als sinnvoll an, „zur Erfassung der
Strukturiertheit von Wortformen eine morphologische von einer phonolo-
gischen Ebene zu unterscheiden“. Während die Gliederungseinheiten der
morphologischen Ebene die Morpheme sind, sind es auf der phonologi-
schen neben den Segmenten4die Silben.
Silben werden in der Regel als die kleinsten segmentübergreifenden Ein-
heiten verstanden5; sie sind ein Gegenstand der Phonotaktik (Art und
Weise der Phonemkombination). Sie sind relevante Gliederungseinheiten,
die die Sprachbenutzer intuitiv erkennen und die für sie eine Einheit der
Sprachverarbeitung bilden. Silben bilden die Grundlage für die wesentli-
chen suprasegmentalen Charakteristika Intonation und Wortakzent (Ra-
mers, 1998, S. 87), die auf den Silben und nicht auf den einzelnen Lauten
aufbauen. So besteht ein Zusammenhang zwischen der Qualität der Kon-
sonanten und ihrer Stellung am Silbenrand. „Ein stimmloser Plosiv am
Silbenanfang wird aspiriert, wenn die Silbe betont ist, wie in Phanne. Ist
der Plosiv nicht silbeninitial, wie in Spanien, wird er nicht aspiriert“ (Féry,
2002, S. 94).
Auch lassen sich bestimmte Lautphänomene besser erklären, wenn sie sil-
benbezogen beschrieben werden. Man kann mögliche Konsonantenfolgen
mit ihnen aufzeigen: Die Konsonantenfolge tr (Treppe) kann am Silbenan-
fang stehen, die Konsonantenfolge nf dagegen nicht (Féry, 2002, S. 94).
Nach Hall (2000, S. 267) sind Silben seit den 70er Jahren des 20. Jahrhun-
derts als phonologische Einheit anerkannt. Bezüglich des Silbenaufbaus
gibt es jedoch weniger Einigkeit. Es werden unterschiedliche Silben-Struk-
tur-Modelle angenommen, die die Laute unterschiedlich einordnen.
Das lineare (flache) Silbenstrukturmodell stellt bei der Beschreibung des
Silbenaufbaus die spezifische Abfolge von Konsonanten (K) und Vokalen
(V) ins Zentrum. Die prototypische deutsche Silbe hat danach das Muster
in Abbildung (1.1).
4Als Segmente bezeichnet man die relevanten Abschnitte in der linearen Ausdehnung
von Äußerungen.
5Féry (2002, S. 94) und andere auch weisen darauf hin, dass die Silbe zwar e in intuitiv
klarer Begriff ist, der jedoch schwer zu definieren ist, weil es keine invarianten phone-
tischen Korrelate zu ihr gibt und sie von Sprache zu Sprache verschieden ist.
9
Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie
K K V K K
Silbe
Abbildung 1.1: Lineare Silbenstruktur
Wenn eine konkrete Silbe (wie im folgenden Beispiel Saal) nach diesem
Modell analysiert wird, tritt noch eine dritte Ebene bzw. Schicht, wie Ra-
mers (2002) sagt, hinzu (1.2):
z
K
a:
V
l
K
Silbe
Segmentschicht
Skelettschicht
Silbenschicht
Abbildung 1.2: Silbenstruktur von Saal
Das hierarchisierende Konstituentenmodell erfasst die Konstituenten nicht
auf einer Subebene, nicht auf einer Skelettschicht, als unmittelbare Konsti-
tuenten werden der Silbenkopf (Onset) und der Reim angenommen. Der
Reim wiederum besteht aus den UKs Nukleus (Kern) und Koda. Der pro-
totypische Silbenaufbau in diesem Modell wird in (1.3) aufgezeigt:
Silbe
Onset
Reim
Kern Koda
Abbildung 1.3: Hierarchischer Silbenaufbau
Der Silbenkopf geht dem Reim voraus, und er kann im Deutschen mit drei
Konsonanten besetzt werden. Wenn er leer ist (wie bei gehen die zweite Sil-
be), wird von einer nackten Silbe gesprochen und bei Besetzung (Sprung)
von einer bedeckten Silbe. Nackte Silben, so Eisenberg (2005, S. 39), kom-
men im Deutschen sehr selten vor.
10
Weitere Analyseebenen für Wörter
Über die Reimkonstituente wird in der Forschungsliteratur diskutiert, spe-
ziell über die nicht von allen angenommenen Reimkonstituenten Kern
(Nukleus) und Koda (Endrand). Ramers (1998) argumentiert für die Un-
tergliederung der Reimkonstituente, weil es strenge Beschränkungen für
die Möglichkeiten der Folgeelemente des Kerns gebe. Der Kern ist in der
Regel mit einem Vokal besetzt, der in offenen Wortklassen betont wird.
Der Endrand (Koda) muss, wie der Eingangsrand, dagegen nicht besetzt
sein, er kann aber von mehreren Segmenten besetzt sein. Je nachdem, ob
er besetzt ist oder nicht, spricht man von einer offenen (Fee) oder geschlos-
senen (liest) Silbe.
Dem einsilbigen Wort Baum entspricht die Konstituentenstruktur in (1.4):
Silbe
Onset
X
b
Reim
Kern
X
au
Koda
X
m
Abbildung 1.4: Silben-Konstituentenstruktur von Baum
Die Silbenstruktur kann nur mithilfe beider Modelle umfassend be-
schrieben werden. Das flache Konsonanten-Vokal-Modell stellt die Bau-
steine der Silbe dar und lässt die Segmente sichtbar werden. Das
Konstituenten-Modell zeigt zusätzliche grammatische Eigenschaften
der Silbe auf.
Die rhythmisch-prosodische Gliederung in Silben kann, muss aber nicht,
mit der morphologischen übereinstimmen wie in (6).
(6) <se – hen> vs. [B M/Verbseh] Flexiven
Welche Zusammenhänge es da gibt, ist ein Gegenstand der Morphopho-
nologie; dies trifft auch auf die Frage nach den Funktionen der Silben zu.
So ist es für die Beschreibung der Informationsstrukturen eine relevante
Problematik, nach den Funktionen der Tonsilben zu fragen. Für die Inter-
pretation von komplexen Wörtern gibt uns die betonte Silbe, die Haupt-
11
Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie
tonsilbe, Hinweise, z. B. bei der Unterscheidung von Präfigierungs- und
Partikelverblesarten, wo die Partikeln den Hauptton tragen und Präfixe in
der Regel nicht:
(7) Sie wollte die Tonne um‘fahren. vs.
Sie wollte die Tonne nicht ‘umfahren.
Ein anderes Beispiel ist die PartizipII-Bildung bei Verben. Ob sie mit dem
Präfix ge- erfolgt oder nicht, lässt sich über die Akzentsetzung oder die
metrische Einheit Fuß erklären (vgl. Wiese (1992)). Nur initial-akzentuierte
Verbformen erfordern das Präfix ge-.
(8) Der überwachte PC (über ‘wachen)
Programmierte Flops (pro ‘grammieren)
Training für Installation gesucht (‘suchen)
(ct 23/2004; S. 146)
Um ein weiteres Beispiel für morphophonologische Zusammenhänge zu
nennen: Weiß (2005) hat in einer Untersuchung zu den unechten Verklei-
nerungsformen nachgewiesen: „im Normalfall bewirkt unechte Diminu-
ierung, dass aus einem einsilbigen Substantiv mit kurzem Vokal durch
Anfügen eines silbischen /l/ (oder Varianten) ein zweisilbiges Wort wird,
das aus silbenstrukturellen Gründen gegenüber der Ausgangsform prä-
feriert wird“ (S. 218). Das Diminutivsuffix -l kann also stammbildenden
Charakter haben (z. B. Kuchl ‚Küche’ oder Baggl ‚Packet’).
In Nachfolge der strukturalistischen Tradition sehe ich als wichtige Be-
schreibungsgegenstände der synchronen Morphophonologie an:
• die lautlichen Merkmale der einzelnen Morphem- und Silbenarten;
• die kombinatorischen Lautveränderungen bei Morphem- und Silben-
verbindungen;
• die morphologischen Funktionen der Lautveränderungen und
rhythmisch-prosodischen Charakteristika;
• die Beziehung zwischen rhythmisch–prosodischer und morphemati-
scher Wortgliederung.
Nikolaus S. Trubetzkoy: Gedanken über Morphonologie. In: N. S.
Trubetzkoy: Grundzüge der Phonologie. Vandenhoeck & Ru-
precht: Göttingen 1958, S. 268–271
12
Weitere Analyseebenen für Wörter
Ursula Hirschfeld/Eberhardt Stock: Aussprache. In: M. Papst-Wein-
schenk (Hrsg.): Grundlagen der Sprechwissenschaft und Sprecher-
ziehung. Ernst Reinhardt: München, Basel 2004, S. 41–42
1.2.2 Morphosyntax
Morphosyntax ist ein halbwegs etablierter Terminus, der die Teildisziplin
betrifft, die sich mit der Verbindung von syntaktischen Eigenschaften und
morphologischen Charakteristika bzw. mit der „Wiedergabe syntaktischer
Merkmale mit morphologischen Mitteln“ (Bußmann, 2002, S. 452) beschäf-
tigt. Weiterführende Darstellungen zur Morphosyntax gibt es wenige. Ei-
ne von ihnen ist die von Wandruszka (1997). Bei Wandruszka wird Mor-
phosyntax allerdings folgendermaßen definiert:
[Sie erforscht] den Bereich der Wiedergabe syntaktischer Funk-
tionen und Relationen mit morphologischen Mitteln, mit Wort-
teilen, also mit gebundenen Morphemen. Morphosyntax ist
Wortformenbildung und bezieht sich auf den syntaktisch-funktionalen
Inhalt von Morphemen.
(Wandruszka, 1997, S. 172)
Mit dieser Definition deckt er auch weite Bereiche der Flexionsmorpholo-
gie ab.
Hendrick (1995) hat im Rahmen einer Monographie zur Generativen Gram-
matik als Gegenstände „of the interaction beetween morphology and syn-
tax“ (S. 301) Formen der Bildungen neuer Wörter (wie Komposition, Deri-
vation und Inkorporation), die Passivmorphologie, die Kongruenz (Agree-
ment) und Klitisierungen6beschrieben.
Ein Beispiel für den engen Zusammenhang von Morphologie und Syntax
ist die Problematik der Wortstellung. Dies veranlasst, wie schon erwähnt,
u. a. Clément (1996) dazu, die Wortstellungsproblematik als ein morpho-
logisches Problem anzusehen. So verweist sie darauf, dass für „die Wort-
stellung nicht unwichtig ist, ob das Verb aus einem oder aus mehreren
morphologischen Wörtern besteht (kam vs. ist gekommen)“ (Clément, 1996,
S. 145). Wenn das Prädikat in Präsens- und Präteritum-Aktiv-Sätzen nur
aus einem Vollverb besteht, dann steht es als zweites Satzglied (9a.); wenn
das Vollverb mit Hilfsverben verbunden wird, dann steht es in der Regel
in Verbletztposition (9b.).
(9) a. Sie kam zur Verabredung.
6Klitika siehe Glossar.
13
Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie
b. Sie ist zur Verabredung gekommen.
Ähnliche Zusammenhänge zwischen der Stellung im Satz bzw. in der
Phrase und der morphologischen Form gibt es auch in anderen Wortklas-
sen.
(10) die morgige Verabredung der Freunde
Im Beispiel (10) markiert der Genitiv der zweiten NP (der Freunde), dass
diese NP nicht der Kern der Phrase ist, diesen zeigt der Nominativ an
(die Verabredung). Diese nominalen Modifizierungen im Genitiv werden
im Deutschen in der Nominalphrase dem Kern nachgestellt. Adjektivische
Attribute stehen in der Normalstellung dekliniert davor.
1.2.3 Morphosemantik
Die Semantik beschäftigt sich mit den Bedeutungen von Sprachen. Es hat
sich eingebürgert zwischen Wort-, Satz-, Text- und Diskurssemantik zu
unterscheiden. Eine Morphosemantik wäre Teil der lexikalischen (Wort-)
Semantik und sollte sich speziell mit der Bedeutung der Morpheme be-
schäftigen. Zentral würde die Erhellung der Zusammenhänge zwischen
den morphosyntaktischen Eigenschaften und den Morphembedeutungen
sein. Spezifisch wäre auch die Problematik der grammatischen Bedeutun-
gen. Nur auf Letzteres soll hier eingegangen werden.
In der Regel unterscheidet man zwischen lexikalischer und grammati-
scher Bedeutung (z. B. Lyons (1983)). Bei der lexikalischen Bedeutung,
der Bedeutung der Wörter, gibt es unterschiedliche Auffassungen, was
zur Wortbedeutung dazugehört, besonders hinsichtlich der stilistischen
Eigenschaften bei den Konnotationen gibt es Differenzen (genauer in Rö-
mer und Matzke (2005, Kap. 4.3)). In diesem Abschnitt wollen wir uns nur
auf den Bedeutungskern, auf die Extension (Menge der „Objekte“, auf das
sich das Lexem beziehen kann), die Intension (Sinn; gedankliches „Ab-
bild“ bzw. der Begiffsinhalt) und die Referenz (Relation zwischen einem
Ausdruck und den Objekten, die in einer Äußerung benannt werden) be-
schränken. Mit Objekten, die bezeichnet werden können, meint man, dass
Wörter für Existierendes oder Vorgestelltes stehen können. Das, worauf
man sich mit Wörtern beziehen bzw. was man mit ihnen bezeichnen kann,
wird auch Denotat genannt. Mit Intension beschreibt man den begriffli-
chen Inhalt, das Wissen, das im Gedächtnis gespeichert ist, um eine rich-
tige Denotation vornehmen zu können. Man konnte z. B. vor einiger Zeit
folgende Zeilen auf dem Titelblatt einer Computerzeitschrift finden:
14
Weitere Analyseebenen für Wörter
(11) Schnüffelei im Job und Privatleben
Der überwachte PC
Wanzenprogramme finden und eliminieren
(ct 23/2004; Titelblatt)
Auch wenn den Leser/innen vor dem Studieren der entsprechenden Ar-
tikel unklar war, was „Wanzenprogramme“ sind, konnten sie sicher eine
Verbindung zu „Schnüffelei im Job und Privatleben“ herstellen; und sich
als Extension von „Wanzenprogramm“ ein PC-Programm zum Ausspio-
nieren von Computern vorstellen. Genauere Vorstellungen (Intensionen)
konnten sie zu diesem Zeitpunkt damit eventuell nicht verbinden. Nach
dem Studium der Artikel war jedoch klar, dass dies unsichtbare Tools sind,
die alle Tastatureingaben und benutzten Programme protokollieren kön-
nen, E-Mails speichern, besuchte Web-Adressen und Passwörter sammeln,
beim Instant Messenger mitlesen, den Bildschirminhalt abfotografieren
und die User obendrein filmen (ct 23/2004, S. 146). Dass diese „Wanzen-
programme“ für relativ wenig Geld frei verkäuflich sind, gehört auch zu
dem erworbenen Wissen.
Dieses Beispiel zeigt, dass Extension, Intension und Referenz in Verbin-
dung stehen. Nach dem Studium der Artikel, nach dem erfolgten Wissens-
erwerb, war eine genauere Denotation möglich. Dass Wort-, Satz- und
Textsemantik ebenfalls zusammengehören, belegt beispielsweise das Wort
„Wanze“. Wie die meisten semantischen Wörter ist es mehrdeutig, hat
mehrere Bedeutungsvarianten. Welche Variante gemeint ist, zeigt sich erst
im Wortverband.
(12) a. Die Flöhe und die Wanzen gehören auch zum Ganzen.
(Johann Wolfgang Goethe)
b. Sophos äußert sich besorgt über die elektronische Wanze „Ma-
gic Lantern“ vom FBI. (www.sophos.de; 29.3.2005)
Die grammatische Bedeutung bei Lexemen meint die Bedeutung der gram-
matischen Formen. Diese Bedeutungen grammatischer Formen sind meist
nicht eindeutig bzw. nicht direkt mit der außersprachlichen Welt, den De-
notaten verbunden. Bei der Wahl des Numerus ist dies weitgehend der
Fall, trifft aber nicht immer zu. Die Kirche ist z. B. eine Singularform und
bezeichnet in (13a.) ein Einzelstück in der Welt, in (13b.) angezeigt durch
die Pluralendung -n mehrere Exemplare, in (13c.) bezeichnet die Singu-
larform aber kein Einzelstück sondern vielmehr etwas Allgemeingültiges,
Generelles, die Einrichtung Kirche als Institution. Die Genera beim Sub-
stantiv haben im heutigen Deutsch nur bei wenigen Sachgruppen einen
15
Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie
Bezug zum natürlichen Geschlecht (der Mann vs. die Frau aber: das Weib).
Dass die Kirche das Genus feminin trägt, sagt nichts denotativ Semanti-
sches aus.
16
Weitere Analyseebenen für Wörter
(13) a. Die Kirche wurde ca. 1251 bis 1300 erbaut. Es ist ein alter Feld-
steinbau. (www.all-in-all.com/amt-waren-land; 18.6.2006)
b. Der Förderverein Romanische Kirchen Köln lädt Sie zu einem
Besuch in die zwölf romanischen Kirchen Kölns ein.
(www.romanische-kirchen-koeln.de; 18.6.2006)
c. Hat die Kirche noch eine Führung? (www.kurier.at; 30.3.2005)
Auf die Bedeutungen der grammatischen Kategorien wird bei der Cha-
rakterisierung der deutschen Wortarten im Kapitel 4 näher eingegangen,
da es „in der Morphologie um die sprachliche Gestalt, das heißt, um das
sprachliche Zeichen als inhaltlich-formale Ganzheit“ geht (Wandruszka,
1997, S. 158).
1.2.4 Wortgrafie
Die Wortgrafie als Teil der Graphematik beschäftigt sich mit dem Zusam-
menwirken der Schreibung von Wörtern mit der Morphologie. Eisenberg
(1998, S. 286) verweist darauf, dass die Syntax, das Flexionssystem und
vor allem die sogenannte Standardlautung ohne die Schrifttradition ganz
anders aussehen würden; die Dialektlandschaft des Deutschen, sein Ver-
hältnis zu anderen Sprachen und sein Wortschatz ebenfalls.
Ein Beispiel für den Zusammenhang von Graphematik (ermittelt und be-
schreibt die Regularitäten des normalen Schreibens) und Morphologie
ist die Wortstruktur, da die grammatische Analyse die Schreibung be-
stimmt. „Orthografiefehler sind ja nichts anderes als ein spezieller Typ von
Grammatikfehler. Sie beruhen fast immer darauf, daß grammatische Ei-
genschaften eines Wortes nicht erkannt werden“ (Eisenberg, 1998, S. 289).
Wenn beispielsweise Fehler bei der Verwendung von das und dass passie-
ren, hat der/die Schreibende keine oder eine falsche morphosyntaktische
Analyse durchgeführt.
Betont werden muss der enge Zusammenhang zwischen Graphematik,
Morphologie und Laut- bzw. Silbenstruktur. Ewald (2005) hat dies bei-
spielhaft in einer Untersuchung zu dem Suffix in(n) nachgewiesen. Es geht
ihr um die Frage, wieso -in (Lehrerin) im Plural zu -innen wird, weshalb in
der Pluralform eine Verdopplung des Konsonanten <n> auftritt. Analoge
Probleme bei der Durchbrechung der Schemakonstanz gibt es im Deut-
schen bei dem Suffix -nis (Kümmernisse). Dabei zeigt P. Ewald u. a., dass
die richtige Frage eigentlich ist, wieso sich die Konsonantenverdopplung
in der Singularform nicht durchgesetzt hat. Dass sich die vorübergehen-
de und partielle Schreibung mit Konsonantenverdopplung im Singular
17
Objekt, Gegenstände und Teilbereiche der Morphologie
(18. Jahrhundert) im 19. Jahrhundert nicht gehalten hat, liegt zum einen
im Sprachgebrauch und lässt sich zum anderen „möglicherweise auf den
Morphemstatus von -in und die generelle Tonlosigkeit der Silbe zurück-
führen“ (Ewald, 2005, S. 83).
Peter Eisenberg: Grundriss der deutschen Grammatik. Das Wort.
Band 1, J. B. Metzler: Stuttgart, Weimar 1998, Kap. 8
18
2 Morphologische Kategorien
2.1 Morphologische Wörter und Semiwörter
Da das Objekt der Morphologie die für die Grammatik relevanten Wort-
eigenschaften sind, muss hier auch der Frage nachgegangen werden, was
ein Wort ist. Wie in Römer und Matzke (2005) ausgeführt, ist auch beim
Wort aus linguistischer Sicht von einem komplexen Phänomen auszuge-
hen, das sich auf den einzelnen Sprachsystemebenen spezifisch darstellt.
Ein prototypisches Wort, das auf allen Ebenen Wortcharakter hat, ist ge-
kennzeichnet durch
• seine Isolierbarkeit in Rede und Schrift,
• seinen selbstständigen Bedeutungscharakter,
• seine Morphemstruktur,
• seine Fähigkeit, Phrasenkern sein zu können, und
• seinen kommunikativen Charakter, d. h. etwas darzustellen und/oder
Gefühle auszudrücken und/oder eine Intention zu transportieren.
Wie in 1.1 erläutert, muss aus grammatischem Blickwinkel das Lexikon-
wort (die Grundform/Zitierform) vom Satzwort (der jeweils auftretenden
Wortform) unterschieden werden.
Wurzel (2000b) stellt fest, „daß graphematische, phonologische und se-
mantische Kriterien für die Ermittlung von morphologischen Wörtern ins-
gesamt genommen wenig hilfreich sind“, weil sie sich nicht auf die mor-
phologischen Eigenschaften bezögen (S. 33).
Dieses kann jedoch nicht so absolut gesagt werden, weil es zum einen
Zusammenhänge zwischen den Sprachsystemmodulen/-ebenen gibt und
zum anderen die morphologischen Einheiten auch graphematische, pho-
nologische und semantische Merkmale haben.
Was macht nun aber das morphologische Wort aus? Welche Charakteristi-
ka hat das morphologische Wort?
19
Morphologische Kategorien
Das prototypische morphologische Wort im Deutschen ist dadurch cha-
rakterisiert, dass es im Gegensatz zur Phrase nicht durch lexikalisches
Material unterbrochen werden kann, es bildet eine stabile formativische
Einheit.
Im Beispiel (1) kann das Wort in nicht in den Lautkörper des Wortes Haus
eingeschoben werden.
(1) das Haus – *Hainus
Nun gibt es bei Komposita mit dieser Definition Schwierigkeiten, da bei
ihnen zwischen die Morpheme lexikalisches Material eingeschoben wer-
den kann (vgl. (2)).
(2) das Signal – das Signalsystem – das Signalspeicherungssystem –
...
Diese Einschiebung von lexikalischem Material kann aber nur an Mor-
phemgrenzen erfolgen. Deshalb gilt für die prototypischen morphologi-
schen Komposita:
Das prototypische morphologische Kompositum ist dadurch charakte-
risiert, dass nur zwischen Morphembausteinen lexikalisches Material
eingebracht werden kann; es bildet eine stabile formativische Einheit.
Eine Reihe von zusammengesetzten Wörtern bildet als Textwort keine sta-
bile formativische Einheit (Beispiele in (3)).
(3) a. abreisen: Sie reiste ab. [Präposition+Verb]
b. hasserfüllt: Hasserfüllt plante er das Verbrechen. Sein Hass er-
füllte ihn. [Nomen+Verb]
c. freilegen: Sie legte das übertünchte Gemälde frei. [Adv+Verb]
Diese komplexen Verben sind aus morphologischer Sicht keine Wörter, da
sie Syntagmeneigenschaften haben. Sie haben hinsichtlich der Morpholo-
gie einen Semicharakter, sie sind morphologische Semiwörter.
Christine Römer/Brigitte Matzke: Lexikologie des Deutschen: Eine
Einführung. 2. Auflage, narr studienbücher, Gunter Narr: Tübin-
gen 2005, Kapitel 2.2
Wolfgang Ulrich Wurzel: Was ist ein Wort? In: Rolf Thieroff et
al.: Deutsche Grammatik in Theorie und Praxis. Max Niemeyer:
Tübingen 2000
20
Listeme
2.2 Listeme
Das Fachwort Listem wurde von Di Sciullo und Williams (1988) als Ober-
begriff für alle Lexikoneinheiten eingeführt, die im Gedächtnis als Teil ei-
ner Liste „gelistet“, d. h. gespeichert sind. Pinker (2000, S. 438) gibt folgen-
de Definition:
Ungebräuchlicher, aber nützlicher Terminus, der sich auf eine
bestimmte Bedeutung von „Wort“ bezieht. Ein Listem ist ein
Element der Sprache, das im Gedächtnis gespeichert werden
muss, weil seine Lautung oder Bedeutung keiner generellen
Regel zu entnehmen sind. Alle Morpheme, Wortwurzeln, irre-
guläre Formen, Kollokationen sind Listeme.
Welche Einheiten im Gedächtnis gespeichert sind, ist nicht unumstritten.
Es wird in der Forschungsliteratur gefragt: Sind es alle Grundeinheiten
(Basismorpheme, Wortbildungsmorpheme und Flexionsmorpheme) und
alle komplexen Wörter? Wie verhält es sich mit den Mehrwortlexemen
(Phraseologismen)? Umfasst das Lexikon neben den aktuellen Wortfor-
men auch die potentiellen? Auch Aitchison (1997, S. 159) betont:
Eine zentrale Frage der Sprachpsychologie lautet: Ist das men-
tale Lexikon – das Wörterbuch in unseren Köpfen – ein Lexi-
kon von Wörtern? Speichert man Wörter als quasi gebrauchs-
fertige Einheiten? Oder zerlegt man sie und speichert sie als
Morpheme, die nach Bedarf zusammengefügt werden, wie ei-
nige Leute meinen? Und wenn sie zerlegt sind – wie findet
man das gewünschte Wort? Wäre Verkleidung unter Ver- auf-
geführt oder unter Kleidung oder unter Kleid oder auch unter
allen dreien? Diese grundlegenden Fragen sind zu beantwor-
ten, wenn man verstehen will, wie Menschen mit Wörtern um-
gehen.
Hier ist nicht der Ort, die psycholinguistische Diskussion zu diesen Fragen
aufzuzeigen. Während die Linguistik meist von einem Lexikon ausgeht
und bezüglich der Morphologie vor allem diskutiert, ob es eigene mor-
phologische Regeln gibt, nehmen die Psycholinguisten innerhalb des men-
talen Lexikons1mehrere Lexika an. Die Standardannahme ist, dass es im
Langzeitgedächtnis zwei Teilsysteme gibt, das Wörterbuchgedächtnis mit
den Wortformen (gespeichert nach den visuellen, graphischen und akus-
tischen Merkmalen) und das semantisch-konzeptuelle Gedächtnis, das in-
dividuelles und generelles Wissen speichert und das generative Kraft hat
(Langenmayr (1997)).
1Mentales Lexikon: siehe Glossar.
21
Morphologische Kategorien
2.3 Funktionale Kategorien
Der Terminus funktionale Kategorie hatte sich im Rahmen der Genera-
tiven Grammatik für die Kategorien Infl(ection), Comp(lementizer) und
Det(erminer) etabliert. Im Zuge des Minimalismus vergrößerte sich ihr In-
ventar. Ehemals unter Infl versammelte Kategorien bekamen selbstständi-
gen Charakter, Infl wurde dekomponiert (vgl. Kapitel 3.4.4).
Felix (1990, S. 48) definiert sie folgendermaßen: „Functional categories are
bundles of abstract features which have no uniform representation in the
lexicon, i. e. there is no individual lexical item that represents exactly the
complete feature bundle of a functional category.“
Funktionale Kategorien enthalten grammatische Informationen und ha-
ben keinen deskriptiven Gehalt. Sie nehmen genau ein Komplement2und
selegieren es hinsichtlich der morphosyntaktischen Merkmale.
Unter Einbeziehung der funktionalen Kategorien kann folgende Konstitu-
entenstruktur für den deutschen Satz mit Verbletztstellung angenommen
werden (vgl. Abbildung 2.1 auf der nächsten Seite).
Neben den lexikalischen Kategorien N (Substantiv) und V (Verb) treten
die funktionalen Kategorien Det, Infl und Comp als Phrasenköpfe auf.
Det steht für Determinierer (determiner) und bildet den Kopf der DP (De-
terminiererphrase), die der Sitz der grammatischen Merkmale [definitheit,
kasus, numerus, genus, . . . ] der NP (Nominalphrase) ist. Die DP ist also ei-
ne funktionale Erweiterung der NP. Der Artikel wird dabei direkt mit Det
identifiziert. Er führt, wie die anderen funktionalen Kategorien auch, zu
spezifischeren Kategorisierungen (Wunderlich, 1992, S. 1). Zum Beispiel
bekommt ein Gattungsnomen im Deutschen durch einen Artikel (Det) ei-
ne spezifische Denotatszuordnung. Das referenziell offene Nomen wird
durch den Artikel referenziell; man kann mit der Apfel auf ein spezifisches
Denotat Bezug nehmen wie in (4):
(4) Apfel > der Apfel
Der Attiswiler ist eine neue, gesunde Apfelsorte. Der Apfel wird
hier beschrieben und im Bild vorgestellt.
(www.mitglied.lycos.de; 11.3.2005)
Der Artikel trägt also neben dem Numerus-, Kasus- und Genusmerkmal
ein Definitheitsmerkmal [+/−]. Allgemein kann man sagen, dass das Defi-
2Bei lexikalischen Köpfen dagegen wird die Art und Anzahl der Komplemente lexika-
lisch festgelegt.
22
Funktionale Kategorien
SpecCP
weil
C
die
Det
Frau
N
N’
NP
D’
DP
wein
V
V’
VP
t
I
I’
IP
C’
CP
Abbildung 2.1: Konstituentenstruktur des deutschen Nebensatzes
nitheitsmerkmal die Artikelwahl determiniert. „Der Artikel als funktiona-
ler Kopf ist der Träger dieses Merkmals“ (Haider, 1992, S.313). Außerdem
weist der funktionale Kopf „seinem Spezifikator Kasus zu, ist selbst virtu-
ell kasusflektiert und kongruiert mit dem Bezugselement“ (Haider, 1992,
S. 318). Der funktionale Kopf der Nominalphrase, der Kasusmerkmale zu-
weist und von außen welche bekommt, kann auch phonologisch leer sein
wie in (5) bei überflüssiges Problematisieren.
(5) [NP überflüssiges Problematisieren] schadete.
Der leere Kopf der Determiniererphrase stimmt mit dem Adjektiv und
dem Nomen in den grammatischen Merkmalen überein (vgl. Abb. 2.2 auf
der nächsten Seite):
23
Morphologische Kategorien
Det
[nominativ, singular, neutrum]
ØAdjP
[nom., sing., neu.]
überflüssiges
N
[nom., sing., neu.]
Problematisieren
NP
DP
Abbildung 2.2: Merkmalsübereinstimmung in DP
Das Adjektiv flektiert in überflüssiges Problematisieren „stark (pronominal)“
und bestimmt das Nomen hinsichtlich Genus, Kasus und Numerus. Wenn
ein phonologisch realisierter Determinierer vorausgeht, erfolgt diese Kenn-
zeichnung nicht durch das Adjektiv (das überflüssige Problematisieren), die-
ses flektiert dann „schwach“ und verdeutlicht damit den syntaktischen
Zusammenhang in der Phrase.
Infl steht für Verbalflektion (inflection), enthält in seiner klassischen Form
im Prinzipien- und Parametermodell3mindestens die folgenden Merkma-
le (6):
(6) Infl = [tempus, genus, modus, person, numerus, . . . ]
Infl nimmt als Komplement die Verbalphrase, seine Spezifikatorposition
ist in der Grundstruktur der Platz des Subjekts (wie in der Abb. 2.1 auf der
vorherigen Seite zur modifizierten Nebensatzstruktur angedeutet). Ioist
verantwortlich für den Erhalt der morphosyntaktischen Merkmale. (vgl.
Abb. 2.3 auf der nächsten Seite).
Infl ist eine Erweiterungskategorie des Verbs. Die Realisierung der in den
funktionalen Kategorien vereinigten Merkmale ist einzelsprachlich gere-
gelt. Sie können wie im Deutschen durch Flexive realisiert werden. Das
Verb erhält beispielsweise von Infl die Kongruenzmerkmale, um mit dem
Subjekt zu kongruieren, außerdem die Tempus-, Modus- und Genus verbi-
Einordnung. Da im Deutschen die grammatischen Merkmale häufig rechts
an den Verbstamm angefügt werden, nimmt man Infl rechts von der VP
an.
Comp4steht für Komplementierer (complementizer), für eine strukturel-
le funktionale Kategorie. Comp entspricht im Deutschen der linken Satz-
3Prinzipien- und Parametermodell: siehe Glossar.
4In neueren Versionen der Generativen Grammatik wird Comp durch C ersetzt, weil
man nur einbuchstabige Kategorienkürzel haben möchte.
24
Funktionale Kategorien
InflP
I’
VP
V0
Lauf
I0
t
Abbildung 2.3: Infl-Phrase im Deutschen
klammer und ist eine Position im Satz, die den Platz für einleitende subor-
dinierende Konjunktionen bietet. Diese Komplementierer zeigen an, dass
im nachfolgenden Nebensatz eine Ergänzung zum übergeordneten Verb
folgt.
Das lineare topologische Modell des deutschen Aussagesatzes:
SpecCP C0IP (ohne I0, V0) V0, I0
Vorfeld Linke Satzklammer Mittelfeld Rechte Satzklammer
Weil es heute regnete.
Im Beispielsatz in der Abbildung 2.4 steht wenn an dieser C0-Position.
Comp kann aber auch leer bleiben, wenn der Satz nicht mit einer Kon-
junktion eingeleitet wird.
Wenn
Co
das Wort heraus ist, gehörts einem anderen.
[Satzgefüge]
C’
CP
Abbildung 2.4: Comp-Phrase
25
Morphologische Kategorien
Die Spezifikatorposition der CP (SpecCP = Vorfeld) ist ein Landeplatz für
Bewegungen. Die Bewegung von Phrasen ins Vorfeld von Aussagesätzen
wird auch Topikalisierung genannt. So können beispielsweise Fragewör-
ter aus der VP dorthin verschoben werden (vgl. 2.5). Um die Verbzweit-
stellung des finiten Verbs zu realisieren, wird es über I nach C bewegt.5
Warumk
SpecCP
verzweifeltei
C
Maria
SpecIP
tk
ti
V
V’
VP
ti
I
I’
IP
C’
CP
Abbildung 2.5: CompSpec als Landeplatz
Hubert Haider: Die deutsche Nominalphrase (Kapitel 2: Die funktio-
nale Struktur der „Nominalphrase“). In: Ludger Hoffmann (Hrsg.):
Deutsche Syntax. Ansichten und Aussichten. Walter de Gruyter:
Berlin, New York 1992, S. 312–326
5Auf die Details der Bewegungen in der generativen Grammatik kann hier nicht einge-
gangen werden.
26
Morpheme, Morphe und Allomorphe
2.4 Morpheme, Morphe und Allomorphe
Der Terminus Morphem wurde „ab etwa 1880 bei Baudouin de Courtenay“
in Anlehnung an Phonem zuerst geprägt und definiert (Luschützky, 2000,
S. 451). Mit dem Übergang zur strukturalen Linguistik wurde Morphem
ein zentraler Fachbegriff, der heute schulenübergreifend als kleinste be-
deutungstragende sprachliche Einheit verstanden wird. Was dies aber ge-
nau beinhaltet, wird in der Forschung unterschiedlich verstanden.
Bei einigen Autoren wird vom Morphem das Morph unterschieden, als
Terminus für bedeutungstragende Einheiten der konkreten Analyseebene,
„als kleinstes bedeutungstragendes Bauelement der gesprochenen Spra-
che“ (Luschützky, 2000, S. 453). Das Morphem wird dann in Verbindung
mit dem Morph definiert, als eine „Menge von Minimalzeichen mit dem-
selben Inhalt (aber möglicherweise verschiedenen Ausdrücken), wobei
z. B. distributionelle Kriterien ergänzend herangezogen werden können,
um Synonyme vom Typ Sonnabend/Samstag auszuschließen; im Deutschen
gehören also u. a. -e, -er, -en, -s, -ta zum Morphem {PLURAL}.“ (Luschütz-
ky, 2000, S. 455) Das Morphem {PLURAL} existiert nach dieser Auffassung
konkret in Gestalt der Morphe -e, -er, -en, -s, -ta.
Diese verschiedenen Morphe treten nach diesem Konzept als Morphem-
varianten auf und sind als Allomorphe klassifizierbar. Für Neef (2000, S. 479)
lassen sich für den deutschen Plural neun regelmäßige Allomorphe identi-
fizieren: Ø (Wagen), “Ø (Äpfel), e (Hunde), “e (Höfe), n (Augen), en (Frauen),
er (Felder), “er (Wälder), s (LKWs).
Die andere Hauptinterpretation von Morphemen, die hier auch von mir
zu Grunde gelegt wird, bestimmt Morpheme als „kleinste bedeutungstra-
gende Einheiten, in die ein Wort aufzuspalten ist: z. B. Be-nach-teil-ig-ung“
(Pinker, 2000, S. 439).
Morpheme sind die Grundbausteine der Wörter. Sie sind durch eine ein-
heitlich identifizierbare Form und Funktion und durch eine selbststän-
dige Bedeutung charakterisiert.
Die lautlichen Varianten ohne modifizierte Funktion und Bedeutung (rot,
röt(lich)), in denen sie teilweise auftreten, werden als Allomorphe bezeich-
net.
Im Rahmen der kognitiven Linguistik wird auch noch mit der Katego-
rie Morphemsplitter6gearbeitet. Gemeint sind einmalig auftretende, unika-
6Sie werden auch als Submorpheme oder Morphemfragmente bezeichnet; vgl.Bründl
(2001, S. 95–96).
27
Morphologische Kategorien
le, verkürzte Morphemteile, die hier zu den Allomorphen gerechnet wer-
den.
Nach den Kriterien
• Funktion/Bedeutung,
• Grad der Selbstständigkeit,
• Stellung/Position und
• Reproduzierbarkeit
können verschiedene Morphemarten unterschieden werden (Schippan
(1992)), auf die im Folgenden eingegangen wird.
2.4.1 Freie Morpheme
Freie Morpheme haben eine lexikalisch-begriffliche Bedeutung und kön-
nen deshalb „frei“ auftreten, d. h. allein ein Wort bilden. Beispielsweise
besteht das Wort Tischtuch aus zwei Basismorphemen, die allein auftreten
können: Tisch +Tuch (Das Tuch liegt auf dem Tisch). Sie werden auch Ba-
sismorpheme (= BM) genannt, weil sie die Basis für neue Wortbildungen
(Tisch-ler) und die grammatischen Wortformen (Tisch-es, Tisch-e, Tisch-en)
bilden.
Hinsichtlich ihrer „Freiheit“ sind im Deutschen die Basismorpheme der
Verben und die so genannten unikalen Morpheme Problemfälle. Verben
haben eine Zitierform/Infinitivform, die durch die Endung -(e)n markiert
wird. Wenn sie im Aktiv ihre Präsens- und Präteritumformen bilden, fällt
dieses Infinitivflexiv weg und wird durch eine Flexionsendung ersetzt:
(7) tanz-en > sie tanz-t; sie tanz-en
Das Verbbasismorphem (tanz-) muss, wenn es alleine auftritt, immer ein
Flexiv bekommen7.
Wortbildungen haben zum Teil sprachkonservierenden Charakter, in ih-
nen können auch freie Morpheme eingefroren werden, die alleine, als ei-
genständige Wörter nicht mehr vorkommen und deshalb nicht Ausgangs-
punkt für neue Bildungen sind. Diese eingefrorenen, erstarrten Basismor-
pheme werden als unikale Morpheme bezeichnet. Beispielsweise in Kom-
posita mit Beere treten solche unikalen Morpheme auf: Himbeere, Brombeere,
Heidelbeere. Manche Autor/innen (Bhatt, 1991, S. 13) rechnen die unikalen
Morpheme zu den „gebundenen Wurzeln“.
7Bei der Singular-Imperativform (Tanz!) wird ein Nullmorphem angenommen.
28
Morpheme, Morphe und Allomorphe
1.) Ermitteln Sie mit einem etymologischen Wörterbuch die Her-
kunft der unikalen Morpheme in Himbeere, Brombeere, Heidelbee-
re.
2.4.2 Gebundene Morpheme
Charakterisierung
Gebundene Morpheme können nicht allein ein Wort repräsentieren, sie
treten zu einem schon vorhandenen Wort hinzu und modifizieren dieses
grammatisch und/oder semantisch. Sie werden auch Affixe benannt. Hin-
sichtlich ihrer Position, die sie nach dem Hinzutreten einnehmen, werden
fürs Deutsche Präfixe, Suffixe und Konfixe unterschieden: Präfixe (= Präf)
treten davor (befahren), Suffixe (= Suff) dahinter (Fahrer) und Zirkumfixe
(= Zirkum) umschließen das Wort (Gerenne). Sie werden auch als Wortbil-
dungsmorpheme bezeichnet. Des weiteren gehören die Flexive (= Fl) zur
Kategorie der gebundenen Morpheme.
Innerhalb der gebundenen Morpheme gibt es Diskussionen in Bezug auf
die Nullmorpheme8und den Status der Fugenelemente.
Nullmorpheme (= Ø) werden in der Morphologie dann angenommen,
wenn morphologische Inhalte keinen expliziten Ausdruck am sprachli-
chen Zeichen haben. „Durch das Null-Morphem wird eine klar erkennba-
re Bedeutungseinheit durch nichts Lautliches ausgedrückt“ (Bhatt, 1991,
S. 18). Beispielsweise können im Deutschen Nomen im Plural mit Flexi-
ven mit Formativ und ohne (bei Maskulina und Neutra auf -el, -er, -en)
vorkommen:
(8) a. das Herz – die Herzen, die Frage – die Fragen, . . .
b. (der/die) Hebel, (das/die) Messer, (das/die) Märchen, . . .
Wenn man ein Nullmorphem annimmt, kann für das Deutsche folgende
einheitliche Regel zur Pluralbildung (9) aufgestellt werden:
(9) Wortstamm + Flexiv [plural]
(die) Herz + -en
8Über die Abgrenzung von leeren Kategorien und Nullmorphemen bzw. -morphen
können Sie sich bei Bergenholtz und Mugdan (2000) informieren.
29
Morphologische Kategorien
(die) Bänk + e9
(die) Messer + Ø
Auch innerhalb der Wortbildungsmorphologie wird mit Nullmorphemen
gearbeitet. Die Nullableitung wird angenommen, wenn ein Wort ohne äu-
ßere Veränderungen in eine andere Wortart überführt wird. Dabei kann
auch eine Flexionsendung beibehalten werden:
(10) a. Sie essen. Das Essen [NV+Ø] dauert lange.
b. Der dicke Politiker, der Dicke[NAdj+Ø], wie er genannt wurde,
...
Fugenelemente10 werden manchmal auch als „leere Zeichen“ (Bergen-
holtz und Mugdan, 2000, S. 447) angesehen, als leer in Bezug auf die In-
haltsseite von Zeichen.
Fugenelemente treten innerhalb von Komposita an Kompositionsfugen
auf (Beispiele in (11) von Fuhrhop (1995)).
(11) a. Amtsgericht – Versicherungsvertreter
b. Eiweiß – Eierschale, Männerbekanntschaft – Mannsbild
Die Beispiele in (11a.) haben beide ein -s an der Nahtstelle zwischen den
unmittelbaren Konstituenten der Komposita, bei Amtsgericht ist das Fu-
genelement „paradigmisch“ und bei Versicherungsvertreter ist es „unpara-
digmisch“ (Fuhrhop (1996)). D. h. bei Amtsgericht geht das Fugenelement
auf ein Flexiv zurück (das Gericht des Amts →Amtsgericht) und bei Ver-
sicherungsvertreter nicht11. Aus kognitiver Sicht wird auch eine Komposi-
tionsstammform für jedes Wort (Wurzel, 1970, S. 96) angenommen (z. B.
Hilfs(-bereitschaft, -dienst), die im mentalen Lexikon gespeichert sei. Pro-
blematisch für diese Annahme ist, dass es öfters Varianten zu Kompositi-
onserstgliedern gibt (wie in (11b)). In den Beispielen treten unterschiedli-
che Fugenelemente bei gleichem Erstglied auf.
Die Charakterisierung der Fugenelemente als inhaltlich leer ist hinterfrag-
bar, da sie doch spezifische Funktionen haben können:12
9Innerhalb einer solchen linearen morphologischen Darstellung bereiten die modifika-
torischen Flexive (vgl. S. 34) wie der Umlaut Schwierigkeiten.
10 Bei Fleischer und Barz (1995) Interfixe genannt.
11 In der diachronen Sprachwissenschaft wurde zwischen echten und unechten Fugen-
elementen bzw. eigentlichen – ohne Fugenelement – und uneigentlichen Komposita
unterschieden.
12 Vgl. Fleischer und Barz (1995, Kap. 2.2.15).
30
Morpheme, Morphe und Allomorphe
a. Sie helfen beim Verstehen der Konstituentenhierarchie:
Universität-s-verwaltung-s-angestellter
b. Sie markieren den Plural des Erstgliedes:
Frau-en-arzt, Frau-en-versteher, Frau-en-haus.
c. Sie zeigen den Genitiv des Erstgliedes an:
Staat-s-kasse, Wirt-s-haus.
d. Sie markieren Bedeutungs- und Kategoriendifferenzierungen:
Land-es-verteidigung = ‘Staat’ vs. Länd-er-spiel = ‘Staaten’;
Gut-s-verwalter = Nomen ‘landwirtschaftlicher Betrieb’ vs.
Gut-mensch = Adjektiv gut13
e. Sie zeigen eine stilistische Differenzierung an:
Mond-schein vs. Mond-en-schein
Eine allgemeine Funktion für die Fugenelemente kann aber nicht ange-
nommen werden.
Nanna Fuhrhop: Fugenelemente. In: Ewald Lang/Gisela Zifonun
(Hrsg.): Deutsch – typologisch. Walter de Gruyter: Berlin, New
York 1996, S. 525–550
Wortbildungsmorpheme
Wortbildungsmorpheme (= WBM) treten nicht frei auf, sind aber aus
freien Wörtern entstanden. Sie bilden neue Wörter, indem sie an vor-
handene Wörter angefügt werden und deren Bedeutung verändern, um
ein anderes Denotat benennen zu können.
Es werden folgende Wortbildungsmorpheme unterschieden:
a. Suffixe:
Sie treten als Endung an den Wortbildungsstamm (vgl. Kapitel 2.5.
„Stämme und Wurzeln“) und führen meist einen Kategorien (Wortar-
ten)-wechsel herbei.
(12) Kind + -chen →Kindchen [Ableitung mit Suffix:
kein Wortartenwechsel]
13 Das bei Fleischer und Barz (1995, Kap. 2.2.15) aufgeführte Beispiel Güteklasse ist im
Zusammenhang mit der differenzierenden Funktion von Fugenelementen verwirrend,
weil das -e in Güte kein Fugenelement ist. Es ist hier ein Wortbildungsmorphem.
31
Morphologische Kategorien
Kind + -lich →kindlich [Ableitung mit Suffix:
Wortartenwechsel]
Da sie nicht nur die Wortart sondern auch die relevanten grammati-
schen Merkmale des Gesamtwortes festlegen, bildet das letzte Suffix
den Kopf der Wortbildungskonstruktion.
(13) [Adjektivwaschbar] + [Nomenaffix -keit] →
[Nomen Waschbarkeit]
Sie können nicht an jeden Wortbildungsstamm treten, sind nicht mit
jedem Komplement verbindbar (frei selegierbar).
-keit kann nur an adjektivische Wortbildungsstämme treten. -keit: hat
das Merkmal [Nomen Adjektiv__]. Da, wo in der Klammer ein „Platz-
halter“ (__) steht, kann ein passendes Adjektiv eingefügt werden.
b. Präfixe:
Sie gehen als „Vorsilbe“ an den Wortbildungsstamm und verändern
nicht den kategoriellen Wortstatus.
(14) Un- + [NomenDank] →[NomenUndank],
un- + [Adjektivwahr] →[Adjektivunwahr]
Sie können aber grammatische Modifizierungen vornehmen. Beim
Verb, wo Präfigierung das üblichste Verfahren zur Bildung neuer
Verben ist, können dies u. a. sein (vgl. Erben (2000, S. 80–82)):
• Aktionsartmodifizierung:
frieren →gefrieren [Perfektivierung];
• Transitivierung:
steigen (auf den Berg) →ersteigen (den Berg);
• Reflexivierung:
laufen (durch die Stadt) →sich verlaufen (in der Stadt);
• Valenzreduktion:
(Josef) trinkt (zwei Flaschen Wein) →(Josef) ertrinkt.
Bei den Präfixen sind zwei Unterarten zu trennen: echte Präfixe von
Partikelpräfixen. Echte Präfixe haben keine freien Homonyme mehr
(wie be-, ent-, ver-). Partikelpräfixe (wie über-, wider-, unter-) haben
dagegen freie homonyme Entsprechungen (vgl. auf den Seiten 116–
118), mit denen sie aber inhaltlich nicht übereinstimmen. Umstritten
ist, ob die Partikeln von den Partikelverben Wortbildungsmorpheme
oder Basismorpheme sind, da sie unfest beim Verb sind, sich bei der
32
Morpheme, Morphe und Allomorphe
Flexion im Präsens und Präteritum Aktiv im Gegensatz zu den Par-
tikelpräfixen (vgl. das Beispiel (15a.)) abtrennen und wie Basismor-
pheme betont werden (15b.). Genauer wird auf die Problematik im
Kapitel 4.2.1.5 (Wortbildung der Verben) eingegangen. Sie werden
hier zu den affixartigen Gebilden gerechnet.
(15) a. widerrufen: Er widerruft die Verleumdung. Wider besse-
ren Wissens wurde er verleumdet.
b. anreisen: Sie reiste gar nicht an.
c. Zirkumfixe:
Sie sind eine Kombination von Präfix und Suffix, die als diskontinu-
ierliches Morphem einen Wortbildungsstamm „umklammern“.
(16) [Nomen Ge- -e] + [Verb jammern] →[Nomen Gejammere]
d. Affixoide:14
Sie sind Wortbildungsmorpheme, die noch deutlich von einem frei-
en Morphem motiviert sind (beispielsweise metaphorisch wie in 17).
(17) a. Blitz vs. blitz-:
Der Blitz schlug in das alte Haus ein.
Alles geschah blitzschnell (‘sehr schnell, schnell wie ein
Blitz’).
Sie putzte das Silberbesteck blitzblank (‘sehr blank’).
b. Haupt vs. haupt-:
Sie wollen die Universität an Haupt und Gliedern refor-
mieren.
Instand gesetzt werden müsste die Hauptstraße (‘wichti-
ge, so wichtig wie das Haupt beim Menschen’-Straße).
Die Bedeutung der Affixoide ist verallgemeinert und tritt nur in
der gebundenen Morphemvariante auf. Sie sind in dieser verall-
gemeinernden, modifizierenden Bedeutung reihenbildend, so wie
das bei Wortbildungsmorphemen üblich ist. Eine Reihe von Linguis-
ten hat sich polemisch mit den Affixoiden auseinander gesetzt und
vor allem die schwere Abgrenzbarkeit zu Komposita beklagt (sie-
he Motsch (1996)). Da die Sprachen „lebende Organe“ sind, wird es
14 Sie werden auch Halbsuffixe bzw. Halbpräfixe oder relative Affixe genannt.
33
Morphologische Kategorien
immer wieder solche Übergangserscheinungen geben. Die Affixoi-
de machen allen Sprechern des Deutschen sichtbar, wie die heuti-
gen Wortbildungsmorpheme entstanden sind und sind auch deshalb
sehr interessante Phänomene.
Flexive15
Flexive sind gebundene Morpheme, die in der deutschen Sprache proto-
typischerweise am rechten Wortrand auftreten und eine grammatische
Funktion und grammatische Bedeutung haben.
Diese Definition trifft nur auf den Kernbereich der deutschen Flexive zu
und wirft eine Reihe von Fragen auf:
Grammatische Funktionen wie das Tempusanzeigen werden im Deut-
schen nicht nur durch segmentierbare Flexive (abtrennbare Morpheme
mit eigenem Lautbild) – wie in (18b.) markiert –, sondern im Präsens
durch das Ausbleiben eines speziellen Präsens-Flexivs (18a.):
(18) a. Ich vertrau-Ø[präsens] -e[1. person, singular] ihm.
b. Ich vertrau-t[präteritum] -e[1. person, singular] ihm.
Man nimmt dann in der Regel fürs Präsens Aktiv ein Nullflexiv an.
Zum anderen gibt es auch noch das Problem, dass grammatische Merk-
male durch Hilfswörter mit einem selbstständigen Lautkörper bezeichnet
bzw. mitbezeichnet werden, beim Nomen durch den Artikel und beim
Verb durch Hilfsverben.
In Anlehnung und Erweiterung zu Wurzel (2000a, S. 10) sollen hier des-
halb unterschiedliche Arten von Flexiven unterschieden werden:
• Additive Flexive:
Sie sind segmentierbar (abtrennbar), da sie einen eigenen Lautkör-
per haben; z. B. in sie lach-te.
• Modifikatorische Flexive:
Sie sind Alternationen, formale Modifikationen des Stammes, z. B. in
die Mütter.
• Inhaltliche Flexive:
Sie sind Flexive ohne eigenen Lautkörper; z. B. in die KissenØ[plural].
• Selbstständige Flexive:
15 Auch als morphologische Marker, Flexionsmorpheme, grammatische Morpheme und
Flexionsaffixe bezeichnet.
34
Morpheme, Morphe und Allomorphe
Sie sind selbstständige Wörter ohne deskriptive, lexikalische Bedeu-
tung (= Hilfswörter), z. B. in das Haus hat gebrannt.
In der Regel wird im Deutschen durch ein Flexiv nicht nur eine gram-
matische Funktion, nicht nur ein grammatisches Merkmal, sondern ein
ganzes Merkmalsbündel angezeigt. In dem Beispielsprichwort (19) wer-
den an dem Nomen Glück durch den Artikel und ein Nullmorphem die
Funktionen Numerus [Singular], Genus [Neutrum] und Kasus [Nomina-
tiv] bezeichnet. Beim Verb hilft markiert das Flexiv -t die Funktionen Per-
son [3.], Numerus [Singular], Tempus [Präsens], Modus [Indikativ] und
Genus [Aktiv].
(19) Dem Kühnen hilft das Glück.
Hinzu kommt noch, dass die Flexive öfters Homonyme haben, beispiels-
weise kann -e als Flexiv oder Wortbildungsmorphem auftreten (20).
(20) liegen →Die Lieg-e
→Lieg-e nicht rum!
Was die grammatische Bedeutung von Flexiven ist, ist auch umstritten
und genau so einzuordnen, wie die Frage, ob es grammatische Bedeu-
tungen gibt (vgl. 1.2.3). Dass die Bedeutung von Sätzen und Texten nicht
einfach die Summe der Wortbedeutungen ist, ist unumstritten. Auch die
Spezifik der grammatischen Konstruktionen und die Flexive tragen zum
semantischen Mehrwert bei. Die beiden Sätze (21) unterscheiden sich nur
hinsichtlich der Wortstellung, haben aber einen deutlichen Bedeutungs-
unterschied:
(21) a. Neonazi-Chef Wiese bedroht Anwalt
(SZ 10.3.2005; S. 1)
b. Anwalt bedroht Neonazi–Chef
In (22) bringen die Kasus Bedeutungsunterschiede ein:
(22) a. Sie erinnert sich nicht gern des früheren Freundes.
b. Er ist leider ein Betrüger.
Speziell über die Bedeutung der Kasus gibt es sehr kontroverse Auffas-
sungen. In jüngerer Zeit hat sich Willems (1997, 1998) mit den Bedeutun-
gen der deutschen Kasus beschäftigt. In (22a.) steht die Nominalphrase
im Genitiv, was durch den Artikel und das Flexiv -es markiert wird. Der
35
Morphologische Kategorien
Genitiv bringt die Information ein, dass es sich um das Objekt des Erin-
nerns handelt. In (22b.) steht die Nominalphrase im prädikativen Nomina-
tiv, wodurch angezeigt wird, dass eine Referenzidentität mit dem Subjekt
besteht.
2.5 Stämme und Wurzeln
Die Termini Stamm und Wurzel wurden bereits im 17. Jahrhundert für ei-
ne Ableitung in einer Wortfamilie (Pfeifer, 1989, S. 1693) in die Linguistik
eingeführt. Diese metaphorischen Lexeme vergleichen das Naturphäno-
men (’Stamm: senkrecht gewachsener Teil eines Baumes von dem Äste
abgehen’) mit verschiedenen Verwandtschaftsbeziehungen in der Spra-
che. Speziell August Schleicher hat mit Bezug auf Darwins Entwicklungs-
theorie in einem offenen Brief an Ernst Häckel (1873) eine Analogie zwi-
schen „sprachlichen Organismen“ und „den lebenden Wesen überhaupt“
(Schleicher, 1977, S. 86) hergestellt und viel zur Propagierung der bio-
logistischen Metaphorik in der Sprachwissenschaft beigetragen. Für ihn
waren die Sprachen „Naturorganismen, die ohne vom Willen des Men-
schen bestimmbar zu sein, entstunden, nach bestimmten Gesetzen wuch-
sen und sich entwickelten und wiederum altern und absterben“ (S. 88).
Den Sprachstamm bestimmt er folgendermaßen: „Was die Naturforscher
als Gattung bezeichnen würden, heißt bei den Glottikern Sprachstamm,
auch Sprachsippe [. . . ] . Die Arten einer Gattung nennen wir Sprachen ei-
nes Stammes [. . . ]. Von Sprachsippen, die uns genau bekannt sind, stellen
wir eben so Stammbäume auf, wie dieß Darwin [. . . ] für die Arten von
Pflanzen und Thieren versucht hat“ (S. 92–93).
Bei Hermann Paul, dem theoretischen Kopf der Junggrammatiker, finden
wir in der Flexionsmorphologie eine weitere Hauptverwendungsweise
von Stamm: „Die vergleichende Grammatik hat zur Zerlegung der Dekli-
nationsformen in zwei Elemente geführt, den Stamm und das Kasusaffix“
(Paul, 1917, S. 3). Der Stamm ist also der Wortteil, an den die Flexionsen-
dung tritt.
Außerdem findet Stamm in der Wortbildung Verwendung wie bei Beha-
gel (1911, S. 246), wo auch von „mehrsilbigen Stämmen“ die Rede ist, an
die beispielsweise „Ableitungssilben“ (gemeint sind Wortbildungsaffixe)
treten können. In der Wortbildung sind die Stämme bei ihm die Wör-
ter, von denen die Wortbildungen jeweils ausgehen. Diese Wörter können
selbst schon Wortbildungen sein (z. B. entsprechen →Entsprechung) (a.a.O.,
S. 247).
36
Stämme und Wurzeln
Bis heute wird Stamm nicht einheitlich verwendet. Es scheint ganz sinn-
voll zu sein, eine Unterscheidung zwischen Wortbildungsstamm und Fle-
xionsstamm vorzunehmen.
Der Wortbildungsstamm ist der Teil eines Wortes an den Wortbildungs-
morpheme angefügt werden.
Da die Wortbildung im Deutschen über mehrere Stufen gehen kann, d. h.
agglutinierende Züge trägt, kann der Wortbildungsstamm, an den ein
Wortbildungsmorphem bzw. ein Wort tritt, aus einem Morphem bestehen
(wie in den Beispielen (23b.) aus einem Wetterbericht); er kann aber auch
komplex sein (wie in den Beispielen in (24b.) aus einer Biographie).
(23) a. Zwischen Hochrhein und Bayrischem Wald halten sich heute
dichte Wolken, und gebietsweise schneit es leicht.
(SZ 28.2.2005; S. 12)
b. hoch →Rhein = Hochrhein
Gebiet(s) ←weise = gebietsweise
(24) a. Nurejew schaffte den zweitrangigen Status des Balletttänzers
ab.
(Otis Stuart: Nurejew. Fischer Taschenbuch Verlag 1996, S. 130)
b. zweit →rangig(en) [rang ←ig] = zweitrangig
Ballett →Tänzer(s) [Tänz ←er] = Balletttänzer
Der Flexionsstamm ist der Teil des Wortes, an den eine Flexionsendung
tritt.
Der Flexionsstamm kann ein Simplex (wie in 25a.) oder ein komplexer
Stamm sein (wie in 25b.).
(25) a. schaff ←te = schaffte
b. Balletttänzer ←s = Balletttänzers
Ein Stamm kann gleichzeitig sowohl die Funktion eines Wortbildungs-
stammes als auch eines Flexionsstammes ausüben, wie im folgenden
Beispiel.
(26) a. Ballett →Tänzer
b. Tänzer ←s
c. Ballett →tänzer ←s
Der Terminus Wurzel wird zum Teil überlappend mit Stamm und zum
anderen auch mit unterschiedlichen Bedeutungen benutzt. Aus diachroni-
scher, sprachhistorischer Sicht bestimmt man die Wurzel als „historische
37
Morphologische Kategorien
Grundform eines Wortes, die in lautlicher und semantischer Hinsicht als
Ausgangsbasis entsprechender [. . . ] Wortfamilien angesehen wird“ (Buß-
mann, 2002, S.758). In synchroner Hinsicht wird damit das Basismorphem
bezeichnet, das den Bedeutungskern eines komplexen Wortes bildet.
2.) Zerlegen Sie die Lexeme der folgenden Textüberschrift in die
morphologischen Grundeinheiten analog zu den nachfolgenden
Beispielen!
In die Falle getreten
Es gibt keinen Anlass, Rolf Hochhut einen Holocaust-Leugner zu nennen.
(SZ 5./6.3.2005; S. 17)
In: [BM In]
die: [selbstst¨andiges Fl die]
Falle: [BM/Wortbildungsstamm Fall] [WBM/Suff e]
getreten: [WBM/Pr¨af ge] [BM/Flexionsstamm tret] (additives Fl en)16
2.6 Morphologische Regeln oder
Wohlgeformtheitsbedingungen
Um korrekte Äußerungen zu produzieren und um Äußerungen richtig
zu verstehen, bedarf es umfangreichen Wissens; um grammatisch kor-
rekte Sätze zu bilden bzw. um sie zu begreifen, benötigen wir Wissen
über die Wörter und Affixe und über die Art ihrer Strukturierung und
Verknüpfung. Das Strukturierungs- und Verknüpfungswissen wird in der
Grammatiktheorie zum einen mit der Annahme von Regeln im Item-and-
Process-Modell (Wort-und-Regel-Theorie) oder zum anderen mit dem Zu-
grundelegen von Constraints (Wohlgeformtheitsbedingungen) in deklara-
tiven Theorien beschrieben.
Die Wort-und-Regel-Theorie geht davon aus, dass die Sprache mit Wör-
tern und Regeln arbeitet (Pinker, 2000, S. 26). Die Morphologieregeln bau-
en danach die komplexen Wörter und die regulären Wortformen auf. Ob
es eigene morphologische Regeln gibt oder ob der Wortbau auch mit den
syntaktischen Regeln, die die Phrasen produzieren, erfolgt, war länger in
der Generativen Grammatik umstritten.
Deklarationsgrammatiken, wie beispielsweise die „Head-Driven Phrase
Structure Grammar“ (vgl. Kapitel 3.4.6), nehmen Wohlgeformtheitsbedin-
gungen (dort auch als Prinzipien oder „Regeln“ bezeichnet) an.
16 Man kann auch ge- als additives Flexiv auffassen.
38
Morphologische Regeln oder Wohlgeformtheitsbedingungen
Die Grammatikalität eines sprachlichen Phänomens wird folg-
lich dadurch bestimmt, dass es allen einschlägigen Wohlge-
formtheitsbedingungen oder Constraints genügt.
(Neef, 1998, S. 10)
Die Prinzipien zur Analyse von Syntagmen werden in der HPSG nicht als
Ersetzungsregeln formuliert, sondern als Wohlgeformtheitsbedingungen
für Merkmalsstrukturen. Beispielsweise werden die Valenzeigenschaften
von Verben nicht über die Annahme von Valenzregeln der Art wie in (27),
denen die Verben unterzogen werden müssen, erklärt.
(27) Einwertige Verben: VP →V (schlafen)
Zweiwertige Verben: VP →NP, V (lieben)
...
Die angelegten Ergänzungen der Verben (= Komplemente) werden dage-
gen nur in den lexikalischen Repräsentationen der Verbkomplexe, in den
Subkategorisierungslisten (SUBCAT), kodiert (28).
(28)
Verb SUBCAT
schlafen < NP >
lieben < NP, NP >
...
Die Kombination der Verben mit ihren Aktanten wird als Verknüpfung
von Subkategorisierungslisten erklärt, die dem generalisierten Subkate-
gorisierungsprinzip und der Obliqueness-Hierarchie17 entsprechen muss
(Müller (2002)).
Vereinfachend formuliert, lautet das Subkategorisierungsprinzip:
(29) Simplifiziertes Subkategorisierungsprinzip
In einem phrasalen Zeichen resultiert der SUBCAT-Wert des Zei-
chens aus der Verkettung der SUBCAT-Werte der Konstituenten. Ein
phrasales Zeichen ist nur dann wohlgeformt, wenn es gesättigt ist,
wenn die SUBCAT-Liste leer ist.
Auch regelbasierte Grammatiken (Item-and-Process-Modell) können Wohl-
geformtheitsbedingungen (hier auch Beschränkungen genannt) integrie-
ren. So gibt es im Rahmen der X-Bar-Theorie Wohlgeformtheitsbedingun-
gen für die Regeln des Phrasenstrukturaufbaus. Beispielsweise wurde ei-
ne Koordinationsbeschränkung formuliert: „keine Phrase darf aus einer
17 Vgl. Seite 78.
39
Morphologische Kategorien
Koordination extrahiert werden“ (Fanselow und Felix, 1993, S. 157), wie
auch folgendes Beispiel belegt:
(30) a. Für die Frauen oder wenigstens für mich sieht das Leben doch
anders aus.
(Hermann Hesse: Die Marmorsäge. In: W. Kirsten, K. Paul
(Hrsg.): Das Rendezvous im Zoo. Aufbau-Verlag: Berlin. Wei-
mar 1984, S. 28)
b. *Oder wenigstens für mich sieht das Leben doch anders aus.
Für die deutsche Wortbildung kann u. a. folgende allgemeine Regel für
Präfigierungen angenommen werden:
(31) Präfigierungsregel
Präfix + Wortx= Worty
Diese Regel kann aber nicht auf alle deutschen Wörter angewendet wer-
den. Hier könnte es hilfreich sein, Beschränkungen zu formulieren. So ist
es nicht möglich, von Wörtern mit Hilfscharakter (Hilfsverben, Artikel-
wörter) Präfigierungen abzuleiten.
(32) Präfigierungsbeschränkung
Präfixe können nur mit Lexemen verbunden werden.
Eine speziellere Präfigierungsregel betrifft die Ableitung mit dem Präfix
un-.
(33) un- Präfigierungsregel
un- + Wortx= Worty
Das Präfix un- kann z. B. mit Adjektiven und Substantiven kombiniert
werden (unsinnig, Unsinn) aber nicht mit Verben. Eine un- Beschränkungs-
regel könnte lauten:
(34) un- Beschränkung
Das Präfix un- kann nicht mit Verben kombiniert werden.
Bezüglich der Präfigierungen gibt es in der germanistischen Wortbildungs-
forschung unterschiedliche Auffassungen, wie man mit von Substantiven
und Adjektiven abgeleiteten Präfixverben (z. B. vergolden, verarmen) umge-
hen soll. Die Hauptfrage, die sich stellt, ist die, ob sie gegen die Righthand
Head Rule, gegen das Prinzip der Rechtsköpfigkeit verstoßen, wie Donalies
40
Morphologische Regeln oder Wohlgeformtheitsbedingungen
(2005, S. 27) behauptet. Sie nimmt bei den von Substantiven und Adjekti-
ven abgeleiteten Präfixverben Linksköpfigkeit an. Sie fasst also in diesen
Fällen die Präfixe als grammatische Köpfe auf.
Das Prinzip der Rechtsköpfigkeit in der Wortbildung geht von einer bi-
nären Wortstruktur aus und sieht in der rechten unmittelbaren Konstitu-
ente den grammatischen Kopf des Wortes, der die morphosyntaktischen
Eigenschaften des Gesamtwortes festlegt. Diese Prinzip kann formalisiert
werden als:
(35) Regel der Rechtsköpfigkeit für deutsche Wortbildungen
X→YX ([Adjektiv[Nomen gift ][Adjektiv grün ]])
Die Lösung von Donalies birgt eine Reihe von Problemen, speziell die un-
einheitliche Behandlung der Präfigierungen ist sehr ungünstig und das
Zulassen von Linksköpfigkeit sowieso.
Eschenlohr (1999) und andere nehmen bei den Problemfällen eine Bildung
von virtuellen Verben als Zwischenstufe an. Das desubstantivische Präfix-
verb vergittern wird unter Beibehaltung der Righthand Head Rule folgen-
dermaßen abgeleitet (S. 106):
(36) [Gitter]N→#[[gitter]NØ]V→[ver[[gitter]NØ]V]V(n)
In diesem Derivationsprozess wird ein nicht existierendes, ein virtuelles
Verb #gittern mit einem Nullmorphem als rechten Kopf abgeleitet, das
dann präfigiert wird. Gegen die Regel der Rechtsköpfigkeit und die Bi-
närität wird nicht verstoßen, allerdings werden nicht existierende Lexeme
abgeleitet.
Römer und Matzke (2005) nehmen für die besprochenenProblemfälle eine
kombinatorische Derivation mit einem Zirkumfix an:
(37) [V[Aff /Pr¨af ver][Ngitter][Aff /Suff Ø]](n)
Auch hier wird die Regel der Rechtsköpfigkeit für deutsche Wortbildun-
gen beibehalten, allerdings gibt es eine diskontinuierliche Konstituente,
die die Wurzel Gitter umschließt, was als Verstoß gegen die Binärität an-
gesehen werden könnte.
Alle drei aufgezeigten Ansichten zu von Substantiven und Adjektiven ab-
geleiteten Präfixverben zeigen, welche Probleme das Aufzeigen von Re-
geln mit sich bringt.
41
3 Wortarten: Ein Problem der
Grammatiktheorie
3.1 Herkunft der Kategorie Wortart
Wörter einer Sprache zu klassifizieren wurde schon in der Antike ver-
sucht. Platon (428 – 348 v. Chr.) unterschied die beiden Klassen Onoma
(Namen von Dingen: Nomen) und Rhema (Aussagen: Verben) nach ih-
rem Beitrag für die Logik des Satzes. Allerdings muss man festhalten, dass
„es bei Platon noch keine genauen grammatischen Begriffe gibt und es sie
nicht geben kann, da sein Beobachtungsgegenstand gar nicht die Sprache
allein ist und ihm ständig Ding, Gedanke, Wort und Sachverhalt, Urteil
und Satz durcheinander gehen“ (Arens, 1969, S. 12).
Auch den Schüler Platons Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) interessierten
die Sprachzeichen nicht in grammatischer Hinsicht, sondern vielmehr als
Ausdruck der Gedanken und als Elemente der Dichtkunst:
„Ein Onoma ist ein Lautgebilde mit einer durch Übereinkunft festgesetz-
ten Bedeutung, ohne Zeitbestimmung, [. . . ] Rhema ist ein Lautgebilde, das
(zu dem Begriffe des Hauptwortes) noch eine Zeitbestimmung hinzufügt,
[. . . ] z. B. Gesundheit ist ein Hauptwort; aber: ist gesund ein Zeitwort:
denn es fügt noch hinzu, daß dieses jetzt stattfindet.“ (Aristoteles zitiert
nach Arens (1969, S. 13)).
Er nahm noch die Klasse der Partikel, der Bindewörter bzw. „Bedeutungs-
losen“ hinzu
Dionysios Trax (ca. 170 – 90 v. Chr.) gilt als „der Verfasser der ersten Gram-
matik im Abendland“ (Arens, 1969, S. 121); bei ihm finden wir das System
der acht Wortarten, das noch heute das Fundament für die Wortartenklas-
sifikationen der deutschen Sprache bildet1: „Das Wort ist der kleinste Teil
des auf Zusammenfügung beruhenden Satzes. Der Satz ist eine Verbin-
dung von Wörtern, welche einen in sich vollendeten Sinn darstellt. Es gibt
acht Redeteile: Nomen, Verbum, Partizip, Artikel, Pronomen, Präposition,
Adverb, Konjunktion“.
1Auf ihn geht auch die Bezeichnung Redeteil für Wortart zurück.
43
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
3.2 Kriterien für Wortarten
Wie schon festgestellt, gilt die Grammatik von Dionysios Trax als erste
Grammatik einer indoeuropäischen Sprache. In Bezug auf die griechische
Sprache beschreibt Trax die angenommenen grammatischen Wortklassen
hinsichtlich der Flexion („Das Nomen2ist ein kasusbildender Satzteil“.),
der grammatischen Kategorien („Das Nomen hat fünf Begleiterscheinun-
gen: Geschlecht, Art, Form, Zahl, Kasus“), der Bedeutung („Das Nomen
ist ein kasusbildender Satzteil, welcher ein Ding, z. B. Stein, oder eine
Handlung, z. B. Erziehung, bezeichnet und allgemein, z. B. Mensch, Pferd,
und besonders, z. B. Sokrates, gebraucht wird.“), der Ableitung (Beim No-
men gibt es „7 Arten der Ableitung: die patronymische, die possessive,
die komparative, die superlative, die deminutive, die denominale, die ver-
bale.“) und der Struktur („Die Nomina treten in 3 Formen auf: einfach
[Simplex], zusammengesetzt [Compositum] und abgeleitet von einem zu-
sammengesetzten [Decompositum]“) (Trax zitiert nach Arens (1969, S. 23-
24)).
Diese Charakteristika verwendet Trax zum Teil auch für die anderen Re-
deteile; dies geschieht aber nicht systematisch oder geordnet.
Vielfach wurde dies in der Vergangenheit kritisiert und kriterienreine
Wortartensysteme wurden gefordert (vgl. Knobloch und Schaeder, 2000,
S. 676). Da die deutsche Sprache sowohl flektierende als auch nicht flektie-
rende Wortklassen beinhaltet, sind Systeme, die nur auf einem Kriterium
basieren, nicht sehr hilfreich. Deshalb finden in der Regel Mischsysteme
Anwendung, die mehrere Kriterien verwenden. Dies geschieht zum Teil
systematisch, aber auch unsystematisch, d. h.: „In solchen Mischsystemen
werden zwei oder mehr Kriterien für alle in Frage kommenden Klassenbil-
dungen insgesamt oder in Auswahl, gleichzeitig oder sukzessiv, gewichtet
oder ungewichtet bzw. in bestimmter oder unbestimmter Rangfolge ver-
wendet“ (Knobloch und Schaeder, 2000, S. 678).
In den neueren deutschen Grammatiken gibt es, auch wenn der Bezug auf
Trax immer sichtbar ist, vielfältige Wortartensysteme und Unterschiede
bei der Art und der Anwendung der angelegten Kriterien.
In der Zusammenschau gesehen, werden folgende Kriterien angewen-
det:
• das semantische,
2Als Beispiel möchte ich in den einführenden Kapiteln zur Wortartenproblematik
hauptsächlich das Nomen (Substantiv) verwenden und greife auf Ausführungen in
Römer (1990) und Römer (1989) zurück.
44
Kriterien für Wortarten
• das morphologische,
• das syntaktische und
• das pragmatische Kriterium.
Das semantische Kriterium ist für die Bestimmung von grammatischen
Wortklassen umstritten und m. E. wenig geeignet, weil es keine eindeu-
tige Zuordnung von formalen und semantischen Charakteristika gibt.
Auch ist unklar was eine semantische Wortartenklassifikation sein soll.
Stepanowa und Helbig (1981, S. 45) unterscheiden in Anlehnung an Erben
(1972) zwei Formen des semantischen Kriteriums:
In der einfachsten Form meint das semantische Kriterium, dass
den Wörtern einer bestimmten Wortart in direkter Entspre-
chung in der Außenwelt bestimmte Sachverhalte zugeordnet
sind. ‚Die Welt der Dinge findet ihren sprachlichen Nieder-
schlag in den ‚Dingwörtern’ [. . . ]’ und differenzierter formu-
liert [. . . ]: Wortarten ergeben sich nicht mehr unmittelbar und
direkt aus der Sachbedeutung der Wörter, sondern aus der ver-
allgemeinerten Bedeutung, wie sie im Prozess des menschli-
chen Denkens entsteht. Demnach wären Substantive (‚Ding-
wörter’) nicht mehr einfach Wörter, die Dinge bezeichnen, son-
dern Wörter, die vom Denken als ‚Dinge’ oder ‚Größen’ gefasst
und abgebildet werden, Adjektive nicht mehr einfach Wörter,
die Eigenschaften bezeichnen, sondern Wörter, die bestimmte
Sachverhalte als Eigenschaften fassen bzw. darstellen usw.
Dass die erste Form des semantischen Kriteriums nicht zutreffend ist, liegt
auf der Hand. Dass Wörter, die auf Grund ihres morphologischen und
syntaktischen Verhaltens als so genannte ‚Dingwörter’ bezeichnet wer-
den, nicht nur Dinge benennen, ist eine Binsenweisheit. So bezeichnen
beispielsweise Substantive mit dem Suffix -ung sowohl
a. Tätigkeiten
Die Anwendung der Normen bleibt jedoch freiwillig!
(www.stmwivt.bayern.de; 29.12.2004)
b. Vorgänge
Achtung, die Kurve!
(www.games.acont.de; 27.12.2004)
c. Zustände
Gute Erziehung besteht darin, dass man verbirgt, wieviel man von
sich selber hält und wie wenig von den anderen.
45
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
(Jean Cocteau)
d. Resultate
Der Durchbruch dieser Entwicklung gelang der Deutschen Kriegs-
marine nicht mehr.
(www.zdf.de; 29.12.2004)
e. Quantitäten
Vorlesungen werden in den meisten Fällen von Übungen begleitet.
(www.learninglab.de; 29.12.2004)
d. Qualitäten
In der zitierten Textpassage, dem Anfang des zweiten Kapitels, be-
tont Spielhagen die tiefe Bedeutung des Romans für den modernen
Menschen.
(www.de.encarta.msn.com (Friedrich Spielhagen); 31.12.2004)
e. Ideelles
Immer sind es ganz besondere Charakteristika, welche mich beein-
drucken und die besondere Stimmung einer Landschaft ausmachen.
(www.poeschel.net/fotos/landschaft; 31.12.2004)
d. Konkretes
Doch die Elitetruppe irrte sich in der Wohnung.
(www.spiegel.de/panorama; 31.12.2004).
Man kann bei diesen Beispielen – mit Ausnahme des letzten – meines Er-
achtens auch nicht davon sprechen, dass im Denken damit Dinge abge-
bildet werden. Die Aussage, dass damit Größen abgebildet werden, ist
sicherlich nicht falsch, aber auch nicht hilfreich, weil sie auch auf andere
Wortklassen als Substantive angewendet werden kann.
In der zweiten Form geistert das semantische Kriterium in den meisten
Grammatiken herum; es ist jedoch in der Regel kein Einteilungskriteri-
um mehr. Ein Anachronismus ist allerdings, dass in der deutschen Recht-
schreibung die rein semantisch geprägte Klasse „Numeralia“ (= Zahlwör-
ter) noch präsent ist, obwohl diese Klasse morphologisch-syntaktisch sehr
heterogen ist (der Erste, der erste Läufer, erstmals, das erste Mal etc.). So sind
eine Reihe von Regeln aus dem Bereich der Groß- und Kleinschreibung
mit Bezug auf diese Wortklasse formuliert – beispielsweise:
Klein schreibt man nach § 58 der neuen Orthografie von 1998 die folgen-
den Zahladjektive mit allen ihren Flexionsformen: viel, wenig; (der, die, das)
eine, (der, die, das) andere (Beispiele: Das haben schon viele erlebt. . . . ), auch
wenn sie formale Merkmale einer Substantivierung haben.
46
Kriterien für Wortarten
Das morphologische Kriterium spielt in der indoeuropäischen Gramma-
tikentwicklung mit Recht eine große Rolle. Es nahm eine zentrale Rolle
für die typologische Klassifikation aller Sprachen ein. Dies wird heute be-
rechtigterweise kritisch gesehen, da für nicht indoeuropäische Sprachen
andere Aspekte wichtiger sein können. Ca. die Hälfte der Weltsprachen
sind beispielsweise so genannte Tonsprachen (z.B. Chinesisch oder Viet-
namesisch), bei denen „Töne“ auf der Wortebene der lexikalischen und
grammatischen Differenzierung dienen3.
Das morphologische Kriterium ist eindeutig fassbar und auf seiner Ba-
sis sind Klassenbildungen möglich. Es ist jedoch nur auf solche Wörter
anwendbar, die im Satz ihre Form variieren und entfällt natürlich bei
Sprachen ohne Flexionsmorphologie.
Es ist deshalb auch nicht ein Kriterium mit universalem Charakter, wobei
sich bei den Wortarten grundsätzlich die Frage stellt, ob es eine Universa-
lität der Wortarten gibt; Meier (1979) verneint dies energisch.
Auch wenn die deutsche Sprache in der Regel als flektierende Sprache
typologisiert wird, gibt es in ihr viele nicht flektierende Lexeme, die mit-
tels dem Merkmal [+/−flektiert] als [−flektierbar] von denen mit [+flek-
tierbar] abgegrenzt werden können. Damit ist nur eine Unterteilung des
deutschen Wortschatzes in zwei Klassen möglich.
Die Klasse mit dem Merkmal [+ flektierbar] kann Wortformen bilden. Die-
se Flektierbaren können mit speziellen morphologischen Merkmalen wei-
ter subklassifiziert werden. Flämig (1966) verwendet beispielsweise die
Kriterien
[+/−konjugierbar], [+/−deklinierbar],
[+/−artikelfähig], [+/−komparierbar]
und bestimmt dann das Substantiv positiv durch die ‚Deklinierbarkeit’
und ‚Artikelfähigkeit’. Negativ wird es morphologisch durch ‚Nichtkon-
jugierbarkeit’ und ‚Nichtkomparierbarkeit’ charakterisiert.
Das syntaktische Kriterium bezieht sich auf das Verhalten der Wörter im
Satz. Aber was ist damit speziell gemeint? Ist es so gemeint, dass Wort-
arten erst im Satz deutlich werden? Hier soll diesbezüglich an die Unter-
scheidung von Nennform und Wortformen erinnert werden. Jedoch gera-
de bei den Unflektierbaren ist diese Frage nicht so einfach zu entscheiden.
Was soll beispielsweise die Grundform von etwa sein?
3Genauer zu den Grenzen der typologischen Klassifikation: Arntz (1998).
47
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
(1) a. Sind Sie etwa auch ein stresssüchtiger Yettie?
(career-newsletter; Juli 2001)
b. Soko: Etwa 30 vermisste Hamburger
(Hamburger Abendblatt; 31.1.2005)
In dem Beispiel (1a.) hat die Partikel etwa eine illokutive Funktion, in (1b.)
nicht. Helbig und Buscha (1991, S. 495) nehmen hier Homonymie an, was
aber nicht zwingend ist. Auf diese Problematik soll in 4.3.2 näher einge-
gangen werden.
Syntaktisch klassifizieren zu wollen, heißt, syntaktische Merkmale an-
zuwenden und bei unterschiedlichen syntaktischen Merkmalen auch
unterschiedliche Wortklassen anzunehmen. Die syntaktische Funktion
und das Distributionsverhalten sind solche Merkmale.
Syntaktisch-funktionell definierte Wortklassen bilden zu wollen, setzt eine
Klärung des vieldeutig verwendeten Terminus funktionell4voraus. Wenn
man Funktionen aus den Relationen der Konstituenten in der Phrasen-
struktur ableitet, müsste eine entsprechende Wortklassenbildung von den
Positionen der Wörter in der Struktur des Satzes ausgehen und danach
fragen, welche Strukturpositionen für einzelne Klassen typisch sind. Man
kann so aus der Konstituentenstruktur drei funktionell definierte Grund-
klassen ableiten:
1. Die Satzrepräsentanten5:
Wörter, die logisch-funktionell allein einen ‚Satz’ vertreten können,
die Prädikationen über Propositionen vornehmen (Satzadverbiale,
Interjektionen, . . . ) (vgl. nachfolgendes Beispiel (2)).
(2) Später vielleicht, später komme ich mit.
(Sigfried Lenz: Deutschstunde. SZ/Bibliothek 2004, Band 28,
S. 474)
→Es ist möglich, dass ich später mitkomme.
2. Die Wortgruppenrepräsentanten:
Wörter, die in der Phrasenstruktur allein eine Wortgruppenkonstitu-
ente vertreten können (Verben, Substantive, Adjektive und Adverbi-
en) (vgl. Beispiel (3)).
4Vgl. Ausführungen auf S. 51 und in 3.4.3.
5Sie sind zu unterscheiden von den Satzäquivalenten.
48
Kriterien für Wortarten
(3) Ich bekenne, ich brauche Geschichten, um die Welt zu verste-
hen.
(Sigfried Lenz: Deutschstunde, a.a.O., Schutzumschlag)
Ich = Subjekts-NP, bekenne = Prädikats-VP, . . . ,
Geschichten = Objekts-NP
3. Die Funktionsträger:
Wörter,die nicht allein Repräsentanten eines Satzes oder einer Wort-
gruppenkonstituente sein können (Partikel, Fügewörter und Hilfs-
wörter) (vgl.4).
(4) Fast einen Tag lang sitze ich nun so, [. . . ]
(Sigfried Lenz: Deutschstunde, a.a.O., S. 17)
Solche Beispiele werden zum Teil als so genannte Mehrfachvorfeld-
besetzung angesehen: Unser Beispielsatz hat im Vorfeld die Konsti-
tuenten „fast“ = Gradpartikel, die immer in attributiver Funktion
(unselbstständig) auftritt und „einen Tag lang“ = eine NP in adver-
bialer Funktion. Obwohl im konkreten Beispielsatz von dieser NP
keines der Wörter allein das Vorfeld besetzen kann, ist nur der unbe-
stimmte Artikel ein Funktionsträger, da er niemals allein eine Kon-
stituente sein kann.
Mit untergeordneten Fragestellungen funktioneller Art, beispielsweise da-
nach, ob ein eindeutiges oder mehrdeutiges Verhältnis zwischen Katego-
rie und Relation, also zwischen Wortklasse und Satzglied besteht, oder ob
das Wort zur Wortgruppenkonstituente gehört oder nicht, können noch
weitere Subklassifikationen erfolgen. Da jedoch keine eindeutige Bezie-
hung zwischen Relation und Kategorie besteht, ist keine weitere funktio-
nelle Unterscheidung möglich. Dies trifft besonders auf die Gruppe der
Wortgruppenrepräsentanten und damit auch auf das Substantiv zu; Sub-
stantivgruppen sind mehrfunktional. Sie sind der Wortgruppentyp, der
die meisten syntaktischen Funktionen übernehmen kann. Sie können als
Konstituenten des Satzes innerhalb aller Phrasen mit Satzgliedstatus oder
als Attribute auftreten; so auch in (5):
(5) Der Bund erwartet in diesem Jahr gut drei Milliarden Euro an
Mauteinnahmen.
(SZ 3.1.2005; S. 23)
In der nachfolgenden Abbildung (3.1 auf der nächsten Seite) sehen wir,
dass Substantive in der Satzhierarchie an ganz verschiedenen Stellen vor-
kommen können.
49
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
Subjekt:
der Bund
Adverbial:
in diesem Jahr
Prädikat:
erwartet
Objekt:
gut
3 Milliarden
Euro an
Mauteinahmen
enger Prädikatsverband
Prädikatsverband
Satz
Abbildung 3.1: Substantive in der Satzhierarchie
Die distributionell definierten Wortklassen sind von funktionell bestimm-
ten dadurch zu unterscheiden, dass sie nicht aus der Phrasenstruktur des
Satzes abgeleitet werden, sondern dass jedes Wort nach seiner linearen
Umgebung charakterisiert wird. Während die funktionelle Bestimmung
hierarchisch ist, ist die distributionelle linear. Voraussetzung für die dis-
tributionelle Beschreibung des Wortschatzes der deutschen Sprache wäre
eine induktive Untersuchung; es müsste jedes Element nach möglichen
Vorgängern und Nachfolgern befragt werden. Dies ist für ein offenes Sys-
tem, wie es die Sprache ist, schwer durchführbar. Vorliegende distributio-
nelle Wortklassensysteme (z. B. Helbig und Buscha (1991)) arbeiten des-
halb mit vorgegebenen Substitutionsrahmen und bilden die Wortklassen
nach der Einsetzbarkeit in diese.
Das Substantiv wird bei Helbig und Buscha (1991, S. 229) distributionell
folgendermaßen beschrieben:
Die Subklasse ‘Substantiv’ kann normalerweise ein Artikel-
wort und ein Adjektiv vor sich und in unbeschränktem Maße
ein weiteres Substantiv (als Attribut im Genitiv oder im Präpo-
sitionalkasus) nach sich haben: der neue Mantel des Vaters.
Diese Beschreibung ist positionell und inhaltlich. Sie setzt die Kenntnis
der Wortklasse voraus und ermöglicht es nicht, Substantive positionell
eindeutig zu bestimmen und zu erkennen.
50
Kriterien für Wortarten
Der pragmatische Aspekt wurde von Schmid (1997) in die germanistische
Wortartendiskussion eingebracht. Jedem Zeichen (Z) ordnet er ein Merk-
malsbündel zu (Schmid, 1997, S. 86):
Z = [+/−SEM, +/−SYN, +/−PRAG, +/−AUT]
Unter [+/−SEM] versteht Schmid die semantische Zeichenfunktion, un-
ter [+/−SYN]die syntaktische und unter [+/−PRAG] die pragmatische;
[+/−AUT](= ‚autonom’) beinhaltet die Eigenschaft, ob das Zeichen al-
lein einen Satz oder eine Satzkonstituente bilden kann. Mit der pragmati-
schen Funktion werden „alle diejenigen Funktionen des sprachlichen Zei-
chens umfasst, die es nicht in Relation zu irgend einem Gegenstand oder
Sachverhalt setzen, sondern in Bezug zu Sprecher und Sprechersituation“
(Schmid, 1997, S. 85).
Substantive werden durch das Fehlen der pragmatischen Komponente
charakterisiert: Substantiv = [+SEM, +SYN, −PRAG, +AUT]
Speziell bei der Charakteristik der Partikeln wird heute in der Regel nach
pragmatischen Eigenschaften gefragt (genauer dazu in 3.4.3 und 4.3.2). In
Zifonun u. a. (1997) werden auch die Pronomina (dort Proterme genannt)
nach pragmatischen Kriterien folgendermaßen subklassifiziert (S. 66):
•Anapher: <themafortführend>
•Indefinitum: <typisierender Person-/Objektbezug>
•Persondeixis: <Zeigen auf Sprecher/Hörer>
•Objektdeixis: <Zeigen auf Objekte/Personen im Raum>
•Possessivum: <Gegenstandsrelationierung>
•Quantifikativum: <Quantifizierung über Gegenstandsbereich>
•Relativum: <Einbindung von Propositionen in Charakteristik>
•W-Objektdeixis: <Umriss gesuchter Größe im Wissen>
Auffällig ist hier, dass die Kriterien sehr unterschiedlicher Art sind und
damit der Charakterisierungsblickwinkel nicht einheitlich ist. Auch Gall-
mann (2000, S. 134) weist in einer Rezension darauf hin, dass die gewählte
Terminologie für die Wortarten teilweise nicht einleuchtet und zeigt das
am traditionellen Personalpronomen auf, das „unter den Termini Prodei-
xis und Anapher auftaucht. Das Problem an der Verwendung dieser Ter-
mini ist, dass sie Formklasse und Funktion zugleich bezeichnen.“ Und
analog zu der Problematik bei semantisch motivierten Wortartenbenen-
nungen, hat man auch hier das Problem, dass „das Personalpronomen der
1. und der 2. Person prototypischer als der Personaldeixis dient und das
51
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
Personalpronomen der 3. Person als Anapher“ bei nicht prototypischen
Verwendungen die Terminologie aber störend bzw. irreführend ist.
Welche Wortarten in den verschiedenen Grammatikmodellen heute ange-
nommen werden und auf Grund welcher Kriterien sie gewonnen werden,
wird im Kapitel 3.4 aufgezeigt werden.
Abschließend zu diesem Kapitel soll festgehalten werden:
Wortarten sind Klassen von Wörtern mit gemeinsamen grammatischen
Eigenschaften. Grammatische Wortklassencharakterisierungen verwen-
den vorrangig morphologische und syntaktische Merkmale. Für die
Subklassifizierung werden auch sinnvollerweise pragmatische und se-
mantische Kriterien herangezogen.
1.) Inwiefern werden in der „Grammatik der deutschen Spra-
che“ von Zifonun u. a. (1997) unterschiedliche Kriterien zur Sub-
klassifizierung der Pronomina angewendet?
2.) Charakterisieren Sie die Wortarten Verb und Adverb mit re-
levanten Kriterien!
Clemens Knobloch/Burkhard Schaeder: Kriterien für die Defini-
tion von Wortarten. In: Morphologie. Ein internationales Hand-
buch zur Flexion und Wortbildung. Walter de Gruyter: Berlin,
New York 2000, S. 674–692
3.3 Wortarten – Kategorien der langue oder
parole?
F. de Saussure hat in seinem „Cours de linguistique générale“ die Wich-
tigkeit der Objektbestimmung für die Linguistik hervorgehoben und dis-
kutiert, ob langage (die menschliche Sprachfähigkeit), langue (das einzel-
sprachliche System) oder parole (die individuelle Sprachverwendung) das
Objekt ist und nur in der langue den Gegenstand gesehen, da nur sie für
die Sprachgemeinschaft von Interesse sei, da sie das Regelhafte beinhal-
tet.
Auch bei der Bestimmung von Wortarten fragt man, ob diese aus der paro-
le, der jeweils individuellen Verwendung im Satz, oder aus der systemhaf-
52
Wortarten – Kategorien der
langue
oder
parole
?
ten, usuellen Charakterisierung, aus dem Lexikonwort mit seiner Gesamt-
heit von grammatischen Eigenschaften, aus der langue abzuleiten sei. Je
nachdem, ob die Wortartenklassifikationen primär vom morphologischen
oder syntaktischen Kriterium ausgehen, ist ihre Meinung bezüglich des
Trägers der Wortart bestimmt. So geht Radford (2004, S. 58) davon aus,
dass die Wortart („grammatical category“) von der Position in der Phra-
senstruktur abhängt: „the same word may have a different categorial sta-
tus in other positions, in other structures.“ Diese Auffassung ist dahinge-
hend problematisch, weil es keine Isomorphie zwischen dem Vorkommen
in der Phrasenstruktur und den anderen grammatischen Worteigenschaf-
ten gibt. U. a. Forsgren (2000, S. 666) hat sich damit auseinander gesetzt
und nochmal darauf verwiesen, „dass eine Wortart in einem Satz mehrere
Funktionen erfüllen kann [. . . ] und umgekehrt [. . . ] auch eine bestimmte
Funktion durch verschiedene Wortarten erfüllt werden“ kann (wie in (6)
die Subjektfunktion):
(6) Das Richtige / Es / Zu Vertrauen ist schön.
Es scheint sinnvoller, wie es beispielsweise auch Gallmann und Sitta (1996)
tun, das syntaktische Wort (Textwort) vom lexikalischen Wort (Lexikon-
wort, auch als Nennform oder Zitierform bezeichnet) zu unterscheiden
(vgl. auch 2.1) und dann zwischen syntaktischen und lexikalischen Wort-
arten zu differenzieren. In einer Sprache wie der deutschen, wo wichtige
Wortklassen ihre Form in der Verwendung verändern können (= flektie-
ren), ist m. E. das Lexikonwort der Träger der Wortart, sind Wortarten Phä-
nomene der langue. Gemeinsam sind dem Lexikonwort und seinen Wort-
formen (seinen Textwörtern) die lexikalische Bedeutung und die morpho-
syntaktischen Charakteristika. Diese Sichtweise birgt keine Probleme bei
den Substantiven, da alle Wortformen dieselben morphosyntaktischen Ei-
genschaften haben, beim Verb treten jedoch schon Fragen auf, speziell
beim Partizip, das ja in der Verwendung, als Textwort, adjektivisch auf-
treten kann:
(7) a. Die abgebrochene Partie wurde analysiert.
b. Die spannende Partie brach sie ab.
c. Da unfair gespielt wurde, war der Abbruch nötig geworden.
In (7) verhalten sich abgebrochen und spannend parallel, genauso analysie-
ren und abbrechen und gespielt und geworden. Wie später noch ausgeführt
wird, sehe ich es als günstig an, je nach ihrem Auftreten die Partizipien
den Wortarten Verb oder Adjektiv zuzuordnen. Man kann das Problem
53
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
auch wie Gallmann und Sitta (1996) lösen und sagen, dass die lexikali-
sche Wortklasse Verb mehrere syntaktische Wortklassen enthält: Verben,
Adjektive und durch Konversion abgeleitete Nomen (Abbruch).
3.) Welche gemeinsamen grammatischen Merkmale haben die
oben genannten Wortpaare aus den Beispielen (7)?
3.4 Wortarten in verschiedenen
Grammatiktheorien
3.4.1 Vorbemerkung
Ein Blick in die Geschichte der Linguistik zeigt, dass die Auffassungen,
was die Gegenstände und angemessenen Methoden für sie seien, starken
Veränderungen unterworfen waren. Um die Spannbreite anzudeuten, sol-
len zwei schulenbildende Vertreter kommentarlos zitiert werden:
(8) a. Es ist eingewendet, dass es noch eine andere wissenschaftliche
betrachtung der sprache gäbe, als die geschichtliche. Ich muss
das in abrede stellen. (Paul, 1886, S. 19)
b. Unsere Definition der Sprache setzt voraus, daß wir von ihr
alles fernhalten, was ihrem Organismus, ihrem System fremd
ist. (de Saussure, 1931, S. 24)
Wenn spätestens nach 1960 der Schwerpunkt der Grammatikbeschreibung
auch in Deutschland auf der synchronen Darstellung liegt, so konkurriert
eine Reihe von Modellen um den Anspruch, die adäquate Beschreibung
und Erklärung zu liefern. Wie die heute wichtigsten Modelle mit dem
Phänomen der Wortarten umgehen, soll in diesem Kapitel vorgestellt wer-
den.
Obwohl heute in der Regel davon ausgegangen wird, dass die „Einteilung
in Wortarten [. . . ] ein ‘essential stage in the construction of an adequate
grammar of a language’“ ist und „Wortartensysteme auf Grund struktu-
reller Eigenheiten der Einzelsprachen nur für die jeweilige Einzelsprache
Gültigkeit haben“ (Kaltz, 2000, S. 693), verwenden nicht alle neueren Mo-
delle die nötige Sorgfalt darauf, die Spezifika der Wortarten der Einzel-
sprachen zu ermitteln. Sie übernehmen einfach die fürs Englische entwi-
ckelten Systeme und Kriterien, ohne darüber zu reflektieren.
54
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
3.4.2 Deskriptive Grammatik
Die traditionelle deutsche Grammatik hatte in der Regel 10 Wortarten an-
genommen, die nicht mittels konsequenter und logisch sauberer Anwen-
dung von Kriterien gebildet worden waren. Mal war das semantische Kri-
terium verantwortlich für die Wortart; so wurden die Numerale auf Basis
des Merkmals ‚Zahl’ gebildet, obwohl es sich morphosyntaktisch um völ-
lig verschiedene Wortklassen handelt, wie schon im Zusammenhang mit
dem semantischen Merkmal auf Seite 46 dargestellt.
Ein andermal wurden morphologische Merkmale herangezogen für die
Klassenbildung; dies war bei Substantiv, Pronomen, Adjektiv und Verb der
Fall. Primär wurde die Frage nach der Veränderbarkeit im Text gestellt,
also vom Lexikonwort ausgegangen. Bei den nicht Flektierbaren erfolgte
dann ein problematischer Perspektivenwechsel, da nun nach dem Verhal-
ten in der Wortverwendung gefragt wurde, nun also das Textwort, das
syntaktische Wort bei der Wortartbestimmung zu Grunde gelegt wurde.
Dies trifft auf die Artikel, Adverbien, Präpositionen, Konjunktionen und Inter-
jektionen zu.
Ein Beispiel für diese Vorgehensweise ist die „Kurze deutsche Gramma-
tik“ vom Verlag Volk und Wissen, die in der DDR im Deutschunterricht
Verwendung fand. Starke und Zech bestimmen dort:
Die Einteilung der Wörter in Wortarten: Die Wörter unserer
Sprache haben bestimmte Merkmale, nach denen sie sich ord-
nen lassen. Diese Merkmale sind entweder Merkmale ihrer Be-
deutung oder Merkmale ihrer äußeren Form.
(Bütow, 1982, S. 44)
Es werden dann zehn Wortarten mit folgenden Merkmalen unterschieden
(Bütow, 1982, S. 46–47):
• Deklinierbare Wörter
–Substantiv mit Artikel: Bezeichnung für Lebewesen, Sachen und
gegenständlich Gedachtes; deklinierbar; Verwendung meist mit
(bestimmtem oder unbestimmtem) Artikel; Schreibung mit gro-
ßem Anfangsbuchstaben
–Pronomen: Stellvertreter oder Begleiter des Substantivs; allge-
meiner Hinweis auf Lebewesen, Sachen oder gegenständlich
Gedachtes; (meist) deklinierbar
–Adjektiv: Bezeichnungen für Eigenschaften und Merkmale; über-
wiegend deklinierbar; meist komparierbar (steigerungsfähig)
55
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
–Numerale: Bezeichnung für eine bestimmte Anzahl oder für
einen Platz in einer Reihe. Ihrer jeweiligen Verwendung ent-
sprechend können Numeralia in Zahladjektive, Zahlsubstanti-
ve und Pronomen aufgeteilt werden
• Konjugierbare Wörter
–Verb: Bezeichnungen für Vorgänge und Zustände; konjugierbar
• Wörter, die weder deklinierbar noch konjugierbar sind
–Adverb: Bezeichnung für Umstände des Ortes, der Zeit, der Art
und
Weise, des Grundes und der Folge, der Bedingung und der Ein-
räumung
–Präposition: Kennzeichnung von Beziehungen des Ortes, der
Richtung, der Zeit, des Grundes usw.; Kasusforderung (Rekti-
on)
–Konjunktion: Kennzeichnung von Zusammenhängen; neben-
ordnende (koordinierende) K. verbinden Wörter, Wortgruppen
oder Sätze; unterordnende (subordinierende) K. leiten Neben-
sätze ein
–Interjektion: Ausdruck von Gefühlen; Satzcharakter
Die Klassen werden hier nicht konsequent und einheitlich gebildet, es
kommt vielmehr zu Perspektivenwechseln.
4.) Welche Inkonsequenzen in Bezug auf die Kriterien zur Wort-
artenbestimmung können Sie bei Bütow feststellen?
Die Duden-Grammatik wurde in ihrer 7. Auflage(2005) völlig neu erarbei-
tet. Dabei wird von Gallmann sehr klar verdeutlicht, dass zwischen syn-
taktischen und lexikalischen Wörtern zu unterscheiden ist. Der Wortarten-
einteilung werden von ihm die lexikalischen Wörter (Lexeme) zu Grunde
gelegt, die „nach den grammatischen Merkmalen, die bei den Flexionsfor-
men eine Rolle spielen“ in fünf „lexikalische Wortarten“ eingeteilt werden
(vgl. Tabelle 3.1 auf der nächsten Seite), die typischen Flexionseigenschaf-
ten wurden hervorgehoben (Dudenredaktion, 2005, S. 132). Nur indirekt
wird aus dem Text deutlich, dass die Artikelwörter wohl zu den Prono-
men gehören.
56
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
WORTARTEN FLEXIONSMERKMALE
Verb Konjugation
nach Person, Numerus, Tempus, Modus
Substantiv Deklination nach Numerus und Kasus
lexikalisch festgelegt: Genus
Adjektiv Komparation
Deklination nach Numerus, Genus, Kasus
Pronomen Deklination
nach Person, Numerus, Genus, Kasus
Unflektierbare nicht flektierbar
Tabelle 3.1: DUDEN: lexikalische Wortarten
Für die nicht Flektierbaren besteht für Nübling (Dudenredaktion (2005))
das wichtigste Klassifikationskriterium „in den Funktionen, die sie aus-
üben (z. B. die Satzverknüpfung bei Junktionen. Daneben sind weitere
syntaktische Kriterien für ihre Untergliederung heranzuziehen, beispiels-
weise in welcher Position sie im Satz stehen, ob sie Satzgliedwert oder
Satzwert haben, ob sie Kasus regieren oder nicht, ob sie Sätze verbinden
oder nicht, ob sie weglassbar sind, ohne dass der entsprechende Satz un-
grammatisch würde“ (Dudenredaktion, 2005, S. 573).
Ohne ähnlich systematisch bzw. übersichtlich vorzugehen wie, bei den
fünf lexikalischen Hauptklassen, werden „die nicht Flektierbaren in vier
größere Gruppen geteilt“ (Dudenredaktion, 2005, S. 574):
Adverbien Partikeln Präpositionen Junktionen
nicht Flektierbare
Abbildung 3.2: DUDEN: nicht Flektierbare Wortarten
5.) Lesen Sie die Seiten 573–640 der Duden-Grammatik (Duden-
redaktion, 2005) zu den nicht flektierbaren Wortarten und versu-
chen Sie eine Tabelle mit den wichtigsten Merkmalen der nicht
Flektierbaren aufzustellen!
6.) Bestimmen Sie die Wortarten aller Wörter im folgenden Text-
ausschnitt entsprechend der Duden-Grammatik!
57
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
Nette Botschaften
Im Maileingang sind wir Reklamebotschaften gewohnt. Auch ungewollt
aufpoppende Webseiten regen uns längst nicht mehr auf. Doch nun kommt
Werbung ganz ohne Surfen auf den Schirm; die Rechner müssen nur am
Internet hängen. Die Botschaften sehen aus wie Meldungen des Windows-
Betriebssystems. Für umgerechnet 700 Euro gab es auf www.directadver-
tiser.com eine Software, die eine Messaging-Funktion ausnutzt, mit der ei-
gentlich nur Systemverwalter die Nutzer vor aktuellen Gefahren warnen
sollen . . . (Frankfurter Rundschau 31.10.2002; S. 11)
3.4.3 Funktionale Grammatiken
Der Terminus Funktion wird in der Linguistik extrem mehrdeutig ver-
wendet. An der Feststellung von Helbig (1968, S. 274) vor fast vier Jahr-
zehnten hat sich kaum etwas verändert:
Gerade in dieser Frage gibt es in der Linguistik wenig Einhel-
ligkeit und beträchtliche Differenz zwischen den verschiede-
nen Richtungen.
Damit wird den elementaren Anforderungen an einen Terminus nicht ent-
sprochen, der idealerweise exakt definiert sein sollte. Auch unter der Be-
zeichnung Funktionale Grammatik verbirgt sich Verschiedenes. Ihre Ent-
wicklung in der Vergangenheit aufzuzeigen, führt hier zu weit6. In Be-
zug auf die Gegenwart kann man unter Funktionalen Grammatiken Theo-
rien verstehen, die auf handlungsorientierten, pragmatischen Ideen ba-
sieren. Besonders im angelsächsischen Raum erfreut sich das funktionale
Beschreibungsmodell zunehmender Aufmerksamkeit. In der germanisti-
schen Linguistik der jüngeren Zeit sind m. E. für die Grammatik die funk-
tional-kommunikative Sprachbeschreibung der DDR und die funktionale
Syntax relevant.
Die funktional-kommunikative Sprachbeschreibung wurde in der DDR
unter der Führung der Pädagogischen Hochschule Potsdam entwickelt7.
Es wurde versucht, die sprachlichen Mittel den kommunikativen Wirkun-
gen (= Funktionen) zuzuordnen. Die theoretischen Grundlagen stammen
vor allem von Wilhelm Schmidt (1973), der seiner Deutschen Grammatik
auch den programmatischen Untertitel „Eine Einführung in die funktiona-
le Sprachlehre“ gegeben hatte. Er definiert dort funktional folgendermaßen:
6Vgl. dazu Hoffmann (2003a).
7Auf eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Schule soll hier verzichtet werden.
Dies wird bei Siehr u. a. (1997) vorgenommen.
58
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
Das charakterisierende Beiwort „funktional“ meint also eine
bestimmte, auf die Wechselbeziehungen zwischen Form und
Funktion der sprachlichen Mittel gerichtete Methode der sprach-
wissenschaftlichen bzw. grammatischen Forschung. (Schmidt,
1973, S. 24)
Es wird also von einem direkten Zusammenhang zwischen Funktion und
Form ausgegangen. Bei den grammatischen Mitteln nahm er eine „logisch-
grammatische“ und eine „kommunikativ-grammatische Funktion“ an. Mit
der „logisch-grammatischen Funktion“ wird die begriffliche Prägung und
mit der „kommunikativ-grammatischen Funktion“ wird die Leistung, der
Zweck in der Kommunikation verstanden. Helbig (1968, S. 285) hat hier
mit Recht kritisiert, dass daraus „notwendig eine Vermengung inner- und
außersprachlicher Elemente im Funktionsbegriff“ resultiert. Dies trifft m. E.
auch auf die Wortartenklassifikation in Schmidts „Grundfragen der deut-
schen Grammatik“ zu. So geht er bei den Wortarten auch von einer be-
grifflichen, kategorialen Grundprägung (= „logisch-grammatischen Funk-
tion“) aus: „Die Wortarten sind die sprachlichen Formhüllen für die wich-
tigsten Denkkategorien.“ „Eine Funktion der Wortart besteht darin, daß
die Bedeutungsinhalte der Stammorpheme eine begrifflich-kategoriale
Ausprägung erhalten“ (Schmidt, 1973, S. 49).
Es werden vier Grundprägungen unterschieden: Gegenstände, Eigenschaf-
ten, Geschehen und Beziehungen, die in eindeutiger Relation zu den gram-
matischen Eigenschaften stünden. Beispielsweise wird festgestellt: Als
Ausdrucksform „des Gegenständlichen ist die Wortart Substantiv entstan-
den“ (Schmidt, 1973, S. 49). Auf die nicht vorhandene Eindeutigkeit von
Bedeutung und morphosyntaktischen Eigenschaften wurde schon beim
semantischen Klassifikationskriterium (vgl. Seite 45) eingegangen.
Bezüglich der Wortarten stellt W. Schmidt der funktional-kommunikativen
Grammatikbeschreibung folgende Aufgabe:
Neben den Wortarten, die immer unverändert bleiben, gibt es
andere, deren Gestalt differenziert und bei ihrer Verwendung
in der zusammenhängenden Rede unterschiedlichen regelmä-
ßigen Veränderungen unterworfen ist. Es ist eine interessan-
te Aufgabe der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Sprache,
die Wechselbeziehungen zwischen den Funktionen und der
morphologischen Struktur der Wortarten zu untersuchen. Of-
fensichtlich sind Formenreichtum oder Formenarmut der ein-
zelnen Wortarten nicht zufällig, sondern hängen mit der Funk-
tionsbreite zusammen. (Schmidt, 1973, S. 49)
59
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
Bei dieser Aufgabenformulierung und auch generell bemerkt man, dass
es bei Schmidt eine Verbindung zur neohumboldtianischen, inhaltsbezo-
genen Sprachwissenschaft gibt. Auch dort wurde die unzutreffende Hö-
herschätzung der Flexion vertreten. Jedoch haben auch beispielsweise die
Partikeln als nicht flektierende Wortklasse im Deutschen ein breites funk-
tionales Spektrum.
Letztlich treten bei Schmidt die traditionellen Wortarten auf. Folgendes
„System der deutschen Wortarten“ nimmt er an (Schmidt, 1973, S. 76):
1. Substantiv
2. Adjektiv
3. Verb
4. „Stellvertreter und Begleiter des Substantivs“
„Funktionsklassen“ a) Artikel
b) Pronomen
5. „Kennzeichnungswort“ a) Adverb
b) Partikel
6. „Fügewort“ a) Präposition
b) Konjunktion
7. Interjektion
Die funktionale Syntax hat u. a. ihren Niederschlag in der „Grammatik
der deutschen Sprache“ des Instituts für deutsche Sprache (Zifonun u. a.
(1997)) gefunden. Einer ihrer Herausgeber hat sich zu der Konzeption ge-
äußert und u. a. ausgeführt:
Die „Grammatik der deutschen Sprache“ von Zifonun, Hoff-
mann und Strecker (1997) basiert auf einem funktionalen und
semantischen Konzept. Sie sieht im Zugang über die kommu-
nikative Funktion oder die semantisch bestimmte Kombina-
torik (im Sinne der Kategorialen Grammatik) keine sich aus-
schließenden, sondern komplementäre Alternativen: Einer-
seits sei auszugehen von den elementaren Funktionen, für die
sprachliche Mittel ausgebildet sind (etwa der Funktion, Sach-
verhalte oder Gegenstände zu entwerfen, zu thematisieren oder
thematisch fortzuführen); andererseits sei auszugehen von kon-
kreten Formen und Mitteln [. . . ]. Ansatz ist hier jeweils ei-
ne spezifische Formausprägung oder ein spezifisches Mittel,
das in seiner Formstruktur zu analysieren und soweit möglich
in einen funktionalen Erklärungszusammenhang einzuordnen
ist.
(Hoffmann, 2003b, S. 10)
60
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
Bei der Wortartenklassifikation zeigt sich dies in der Charakterisierung
der Wortarten nach ihren prototypischen Funktionen, beispielsweise bei
den Verben: „Die prototypische Funktion von VERBEN ist die Bildung
des Prädikatsausdrucks“ (Zifonun u. a., 1997, S. 49).
Die Wörter werden in zwei Gruppen geteilt: in „Wörter mit Wortarten-
merkmalen“ und „interaktive Einheiten“. Die interaktiven Einheiten ha-
ben im Gegensatz zu den Wortarten-Wörtern nicht das Merkmal <Teil ei-
ner kommunikativen Einheit>:
Im Unterschied zu den Wortarten sind INTERAKTIVE EIN-
HEITEN dadurch gekennzeichnet, daß ihre Elemente als selb-
ständige Einheiten der Interaktion fungieren und nicht zum
Aufbau von Sätzen oder kommunikativen Minimaleinheiten
beitragen.
(Zifonun u. a., 1997, S. 62)
Zwei Unterklassen werden angenommen: Interjektionen und Responsive
(z. B. jawohl). Die Klassen werden mittels grammatischen und funktiona-
len Kriterien voneinander getrennt, die in der nachfolgenden Übersicht
angegeben werden sollen (vgl. Zifonun u. a. (1997, S. 66):
Interaktive Einheiten:
•die Interjektionen: <+distinktive Töne>, <−propositionsbezogen>
•die Responsive: <−distinktive Töne>, <+propositionsbezogen>
Das Merkmal <+/−distinktive Töne> meint, dass bei den Interjektionen
Tonmuster vorkommen, die distinktiv sein können. Die Interjektion hm
z. B. mit fallend-steigendem Tonmuster ausgesprochen, drückt Verstehen
bzw. Akzeptanz aus, mit steigendem Tonmuster dagegen wird eine Diver-
genz angezeigt (genauer a.a.O., S. 368–369).
Bei den Wortarten werden folgende Merkmale angenommen:
•Substantive: <+deklinierbar>, <−komparierbar>, <pot. selbstständig>,
<+attributfähig>, <+inhärentes Genus>, <+/−Term>8
•Determinative: <+deklinierbar>, <−komparierbar>, <−selbstständig>,
<−attributfähig>
•Proterme („Pronomina“): <+deklinierbar>, <−komparierbar>,
<pot. selbstständig>, <+attributfähig>, <−inhärentes Genus>,
<+Term>
•Präpositionen: <−flektierbar>, <+kasusregierend>
8Term wird im Glossar erläutert.
61
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
•Adjektive: <+deklinierbar>, <+komparierbar>, <attribuierbar>
•Adkopula: <−flektierbar>, <−kasusregierend>, <+nur mit Kopulaverb>
•Adverb: <−flektierbar>, <−kasusregierend>, <−nur mit Kopulaverb>,
<−konnektiv/anschließend>, <+syntaktisch integriert>,
<+Phrasenkopf>, <+Antwort auf W-Frage>
•Partikeln: <−flektierbar>, <−kasusregierend>, <−nur mit Kopulaverb>,
<−Phrasenkopf>, <−Antwort auf W-Frage>
•Verben: <+konjugierbar>
•Junktoren: <−flektierbar>, <−kasusregierend>, <−nur mit Kopulaverb>,
<−konnektiv/anschließend>, <+/−syntaktisch integriert>
Speziell bei den Unterklassen, die hier nicht alle aufgeführt werden sollen,
kommen funktionale Kriterien sinnvoll zur Anwendung. Beispielhaft sei
nur die Partikelnklassifikation vorgestellt:
Partikeln:
•Abtönungspartikel: <erwartungs-/wissensbezogen>
•Gradpartikel: <Gesagtes gradierend>
•Intensitätspartikel: <Eigenschaften spezifizierend>
•Konnektivpartikel: <relationierende Integration von Satz/KM9>
•Modalpartikel: <Sachverhaltsgeltung spezifizierend>
•Negationspartikel: <Sachverhaltsgeltung negierend>
3.4.4 Generative Grammatik
Die Generative Grammatik hat ausgehend von ihrem theoretischen Kopf,
Noam Chomsky, verschiedene Entwicklungen durchlaufen, die mit „Syn-
tactic Structures“(1957) begannen; diese sollen hier nicht nachgezeichnet
werden. Eingehen möchte ich nur auf die Wortartenbehandlung in den
letzten beiden theoretischen Modellen, auf das Prinzipien- und Parame-
termodell und auf das Minimalistische Programm. Allen Phasen dieses
Grammatikmodells ist gemeinsam, dass ihnen ein mentalistischer Ansatz
zu Grunde gelegt wird, der versucht „jene abstrakten strukturellen Ge-
meinsamkeiten aller natürlichen Sprachen zu ermitteln, an denen sich die
genetischen Grundlagen einer angeborenen Sprachfähigkeit erkennen las-
sen“ (Grewendorf, 2002, S. 7).
9KM = kommunikative Minimaleinheit.
62
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
Das Prinzipien- und Parametermodell von Chomsky (1993) geht von der
These aus, dass bei allen Menschen im genetischen Erbmaterial sehr ab-
strakte Prinzipien und Parameter (= Universalgrammatik) angelegt sind,
die die Möglichkeiten aller natürlichen Einzelsprachen begrenzen. Ein
Universalgrammatikprinzip könnte nach Linke, Nussbaumer und Port-
mann (1994, S. 95) lauten:
„Eine Sprache hat (mindestens zwei) Wortarten.“ Ein entspre-
chender Parameter dazu wäre: „Es sind möglich die Wortart
1 mit den Kennzeichen [. . . ], die Wortart 2 mit den Kennzei-
chen [. . . ], die Wortart 3 mit den Kennzeichen [. . . ], [. . . ].“ Ein
spracherwerbendes Kind hätte so lediglich herauszufinden, wel-
che Wortarten in ‚seiner’ Sprache vorkommen, und dazu müss-
te positive Evidenz (d. h. Input von realen Äusserungen) aus-
reichen.
Der Wortartenstatus von Wörtern ist sehr wichtig für das Auftreten in
den Phrasen und Sätzen. In ‚Remarks on Nominalisation’ charakterisiert
Chomsky die lexikalischen Hauptkategorien – bei ihm, vom Englischen
ausgehend, Substantiv, Adjektiv, Verb, Präposition – mit den Merkma-
len [+/−N], [+/−V], die verstanden werden als die universelle Eigen-
schaft, Verb oder Substantiv zu sein. Dabei werden die Kategorisierungen
als Merkmalsbündel verstanden, die Klassen definieren (von Stechow und
Sternefeld, 1988, S.144). Nachfolgend sehen wir die vier sich ergebenden
Merkmals(bündel)kombinationen:
Kategorien Merkmale
Verb [+ V] [– N]
Substantiv [– V] [+ N]
Adjektiv [+ V] [+ N]
Präposition [– V] [– N]
Unklar bleibt bei dieser Klassifikation, was nun [+/−N] und [+/−V]
konkret sein sollen. Sie sind wohl für die Einzelsprachen als spezifisch
anzunehmen. Problematisch scheint allerdings die Benennung der Merk-
male mit Nomen und Verb zu sein. Für das Englische legen von Stechow
und Sternefeld (1988, S. 145–146) folgende syntaktische Interpretation na-
he:
+ N = nicht kasuszuweisend,
−N = kasuszuweisend,
+ V = mit pränominalen Modifikatoren,
−V = ermöglichen ‚cleft-sentence’.
63
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
Diese Interpretationen treffen nicht alle auf das Deutsche zu bzw. sind im
Deutschen nicht gebräuchlich. So gibt es zwar im Englischen kein direktes
nachgestelltes Objekt beim Substantiv und Adjektiv, jedoch sind sehr wohl
pränominale Modifikatoren beim Nomen im Deutschen möglich (z. B. die
seiner Unehrlichkeit überdrüssige Frau). ‚Cleft-sentence’ sind in der engli-
schen Grammatik Sätze, bei denen zur Hervorhebung eines Satzgliedes
(nicht beim Prädikat) ein Hauptsatz aufgespalten wird (z. B. Dr. Brown
operated on my brother last night. →It was Dr.Brown that/who operated on my
brother last night).
Im Rahmen des Prinzipien- und Parameter-Modells hat besonders I. Zim-
mermann (1988) das – zumindest für das Deutsche – zu geringe Merk-
malssystem von Chomsky kreativ erweitert bzw. die Merkmalsbündel
fürs Deutsche spezifiziert.
Zimmermann verwendet neben den syntaktischen Wortklassenmerkma-
len [αV] und [βN] noch [γA] (Adjektiv), [δAdv] (Adverb), [ǫSpez] (Spe-
zifikator), [ζQ] (Quantor), [ηK] (Konjunktion).
Die griechischen Buchstaben stehen für die Merkmalsspezifikationen. In
den Repräsentationen werden nur die positiv spezifizierten Merkmale
aufgeführt, „alle anderen für die jeweilige Wortklasse charakteristischen
differentiellen Merkmale gelten unmarkierterweise als negativ spezifiziert“
(Zimmermann, 1988, S. 166).
Sie unterscheidet daneben zwischen lexikalischen (offenen) und funktio-
nalen (grammatischen), relativ geschlossenen Wortklassen.
Zur ersten Gruppe (lexikalischen, offenen) gehören:
Verben [+ V],
Substantive [+ NαA],
Adjektive [+A . . . ] und
Adverbien [+A+Adv].
Zur zweiten Gruppe (grammatischen, relativ geschlossenen) werden zu-
geordnet:
Präpositionen,
adverbielle Konjunktionen [+ Adv],
Artikel [+ Spec, +N, +A],
nicht adverbielle Konjunktionen [+Spec . . . ],
koordinierende Konjunktionen [+K],
Quantorenausdrücke [+Q . . . ].
Den Vorteil ihres Vorschlags sieht Zimmermann in der Möglichkeit syn-
taktische, morphologische und semantische Generalisierungen auszudrü-
64
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
cken. Als Beispiel führt sie u. a. attributiv verwendete Adjektive (z. B. das
rote Auto) und Partizipien (z. B. das verschenkte Buch) an, bei denen auch
durch diese Merkmalscharakterisierung deutlich wird, dass sie wesentli-
che syntaktische, morphologische und semantische Eigenschaften teilen:
attributiv verwendete Adjektive haben die Merkmale [+V+N+A−Adv]
und Partizipien [+V−N+A−Adv].
In Zimmermann (2000, S. 249) wird diese Kategorisierung genauer be-
gründet. Attributiv verwendete Partizipien, die einen verbalen Bezug ha-
ben, bekommen [+A] und [−N], weil sie eine adjektivische Flexion in die-
ser Verwendung haben. Problematisch erscheint mir die [−N]-Kategorisie-
rung, die auch nicht recht begründet wird. Es wird dazu nur geäußert: „Ei-
ne Kategorisierung modifikatorischer Partizipialkonstruktionen als Ad-
jektivphrase [+V+N] liegt nur vor, wenn das Partizip lexikalisch als Ad-
jektiv verzeichnet ist oder wenn Konversion erfolgt ist.“ (S. 249)
Wichtig bzw. offen ist auch bei Zimmermann, wie die einzelnen Merkmale
auf den verschiedenen Grammatikebenen konkret interpretiert werden. In
morphologischer Hinsicht kann für deutsche Substantive angegeben wer-
den, dass sie hinsichtlich Kasus und Numerus flektieren und für Verben,
dass sie die Tempuskategorisierung tragen.
Die Wortartenbehandlung in dem Prinzipien- und Parametermodell
hat den Vorteil, dass sie nicht starr ist, dass gemeinsame Charakteris-
tika von Wortklassen sichtbar werden. Die grammatischen Merkmale
der Wörter werden in Form von ‚sets of grammatical features’ aufge-
führt. Indirekt wird außerdem sichtbar, dass die Wortartencharakteris-
tika nicht universell sind. Wortarten sind einzelsprachlich definiert.
7.) Erläutern Sie an je einem Beispiel genauer, welche syntakti-
schen, morphologischen und semantischen Eigenschaften attri-
butiv benutzte Adjektive und Partizipien haben!
8.) Welche Merkmale haben die Wörter in dem folgenden Teil-
satz? Arbeitslos im Ausland wohnend . . .
Das Minimalistische Programm, dessen zentrale theoretische Schrift „The
Minimalist Program“ (Chomsky, 1995) ist, ist eine Etappe, die „durch ei-
ne noch radikalere Hinwendung zur Erforschung der universellen Eigen-
schaften natürlicher Sprachen charakterisiert“ ist (Suchsland, 1999, S. 26).
65
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
Dabei wird die Annahme verstärkt, dass sich die syntaktischen Unter-
schiede zwischen den Sprachen auf wenige Parameter zurückführen las-
sen. Diese Unterschiede werden besonders bei den funktionalen Katego-
rien gesehen (Mensching, 2003, S. 171). Bierwisch (2004, S. 422) meint da-
zu:
Möglicherweise ist dabei, einer bedeutsamen Vermutung ent-
sprechend, eine begrenzte Gruppe funktionaler Elemente iden-
tifizierbar, in denen die einzelsprachlichen Momente der Kom-
binatorik lokalisiert sind. Sie wären dann der Ort der Parame-
ter für variierende Werte in den Einzelsprachen.
Funktionale Kategorien gab es auch schon in den Vorgängermodellen der
Generativen Grammatik, sie sind im Gegensatz zu den lexikalischen Kate-
gorien eine geschlossenen Klasse und müssen nicht lexikalisch belegt sein;
sie können jedoch durch abhängige Morpheme ausgefüllt werden. Sie ha-
ben im Gegensatz zu den lexikalischen Kategorien keine Referenzträger
und stellen die Referenz von lexikalischen Kategorien her (Brandt u. a.,
1999, S. 171–172). Bereits im Prinzipien- und Parametermodell gibt es die
funktionalen Kategorien Comp(lementizer) und Infl(ection) als Verbpro-
jektionen und Det(erminer) am Nomen (vgl. Kapitel 2.3). Seit Chomsky
(1986) wird nachfolgende universelle Satzstruktur (siehe Abb. 3.3) ange-
nommen:
SpecCP
Comp
SpecIP
VP I
I’
IP
C’
CP
Abbildung 3.3: Universelle Satzstruktur
66
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
Analog dazu hatte Abney (1987) eine universelle Nominalphrasenstruktur
(Termphrasen), wie in Abbildung (3.4), vorgeschlagen:
SpecDP
Det NP
D’
DP
Abbildung 3.4: Universelle NP-Struktur
Comp und Infl sind Erweiterungskategorien des Verbs und Det eine des
Nomens, und sie führen, wie in Kapitel 2.3 ausgeführt, zu spezifischeren
Kategorisierungen.
Jedes Lexem hat Kopfmerkmale (Head-features: HF); weiterhin Spezifika-
tor-Merkmale (Specifier-features: SF; sie bestimmen die Eigenschaften sei-
nes Spezifikators) und Komplement-Merkmale (Complementizer-features:
CF; sie legen Charakteristika seiner Komplemente fest). Die zum Lexem
tretenden Spezifikatoren und Komplemente müssen übereinstimmende
Merkmale haben (wie im Beispiel 9).
(9) Sie [HF: 3. Person, Femininum, Singular]
strickt [. . . ; SF: 3. Person, Singular; CF: DP [Akkusativ]]
Socken [HF: Akkusativ].
Da diese Merkmale aus dem Lexikon mitgebracht werden, muss über-
prüft werden, ob sie in den konkreten Äußerungen benötigt werden, ob
sie interpretierbar sind, wenn dies nicht der Fall ist, werden sie nach einer
Überprüfung beseitigt.
Mit dem Minimalistischen Programm sind zahlreiche funktionale Kate-
gorien hinzugekommen, die Inflectionphrase10 wurde beispielsweise de-
komponiert. Die funktionalen Kategorien Tempus (TP) und Agreement11
(AgrP) traten an ihre Stelle. Dadurch wurde es möglich, die morphosyn-
taktischen Eigenschaften differenzierter zu beschreiben.
10 Die Inflectionphrase ist eine abstrakte Repräsentation der relevanten morphologischen
Merkmale von Subjekt und Prädikat im Strukturbaum. Sie enthält u. a. die Kongruenz-
merkmale und die Tempuseinordnung.
11 Die Agreementphrase beinhaltet die Kongruenzmerkmale, die die morphosyntakti-
sche Übereinstimmung von Subjekt und Prädikat realisieren.
67
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
Nachfolgende Satzstruktur 3.5 wird nun angenommen:
SpecCP
Comp
SpecTP
T(empus)
SpecAgrP
Agr VP
Agr’
AgrP
T’
TP
C’
CP (=Satz)
Abbildung 3.5: Modifizierte Satzstruktur
In der Theorie des Minimalismus begrenzt Chomsky die Bewegungen12
stark und macht die Annahme, dass alle Bewegungen durch die Morpho-
logie motiviert sein müssen. Bei jeder Bewegung müsse mindestens ein
Merkmal überprüft werden. Wenn wir für das Deutsche, wie in der Gene-
rativen Grammatik üblich, die Verbletztstruktur als „Grundstruktur“ an-
sehen wollen, da wir hier das komplexe Prädikat zusammen haben, müs-
sen wir das finite Verb an die zweite Konstituentenstelle bewegen. An dem
ursprünglichen Platz bleibt eine Spur („t“) zurück.
(10) a. weil Josef sich bei Maria entschuldigen müsste →
b. Josef müssteisich bei Maria entschuldigen ti.
Diese Bewegung ist durch die verbalen Merkmale motiviert. Wenn wir mit
dem erweiterten funktionalen Kategorienmodell genauer hinsehen, wird
deutlich, dass mehrere Bewegungen stattfinden13. Da Verbkomplexe im
Deutschen die Kongruenzmerkmale [Person + Numerus] benötigen, um
in Kongruenz zum Subjekt zu stehen, wird das flektierende Verb nach Agr
12 Bewegungen sind „Verschiebungen“ von Konstituenten im Strukturbaum.
13 Auf die Bewegungen des Subjekts wird hier nicht genauer eingegangen.
68
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
bewegt. Danach holt es sich bei T die Tempus-, Modus- und Genusmerk-
male ab. In einem deutschen Hauptsatz finden also mehrere Bewegungen
des finiten Verbs statt: Vo→Agro→To→Co(vgl. nachfolgendes Bei-
spiel 3.6).
Josefk
SpecCP
verleumdetei
Comp
tk
SpecTP
ti
T
SpecAgrP
ti
Agr
Maria
N
DP
ti
V
V’
VP
Agr’
AgrP
T’
TP
C’
CP
Abbildung 3.6: Morphosyntaktisch veranlasste Bewegungen
Auch die DP bzw. NP14 wurde funktionell erweitert. So erwies es sich
als sinnvoll, die Kongruenz zwischen Artikelwort, attributiven, adjektivi-
schen Determinatoren und Nomen über eine AgrNP, wie in Abbildung 3.7
auf der nächsten Seite, zu beschreiben.
Im Rahmen des Minimalistischen Programms hat sich im letzten Jahr-
14 Inwieweit das NP- bzw. DP-Modell besser geeignet ist, kann nicht diskutiert werden.
69
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
der
D
sehr
Adv
AdvP
lustige
A
AP
AgrN
Film
N
NP
AgrN’
AgrNPP
AgrNPP
D’
DP
Abbildung 3.7: Erweiterte DP
zehnt in Anlehnung an Halle und Marantz (1994) die „Distribuierte Mor-
phologie “ herausgebildet, die u. a. dadurch gekennzeichnet ist, dass sie
morphologische Marker dekomponiert und post-syntaktisch in abstrakte
Morpheme einsetzt. Wie generell in der Generativen Grammatik üblich
wird die Morphologie in die Syntax integriert.
Angelika Linke/Markus Nussbaumer/Paul R. Portmann: Stu-
dienbuch Linguistik. Max Niemeyer Verlag: Tübingen 1994, zwei-
te Auflage, Kap. I.3.
Wolfgang Sternefeld: Syntax. Eine morphologisch motivierte gene-
rative Beschreibung des Deutschen. 2 Bände, Stauffenburg Verlag:
Tübingen, erscheint 2006.
3.4.5 Dependenzgrammatik
Valenz- bzw. Dependenzgrammatik sind Bezeichnungen für eine einfluss-
reiche Grammatiktheorie, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in-
nerhalb der strukturalistisch geprägten Linguistik entstanden ist.
70
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
Die Termini Dependenz (Abhängigkeit) und Valenz werden oftmals syn-
onym verwendet, sind es aber im strengen Sinne nicht. Valenz, von Tes-
nière eingeführt, bezeichnet die Bindungsfähigkeit von Lexemen, beson-
ders vom satzgründenden Verb. Der Begriff Dependenz kennzeichnet da-
rüber hinaus auch die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Wörtern in
Sätzen, die über die Valenzbeziehungen hinausgehen. Die Fähigkeit von
einzelnen Wörtern andere als Ergänzung zu fordern, wird schon in frühen
Grammatikdarstellungen beschrieben, aber erst der Strukturalismus hat
sie ins Zentrum einer Grammatiktheorie gestellt. Als Begründer der De-
pendenzgrammatik wird der französische Linguist Lucien Tesnière (1893
– 1954) angesehen. Obwohl er sich mehrere Jahrzehnte mit der Ausar-
beitung seiner Dependenzgrammatik beschäftigt hatte, konnte er das Er-
scheinen seines Hauptwerkes „Eléments de syntaxe structurale“ 1959 nicht
mehr erleben15. Diese Grundzüge einer strukturalen Syntax sind univer-
sell angelegt, auf die Grundstrukturen aller Sprachen ausgerichtet und
reflektieren die praktische Umsetzung bzw. Überprüfung in der Unter-
richtspraxis. Im deutschsprachigen Raum haben vor allem W. Bondzio, H.
Brinkmann, U. Engel, J. Erben, W. Flämig, G. Helbig, H.-J. Heringer und K.
H. Welke dieses Modell auf die deutsche Sprache angewendet, wobei sie
wie Tesnière vor allem den Sprachvermittlungsaspekt im Blick hatten.
Hier möchte ich den Standpunkt Tesnières bezüglich seiner Hauptklassen
kurz skizzieren. Er nimmt eine kritischen Haltung gegenüber den „tradi-
tionellen zehn Wortarten“ ein:
Diese Klassifikation, die auf vagem und unergiebigem Em-
pirismus und nicht auf einer exakten und fruchtbaren Theo-
rie beruht, hält strenger Prüfung nicht stand. Eine brauchba-
re Klassifikation darf nämlich nicht offensichtlich verschiedene
Kriterien zugleich verwenden. Man hat daher wesentliche von
unwesentlichen Merkmalen oder, um in der Sprache der Lo-
giker zu reden, übergeordnete von untergeordneten Merkma-
len zu unterscheiden.[. . . ] Die traditionelle Klassifikation nach
zehn Wortarten beruht aber gleichzeitig auf den drei Kriterien
der Art, der Funktion und der Stellung. [. . . ] Die traditionelle
Wortartenklassifikation muss heute als überholt gelten.
(Tesnière, 1980, S. 62)
Tesnière geht bei seiner eigenen Wortartenklassifikation von der „semanti-
schen Funktion“ aus und unterscheidet zwei Hauptwortarten: volle Wör-
ter und leere Wörter. Volle Wörter haben die semantische Funktion mit
15 Vgl. U. Engel in Tesnière (1980).
71
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
Vorstellungen verbunden zu sein, leere Wörter sind dagegen mit keiner
semantischen Funktion verbunden. „Sie sind bloße grammatische Hilfs-
mittel, deren Aufgabe einzig darin besteht, die Kategorie der vollen Wör-
ter anzugeben, zu präzisieren oder auch zu ändern und die Beziehungen
zwischen vollen Wörtern zu regeln“ (Tesnière, 1980, S. 64).
Nach der Art des „kategorialen Gehalts“ unterscheidet Tesnière vier Arten
von vollen Wörtern (S. 74), denen er die in Klammern angegebenen Sym-
bole (S. 75) zuordnet, die mit den Endungen der entsprechenden Wortarten
im Esperanto übereinstimmen:
Substanz (Nomen) Geschehen
Konkret Substantiv (O) Verb (I)
Abstrakt Adjektiv (A) Adverb (E)
Substantive bezeichnen nach Tesnière die Substanz, Adjektive Attribute
bzw. Merkmale der Substanzen, Verben Geschehen und Adverbien Attri-
bute oder Merkmale von Geschehen (S. 77–78).
Die leeren Wörter werden als grammatische Werkzeuge angesehen und
deshalb nach „der Art der Funktion, die ihnen zukommt“ (S. 78) klassi-
fiziert. „Gemeinsam ist ihnen, daß sie die Struktur des Satzes spezifizie-
ren, indem sie seinen Aufbau modifizieren; diese Aufgabe übernehmen
die einen in quantitativer, die anderen in qualitativer Hinsicht.“ (S. 79)
Junktive (j) ändern den Aufbau des Satzes in quantitativer Hinsicht, sie
verbinden (jungieren). Translative (t) verändern volle Wörter in qualitati-
ver Hinsicht. Beispielsweise liege bei das Haus der Eltern bei dem Attribut
der Eltern ein Wechsel von einem Substantiv in ein Adjektiv (auf Grund
der attributiven Funktion) vor. Dieser sogenannte Wortartenwechsel ist
doch ziemlich problematisch und wird heute in dependenziellen Beschrei-
bungen des Deutschen kaum übernommen. Über die Probleme, die eine
solche semantisch-funktionelle Klassifikation bei im Sinne der Klassifika-
tion nicht prototypischen Wörtern bereitet, wurden schon Ausführungen
gemacht.
Die meisten dependenziellen Beschreibungen des Deutschen übernehmen
diesen semantisch-funktionalen Wortartenklassifikationsansatz auch nicht.
Heringer (1996, S. 36) nimmt wie andere auch eine syntaktische, gramma-
tische Klassifikation vor:
Eine lexikalische Kategorie ist eine Menge von Lexemen, die
sich syntaktisch analog verhalten, im Prinzip kommutieren16.
16 Kommutieren kommt von lat. commutatio und bedeutet austauschbar sein. (Ch. Rö-
mer)
72
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
Nicht-Kommutation muss durch distributionelle Beschränkun-
gen erklärt werden. Im Gegensatz zu den traditionellen Wort-
arten spielen dabei semantische Gesichtspunkte keine Rolle,
[. . . ] Die Definition einer lexikalischen Kategorie muss sich auf
Distribution, d. h. kombinatorische Gegebenheiten beschrän-
ken.
(Heringer, 1996, S. 56)
Er unterscheidet 6 Hauptkategorien:
V = N = A = D = P= Ä =
Verb Nomen Adjektiv Determinierer Präposition Äquation
und 4 Nebenkategorien (S. 36):
ADV = PTL = KON = SUB =
Adverb Partikel Konjunktion Subjunktion
Hinzu kommt dann noch das Satzwort (SZW), das vereinzelt auftritt. Bei
der Beschreibung der einzelnen Wortarten schlägt sich dieser Anspruch,
die Klassen syntaktisch abzugrenzen, allerdings nicht konsequent nie-
der.
9.) Studieren Sie bei Heringer (1996) das Kapitel 2.2 „Lexikali-
sche Kategorien“ und analysieren Sie die Wortarten hinsichtlich
der zu Grunde gelegten Kriterien!
10.) Bestimmen Sie für das nachfolgende Sprichwort die Wortar-
ten nach dem System bei Heringer (1996):
Wer das Laub fürchtet, bleibe aus dem Walde.
Helbig und Buscha (1991) haben in ihrer Grammatik das, was Heringer
bezüglich der Wortarten postuliert hat, konsequent umgesetzt, indem sie
distributionell definierte Wortklassen unterscheiden. Nach der Einsetzbar-
keit in vier Grundmuster (siehe (11)) werden vier Hauptwortarten – Sub-
stantiv, Verb, Adjektiv und Adverb – unterschieden:
(11) a. Der . . . arbeitet fleißig.
b. Der Lehrer . . . fleißig.
c. Er sieht einen . . . Arbeiter.
73
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
d. Der Lehrer arbeitet . . .
Außerdem werden noch Funktionswörter klassifiziert, diese Subklassi-
fizierungen werden mit Hilfe von weiteren syntaktischen, morphologi-
schen und semantischen Merkmalen vorgenommen. Dabei wird der Sys-
tematik logisch folgend von den Distributionseigenschaften ausgegangen.
Beispielsweise sind die Artikelwörter durch folgende Merkmale charakte-
risiert (Helbig und Buscha, 1991, S. 355–356) :
1. Die Artikelwörter stehen immer vor einem Substantiv.
2. Mit einem Artikelwort kann kein anderes Artikelwort koordinativ ver-
bunden werden.
3. Das Artikelwort kann seine Position im Satz niemals allein, sondern im-
mer nur zusammen mit dem zugehörigen Substantiv ändern.
4. Die Artikelwörter kongruieren mit dem zugehörigen Substantiv (und
einem dazwischenstehenden Adjektiv) in Genus, Kasus und Numerus.
5. Das Auftreten der Artikelwörter ist obligatorisch; das gilt auch für den
Nullartikel.
Bezüglich der Hauptklassenbildung über die Rahmen soll kritisch ange-
merkt werden, dass die distributive Beschreibung jeder Klasse durch an-
dere Klassen (Vorgänger und Nachfolger) zu einer Zirkeldefinition führt.
Ausnahmen bilden die Satzrandstellungen am Anfang und Ende des Sat-
zes. Da bestehen kaum eindeutige Zuordnungen im Deutschen. Proble-
matisch ist besonders der vierte Rahmen, weil hier nicht primär eine Wort-
klasse erfasst wird, sondern vielmehr eine syntaktische Funktion, die Funk-
tion Adverbialbestimmung zu sein.
Es muss aber hervorgehoben werden, dass es sich bei Helbig und Buscha
(1991) um eine konsequente grammatische Wortklassenbildung handelt.
Bei der Charakterisierung der einzelnen Klassen wird dies auch bei der
durchgängigen Benutzung von grammatischen Tests sehr deutlich.
3.4.6 HPSG
Die „Head-Driven Phrase Structure Grammar“ (Kopfgesteuerte Phrasen-
strukturgrammatik/HPSG) ist ein formales und beschränkungsbasiertes
Grammatikmodell, das besonders im Rahmen der Computerlinguistik An-
wendung findet (ausführlicher in Levine und Meurers (2006)). Sie wurde
von Carl Pollard und Ivan A. Sag (1987, erste Gesamtdarstellung) für das
Englische entwickelt. Sie kann mit der Konstruktionsgrammatik und der
Kategorialen Grammatik als „Typed Feature Structure Grammar“ bezeich-
74
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
net werden17, weil sie getypte Merkmalsstrukturen ins Zentrum stellt.
Die HPSG beschreibt sprachliche Entitäten als Zeichen mit Merkmalsstruk-
turen, die analog zu de Saussures bilateralem Zeichenmodell mindestens
zwei Attribute haben: PHON (= die Lautseite) und SYNSEM (= die Inhalts-
seite mit syntaktischen und semantischen Charakteristika).
Wörter wie auch Phrasen werden als Zeichen aufgefasst und als hierar-
chisch geklammerte Merkmalsstrukturen an Hand sogenannter Attribut-
Wert-Matritzen („attribute-value-matrices“ = AVMs) dargestellt. Über die
Merkmale werden den linguistischen Objekten Sorten („types“) zugeord-
net. Merkmalsdeklarationen legen fest, wie die einzelnen Sorten definiert
sind. Die allgemeine Zeichenstruktur hat folgendes Aussehen:
PHON phonologische Struktur
SYNSEM
LOC CAT syntaktische Eigenschaften
CONTENT semantische Eigenschaften
NONLOC nicht lokale Eigenschaften
Abbildung 3.8: sign
Lokale Merkmale sind den Zeichen inhärent (Wortart, Subkategorisierungs-
eigenschaften, Kasus, . . . ) und nicht lokale Eigenschaften betreffen z. B.
Fernabhängigkeiten und Bindungen.
Um bestimmte grammatische Phänomene aufzuzeigen, ist es nicht immer
nötig, die vollständige Zeichenstruktur herzustellen. Es werden dann nur
Teilstrukturen angegeben. So zeigt die nachfolgende Teilstruktur auf, dass
Verben das Kopfmerkmal [HEAD verb]haben, das unterspezifiziert ist (erst
in der Verwendung mit den speziellen Merkmalen wie [person] und [nu-
merus] bei finiten Verben angereichert wird) und dekomponiert werden
kann.
V=word
HEAD verb
Abbildung 3.9: Teilzeichen
Dieses Kopfmerkmal [HEAD verb]teilt das Verb mit seinen Projektionen
(= verbhaltige phrasale Zeichen wie Sie liest das Buch. In dem Beispielsatz
ist liest der Kopf des phrasalen Zeichens, der ein Objekt-Komplement und
17 Diese Einordnung wird von Anders Sogaard in seiner Einladung zum „Workshop on
typed feature structure grammars“ (19.-22.6.2006 in Aalborg) vorgenommen.
75
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
ein Subjekt-Komplement zur Absättigung seiner Subcat-Liste genommen
hat. Die spezifischen Person- und Numerusmerkmale bringt das Verb u. a.
in die Gesamtphrase ein).18
In der verbalen Merkmalsstruktur ist auch der Wert Valenz (VAL) ent-
halten, der wiederum eine Merkmalsstruktur vom Typ val-cat ist. Inner-
halb von VAL ist als erstes Merkmal COMP (für complements = angeleg-
te Argumente) enthalten (Sag, Wasow und Bender 2003, S. 62). COMP hat
als mögliche Werte itr = intransitiv, str = strikt-transitiv (verlangt immer
zwei Komplemente) oder dtr = ditransitiv (verlangt drei Komplemente).
Das Verb kommen ist beispielsweise intransitiv, es hat nur ein angelegtes
Subjekt-Argument, deshalb hat es folgende Zeichenteilstruktur (3.10):
kommen =
word
HEAD verb
VAL val-cat
COMPS itr
Abbildung 3.10: kommen
Zu den Merkmalen von Wörtern gehören die Informationen über die Wort-
arten (Part-of-Speech), die unter dem Pfad SYNSEM | LOC | CAT stehen.
Den Kategorisierungen von Wörtern wird in diesem Modell wenig Auf-
merksamkeit zugewendet, obwohl eine genauere Beschäftigung mit ihnen
zumindest für die deutsche Sprache Erkenntnisgewinn bringen könnte,
da ja vielfältige Zusammenhänge zwischen dem kategorialen Status von
Wörtern und ihren grammatischen Eigenschaften bestehen. Speziell die
Behandlung der nicht flektierbaren Wörter ist unbefriedigend.
Zu den Annahmen der HPSG gehört auch, dass die lexikalischen Informa-
tionen auf der Basis von Typhierarchien organisiert sind, „die alle Wörter
entsprechend ihrer morphologischen, syntaktischen und semantischen Ei-
genschaften klassifiziert.“ Die Zugehörigkeit zu einer lexikalischen Klas-
se, einem Typ, ist mit einer identischen Merkmalsmenge verbunden, die
dann nicht jedes Mal angegeben werden muss (Müller, 1999, S. 63). Sag,
Wasow und Bender (2003, S. 118) nehmen die „parts of speech“ wie in Ab-
bildung 3.11 auf der nächsten Seite an.
Sechs Wortklassen (Nomen, Verben, Determinierer, Präpositionen, Adjek-
tive und Konjunktionen) werden (ausgehend vom Englischen) unterschie-
den.
18 Vgl. St. Müll er (1999, Kapitel. 1.3; S. 14).
76
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
adj
verb
[AUX]
noun
[CASE]
det
[COUNT]
agr-pos
[AGR] prep conj
pos
Abbildung 3.11: parts of speech
Das Merkmal [AGR(EEMENT)] für Nomen, Verben und Determinierer re-
flektiert, dass Nomen, Verben und Determinierer (Artikelwörter) morpho-
logisch mit ihren Spezifizierern (das finite Verb mit der Subjektsnominal-
gruppe und Nomen mit Artikeln und attributiven Adjektiven) überein-
stimmen. Die agr-cat sind deshalb hinsichtlich der Merkmale PER (Person),
NUM (Numerus) und GEN (Genus: im Englischen nur bei der 3. Person
Singular) markiert. Die Verben werden mit dem Merkmal [±AUX], die No-
men mit [CASE{nom, acc}] und die Determinierer mit [±COUNT] subklas-
sifiziert (Sag u. a., 2003, S. 119).
Das Merkmal [±AUX] trennt die finiten von den infiniten Verben. Mit dem
Merkmal [CASE{nom, acc}] wird der eingeschränkten Kasusmarkierung in
der englischen Sprache Rechnung getragen. Das Determinierer-Merkmal
[±COUNT] (±konkret) ist im Englischen vor allem in Hinblick auf die
Massennomen, die Spezifika bei der Artikel- bzw. nicht Artikelführung
haben, relevant.
Die Darstellungen zur deutschen Sprache im HPSG-Framework überneh-
men in der Regel diese Wortartenklassifikation, ohne sie zu hinterfragen.
Die Wortartenklassifikation in der HPSG ist offenbar weitgehend an die
der Generativen Grammatik angelehnt; dies macht Netter (1998, S. 122)
deutlich:
For the definitions of the part-of-speech of the major categories
noun, adjective, verb, and preposition/adverb, we follow the
traditional representation in terms of two binary features
[N±]and [V ±].
Netter (1998) nimmt z. B. den Typ nominal an, der definiert ist über ein
complex-valuedMAJOR feature AGR.AGR schließt NUMBER,GENDER and CA-
SE ein und hat die Teilzeichenstruktur ( 3.12 auf der nächsten Seite):
77
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
AGR =
NUM number
GEN gender
CASE case
Abbildung 3.12: AGR
Das Besondere am deutschen Nominalsystem ist nun, dass die nomina-
len Merkmale wiederum als Typen aufgefasst werden und CASE für die
Kombination von zwei booleschen19 Merkmalen (OBL= oblique und GOV
= governed) steht (Netter, 1998, S. 123). Daraus ergibt sich die nachfolgen-
de Merkmalsverteilung:
Nom Acc Dat Gen
GOV – + + –
OBL – – + +
Tabelle 3.2: features CASE
Der Nominativ ist demgemäß ein nicht obliquer und nicht regierter Kasus.
Was dies genauer bedeuten soll, erläutert Netter nicht 20 . Er versteht die
Merkmale OBL und GOV als unterspezifiziert.
M. E. ist das so zu interpretieren: Oblique Objekte (mit [+ OBL]) sind sol-
che, die nicht primär erforderlich sind. Da die Subjekte und Akkusativob-
jekte von Verben verlangt werden, tragen sie das Merkmal [−OBLIQUE].
Wörter mit Valenzpotential haben auch das Subkategorisierungsmerkmal
SUBCAT, dessen Wert eine Liste ist. Die Elemente der SUBCAT-Liste21 sind
angeordnet nach einer „obliqueness hierarchy“ (Argumentstruktur-Hierar-
chie), die Keenan und Comrie (1977) aufgestellt haben (Müller, 2003a, S. 9).
Sag u. a. (2003, S. 219) nehmen als unmarkierte Argumentfolge an:
Subjekt >Direktes Objekt >Zweites Objekt >Andere Komplemente
Das Subjekt ist also am wenigsten oblique.
[−GOV] bedeutet m. E., dass diese Nomen strukturellen Kasus erhalten.
Strukturelle Kasuszuweisung wird über die grammatische Funktion/Posi-
tion geregelt und vom Phrasenkern vergeben. In der Generativen Gram-
matik nimmt man folgende strukturelle Kasusvergabe an:
19 Siehe Glossar.
20 Er verweist nur allgemein, ohne Literaturangabe auf Bierwisch.
21 Sag, Wasow und Bender (2003) verwenden an Stelle von SU BCAT A RG-S T
(= AR GUM ENT-S TR UCT UR E).
78
Wortarten in verschiedenen Grammatiktheorien
Finites Io→Nominativ →Subjektposition (SpecIP);
Vo→Akkusativ →Objektposition (Komplementposition);
No→Genitiv →Attribut.
Lexikalischer/inhärenter Kasus ist idiosynkratisch22, er wird auch vom
Phrasenkern vergeben. Genitiv und Dativ bei Verben und Adjektiven wird
als lexikalisch zugewiesen verstanden. Bei Netter entspricht die lexikali-
sche Kasusvergabe dem Merkmal [+ GOV]. Innerhalb der HPSG müssen
dann für die Zuordnungen der Kasus zu den Nomen Kasusprinzipien
(-beschränkungen) formuliert werden.
St. Müller (1999, S. 278) geht für die deutsche Sprache davon aus, dass
Merkmalsstrukturen vom Typ case die folgende Struktur (vgl. 3.13) ha-
ben:
case
CASE-TYPE case-type
SYN-CASE syn-case
MORPH-CASE morph-case
Abbildung 3.13: Typ CASE
Der CASE-TYPE wird in den Subtypen strukturell und lexikalisch reali-
siert. MORPH-CASE: entspricht dem morphologischen Kasus einer dekli-
nierten Konstituente. Er kann unterspezifiziert sein, wie in dasnom∨acc gele-
sene Buch. Je nachdem ob die Phrase in Subjekt- oder Objektposition auf-
tritt, erfolgt die Vergabe des Nominativs oder Akkusativs. SYN-CASE ist
der jeweils zugewiesene Kasus (Subtypen in 3.14):
nom acc dat gen
case
Abbildung 3.14: Subtypes: CASE
Beispielsweise haben die finiten Formen von helfen und unterstützen die
folgenden Subcat-Listen (Müller, 1999, S. 279):
hilft:<NP [str], NP [dat]>
unterstützt:<NP [str], NP [str ]>
22 Idiosynkratische Merkmale sind nicht durch Regeln vorhersagbar.
79
Wortarten: Ein Problem der Grammatiktheorie
Kasusprinzipien23 legen die Vergabe der strukturellen Kasus fest. So wird
für die deutsche Subjektnominalphrase bestimmt, dass das erste Element
auf der Subcat-Liste mit strukturellem Kasus den Nominativ erhält.
Bei den finiten Verben hilft und unterstützt bekommt also die erste NP auf
der Subcat-Liste mit dem Index str (= strukturell) den Kasus nom (Nomi-
nativ). Das zweite Argument bei hilft bekommt den lexikalischen Kasus
dat (Dativ). Die Vergabe des zweiten strukturellen Kasus bei unterstützen
ist über das Prinzip, dass finite Verben dem zweiten strukturellen Argu-
ment den acc (Akkusativ) zuweisen, geregelt.
Abschließend sei zur Head-Driven Phrase Structure Grammar angemerkt,
dass Sag, Wasow und Bender (2003) eine interessante Trennung zwischen
Lexemen und Parts-of-Speech in die HPSG eingeführt haben. Den Le-
xemen, den prototypischen Wörtern, werden jeweils Wortformenfamili-
en zugeordnet. Damit wird der wichtigen Trennung von Lexikonwörtern
und syntaktischen Wörtern Rechnung getragen.
Robert D. Levine/Walt Detmar Meurers:
Head-Driven Phrase Structure Grammar. Linguistic Approach, For-
mal Foundations, and Computational Realization. In: K. Brown: En-
cyclopedia of Language and Linguistics. Elsevier: Oxford 2006,
Second Edition
23 Auf die formale Formulierung der Prinzipien wird hier verzichtet.
80
4 Grammatisch relevante
Wortarten im Deutschen
4.1 Eine grammatische Wortartenklassifikation fürs
Deutsche
4.1.1 Einführendes
Wie schon ausgeführt, vereinen Wortarten Wörter mit gemeinsamen gram-
matischen (primär morphologischen und syntaktischen) Merkmalen. Die-
jenigen Wörter, die einer gemeinsamen Klasse zugeordnet werden, müs-
sen alle mindestens ein wesentliches Merkmal gemeinsam haben. Außer-
dem muss sie die Menge der gemeinsamen Merkmale von Vertretern an-
derer Klassen unterscheiden. Die Wortarten umfassen also Klassen von
Wörtern mit gemeinsamen Bündeln von Merkmalsspezifikationen (Merk-
malswerten), die Prädikate für grammatische Charakteristika sind. Zwi-
schen den Merkmalen bestehen logische Beziehungen, sie bilden Hierar-
chien und können deshalb vererbt werden. Ein „Untermerkmal“ erbt von
den über ihm stehenden Merkmalen diejenigen Informationen, die es nicht
selbst spezifiziert.
So steht im Deutschen beispielsweise die Person- und Numerus-Informa-
tion über der Tempus-Information bei Verben mit Subjektkongruenz. Die
Präteritumform übernimmt das Merkmal für die Person von der Präsens-
form und markiert zusätzlich das Präteritum (1).
(1) Du lach-st. Du lach-te-st.
+2. Sg. +Prät. +2. Sg.
Wörter besetzen syntaktische Positionen entsprechend ihrem Kopfwert,
der in der Merkmalshierarchie am höchsten steht. So hat die Form lachst
in (1) das Kopfmerkmal [+V] und kann damit die Prädikatsposition beset-
zen und das Subjektsargument selegieren, das für das Lexem lachen spe-
zifiziert ist. Dieses Argument ist u. a. dadurch spezifiziert, dass es das se-
mantische Merkmal [+ belebt] hat.
81
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Die Wortartenkategorisierung erfasst die im Lexikon kodierten gramma-
tischen Eigenschaften. Innerhalb der einzelnen Wortartenkategorien kann
man prototypische Vertreter annehmen, die alle Eigenschaften der Klas-
se besitzen. „Die einer Kategorie zugehörigen Wörter können jedoch in
unterschiedlichem Maße von diesem Prototyp abweichen. Die Frage stellt
sich also, welche Eigenschaften ein Wort mindestens haben muss, damit
es einer bestimmten Wortart zugeordnet werden kann“ (Eschenlohr, 1997,
S. 29).
Der nachfolgenden Charakterisierung der deutschen Wortartenkategori-
sierung wird eine Übersicht vorangestellt, die zu den einzelnen Klassen
die typischen grammatischen Merkmale in hierarchischer Form aufführt.
Die prototypischen Vertreter der einzelnen Kategorien besitzen alle an-
geführten Merkmale. Einzelne Vertreter, die nicht prototypisch sind, ha-
ben nicht alle Merkmale. Im Sinne von kategorieller „Familienähnlichkeit“
können einzelne Merkmale ausfallen. Beispielsweise kann bei Pronomen
in nicht nominaler Verwendung das Merkmal der Deklination wegfallen,
das in der Hierarchie oben steht.
4.1.2 Das Wortartensystem
Es werden auf Grund des morphosyntaktischen Verhaltens nachfolgende
Wortarten angenommen. Die angefügten Merkmale spiegeln die wesent-
lichen grammatischen Klassencharakteristika, die in den folgenden Kapi-
teln vorgestellt werden, wider. Die Wortklassenmerkmale sind vom Allge-
meinen zum Speziellen gehend angeordnet und bauen aufeinander auf.
• Die Flektierbaren: [+ flektierbar]
–Verben:
[+ flektierbar], [+ konjugierbar]
–Substantive:
[+ flektierbar], [– konjugierbar], [+ deklinierbar], [+ artikelfä-
hig]
–Adjektive:
[+ flektierbar], [– konjugierbar], [+ deklinierbar], [– artikelfä-
hig], [+ komparierbar]
–Pronomen:
[+ flektierbar], [– konjugierbar], [+ deklinierbar], [– artikelfä-
hig], [– komparierbar]
• Die Unflektierbaren: [– flektierbar]
82
Eine grammatische Wortartenklassifikation fürs Deutsche
–Adverbien:
[– flektierend], [+ selbstständig], [+ Prädikatsbezug]
–Partikeln:
[– flektierend], [– selbstständig], [+ modifizierend]
*Abtönungspartikeln
[– flektierend], [– selbstständig], [+ Illokution modifizie-
rend]
*Gradpartikeln
[– flektierend], [– selbstständig], [+ modifizierend], [+ ska-
lierend]
*Vergleichspartikeln
[– flektierend], [– selbstständig], [+ modifizierend], [+ ver-
gleichend]
*Negationspartikeln
[– flektierend], [– selbstständig], [+ Wahrheitswert modifi-
zierend]
–Satzwörter:
[– flektierend], [+ selbstständig], [+ Satzbezug]
*Satzadverbien
[– flektierend], [+ selbstständig], [+ Satzbezug], [+ Spre-
chereinstellung]
*Reaktive
[– flektierend], [+ selbstständig], [+ Satzbezug], [+ Hand-
lungsbezug]
*Interjektionen
[– flektierend], [+ selbstständig], [+ Satzbezug], [+ Emoti-
on]
–Die Fügewörter:
[– flektierend], [– selbstständig], [+ verbindend]
*Konjunktoren:
[– flektierend], [– selbstständig], [+ koordinierend verbin-
dend], [– kasusfordernd]
*Subjunktoren:
[– flektierend], [– selbstständig], [+ subordinierend verbin-
dend], [– kasusfordernd]
*Präpositionen: [– flektierend], [– selbstständig], [+ subordi-
nierend verbindend], [+ kasusfordernd]
83
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
4.2 Die flektierbaren Wortklassen
4.2.1 Verben
4.2.1.1 Semantische Verbklassen
In den germanistischen Gebrauchsgrammatiken werden die Verben in
der Regel in Tätigkeits-, Vorgangs- und Zustandsverben eingeteilt. Die-
se semantische Klassifikation geht auf Brinkmann zurück (Thieroff, 1992,
S. 36).
• Tätigkeiten haben einen aktiven Handlungsträger, der zielgerichtet
etwas tut.
Josef arbeitet / spielt Schach / . . .
• Vorgänge haben keinen bewusst agierenden Handlungsträger.
Maria errötet / stürzt von der Leiter / . . .
• Zustände sind etwas Bestehendes, Statisches. Beim Subjekt vollzieht
sich keine offensichtliche Veränderung.
Das Buch liegt auf dem Tisch / steht im Regal / . . .
Vendler (1967) hat mit seiner Unterscheidung von den vier semantischen
Prädikatsklassen „state“, „activity“, „accomplishment“ und „achievement“
die Grundlage für alle neueren semantischen Vollverbklassifikationen ge-
legt. Für „state“ hat sich im Deutschen „Zustand“ etabliert und für „acti-
vity“ „Prozess“. Für „accomplishment- und achievement“-Prädikate gibt
es keine allgemein akzeptierten deutschen Termini. Eine kurze Charakte-
ristik in Anlehnung an Egg (2004, S. 107–108) soll dennoch versucht wer-
den:
• Zustandsverben stellen Sachverhalte als statisch, veränderungslos, ho-
mogen dar. (Z. B. Liegen im Liegestuhl.)
Sie sind verknüpfbar mit Zeitdaueradverbien, aber nicht mit der „rheini-
schen Verlaufsform“1
Eine Stunde lang im Liegestuhl liegen.
*Am Liegen im Liegestuhl sein.
• Prozessverben benennen homogene dynamische Sachverhalte. (Z. B. Nach-
denken über die Vergangenheit.)
Sie sind verknüpfbar mit Zeitdaueradverbien und mit der „rheinischen
Verlaufsform“:
1Bei der rheinischen Verlaufsform wird statt einer hochdeutschen Konstruktion wie z. B.
Ich telefoniere gerade. eine der englischen Verlaufsform ähnliche Phrase verwendet: Ich
bin am telefonieren. oder Als es an der Haustür klingelte, war ich gerade am telefonieren.
84
Die flektierbaren Wortklassen
Wochenlang über die Vergangenheit nachdenken.
Am Nachdenken über die Vergangenheit sein.
• Accomplishmentverben bezeichnen einen ausgedehnten Zustandswech-
sel, der einen vorbereitenden Prozess als Ursache hat. (Z. B. Ein Haus bau-
en.)
Sie sind kompatibel mit Zeitrahmenadverbien und der „rheinischen Ver-
laufsform“:
In zwei Jahren ein Haus bauen.
Ein Haus am Bauen sein.
• Achievementverben benennen nicht ausgedehnte, punktuelle Zustands-
wechsel. (Z. B. Die Bombe explodiert.)
Sie sind mit Zeitrahmenadverbien und der „rheinischen Verlaufsform“ in-
kompatibel:
#Die Bombe explodiert in zwei Stunden.
#Die Bombe ist am Explodieren.
4.2.1.2 Grammatische Charakteristika der Verben
Verben stellen die logischen und grammatischen Zentren der deutschen
Sätze dar und haben als einzige Wortklasse die Fähigkeit zur Konjuga-
tion.
Da sie sich im Satz zu Komplexen verbinden können und sie dabei un-
terschiedliche Funktionen übernehmen, werden funktional verschiedene
Klassen unterschieden; darauf soll im nachfolgenden Kapitel 4.2.1.3 ein-
gegangen werden.
Bezüglich der Konjugation sind zu differenzieren:
• finite und infinite Verben;
• starke, schwache und unregelmäßig konjugierte Verben.
„Der Tradition der lateinischen Grammatik folgend, werden die finiten
Verbformen des Deutschen seit je her nach Numerus, Person, Tempus,
Modus und Genus verbi bestimmt“ (Thieroff, 1992, S. 3). Diese traditio-
nelle Vorgehensweise wird seit geraumer Zeit in verschiedener Hinsicht
kritisiert. Leiss (1992) hebt beispielsweise die Notwendigkeit hervor, vom
additiven Verständnis der Verbalkategorien abzukommen und betont den
Gedanken „daß die verschiedenen grammatischen Kategorien einer Spra-
che einen jeweils unterschiedlichen Status haben, was ihre Komplexität
betrifft. Die einfacheren Kategorien stellen die elementaren Bausteine der
komplexeren Kategorien dar und bilden so das Fundament für die kate-
85
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
goriale Architektur einer Sprache“ (Leiss, 1992, S. 1–2).
Finite und infinite Verben:
Das Verbum finitum ist im Satz die personengebundene Verbform (auch
Personalform genannt), d. h. sie ist hinsichtlich Person (1.,2.,3.) und Nu-
merus (Singular, Plural) bestimmt, wie nachfolgende Beispiele auch zei-
gen:
(2) a. In Europa sterben jeden Tag vier Kinder an den Folgen von
Gewalt und Misshandlungen.
b. Jedes sechste Kind in Äthiopien stirbt schon in den ersten fünf
Lebensjahren – viele von ihnen aufgrund des verseuchten Was-
sers.
(UNICEF-Nachrichten 3, 2005; S. 5, 12)
Das Verbum infinitum (personenungebundene Verbform) kann auftreten
als Infinitiv, Partizip I und Partizip II. Die Infinitive stehen im Satz ohne
eine direkte Beziehung zu einem Subjekt.
Als Infinitiv wird die Grundform (Nennform) im Lexikon bezeichnet. Sie
trägt ein Flexiv, die Infinitivendung -en oder -n:
(3) handeln, agieren, tun, machen
Nach loder Vokal kann das ealso ausfallen2.
Partizipien können als Verben und Adjektive auftreten.
Das Partizip I (Präsenspartizip) wird aus dem Präsensstamm und dem
Flexiv -nd gebildet:
(4) handelnd, agierend, machend
Das Partizip II (Perfektpartizip) wird bei den starken Verben mit dem Fle-
xiv -en und bei den schwachen Verben mit -t gebildet. Häufig wird es kom-
biniert mit ge-:
(5) gehandelt, agiert, getan, gemacht, geflohen
Nach loder Vokal im Stamm starker Verben kann das eim Flexiv -en aus-
fallen.
Die Verbinfinitive und -partizipien haben die verbale Funktion, Verbkom-
plexe (zusammengesetzte Verbformen) zu bilden.
2Genauer dazu Dudenredaktion (2005, Kap. 4.2.5).
86
Die flektierbaren Wortklassen
Starke, schwache und unregelmäßig konjugierte Verben:
Die Verben bilden ihre Formen nach unterschiedlichen Konjugationsmus-
tern. Aus der diachronen (sprachhistorischen) Sicht unterscheidet man
die starke, die schwache und die unregelmäßige Konjugation. Aus gegen-
wartssprachlichem Blickwinkel ist die schwache Konjugation der unmar-
kierte, regelmäßige Fall. Bei der Zuordnung der Verben zu den Konju-
gationsmustern wird von drei Formen ausgegangen: dem Infinitiv, dem
Präteritum und dem Partizip II.
Die schwache Konjugation ist in der Gegenwartssprache der produktive
Konjugationstyp für alle neuen Verben. Seine Charakteristika sind:
(i) gleichbleibender Stammvokal in den drei Leitformen
(Infinitiv, Präteritum, Partizip II)
(6) surfen, surfte, gesurft
(ii) Präteritum 3. Person Singular mit Flexiv -te
(7) surfte
(iii) Partizip II mit ge- -(e)t
(8) gesurft
Die starke, historische Konjugation, zu der „heute noch etwa 160 Verben“
gehören (Sommerfeldt u.a., 1985, S. 62), ist hauptsächlich gekennzeichnet
durch:
(i) regelmäßigen Wechsel des Stammvokals (Ablaute)
(9) singen – sang – gesungen
(ii) Präteritum 3. Person Singular ohne Flexiv -te
(10) laufen – lief
(iii) Partizip II auf -en
(11) gelaufen
Als unregelmäßige Konjugation wird eine Flexionsmischung bezeichnet,
bei der im Präteritum -te-Flexive auftreten und es zu Ablauten kommt.
Dazu rechnet man auch die Verben mit unterschiedlichen Stämmen bei
den Konjugationsformen.
87
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
(12) a. wissen – wusste – gewusst
b. bin/bist – ist/sind/seid – war/gewesen
4.2.1.3 Verbalkomplexe
A. Der Begriff Verbalkomplex
Der Verbalkomplex tritt in Sätzen mit finitem Verb auf; zu den finiten Ver-
ben treten eines oder mehrere infinite Verben (Beispiele dafür in (13)) oder
nominale Elemente (wie in (14)) hinzu und gehen mit dem finiten Verb
eine enge grammatische Verbindung ein.
(13) a. Ob es jeder geglaubt hat?
b. Was sie alles erlebt haben muss!
c. Sie wird natürlich gepflegt werden.
d. Sie wird geliebt werden müssen.
(14) a. Manche sind leichtgläubig.
b. Sie stellen sich dumm.
c. Er nannte sich Karl der Große.
Für die grammatische Beschreibung werfen die deutschen Verbalkomple-
xe zahlreiche Fragen auf. Dies betrifft u. a. neben den auftretenden Formen
und ihren Charakteristika, die Erklärung der Reihenfolge bei den infiniten
Teilen oder die Problematik des Umgangs mit diskontinuierlichen Konsti-
tuenten bei unfesten Verben.
Teubert (2005, S. 14ff.) nimmt nach primär semantischen Gesichtspunk-
ten eine Abstufung von Vollverben (Zeichen mit eigener Semantik) über
Periphrasenverben (finite Verben in Periphrasen mit funktionaler Bedeu-
tung) zu echten Hilfsverben ohne eigene Wortbedeutung vor; nur mit
letzteren würden analytische Formen gebildet. Die Vollverb-Hilfsverb-
Kombination bildet zusammen eine Konstituente.
88
Die flektierbaren Wortklassen
Den Verbalkomplex subklassifiziert er wie in Abbildung 4.1.
Verbalkomplex
Periphrase
(weitere
periphrastische
Strukturen)
Modal-
verb-
Struktur
Kopula-
Struktur
Periphrase
im engeren
Sinne
analytische Form
Abbildung 4.1: Subklassifizierung des Verbalkomplexes nach Teubert
Modal- und Kopulakonstruktionen sind danach keine analytischen Verb-
formen, weil die Modal- und Kopulaverben nicht bedeutungsleer sind,
nach dem logisch-semantischen Kompositionalitätsprinzip bringen sie Be-
deutungsteile in den Verbalkomplex ein. So ist z. B. müsste schlafen keine
analytische Verbform, weil müsste die ‚Konjunktiv-Präteritum-Bedeutung’
einbringt (Teubert, 2005, S. 11).
Die Verbformen eines Verbalkomplexes sind obligatorisch kohärent mit-
einander verbunden. In dreiteiligen Verbalkomplexen beispielsweise wird
das Vollverb von einem infiniten Verb regiert, das seinerseits von einem in-
finitregierten Verb in finiter Form abhängt. Für die Beispiele Was sie alles
erlebt haben muss! und Sie wird natürlich gepflegt werden. kann dies folgen-
dermaßen veranschaulicht werden:
Was sie alles erlebt haben muss!
Sie wird natürlich gepflegt werden.
Dabei legt die Infinitivrektion (vgl. Dudenredaktion (2005, S. 467)) die
Rangordnung der Verben fest.
Grundsätzlich möchte ich vier strukturelle Grundformen des deutschen
Verbalkomplexes unterscheiden ( 4.2 auf der nächsten Seite):
89
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Verbalkomplex
synthetische
Verbformen
analytische
Verbformen
unfeste
Verben
phrasale
Verbstrukturen
Abbildung 4.2: Formen des Verbalkomplexes
Die Formen des phrasalen Verbalkomplexes sind in 4.3 aufgelistet.
zu+Infinitiv-Konstruktionen
Modalverbkonstruktionen
Small Clauses
phrasaler Verbalkomplex Funktionsverbgefüge
Kopulaverbkonstruktionen
verbhaltige Phraseologismen
Abbildung 4.3: Formen des phrasalen Verbalkomplexes
B. Charakterisierung der Verbalkomplexe
Die komplexen Formen des Verbalkomplexes sollen in den nachfolgenden
Abschnitten in der Reihenfolge, in der sie in den obigen Übersichten (4.2,
90
Die flektierbaren Wortklassen
4.3) aufgeführt wurden, vorgestellt werden3.
Analytische Verbformen:
Von analytischen Verbformen spricht man dann, wenn mehrere Wortkör-
per eine grammatische Form bilden. Diejenigen, die nur aus einem Wort-
körper bestehen werden als synthetische Formen bezeichnet.
(15) a. Sie schläft. = synthetische Form
b. Sie hat geschlafen. = analytische Form
In dem Beispiel (15) sind sowohl schläft als auch hat geschlafen als jeweils
ein Verb, genauer als jeweils eine Verbform anzusehen. Sie sind Elemente
des Wortformenparadigmas von schlafen. In analytischen Formen legt das
finite Hilfsverb (= Auxilar) den paradigmatischen Status der komplexen
Form fest. In dem Beispiel hat geschlafen bringt das Hilfsverb beispielswei-
se die Merkmale [Indikativ, 3.Person Singular] ein und führt gemeinsam
mit dem Partizip II des Vollverbes zu der Tempusmarkierung [Perfekt ak-
tiv], wie im Folgenden ( 4.4) graphisch dargestellt.
Verb (3.P.Sg., Ind., Perf.)
Verb [HV] Verb [Part II]
(3.P.Sg., Ind.)
Abbildung 4.4: Analytische Verbform
Unfeste Verben:
Verbindungen wie in (16), die aus einem nominalen Lexem und Verb be-
stehen, werden zum Teil zu den unfesten Verben bzw. zu den Partikelver-
ben gerechnet. Sie stellen auch einen Streitgegenstand bei der Orthografie-
regelung, bei der Frage der Getrennt- oder Zusammenschreibung dar.
(16) a. tot stellen
b. totschweigen
c. Anteil nehmen
d. Auto fahren
3Die Phraseologismen werden im Kapitel 6.4 besprochen.
91
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
e. Maß halten
f. Eis laufen
g. Angst machen
Gallmann (1999) unterscheidet „unter syntaktischer Perspektive [. . . ] drei
Fallgruppen“ (S. 10):
1. Die nominale Konstituente ist ein Wort, das zu einer Phrase proji-
ziert. Sie hat Satzgliedwert. (Sie liest eine Zeitung.)
2. Die nominale Konstituente ist ein Kopfadjunkt; d. h. es ist eine Kon-
stituente, die nicht zu einer Phrase projiziert und keinen vollen Satz-
gliedwert hat, eine Inkorporation des Artikels hat stattgefunden.
(Sie läuft Eis/liest Zeitung.)
3. Die nominale Konstituente ist ein morphologischer Wortbestandteil.
(Sie gewährleisten eine Zusatzgarantie.)
Die erste Gruppe gehört nicht zu den phrasalen Verbstrukturen, da es sich
beim Verb und der Nominalphrase um jeweils unabhängige Konstituen-
ten handelt.
Infinitive mit zu:
Die Infintivformen mit zu sind auch ein interessantes syntaktisches Phä-
nomen, dem hier in einer Morphologiedarstellung nicht vertiefend nach-
gegangen werden kann.
Ijbema und Abraham (2000) versuchen zu in dieser Konstellation als Prä-
fix in der VP zu analysieren (S. 123), indem sie in Anlehnung an Haider
(1984) eine Analogie zwischen dem Passiv-/Perfektpräfix ge- und dem in-
finitivischen zu herstellen (S. 126). Die Annahme, die gemacht wird, ist
die, dass das zweiwertige Verb lesen, durch die mittels dem Präfix ge- er-
folgte Partizip-Bildung (gelesen) eine Argumentstellenreduzierung erfährt
(wie in (17b.) bei der Passivierung). Beim Beispiel (17c.), der Perfektform,
wird ebenfalls diese Argumentstellenreduzierung gesehen, die reduzierte
Subjektstelle würde vom Hilfsverb vergeben. In (17d.) und (17e.) wird zu
auch diese Funktion der Argumentstellenreduzierung zugesprochen; zu
blockiere das Subjektargument des nachfolgenden Verbinfinitivs4.
(17) a. Er liest das Buch.
b. Das Buch wird gelesen.
4Erklärt wird das Absorbieren des Subjektaktanten durch die Blockierung der Subjekt-
position durch zu. Die technischen Aspekte des zugrunde gelegten Grammatikmodells
können hier nicht besprochen werden.
92
Die flektierbaren Wortklassen
c. Er hat das Buch gelesen.
d. Das Buch ist zu lesen.
e. Er hat das Buch zu lesen.
Analog verhalte sich auch das attributiv gebrauchte Partizip (Ijbema und
Abraham, 2000, S. 127):
(18) a. ein lesendes Kind
b. ein gelesenes Buch
c. * ein gelesenes Kind
Auch hier bewirke das mit ge- gebildete Partizip II eine Blockierung des
Subjektaktanten.
Modalverbkonstruktionen:
Wenn man im Deutschen von den Modalverben spricht, meint man in der
deutschen Gegenwartssprache in der Regel „können, müssen, dürfen, mö-
gen, (möchten,) wollen, sollen“ (Reis, 2001, S. 287). Am häufigsten bilden sie
im einfachen Satz den finiten Teil des Prädikats, der durch den Infinitiv ei-
nes Vollverbs ergänzt wird, wie in den beiden nachfolgenden Überschrif-
ten:
(19) a. Medion kann Börsianer nicht überzeugen
(www.heise.de; 22.11.2004)
b. In der Hölle darf man Rache nehmen
(www.zeit.de; 22.11.2004)
Modalverben können aber auch ohne eine Infinitivergänzung auftreten:
(20) Sie fühlt sich so allein und ausgebrannt,
und sie kann nicht mehr.
(Bernhard Brink: Der Morgen kommt bestimmt;
www.geocities.com; 2.11.2004)
In einigen wenigen Fällen kann es auch den infiniten und das Vollverb
den finiten Teil des Prädikats bilden.
(21) Um dieses Forum benützen zu können, müssen die Benutzer einen
Benutzernamen, ein Passwort und eine Email-Adresse angeben.
(www.aspforum.de; 22.11.2004)
93
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Insgesamt fällt auf, dass die Modalverben keine einheitliche grammati-
sche Klasse sind; dies betrifft sowohl die Bedeutung als auch die Syntax:
So können Sätze mit Modalverben eine epistemische und eine nicht epis-
temische Lesart5haben:
(22) Josef kann später gehen.
→Josef geht vielleicht später. (= epistemische Lesart)
→Josef ist fähig, später zu gehen. (= nicht epistemische Lesart)
Außerdem haben Modalverben unterschiedliche Distributionsrestriktio-
nen; man kann sie zwei syntaktischen Klassen zuordnen: dürfen, können,
mögen, sollen, müssen zu den Hebungsverben und wollen, möchten zu den
Kontrollverben.
Wenn ein Modalverb als Hebungsverb auftritt, wie in (23),
(23) Maria kann gut tanzen.
geht man davon aus, dass das Modalverb dem Subjekt keine semantische
Rolle zuweisen kann und das Subjekt in der logisch-semantischen Grund-
struktur nicht vorhanden ist. Dies wird u. a. damit begründet, dass der
eingebettete Infinitiv nicht in einen Nebensatz mit einem finiten Haupt-
verb umgeformt werden kann (vgl. (24)).
(24) * Maria kann, dass sie gut tanzt.
Man spricht deshalb dem Modalverb oftmals nur Hilfsverbcharakter zu.
In der morphologisch-syntaktischen Satzstruktur wird „das Subjekt des
eingebetteten infiniten Satzes in diese leere Subjektposition ‚gehoben‘“
(Öhlschläger, 1989, S. 105), weil nur hier das Subjekt einen Kasus, den No-
minativ, erhalten kann. Man kann dies auch einfacher ausdrücken, weil
nur hier eine Subjekt-Prädikat-Kongruenz hergestellt werden kann. In ei-
ner vereinfachten Phrasenstrukturdarstellung, kann nachfolgende syntak-
tische Struktur angenommen werden (siehe Abbildung 4.5).
Das Negationsverhalten unterstützt die Hebungsverbanalyse. Negierte Sät-
ze mit diesen Modalverben sind skopusambig, d.h. sie haben eine „weite“
und eine „enge“ Lesart wie auch im Beispiel (25).
5Für die Unterscheidung der oppositionellen Lesarten haben sich mehrere Bezeichnun-
gen etabliert, beispielsweise „objektiv vs. subjektiv“, „subjektbezogen vs. sprecherbe-
zogen“. Nicht epistemisch meint die objektive, subjektbezogende Lesart und episte-
misch die subjektive, sprecherbezogene.
94
Die flektierbaren Wortklassen
Siei
SpecCP
kannj
Comp
NP
[ e ]
ti
gut
A
AP
tanzen
V
V’
VP I [– finit]
I’
IP
tj
V
V’
VP l [+finit]
I’
IP
C’
CP
Abbildung 4.5: Hebungsverb
95
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
(25) a. Maria kann nicht gut tanzen.
b. ’Folgendes ist nicht der Fall: Maria kann gut tanzen.’
c. ’Maria kann Folgendes: (Sie kann jetzt) nicht gut tanzen.’
Die Lesart mit weitem Skopus (25b.), die in der Regel bei Modalverben
präferiert wird, vermittelt, dass ’Maria gar nicht die Fähigkeit zum guten
Tanzen hat’. Diejenige mit engem Skopus (25c.) besagt nur, dass ’Maria in
einer bestimmten Situation nicht in der Lage war, gut zu tanzen’. Die weite
Lesart „erfolgt“ quasi nach der syntaktisch notwendigen Hebung und die
enge ohne Einbeziehung der Anhebung.
Wenn die Modalverben wollen und sollen Verwendung finden, ändert sich
einiges: dann ist die Umwandlung der eingebetteten Infinitivkonstruktion
in einen Nebensatz möglich (wie in (26)).
(26) Josef möchte gut tanzen. →Josef möchte, dass er (Josef) gut tanzt.
Diese Modalverben lassen also finite Sätze als Komplemente zu, man ana-
lysiert sie deshalb als Kontrollverben. Das Subjekt wird als Komplement
des Modalverbs angenommen, da ja das Vollverb in der eingebetteten In-
finitivkonstruktion selbst ein eigenes Subjekt zu sich nehmen könnte. Hier
liegt also eine andere Satzstruktur vor (vergleiche Darstellung 4.6 auf der
nächsten Seite):
Auch das Negationsverhalten ist anders: Hier sind nach Öhlschläger (1989),
der sich auf Bech (1951) bezieht, keine engen und weiten Skopuslesarten
möglich.
Small Clauses:
Small Clauses (‚Sätzchen’) sind nicht finite Konstruktionen mit postver-
balen Nominalphrasen (vgl. Beispiel (27)), die mit satzfinalen Phrasen zu-
sammen eine syntaktische Konstituente bilden (Staudinger, 1997, S. 43).
(27) Maria macht die Küche sauber.
(Maria macht, dass die Küche sauber ist.)
Formalisiert handelt es sich um Konstruktionen der Art:
[SC NP XP]
X= Adj, Adv, N, P, V
Diese postverbalen Nominalphrasen werden mit Adjektiv-, Adverb-, No-
minal-, Präpositional- oder Verbalphrasen zu Small Clauses zusammen-
gefasst und als eine gemeinsame syntaktische Konstituente SC verstan-
96
Die flektierbaren Wortklassen
Eri
SpecCP
möchtej
Comp
ti
NPi
PROi
gut
A
AP
tanzen
V
V’
VP I[– finit]
I’
IP
tj
V
V’
VP l[+finit]
I’
IP
C’
CP
Abbildung 4.6: Kontrollverb
97
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
den.6Bezugnehmend auf den dependentiellen Charakter der Small Clau-
ses werden SCs mit Argumentstatus (logisch-strukturell vom Satzverb ge-
fordert) – wie in (28a.), mit Angabestatus (logisch-strukturell vom Satz-
verb nicht gefordert) – wie in (28b.) und mit Resultativcharakter (traditio-
nell auch als prädikatives Attribut oder Objektsprädikativ bezeichnet. Sie
benennen ein Resultat, einen resultativen Zustand) – wie in (28c.) unter-
schieden:
(28) a. Kurt hat [SC mich schön, klug und interessant] gefunden, . . .
(www.witzepur.de; 4.10.2005)
b. Pfefferminztee wird kühlen, auch wenn er [SC heiß] getrunken
wird.
(www.ag-tcm.de; 4.10.2005)
c. Stolz zeigt Horst seiner Petra, wie er [SC sein Auto neu] ge-
spritzt hat.
(www.andreas-armbrust.de; 4.10.2005)
Im Fall der SCs mit Argumentstatus haben wir im SC ein logisches Sub-
jekt, das im Akkusativ erscheint:
(29) Kurt hat [SC mich interessant] gefunden. →Kurt hat gefunden,
dass ich interessant sei.
Bei den SCs mit Angabestatus fehlt im SC das logische Subjekt. So wird in
der Regel ein phonetisch leeres Subjekt (PRO) angenommen, das mit dem
Subjekt oder Objekt des Matrixsatzes referenzidentisch ist. Dies wird in
(30) durch Koindizierung angezeigt:
(30) Pfefferminzteeiwird [SC PROiheiß] getrunken.
Bei den resultativen SCs, die Angabe- aber auch Argumentstatus haben
können, liegt ein Bezug auf das Objekt des Matrixsatzes vor; sie prädizie-
ren über ein Objekt:
(31) Josef hat[SC das Glas leer] getrunken.7
6Alternative Auffassungen sehen in solchen Konstruktionen „sekundäre oder komplexe
Prädikate“. Darauf kann hier nicht weiter eingegangen werden.
7Beispiel aus Staudinger (1997, S. 789).
98
Die flektierbaren Wortklassen
Funktionsverbgefüge:
Die Funktionsverbgefüge (FVG) wie in Ordnung bringen von anderen en-
gen Nomen-Verb-Verbindungen abzugrenzen, scheint manchen unmög-
lich, trotzdem hat es sich durchgesetzt. Es handelt sich um Verb-Nomen-
Kombinationen aus einer Präpositionalphrase bzw. Nominalphrase und
einem Funktionsverb. Am häufigsten treten die Verben bringen und kom-
men als Funktionsverben auf.
Winhart (2002, S. 73) nimmt als Objekt ihrer Untersuchungen die Funkti-
onsverben (FV)8
anstellen, aufnehmen, ausüben, sich befinden, bekommen, besitzen, bleiben, brin-
gen, erfahren, erhalten, erheben, erteilen, finden, führen, geben, gehen, gelangen,
genießen, geraten, haben, halten, holen, jagen, kommen, leisten, liegen, machen,
nehmen, schreiten, sein, setzen, stehen, stellen, stürzen, treffen, treten, üben, un-
ternehmen, versetzen, vornehmen, ziehen, zuziehen.
Im Vergleich zu den entsprechenden Vollverben haben die Funktionsver-
ben eine reduzierte Bedeutung9, die vor allem einen Beitrag zur Aktions-
artmarkierung leistet. Die Hauptbedeutung liegt jeweils bei dem Nomen
des FVG. Bei den nicht umstrittenen Hauptvertretern der FVG kann das
FVG durch das Verb, das dem FVG-Nomen zugrunde liegt, ersetzt wer-
den:
Josef bringt die Bücher in Ordnung.vs.
Josef ordnet die Bücher.
Diese Möglichkeit der Ersetzung liegt aber nicht immer bzw. bei allen FVG
vor. Auch gibt es nach manchen Auffassungen im „Bereich der zu den
FV gezählten Verben [. . . ] eine Abstufung hinsichtlich des eigenständigen
Bedeutungsanteils. Je idiomatischer die Verbindung ist, desto spezifischer
kann das Verb sein“ (Winhart, 2002, S.90). Z. B. sei dies bei folgender FVG-
Reihe der Fall: liegen: unter Beschuss / in Scheidung / im Streit.
Bei diesen idiomatischen Wendungen stellt sich m. E. die Frage, ob es
sich nicht vielmehr um Idiome und nicht um FVG handelt. Beispielsweise
haben Wotjak und Heine (2005, S. 148) berechtigterweise hervorgehoben,
dass bei FVG das Substantiv weder idiomatisiert noch eine unikale Kom-
ponente ist, wenn dies so ist, handelt es sich um ein verbales Idiom.
Wie Helbig und Buscha (1991) sehe ich die FVG zusammen als komple-
xe Prädikate (Verbkomplexe) an, die Aktanten nehmen können. In dem
8M. E. wird hier der FV-Bereich zu weit gefasst.
9Winhart (2002) ist dagegen der Meinung, dass es bei Funktionsverben keine signifi-
kante Bedeutungsreduzierung gebe (S. 90).
99
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Beispiel (32) nimmt das FVG zum Abschluss bringen zwei Aktanten: ein
Subjekt und ein Akkusativobjekt.
(32) Merck bringt Verkauf des Geschäfts mit Elektronikchemikalien zum
Abschluss.
(www.chemietechnik.de; 13.10.2005)
Dass Verb und Substantiv zusammen der Träger der (äußeren) Valenz
sind, wird auch an der Nichtersetzbarkeit des Nomens durch Pronomen
deutlich, wie in dem Beispiel (33).
(33) a. Anabole Steroide sind Dopingmittel, die häufig Anwendung
finden.
(de.wikipedia.org/wiki/Doping; 20.3.2006)
b. * Anabole Steroide sind Dopingmittel, die häufig sie finden.
Wie auch bei Phraseologismen üblich, ist bei den FVG eine Trennung von
innerer und äußerer Valenz vorzunehmen. Die innere Valenz betrifft die
PräpP bzw. NP des FVG, die obligatorisch ist und die Hauptbedeutung
trägt. Die äußere Valenz bezieht sich auf die Aktanten, die das FVG for-
dert.
Man unterscheidet aktivwertige und passivwertige FVG.
(34) a. Ihr bringt mich nicht zum Schweigen.
(www.scifi-forum.de; 13.10.2005)
→aktivische Bedeutung (das Subjekt ist „aktiv“)
b. Kurdenfrage lässt Türkei nicht zur Ruhe kommen – Kein Dia-
log in Sicht. (www.glaubeaktuell.net/portal/journal; 30.4.2006)
→passivische Bedeutung (das Subjekt ist „passiv“)
Kopulaverbkonstruktionen:
Kopulative Verben (sein, werden, bleiben, gelten, nennen, finden10) bilden
gemeinsam mit einem Nomen, Adjektiv oder einer Präpositionalgruppe
(= Prädikative) einen Prädikatskomplex. Die prädikativen Ergänzungen
können sich auf das Subjekt oder das Akkusativobjekt beziehen, d. h. sie
referieren auf den selben Gegenstand wie diese:
(35) a. Josef ist ein Lügner.
b. Josef hat Maria eine Stalkerin genannt.
10 Diese Verben müssen aber nicht als Kopulativverben verwendet werden.
100
Die flektierbaren Wortklassen
c. Sie ist des Streites müde.
d. Die Aussage der Zeugen war von Bedeutung.
Innerhalb der Forschungsliteratur wird zu den Kopulaverben u. a. disku-
tiert, ob sie Hilfsverbcharakter haben oder ob sie Vollverben sind und
welche Subklassen anzunehmen sind. In der Regel wird die Auffassung
vertreten, dass sie semantisch leer seien und nur die Finitheitsmerkmale
tragen.11
1.) Bestimmen Sie in dem folgenden Text die Verben hinsichtlich
ihrer Zugehörigkeit zu den semantischen und grammatischen
Klassen!
Männersachen
Wenn ein Mann und eine Frau in eine Wohnung ziehen, gibt es klare Re-
geln: Alle Dinge, die ihm Spaß bereiten, müssen auf den Speicher. Wie et-
wa der Werkzeugkasten oder das Rennrad. Die Lieblingssachen der Frau
bleiben hingegen in der Wohnung und nehmen vor allem im Badezimmer
reichlich Platz in Anspruch. Damit ist jetzt Schluss. Fangen Sie ruhig schon
mal an, die Cremetiegel und Duftwässerchen Ihrer Partnerin in eine Kiste
zu räumen. . . .
(SZ Magazin 9, 2006; S. 73)
4.2.1.4 Funktionen der Verbformen
4.2.1.4.1 Tempus
Tempus und Zeit:
Mit der Problematik von Tempus und Zeitlichkeit beschäftigt sich die
„Zeit-Linguistik“ (Vater, 1994, S. iii). Zeitliche Lokalisierungen lassen sich
in den Sprachen mit lexikalisierten und grammatikalisierten Mitteln vor-
nehmen. Sie betreffen sowohl die absolute Zeitlichkeit (d. h. sie setzen die
Kommunikationszeit ins Verhältnis zur Ereigniszeit: das Ereignis wird als
’gegenwärtig’, ’vergangen’, ’zukünftig’ und ’allgemeingültig’ kommuni-
ziert) als auch die relative Zeit (d. h. sie setzen mehrere kommunizierte
Handlungen in eine zeitliche Relation: als ’gleichzeitig’, ’vorzeitig’ oder
’nachzeitig sich ereignend’).
Lexikalisierte Mittel sind im Deutschen zum einen Zeitadverbien (heute),
Präpositionalphrasen (während des Unterrichts), Temporalsätze mit tempo-
11 Weiterführendes kann in Maienborn (2003) nachgelesen werden.
101
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
ralen Konjunktionen (als es hell wurde). Zum anderen gibt es echte Präfixe
zur Markierung, wie er- (erblühen, erröten). Grammatikalisierte Mittel sind
die Tempora und Aspekte.
Die relative Zeit in einem Satzgefüge (Haupt- und Nebensatz) wird auch
durch lexikalische und morphosyntaktische Mittel markiert.
• Gleichzeitigkeit: Sie wird durch gleiche Tempora im Haupt- und Neben-
satz und durch Subjunktoren wie wärend, als, indessen, solange angezeigt.
(36) Als die amerikanische Fußballmanschaft zu ihrem ersten Training
vorfuhr, sah es aus wie die Szene aus einem Agentenfilm.
(SZ 21.3.2006; S. 31)
• Vorzeitigkeit: Das Ereignis im Nebensatz liegt vor dem Ereignis des
Hauptsatzes. Sie wird durch ungleiche Tempora im Haupt- und Neben-
satz deutlich. Auch Subjunktoren (nachdem, als, wenn, sobald, seit(dem))
können Vorzeitigkeit markieren.
(37) Sie wollten uns das Filmmaterial erst abnehmen, nachdem wir er-
folgreich waren. (Josef Haslinger: Opernball; SZ/Kriminalbiblio-
thek 2006, Band 7, S. 56)
• Nachzeitigkeit: Das Ereignis im Nebensatz liegt nach dem Ereignis des
Hauptsatzes. Sie wird primär durch Subjunktoren (bevor, ehe, bis) ange-
zeigt. Die Tempusformen sind oft gleich im Haupt- und Nebensatz.
(38) Ich drängte mich durch die Menge, bis ich in die Nähe des Opern-
eingangs kam. (Josef Haslinger: Opernball, a.a.O., S.10)
Die Tempora des Deutschen:
Das Tempus ist eine obligatorische Flexionskategorie der deutschen
Sprache, die zur Einordnung eines Sachverhalts in den Zeitverlauf bei-
trägt.
Die Zeitrelation wird in allen Sätzen mit finiten Verben angegeben. Das
Tempus dient der Lokalisierung von Ereignissen in der Zeit („gramma-
ticalized location in time“ (Comrie, 1985, S. 9)) und ist auch deiktischer
Natur, da die Zeitlokalisierung erst in der Äußerung fixiert wird. Die tra-
ditionelle Grammatik hat für das Deutsche in Anlehnung an das Latei-
nische sechs Tempora angenommen (Präsens, Präteritum, Perfekt, Plus-
quamperfekt, Futur I und Futur II). Dies ist häufig hinterfragt, modifiziert
und ergänzt worden, beispielsweise um „Doppelperfekt“ (Ich habe es ge-
glaubt gehabt.) und „Doppelplusquamperfekt“ (Ich hatte es geglaubt gehabt.).
102
Die flektierbaren Wortklassen
Der Status der Futurformen wurde auch problematisiert, bei Vater (1994,
S. 61) werden sie aus dem Tempussystem ausgeschlossen. Vater begründet
das mit dem „primär modalen Charakter“, dass sie sich wie Modalverb-
Konstruktionen verhalten würden.
Diskutiert wird auch das Problem des grammatischen Status der Tempora,
da im strengen Sinne Grammatikalisierung nur angenommen wird, wenn
mit der grammatischen Funktion ein Flexiv verbunden ist. Im Deutschen
werden aber nur die Präsens- und die Präteritum-aktiv-Formen allein mit
Flexiven gebildet. Die anderen nehmen analytische (mehrteilige) Formen
dafür (vgl. Tabelle 4.1 auf der nächsten Seite). Die beiden am häufigsten
gebrauchten Tempusformen im Deutschen sind Präsens und Perfekt.
Die Tempusformen sind deutlich von der Zeitbedeutung zu trennen, da es
keine 1-zu-1-Relation zwischen ihnen gibt. Die Tempus Grundform Prä-
sens kann keinesfalls mit Gegenwart gleichgesetzt werden, da mit ihr alle
absoluten Zeitbedeutungen realisiert werden können (vgl. Beispiele (39)
aus Der Spiegel 36, 2005):
(39) a. Das kommentieren wir nicht.
= gegenwärtig (Handlungszeit gleich Äußerungszeit)
b. Der Bürgermeister Ray Nagin fordert von seiner Regierung
[. . . ] Einen Tag später kommt Bush und verspricht, das zu tun.
= Ereignisse in der Vergangenheit werden berichtet
c. Diese Partei treibt dem Ruin entgegen.
= auf Zukunft orientiert
d. Vorbilder für einen Pöpelwahlkampf gibt es in Deutschland ge-
nug.
= allgemeingültig gemeint
Trotzdem ist es sinnvoll für die einzelnen Tempusformen Grundbedeu-
tungen im Indikativ anzunehmen:
• Präsens:
Die bezeichneten Ereignisse werden als (noch) nicht vergangen markiert
(Vater, 1994, S. 62). Damit werden alle Fälle unter (39) eingeschlossen, auch
der, der aus der Vergangenheit in die Gegenwart reicht. Das „historische
Präsens“, die Beschreibung eines vergangenen Ereignisses mit dem Prä-
sens als „gegenwärtig“, um es anschaulicher, lebendiger zu machen, ist
ein stilistisches Phänomen (Sprechen als ob gegenwärtig).
103
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Präsens: Verb + Flexiv
Präteritum: Verb + Flexiv
[Die Winterspiele von Turin begannen unver-
krampft, . . . Taugt der Einsatz der Justiz als
Modell für die Zukunft? (Der Spiegel 9, 2006,
S. 176)]
Perfekt: haben/sein + Partizip II
[Sie haben sich von jungen Jahren an der Poli-
tik verschrieben. (Der Spiegel 36, 2005, S.43)]
Doppelperfekt: haben/sein + Partizip II + Partizip II von ha-
ben/sein
[Warum hast du sie gefragt gehabt, ob eu-
re Beziehung es überhaupt noch bringt?
(www.techno.de/forum/archive/index;
30.4.2006)]
Plusquamperfekt: Präteritum von haben/sein + Partizip II
[. . . ], wo die Kirche ihrem Vater eine Pfarrstelle
zugewiesen hatte. (Der Spiegel 36, 2005, S.45)]
Doppelplus-
quamperfekt: Präteritum von haben/sein + Partizip II + Parti-
zip II von haben/sein
[Tja, hatte geglaubt gehabt, schonmal
geantwortet zu haben. (www.wer-weiss-
was.de/theme65/article2364001.html;
30.4.2006)]
Futur I: werden + Infinitiv
[Er wird das kaum hinnehmen. (Der Spiegel
36, 2005, S.45)]
Futur II: werden + Infinitiv Perfekt
(= Partizip II + Infinitiv von haben/sein)
[Schröder, [. . . ], hat längst begonnen, seine
Amtszeit unter dem Blickwinkel der künftigen
Vergangenheit zu betrachten, dem grammati-
schen Futurum II verpflichtet: Dereinst wird
man wissen, was die Nation an ihm gehabt ha-
ben wird. (Der Spiegel 36, 2005, S. 27)]
Tabelle 4.1: Tempusformen im Deutschen
104
Die flektierbaren Wortklassen
• Präteritum:
Es ordnet dem Kommunikationsereignis eine Handlung bzw. einen Zu-
stand in der Vergangenheit zu, die also vor dem Kommunikationsereignis
liegt.
• Perfekt:
Es wird wie das Präteritum für die Vergangenheit benutzt und in der
mündlichen Sprache bevorzugt dafür verwendet.
(Ich kaufte etwas ein.) vs. Ich habe etwas eingekauft.
Das erste Beispiel im Präteritum (Ich kaufte etwas ein.) klingt in der All-
tagssprache gestelzt. Angesichts der Tatsache, dass das Perfekt in einem
wesentlichen Kommunikationsbereich, wie in zahlreichen Dialekten auch,
allein für die Kennzeichnung von Ereignissen und Zuständen in der Ver-
gangenheit benutzt wird, scheint der Vorschlag, im Perfekt primär etwas
Aspektuelles zu sehen, nicht richtig zu sein. Auch ist es nicht so, wie eine
Regel der traditionellen Grammatik besagt, dass „eine Handlung, die in
der Vergangenheit begonnen wurde und bis in die Gegenwart andauert,
[. . . ] durch das Perfekt auszudrücken [sei]. Abgeschlossene Handlungen
ständen im Präteritum“ (Genzmer, 1995, S. 107).
• Doppelperfekt:
Es wird in der mündlichen Kommunikation benutzt, hat die Konnotation
‚umgangssprachlich’ und m. E. einen verstärkenden Charakter (vgl. 40).
Funktional ist es synonymisch mit dem Plusquamperfekt, es dient zur Be-
zeichnung der Vorvergangenheit.
(40) a. Ich habe gefragt gehabt.
b. statt: Ich hatte gefragt.
• Plusquamperfekt:
Es wird häufig als „Vorvergangenheit“ interpretiert. U. a. ist in der Duden-
Grammatik (Dudenredaktion, 2005, S. 505) bei allen „Perfekttempora“ von
der Einführung einer Orientierungszeit12 die Rede, „die durch die Tem-
pusform [. . . ] des Hilfsverbs angezeigt wird.“ Beim Plusquamperfekt liege
diese Orientierungszeit vor der Sprecherzeit.
12 Als ich hinschaute, hatte es geregnet.: Die Sprecherzeit (Sprecher-Jetzt), die Geschehens-
zeit (Zeit des Regnens) und die Orientierungszeit (Zeit des Hinschauens) werden un-
terschieden. Eine genaue Charakterisierung, was die Orientierungszeit kennzeichnet,
wird nicht gegeben (vgl. Dudenredaktion (2005, S. 505)).
105
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
(41) Über 14 Jahre hatte er schon am Washingtoner Obersten Gerichts-
hof gedient, bevor er 1986 als dessen 16. Vorsitzender ernannt wur-
de.
(Der Spiegel 37, 2005; S. 226)
In dem Beispiel (41) haben wir die Zeit des Schreibens durch den Verfasser
(<gegenwärtig>), die Zeit des Ereignisses der Ernennung (<vergangen>)
und durch das Plusquamperfekt das Ereignis des ‚Dienens am Gerichts-
hof’ (<vorvergangen>).
• Doppelplusquamperfekt:
Es ist umgangssprachlich konnotiert und flexibel einsetzbar sowohl zur
Kennzeichnung der Vergangenheit als auch der Vorvergangenheit (42).
(42) a. Ich hatte gefragt gehabt.
b. statt: Ich hatte gefragt.
c. statt: Ich fragte.
• Futur I:
Es hat primär Zukunftsbedeutung (wie in 43a.), kann aber auch rein modal
mit Gegenwartsbedeutung benutzt werden (43b.).
(43) a. Der Wald wird sterben, wenn es keine drastische Wende in der
Umweltschutzpolitik gibt.
b. Im Zimmer ist es ganz ruhig, Maria wird schon schlafen.
Oft – besonders in der mündlichen Kommunikation – verwendet man al-
lerdings das Präsens für Zukünftiges, das durch lexikalische oder gram-
matische Mittel angezeigt wird (wie in 44).
(44) Verdrängt Angela Merkel Gerhard Schröder aus dem Kanzleramt?
Verfolgen Sie den Wahlabend auf Spiegel online:
(Der Spiegel 37, 2005; S. 226)
• Futur II:
Es hat, wie beim Plusquamperfekt beschrieben, einen dritten zeitlichen Be-
zugspunkt. Es beschreibt ein Ereignis, das „nach einer bestimmten Zeit in
der Zukunft abgeschlossen sein wird“ (Genzmer, 1995, S. 114). Es wird al-
lerdings selten benutzt. In dem schon angeführten Beispiel (45) haben wir
die Zeit des Schreibens durch den Verfasser (<gegenwärtig>), die Ereignis-
zeit (dereinst) der abgelaufenen Amtszeit (<zukünftig>) und das Ereignis
der Neueinschätzung (<zukünftig auf Basis der Vergangenheit>).
106
Die flektierbaren Wortklassen
(45) Schröder, [. . . ], hat längst begonnen, seine Amtszeit unter dem
Blickwinkel der künftigen Vergangenheit zu betrachten, dem gram-
matischen Futurum II verpflichtet: Dereinst wird man wissen, was
die Nation an ihm gehabt haben wird.
(Der Spiegel 36/2005, S. 27)
4.2.1.4.2 Modus
Modus und Modalität:
So wie es nützlich ist zwischen Tempus und Zeit zu unterscheiden, ist die
terminologische Trennung von Modus und Modalität13 sinnvoll: Modus
meint die morphologische Verbkategorie, und Modalität ist eine funktio-
nal-semantische Kategorie des Satzes.
Modalität ist die Sprechereinstellung zum Satz. Sie betrifft die Einschät-
zung eines Zustandes oder Ereignisses durch den Kommunizierenden
hinsichtlich des Geltungsgrades.
Speziell meint dies drei Faktoren:
• Die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit:
[wirklich]vs. [nicht wirklich],
• die Realisierungsmöglichkeit: [möglich]vs. [unmöglich]oder
• deren Bewertung hinsichtlich der Notwendigkeit oder Gewissheit.
Man nimmt einige Grundmodi an, die als deklarativ, interrogativ, im-
perativ, exclamativ und optativ bezeichnet werden (Lang und Pasch,
1988, S. 8). Nicht für alle diese Grundmodi hat die deutsche Sprache
spezielle grammatische Mittel. Es werden unterschieden:
• deklarative Sätze = Aussagesätze,
• interrogative Sätze = Fragesätze,
• imperative Sätze = Aufforderungssätze,
• exclamative Sätze = Überraschungsäußerungen,
• optative Sätze = Wunschsätze.
Die Modalität eines Satzes wird immer angezeigt, da sie ein obligato-
rischer inhaltlicher Satzbestandteil ist. Sie wird durch das Zusammen-
spiel von lexikalischen (Modalverben, Satzwörter, Partikeln), intonato-
rischen (Intonationsmuster, Kontrastakzent) und morphosyntaktischen
Mitteln (Modi, Wortfolge) deutlich.
13 Es geht eigentlich, terminologisch exakt ausgedrückt, um die Satzmodalität.
107
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Beispielsweise modifizieren Satzadverbien (wie vermutlich oder tatsäch-
lich) den Grundmodus von Sätzen. In dem folgenden Beispiel wird eine
deklarative Modalität durch das Satzadverb (vermutlich) in eine konjunk-
tivische Modalität verändert.
(46) Der in Berlin-Zehlendorf tot gefundene Junge ist vermutlich er-
schlagen worden. (www.de.news.yahoo.com; 16.9.2005)
Man spricht auch von Modalfeldern, um die sich spezifische modale Mit-
tel gruppieren.
Die Modi haben die Funktion zum Wirklichkeitsbezug bzw. zum Wahr-
heitsanspruch von Äußerungen beizutragen. Im Deutschen werden
beim Verb vier Modi markiert: Indikativ, Imperativ, Konjunktiv I und
Konjunktiv II.
Die Modi des Deutschen:
• Indikativform:
Die Indikativform des Verbs wird als die neutrale modale Grundform
angesehen. Das Verb erfährt deshalb auch keine spezielle Markierung.
Die Hauptmodalität ist, etwas als ‘wirklich’, ‘real vorhanden’ zu bezeich-
nen.
(47) Die Zeit wartet nicht
(SZ 19.9.2005; S. 41)
Allerdings können lexikalische Mittel diese Grundmodalität verändern.
So hat Krycki (2001, S. 43) für Wetterberichte in regionalen Tageszeitun-
gen festgestellt, dass sie sich des Indikativ Präsens bedienen, die Modali-
tät aber ausschließlich durch lexikalische Mittel ausgedrückt wird (wie in
(48)14 die konjunktivische Modalität).
(48) Nur im Bergland sind einige Schauer möglich.
Auch einige Gewitter sind nicht ausgeschlossen.
• Imperativform:
Die Imperativform markiert die Aufforderungsmodalität (‘Aufforderung’,
‘Ratschlag’, ‘Vorschlag’, ‘Wunsch’ oder ‘Verbot’).
Sie wird vom Präsensstamm der Verben in der 2. Person Singular und Plu-
ral gebildet. Die Singularformen haben ein Nullmorphem; bei schwachen
Verben wird das Flexiv -e angehängt (das allerdings zunehmend wegfällt);
14 Belege aus Kryck i (2001, S. 43).
108
Die flektierbaren Wortklassen
bei den Pluralformen tritt ein -t-Flexiv auf. Die höflichen Imperativformen
in der 3. Person benutzen die Infinitivformen der Verben.
(49) a. Check’ deine Bildungschancen
(SZ 19.9.2005; S. 48/Annonce von Ausbildungsoffensive-Bay-
ern.de)
b. Dr. Döpfner empfiehlt: Geht weg. Zukunft ist woanders.
(http://publizistik-in-berlin.de; 23.1.2006)
c. Bitte geben Sie Ihre Mitgliedsnummer an, falls Sie sie gerade
zur Hand haben.
(www.wettbewerbszentrale.de; 2.5.2006)
• Konjuktivformen:
Traditionell unterscheidet man den Konjunktiv I und II. Der Konjunk-
tiv I wird vom Präsensstamm mit dem Flexiv -e bzw. dem Vokalwech-
sel e > i gebildet. Allerdings wird das Konjunktivflexiv -e nicht in allen
Formen sichtbar, alternativ wird auf den Konjunktiv II oder die würde-
Umschreibung zugegriffen. Gallmann (2005) spricht deshalb davon, dass
der Konjunktiv I im Verschwinden begriffen ist, weil die morphologisch
ungenügend markierten Formen nicht mehr gebraucht werden.
(50) sie sucht (Indikativ) > sie suche (Konjunktiv I),
wir/sie suchen (Indikativ + Konjunktiv I)
er gibt (Indikativ) > er gebe (Konjunktiv I), . . .
Der Konjunktiv II wird vom Präteritumstamm abgeleitet. Bei starken und
unregelmäßigen Verben wird er durch einen umgelauteten Stammvokal
(51) er trug > er trüge
und bei allen Verben, wie im Konjunktiv I, durch das Flexiv -e markiert.
(52) sie ging > sie ginge
Die Konjunktivformen, besonders der Konjunktiv I, werden benutzt, um
wiederzugeben, was andere Personen geäußert haben (= indirekte Re-
de).
(53) . . . während sie fragte, was er wünsche und ob er angemeldet sei.
(Martin Walser: Ehen in Philippsburg. SZ/Bibliothek 2004, Band 9,
S. 8)
109
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Man kann mit ihnen aber auch Aufforderungen, Wünsche, Relativierun-
gen, Bewertungen und Unwirkliches ausdrücken.
(54) a. Die Kandidatin hätte die Frage nicht klarer beantworten kön-
nen.
(Der Spiegel, Wahlsonderheft 2005; S. 38)
= Bewertung durch den Verfasser
b. Doch nun könnten Politiker und Experten den verborgenen
Charme von Schwarz-Rot entdecken.
(Der Spiegel, Wahlsonderheft 2005; S. 38)
= Der Verfasser äußert eine Vermutung.
An Stelle der Konjunktivformen wird häufig würde + Infinitiv verwendet,
da es leichter bildbar und eindeutig ist.
(55) sie geht – gehe / sie ging > ginge / sie würde gehen
(56) Doch es geht bzw. würde gehen, allerdings nur dann, wenn der
Webserver so wasserdicht wie eine Filtertüte ist, oder?
(www.forum.goteamspeak.com; 19.9.2005)
Es gibt in der neueren Grammatiktheorie Diskussionen, ob es sinnvoll
ist, an den Termini „Konjunktiv Präteritum“ und „Konjunktiv Imperfekt“
festzuhalten (Gallmann, 2005, S. 8), da der „Konjunktiv Präteritum“ keine
präteritale Zeitkomponente habe.
Auf jeden Fall scheint es sinnvoll zu sein, die würde+Infinitiv-Form als ein
reguläres Konjunktivmuster anzusehen.
4.2.1.4.3 Genus verbi
Genus verbi stellt eine morphosyntaktische Verbkategorie dar, die aus
den Teilkategorien Aktiv und Passiv besteht. Sie hat die Hauptfunktion,
die ‚Handlungsrichtung’ zwischen dem Subjekt des Satzes, den Objek-
ten und dem Verb anzugeben.
Die Genera des Deutschen:
• Aktiv:
Das Aktiv ist das Grundgenus, alle Verben können es bilden. Das Subjekt
ist in den Aktivkonstruktionen oft die handelnde Größe.
110
Die flektierbaren Wortklassen
(57) Auch heute, jetzt gerade, in diesem Moment kämpfen Menschen
mit ihrem Linux-Rechner.
(linuxuser 10.2005; S. 58)
Es kann aber auch fehlen (wie in 58a.) oder ein Zustandsträger (das Ob-
jekt der Wahrnehmung oder das, was sich in einem bestimmten Zustand
befindet) sein (58b.).
(58) a. Jetzt geh weg. Mach die Tür zu.
(www.csn.tu-chemnitz.de; 19.9.2005)
b. Open Suse beinhaltet ausschließlich freie Software.
(linuxuser 10.2005; S. 82)
• Passivformen:
Prototypischerweise können von transitiven Verben (Verben mit angeleg-
tem Akkusativobjekt) Passivformen gebildet werden. Es gibt aber auch
transitive Verben, die kein Passiv bilden können und andererseits ermög-
lichen auch einige intransitive Verben die Passivbildung.
Es können also nicht alle Verben Passivformen bilden. Dies kann syntak-
tische und semantische Ursachen haben.
Der syntaktischen Beschränkung der nicht Passivierbarkeit15 unterliegen
die einwertigen (wie in 59a.) und reflexiven Verben (59b.):
(59) a. Doch die Ikone bockt. (SZ 20.9.2005; S. 35)
→* Es wird doch von der Ikone gebockt.
b. Wir müssen uns zusammenraufen, [. . . ].
(SZ 20.9.2005; S. 42)
→* Uns wird zusammengerauft.
Es gibt aber subjektloses Passiv bei intransitiven und reflexiven Verben
(vgl. Beispiele in (60)).
(60) a. Es wird getanzt.
b. Es wurde laut gelacht.
c. Ich hoffe, es wird sich daran beteiligt.
Diesen Beispielen ist gemeinsam, dass keine spezifischen Subjekte auftre-
ten; Engel (2002) spricht in solchen Fällen sehr treffend vom generellen
Passiv.
15 Eine vollständige Liste aller Beschränkungen kann hier nicht gegeben werden.
111
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Semantische Beschränkungen gibt es u. a. in „Sätzen, bei denen das Akku-
sativobjekt einen Teil des Subjekts bezeichnet“ (Eichler und Bünting, 1996,
S. 119), wenn zwischen Subjekt und Akkusativobjekt eine metonymische
Relation besteht.
(61) Sie haben ihre Handschuhe vergessen.
→* Ihre Handschuhe wurden von ihnen vergessen.
Eine reguläre Passivumformung ist auch nicht möglich, wenn „das Sub-
jekt kein Agens (kein aktiver persönlicher Täter) ist“ (Helbig und Buscha,
1991, S. 172).
(62) Er bekommt eine Duldung bis zum Abschluss seines Asylverfah-
rens.
(www.existenzgeld.de; 20.9.2005)
* Eine Duldung wird von ihm . . .
Nach der Bildungsweise unterscheidet man drei Passivformen, die alle
analytische Verbformen sind:
– das werden-Passiv (eine Form des Hilfsverbs werden + das Partizip Per-
fekt des Vollverbs). Es wird auch Vorgangspassiv genannt (vgl. Tabelle
4.2).
Aktivformen Passivformen
Präsens: ich lese es wird gelesen
Präteritum: ich las es wurde gelesen
Perfekt: ich habe gelesen es ist gelesen worden
Plusquamp.: ich hatte gelesen es war gelesen worden
Futur I: ich werde lesen es wird gelesen werden
Futur II: ich werde gelesen haben es wird gelesen worden sein
Tabelle 4.2: Formen des Vorgangspassivs
‚Konstruktionen mit Subjekt’ können von transitiven Verben gebildet wer-
den. Sie werden meist als Ableitungen von den Aktivformen aufgefasst.
(63) Jeder Punkt wurde gefeiert.
(www.volleyballer.de; 20.9.2005)
‚Konstruktionen ohne Subjekt’ können auch von intransitiven Verben (wie
in (64b.)) gebildet werden.
(64) a. Nein, gestern wurde gefeiert im Lobedaer Klinikum.
112
Die flektierbaren Wortklassen
(www2.uni-jena.de; 20.9.2005)
b. In der Schule wurde geschwiegen.
(www.zeus.zeit.de; 20.9.2005)
– das sein-Passiv (eine Form des Hilfsverbs sein + das Partizip Perfekt des
Vollverbs). Es wird auch Zustandspassiv genannt (vgl. Tabelle 4.3).
Präsens: es ist gelesen
Präteritum: es war gelesen
Perfekt: es ist gelesen gewesen
Plusquamperfekt: es war gelesen gewesen
Futur I: es wird gelesen sein
Futur II: es wird gelesen gewesen sein
Tabelle 4.3: Formen des Zustandspassivs
In der Gegenwartssprache wird das sein-Passiv eigentlich nur im Präsens
und Präteritum verwendet. Es kann auch von einigen intransitiven Verben
gebildet werden.
(65) Eine Personalie ist geklärt, vieles andere noch nicht.
(http://archiv.tagesspiegel.de; 23.1.2006)
Das Zustandspassiv beschreibt das Ergebnis einer Handlung.
– das bekommen-Passiv (eine Form des Verbs bekommen + das Partizip Per-
fekt des Vollverbs). Es wird auch als Rezipienten- oder Dativpassiv be-
zeichnet, da neben dem Akkusativobjekt auch ein Dativobjekt beim Voll-
verb angelegt ist. Auch mit bedeutungsschwachem kriegen und erhalten
kann es gebildet werden. Das nachfolgende Beispiel (66a.) kann man, wie
in (66b.) angedeutet, inhaltlich ableiten.
(66) a. Türkei bekommt von den USA 200 Millionen Dollar geschenkt
(http://shortnews.stern.de; 17.9.2002)
b. Türkei (Subjekt/Empfänger) bekommt von den USA (Agens)
200 Millionen Dollar (Akkusativobjekt/Patiens) geschenkt
< Die USA (= Subjekt/Agens) schenken der Türkei (Objekt/
Empfänger) 200 Millionen Dollar (Akkusativobjekt/Patiens).
Die grammatische Beschreibung des Passivs beinhaltet noch eine Reihe
offener Fragen. Leiss (1992, S. 72) stellt dazu fest:
113
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Eine Definition des Passivs muß vor allem eine Antwort auf
die Frage nach dem ‚Warum‘ des Passivs geben können, d.h.
sie muß die Frage nach der Funktion des Passivs beantworten.
Sie diskutiert die ‚Vorstufungshypothese’, die besagt, dass „die Passivie-
rung primär durch das direkte Objekt ausgelöst wird. Die Leistung des
Passivierungprozesses ist danach, das direkte Objekt ‚vorzustufen‘, so daß
es zum ersten Argument des Satzes wird. “ (S. 84)
(67) Maria liebt Josef. →Josef wird von Maria geliebt.
Die ‚Rückstufungsthese’ sieht in der Tilgung des Agenssubjektes das Pri-
märe.
(68) Er wird in einer der folgenden Sitzungen gewählt, [. . . ].
(Der Spiegel, Wahlsonderheft 2005; S. 10)
2.) Bestimmen Sie die grammatischen Kategorien (formale und
funktionelle) der Verben nach dem Vorbild von ist!
Es ist wieder Eisweinzeit. Die frostigen Temperaturen werden von den
Winzern genutzt, um Trauben für diese oenologischen Spezialitäten zu le-
sen. Mindestens sieben Minusgrade und trockenes Wetter braucht es, da-
mit das Wasser in den Weinbeeren so gefroren ist, dass beim Keltern nur
ein hochkonzentrierter Saft austritt.
(SZ 23.12.2004; S. 12)
– ist: [3.P. Sgl.; Präsens: ’gegenwärtig’; Indikativ: ’wirklich’; Aktiv]
4.2.1.5 Wortbildung der Verben
Neue Verben entstehen in der Regel durch Derivation und nicht durch
Komposition.
Wunderlich (1987) hat nachgewiesen, dass es keine richtigen Verbkompo-
sita im Deutschen gibt und wahrscheinlich auch in den anderen Sprachen
nicht. Bildungen wie notlanden (’eine Notlandung vornehmen’) oder mäh-
dreschen (’mit dem Mähdrescher arbeiten’) sind, wie die Paraphrasierung
der Motivierung des Inhaltes zeigt, keine Komposita, sondern „Rückbil-
dungen“ (Verkürzungen) der Nomen Notlandung und Mähdrescher. Sie
werden auch als Pseudokomposita bezeichnet. Sie können auch nicht als
Partikelverben aufgefasst werden, weil sie im Gegensatz zu diesen meist
syntaktisch fest sind (sie fallen bei Flexion nicht auseinander).
114
Die flektierbaren Wortklassen
Auch die Suffigierung ist eingeschränkt. „Es gibt im Deutschen nur weni-
ge V-Suffixe (l, ig, ier wie in lächeln, reinigen, stolzieren)“ (Wunderlich, 1987,
S. 93).
Neue Verben werden überwiegend mit Präfixen und präfixartigen Par-
tikeln, die primär mit Präpositionen oder Adverbien korrespondieren,
abgeleitet. Sie treten an Verben und modifizieren sie semantisch und
syntaktisch.
Kühnhold und Wellmann (1973, S. 141ff.) beschreiben die möglichen syn-
taktischen Veränderungen der Basisverben bei der Präfigierung. Diese be-
treffen:
• Änderungen der Valenz des Grundverbs wie bei erwirtschaften:
wirtschaften >erwirtschaften jemandem etwas.
• Transitivierung des Grundverbs wie bei vertrödeln:
jemand trödelt >jemand vertrödelt die Zeit.
• Reflexivierung des Grundverbs wie bei sich versprechen:
jemand spricht >jemand verspricht sich.
• Mitwirkung bei der Verbalisierung nominaler Basen wie bei
ermannen oder betören.
• Aktionale Abstufung (vgl. Kapitel 5.3.1) wie beispielsweise bei blü-
hen: > erblühen ‘anfangen zu blühen’; > verblühen ‘enden zu blühen’.
Die Hauptleistung von Präfixen ist aber die semantische Modifizierung
des Verbs, an das sie treten.
Das Präfix bringt Inhaltsmerkmale hinzu mit distinktiver Funk-
tion sowohl gegenüber dem Grundverb als auch gegenüber
anderen Präfixverben. Es entsteht so eine Art System modifi-
zierender Abstufung der Basisverben, eine ausgesprochen se-
mantische Modifikation, wofür relativ zahlreiche Präfixe zur
Verfügung stehen, die für eine rein syntaktische Umwertung
des Simplex in dieser Vielfalt nicht erforderlich wären.
(Kühnhold und Wellmann, 1973, S. 142)
So kann eine ‘Intensivierung’ einer Handlung mit den Präfixen ver- (hin-
dern >verhindern), er- (dulden >erdulden), be- (mühen >bemühen) und zu-
(lassen >zulassen) gekennzeichnet werden. Dieser semantische Beitrag kann
außerdem noch durch eine Reihe von Partikeln (auf- >aufgliedern,ab- >ab-
schätzen,unter- >unterlassen, . . . ) eingebracht werden.
Präfixverben im weiteren Sinne werden von Meibauer (2002, S. 59) in An-
lehnung an Altmann und Kemmerling (2000) in vier Typen getrennt (4.7
auf der nächsten Seite):
115
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Präfixartige Verben
Präfixverb
entkommen
Partikelpräfixverb
vollkommen
Partikelverb
nahekommen
Doppelpartikelverb
hervorkommen
Abbildung 4.7: Typen von Präfixverben
• Präfixverben sind komplexe Verben, die mit echten Präfixen abgelei-
tet wurden. Diese echten Präfixe (ge-, er-, ver-, be-, ent-/ant-/emp-, zer-,
miss-) haben folgende Charakteristika:
–Sie haben heute keine frei vorkommenden Homonyme mehr.
–Sie sind im Falle der Flexion nie abtrennbar.
(Sie entkam der Polizei.)
–Sie sind in der Regel nicht akzentuiert.
–Sie bilden das Partizip Perfekt nicht mit ge- und beim Infinitiv
tritt zu nicht wortintern auf.
–Sie sind demotiviert und idiomatisiert.
• Partikelpräfixverben sind komplexe Verben, die mit Partikelpräfixen
gebildet wurden. Diese haben die meisten Eigenschaften der echten
Präfixe, unterscheiden sich von diesen in der Tatsache, dass sie freie
Entsprechungen haben und ihre Semantikund Motivierung oft noch
gut erschließbar sind.
• Partikelverben sind „gegenwärtig zweifellos das produktivste und
vielfältigste verbale Wortbildungsmuster“ (Altmann und Kemmer-
ling, 2000, S. 82). Sie haben folgende Spezifika:
–Sie haben frei vorkommende Homonyme (Präpositionen bzw.
Adverbien).
–Sie werden im Flexionsfall abgetrennt (Sie kamen sich nahe.)
–Sie tragen in der Regel den Hauptakzent.
–Sie bilden das Partizip Perfekt mit dem diskontinuierlichen Af-
fix [ge- -t/en] (nahegekommen, aufgesagt), das zwischen Partikel
und Verbstamm geschoben wird, und sie realisieren den Infini-
tiv mit wortinternem zu (nahezukommen). Die Flexive „trennen“
morphologisch die Partikel vom Verbstamm.
• Doppelpartikelverben wurden mit Doppelpartikeln (zweigliedrigen
Partikeln) deriviert und haben die Eigenschaften der Partikelverben.
Eine interessante morphologische Frage ist die schon angesprochene Bil-
dung des Partizips Perfekt der Partikelverben (herumrennen >herumge-
116
Die flektierbaren Wortklassen
rannt). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Klammer-
paradoxon, das auch bei der Ge- -e-Nominalisierung der Partikelverben
auftritt (das Herumgerenne). Man sieht traditionell darin ein paradoxes Phä-
nomen, weil der semantische Beitrag der diskontinuierlichen Morpheme
ge- -t/en und Ge- -e das gesamte Partikelverb betreffen würde und nicht
nur den Verbstamm, den es jeweils umschließt.
Müller (2003b) diskutiert für solche Bildungen wie Herumgerenne u. a. die
Frage, welches die zu Grunde liegende syntaktische Struktur sei, a. oder
b. in der folgenden Strukturübersicht:
a. N
Part
herum
N
V
renn
Ge- -e
b. N
V
Part
herum
V
renn
Ge- -e
Abbildung 4.8: Alternative Strukturen für Herumgerenne
Er spricht sich für a. aus und geht also offenbar davon aus, dass erst das
Nomen Gerenne verstanden wird und dann die Partikel „angefügt“ wird.
Er möchte dies aber nicht als Komposition aufgefasst wissen, weil es keine
sonstigen Komposita mit Doppelpartikeln wie herum gebe (Müller, 2003b,
S. 5). Nominale Komposita mit einem Adverb als Erstglied (Hervorhebung,
Rundumleuchte, Auswärtsspiel, . . . ) sind allerdings im Deutschen nicht un-
gewöhnlich (vgl. auch Fleischer und Barz (1995)).
Die Frage ist hier eigentlich, ob herum noch ein Adverb oder ein Affix bzw.
Affixoid ist. Da es zahlreiche verbale Bildungen mit herum gibt (herum-
kommen, herumbummeln, herumfahren, herumführen, . . . ), es also reihenbil-
dend ist, und seine ursprüngliche adverbiale Bedeutung (‘eine Bewegung,
Schwenkung im Bogen’ – Sie ging nach rechts herum.) häufig verloren hat,
ist es m. E. als Affixoid oder als affixartiges Morphem, wie es Erben (2000,
S. 27) nennt, anzusehen. Es bringt in Herumgerenne ein Element wie ‘Ziel-,
Plan- und Richtungslosigkeit’ ein, die das freie herum schon in Verbindung
mit um hat (Um Ostern herum . . . ). Müller schreibt von einer Unterspezifi-
kation der Partikel.
117
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Wenn man die vielen verbalen Bildungen mit herum betrachtet, sieht man,
dass herum polysem ist und jeweils eine Bedeutungskomponente einbringt:
–um den Baum herumfahren: ‘fahren’ ‘eine bogenförmige Richtung’;
–das Bild herumdrehen: ‘drehen’ ‘zur anderen Seite’;
–da sie herumbummeln: ‘bummeln’ ‘ziel- und planlos’;
–weil sie herumexperimentieren: ‘experimentieren’ ‘längere Zeit’.
Bildungen, wie Herumgerenne haben m. E. folgende Struktur:
N
Aff/Part
Herum
N
Aff/Präf
ge
V
renn
Aff/Suff
e
Abbildung 4.9: Struktur für Herumgerenne
Etwas Paradoxes ist hier nicht erkennbar: Mit dem Zirkumfix Ge- -e wird
aus dem Verb renn(en) das Substantiv Gerenne abgeleitet, und es werden
die semantischen Komponenten ‘iterativ’+ ‘negativ bewertet’ hinzuge-
fügt. Mit der affixoiden Partikel kommt eine weitere semantische Kompo-
nente zum Nomen hinzu. In Wendungen wie in (69) ist es die Komponente
‘ziel- und planlos’.
(69) Sarah – die Fußball für hirnloses Herumgerenne hält –
(www.dvd-center.de; 25.01.2006)
3.) Welcher Verbwortbildungstyp liegt vor bei bröckeln, abbrö-
ckeln, zerbröckeln?
118
Die flektierbaren Wortklassen
4.2.2 Substantive
4.2.2.1 Grammatische Charakteristika
Substantive, auch Nomen genannt16, haben im Deutschen eine heraus-
gehobene Stellung durch ihre Großschreibung, deren Einführung ein all-
mählicher Prozess war, der von dem Schriftsteller J. Ch. Gottsched 1749
folgendermaßen beschrieben wurde:
Man hat, um der Zierde halber, schon in alten Zeiten, den
Anfang jeder Schrift mit einem sogenannten großen Buchsta-
ben gemacht; und dadurch der ersten Zeile eines jeden Buches
ein Ansehen zu machen gesucht. Man gieng hernach weiter,
und gab auch jedem neuen Capitel, jedem neuen Absatze, und
endlich jeder neuen Periode, eben dergleichen Zierrath. End-
lich gaben, die Poeten [. . . ] jeder Zeile ihrer Gedichte, oder
jedem Verse, einen größeren und zierlichern Anfangsbuchsta-
ben. [. . . ]
Doch dabey blieb es nicht. Man wollte allmählich auch die Na-
men Gottes, der großen und berühmten Leute, der Länder und
Städte, und endlich aller Menschen ohne Unterschied, durch
dergleichen Anfangsbuchstaben von andern Wörtern abson-
dern, daß sie desto mehr in die Augen fallen sollten. Und da
dieses im Leben gute Dienste that: so fuhr man fort, und gab
auch gewissen Hauptwörtern, worauf viel ankam, diesen Vor-
zug. [. . . ]
Wir Deutschen aber sind noch weiter gegangen, und haben
wegen der,bey der letzten Art der Wörter vorkommenden vie-
len Unrichtigkeiten, derein sich viele nicht finden können, alle
Nennwörter, davor man ein, oder der, die, das setzen kann, mit
großen Buchstaben zu schreiben angefangen.
(Mentrup, 1980, S. 183–284)
Gottsched sieht also in der Verzierung, der Verbesserung der Lesefähigkeit
und der Hervorhebung der Hauptwörter die Gründe für die Großschrei-
bung. Er deutet aber auch die Probleme, die die Großschreibung mit sich
bringt, an. In der Geschichte der Normierung der deutschen Rechtschrei-
bung hat es gerade auch um die Großschreibung der deutschen Substan-
tive immer hitzige und emotionalisierte Diskussionen gegeben, die dieses
16 In der traditionellen inhaltsbezogenen Sprachbeschreibung auch als Hauptwörter, Ding-
wörter oder Nennwörter bezeichnet.
119
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
unikale Phänomen der deutschen Sprache verfestigt und später erhalten
haben.
Die Substantive werden dekliniert, d.h. sie haben die Möglichkeit, Genus
(grammatisches Geschlecht), Numerus (Zahl) und Kasus (Fall) anzuzei-
gen. Dies geschieht meist gemeinsam mit anderen Wörtern. Speziell den
Artikeln fällt diese Aufgabe zu. In dem nachfolgenden deutschen Sprich-
wort zeigt der Artikel den mit den Merkmalen [maskulin, singular, akku-
sativ] u.a. an, dass den Raben, obwohl die Nominalphrase an der Satzspitze
im Vorfeld steht, nicht das Satzsubjekt sondern das Objekt des Waschens
ist.
(70) Den Raben kann man nicht weißwaschen.
(Deutsches Sprichwort)
Aber auch Präpositionen, Adjektive oder Pronomen markieren die sub-
stantivische Deklination.
(71) a. Bei Nacht sind alle Katzen grau.
b. Jedem Narren gefällt seine Kappe.
(Deutsche Sprichwörter)
Die Genera:
Die Genera (die grammatischen Geschlechter) maskulin (männlich), fe-
minin (weiblich) und neutrum (sächlich) werden durch die Artikel bzw.
Pronomen in ihren Flexionsformen sichtbar. Mittels der Genusmarkie-
rung werden Bezüge zwischen Wörtern sichtbar.
(72) Beide Male wurde er aufgrund seiner Umstände ausgeschlossen:
Die zwei Versuche scheiterten.
(www.literaturcafe.de; 25.8.2005)
Die Frage nach den „Prinzipien der Genuszuweisung“ (Heringer (1995))
wird schon seit der Entstehung der germanistischen Grammatiktheorie
kontrovers diskutiert. Dies betrifft zum einen die Frage, ob es überhaupt
Prinzipien der Genuszuweisung gibt und zum anderen, ob diese Prinzipi-
en semantischer oder formalgrammatischer Natur sind. Heringer schätzt,
dass bei den 1000 hochfrequenten deutschen Substantiven bei etwa 50%
das Genus erklärbar ist (S. 205). Als relevante Regeln führt er u.a. an:
• Die oberste Formregel besagt, dass Komposita das Genus des Grund-
worts haben (das Rattengift, die Wanderratte).
120
Die flektierbaren Wortklassen
• Eine weitere Formregel ist das Suffixprinzip: Substantivsuffixe weisen
das Genus zu (das Kleid →die Kleidung).
• Das Leitwortprinzip legt für entlehnte Fremdwörter das Genus fest: Sub-
stantive können das Genus eines assoziativ verbundenen Substantivs ha-
ben (das Spiel →das Match, das Hockey).
• Auslautregeln können Tendenzen angeben: z. B. : Substantive auf -b sind
nicht feminin (das Lob, der Dieb).
• Sexusmarkierte Substantive sind feminin, wenn sie weibliche Lebewe-
sen bezeichnen, und maskulin, wenn sie männliche Lebewesen benennen
(die Mutter – der Vater; die Nichte – der Cousin).
Die Numeri:
Singular und Plural markieren oft, dass etwas einmal oder mehrfach
vorhanden ist.
Die Numeri können aber nicht grundsätzlich mit Einzahl und Mehrzahl
gleichgesetzt werden, da der Singular auch Kollektives (Der Zebrafink ist
ein Vogel.) oder ungegliederte Vielheiten (das Laub, die Armee, das Gebüsch,
...) bezeichnen kann. Auch die Pluralform benennt nicht immer eine Viel-
zahl. Es kann auch die Gegliedertheit eines Objektes gemeint sein (die Wir-
ren, die Alpen17 . . . ). Darüber hinaus gibt es Lexeme bzw. Bedeutungsvari-
anten von ihnen, die nicht pluralfähig sind (das Gold).
Der markierte Fall ist in der Regel der Plural; was mehr ist, wird dann mit
einem Mehr an Form gekennzeichnet. Der Plural wird im Deutschen mit
verschiedenen Mitteln gebildet (vgl. Tabelle 4.4 auf der nächsten Seite):
17 Die Alpen sind ein Pluraltantum, ein Substantiv, das nur im Plural vorkommt.
121
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
mit Pluralflexiven: -e:Tisch-e
-n:Rose-n
-en:Frau-en
-er:Kind-er
-s:Auto-s
-a:Lexik-a
Ø: Kabel
...
mit Umlautungen (+ Pluralflexiven): Väter, Wälder
mit Lexemen, die im Singular stehen: der Mensch – die Menschheit,
der Bürger – das Bürgertum
Tabelle 4.4: Pluralbildung
Auf dem letzten Mittel der Pluralbildung basiert nachfolgender Scherz:
In Bayern herrscht die weit verbreitete Meinung, das Wort Viel-
falt sei die Mehrzahl des Wortes Einfalt.
Dieser Ausspruch stammt aus einem Programm der neunziger
Jahre des bayrischen Kabarettisten Sigi Zimmerschied.
(SZ 24.8.2005; S. 31; Leserbrief)
Die Kasus:
Die Kasus des Deutschen sind Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ.
Sie werden hauptsächlich durch die Artikel angezeigt. Am Substantiv
werden sie nur zum Teil durch Flexive markiert.
Bezogen auf die Verteilung der Flexive werden nach Gallmann und Sitta
(1996) drei Deklinationsarten unterschieden, die „sich anhand der Form
des Genitivs auseinander halten“ lassen. (S. 55) Es werden danach unter-
schieden (4.5):
die Nulldeklination: Substantiv hat keine Genitivendung
der Frau
die s-Deklination: Substantiv hat -es/-s Genitivendung
des Mann(e)s
die n-Deklination: Substantiv hat -en/-n Genitivendung
des Menschen
Tabelle 4.5: Arten der Substantivdeklination
122
Die flektierbaren Wortklassen
Die Funktion der Kasus liegt in der Satz- und Phrasenorganisation, sie
zeigen die syntaktischen Rollen an und bringen die Beziehungen der
Wörter zueinander zum Ausdruck.
Über die Semantik der Kasus gibt es im Rahmen funktionaler und inhalts-
bezogener Sprachbetrachtungen viele Untersuchungen, die das Ziel hat-
ten, den einzelnen Kasus „kognitiv fundierte ‚einheitliche‘ Kasusfunktio-
nen“ zuzuschreiben, was sich aber als unmöglich herausgestellt hat (Wil-
lems, 1997, S.181). Willems sieht es aber als möglich an, syntaktisch fun-
dierte „designative Kasusfunktionen“ (S. 185) zu ermitteln. Folgende pri-
märe Kasusfunktionen nimmt er an:
• Nominativ:
Funktion der weiter zu determinierenden Imposition18, d. h., das durch
das Nomen im Nominativ Eingeführte muss weiter determiniert werden.
Die Determination kann verbal, nominal, adverbial oder adjektivisch er-
folgen:
(73) a. Die Frau lacht.
b. Die Frau ist Lehrerin.
c. Die Frau ist dort.
d. Die traurige Frau
• Genitiv:
Er hat im Gegenwartsdeutschen an Bedeutung verloren. In Anlehnung an
R. Jakobson wird er als „beschränkender bzw. besondernder“ Umfangs-
kasus verstanden, d. h., mit dem Nomen im Genitiv wird eine „Einschrän-
kung des Umfangs der durch den G weiter spezifizierten Größe“ vorge-
nommen (Willems, 1997, S. 192).
(74) a. Er verkauft das Haus.
b. > Er verkauft das Haus des Vaters.
• Dativ:
Er hat nach Willems (1997, S. 196) die einheitliche Funktion „Inkohärenz-
stiftung“, d. h. die im Dativ genannte Größe wird „als von der eigentli-
chen Handlung ‚isoliert‘, ‚abgelöst‘ oder ‚frei‘ dargestellt“ (Willems, 1997,
S. 205). In dem Beispiel (75) ist die Dativ-NP (dem Freund) eine Größe,
auf die die Handlung nur orientiert ist, sie hat eine gewisse Unabhängig-
keit.
18 Von lateinisch impositio abgeleitet, ‘das Aufgelegte’.
123
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
(75) Er gab dem Freund ein Buch.
• Akkusativ:
Er hat nach Willems (1997, S. 196) die Kernbedeutung „Kohärenzstiftung“.
In dem Beispiel (76) stellt das Nomen im Akkusativ (ein Buch) eine Verbin-
dung zum Nomen im Nominativ (Josef ) her.
(76) Josef liest ein Buch.
Fillmore (1968) hatte mit seinem Aufsatz, der den schönen Titel „The Case
for Case“ trägt, frischen Wind in die Kasustheorie gebracht. Seine Grund-
idee, dass den Oberflächenkasus (den Kasusformen) Tiefenkasus (seman-
tische Rollen) zuzuordnen seien, wurde in der Folge in alle grammati-
schen Frameworks einbezogen. Dabei konnte keine Einigkeit über die An-
zahl und die Benennung der Tiefenkasus, die von Fillmore als universal
gedacht waren, erzielt werden. In der Generativen Grammatik werden sie
Thetarollen genannt und im Lexikon als zentrale Schnittstelle zwischen
syntaktischen und semantischen Eigenschaften der Wörter angesehen. So
vergibt aus dieser Sicht das Verb geben drei syntaktische Positionen, denen
jeweils eine Thetarolle zugewiesen wird (4.10):
geben
Subjektposition
Agens (Geber)
Objektposition
Thema (Gegebenes)
Objektposition
Patiens (Empfänger)
Abbildung 4.10: Tiefenkasus
Den Oberflächenkasus können folgende Tiefenkasus zugewiesen werden:
• Agens = Urheber oder Verursacher einer Handlung
(Der Wind schüttelt den Baum.)
• Patiens = von der Handlung betroffenes Objekt
(Der Wind schüttelt den Baum.)
• Thema = das Ausgesagte
(Er gibt ihr einen Kuss.)
• Location = der Ort
(Sie wohnt in Jena.)
4.2.2.2 Substantivklassen
124
Die flektierbaren Wortklassen
A. Konkrete und abstrakte Substantive:
Die Nomen werden in Konkreta und Abstrakta differenziert.
Konkreta haben gegenständliche Bedeutung.
Sie werden wie nachfolgend (Abbildung 4.11) untergliedert:
Konkreta
Propria
(Hegel)
Appelativa
(Tisch)
Kollektiva
(Herde)
Stoffe
(Milch)
Abbildung 4.11: Klassen der Konkreta
Die Nomen werden aus semiotischer Sicht auch als Namen betrachtet.
Dabei werden zwei Hauptarten unterschieden, die Eigennamen (nomen
propria) und die Gattungsnamen (nomen appellativa).
• Propria sind Eigennamen. Sie dienen dazu, „Einzelwesen bzw. Einzel-
objekte innerhalb einer Vielzahl gleichartiger Wesen bzw. Objekte gera-
de in ihrer Einmaligkeit zu identifizieren und unmittelbar zu bezeichnen“
(Kunze, 1999, S.11). Eigennamen haben nicht nur Personen sondern auch
Örtlichkeiten, Gruppen, Götter, . . . . Ihre Funktion ist, Einzelobjekte (z. B.
Donau) bzw. Einzelwesen (z. B. Friedrich Schiller) zu identifizieren und
direkt zu bezeichnen. Derselbe Eigenname kann sich immer nur auf den-
selben Namensträger beziehen. Die speziellen Eigenschaften von Eigen-
namen werden kontrovers diskutiert. Dies betrifft z. B. die Frage, ob sie ei-
ne oder keine lexikalische Bedeutung haben. Die Auffassung, dass sie gar
keine lexikalische Bedeutung haben, wird hier nicht geteilt. Beispielsweise
haben die Rufnamen – wie Maria und Josef – oder Familiennamen – wie
Becker oder Merkel – keinen Bezug auf Charakteristika der Namensträger,
sie sind aber nicht inhaltsleer. Mit Maria ist die Information verbunden,
dass es eine „weibliche Person“ ist. Mit Becker, dass es „ein Mensch“ ist.
Propria haben grammatisch einige Besonderheiten, einen eingeschränkten
Artikelgebrauch, Besonderheiten in der Pluralbildung und Deklination.
Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich damit (vgl. u.a. Gallmann und
Neef (2005)).
Bezüglich des Artikelgebrauchs lassen sich drei Typen unterscheiden (Kar-
nowski und Pafel, 2005, S. 46):
–Der definite Artikel fehlt im Standarddeutschen:
125
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
bei Personen-, Stadt- und Staatsnamen im Singular (z. B. Friedrich
Schiller, Weimar, Deutschland).
–Der definite Artikel ist im Standarddeutschen obligatorisch:
bei Fluss-, Berg- und Planetennamen, (z. B. die Elbe, das Matterhorn,
die Venus).
–Der definite Artikel ist fakultativ:
bei Personennamen in der Umgangssprache (z. B. Maria Meier/Die
Maria Meier wohnt dort.).
• Appelativa sind Gattungsnamen. Sie „dienen hauptsächlich dazu, ei-
ne Vielzahl gleichartiger Objekte bzw. Sachverhalte als Angehörige einer
Gattung zu erfassen und entweder diese Gattung als solche oder Einzel-
objekte bzw. Sachverhalte als Anghörige dieser Gattung zu bezeichnen“
(Kunze, 1999, S. 11). Gleichartige Objekte (z. B. Tische oder Lilien) bzw.
Sachverhalte (z. B. Freundschaft oder Frieden) werden also als Angehöri-
ge einer Gattung erfasst. Derselbe Gattungsname kann sich in den Kom-
munikationsereignissen auf wechselnde Objekte beziehen (wie Frieden in
(77)).
(77) a. 350 Jahre Westfälischer Friede 1998.
(www.muenster.de/friede; 1.5.2006)
b. Frieden in Darfur und Norduganda?
(www.uni-kassel.de/fb5/frieden; 28.6.2006)
c. Religiöser Friede ersetzt nicht weltliche Gerechtigkeit, sondern
setzt sie voraus. (www.google.de/archiv.tagesspiegel.de/ar-
chiv/15.10.2000; 1.5.2006)
• Kollektiva (Sammelnamen) bezeichnen im Singular eine Anzahl gleich-
artiger oder ähnlicher Einzelerscheinungen, die als Einheit gesehen wer-
den (z. B. Bürgerschaft, Gebüsch, Regierung).
• Stoffbezeichnungen (Stoffnamen) dienen zur Bezeichnung von Materia-
lien (z. B. Salz, Gold, Bier). Sie werden nur im Singular benutzt. Wenn sie
im Plural oder mit einem unbestimmten Artikel verwendet werden, wech-
seln sie in die Klasse der Appellativa über (z. B. Salze, ein Bier), weil sie sich
nicht mehr auf das Material an sich, sondern auf verschiedenen Arten des
Materials beziehen.
Abstrakta haben keine gegenständliche Bedeutung. Sie bezeichnen
Konzepte über Erscheinungen in der Welt und Vorgestelltes.
Sie können in Subklassen unterteilt werden (Tabelle 4.6 auf der nächsten
Seite; vgl. auch Eichler und Bünting (1996); Teubert (1979)):
126
Die flektierbaren Wortklassen
Abstrakta
Handlungsbezeichnungen: z. B. Bebauung
Vorgangsbezeichnungen: z. B. Wachstum
Zustandsbezeichnungen: z. B. Glück
Eigenschaftsbezeichnungen: z. B. Schönheit
Beziehungsbezeichnungen: z. B. Verwandtschaft
Gefühlsbezeichnungen: z. B. Zuneigung
geistige Konzepte: z. B. Materialismus
Tabelle 4.6: Klassen der Abstrakta
B. Absolute und relative Substantive:
Bereits die Junggrammatiker hatten in einer Unterscheidung in absolute
und relative Substantive eine grammatische Differenzierung gesehen.
Für die Satzlehre kann nur eine solche Einteilung der Wörter
in Frage stehen, die sich auf den Satzzusammenhang bezieht.
[. . . ] Für die Substantive kommt daher nur die Gliederung in
absolute und relative Substantive in Betracht, je nachdem [ob]
ein Substantiv für sich schon eine abgeschlossene Bedeutung
hat oder eine Ergänzung durch ein anderes Substantiv im Satze
erfordert.
(Wunderlich und Reis, 1925, S. 174)
• Absolute (auch avalente genannt) Substantive haben eine für sich schon
abgeschlossene Bedeutung. Dies sind beispielsweise Bezeichnungen für
Lebewesen (Rose, Katze, Frau), für Sachen (Schrank, Auto), für Naturer-
scheinungen (Regenbogen) oder für Allgemeines (Recht).
• Relative Substantive haben dagegen keine abgeschlossene Bedeutung.
Oftmals werden relative Substantiveauf von Verbenund Adjektiven abge-
leitete Nomen beschränkt und von relationalen Substantiven abgegrenzt.
Relationale Substantive meint dann, nicht abgeleitete, relative Substanti-
ve. Relative und relationale Substantive sind ergänzungsbedürftig.
Relative Substantive sind nominalisierte Substantive, die die Eigenschaft
der Rektion von ihrer Basiswortklasse mitgebracht haben. Allerdings kann
sich die Valenz ändern mit dem Wortartenwechsel. Wie in Römer (1987)
am Beispiel eines Korpus von deverbalen -ung-Ableitungen dargestellt,
bleibt da, wo zwischen dem abgeleiteten Nomen und dem Basisverb ei-
ne weitgehende Bedeutungsähnlichkeit besteht, die Anzahl und Art der
Aktanten erhalten, wie bei hoffen und Hoffnung, die beide eine Agens- und
Patiensgröße für ihre volle Bedeutungsentfaltung benötigen. Wenn es je-
127
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
doch zu Bedeutungsveränderungen kommt, gibt es keine regelmäßigen
Beziehungen, die Argumentvererbung kann erfolgen, muss es aber nicht.
Es kann zu Argumentdifferenzierungen kommen, wie bei heizen und Hei-
zung, wo eine Argumentstellenreduzierung auftritt.
Lokies (1992) nimmt 5 Relationsklassen bei den relationalen Substantiven
an:
–Ausdruck von Zuordnungsrelationen
(z. B. der Stiefbruder von Josef = eine verwandtschaftliche Zuordnung)
–Ausdruck von Teilrelationen
(z. B. die Grenze des Gartens = lokale Teilbezeichnung)
–Ausdruck von Strukturierungsrelationen
(z. B. ein Glas Wein = Behälterstruktur)
–Ausdruck von Vereinigungsrelationen
(z. B. ein Schwarm Bienen = Gemeinschaft)
–Ausdruck von Quantifikationen
(z. B. ein Liter Milch = Maßrelation)
C. Substantivvalenzklassen:
Das Wörterbuch der Valenz und Distribution der Substantive von Som-
merfeldt und Schreiber (1977) unterscheidet nach der Valenz folgende
Substantivvalenzklassen:
Substantive ohne Aktanten z. B. das Donnern, Blitzen
Substantive mit einem Aktanten z. B. das Fallen des Laubes
Substantive mit zwei Aktanten z. B. das Vertrauen der Schüler zum Lehrer
Substantive mit drei Aktanten z. B. die Lieferung der neuen Ware
an das Geschäft durch den Zwischenhändler
Tabelle 4.7: Valenzklassen
4.) Bestimmen Sie die Substantive hinsichtlich der grammati-
schen Kategorien und nach den angesprochenen Klassifikatio-
nen (Muster Jahre)!
Über 30 Jahre Krieg haben in Angola Generationen von Kindern die Chan-
ce auf Bildung geraubt. Statt Lesen und Schreiben mussten viele von ihnen
den Umgang mit Waffen lernen. (UNICEF-Nachrichten, 3, 2005; S. 3)
– Jahre: [neutrum, nominativ, plural]; Abstraktum, relationales Substan-
tiv.
128
Die flektierbaren Wortklassen
4.2.2.3 Substantivwortbildung
Als ein Charakteristikum der deutschen Sprache wird die Komplexheit
vieler Substantive angenommen, d. h. sie bestehen aus mehr als einem
Basismorphem.
Manche, wie Mark Twain, sehen im Deutschen die Tendenz zur „Wort-
monsterbildung“. Manche Schriftsteller oder Journalisten spielen damit,
nutzen diese mehrfach zusammengesetzten Substantive auch als Mittel
des Humors und der Ironie (78).
(78) Bis zum Wahlabend am 18. September warten die Sender mit
Dutzenden von Sondersendungen über und mit Schrödermerkelfi-
scherwesterwellestoiberlafontainegysiundwiederwesterwelle auf.
(Der Spiegel 34, 2005; S. 143)
Alle Wortbildungsarten sind bei den Substantiven vertreten. Die Mehr-
zahl der morphologisch komplexen Substantive sind jedoch Determina-
tivkomposita. Auch Umkategorisierungen anderer Wortarten (= impli-
zite Derivationen/Nominalisierungen) sind häufig anzutreffen.
A. Substantivkomposita
Auch wenn die zum Teil sehr umfangreichen Komposita manchmal einen
undurchschaubaren bzw. „unleserlichen“ (Sick, 2004, S. 71) Eindruck ma-
chen, sind sie in der Regel verstehbar. Dies liegt an ihrem regelhaften Auf-
bau, der gekennzeichnet ist durch nachfolgende Charakteristika:
• Zwei Wörter (79a.) oder eine Wortgruppe und ein Wort (79b.) wer-
den zu einem neuen Wort verknüpft.
(79) a. Digitale Dunkelkammer (linuxuser 03.2006, S. 73]
b. Sie muss ein Oh-wie-lecker-Gesicht machen.
(Der Spiegel 36, 2005; S. 45)
• Sie sind in der Regel binär aufgebaut, wie in dem Beispiel (4.12 auf
der nächsten Seite).
• Sie sind häufig strukturell ambig, d. h. sie lassen mehrere strukturel-
le Gliederungen zu, wie in dem Lexem Hochbildungsgesellschaft,19 das
entweder in die zwei UKs Hochbildungs &gesellschaft oder in Hoch &
bildungsgesellschaft zerlegt werden kann.
19 Der Spiegel 40, 2005; S. 87
129
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Spitzenlangkornreis
Spitzen langkornreis
langkorn
lang korn
reis
Abbildung 4.12: Binäre Kompositastruktur
• In der Regel ist die zweite unmittelbare Konstituente der grammati-
sche Kopf, der die morphologischen Merkmale für das Gesamtwort
festlegt, wie in dem Beispiel das postgelbe Fahrrad:
(80) postgelb: Nomen + Adjektiv = Adjektiv
Fahrrad: Verb + Nomen = Nomen
Unterarten der Komposition:
Nach den logisch-semantischen Beziehungen zwischen den unmittelba-
ren Konstituenten lassen sich drei Hauptarten der deutschen Komposita
unterscheiden:
• Determinativkomposita:
Zwischen den beiden UKs besteht eine determinierende Relation;
die erste UK bestimmt in der Regel die zweite UK näher. Die Konsti-
tuenten sind deshalb auch nicht ohne gravierende semantische Ver-
änderungen umtauschbar (vgl. Beispiele in (81)).
(81) Redenberater vs. Beraterreden
Filterkaffee vs. Kaffeefilter
Fassbier vs. Bierfass
Die Hauptbetonung liegt auf der ersten Konstituente.
’1. UK (= Bestimmungswort) 2. UK (= Grundwort)
Regenschirm: ’Schirm gegen den Regen’
Kochtopf: ’Topf zum Kochen’
Es gibt auch wenige Fälle, bei denen die erste UK von der zweiten
determiniert wird. Dann ist jedoch die zweite UK der grammatische
Kopf, der Genus, Numerus und Kasus festlegt.
130
Die flektierbaren Wortklassen
1. UK (= Grundwort) 2. UK (= Bestimmungswort)
die Strumpfhose: ’Strumpf in Hosenform’
• Kopulativkomposita:
Zwischen den beiden UK besteht eine koordinierende, gleichberech-
tigte (’und’) Relation, die dazu führt, dass beim Weglassen einer
UK eine deutliche semantische Modifikation zu Stande kommt. Die
Hauptbetonung liegt auf der zweiten unmittelbaren Konstituente.
Die Hauptstadt von Sachsen-’Anhalt ist Magdeburg. vs. Die Hauptstadt
von Sachsen ist Magdeburg.
Kopulative Komposita werden gebildet, um mehrere Eigenschaften
einer Sache aufzuzählen.
(82) a. E. T. A. Hoffmann: . . . Mit spitzem Stift attackiert der in-
nerlich zerissene Jurist-Dichter-Komponist-Zeichner Krie-
chertum und Dünkel seiner Beamten-Kollegen.
(www.polen-und-deutsche.de; 25.5.2006)
b. Der Berliner Malerdichter Roger Loewig ist tot.
(www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv;
25.5.2006)
Wenn dabei zwei Substantive mit unterschiedlichem Genus in koor-
dinativer Absicht verknüpft werden, kann es schnell passieren, dass
durch die „Schwere“ des grammatischen Kopfes eine Verschiebung
zu determinativer Lesart passiert, wie dies bei Strumpfhose, Hosen-
rock oder Kinocafé eingetreten ist20.
Auch in Gebrauchsanweisungen und in Kochrezepten kommen De-
terminativkomposita mit einer kopulativen Erst-UK vor:
Apfel-Speck-Spieße, Möhren-Schoko-Kuchen,
Kartoffel-Pilz-Auflauf
(meine Familie & ich 9, 2005; S.54, 62, 22)
• Zusammenrückungen:
Sie werden zu den Komposita gerechnet, weil die UKs Wörter bzw.
Basismorpheme sind, die sich zu einem neuen Wort vereinigen. Ab-
weichend zu den anderen Komposita bildet die zweite UK nicht den
grammatischen Kopf. Beispielsweise allerorten in (83) ist ein Adverb,
20 Genauer in Römer (2000).
131
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
das aus einem Pronomen und Nomen gebildet wurde. Die zweite
UK hat ihre grammatischen Merkmale nicht auf das Wort vererbt.
(83) . . . blütenreine Entwürfe allerorten.
(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 9.10.2005; S. 63)
Unterarten der Determinativkomposition:
• Determinativkomposition im engeren Sinne:
Die semantischen Relationen zwischen den UKs können verschie-
denartigste Beziehungen ausdrücken. Diese sind m. E. auf drei se-
mantische Basisrelationen in Determinativkomposita zurückführbar:
–Prädikationsrelationen (= Prädikat-Argument-Strukturen):
Sie sind Verkürzungen von Strukturen mit den Verben ‚haben’,
‚tun’ oder ‚sein’:
–Hausbesitzer ←Besitzer ‚haben’ Haus
–Kartenlesegerät ←Gerät ‚tun’ Karten lesen
–Trashkultur ←Kultur ‚sein’ Trash
–Relatorrelationen (= Argument-Relator-Argument-Strukturen):
Sie sind Verkürzungen von Strukturen mit Präpositionen oder
Konjunktionen:
–Einrichtungsgebühr ←Gebühr ‚für’ Einrichtung
–Riesenskandal ←Skandal ‚wie’ Riesen (so groß)
–Kasusrelationen (= Kopf-Modifikator-Relationen):
Sie sind Verkürzungen von Strukturen mit Genitiven:
–Autodieb ←Dieb ‚des’ Autos
–Gemeindeverwaltung ←Verwaltung ‚der’ Gemeinde
• Rektionskomposition:
Bei ihr liegt eine Argument-Struktur zwischen den UK vor. Die ers-
te UK ist ein Argument der zweiten, dadurch wird die semantische
Relation zwischen den UKs festgelegt.
In der Überschrift (84) kommen zwei Komposita vor.
(84) Gegen die Vogelgrippe muss man sich wappnen wie vor ei-
nem Erdbeben oder Hurrikan
(SZ 11.10.2005; S. 4)
132
Die flektierbaren Wortklassen
Vogelgrippe ist eine Determinativkomposition im engeren Sinne mit
Kopf-Modifikator-Relation (‚eine Grippe des Vogels’); das modifizie-
rende Argument wird von dem Kopf des Kompositums nicht „ver-
langt“, da es (Grippe) ein absolutes Substantiv ohne Rektion ist.
Erdbeben dagegen ist ein Rektionskompositum, weil innerhalb der
Kopf-Modifikator-Relation (‚ein Beben der Erde’) der Kopf ‚Beben’,
der eine Nominalisierung des Verbs beben ist, eine Rektion hat. Es
wird logisch analog zum Ausgangsverb ein Agens verlangt, das im
Rektionskomposition die erste UK-Stelle besetzt:
Nomen
Nomen
Erd
Nomen
beben [+ Agens]
Abbildung 4.13: Rektionskompositum
133
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
• Possessivkomposition:
Bei der Possessivkomposition dient ein possessives (zum Denotat
gehöriges) Merkmal zur Bezeichnung des gesamten Denotats. Bei-
spielsweise:
Rotkehlchen: ‚ein Vogel mit rotem Kehlchen’.
Wie bei der Zusammenrückung ist der semantische Kopf außer-
halb. Aber anders als bei der Zusammenrückung ist der grammati-
sche Kopf im Wort und vererbt seine grammatischen Merkmale dem
Kompositum:
Nomen
Adjektiv
Rot
Nomen
Nomen
kehl
Suffix
chen
Abbildung 4.14: Possessivkompositum
• Konfixkomposition:
Von Konfixkomposition spricht man dann, wenn eine (manchmal
sogar alle zwei, wie in Phonothek) UK ein verkürztes entlehntes Ba-
sismorphem (= Konfix) ist. So werden in jüngster Zeit oft Bildungen
mit Polit- oder Bio- geschaffen.
– Polit-Neulinge, Polit-Strategen, . . .
(Der Spiegel 41, 2005; S. 36, 38)
– Bio-Siegel, Biotechnologie, Bioenergie, . . .
(www.Google.de; 21.10.2005)
134
Die flektierbaren Wortklassen
• Zusammenbildungen:
Besonders häufig kommen bei Substantiven Zusammenbildungen
vor21. Diese sind dadurch charakterisiert, dass die 1. UK eigentlich
eine Wortgruppe ist (wie in 85a.) oder ein Satz(fragment) (85b.), das
in der zusammengefügten Form nicht als ein Wort frei vorkommt.
Diese 1.UK modifiziert die 2. UK.
(85) a. eine „Herz-Jesu-Fraktion“
(Der Spiegel 41, 2005; S. 30)
b. Die Ich-weiß-nicht-Wahl (SZ 24.8.2005, S. 4)
Sie werden auch als Phrasenkomposita bezeichnet.22 Sie haben also
die Struktur (4.15):
N
WG
X Y (...) N
Abbildung 4.15: Struktur von Phrasenkomposita
Sie sind auch in Bezug auf die grammatiktheoretische Beschreibung
interessant, da Wortkonstituenten, die Wortgruppen oder Sätze sind,
„gegen zentrale Prinzipien der Wortbildung“ verstoßen (Meibauer,
2003, S. 185).
Da die zusammengebildeten Erstglieder oftmals lexikalisiert sind,
haben die Phrasenkomposita Ähnlichkeiten mit Idiomen.
5.) Suchen Sie die Komposita heraus und bestimmen Sie die Un-
terart!
Umsturz in der Tschechoslowakei. Alles geht rasch. Wie immer, wenn ein
Kartenhaus zusammenfällt. Sorge um unsere Freunde. Dazu die Schaden-
freude meiner Bekannten, . . .
(Max Frisch: Tagebuch 1946-1949. Volk und Welt: Berlin 1987, S. 213)
21 Meibauer (2003) spricht davon, dass sie verstärkt seit den 1960er J ahren registriert wor-
den si nd (S. 153).
22 Zusammenbildungen gibt es auch bei der Derivation.
135
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
B. Substantivableitungen
Neue Substantive entstehen auch durch die Ableitung (Derivation) mit
sichtbaren Affixen oder Nullmorphemen aus schon vorhandenen Wör-
tern.
Von einer expliziten Derivation spricht man dann, wenn ein sichtbares
Wortbildungsaffix an das Lexem tritt. Wie das Lexem Achtung (acht(en)
+-ung) zeigt, können neue Substantive durch Suffigierung entstehen. Bei
den substantivischen Suffixen gibt es auch einige wenige, die nicht die
Wortart des Basiswortes verändern. Sie modifizieren nur die Bedeutung.
Dies trifft zum einen auf die Diminutivsuffixe (-chen, -lein, -i) und zum an-
deren auf Movierungssuffixe23 (-er, -ich, -erich, -in) zu. Die Suffixe werden
als grammatische Köpfe aufgefaßt, weil sie die grammatische Kategorisie-
rung festlegen.
Wenn ein Präfix an ein Substantiv gefügt wird, handelt es sich um eine
Substantivpräfigierung; so kann an Achtung das Präfix miss- treten, das
die Bedeutung des Basissubstantivs modifiziert24.Miss- negiert in die-
sem Fall die Bedeutung des zugrundeliegenden Wortes (’keine Achtung’).
Miss- kann aber auch das Bedeutungselement ’schlecht/verkehrt’ einbrin-
gen (Missernte, Missverhältnis).
N
V
Acht
Suffix
ung
N
Präfix
Miss
N
V
acht
Suffix
ung
Abbildung 4.16: Explizite Substantivderivationen
23 Movierungssuffixe machen aus nur männlichen bzw. nur weiblichen Personenbezeich-
nungen auch weibliche bzw. auch männliche Personenbezeichnungen: z. B. Hexe >He-
xer;Lehrer >Lehrerin.
24 Missachtung kann auch als explizite Derivation von missachten aufgefasst werden; vgl.
Klosa (1996, S. 88).
136
Die flektierbaren Wortklassen
Die Zahl der Präfixe, die sich mit Substantiven verbinden, ist nicht groß.
Sie wird jedoch durch homonymische Präfixe – wie Haupt- (Hauptstraße,
Hauptstadt, Hauptleitung . . . ) oder Blitz- (Blitzumfrage, Blitztelegramm, Blitz-
schach . . . ) – aktuell erweitert.
Ziemlich produktiv ist die kombinatorische Derivation mit den diskonti-
nuierlichen Wortbildungsaffixen Ge- -Ø und Ge- -e. Hier treten gleichzei-
tig ein Präfix und ein Suffix an ein Ausgangswort. Das Präfix und Suffix
bilden zusammen ein diskontinuierliches Wortbildungsmorphem (= Zir-
kumfix). Deren Struktur verdeutlicht die Abbildung 4.17.
N
Aff/Präf
Ge
V
würz
Aff/Suff
Ø
N
Aff/Präf
Ge
V
schimpf
Aff/Suff
e
Abbildung 4.17: Kombinatorische Substantivderivationen
Neue Substantive können auch durch die syntaktische Umkategorisierung
ohne sichtbare Wortbildungsaffixe entstehen. Dies wird traditionell als im-
plizite Derivation bezeichnet. Dies sind beispielsweise Verb- und Adjek-
tivnominalisierungen.
N
V, Flexiv
Hust en
Aff/Suff
Ø
V
Adj
Deutsch
Aff/Suff
Ø
Abbildung 4.18: Implizite Substantivderivationen
Bei der Nominalisierung von Verben werden in der Literatur unterschied-
liche Subarten angenommen:
Motsch (2004, S. 323) unterscheidet vom semantischen Blickwinkel aus,
die „reine Nominalisierung oder Umkategorisierung von Nominalisie-
rung mit zusätzlichen semantischen Veränderungen“. Diese Unterschei-
dung ist für eine strukturelle Beschreibung ungünstig, da in einem Struk-
turmuster sowohl reine als auch semantisch erweiterte Nominalisierun-
gen auftreten können. In der Bedeutungsstruktur eines nominalisierten
137
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Lexems, wie es bei Essen der Fall ist, kann sowohl eine reine als auch se-
mantisch erweiterte Nominalisierungen angenommen werden:
(86) a. Ein warmes Essen auf den Tisch bringen.
(‚Essen’ = Speise [+konkret])
b. Josef zum Essen einladen. (‚Essen’ = Tätigkeit)
Traditionell unterscheidet man bei den Verbnominalisierungen ohne Suffi-
xe zwischen „Rückbildungen“ und „Konversionen“. Von Rückbildungen
spricht man dann, wenn das Verb älter ist als das Nomen (schauen >Schau)
und ohne die Infinitivendung die Wortart wechselt (Fleischer, 1983a, S.72).
Konversion wird angenommen, wenn die Überführung in eine andere
Wortart ohne formale Änderungen (auf und ab >ein Auf- und Ab) erfolgt
(Fleischer, 1983a, S. 75).
Öfters wird auch eine syntaktische Umkategorisierung (wie beispielswei-
se bei Vogel (1996)) aus dem Bereich der impliziten Derivation ausgeglie-
dert. Es wird dabei die Annahme gemacht, dass zwischen Ausgangs- und
Zielkategorie gemeinsame grammatische Merkmale vorhanden sind (z. B.
bei singen >das Singen). Hier soll eine syntaktische Umkategorisierung nur
angenommen werden, wenn das Resultat der Umkategorisierung die mor-
phosyntaktischen Eigenschaften der Zielkategorie nicht angenommen hat.
So kann das Singen nicht pluralisiert werden (* die Singen) und nicht mit
einem indefiniten Artikel verbunden werden (* ein Singen). Der nomina-
lisierte Infinitiv das Essen ist m. E. keine syntaktische Umkategorisierung,
weil er ein fester Lexikonbestandteil ist und auch nicht die morphosyntak-
tischen Einschränkungen von das Singen hat. Sowohl der Plural (die Essen)
findet Verwendung als auch der indefinite Artikel (ein Essen).
Auch alle Adjektive können nominalisiert werden und so zu Substanti-
ven werden. Diese Ableitungen werden auch als implizite Derivationen
mit Nullsuffix oder als lexikalische und syntaktische Umkategorisierung
angesehen. Hier, wie in Römer und Matzke (2005), werden keine lexika-
lischen Umkategorisierung ohne Suffix angenommen. Es wird vielmehr
von impliziter Derivation mit Nullsuffix ausgegangen, allerdings wird bei
der Behandlung der mitgebrachten Flexive der Adjektive eine Modifizie-
rung vorgenommen, sie werden analog zum Fugenelement25 beim Kom-
positum als eingefrorene Flexive behandelt, die sich bei der Flexion auch
nicht verändern (z. B. der rotePullover >der Rote, des Roten, dem Roten, den
Roten). Da die Adjektive ohne und mit Flexiv (4.19 auf der nächsten Seite)
nominalisiert werden können, haben wir zwei Typen zu unterscheiden (a.
ohne und b. mit Flexiv):
25 Zu den Fugenelementen vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.4.2 auf Seite 30.
138
Die flektierbaren Wortklassen
a. Nomen
Adjektiv
Gut
Suffix
Ø
b. Nomen
Adjektiv, Flexiv
Grüne
Suffix
Ø
Abbildung 4.19: Adjektivnominalisierungen
4.2.3 Adjektive
Wenn ich mich an meinen Vater erinnere, sehe ich oft einen
großen, etwas erschöpften Mann in einer alten Trainingsjacke,
einer erdverschmierten Cordhose und schwarzen Gummistie-
feln vor mir.
(Axel Hacke: Das Beste aus meinem Leben. SZ Magazin 34,
2005; S. 4)
Obiger Einleitungssatz einer Kolumne macht m. E. gut deutlich, welche
Bedeutung Adjektive für unsere Sprache haben. Wenn wir alle Adjektive
tilgen würden, würde doch viel verloren gehen (Wenn ich mich an mei-
nen Vater erinnere, sehe ich oft einen Mann in einer Trainingsjacke, einer
Cordhose und Gummistiefeln vor mir.)
Für Mark Twain sind sie „ein ewiges Kreuz in dieser Sprache“,
das man „besser weggelassen“ hätte. Wolf Schneider stimmt
zu und weiß, daß „die Eigenschaftswörter, Beiwörter oder Ad-
jektive, die am häufigsten überschätzte und am meisten miß-
brauchte Wortgattung“ sind. Nur muß auch er, um sie richtig
in Grund und Boden zu rammen, sich ihrer bedienen. Weg-
zudenken sind sie nicht, denn Adjektive umfassen etwa ein
Sechstel des Wortschatzes der deutschen Sprache. Das erkennt
Mark Twain, wenn er schreibt, in dieser Sprache sind „mehr
Adjektive als schwarze Katzen in der Schweiz“.
(Genzmer, 1995, S. 218)
Da es die Funktion der deutschen Adjektive ist, zu beschreiben, zu charak-
terisieren oder zu beurteilen (Genzmer, 1995, S. 218), ist es schwer nachzu-
vollziehen, dass Schriftsteller diese Adjektivschelte anstimmen. Tatsäch-
lich weisen sie eine Reihe von grammatischen Verwendungsschwierigkei-
ten in der Flexion, Komparation und Zeichensetzung auf.
139
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
4.2.3.1 Grammatische Merkmale
Adjektive werden dekliniert, wenn sie attributiv vor einem Nomen auf-
treten. Sie können dabei in Übereinstimmung mit dem Nomen Kasus-,
Numerus- und Genusformen bilden. Je nachdem, was sich unmittelbar
vor dem Adjektiv befindet, wird die starke oder schwache Adjektivfle-
xion gewählt.
Schwache Flexion wird dann genommen, wenn ein Pronomen26 mit star-
ken (deutlichen) Endungen voran geht.
(87) Er spielte den harten Burschen . . .
(SZ Magazin 34, 2005; S. 6)
Starke Flexion muss gewählt werden, wenn kein (wie in (88a.)) oder ein
endungsloses (88b.) Pronomen vorangeht.
(88) a. Du magst auch starke Frauen in deinen Filmen.
(SZ Magazin 34, 2005; S.6)
b. Denn Clint Eastwood ist ein hochsensibler Mann.
(SZ Magazin 34, 2005; S.6)
Syntaktisch, phrasenstrukturell treten Adjektive in verschiedenen Funk-
tionen auf, wobei die Attribuierung von Substantiven die primäre ist. Sie
treten auf:
• attributiv beim Substantiv in der Nominalphrase,
(89) Ich bin der festen Überzeugung ...
• attributiv beim Adjektiv in der Adjektivphrase,
(90) . . . , ja sogar den Glauben daran, dass er tatsächlich lieb ist.
(Der Spiegel 51, 2005; S. 154)
• appositiv (nachgestellt) beim Substantiv in der Nominalphrase,
(91) Alle Fragen offen;
Das eingesetzte KDE light stellt eine Kombination verschie-
dener Open-Source-Komponenten dar
(SZ 6.9.2005; S. 37; www.golem.de; 6.9.2005)
26 Die Artikel werden als eine Pronomenteilklasse aufgefasst.
140
Die flektierbaren Wortklassen
• prädikativ zum Subjekt in der Verbphrase,
(92) Sie sind enttäuscht ...
• prädikativ zum Akkusativobjekt in der Verbphrase,
(93) Ich finde ihn verfehlt.
• prädikativ zum Dativobjekt in der Verbphrase,
(94) Die Redewendung war den Studenten nicht geläufig.27
• adverbial in der Adverbphrase.
(95) Sie müssen endlich begreifen, . . .
(Fast alle Belege aus: Der Spiegel 35, 2005; S. 26–34)
Einige Adjektive sind syntaktisch beschränkt, sie können nicht alle syn-
taktischen Funktionen übernehmen. So wird beispielsweise hiesig nur at-
tributiv verwendet und quitt nur prädikativ.
Eine größere Gruppe der Adjektive kann, wie einige wenige Adverbien,
graduiert werden.
Die Graduierung geht vom Positiv aus und umfasst außerdem die zwei
Formen Komparativ (mit dem Flexiv -er) und Superlativ (mit dem Flexiv
-st und einer fakultativen Vergleichspartikel):
(96) warm – wärmer – am wärmsten28
Inhaltlich sind nach Leys (2004, S. 162–163) in der Graduierung zwei ver-
wandte Konzepte vertreten, „das Konzept des Vergleichs und das Kon-
zept der Rangordnung“. Positiv und Komparativ dienen danach dem Ver-
gleich und der Superlativ der Rangordnungsbezeichnung. In dem Satz
Heute war es am wärmsten. wird der Tag in einer Rangordnung an die Spitze
gestellt. Dagegen wird mit Heute war es so warm wie gestern. vergleichend
eine Gleichheit festgestellt und mit Heute war es wärmer als gestern. eine
Ungleichheit.
27 Helbig und Buscha (1991, S. 311)
28 Auf die lexikalischen Möglichkeiten der Graduierung mit Partikeln wie (sehr/etwas/-
unheimlich/. . . warm) oder mit Wortbildungsmorphemen (sauwarm, superwarm) soll hier
nicht eingegangen werden.
141
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
4.2.3.2 Adjektivklassen
• Nicht restriktive, absolute und relative Adjektive:
Nach „der Art, in der sie ein Bezugselement qualifizieren“ (Bierwisch,
1987, S. 13) können Adjektive klassifiziert werden. Dabei werden drei un-
terscheidende Merkmale einbezogen (Bierwisch, 1987, S. 14): [±restrik-
tiv], [±relativ], [±transparent], die zu folgenden (Abb. 4.20) Subklassen
führen:
Adjektive
nicht restriktive restriktive
absolute relative
transparente nicht transparente
Abbildung 4.20: Adjektivklassen
Nicht restriktive Adjektive wie z. B. ehemalig, scheinbar, angeblich schrän-
ken nicht die Klasse der Objekte ein, auf die sie sich beziehen, sie ver-
ändern die semantische Kategorie. Im Beispiel ein ehemaliger Tennisspie-
ler „wird die Geltung der durch das Nomen angegebenen Bedingungen
durch das Adjektiv gewissermaßen aufgehoben: ein ehemaliger Tenniss-
pieler ist kein Tennisspieler“ (Bierwisch, 1987, S. 13–14).
Absolute Adjektive haben die Merkmale [+ restriktiv] und [– relativ], d. h.
die Bedeutungen der Adjektive und der Bezugswörter sind unabhängig
voneinander. Farbadjektive, Form- und Substanzbezeichnungen (z. B. rund,
silbern) und viele konkrete und abstrakte Qualifizierungen (z. B. weiblich,
fest, abstrakt) gehören zu dieser Gruppe.
Beispielsweise: Das silberne Besteck . . . :silbern ist restriktiv, weil es die Men-
ge der Bestecke begrenzt; und es ist nicht relativ, das benannte Objekt ist
sowohl ein Besteck als auch aus Silber.
Relative Adjektive sind dadurch charakterisiert, dass sie Zusatzbedingun-
gen für die Geltung der Adjektive haben bzw. die Bezugsobjekte aus der
benannten Klasse einschränken. Das Dimensionsadjektiv groß oder das
Wertungsadjektiv klug entfalten ihre Bedeutung nicht unabhängig vom
142
Die flektierbaren Wortklassen
Bezugswort. ‘Klugheit’ ist bei einer klugen Schildkröte etwas anderes als bei
einem klugen Fußballspieler und wieder etwas anderes als bei einem klugen
Professor. Durch das Adjektiv wird eine Teilmenge der benannten Objekte
hergestellt (z. B. ‘kluge’ und ‘nicht kluge Fußballspieler’); kluger Fußball-
spieler ist ambig. Es kann meinen, dass er als Fußballspieler klug ist, kluge
Spielzüge macht, oder generell auch außerhalb des Spielfeldes.
Mittels des Merkmals der Transparenz sind die relativen Adjektive weiter
unterteilbar in transparente relative (z. B. klein oder schwer) nicht transpa-
rente relative (wie schlecht oder schön). Den nicht transparenten Adjektiven
liegen keine objektiven Messwerte zugrunde.
• Valenzklassen:
Wenn wir davon ausgehen, dass die attributive Verwendung die primäre
syntaktische Funktion des Adjektivs ist, so haben alle Adjektive, die attri-
butiv auftreten können, mindestens einen angelegten Aktanten, eröffnen
mindestens eine obligatorische Leerstelle. Neben vielen einwertigen Ad-
jektiven gibt es auch mehrwertige, die Relationen zwischen Größen be-
zeichnen.
–Adjektive ohne Aktanten können nicht attributiv auftreten.
(97) Der Staat ist pleite.
–Adjektive mit einem Aktanten
(98) Das lustige Lied. – Das Lied ist lustig.
–Adjektive mit zwei Aktanten
(99) Der der Auszeichnung würdige Mann – Der Mann ist der
Auszeichnung würdig.
Die zwei Meter hohe Tür – Die Tür ist zwei Meter hoch.
4.2.3.3 Partizipien als Adjektive
Deutsche Partizipien bereiten eine Reihe von Problemen bei ihrer Katego-
risierung, diese betreffen sowohl ihren Wortartenstatus als auch ihre Bil-
dungsweise.
Von Verben können mit -end bzw. -nd Wörter abgeleitet werden, die als
Partizip I bezeichnet werden. Sie werden wie Adjektive verwendet und
wie diese auch flektiert:
143
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
(100) Aus Sicht führender Unionspolitiker konnte Kirchhof den Einwand,
. . . , bisher nicht überzeugend entkräften.
(Der Spiegel 35, 2005; S. 42)
Außerdem können von Verben mit ge- und -t bzw. mit -en die Partizipien
II abgeleitet werden. Sie werden auch als Adjektive gebraucht.
(101) . . . doppeldeutigem Lob und gespielter Hilfsbereitschaft . . .
(Der Spiegel 35, 2005; S. 39)
Daneben dienen die Partizipien im Verbalparadigma zur Bildung des Ver-
balkomplexes (vgl. Kapitel 4.2.1.3).
Die Frage, die sich im Rahmen einer Morphologiebeschreibung nun stellt,
ist die: Sind die Partizipien alle Subklassen des Verbs oder handelt es sich
bei den adjektivisch verwendeten um Adjektive? Ich möchte Letzteres an-
nehmen. Dies führt dann zu der Konsequenz, dass die Ableitungsmor-
pheme Wortbildungsmorpheme und keine Flexive sind, da sich der Wort-
artenstatus ändert. Sie machen aus Verben Adjektive und sind deshalb bei
der Adjektivbildung keine Flexive.
Für diese Sicht sprechen auch Detailuntersuchungen, wie die von Lenz
(1993). Dort wurde am Beispiel der un-Präfigierung deutscher Partizipien
u.a. festgestellt, dass „Partizipien sowohl adjektivisch als auch verbal sein
können, aber nicht beides gleichzeitig“ (S. 40). Da Verben im Deutschen
nicht mit un- präfigiert werden können, sind die mit un- präfigierten Par-
tizipien adjektivisch und nicht verbal. Das Präfix un- kann dann auch als
Test in ambigen prädikativen Verwendungen von Partizipien eingesetzt
werden:
(102) die Hilfsbereitschaft ist gespielt – die gespielte Hilfsbereitschaft
→die ungespielte Hilfsbereitschaft (= Adjektiv)
→die von den Politikern gespielte Hilfsbereitschaft (= Verb)
Darüber hinaus gibt es „Adjektive mit denselben Bildungsmorphemen
wie Partizipien (ge- -t usw.), ohne daß ein Verbalparadigma dazu exis-
tiert, und mit allen wesentlichen Eigenschaften eines Adjektivs“ (Fleischer,
1983b, S.281). Beispiele sind geblümt, gebucht, gefiedert; sie haben eine sub-
stantivische Basis und werden auch als Präfigierung mit einem diskonti-
nuierlichen Morphem beschrieben.
Speziell bei von starken Verben abgeleiteten adjektivischen Partizipien
wie bei bekannt, erfahren, die nach Erben (2000, S.105) „als Adjektiv ge-
läufig sind“, stellen die Sprachbenutzer/innen oftmals gar keine motivie-
rende Verbindung zur Verbbasis her.
144
Die flektierbaren Wortklassen
Adjektivische Partizipien gehen auch oft Verbindungen mit anderen Le-
xemen zu Adjektivkomposita ein und verlieren dabei ihre verbalen Lesar-
ten. Der Band „Adjektivkomposita“ von Pümpel-Mader u. a. (1992) wird
eingeleitet mit „postkartenschöne Adjektivkomposita, geheimnisumwitterte
Partizip-II und appetitanregende Partizip-I-Bildungen werden behandelt“
(Pümpel-Mader u. a., 1992, S. V). Wenn nun diese in Komposita eingefüg-
te Partizipien morphologisch analysiert werden sollten, wäre eine Analyse
der Morpheme -t bzw. -d als Verbalflexive doch wenig einsichtig.
Adjektivische Partizipien werden hier einheitlich als kombinatorische
Derivationen mit dem Zirkumfix [ge- -t] aufgefasst.
4.2.3.4 Adjektiv-Wortbildung
Adjektivkomposition:
Die grundlegenden Regeln der Adjektivkomposition sind mit denen der
weit häufigeren Substantivkomposition im Einklang. Adjektivkomposita
haben das Charakteristikum, dass vor einen Adjektivkopf, der die katego-
rialen Merkmale festlegt, ein Wort oder eine Wortgruppe tritt. Sie haben
die allgemeine Struktur wie in Abb. 4.21.
Adjektiv
[ X ] Adjektiv
Abbildung 4.21: Struktur der Adjektivkomposita
Die Stelle von X können verschiedene morphosyntaktische Konstituenten-
typen einnehmen:
•[X = einfaches Wort ]
(103) Vorstellungen von einer zartzerbrechlichen Künstlerseele
(Der Spiegel 35, 2005; S. 53)
•[X = komplexes Wort ]
(104) einem anpassungsbereiten Rabbi
(Der Spiegel 35; 2005; S. 162)
145
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
•[X = Wortgruppe ]
(105) neunrösserstark
(Altmann/Kemmerling (2000); S. 133)
•[X = Initialwort ]
(106) CGI-typische Lösungen in Perl
(www.carto.net; 31.8.2005)
Zwischen den Konstituenten kann ein Fugenelement auftreten:
(107) Und die Lippen sind nicht pflaumenblau
(Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein. SZ/Bibliothek 2004, Band
32, S. 35)
Die beiden unmittelbaren Konstituenten können logisch-semantisch im
determinativen (subordinierenden) oder kopulativen (koordinierenden)
Verhältnis stehen. Es gibt also sowohl adjektivische Determinativkompo-
sita als auch Kopulativkomposita. Nach Pümpel-Mader u. a. (1992, S. 43)
sind ca. 1
4der Adjektivkomposita kopulative.
(108) a. Ihr Pelzmantel übrigens, ohne Brille gesehen, ist bernsteingelb
(Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein, a.a.O., S. 35)
→gelb wie Bernstein = determinativ
b. Da er mit Schrecken sah, wie sie die weißlila Sicherheitslinie
überfuhr, konnte er nicht antworten.
(Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein, a.a.O., S. 29)
→weiß + lila = kopulativ29
Nicht immer ist die Abgrenzung leicht, kann nicht eindeutig bestimmt
werden, ob ein kopulatives oder determinatives Verhältnis vorliegt. Ne-
ben der Bedeutungsrelation zwischen den UKs stellt der Akzent ein Ab-
grenzungskriterium dar. Während bei den Determinativkomposita der
Hauptakzent auf dem Determinans (1. UK) liegt, wird bei den Kopula-
tivkomposita die letzte UK mit dem Hauptakzent versehen. Wenn das ko-
pulative Kompositum noch nicht lexikalisiert ist, kann auch im Gegensatz
zu den determinativen die UK-Reihenfolge geändert werden.
29 Nach den neuen Rechtschreibregeln müssen kopulativ verstandene Farbadjektive (in
amtlichen Texten) mit Bindestrich geschrieben werden. Damit ist eine Eindeutigma-
chung bezüglich der angelegten Lesart möglich:
blaugrün = ’bläuliches Grün’ = determinative Interpretation;
blau-grün = ’ Blau + Grün’ = kopulatives Verständnis.
146
Die flektierbaren Wortklassen
(109) a. der ’blaurote Pullover (Mischfarbe: ‘bläuliches Rot’) = Determi-
nativkompositum
b. der blau-’rote Pullover (Farbkombination von eigenständigen
Farben: ‘Blau + Rot’) = Kopulativkompositum
Nach ?sei im Falle von (109a.), bei Mischfarben auch eine kopulative Les-
art möglich, die mit sowohl . . . als auch . . . paraphrasiert werden könne
(‘sowohl blau als auch rot’).
Bei adjektivischen Kopulativkomposita kommt es relativ häufig vor, dass
drei unmittelbare Konstituenten koordiniert werden, wie in (110).
(110) . . . sogar ein rot-rot-grünes Bündnis könnte möglich sein.
(Der Spiegel 34, 2005; S. 8)
→rot + rot + grün
Adjektive können kategorial mit den meisten Wortarten verknüpft wer-
den, wie das Adjektiv süchtig zeigt:
• mit Verbstämmen (meist ohne Verbflexiv):
(111) schmähsüchtig, schwatzsüchtig, putzsüchtig
• mit Substantiven (dabei treten die gleichen Fugenelemente wie bei
den Substantivkomposita auf):
(112) titelsüchtig, bühnensüchtig
• mit Adjektiven
(113) gelbsüchtig, bleichsüchtig
• mit Adverbien
(114) draußensüchtig
• mit Pronomen
(115) ichsüchtig, selbstsüchtig
• mit Präpositionen
(116) außerhalbsüchtig
(die meisten Beispiele sind aus Mater (1989))
147
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Adjektivderivation:
Neue Adjektive entstehen auch durch explizite Derivation, durch die Ver-
bindung von Präfixen und Adjektiven (= Präfigierung) und von schon vor-
handenen Lexemen verschiedenster Wortarten mit speziellen Adjektivsuf-
fixen (= Suffigierung). Strukturell können sie, wie in Abb. 4.22 abgebildet,
dargestellt werden:
Adjektiv
Präfix Adjektiv
Adjektiv
[ X ] Adjektiv-Suffix
Abbildung 4.22: Explizite Adjektiv-Derivationen
Die Beispiele extraflach und kabellos lassen sich also wie folgt (Abb. 4.23)
zerlegen:
Adjektiv
Präfix
extra
Adjektiv
flach
Adjektiv
N
kabel
Adjektiv-Suffix
los
Abbildung 4.23: Derivationsbeispiele
Auch die kombinatorische explizite Derivation kommt bei den Adjektiven
vor. Hier treten, wie schon bei den Substantiven ausgeführt, gleichzeitig
ein Präfix und ein Suffix (= ein Zirkumfix) an ein Ausgangswort. Als dis-
kontinuierliche Morpheme treten vor allem zur Adjektivbildung auf:
ge-/be- . . . -t,un- . . . -lich und ge- . . . -ig (4.24).
Adjektiv
Präfix [ X ] Suffix
Adjektiv
Präfix
ge
Verb
bräun
Suffix
t
Abbildung 4.24: Kombinatorische Derivation
Bei den expliziten Derivationen wird das Adjektiv, das die Wortbildungs-
basis darstellt, durch die Wortbildungsmorpheme modifiziert. Die Modi-
148
Die flektierbaren Wortklassen
fikation betrifft zum einen die Bedeutung, zum anderen kann sie auch das
grammatische Verhalten betreffen.
So gibt es im Deutschen eine Reihe von Negationspräfixen, die zum Teil
entlehnt wurden:
(117) nicht-, nichts-, miss-, un-, a-, des-, dis-, il-, -im-, in-, ir, non-30
Diese sind jedoch sowohl in der Bedeutung als auch im Distributionsver-
halten nicht völlig identisch. So negiert beispielsweise nicht- ‚sachlich‘, oh-
ne Bewertung das Ausgangsadjektiv (wie in nichtrostend, nichtöffentlich).
Bildungen mit miss- oder des- dagegen sind oftmals bewertend (missklin-
gend, missraten, desinteressiert).
30 Aufstellung aus Genzmer (1995, S.230–231). Nicht-, nichts- sind Partikelpräfixe und die
Bildungen mit ihnen könnten auch als Komposita aufgefasst werden; dagegen spricht
der reihenbildende Charakter.
149
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Speziell bei der Suffigierung kommen öfters Zusammenbildungen vor,
d. h. die Konstituente, die vor das Adjektivsuffix tritt, kommt frei nicht
als ein Wort, sondern nur als Wortgruppe vor (wie in (118));
(118) dickleibig, neutestamentarisch, schwerhörig31
Die Zusammenbildung dickleibig hat folgende Wortbildungsstruktur ( 4.25):
Adjektiv
NP
Adj
dick
N
leib
Suffix
ig
Abbildung 4.25: Strukturbaum von dickleibig
Neue Adjektive können auch durch implizite Derivation mit Nullsuffix
entstehen. Dieses Verfahren wird aber nur in Ausnahmefällen gewählt.
So werden Nomen umkategorisiert (nach Motsch (2004, S. 179) „doppelt
kategorisiert“):
(119) Elend →elend
Klasse →klasse
Obigen Beispielen (elend und klasse) wird nachfolgende Wortbildungsstruk-
tur zu Grunde gelegt:
Adjektiv
Nomen
elend
Suffix
Ø
Adjektiv
Nomen
klasse
Suffix
Ø
Abbildung 4.26: Implizite Adjektivderivationen
Die Auffassung von Motsch (2004, S. 179), diese Umkategorisierungen als
eine „innerlexikalische Beziehung“ und „nicht als ein Wortbildungsmus-
ter zu beschreiben“, lässt einige Fragen offen und wird hier nicht geteilt.
31 Beispiele aus Altmann und Kemmerling (2000, S. 132–133).
150
Die flektierbaren Wortklassen
Da die von Nomen umkategorisierten Adjektive, wie Motsch ja auch an-
führt, graduierbar sind und auch die typischen syntaktischen Adjektiv-
verwendungen (attributiv, prädikativ, adverbial) finden können, sind sie
doch keine Nomenvarianten.
6.) Bestimmen Sie im folgenden Text die Adjektive nach dem De-
klinationstyp (stark vs. schwach), nach der syntaktischen Funk-
tion, nach der Valenzklasse und dem Wortbildungstyp!
Der Mai aber war, am helllichten Tage doch geheimnisvoll, hinter jedes
neu entfaltete Blatt getreten, hatte eine grün-goldene Aura herumgezeich-
net und das Getümmel der vielen Blätterschatten am sonnigen Boden
durch kleine Windstöße lebhaft gemacht. Der Kies der Alleen wurde auf
solche Weise gesprenkelt und ständig bewegt, als sei’s eine Wasserflä-
che.
(Aus: Heimito von Doderer: Im Irrgarten. In: W. Kirsten, K. Paul (Hrsg.),
Das Rendevous im Zoo. Aufbau-Verlag: Berlin, Weimar 1984, S. 485)
4.2.4 Pronomen
4.2.4.1 Grammatische Charakteristika
Die Pronomen (lateinisch pro nomen ‚für das Nomen stehend’) sind eine
„schwierige“ Wortart, weil es schwer fällt, spezifische Merkmale für alle
Vertreter zu finden. Dies schlägt sich auch in der Tatsache nieder, dass re-
lativ viele unterschiedliche Subklassifikationen angeboten werden, die bis
zur Abschaffung der Wortart Pronomen (in Zifonun u. a. (1997)) führen.
Generell können den Pronomen folgende Merkmale zugesprochen wer-
den (Heidolph u. a., 1981, S. 632):
• Sie sind flektierbar, genauer deklinierbar, aber nicht komparierbar.
• Sie sind nicht artikelfähig.
• Sie sind nicht durch Adjektive attribuierbar.
• Sie sind Pro-Wörter und können nicht nur Wörter (wie in 120a.) sondern
auch Wortgruppen und Sätze (120b.) „vertreten“.
(120) a. Ein Mann hat eine Erfahrung gemacht, jetzt sucht er die Ge-
schichte dazu –
(Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein. SZ/Bibliothek 2004,
Band 32, S. 9)
151
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
b. Er solle ins Bett gehen, sagt sie, solle sofort den Wasserhahn
abstellen, und da er’s nicht tut, will sie es tun;
(Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein, a.a.O., S. 11)
• Sie können substantivische und adjektivische bzw. artikelartige Funk-
tionen übernehmen
(121) a. Der Mann lehnt auf der Barriere, [. . . ]. Er starrt auf die Straße,
→substantivisch
(Botho Strauß: Paare, Passanten. SZ/Bibliothek 2004, Band 38,
S. 61)
b. Neben ihm seine Frau, gleichgestimmt und auf denselben Fleck
der Entsinnung ihren Blick gerichtet. →adjektivisch
(Botho Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 62)
und dabei stellvertretend, verweisend oder kennzeichnend sein.
(122) a. Ich bin Adam. →stellvertretend und verweisend
(Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein, a.a.O., S. 12)
b. Der Nachtarzt, seine beiden Hände in den weißen Mantel ge-
steckt, →kennzeichnend
(Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein, a.a.O., S. 12)
• In neueren Publikationen zu Pronomen (z.B. in Müller (2000)) wird eine
weitere syntaktische Eigenschaft hervorgehoben, nämlich jene, dass NP-
Pronomen nach der „Wackernagelposition“ (SpecW) im Satz streben. Da-
mit ist gemeint, dass sie am linken Rand des Mittelfeldes stehen „möch-
ten“.
(123) [...]; aber auch jetzt nimmt er die Hände nicht aus den Taschen
seines weißen Mäntelchens.
(Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein, a.a.O., S. 12)
4.2.4.2 Pronomenklassen
Die Diskussionen um die Subklassifizierungen sollen hier nicht nachvoll-
zogen werden. Traditionell unterscheidet man folgende sieben Pronomen-
subklassen:
1. Personalpronomen:
Die Personalpronomen sind ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie und ihre
Kasusformen. Sie werden substantivisch verwendet.
152
Die flektierbaren Wortklassen
2. Possessivpronomen:
Possessivpronomen sind den Personalpronomen zugeordnet (mein,
dein, sein, ihr, sein, unser, euer, ihr). Sie kennzeichnen Zugehörigkeit
(meine Sportgruppe) oder Besitz (sein Haus). Sie werden meist adjekti-
visch, attributiv verwendet. Sie können auch substantivisch auftre-
ten:
(124) Wessen Essen kommt jetzt? Das ist dein(e)s.
3. Reflexivpronomen:
Auch die Reflexivpronomen sind mit den Personalpronomen ver-
knüpft und stimmen in der Form mit ihnen überein (ich – mich, du –
dich, wir – uns, ihr – euch), nur die 3. Person hat eine eigene (sich). Sie
beziehen sich in der Regel auf das Subjekt des Satzes.
(125) Der Mann hält sich grummelnd und zu Boden blickend an
der Seite seiner Frau.
(Botho Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 25)
4. Demonstrativpronomen:
Demonstrativpronomen haben die Funktion auf etwas hinzuweisen.
(126) „Sagt der einfach alte Kuh zu mir!“ „Wer?“ fragte der Mann.
„Na der da“, sagte die Frau und nickte zu uns hin.
(Botho Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 26)
Demonstrativpronomen können sein: der, die das; dieser, diese, dieses;
jener, jene, jenes und Langformen von ihnen (wie derselbe, derjenige,
solcher, . . . ). Sie werden adjektivisch und substantivisch verwendet.
5. Relativpronomen:
Relativpronomen werden nur substantivisch benutzt. Sie leiten (‚sich
rückbeziehend’ auf Wörter, Wortgruppen oder Teilsätze) Sätze ein;
der, die, das; welcher, welche, welches; wer und was können diese Funk-
tion übernehmen.
(127) Nur Wärme, das ist alle Medizin, die sie geben kann.
(Botho Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 27)
6. Interrogativpronomen:
Interrogativpronomen (wer, was, welcher, was für einer, .. .) haben wie
die Interrogativadverbien (wo, warum, wann), die nicht flektiert wer-
den können, die Funktion direkte und indirekte Fragen einzuleiten.
153
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
(128) Du weißt ja, daß wir Deutschen immer fragen, was bringt uns
das ein, wo steckt der Gewinn, was profitier ich persönlich
davon.
(Botho Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 48)
7. Indefinitpronomen:
Indefinitpronomen (man, jemand, irgendwer, . . . ) stehen für etwas Un-
bestimmtes. Sie treten substantivisch und adjektivisch auf.
(129) a. Am Abend sah man sie wieder.
(Botho Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 11)
b. Jede Liebe bildet in ihrem Rücken Utopie.
(Botho Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 9)
Ihre Abgrenzung zu den Adjektiven ist zum Teil schwierig. Gall-
mann und Sitta (1996, S. 67) schlagen zum Auseinanderhalten die
„Artikelprobe“ vor: „Adjektive können zwischen Artikel und No-
men stehen [. . . ], Indefinitpronomen nicht.“
(130) a. wenige Menschen →die wenigen Menschen (bestimmter
Artikel möglich = Adjektiv)
b. jeder Mensch →* der jede Menschen (bestimmter Artikel
unmöglich = Indefinitpronomen)
8. Artikel:
Artikel werden zum Teil gar nicht als eigene Wortklasse aufgefasst
und als externes Substantivelement (als Substantivbegleiter) gese-
hen, das flexivischen Charakter trägt. Die bestimmten (der, die, das)
und unbestimmten (ein, eine, ein und im Plural der Nullartikel) Arti-
kel tragen folgende zusätzliche grammatische Merkmale:
• Sie stehen immer vor einem Substantiv, wobei zwischen den Arti-
kel und das Substantiv Attribute treten können.
(131) Sie hat ein Haus geerbt, die zierliche junge Frau, . . .
(Botho Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 16)
• Sie können nur gemeinsam mit ihrem Substantiv die Position im
Satz verändern.
• Sie kongruieren mit ihrer Substantivphrase in Genus, Kasus und
Numerus.
• Sie sind immer unbetont. Bei Betonung (z. B. ’das Kleid gefällt ihr)
kommt es zur Demonstrativpronomenlesart.
154
Die flektierbaren Wortklassen
• Die Artikel haben vor allem die Aufgabe, das grammatische Ge-
schlecht (Genus), den Kasus und Numerus des Substantivs anzu-
zeigen. Die Differenz zwischen bestimmten und unbestimmten Ar-
tikeln liegt in der Kennzeichnung von Bekanntheit und Unbekannt-
heit bzw. Bestimmtheit und Unbestimmtheit (das Buch vs. ein Buch).
Außerdem tragen sie kontextsemantisch zur Thema-Rhema-Gewich-
tung bei. Bei einer Vorerwähnung tritt „meist bestimmter Artikel
oder anaphorisches Pronomen“ auf und bei Neuheit „unbestimm-
ter Artikel“ (von Polenz, 1985, S. 144).32
• Mit Hilfe eines Artikels kann jedes Wort substantiviert werden
(z. B. ja – das Ja; laufen – das Laufen; gelb – das Gelb).
4.2.4.3 Neuere morphosyntaktische Ansätze zur Pronomenklassifikation
Leere Pronomen in der Generativen Grammatik:
Das sogenannte kleine Pro (pro) und das große Pro (PRO) wurden von
der Generativen Grammatik als leere Kategorien eingeführt, zum einen
um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es Sprachen gibt, die, wie das
Italienische z. B., das Personalpronomen nicht explizit ausdrücken (pro-
drop-Sprachen).
Zum anderen benennt PRO phonetisch nicht realisierte gebundene Per-
sonalpronomen, die als Subjekte von nicht finiten Sätzen auftreten und
anaphorischen Charakter haben. Deshalb wird PRO auch als pronominale
Anapher bezeichnet.
(132) Josefiversprach Maria, [SPROinach Jena zu ziehen].
Unterscheidung der Personalpronomen in starke und schwache Prono-
men:
Ausgehend von den romanischen Sprachen, wo es zwei morphologisch
unterschiedliche Gruppen der Personalpronomen gibt, nämlich starke (=
betonte) und schwache (= unbetonte), wurde gefragt, ob es ein analoges
Phänomen in der Germania und auch in der deutschen Sprache gibt.
Kayne (1975) und Cardinaletti (1999) haben die folgende Kategorisierung
der Personalpronomen vorgeschlagen ( 4.27 auf der nächsten Seite):
32 Von Polenz (1985, S. 144) schreibt von einer Funktionsüberlastung der deutschen Arti-
kelwörter.
155
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
personal pronouns
strong
non-strong
weak clitic
Abbildung 4.27: Arten der Personalpronomen
Die Eigenschaft strong (stark) oder non-strong zu sein, ist in diesen Spra-
chen mit syntaktischen Restriktionen verbunden. So können nur starke
Pronomen im Vorfeld vorkommen. Die klitisierten Pronomen können nicht
Kopf einer Projektion werden.
Müller (2000, S. 151) unterscheidet in Anlehnung an diese Auffassungen
fürs Deutsche „Teilmengen von NP-Pronomina durch Hinzufügen von
phonologisch-semantischen Merkmalen ([−betont],[−belebt], [−voll-
ständig])“. Unter Einbeziehung der Ergebnisse von Cardinaletti (1999) sol-
len unterschieden werden:
1. Prototypische, starke NP-Pronomina:
Wenn sie eine belebte, menschliche Nominalphrase vertreten, kön-
nen sie betont oder unbetont sein.
(133) Maria sagte, dass Josef sie gestern angerufen hat.
Maria sagte, dass Josef Anna gestern angerufen hat.
Maria sagte, dass Josef SIE gestern angerufen hat.
Wenn sie eine unbelebte Nominalphrase vertreten, sind sie betont.
(134) Maria hat den Anruf vergessen.
Maria hat IHN vergessen.
Sie können im Satz verschoben werden, auch im Vorfeld auftreten.
(135) IHN hat Maria vergessen.
2. Schwache NP-Pronomina:
Sie haben die Merkmale [−betont] und [−menschlich].
Sie können im Satz nicht frei verschoben werden; sie treten in „Bin-
nenstellung“ auf.
(136) Josef hat die Milch gestern getrunken.
Josef hat sie gestern getrunken.
* Sie hat er gestern getrunken. (Sie ist dann stark, betont.)
156
Die unflektierbaren Wortklassen
3. Reduzierte (klitische) Pronomina:
Sie sind schwach betont und lehnen sich an einen benachbarten Aus-
druck an.
(137) Wie geht’s?
7.) Das Pronomen es kann nicht nur als Personalpronomen auf-
treten. Es kann auch andere Funktionen haben.
Bestimmen Sie die Funktionen von es in den folgenden Beispielen!
• Ich brauche das Geld möglichst bald. Wann bekomme ich es?
• Meine Mutter ist Lehrerin. Ich werde es auch.
• Sie kamen schon mit dem Frühzug an. Es hat uns sehr gefreut.
• Es hat sich gestern ein schwerer Verkehrsunfall ereignet.
• Es freut mich besonders, dass ich sie getroffen habe.
• Ich finde es schade, dass wir den Berg nicht bestiegen haben.
• Mich hält es hier nicht länger.
4.3 Die unflektierbaren Wortklassen
4.3.1 Adverbien
4.3.1.1 Grammatische Charakteristika
Adverbien werden manchmal als „Restgruppe“ der Unflektierbaren auf-
gefasst (so Gallmann und Sitta (1996, S. 83)). Heidolph u. a. (1981, S. 684)
versteht sie, als „Unflektierbare, mit der Fähigkeit, die Funktion eines
Satzgliedes (Adverbial, Objekt, Prädikativ), eines Gliedteils (Attribut) oder
den Charakter eines Satzäquivalenten haben.“ Diese weite Adverbbestim-
mung, die auch die Satzadverbien und Partikeln einschließt, ist durch die
unterschiedlichen syntaktischen Eigenschaften nicht gerechtfertigt, wes-
halb sie hier auch nicht vertreten werden soll. Adverbien im engeren Sin-
ne sind gekennzeichnet durch folgende morphosyntaktische Eigenschaf-
ten:
Adverbien sind nicht konjugierbar und nicht deklinierbar.
157
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Einige wenige sind aber komparierbar.
Die Bezeichnung Adverb (lateinisch ad verbum) weist auf die syntakti-
sche Hauptfunktion hin, sich auf Verben zu beziehen.
Sie können dabei als Adverbialbestimmung, wie in Beispiel (138a.), oder
als Prädikativ (wie in (138b.) auftreten.
(138) a. Draußen regnete es.
(Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein, a.a.O., S. 10)
b. Der Weg ist dort, wo die Angst ist.
(monster Karriere-Journal 24.1.2006; S. 1)
Eine weitere syntaktische Funktion ist diemögliche Verwendung als nach-
gestelltes unflektiertes Attribut wie in (139).
(139) Das Haus dort gehört dem Papst noch heute.
(www.dradio.de; 16.8.2005)
Sie können allein ein Satzglied repräsentieren und deshalb auch allein die
erste Stelle im Aussagesatz einnehmen wie in (140).
(140) Bislang war die Krankheit nur in fünf östlicheren Provinzen Sibi-
riens ausgebrochen.
(SZ 16.8.2005; S. 10)
Sie können als Antworten auf w-Fragen (Sachfragen) dienen.
(141) Wann, wenn nicht jetzt.
Semantisch sind sie folgendermaßen beschreibbar:
Sie geben zum einen den Handlungen oder Sachverhalten eine Einord-
nung in Zeit oder Raum. Zum anderen verdeutlichen sie kausale Zusam-
menhänge oder modale Beziehungen:
• Temporale Adverbien: damals, jetzt, bald, neulich, zeitlebens, . . .
• Lokale Adverbien: davor, hier, oben, überall, hinten, bergan, . . .
• Kausale Adverbien: darum, folglich, trotzdem, folglich, . . .
• Modale Adverbien: gern, sehr, so, vergebens, blindlings, kurzerhand, . . .
Sie haben oft deiktischen Charakter, d. h. sie treten, wie Bühler (1982) es
bezeichnet hat, im Zeigefeld der Sprache auf. Sie bedürfen eines sprachli-
chen bzw. außersprachlichen Kontextes, um ihre Bedeutung realisieren zu
können.
158
Die unflektierbaren Wortklassen
(142) Die FAQs zu unseren Produkten sind aus Fragen entstanden, über
die unsere Kunden uns in Kenntnis gesetzt haben. Sehen Sie bitte
dort nach, ob Sie eine Lösung für Ihr Problem finden, bevor Sie
unser Support-Team kontaktieren.
(www.nero.com/de; 16.8.2005)
In dem Beispiel (142) bezieht sich das deiktische Adverb dort auf die FAQs
zu unseren Produkten (FAQ: Abkürzung für ‚Frequently asked questions’
– häufig gestellte Fragen) und erlangt erst so seine Bedeutung; ohne den
Bezug wäre der Satz unverständlich.
Die Pronominaladverbien, eine besondere Gruppe von Adverbien mit pro-
nominalen Zügen, haben Prowortcharakter, d. h. sie treten für Präpositio-
nalphrasen oder Sätze ein, sie können im Unterschied zu den richtigen
Pronomen aber nicht dekliniert werden.
(143) Doch so richtig zum Überkochen brachte er die Halle, als er sein eh
schon knappes Oberteil auszog und in die Hände eines überglück-
lichen Mädels warf. Hiernach war erst mal eine Abkühlung nötig,
[...]
(www.indien-newsletter.de; 16.8.2005)
G. Müller (2000, S. 140) unterscheidet drei Gruppen von Pronominalad-
verbien:
1. Pronominaladverbien mit da:dadurch, darum, dagegen, . . .
d-Pronominaladverbien haben Demonstrativcharakter, sind also den
Demonstrativpronomen ähnlich und ersetzen Personal- und Demon-
strativpronomen mit Präposition.
(144) Daran [<An dem da>] merkt man, dass er Spielpraxis auf ho-
hem Niveau braucht.
(Der Spiegel 33, 2005; S. 80)
2. Pronominaladverbien mit wo:wodurch, wofür, wogegen, . . .
Diese w-Pronominaladverbien werden interrogativ (wie in (145a.))
und relativ (wie in (145b.)) gebraucht und stehen für Interrogativ-
pronomina mit Präposition.
(145) a. Worin besteht das?
(Der Spiegel 33, 2005; S. 80)
b. Eigentlich ist es ja auch ganz egal, worüber gelacht wird.
(www.cinegraph.de/filmmat; 8.5.2006)
159
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
3. Pronominaladverbien mit hier:hierdurch, hieraus, hierbei, . . .
(146) Hierbei handelt es sich um Staubsauger, die in Altenburg in
Thüringen hergestellt werden.
(www.saugauf.de/staubbeutel_produkt-30.html; 20.6.2006)
4.3.1.2 Adverb-Wortbildung
Neue Adverbien entstehen anders als bei den anderen Hauptwortarten
seltener; deshalb kommen sie oftmals als eigenständige Punkte in den
Wortbildungsdarstellungen gar nicht vor. Im Deutschen gibt es anders als
im Englischen (-ly) oder Französischen (-ment) kein allgemeines Suffix zur
Ableitung von Adverbien. Nach Altmann und Kemmerling (2000) handelt
es sich aus synchroner Sicht bei den Adverb-Wortbildungen vor allem um
Zusammenrückungen33 und Suffigierungen. Kompositionen, Präfigierun-
gen und lexikalische Konversion kämen kaum vor.
Adverbzusammenrückungen:
Zusammenrückungen haben das Spezifikum, dass sie nicht der allgemei-
nen Strukturregel X →YX folgen. Die rechte unmittelbare Konstituente ist
nicht der morphologische Kopf der Wortkonstruktion, der Head befindet
sich außerhalb:
(147) dergestalt: Adverb ←Pronomen [der] Nomen [gestalt]
Am häufigsten tritt eine Präposition als Erstkonstituente auf (Altmann
und Kemmerling, 2000, S. 155).
(148) in-zwischen, vor-bei, gegen-über, zu-wider, . . .
Adverbkomposita:
Adverbkomposita sind nicht zahlreich und ihre eindeutige Einordnung
ist schwierig, da es sich bei der ersten UK meist um Modifizierungen mit
reihenbildendem Charakter handelt, die also zu Halbaffixen tendieren.
(149) a. allzu + Adverb: allzuoft, allzusehr, allzubald
b. so + Adverb: sobald, sodann, soeben, sowohl
33 Diese Beispiele werden bei Fleischer und Barz (1995) als Komposita oder Wortgrup-
penkonversionen beschrieben.
160
Die unflektierbaren Wortklassen
c. aller + Adverb: allerspätestens, allerwenigstens
d. zu + Adverb: zuinnerst, zuoberst, zuwider, zuweilen
Bildungen wie in (149) mit Steigerungspartikeln als Erstglied rechnen Alt-
mann und Kemmerling (2000, S. 157) in die Nähe von Zusammenrückun-
gen, da sie „extrem idiomatisiert“ seien. Da sie „dadurch unanalysierbar
sind“, sei fraglich, ob es überhaupt Wortbildungsstrukturen seien.
Zu den Adverbkomposita können auch einige Verbindungen zweier Ad-
verbien (150a.) und von Präpositionen mit Adverben (150b.) gerechnet
werden. Aber auch hier haben wir das Problem der starken Idiomatisie-
rung, die in der Regel auch nicht die Weglassung des Bestimmungsgliedes
erlaubt.
(150) a. immerfort, nunmehr, nimmermehr
b. übermorgen, vorgestern
Adverbsuffigierungen:
Auch die Suffixbildungen von Adverbien sind weniger häufig als bei den
anderen Hauptwortarten. Fremdsuffixe kommen nicht vor. Auch hier stellt
sich das Problem der eindeutigen Isolierbarkeit, da zum einen Homony-
me mit deutlichem semantischen Bezug existieren und zum anderen das
Problem der Idiomatisierung und Undurchsichtigkeit besteht.
Aus dem Flexiv -s sind nach Altmann und Kemmerling (2000) das Suffix
-s (151a) und die davon abgeleiteten Suffixe -ens, -dings, -falls,-lings, -mals,
-teils, -wärts, -wegs, . . . (151b)34 entstanden.
(151) a. anfangs, namens, winters, teils
b. blindlings, neuerdings, vormals, westwärts
Ein relativ produktives Suffix ist -weise, das aus dem Substantiv die (Art
und)Weise entstanden ist.
(152) gleicherweise, leihweise, ruckweise, stückweise
Es wird auch (und primär) zur Satzadverbbildung verwendet:
(153) dankenswerterweise, glücklicherweise, möglicherweise
34 Altmann und Kemmerling (2000) sehen diejenigen, die nicht als selbstständige Lexeme
auftreten können, nicht als Suffixe an (S. 162), was nicht ganz einsichtig ist, da ja Suffixe
in der Regel keine selbstständigen Entsprechungen mehr haben.
161
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Weitere Adverbsuffixe, die aus Nomen entstanden sind, treten auf:
(154) a. -dings: neuerdings, allerdings, schlechterdings
b. -maßen: bekanntermaßen, anerkanntermaßen, verdientermaßen
c. -mals: erstmals, niemals, abermals
Adverbkonversionen:
Adverbkonversionen sind auch nicht zahlreich und werden vor allem von
Substantiven gebildet. Die Bildungen mit dem Flexiv -s werden bei Alt-
mann und Kemmerling (2000), wie oben angeführt, als Suffigierungen auf-
gefasst, sie weisen aber selbst darauf hin, dass man diese als Konversio-
nen verstehen kann: „Da es synchron formgleiche substantivische Geni-
tive gibt, könnte man auch Konversionen (N>Adv.) als Wortbildungstyp
ansetzen“ (S. 185).
(155) abends, mittags, zeitlebens
Adv
N, Fl
abends
Aff/Suff
Ø
Abbildung 4.28: Adverbkonversion
4.3.2 Partikeln
4.3.2.1 Grammatische Charakteristika
Der Terminus Partikeln (im Singular die Partikel) wird zum Teil im weiten
Sinne verstanden als Oberbegriff für „Wörter, die weder dekliniert noch
konjugiert werden können“ mit den Unterarten Präpositionen, beiordnen-
de Konjunktionen, unterordnende Konjunktionen, Interjektionen und Ad-
verbien (Gallmann und Sitta, 1996, S. 79). Dass zwar zwei Unterarten bei
den Konjunktionen unterschieden werden, aber die Satzadverbien und
die Partikeln im engeren Sinn bei den Adverbien mit abgehandelt werden,
ist nicht ganz einsichtig, da sie sich grammatisch stark unterscheiden.
162
Die unflektierbaren Wortklassen
In der Vergangenheit wurde den Partikeln im engeren Sinne, um die es in
diesem Kapitel geht, keine Relevanz zugesprochen. Sie wurden als „Füll-
wörter“ oder „Flickwörter“ bezeichnet, die man im Interesse eines schö-
nen Deutsch besser zu vermeiden habe. Diese Situation hat sich in den
letzten Jahrzehnten durch eine stark angewachsene „Partikelforschung“
deutlich verändert.
Folgende morphosyntaktische Wortartencharakteristika sind für sie ty-
pisch:
Partikeln sind nicht flektierbar. Sie können alleine keine Satzglieder
sein. Sie sind deshalb in der Regel nicht erststellenfähig, d. h. sie kön-
nen im Verbzweitsatz nicht allein vor dem finiten Verb stehen.
(156) Nur die Liebe zählt. →*Nur zählt die Liebe.
Partikeln können nicht selbstständig auf Fragen antworten.
(157) a. Möchte man nach der Wahl mit eben diesen (deutschen) Ma-
nagern wieder gemütlich im Zweithaus in der Toskana beim
Chianti zusammensitzen?
(www.lawblog.de; 1.8.2005)
b. Mit wem möchte man nach der Wahl wieder zusammensitzen?
*Eben. / Mit eben diesen Managern.
Semantisch haben Partikeln folgende Eigenschaften:
Partikeln berühren in der Regel nicht die Wahrheitsbedingungen von
Sätzen (Ausnahmen stellen die Negationspartikeln dar). Wenn sie eli-
miniert werden, bleiben die Sätze grammatisch. Obwohl Partikeln den
Wahrheitswert von Sätzen nicht verändern, modifizieren sie Äußerun-
gen.
(158) Weblogs: Offenheit führt sogar zu Entlassungen.
(www.heute.de; 1.8.2005)
In dem Beispielsatz (158) bezieht sich die Partikel sogar auf das Satzglied
zu Entlassungen und nimmt bei ihm eine Quantifizierung vor.
4.3.2.2 Die Subklassen der Partikeln
Die verschiedenen Grammatikbeschreibungen nehmen zum Teil unter-
schiedliche Subklassen von Partikeln an. Eine Subklassifizierung ist auch
163
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
sehr angebracht, da es sich bei den Partikeln um keine homogene gram-
matische Klasse handelt. Da die „semantisch-denotative Bedeutung sehr
gering ist, ihre kommunikativ-pragmatische Funktion aber um so größer
ist, [. . . ] ist es notwendig, den Blick umzukehren und die Partikeln un-
ter dem (primären) Aspekt ihrer kommunikativ-pragmatischen Funktion
zu betrachten“ (Helbig und Buscha, 1991, S. 479). Unter Einbeziehung des
pragmatischen Aspekts und der grammatischen Charakteristika werden
von Helbig und Buscha folgende Partikelsubklassen unterschieden:
• Abtönungspartikeln,
• Gradpartikeln,
• Vergleichspartikeln.
Engel (1994), der sich u. a. in der germanistischen Sprachwissenschaft tief-
gründig mit der Modifizierung der Partikeln beschäftigt hat, nimmt in sei-
ner „Syntax der deutschen Gegenwartssprache“ „auf Grund ihrer Kombi-
natorik“ (S. 58) sechs Teilklassen an:
• Kopulapartikel,
• Modalpartikel,
• Rangierpartikel,
• Gradpartikel,
• Abtönungspartikel und
• „weitere Partikel“.
Engel unterscheidet, wie andere auch, Partikel von Partikeln. Partikeln ist
dann ein Oberbegriff für die Wörter, „die stets unveränderlich sind und
keine Kombination mit Flexemen eingehen“ (Engel, 1994, S. 57). Mit Parti-
kel werden dagegen Subklassen der Unflektierbaren bezeichnet. Bei seiner
Subklassifikation ist nicht sehr hilfreich, dass er von Kopulapartikel und
Modalpartikel spricht.„Als Kopulapartikel werden die Partikeln definiert,
die im Satz immer mit einem ‚Kopulaverb’ verbunden werden können.
Hierher gehören Wörter wie abspenstig, durcheinander, leid, quitt, schuld (En-
gel, 1994, S. 77). Engel selbst verweist darauf, dass diese Kopulapartikel
viel mit den Adjektiven gemeinsam haben. Vor allem ihre teilweise Flek-
tierbarkeit (wie bei abspenstig in (159)), ihre mögliche attributive Nutzung
spricht gegen eine Partikelbestimmung.
(159) Deren Mitarbeiter sollen per Anruf abspenstige Nutzer zurücklo-
cken.
(www.maniac.de/forum; 13.5.2006)
164
Die unflektierbaren Wortklassen
Mit Modalpartikel werden die Satzadverbien bezeichnet. Dass diese ei-
ne eigenständige Wortklasse mit spezifischen Charakteristika bilden, die
sie von den Partikeln deutlich abgrenzen, wird im nachfolgenden Kapitel
dargestellt. Ähnlich verhält es sich mit den anderen ‚satzgliedwertigen’
Partikeln, den Rangierpartikeln (wie übrigens oder überdies), die alleine im
Vorfeld stehen können (wie in (160)) und m. E. zu den Adverbien gehö-
ren.
(160) Übrigens funktioniert das auch bei anderen Programmen, beispiels-
weise bei Word.
(www.tippscout.de; 6.8.2005)
Von mir werden auf der Basis von grammatischen und funktionalen Merk-
malen folgende vier Partikelnsubklassen unterschieden, die dann nachfol-
gend beschrieben werden:
• Abtönungspartikeln,
• Gradpartikeln,
• Vergleichspartikeln,
• Negationspartikeln.
Abtönungspartikeln:35
Sie werden auch Modalpartikeln oder Einstellungspartikeln genannt und
„beziehen sich ausschließlich auf die Illokution einer Äußerung“ (Engel,
1994, S.79). Sie haben die Funktion, „das Gesagte im Kontext der Rede zu
situieren. Sie geben dem Gegenüber Informationen darüber, in welchem
Zusammenhang ein Satz gemacht wurde und ermöglichen es ihm, ihn
pragmatisch einzuordnen. Man kann ihre Bedeutung in Form eines Me-
takommentars, eines Kommentars über die Äußerung, paraphrasieren“
(Hentschel und Weydt, 1990, S.283). In dem Beispiel (161) hat die Abtö-
nungspartikel etwa, die wie alle Partikeln homonyme Formen in anderen
Wortarten hat, die Funktion, dem Gesprächspartner zu unterstellen, dass
es nicht ihre Fähigkeiten waren, die dazu führten, dass eine Frau für das
Amt einer ägyptischen Dorfschulzin genommen wurde.
(161) Gab es etwa keine Männer, oder warum mussten sie eine Frau neh-
men? Es sind doch noch nicht alle Männer gestorben!
(www.qantara.de; 6.8.2005)
35 Nach Hentschel und Weydt (1990, S. 280) stammt d er Terminus Abtönungspartikel
von Weydt.
165
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Die Abtönungspartikeln haben die generellen grammatischen Charakte-
ristika der Partikel:
• Sie sind allein nicht vorfeldfähig.
(* Etwa gab es keine Männer, . . . )
• Sie sind nicht negierbar.
(* Gab es nicht etwa keine Männer, . . . )
• Sie können nicht als Antworten auf Fragen fungieren.
• Sie sind in der Regel unbetont.
• Darüber hinaus: Sie können nicht koordiniert werden.
(* Gab es nicht etwa oder doch keine Männer, . . . )
Es können aber mehrere Abtönungspartikeln in einem Satz vorkommen
(Gab es nicht etwa doch keine Männer, . . . ); für ihre Reihenfolge gibt es
dann Restriktionen. (Zifonun u. a., 1997, S. 59)
Gradpartikeln:36
Sie werden auch Fokuspartikeln oder Intensitätspartikeln genannt, sie ha-
ben die Funktion zu skalieren. Diese Skalierung betrifft einen Satzteil,
einen Fokus. Nach Jacobs (1983) sind nur, auch und sogar die meistdisku-
tierten Gradpartikel. Die Partikel etwa kann auch als Gradpartikel auftre-
ten. In dem Beispiel (162a) gibt etwa die Einschränkung des Verfassers zur
Kenntnis, dass die Zahlenangabe nicht exakt, sondern nur ungefähr ist.
Etwa kann auch die „Diktumsgraduierung“ (Zifonun u. a., 1997, S. 57) vor-
nehmen: Auf einer Skala von möglichen Beispielen wird eine Begrenzung
auf ein Beispiel vorgenommen (162b).
(162) a. Uralte Saurier aus der Zeit vor etwa 290 Millionen Jahren
(openpr.de; 5.8.2005)
b. Wir wählen etwa folgendes Beispiel.
(Helbig und Buscha, 1991, S. 482)
Die Gradpartikeln haben folgende spezifische grammatische Charakteris-
tika:
• Ihre Position im Satz ist nur eingeschränkt variabel. Sie „stehen in der
Regel unmittelbar vor, einige auch unmittelbar nach dem Bezugsausdruck
oder in Distanzstellung. Nur die Gradpartikeln noch und schon können
allein (ohne ihren Bezugsausdruck) das Vorfeld besetzen“ (Zifonun u. a.,
1997, S. 57). Ob es sich bei der alleinigen Vorfeldbesetzung wirklich um
36 Die Bezeichnung Gradpartikel stammt nach Jacobs (1983) von H. Altmann.
166
Die unflektierbaren Wortklassen
Gradpartikeln handelt, sollte durch Untersuchungen an realen Äußerun-
gen korpusbasiert hinterfragt werden. Auch Beispiele von wirklicher Di-
stanzstellung sind selten.
(163) a. Noch immer auf der Suche nach dem Traumpartner?
(www.single5001.de; 5.8.2005)
→Kontaktstellung
b. Gerade alte Menschen können sehr vom Umgang mit Tieren
profitieren. (www.kda.de; 5.08.2005)
→Distanzstellung
• Gradpartikeln müssen zusammen mit ihrem Bezugswort erfragt wer-
den.
(164) a. Lediglich der Sicherheitschef der französischen Tunnelgesell-
schaft muss sechs Monate hinter Gitter.
(www.az-badkreuznach.de; 5.8.2005)
b. Wer muss ins Gefängnis? Lediglich der Sicherheitschef.
Wie muss er ins Gefängnis? * Lediglich.
8.) Handelt es sich bei noch und schon in den folgenden Beispie-
len um Gradpartikeln? Wenn nicht, welche Wortart liegt vor?
– Noch geht es nicht ohne die Spritze. (www.uni-protokolle.de; 5.8.2005)
– Alle Vögel sind schon da.
– Werden Maschinen schon in hundert Jahren den Menschen ersetzen?
(www.heise.de; 5.8.2005)
Vergleichspartikeln:
Als Vergleichspartikeln treten als und wie im Deutschen auf.
(165) a. Zecken sind alles andere als harmlos.
(www.mdr.de/ratgeber; 8.8.2005)
b. Arbeiten wie die Gebrüder Grimm
(www.welt.de/data; 9.5.2006)
Auch diese Partikeln haben Homonyme in anderen Wortarten (Beispiele
in (166)).
(166) a. Als er sich 1981 auf seinen ersten 100-Kilometer-Lauf vorberei-
tete, hatte er viermal zu Fuß die Erde umrundet, . . .
167
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
(www.zeit.de; 8.8.2005)
= temporale Subjunktion
b. Nötig ist sowohl staatliche als auch marktwirtschaftliche Regu-
lation.
(www.uni-protokolle.de/nachrichten; 8.8.2005)
= Konjunktionsteil
c. Wie Personal Firewalls ausgetrickst werden können
(home.arcor.de; 8.8.2005)
= Frageadverb
Wie Hahnemann (1999), die sich tiefgründig mit dem Wortartenstatus von
als und wie beschäftigt hat, betont, ist die Einordnung der Vergleichsparti-
kel bei den Präpositionen oder Konjunktionen problematisch.
Als Vergleichspartikel ist wie in der Standardsprache ein Indikator für
Gleichheit oder Ähnlichkeit.
Die Vergleichspartikel als ist mehrdeutig:
In Gradvergleichen zeigt sie eine Ungleichheitsrelation an.
(167) Eine dumme Frage ist besser als (fast) jede kluge Antwort.
( www.jaeggi.ch; 8.8.2005)
In irrealen Vergleichssätzen markiert sie eine hypothetische Ähnlichkeit.
(168) Schröder tut noch immer so, als ob er nach der von ihm inszenier-
ten Wahl das Sagen hätte. (www.saar-echo.de; 8.8.2005)
9.) Bestimmen Sie die Wortarten der homonymen Wörter als und
wie in den Beispielen.
1. Wie teuer ist das?
2. Er schnitt die Haare so, wie er es immer gemacht hatte.
3. Wie dem auch sei, wenn es so wäre, wäre es gut.
4. Es ist mir vorgekommen, wie ein reinigendes Gewitter.
5. Er genießt eine ebenso verdiente wie umfangreiche Wertschätzung.
6. Als der Rektor den Saal verließ, gingen auch die anderen.
7. Die Zusammensetzung war insofern ideal, als niemand einen Vorteil
hatte.
8. Er war sowohl Dichter als auch Komponist.
9. Ich schätze ihn aber nicht als Dichter.
168
Die unflektierbaren Wortklassen
Negationspartikeln:
Negationspartikeln sind keinesfalls, keineswegs, kein, mitnichten, nein, nicht,
.... Sie haben eine gewisse Sonderrolle, da sie zwischen den Partikeln
und Satzwörtern stehen. Sie können sowohl einzelne Satzteile (als Teil-
oder Sondernegation bezeichnet) als auch ganze Sätze (Satznegation) ne-
gieren:
(169) a. Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken
→Teilnegation
b. Kontakt zu ihrer Familie und dem Vater der Kinder hat sie
nicht. →Satznegation
(Der Spiegel 33, 2005; S. 119)
Speziell die Verwendung als Satznegation veranlasst beispielsweise Hel-
big und Buscha (1991, S. 509) der Frage nachzugehen, ob dann die Nega-
tionswörter „zu den Modalwörtern gerechnet“ werden sollen. Obwohl es
einige Gemeinsamkeiten gibt, lehnen sie es ab, ordnen sie aber auch nicht
in die vorhandenen Klassen ein, sondern behandeln sie unter der Über-
schrift „modalwort-ähnliche Ausdrücke“.
Gemeinsam mit den Satzadverbien (= Modalwörtern) haben die Negati-
onspartikeln in der Satznegationsverwendung, dass sie sich auf den gan-
zen Satz beziehen. Dies führt aber nicht dazu, dass sie, wie die Satzadver-
bien alleine im Vorfeld stehen können.
(170) * Nicht hat sie Kontakt zu ihrer Familie und dem Vater der Kinder.
Gegen die Einordnung in die Klasse der Satzadverbien spricht auch: „eine
prädikative Verwendung (und damit eine Paraphrase durch einen Matrix-
satz oder Schaltsatz) [ist] nicht zulässig“ und: es liegt „kein Einstellungs-
operator, sondern ein propositionaler Operator“ vor (Helbig und Buscha,
1991, S. 509).
Die Satznegationswörter (Reaktive) werden von mir zu den Satzwörtern
gerechnet.
10.) Ermitteln Sie die Adverbien und Partikeln im folgenden
Textausschnitt und klassifizieren Sie diese dann!
Mir gefiel das ungemein, aber mein Vetter und die Bauersleute sahen es
kaum. Denen fängt der Garten erst an, ein wenig Freude zu machen, wenn
es dann herbstelt und in den Beeten nur noch letzte Spätrosen, Strohblu-
men und Astern übrig sind. Jetzt waren sie tagtäglich von früh bis spät im
169
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Feld und fielen am Abend müde und schwer wie umgeworfene Bleisolda-
ten in die Betten. Und doch wird in jedem Herbst und in jedem Frühjahr
der Garten wieder treulich besorgt und hergerichtet, der nichts einbringt
und den sie in seiner schönsten Zeit kaum ansehen.
(Aus: Hermann Hesse: Die Marmorsäge. In: W. Kirsten, K. Paul (Hrsg.),
Das Rendezvous im Zoo. Aufbau-Verlag: Berlin, Weimar 1984, S. 29)
4.3.3 Satzwörter
4.3.3.1 Einordnung
Unter der Oberklasse Satzwörter werden Lexeme vereint, die Engel (1994,
S. 78) als „Satzäquivalente“ bezeichnet hat: „Hierunter verstehen wir un-
veränderliche Wörter, die selbst eine Äußerung konstituieren können und
jederzeit gegen Sätze austauschbar sind.“ Er rechnet, wie wir auch, die
Antwortpartikeln, reaktive Partikeln und Interjektionen dazu.
Hier wird der Terminus Satzwörter gewählt, weil wir noch die Satzad-
verbien hinzunehmen, die zwar einen Satzstatus in der Weise haben, dass
sie, vereinfacht ausgedrückt, eine einschätzende Aussage zu einem Satz
treffen. Sie können aber nicht alleine eine Äußerung konstituieren, sie ver-
langen vielmehr zwingend eine.
Die Antwortpartikeln und reaktiven Partikeln von Erben fassen wir zur
Klasse „Reaktive“ zusammen.
4.3.3.2 Satzadverbien
Grammatische Charakteristika:
Die Ausgliederung einer eigenständigen Wortart Satzadverbien, auch als
Modalwörter bezeichnet, wird keineswegs in allen Grammatiken der deut-
schen Sprache vorgenommen. Sie werden dann meist bei den Adverbien
eingefügt, was, wie Helbig und Helbig (1990, S. 12) treffend beschrieben
haben, „nicht verwunderlich ist, da der den Adverbien gewidmete Ab-
schnitt in manchen Grammatiken ohnehin gleichsam ‚einer Rumpelkam-
mer’ gleicht“, in der man alles unterbringt, was übrig bleibt. Da die Satz-
adverbien aber spezielle, sie von anderen Unflektierbaren unterscheiden-
de Spezifika haben, sollten sie als eigenständige Wortart der deutschen
Sprache verstanden werden.
Der Hauptunterschied zu den Adverbien besteht darin, dass sie sich
logisch-strukturell auf den ganzen Satz und nicht auf das Verb beziehen.
170
Die unflektierbaren Wortklassen
Dies wird auch dadurch sichtbar, dass sie nur durch eine Entscheidungs-
frage erfragt werden können:
(171) a. Diesen Fall klären wir vielleicht auch noch.
(www.welt.de/data/2005/03/19/612350.html; 22.6.2006)
b. Wie klären wir diesen Fall auch noch? * Vielleicht.
c. Werden wir diesen Fall auch noch klären? Vielleicht.
Satzadverbien können in der Regel auch selbst nicht negiert werden:
(172) * Diesen Fall klären wir nicht vielleicht auch noch.
Satzadverbien können im Gegensatz zu normalen Konstituenten des Prä-
dikatsverbandes nicht durch ein Prowort substituiert werden, wie nach-
folgendes Beispiel zeigt. Man kann möglicherweise nicht durch ein Prowort
(beispielsweise durch so) ersetzen, da der Satz dann einen anderen Sinn
erhält:
(173) a. Die geplante Bundestagswahl führt möglicherweise zum vorzei-
tigen Ende des Visa-Untersuchungsausschusses.
(www.welt.de; 28.7.2005)
b. Die geplante Bundestagswahl führt so zum vorzeitigen Ende
des Visa-Untersuchungsausschusses. (Keine Bedeutungsäqui-
valenz zum Ausgangssatz.)
Die Satzadverbien leisten keinen Beitrag zur Ereignischarakterisierung.
Sie haben pragmatischen Charakter. Sie markieren eine Sprechereinstel-
lung. Semantisch sind sie weitgehend leer und bringen in einen Satz Prag-
matisches ein. Die Sprecherbewertungen, die mit ihnen gegeben werden,
betreffen entweder die Einstellungen, Wünsche oder Interessen des Spre-
chenden,
(174) Dummerweise gibt es ständig und immerzu Dinge, die dummerweise
passieren.
(www.assoziations-blaster.de; 28.7.2005)
oder den Grad der Geltung, den der Sprechende den Tatsachen beimisst:
(175) Die eigene Kündigung war sicherlich der falsche Weg.
(www.tacheles-sozialhilfe.de; 28.7.2005)
Die Satzadverbien können deshalb in zwei Subklassen37 eingeteilt wer-
den, in wertende und den Geltungsgrad beschreibende.
37 Helbig und Helbig (1990) unterscheiden sechs semantisch-pragmatische Subklassen.
171
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Gemeinsamkeiten mit den Adverbien betreffen die nicht Flektierbarkeit
und das Einnehmen einer Satzgliedposition, also die Möglichkeit in einem
Aussagesatz allein die Vorfeldposition zu besetzen. Dies trennt sie deut-
lich von den Partikeln. In dem folgenden Beispiel kann das Satzadverb
leider alleine die Satzgliedposition im Vorfeld einnehmen.
(176) a. Die von Ihnen aufgerufene Seite kann leider nicht einwandfrei
dargestellt werden. →
b. Leider kann die von Ihnen aufgerufene Seite nicht einwandfrei
dargestellt werden.
Homonyme Formen treten bei den Unflektierbaren im Deutschen relativ
häufig auf. So finden wir z. B. die Formative wahrscheinlich und leider auch
mit anderen Wortklasseneigenschaften:
(177) a. Sie landeten trotz guter Leistungen leider nur auf dem 5. und
6. Platz.
(www.studix.de; 28.7.2005)
→leider hier Partikel
b. Speiseeis: Gesunde Inhaltsstoffe, aber leider kalorienreich.
(www.das-kochrezept.de; 28.7.2005)
→leider hier Modalwort
(178) a. Der wahrscheinlich günstigste Teeladen im Internet . . .
(www.orangewater.de; 28.7.2005)
→wahrscheinlich hier Partikel
b. Der Eklat ist wahrscheinlich.
(www.taz.de; 28.7.2005)
→wahrscheinlich hier Modalwort
c. Sichere und wahrscheinliche Klimaveränderungen: Vor uns die
Sintflut?
(www.reger.rmc.de; 28.7.2005)
→wahrscheinlich hier Adjektiv
11.) Welcher Wortart ist in den nachfolgenden Beispielen natür-
lich zuzuordnen? Begründen Sie ihre Bestimmungen!
– Natürliche Hausmittel, Haushaltstipps, Gartentipps, Tipps für Gesund-
heit und Kosmetik aus Omas Erfahrungsschatz.
(www.einfach-natuerlich.de; 28.7.2005)
172
Die unflektierbaren Wortklassen
– Natürlich von hier.
(www.natuerlich-von-hier.de; 28.7.2005)
– Sie brauchen für das Anlegen eines Miniteichs spezielle nährstoffarme
Teicherde, einige große Steine, Kies, Pflanzkörbe, Pflanzvlies und natür-
lich Pflanzen.
(www.wdr.de; 28.7.2005)
– Schönheits-OP – Alles ganz natürlich?
(www.amica.msn.de; 28.7.2005)
Wortbildung der Satzadverbien:
Satzadverbien sind häufig von Adjektiven abgeleitet, zum Teil haben sie
auch homonyme Entsprechungen bei den Adjektiven.
Produktiv sind Suffigierungen mit -weise, das aus Adjektiven und Nomen
Satzadverbien (aber auch Adverbien) bilden kann:
(179) bedauerlicherweise, schlauerweise, ansatzweise
Auch Zusammenrückungen sind anzutreffen:
(180) allerdings, beinahe, fürwahr, gottlob, vielleicht
4.3.3.3 Reaktive
Reaktive, auch als Antwortpartikeln bezeichnet, sind satzwertige Wörter,
mit denen in der Kommunikation zum einen auf Handlungen Bezug ge-
nommen wird, um sich zu bedanken oder um etwas zu bitten. Dazu ge-
hören bitte, danke.
(181) a. Danke, Herr Präsident (und Herr Bundeskanzler) . . .
(www.zeit.de; 10.8.2005)
b. Ihren Flugschein, bitte!
(www.zeit.de; 10.8.2005)
Zum anderen werden sie benutzt, um auf Entscheidungsfragen zustim-
mend (182a.) oder ablehnend (182b.) zu antworten. Reaktive sind neben ja
und nein doch, klar, jawohl, sicher, logisch, genau, eben, okay . . . .
(182) a. Jawohl! Deutschland ist letzter.
(www.rollingstone.de; 10.8.2005)
173
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
b. Nein, ich will keinen Schokoriegel.
(grundrauschen.info; 10.8.2005)
Auffällig ist, dass es für einen negativen Bescheid eigentlich nur nein gibt.
Neuerdings wird der Phraseologismus nicht wirklich in der Alltagssprache
zur Verneinung verwendet.
(183) Es ist eine Mode. Eine epidemisch sich ausbreitende Sprachhülse.
Dieses ‚nicht wirklich’. Scheint ansteckend zu sein. Hast Du Hun-
ger? Nicht wirklich. Sind Sie religiös? Nicht wirklich. Glauben Sie
an das Gute im Menschen? Nicht wirklich. Nicht nur auf Fragen
bekommt man überall dieses dämliche ‚nicht wirklich’ zu hören.
(www.dw-world.de (Deutsche Welle, M. Utz); 14.7.2005)
Gelegentlich werden die Reaktive auch als Responsive bezeichnet. (vgl.
z. B. Zifonun u. a. (1997, S. 63))
Zu den Reaktiven gehört auch das Satznegationswort nicht, das gelegent-
lich als eine eigenständige Partikelklasse konstituierend beschrieben wird.
Grammatische Charakteristika der prototyoischen Reaktive:
• Morphologisch:
–Sie sind nicht flektierbar.
• Syntaktisch:
–Sie stehen außerhalb des Satzes, häufig im Vorfeld.
• Semantisch-pragmatisch:
–Sie können anstelle von ganzen Sätzen stehen und benötigen
einen Vorkontext, auf den sie reagieren; sie haben anaphori-
schen Charakter.
4.3.3.4 Interjektionen
Öfters liest man zu den Interjektionen Äußerungen der Art: „Die Frage
freilich, ob die Interjektionen wirklich zu den Wörtern der deutschen Spra-
che zu rechnen seien, ist nach wie vor ungeklärt“ (Engel, 1994, S. 78). Als
Argumente werden dann angeführt:
Zweifel sind schon deshalb gerechtfertigt, weil ein Teil der In-
terjektionen Lautkombinationen aufweist, die sonst im Deut-
schen nicht zulässig sind. (Engel, 1994, S. 79)
174
Die unflektierbaren Wortklassen
Interjektionen haben [. . . ] nicht, wie die „normalen“ Wörter
einer Sprache, die Funktion, integrierte Teile eines Satzes zu
sein und semantisch zu dessen Gesamtbedeutung beizutragen,
sondern sie haben einen viel selbständigeren Status.
(Hentschel und Weydt, 1990, S. 295)
Fragen gibt es außerdem zum Status von bzw. zur Abgrenzung von In-
flektiven und Imperativen, wie im noch folgenden Beispiel (184) Japs Japs
(vgl. dazu Schlobinski (2001)).38
Dass es sich bei den Interjektionen um Wörter der deutschen Sprache han-
delt, steht außer Frage.
Grammatische Charakteristika der Interjektionen:
• Morphologisch:
–Sie sind nicht flektierbar.
–Sie werden zum Teil nach sonst unüblichen Mustern gebildet.
• Syntaktisch:
–Sie treten oft autonom auf und können allein einen Satz bilden.
(184) Huch. Japs Japs.
(kus.starfrosch.ch/2005/06/26/huch-die-ct-link)
–Sie können auch in Sätzen stehen und werden an geeigneten Stellen
eingeschoben, häufig im Vor- oder seltener im Satznachfeld.
(185) a. Tja, dann wollen wir mal.
(www.zeit.de; 24.1.2006)
b. Loyalität in der Werbebranche . . . ach ja?
(http://mediengestalter.gleichjetzt.de; 24.1.2006)
–Sie können in der Regel nicht erfragt werden.
• Semantisch-pragmatisch:
–Sie machen Emotionen sichtbar (186a.) und/oder dienen der Bewer-
tung (186b.).
(186) a. Hui, habe noch einen Brief meiner Angetrauten erhalten,
. . . (S. Kramer: Er und ich und die Frau dazu. SZ-Magazin
31, 2005; S. 17)
38 Mit Inflektiven werden Wörter bezeichnet, die ‚Einwortsätze‘ dar stellen und Kommen-
tare abgeben (z. B.Schluchz, ich habe ausgedient!). M. E. handelt es sich bei den Inflekti-
ven nicht um eine grammatische Wortart.
175
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
b. Akku, oh Akku! Du der ständige Begleiter meines Lebens!
(A. Hacke: Das Beste aus meinem Leben. SZ-Magazin 31,
2005; S. 4)
–Sie kommen vor allem in der gesprochenen Sprache, in den inoffizi-
ellen Textsorten der elektronischen Medien (wie Chats) und spezifi-
schen literarischen Textsorten (wie Comics) vor. Die beiden letztge-
nannten Kommunikationsbereiche sind gegenwärtig auch der Ort,
wo Neubildungen herkommen.
4.4 Die verbindenden Wortklassen
Die traditionelle Grammatik hatte bei den „Bindewörtern“ die Konjunk-
tionen und Präpositionen unterschieden und diese häufig als Synseman-
tika charakterisiert, was heute in der Regel nicht mehr getan wird:
Synsemantikum, auch Leerwort: Wort, das nach traditioneller
Auffassung für sich allein genommen nicht Bedeutungsträger
ist, z. B. Präpositionen und Konjunktionen: an, auf, mit, da, weil.
Synsemantika sind jedoch nicht bedeutungsleer; ihre Bedeu-
tung ist in der Angabe der Relation zu sehen.
(Conrad, 1985, S. 241)
Eine weitere Veränderung gegenüber der traditionellen Grammatik hat
sich bezüglich der Annahme einer Wortklasse Konjunktionen durchge-
setzt: Für das Deutsche verzichtet man auf eine Wortklasse Konjunktionen
und nimmt dafür meist zwei Klassen an, die zum Teil aber unterschiedlich
benannt werden:
„Konjunktoren und Subjunktoren“ (Pasch (1994));
„Konjunktionen und Subjunktionen“ (Dudenredaktion (2005)) oder
„Die beiordnenden Konjunktionen und die unterordnenden Konjunktio-
nen“ (Gallmann und Sitta (1996)).
Gemeinsam ist den verbindenden Wörtern, dass sie nie selbstständig
auftreten können. Sie tragen „verbindenden Charakter“, d. h. sie setzen
zwei Einheiten zueinander in Beziehung.
Von den Präpositionen hängt ein Syntagma ab. Konjunktoren verbinden
Gleichrangiges und Subjunktoren leiten Nebensätze oder Infinitivphrasen
ein und ordnen sie übergeordneten Sätzen unter. Sie alle setzen die Einhei-
ten, die sie verknüpfen, in eine spezifische semantische Relation. 39
39 Das trifft auf dass und ob nicht zu. Sie stellen keine spezifische semantische Relation
her.
176
Die verbindenden Wortklassen
[−selbstständig],[+ verbindend].
4.4.1 Präpositionen
4.4.1.1 Grammatische Charakterisierung
Präpositionen werden meist zu den Funktionswörtern gerechnet. Aller-
dings wird z.B. auch bei Zifonun u.a. (1997, S. 2074) mit Recht ein ande-
rer Standpunkt vertreten: „Präpositionen finden vor allem in der gram-
matiktheoretischen Literatur vergleichsweise starke Beachtung, weil sie
zwischen Funktionswörtern und selbstständig bedeutungstragenden Ein-
heiten anzusiedeln sind.“ Die Kernpräpositionen, d. h. die primären (wie
an, auf, von), sind „morphologisch opak“, d. h. „sie ähneln in der äußeren
Form weder Inhaltswörtern noch anderen Funktionswörtern“ (Di Meola,
2000, S. 38).
Präpositionen haben die gemeinsamen Wortklassenmerkmale der
verbindenden Wortklassen ([−flektierend],[−selbstständig],[+
verbindend]); sie haben auch die Funktion sprachliche Elemente zu ver-
knüpfen und deren semantische Relation zueinander zu kennzeichnen.
Als weitere Charakteristika sind folgende Punkte hervorhebenswert:
• Präposition (lateinisch praepositio) bedeutet wörtlich ‚das Vorange-
stellte’. Dies trifft auch auf die meisten Präpositionen zu. Einige wer-
den nachgestellt und ganz selten treten sie einrahmend auf.
(187) a. Electronic Arts verspricht Besserung gegenüber Ange-
stellten. (www.golem.de; 15.8.2005)
b. Die Verantwortung der Umwelt gegenüber.
(www.olympus.at; 15.8.2005)
c. Die Reform muss sein, weil sie um der Menschen willen
nötig ist. (www.zdf.de; 15.8.2005)
• Präpositionen weisen einer nachfolgenden Nominalphrase einen Ka-
sus zu, man bezeichnet dies auch als Kasusrektion. Mit der abhängi-
gen Nominalgruppe bilden sie zusammen eine Präpositionalphrase
(PräpP).
• Präpositionen können aber auch mit nicht flektierenden sprachli-
chen Einheiten verknüpft werden:
– mit Adverbphrasen: bis morgen, nach links, von gestern ...
– mit Adjektivphrasen: jemanden für dumm halten oder
– mit anderen Präpositionen: bis zu, unweit von ...
177
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
4.4.1.2 Subklassifizierungen
• Nach dem Kasus bzw. den Kasus, den die Präpositionen zuweisen,
kann man sie in Subklassen ordnen, man unterscheidet dabei Präpo-
sitionen mit einfacher und doppelter Rektion40:
– Präpositionen, die den Akkusativ fordern:
durch, für, um, gegen, ohne
– Präpositionen, die den Dativ fordern:
mit, nach, aus, bei, von, zu, seit
– Präpositionen, die den Dativ und den Akkusativ fordern:
an, auf, in, über, vor, zwischen
– Präpositionen, die den Genitiv fordern:
mangels, zwecks, kraft, betreffs
– Präpositionen, die den Genitiv und den Dativ fordern:
trotz, dank, statt, wegen
• Präpositionen sind auf den Ausdruck spezieller semantischer Rela-
tionen festgelegt, sie sind jedoch häufig mehrdeutig. Andererseits
gibt es auch Synonymie bei ihnen, d. h. für die Kennzeichnung ein-
zelner semantischer Relationen stehen mehrere Präpositionen zur
Verfügung. Beispielsweise für eine adversative Relation entgegen, ge-
gen und wider. Im folgenden Beispiel (188) kann wider durch entgegen
oder gegen ersetzt werden (189). Da sich wider Willen zu einer festen
Wendung entwickelt hat, kann im Gegensatz zu den anderen beiden
Präpositionen das logische Subjekt von Willen weggelassen werden,
es kommt zu einer elliptischen Verwendung von wider in dieser Fü-
gung.
(188) Kulturschaffende wider Willen?
(www.medienrauschen.de; 16.8.2005)
(189) a. Kulturschaffende entgegen ihrem Willen?
b. Kulturschaffende gegen ihren Willen?
Helbig und Buscha (1991, S. 412) unterscheiden folgende logisch-
semantische Relationen, die Präpositionen herstellen:
40 Zu den Gruppen werden nur einige Beispiele gegeben.
178
Die verbindenden Wortklassen
–adverbiale Verhältnisse
(190) Bärlach hatte lange im Ausland gelebt. →lokale Relati-
on
(Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker.
SZ/Bibliothek 2004, Band 42, S. 6)
–Objektsverhältnisse
(191) Bärlach schien sich von diesem geheimen Vorgehen of-
fenbar viel zu versprechen.
(Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker,
a.a.O., S. 7)
–attributive Verhältnisse
(192) . . . und sie gingen durch den Korridor an einem großen
Bilde in schwerem Goldrahmen vorbei.
(Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker,
a.a.O., S. 8)
–Subjektsverhältnisse, die in attributiven Konstruktionen zu Grun-
de liegen
(193) Lesen Sie die Antwort von Herrn Romann auf den Brief
des Hörers Schrader:
(www.dasganzewerk.de/korrespondenz-ndr-hoerer;
16.8.2005)
„Gegenwärtig verfügt unsere Muttersprache über etwa 120 Präpositionen,
ihr Bestand vermehrt sich“ (Sommerfeldt u. a., 1985, S. 140). Die Problema-
tik der Erweiterungen des Bestandes an Präpositionen stelle ich in Kapitel
8 dar.
Die am häufigsten auftretenden Präpositionen sind laut Dudenredaktion
(2005, S. 607) in, mit, von, an, auf, zu, bei, nach, um, für, aus, vor, über, durch,
unter, gegen, hinter, bis, neben, zwischen.
4.4.2 Konjunktoren
Konjunktoren haben innerhalb der Bindewörter das spezielle Merkmal
koordinierend zu verbinden. Zusammen mit den Subjunktoren grenzen
sie sich von den Präpositionen dadurch ab, dass sie keine Kasusforde-
rungen stellen und immer unmittelbar vor einem der zu verbindenden
Argumente stehen.
179
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
Nach Pasch (1994, S. 113) haben Konjunktoren folgende spezifische Eigen-
schaften:
• Wenn das unmittelbar nach ihnen folgende Argument ein Satz ist,
dann wird für diesen keine spezielle Stellung des finiten Verbs fest-
gelegt.
(194) a. Es ist bezahlt worden, und alle streben in lebhafter Un-
terhaltung dem Ausgang zu.
(Bodo Strauß: Paare, Passanten. SZ/Bibliothek 2004, Band
38, S. 8)
b. Aber da steht sie schon auf und geht an ihm vorbei durch
beide Türen.
(Bodo Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 8)
• Sie stehen nach dem ersten Argument, das sie verknüpfen.
(195) In einem Restaurant erhebt sich eine größere Runde von jun-
gen Männern und Frauen.
(Bodo Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 8)
• Die beiden Argumente, die durch den Konjunktor verknüpft wer-
den, können beide nur thematisch (‘bekannt’) oder rhematisch (‘neu’)
sein.
(196) Sie wissen wenig voneinander, nichts Tieferes, vom Lebens-
weg des anderen nur eben soviel, wie man in Zigarettenpau-
sen spricht und dann leicht vergißt. (= Rhema41)
(Bodo Strauß: Paare, Passanten, a.a.O., S. 13)
Konjunktoren sind nach Pasch (1994, S. 113) aber, allein, allerdings, also, au-
ßer, beziehungsweise, bloß, das heißt, denn, doch, entweder . . . oder, es sei denn,
freilich, geschweige (denn), immerhin, in(dessen), ja, jedenfalls, jedoch, nämlich,
nur, oder, respektive, sondern, und.
4.4.3 Subjunktoren
Pasch (1994, S. 112) gibt für Subjunktoren zu den oben auf Seite 83 genann-
ten Charakteristika ([−flektierend],[−selbstständig],[+ verbindend]) der
Fügewörter noch folgende zusätzliche spezifische Kriterien an:
41 Thema und Rhema siehe Glossar.
180
Die verbindenden Wortklassen
• Wenn das unmittelbar nach ihnen folgende Argument ein Satz ist,
dann wird für diesen Verbendstellung festgelegt.
(197) Warum jahrelang über Studiengebühren streiten, anstatt sie
endlich auszuprobieren.
(politikblog.blogg.de; 12.8.2005)
• Wenn das unmittelbar nach ihnen folgende Argument ein Satz ist,
dann kann er im Vor-, Mittel- oder Nachfeld des Ausdrucks auftre-
ten.
(198) a. Männer in Badehosen sehen oft lächerlich aus, weil Män-
ner überhaupt oft lächerlich aussehen.
(Kurt Kister: SZ-Magazin 30, 2005; S. 18)
b. Ans Lesen ist, weil die klammen Finger die Zeitung
nicht halten können, auch nicht zu denken.
(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 10.7.2005;
S. V 1)
c. Weil dies so ist und weil das Rad der Welt sich eben
weiterdrehen will, begleitet das Spiel mit den vorhande-
nen Möglichkeiten [. . . ] die Geschichte der Schrift [. . . ]
(G. Schuler: body types. Smart Books Publishing AG: Kilch-
berg 2003, S. 24)
• Die Argumente eines Subjunktors können für die Thema-Rhema-
Gliederung des Ausdrucks „unterschiedliche Anteile abdecken“.
(199) a. Wie dieser jedoch konkret ausgestaltet ist, (= Thema)
bleibt einem «bodytypes»-Kompendium der Zukunft vor-
behalten.
(G. Schuler: body types, a.a.O., S. 437)
b. Das Herstellen der Schrift ist ein komplett anderer Pro-
zess geworden, als er früher zu Fotosatzzeiten war.
(= Rhema)
(G. Schuler: body types, a.a.O., S. 122)
Subjunktoren sind nach Pasch (1994, S. 112) abgesehn davon dass, als, ange-
nommen dass, anstatt (dass), außer dass, außer wenn, bevor, bis, da, daür dass,
damit, derweil, ehe, falls, im Fall(e), dass, indem, indes(sen), insofern (als), in-
soweit als, je nachdem, kaum dass, nachdem obgleich, obschon, obwohl, obzwar,
ohne dass, seit(dem), so, sobald, sofern, solange, sooft, sosehr, soviel, soweit, so-
wie, statt (dass), trotzdem, vorausgesetzt dass, während, weil, wenn, wenngleich,
wie, wie wenn, wiewohl, wo, wofern, zumal (da), zumal wenn.
181
Grammatisch relevante Wortarten im Deutschen
12.) Ermitteln Sie die verbindenden Wörter im nachfolgenden
Textausschnitt und subklassifizieren Sie diese!
Lasker liebte Wald, Wiesen und Berghänge und entschloß sich fast jedes
dritte Jahr, die Stadt zu verlassen, um im Schoß der jungfräulichen Na-
tur auszuruhen. Diese breitete sich ungefähr dreißig Kilometer hinter Ber-
lin aus, wo der Weltmeister einige Obstbäume, Kaninchen und Hühner
besaß. Weitab von Schachbrett, Telephon und Kaffeehaus durchlebte da
Lasker seinen kurzen Traum vom Zauber der Natur. Hier wollte er seine
eigenen Kartoffeln ernten und seine eigene Kuh melken. Zuerst vertiefte
er sich jedoch ins Studium von Schriften über das Pfropfen von Bäumen,
in die Problematik von Saat und Ernte, aber je mehr Bücher er durchge-
lesen hatte, desto mehr wurde er sich seines Mangels an Fachkenntnissen
und seiner Unzulänglichkeit bewußt.
(Aus: V. Houska/K. Opocensky: Heiteres aus der Welt des Schachs. Artia:
Praha 1961, S. 33)
13.) Verknüpfen Sie die folgenden semantischen Komplexe mit-
tels Präpositionen, Konjunktoren und Subjunktoren, um verschie-
dene semantische Beziehungen auszudrücken (Sie können na-
türlich zusätzliches Wortmaterial verwenden)!
’Schreibtisch’; ’Computer’; ’schönes Wetter’; ’erledigen wichtige Aufga-
be’.
182
5 Aktionsarten im Deutschen
5.1 Einführendes
„Aspekt, Aktionsart und Phase werden in Literatur und Praxis oft gleich-
gesetzt oder verwechselt“ (Marschall, 2004, S. 43).
Anderen bereitet die Abgrenzung von Aktionsart, Aspekt und Zeitkon-
stitution Probleme (François (1985)). Dies hat speziell bei der deutschen
Sprache seine Ursache auch darin, dass es kein ausgebautes und exakt ab-
grenzbares Aktionsartensystem gibt. Meist wird als Oberbegriff von „Ak-
tionalität“ gesprochen, so auch in der Duden-Grammatik (2005). Obwohl
zur Aktionalität schon lange geforscht wird1, werden auch bei der zentra-
len Kategorie der Aktionalität, bei der Aktionsartenbestimmung, unter-
schiedliche Standpunkte eingenommen. Neben den Abgrenzungsproble-
men zu verwandten Phänomenen wird bezüglich ihrer Einordnung disku-
tiert, ob die Aktionsarten eine semantische oder grammatische Kategorie
sind. Zudem ist auch unklar, ob sie eine Kategorie der Verben sind oder
zur Satzbedeutung gehören, also Handlungen spezifizieren.
Baudot und Anderson haben in Gautier und Haberkorn (2004) vorgeschla-
gen, Aspektualität als Oberbegriff für Aspekt, Aktionsart und Verbalcha-
rakter zu verwenden; dies sehe ich als sehr sinnvoll an:
Aspekt Aktionsart Verbalcharakter
Aspektualität
Abbildung 5.1: Module der Aspektualität im Deutschen
Da der Aspekt2im Deutschen keine grammatische Kategorie ist, soll er
1Zur Forschungsgeschichte vgl. Zhu (1999).
2„Betrachtungsweise eines Handlungsvorganges hinsichtlich seiner in sich geschlosse-
nen Ganzheit“ (Conrad, 1985, S. 32) bzw. „Darstellung e ines Geschehens im Hinblick
auf seinen Verlauf“ (Baudot, 2004, S. 31).
183
Aktionsarten im Deutschen
hier nicht einbezogen werden. Auf den Verbalcharakter wurde im Kapitel
4.2.1 eingegangen. Aspektualität als konzeptuelle Kategorie der Ereignis-
perspektivierung schlägt sich in der deutschen Grammatik primär in der
Aktionsartenmarkierung nieder, deshalb soll diese näher besprochen wer-
den. Um Missverständnissen vorzubeugen: auch die Aktionsartenmarkie-
rung erfolgt im Deutschen nicht systematisch.
Bei Leiss (1992) wird ein etwas anderes, aber letztlich ähnliches Verständ-
nis von Aspektualität zu Grunde gelegt: „Solange die Abgrenzung zwi-
schen Aktionsart und Aspekt nicht klar ist, verwende ich den Überbegriff
Aspektualität, der beide Kategorien (auch die Aktionsarten im weitesten
Sinn) umfaßt, um dieses Phänomen zu etikettieren“ (Leiss, 1992, S.22).
Ein anderer Strang der Aktionsartenforschung nimmt die „Zeitkonstituti-
on“ als zentrale Kategorie an und ordnet dort die Aktionsarten ein (Fran-
çois (1985)). Aktionalität wird in einen engen Zusammenhang zur Tempo-
ralität gesetzt.
5.2 Weite und enge Auffassungen
5.2.1 Die weite Aktionsartenauffassung
W. Flämig (1965) hat mit seinem programmatischen Aufsatz „Aktionsart
und Aktionalität“ eine Auffassung von Aktionsarten geprägt, die noch
heute die meisten Gebrauchsgrammatiken bestimmt. Diese Auffassung
möchte ich als weit gefasst charakterisieren, weil sie zum einen die Ak-
tionsartenmarkierung nicht nur aufs Verb beschränkt und zum anderen
neben grammatischen auch lexikalische Mittel zur Bezeichnung der Akti-
onsarten zulässt.
Die Verlaufsweise von Vorgängen, also die besondere Art, wie
ein Geschehen abläuft, wie ein Vorgang abgestuft ist, bezeich-
net man als Aktionsart. [. . . ] Vorgänge und Zustände der Wirk-
lichkeit können in ihrem Verlauf von Natur aus unterschiedli-
che Merkmale aufweisen: zeitlich unbegrenzt/begrenzt, zeit-
lich ungegliedert/gegliedert, gradweise undifferenziert/diffe-
renziert.
(Flämig, 1965, S. 5–7)
Aktionsarten werden als etwas Objektives verstanden, was auch bei ande-
ren Autor/innen hervorgehoben wird. Das ist dahingehend widersprüch-
lich, da ja die subjektive Äußerung die Basis der Aktionsartenfestlegung
184
Weite und enge Auffassungen
ist.
Nach der Dauer werden zwei Aktionsarten unterschieden (5.2).
durativ punktuell
Daueraktionsarten
Abbildung 5.2: Daueraktionsarten bei Flämig
Außerdem werden Phasen- und Abstufungsaktionsarten angenommen,
wie in Abbildung 5.3 veranschaulicht.
imperfektiv
ingressiv inchoativ egressiv konklusiv effektiv
perfektiv iterativ
Phasenaktionsarten
Abbildung 5.3: Phasenaktionsarten bei Flämig
Diese Phasen- und Abstufungsaktionsarten werden folgendermaßen cha-
rakterisiert:
• Äußerungen mit imperfektiver (auch durativ oder kursiv genannt)
Aktionsart stellen einen Vorgang ohne Angaben über Begrenzungen
oder Abstufungen in seinem reinen Verlauf dar.
Die Magnolie blüht.
• Bei perfektiver (auch punktuell oder terminativ) Aktionsart wird das
Geschehen zeitlich begrenzt oder ein Übergang in einen anderen Zu-
stand ausgedrückt.
– ingressiv: Die Eingangsphase wird betont.
Die Magnolie erblüht.
– inchoativ: Ein allmählicher Übergang in einen anderen Zustand.
Die Magnolie verwelkt.
– egressiv: Der Schluss wird hervorgehoben.
Das Matterhorn ersteigen.
185
Aktionsarten im Deutschen
– konklusiv: Ein allmählicher Abschluss.
Einen Apfel essen.
186
Weite und enge Auffassungen
– effektiv: Ein Resultat zeitigend.
Einen Sieg erringen.
• Iterative Aktionsart meint eine ständige Wiederholung eines Vor-
gangs.
Tagtäglich auf Arbeit gehen.
Nach der Intensität nimmt Flämig drei Intensitäts-Aktionsarten an (5.4):
verstärkend verringernd diminutivierend
Intensitätsaktionsarten
Abbildung 5.4: Intensitätsaktionsarten bei Flämig
„Die sprachlichen Mittel zur Bezeichnung von Aktionsarten im Deutschen
sind recht unterschiedlicher Art“ (Flämig, 1965, S. 5). Am reichsten sei-
en die zur Bezeichnung der Endphase, für die es vielfältige sich zum Teil
überlappende Bezeichnungen gibt; genannt werden dafür folgende, die
beispielhaft für die zu weite Auffassung Flämigs angeführt werden:
– punktuelle Verben (Er findet/trifft/. . . ),
– faktitive Verben (Sie tötet/öffnet/. . . ),
– imperfektive Verben in perfektivem Gebrauch (Sie geht (weg)/. . . ),
– ‚Hilfsverben‘ (Er gibt es auf zu streiten/. . . ),
– Präfixe (Sie erschlägt/verbrennt/. . . ),
– Partikel (Er durchbohrt/umfährt/. . . )
– Funktionsverbgefüge (Sie bringt es zum Abschluss/. . . ),
– Tempus- und Modusformen der Vollzugsstufe: Perfekt, Plusquamper-
fekt, Futur II (Er hat gearbeitet/war gegangen/wird gesucht haben.),
– Partizip II (Zerschlagen/isoliert/. . . ist es.).
5.2.2 Die enge Aktionsartenauffassung
R. Steinitz (1981) hat unter Bezugnahme auf Isaˇcenko und in direkter Aus-
einandersetzung mit Flämig eine enge Aktionsartenauffassung in die Ger-
manistik eingeführt. Sie stellt sich als eine „grammatische Auffassung“
dar, nach der Aktionsarten nur dann vorliegen, wenn die Bedeutung der
187
Aktionsarten im Deutschen
Verben durch Hinzufügen eines grammatischen Elements eine Modifizie-
rung der Handlungssicht erfährt. Dies ist eine enge Auffassung, weil in
den Aktionsarten eine Verbkategorie und nicht eine Kategorie des Satzes
gesehen wird und diese auch nicht allen Verben zugesprochen wird. Als
aktionsartenneutral werden die durativen Verben angesehen, die den Ab-
lauf eines Geschehens ohne Begrenzung oder Abstufung bezeichnen. Von
einer Aktionsartenspezifizierung kann erst gesprochen werden, wenn der
Ablauf modifiziert wird (blühen +er- →erblühen).
Aktionsarten können nach Steinitz im Deutschen durch Präfixe, Suffixe
und manche Funktionsverbgefüge markiert werden.
Eine enge, morphosemantische Aktionsartenauffassung wird auch in Zi-
fonun u. a. (1997, S. 1861) vertreten:
Es ist [. . . ] sinnvoll, den Begriff der Aktionsart für das Wortbil-
dungsphänomen zu reservieren: Aktionsarten werden durch
Verbalpräfixe gegenüber den Basisverben eingebracht, peripher
auch durch das Suffix -(e)l(lächeln, streicheln).
5.3 Aktionsartenmarkierung in der deutschen
Sprache
Wie eingangs in diesem Kapitel ausgeführt, konstituiert sich in der deut-
schen Sprache die Ereignisperspektivierung aus dem Bezeichnungscha-
rakter der Verben und den verschiedensten morphosyntaktischen Akti-
onsartenmarkierungen im Satz.
Die Aktionsarten sind eine Satzkategorie, die nicht nur von den Verben
eingebracht wird. Wenn wir einen Satz verarbeiten, bekommen wir u. a.
als Information, ob es sich um einen Zustand oder ein Ereignis handelt.
Darüber hinaus kann als mitteilenswert angesehen werden, ob es sich
um begrenzte, intervallbasierte oder einen Zustandswechsel bewirken-
de Ereignisse handelt.
In einer Übersicht (5.5 auf der nächsten Seite) sollen die Komponenten
der Ereignisperspektivierung (= Aktionalität) im deutschen Satz aufge-
zeigt werden, bevor sie später noch besprochen werden.
Ein Beispiel (1) zur Einführung:
(1) Jede Liebesgeschichte hat einen Anfang, und diese ging so: Auf ei-
nem Polo-Feld im Süden Englands traf eine junge Frau einen jun-
gen Mann. [. . . ] (SZ 11.4.2005; S. 12)
188
Aktionsartenmarkierung in der deutschen Sprache
Verbkomplex:
Sachverhalt
[Zustand oder Ereignis]
Aktionsartenmarker:
+/−intervallbasiert,
+/−begrenzt,
+/−telisch
Perspektivierung
Abbildung 5.5: Komponenten der Aktionalität im Deutschen
Im Satz (2a.) wird mit dem Verb hat ein allgemeiner Sachverhalt deno-
tiert, der mit ‘beinhalten’ umschrieben werden kann, der an sich keine
inhärente Begrenzung hat und einen Sachverhalt statisch als Zustand be-
schreibt (z. B. Eine Liebesgeschichte haben.) Durch das begrenzende einen
Anfang wird mit einen Anfang haben ein dynamisches Ereignis denotiert,
das einen Zustandswechsel beschreibt: von ‘ohne diese Liebesgeschichte’
zu ‘mit dieser Liebesgeschichte’. Die folgenden Sätze (2b.) und (2c.) berich-
ten dann genauer über das konkrete Ereignis, das zum Zustandswechsel
geführt hat.
(2) a. Jede Liebesgeschichte hat einen Anfang, [‘Zustandswechsel’]
b. und diese ging so: [‘Ereignis’]
c. Auf einem Polo-Feld im Süden Englands traf eine junge Frau
einen jungen Mann. [‘Ereignis’]
Die Modifizierung des Verbalkomplexes hinsichtlich eines Zustands-
wechsels, einer Begrenztheit bzw. nicht Begrenztheit oder Intervallba-
siertheit bzw. nicht Intervallbasiertheit wird als Aktionsartenmarkie-
rung verstanden.
Um die Aktionalität zu beschreiben, werden in Anlehnung an Egg (1994)
drei Hauptmerkmale (intervallbasiert, begrenzt, telisch) verwendet, die
hierarchisch angeordnet sind und unter aktionalem Blickwinkel zu vier
Prädikatsgruppen führen.
Die Merkmale der Aktionalität sind folgendermaßen charakterisierbar:
[+/−intervallbasiert]:
Intervallbasierte Prädikate machen stets Aussagen über mindestens zwei
Zeitpunkte. Nicht intervallbasierte Prädikate können dagegen relativ zu
den einzelnen Zeitpunkten evaluiert werden. Dieses Merkmal unterschei-
det die Zustände von den anderen Aktionsarten. Zustände sind also nicht
189
Aktionsarten im Deutschen
intervallbasiert:
(3) a. Josef ist treu. = [−intervallbasiert] = Zustand
b. Josef schwimmt gern. = [+intervallbasiert] = Ereignis
In (3b.) wird ein Ereignis benannt, dass keine inhärenten Grenzen hat, aber
nicht immer auf „Josef“ zutrifft, da er ja kein Fisch ist, also das Ereig-
nis „schwimmen“ bei ihm nur in bestimmten zeitlichen Intervallen auf-
tritt. Dieses Merkmal teilt die Menge der Prädikate in zwei Gruppen, in
Ereignis- und nicht Ereignisprädikate:
(4) a. Das Mandelbäumchen blüht. = [+ intervallbasiert]
= Ereignis, das in bestimmten jahreszeitlichen Intervallen auf-
tritt.
b. Maria mag schnelle Autos. = [−intervallbasiert]
= nicht Ereignis = Zustand, der als ständig andauernd, be-
schrieben wird.
Die Eigenschaft der zeitlichen Begrenztheit kann getestet werden. Da be-
grenzte Prädikate im Gegensatz zu unbegrenzten zählbar sind, kann man
nur sie mit Adverbien wie zweimal oder wiederholt verbinden:
(5) a. Das Mandelbäumchen blühte zweimal.
b. * Maria mochte zweimal schnelle Autos.
[+/−begrenzt]:
Mit Begrenztheit ist gemeint, dass Entitäten mit inhärenten Grenzen de-
notiert werden. Wenn wir die nachfolgenden Beispiele vergleichen, se-
hen wir den Unterschied zwischen begrenzten und unbegrenzten Ereig-
nissen:
(6) a. Maria hört gern Musik.
b. Maria hört ein Lied.
Musik hören ist ein intervallbasiertes Ereignis (6a.); ein spezifisches Lied
hören (6b.) ist auch ein intervallbasiertes Ereignis, das aber zusätzlich
noch als grenzbezogen markiert ist, weil es genau vom ersten bis zum
letzten Ton des Liedes dauert. Musik hören (6a.) dagegen ist unspezifisch
und meint, dass Maria dies gern wiederholt. Begrenzte Ereignisse werden
im Aktionalitätskontext als Intergressive bezeichnet. Maßangaben können
Indikatoren für Intergressive sein:
190
Aktionsartenmarkierung in der deutschen Sprache
(7) a. Josef badete eine Stunde lang.
b. Maria wanderte drei Kilometer durch den Wald.
Intergressive benennen jedoch keinen Zustandswechsel, sie sind also nicht
telisch. In (7b.) beispielsweise wird nichts über den Vor- und Nachzustand
ausgesagt. So wäre es möglich, dass Maria vorher auch schon gewandert
ist oder auch nicht.
Im nachfolgenden Beispiel (8) dagegen wird ein Ereignis mit Zustands-
wechsel beschrieben:
(8) Maria und Josef aßen eine Pizza.
Am Ende des Ereignisses ‘Pizza essen’ ist die Pizza vernichtet und damit
ein Zustandswechsel vollzogen.
[+/−telisch]:
Egg (1994, S. 29) meint mit Telizität „Zustandswechsel“.
„Zustandswechsel“ wird in Zifonun u. a. (1997) in Anlehnung an Fabricius-
Hansen (1974) mit „Transformation“ bezeichnet und Telizität folgender-
maßen bestimmt:
Ist ein Ereignis, das Denotat eines sprachlichen Ausdrucks ist,
bezüglich seines Abschlusses begrenzt, sprechen wir im An-
schluss an Krifka 1989 von Telizität. (Zifonun u. a., 1997, S. 1866)
Telizität ist hier also Grenzphasenbezug und Zustandswechsel Transfor-
mation.
Nach Ballweg (2004), der Telizität in dem von mir verstandenen Sinne
(„als linguistischer Terminus für die sprachliche Darstellung eines Ereig-
nisses als abgeschlossen“ (S. 76)) benutzt, gibt es im Deutschen drei Haupt-
ausdrucksmittel zur Darstellung der Telizität:
• Temporaladverbialia:
Zeitdaueradverbialia und Endpunktadverbialia „erzwingen eine te-
lische Interpretation“ (Ballweg, 2004, S. 77):
(9) a. Josef schwieg.
b. Josef schwieg zwei Wochen. [+ telisch]
c. Josef schwieg sehr lange.
d. Josef schwieg bis zum Mittagessen. [+ telisch]
191
Aktionsarten im Deutschen
• Resultative Verbzusätze:
Bestimmte Partikeln und Wortbildungsaffixe können die Verbbedeu-
tung in Richtung Telizität verändern:
(10) a. Maria schrieb einen Aufsatz.
b. Maria schrieb den Aufsatz fertig. [+ telisch]
c. Der Hund schläft.
d. Der Hund wurde eingeschläfert. [+ telisch]
e. Der Hund entschlief. [+ telisch]
• Das Zusammenspiel von Verb- und NP-Bedeutung:
„Patiens-Objekte, die als begrenzt (das schließt definit ein) darge-
stellt werden, erzwingen unter bestimmten Umständen eine telische
Interpretation“ (Ballweg, 2004, S. 77):
(11) a. Josef aß Käsebrötchen.
b. Josef aß ein/das/drei Käsebrötchen. [+ telisch]
Nicht Telizität (Atelizität) wird im Deutschen explizit angezeigt durch:
• Periphrasen von der Art . . . war dabei, zu + Infinitiv:
(12) a. Maria strickte den Schal.
b. Maria war dabei, den Schal zu stricken. [−telisch]
c. Maria ist am Schal stricken. [−telisch]
• Verbzusätze wie das Präfix be-:
(13) a. Josef findet keinen Schlaf. [+ telisch]
b. Josef befindet sich im Tiefschlaf. [−telisch]
• Das Weglassen von Aktanten:
(14) a. Josef isst ein Rostbrätchen. [+ telisch]
b. Josef isst. [−telisch]
• Das Auftreten von kumulativen Themenargumenten (vgl. Dölling
(2001)):
(15) a. Maria trinkt ein Bier. [+ telisch]
b. Maria war Bier trinken. [−telisch]
192
Aktionsartenmarkierung in der deutschen Sprache
Bei den telischen Prädikationen könnten zu den genannten drei noch zwei
Hauptgruppen abgetrennt werden, solche die die Anfangsphase des Wech-
sels betonen, wie in (16a.), und solche die die Endphase akzentuieren, wie
in (16b.).
(16) a. Josef läuft los.
b. Maria trinkt aus.
Auf der Basis der Merkmale ([±intervallbasiert],[±begrenzt], [±
telisch]) ergibt sich eine Klassifikation der Prädikationen hinsichtlich ih-
rer Aktionalität.
Diese Merkmale sind hierarchisch angeordnet:
[telisch]
[begrenzt]
[intervallbasiert]
Abbildung 5.6: Merkmalshierarchie
Besitzt ein Prädikat „höhere“ Merkmale, muss es auch die „rangniedrige-
ren“ haben. Besitzt ein Prädikat das Merkmal [telisch], das in der Hierar-
chie am „höchsten“ steht, hat es auch die beiden anderen. In dem Beispiel
(17) handelt es sich um eine telische Prädikation, die einen Zustandswech-
sel denotiert, der intervallbasiert und zeitlich begrenzt ist.
(17) Die Katze rennt aus dem Haus.
In dem Beispiel (18) handelt es sich um kein Ereignis, sondern um eine
Zustandsbeschreibung, deshalb treten nicht alle Merkmale auf.
(18) Die Katze besitzt ein glänzendes Fell.
In (19) liegt ein zeitlich begrenztes Ereignis ([begrenzt]) vor, das auch in-
tervallbasiert ist. Es beschreibt das Ereignis aber nicht als Zustandswech-
sel.
(19) Eine Partie Schach spielen.
193
Aktionsarten im Deutschen
Die Merkmale teilen die Prädikate in vier disjunkte Gruppen von Aktions-
arten, in Zustände, Prozesse, Intergressive und Wechsel. (Egg, 1994, S. 30)
Nachfolgende Tabelle (5.1) fasst dies zusammen:
Aktionalitätstyp [intervallbasiert] [begrenzt] [telisch]
Zustand
Prozess X
Intergressiv X X
Wechsel X X X
Tabelle 5.1: Aktionalitätstypen
Bezugnehmend auf traditionelle Aktionsartenauffassungen, gliedern wir
die Wechselaktionsart in drei Unterarten:
• Diejenigen, die einen Übergang bezeichnen (= mutativer Wechsel),
z. B. schwärzen, verbrennen, aufschäumen.
• In die mit einer Betonung der Anfangsphase (= inchoativer Wechsel),
z. B. aufblühen, einschlafen, loslachen.
• In die mit Betonung der Endphase (= egressiver Wechsel),
z. B. verblühen, erjagen, zerreißen.
Damit wird folgende Aktionsartenklassifizierung vorgeschlagen:
Aktionalitätstyp [intervallbasiert] [begrenzt] [telisch]
Zustand
Prozess X
Intergressiv X X
Wechsel: X X X
mutativer
inchoativer +Anfang betont
egressiver + Ende betont
Tabelle 5.2: Aktionsartenklassifizierung
Nicht als Aktionsartenmarkierung wird die Markierung der Geschehensin-
tensivierung bzw. -abschwächung angesehen, da es sich nicht um eine
Modifizierung des Verlaufs handelt. Dies sind semantische Prozesse der
Wortbedeutungsveränderung.
194
Aktionsartenmarkierung in der deutschen Sprache
1.) Bestimmen Sie die Aktionsart der Sätze bzw. Teilsätze!
Es war fünf Uhr früh. Es regnete. Erich von Lhomond, der vor Sara-
gossa verwundet und dann auf einem italienischen Lazarettschiff behan-
delt worden war, wartete am Bahnhofsbuffet von Pisa auf den Zug nach
Deutschland. Trotz seiner vierzig Jahre war er von einer entschiedenen, in
ihrer harten Jugendlichkeit gleichsam versteinerten Schönheit.
(Marguerite Yourcenar: Der Fangschuß. SZ/Bibliothek 2004, Band 15, S. 5)
5.3.1 Aktionsartenmarkierung durch Wortbildung
Im Folgenden soll näher auf die Aktionsartenmarkierung mit Wortbil-
dungsmitteln eingegangen werden, weil dies das ausgeprägte Mittel zur
Markierung im Deutschen ist. Stiebels (1996, S. 72) meint sogar: „Das Deut-
sche hat mittels der Verbzusätze ein komplexes System der Phasenaktions-
arten entwickelt“. Zifonun u. a. (1997, S. 1861) sehen es, wie erwähnt, als
sinnvoll an, „den Begriff der Aktionsart für das Wortbildungsphänomen
zu reservieren.“
Als Wortbildungsmittel werden die Markierungen durch Präfixe, Suffixe
oder Komposition und die Aktionsartenwechsel durch implizite Deriva-
tion verstanden. Diese Mittel sind aber nicht spezialisiert auf diese Funk-
tion der Aktionsartenmarkierung. Sie sind in der Regel mehrdeutig. Die
Aktionsarten differenzierende Präfixe können meist auch unterschiedli-
che Aktionsarten spezifizieren, wie z. B. das Präfix be-.3
Zustandsmarkierung:
• Präfixe können Ereignisverben in Zustandsverben überführen, bei-
spielsweise be-:finden →befinden,deuten →bedeuten.
• Wortartenwechsel durch implizite Derivation kann zu Zustandsver-
ben führen, Duft →duften,Dauer→dauern.
3Es geht hier nur um die explizite Markierung einer spezifischen Aktionsart mit Mitteln
der Wortbildung, um den aktionsartlichen Effekt, den Wortbildungsmittel auf Basis-
verben haben. Auf die Aktionalitätsausgangsprägung durch das Verbwurzelmorphem
wird hier nicht eingegangen (siehe 4.2.1).
195
Aktionsarten im Deutschen
Prozessmarkierung:
• Präfixe können Zustandsverben in Ereignisverben überführen, bei-
spielsweise be-:schlafen →beschlafen,hängen→behängen.
• Das Suffix -(e)l(n) kann Zustandsverben und Nomen in Prozessver-
ben überführen, klingen→klingeln,Stück →stückeln.
• Mittels impliziter Derivation kann aus einem Zustandsadjektiv ein
Prozessverb werden, glatt→glätten,trocken →trocknen.
• Aus Nomen können durch implizite und explizite Derivation Pro-
zessverben werden, Knecht →knechten,Film →verfilmen.
Intergressivmarkierung:
• Partikeln in Partikelverben können den begrenzten, vorübergehen-
den Wechsel in einen vom Basisverb bezeichneten Nachzustand kenn-
zeichnen. Z. B. kann auf neben einem Zustandswechsel (siehe un-
ten) auch einen kurzzeitigen Wechsel markieren: schreien →aufschrei-
en,lachen→auflachen.
• Mittels impliziter Derivation können aus Nomen Verben gebildet
werden, die kurzzeitige, nicht anhaltende Zustandswechsel bezeich-
nen, Blitz →blitzen,Donner →donnern.
Wechselmarkierung:
• Präfixe können den Wechsel in einen vom Basisverb denotierten
Nachzustand kennzeichnen, beispielsweise
er-:blühen→erblühen,glühen →erglühen;
ent-:schlummern→entschlummern,brennen→entbrennen.
• Präfixe können auch den Wechsel in einen vom Verb nicht denotier-
ten anderen Zustand markieren, beispielsweise
ver-:blühen→verblühen,brennen→verbrennen;
zer-:fallen→zerfallen;
er-:schlagen→erschlagen.
• Partikeln in Partikelverben – wie auf,ein oder los – können den Wech-
sel in einen vom Basisverb denotierten Nachzustand angeben, wie
blühen→aufblühen,schlafen →einschlafen,fahren→losfahren.
• Partikeln in Partikelverben – wie aus,durch oder über – können den
Wechsel in einen vom Basisverb nicht denotierten Nachzustand be-
nennen, beispielsweise
blühen→ausblühen,schlafen →durchschlafen,schäumen→überschäu-
men.
196
Aktionsartenmarkierung in der deutschen Sprache
5.3.2 Aktionsartenmarkierung durch syntaktische Fügungen
Auch mit syntaktischen analytischen Mitteln kann die besondere Verlaufs-
weise der Prädikation gekennzeichnet werden. Speziell die Funktionsverb-
gefüge sind hier zu nennen.
Wenn wir die nachfolgenden Sätze vergleichen, so fällt auf, dass gegen-
über (20a.) die beiden anderen Sätze (20b.) und 20c.) den Verursacher der
Handlung einbeziehen und wir es bei den verbalen Gefügen mit zwei
Handlungen zu tun haben, der des Veranlassens mit Josef als Subjekt und
mit dem veranlassten Vorgang mit Maria als Subjekt. Man bezeichnet dies
auch als Kausativierung von Simplexverben.
(20) a. Maria weint.
b. Josef macht Maria weinen.
c. Josef bringt Maria zum Weinen.
Mit Funktionsverbgefügen kann eine feine Differenzierung der Aktions-
arten vorgenommen werden. Dies hat Heringer (1968, S. 83) u. a. an den
nachfolgenden Beispielen aufgezeigt:
(21) a. Das Wasser kommt jetzt zum Kochen.
b. Ich bringe das Wasser zum Kochen.
Bei (21a), bei der kommen-Fügung wird der Beginn des Zustandswechsels
betont, bei (21b), bei der bringen-Fügung dagegen wird mehr der Vorgang
des Wechselns beschrieben. Diesen nuancierten Unterschied erkennt man
auch durch die Einfügung einer anderen Zeitbestimmung wie in (22).
(22) Das Wasser kam nach fünf Minuten zum Kochen.
Hier bezeichnet die kommen-Fügung nur das Eintreten des Vorgangs, d. h.,
nach fünf Minuten begann das Wasser zu kochen. Das analoge Beispiel als
bringen-Fügung (23) ist ungewöhnlich.
(23) Ich brachte das Wasser nach fünf Minuten zum Kochen.
In diesem Beispiel bezieht sich die Zeitspanne von fünf Minuten eher nur
auf die Zeit vor dem Beginn des Zum-Kochen-Bringens und nicht des Ko-
chens selbst.
Funktionsverbgefüge mit sein oder haben sind häufig der Zustands- bzw.
Prozess-Aktionsart zuzurechnen, die mit kommen dem inchoativen oder
197
Aktionsarten im Deutschen
egressiven Wechsel und die mit bringen, setzen, . . . dem mutativen Wech-
sel.
Die folgende Übersicht will diese Differenzierungsmöglichkeit sichtbar
machen.
[Zustand] [inchoativer W.] [mutativer W.]
Mut haben bekommen machen
[Prozess] [egressiver W.] [mutativer W.]
Einsicht haben bekommen geben
Wenn das Grundverb einen Zustand oder Prozess beschreibt, kann die-
ses in einer Funktionsverbkonstruktion seine Aktionsart ändern. Das ist
beispielsweise bei schlafen oder gehen der Fall.
(24) a. Josef schläft.→Josef kommt zum Schlafen.
Zustand→inchoativer Wechsel
b. Maria und Josef gehen.→Maria und Josef kommen in Gang.
Prozess→inchoativer Wechsel
Funktionsverbgefüge müssen aber nicht die Aktionsart des Ausgangs-
verbs ändern.
(25) Sie soll das Medikament anwenden. →Sie soll das Medikament
zur Anwendung bringen. = Prozesse
Diese sind auch kein „richtiger“, d. h. dafür spezialisierter Aktionsarten-
marker. So etwas gibt es im Deutschen nicht. Funktionsverben haben auch
andere grammatische Funktionen4.
Konstruktionen mit Kopulaverben und modifizierenden Verben können
auch zur Aktionsartenmodifizierung benutzt werden.
(26) a. Maria wird rot. [mutativer Wechsel]
b. Josef ist im Begriff in Urlaub zu fahren. [? Wechsel]
4Vgl. Helbig und Bus cha (1991, S. 103–105).
198
Aktionsartenmarkierung in der deutschen Sprache
2.) Füllen Sie die Lücken aus!
Zustand Prozess Intergressiv Wechsel
offen sein öffnen eine Woche geöffnet eröffnen
blühen
fällen
schlafen
reif werden
auflachen
199
6 Veränderungen in
morphologischen Teilsystemen
6.1 Einführung
Der Bezeichnungs- und Modifizierungsbedarf in einer entwickelten Indus-
trie- und Kulturnation wie Deutschland wächst ständig; um diesen zu be-
friedigen, erweitert und modifiziert sich der Wortschatz. Die Möglichkei-
ten dazu sind vielfältig:
• Wortschöpfungen (auch Urschöpfungen genannt): Die Prägung von
unmotivierten völlig neuen Wörtern, die ohne Vorbild sind. Dies
kommt heute kaum mehr vor. Neue lautmalende Wörter wie upps
sind Wortschöpfungen.
• Wortbildungen: Aus vorhandenen Wörtern und Wortbildungsmor-
phemen werden neue Wörter geschaffen. Dies schließt auch Wort-
kürzungen ein.
• Semantische Transfers: Mit einem vorhandenen Lautkörper wird ein
neues Denotat bezeichnet, dem Lautkörper wird eine weitere feste
Bedeutung zugeordnet (Netz ‘Internet’).
• Entlehnungen: Sprachgut aus anderen Sprachen wird übernommen
(z. B. Joystick, Flatrate, iPod).
• Phraseologisierungen: Eine Wortgruppe wird fest und geht ins Lexi-
kon ein (z. B. der Deutsche Filmpreis, Geiz ist geil.).
• Grammatikalisierungen: Aus lexikalischen Zeichen werden gram-
matische Morpheme (Grammatikalisierungen im engeren Sinn) oder
sie bekommen Homonyme in abstrakteren Wortklassen (Grammati-
kalisierungen im weiteren Sinn).
Diese Erweiterungen betreffen auch das morphologische System der Spra-
che, zum einen das Inventar an Wortbildungsmorphemen und -mustern.
Neue Wortbildungsaffixe und -modelle1entstehen oder werden aus an-
1Hier wird besonders an das sprunghafte Anwachsen von Modellen zur Kurzwortbil-
dung gedacht, die im Rahmen dieser Darstellung nicht behandelt werden sollen.
201
Veränderungen in morphologischen Teilsystemen
deren Sprachen entlehnt, andere scheiden aus. Auch das kleine und rela-
tiv stabile Inventar von Flexionsaffixen verändert sich durch Übernahmen
aus fremden Sprachen und durch Grammatikalisierungen. Darüber hin-
aus werden Wortgruppen zu Lexikoneinheiten und ändern so ihren mor-
phosyntaktischen Status. Sie werden univerbiert (mehrgliedrige Einheiten
werden zu einem Wort) oder phraseologisiert. Diese Prozesse sollen im
Nachfolgenden charakterisiert werden.
6.2 Bildung neuer Wortbildungsaffixe
Das Inventar an Wortbildungsaffixen ist nicht starr und unveränderlich.
Neue kommen hinzu, bei anderen wird der Gebrauch unüblich und ande-
re scheiden ganz als produktive Wortbildungsmittel aus.
Für sprachliche Einheiten mit reihenbildendem Charakter zur Bildung
neuer Wörter, die freie homonyme Wortformenentsprechungen haben, ha-
ben sich in der Fachliteratur die Termini Halbaffixe oder Affixoide durch-
gesetzt, obwohl diese Kategorisierung vor allem wegen der Unmöglich-
keit einer messerscharfen Abgrenzung kritisiert wurde. Gerade bei Übergangs-
phänomenen ist eine exakte Abgrenzung unmöglich, was m. E. auch kein
Beinbruch ist. Hier muss von Zentrum und Peripherie gesprochen werden
bzw. mit der Prototypikalität argumentiert werden.
Halbaffixe sind reihenbildende Affixe mit einer verallgemeinernden Be-
deutung zur semantischen Nuancierung von vorhandenen Lexemen.
Sie haben homonyme Lexementsprechungen. Sie können ihre Affixbe-
deutung nicht allein realisieren, und sind deshalb gebundene Morphe-
me.
Die folgenden Beispiele zeigen diese Charakteristika deutlich auf.
(1) a. Maria arbeitet im Kraftwerk (‘Werk, das elektrische Kraft pro-
duziert’)
Maria arbeitet im Werk.
b. Josef kehrt das Laubwerk (‘Menge an Laub’) zusammen.
*Josef kehrt das Werk zusammen.
Das (Halb)-Affix -werk wird im gegenwärtigen Deutsch in der pluralisie-
renden Bedeutung reihenbildend verwendet (Schuhwerk, Blattwerk, . . . ).
Im Bereich der Jugendsprache kommt es zum Zweck der Bewertung zur
Entstehung von Affixoiden. Das Adjektiv geil mit seiner Bedeutung ‘se-
xuell erregt’ (oft abwertend benutzt) (2a.) bekam z. B. in der Jugendspra-
202
Entlehnungen
che die Bedeutung ‘schön/großartig’ (positiv bewertend), die auch in die
Gemein- und Werbesprache gelangte (2b.). Später wurde es zusätzlich als
Affixoid eingesetzt: affengeil, supergeil, . . . (2c.).
(2) a. . . . du machst mich geil, deine bloße gedankliche Anwesenheit
macht mich maßlos geil.
(intergalaktisches.blog.de; 23.2.2006)
b. Ist Geiz wirklich geil? (www.dradio.de; 23.2.2006)
c. Chic, modern & affengeil (bauer.hbk-bs.de; 23.2.2006)
1.1.) Sammeln Sie Beispiele mit den Affixoiden Haupt-
(Hauptpost, . . . ) und -zeug (Spielzeug, . . . ).
1.2.) Bestimmen Sie die Bedeutung der Affixoide und erläutern
Sie, warum sie Wortbildungsmorpheme sind.
6.3 Entlehnungen
Der Wortschatz der deutschen Sprache wird nicht nur durch die Übernah-
me von Wörtern aus anderen Sprachen bzw. die Übernahme von fremden
Bedeutungsvarianten oder Lehnübersetzungen erweitert, auch bei der Bil-
dung von Wörtern kommt es zu Übernahmen. Hier sind zu unterschei-
den:
• Hybridisierungen
Als Hybridisierungen bezeichnet man die Kombinationen von hei-
mischen und fremden Morphemen oder Lexemen. Dabei kann ein
fremdes Grundwort durch ein heimisches Wort bestimmt werden
(Wahlkreis-Manager) oder ein fremdes Wort an ein heimisches Grund-
wort treten (Singlehaushalt). Ein interessanter Spezialfall sind die Ver-
deutlichungskomposita, die im Bestreben einer erklärenden Moti-
vierung gebildet werden und eigentlich tautologisch sind (Beispiele
in 3).
(3) Fachexperte, Ausstellungsexponat, Servicedienst,
Themse-Fluss
• Fremd-Affigierungen
Fremd-Affigierungen sind Resultate der kombinatorischen Wortbil-
dung, die mithilfe von entlehnten, prinzipiell gebundenen Affixen
203
Veränderungen in morphologischen Teilsystemen
entstanden sind (Hoppe (1999, S.3) bezeichnet sie als Lehnkombi-
neme). Sie treten in einigen Varietäten des Deutschen verstärkt auf,
„insbesondere in Fach-, Wissenschafts- und Bildungssprache“ (Hop-
pe, 1999, S. 9).
Fremde Affixe, also Affixe, die noch deutlich Entlehnungsmerkmale
zeigen, treten bei allen Arten von Wortbildungsmorphemen auf:
Fremdpräfixe:
ant(i)-, ex-, hyper-, par(a)-, pro-, . . .
Fremdsuffixe:
-abel-, -ell, -esk, -itis, . . .
Konfixe (Verkürzungen von Fremdwörtern):
bio-, -drom, poly-, video-,. . .
• Transfer in der Flexionsmorphologie
Bei der Übernahme von fremden Morphemen kann es zu morpho-
syntaktischen Veränderungen im Deutschen kommen. Dies betrifft
z. B. den Rückgang der Flexion: Beispielsweise werden Konfixe in
den letzten Jahren verstärkt eingesetzt. Diese verkürzten Fremdwör-
ter nehmen Wortbildungsmorphemcharakter an, der damit verbun-
den ist, dass analog zum Englischen die Flexion entfällt.
(4) biologischer Anbau →Biobauer, Biomasse, Bioeier . . .
Es kommt auch zur Übernahme fremder Flexive und von Formen,
beispielsweise des englischen Pluralmarkers -s oder zur Verbreitung
der rheinischen Verlaufsform (vgl. Kapitel 4.2.1.1).
6.4 Phraseologisierung
Phraseologismen sind konventionalisierte Wortverbindungen mit folgen-
den Haupteigenschaften:
1. Sie sind polylexikalisch (d. h. sie bestehen aus mindestens zwei Wör-
tern und maximal aus einem Satz).
2. Sie sind fest (d. h. ihr Wortmaterial kann nicht durch Synonyme aus-
getauscht werden und sie gehören zum usuellen Sprachwissen).
3. Sie sind teilweise idiomatisch (d. h. ihre Gesamtbedeutung ist keine
Summe der usuellen Wortbedeutungen).
204
Phraseologisierung
Sie bestehen also aus mehreren Wörtern, die eine mehr oder weniger
feste Bedeutungseinheit sind. Ob sie unifizierte Einheiten des Lexikons
sind oder als kombinatorische Komplexe im mentalen Lexikon gespei-
chert und abgerufen werden, ist umstritten, genauso wie die Frage, ob
es einen eigenen mentalen Phraseologismusspeicher gibt. Am einleuch-
tendsten erscheinen Modelle, die davon ausgehen, dass die Phraseologis-
men in Gruppen eingeteilt werden können, die in unterschiedlichem Ma-
ße lexikalisiert worden sind. Als Hauptgruppen unterscheidet man:
1. Idiome (am meisten lexikalisiert):
einen Streit vom Zaun brechen; wissen, woher der Wind weht; treu wie
Gold sein; sich wie ein Lauffeuer verbreiten
2. Sprichwörter:
Rom ist nicht an einem Tage erbaut.
3. Strukturelle Phraseologismen:
sowohl . . . als auch
4. Kommunikative Phraseologismen:
Guten Tag; Machs gut; Bis später
5. Kollokationen (am wenigsten lexikalisiert):
Schuhe putzen
Auch wenn es offenbar so ist, dass mehr Phraseologismen im engeren
Sinne (Idiome und Sprichwörter) aus dem allgemeinen Lexemwissen der
Sprachbenutzer verschwinden als neue hinzukommen, so entstehen doch
auch neue. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit in (5).
(5) a. Und das ist gut so!
b. eine (keine) neue / andere / weitere Baustelle aufmachen
c. Internet Explorer
d. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!
Dabei ist die Phraseologisierung als ein Spezialfall der Lexikalisierung an-
zusehen. Bei der Phraseologisierung wird aus einer freien Diskursstruktur
ein festes Syntagma, das eventuell Eingang ins mentale Lexikon findet.
Bei der Phraseologisierung verändern die ehemals freien Syntagmen ihr
grammatisches Verhalten; grammatische Restriktionen treten auf, die z. B.
die Passivierung oder interne Attribuierung betreffen (wie bei dem Bei-
spiel in (6)).
(6) a. Fersengeld geben: ‘fliehen’
b. * Fersengeld wurde von Josef gegeben.
c. * Maria hat viel Fersengeld gegeben.
205
Veränderungen in morphologischen Teilsystemen
Im Zuge der Phraseologisierung kommt es also zu einem Markiertheits-
aufbau. Dieser ist zum einen in Richtung auf freie Syntagmen zu sehen,
da nicht mehr alles möglich ist, was freie Phrasen können; zum anderen
aber auch in Bezug auf Lexikoneinheiten, die im prototypischen Fall aus
einem unveränderlichen Lautkörper bestehen.
6.5 Univerbierung
Mit Univerbierung bezeichnet man die Prozesse und Resultate des Zu-
sammenwachsens von Wortgruppen zu Wörtern, die Verschmelzung von
zwei syntaktisch autonomen Einheiten, die in der geschriebenen Spra-
che regelmäßig gemeinsam auftreten, zu einer morphologischen Einheit
(Nübling u. a. (2006, S. 224), Dudenredaktion (2005, S.77)). So können auf
diesem Wege neue Präfix- (7a.) und Partikelpräfixverben (7b.) und Kom-
posita (7c.) entstehen.
(7) a. um den Stein wachsen →den Stein umwachsen
b. durch den Wald wandern →den Wald durchwandern
c. des Freundes Hand →Freundeshand
In der Regel werden auch Zusammenrückungen2von in Wortgruppen ne-
beneinander stehenden Wörtern zu den Univerbierungen gerechnet.
(8) a. lebe wohl →Lebewohl
b. mit Hilfe einiger Zeugen →mithilfe
Munske (2002, S. 30–31) beschreibt den historischen Prozess der Univer-
bierung:
Häufige Kontaktstellung kann zu sehr unterschiedlichen Struk-
turen führen, z. B. zu Satzwörtern (lebewohl), zu neuen Präpo-
sitionen aus Präposition und Substantiv (zugunsten, infolge, an-
statt), zu trennbaren Verben mit einer Richtungsbezeichnung
als Verbzusatz (auseinandergehen) u.v.a.
Generell soll noch angefügt werden, dass alle Autoren, die sich mit der
Univerbierung befassen, Probleme mit der Abgrenzung zur Komposition
und impliziten Derivation haben. Zum Teil gibt es auch Überlappungen
mit den Auffassungen zur Inkorporation3.
2Sie haben keine Headkonstituente im Wort.
3Gallmann (2006) bezieht untrennbare Partikelpräfixverben wie durchstreifen in die In-
korporation ein.
206
Inkorporation
6.6 Inkorporation
So wie es in der typologischen vergleichenden Sprachwissenschaft kei-
ne einheitliche Auffassung gibt, was die Spezifika von Sprachen sind, die
dem Typus „inkorporierend“ entsprechen, gibt es auch in der Gramma-
tiktheorie zur Inkorporation differierende Anschauungen.
In der klassischen morphologischen Typologie wurde von W. v. Hum-
boldt der Typ „Einverleibung“ erstmals in seinem Vortrag „Über das Ent-
stehen der grammatischen Formen“ (1822) in Bezug auf amerikanische
Sprachen, die ihren Verben Objekte einverleiben, verwendet (Humboldt
(1994)). Heute wird Inkorporation weit gefasst:
Den höchsten Grad an morphologischer Komplexheit weist
der [...]Typ auf, dem die „inkorporierenden“ Sprachen ent-
sprechen. Diese Sprachen, zu denen einige nordamerikanische
Indianersprachen, das Grönländische sowie sibirische Spra-
chen gehören, zeichnen sich dadurch aus, daß sie ganze For-
menkomplexe ausbilden, welche den Status von Sätzen ein-
nehmen; so lautet der Satz man hat das fette Rentier getötet im
Tschuktschischen g-aca-kaa-nmi-len ([...]in translingualer Schreib-
weise etwa: °PRÄFIX-Fett-Rentier-töten-MORPHEM°).
(Roelcke, 1997, S. 28)
Andere fassen die Wort-Sätze in den inkorporierenden Sprachen als Ket-
ten von prädikativen Kernen auf (Ineichen, 1991, S. 51).
Der Terminus Inkorporation wird traditionell im Rahmen der Gramma-
tiktheorie speziell für ‚Noun incorporation‘ verwendet, für Konstruktio-
nen, in denen ein Nomenstamm mit einem Verb zu einem komplexen Verb
verbunden wird. J. Baker, der sich in jüngerer Zeit besonders mit Inkor-
porationen in Verben beschäftigt hat, charakterisiert ‚Noun incorporation’
folgendermaßen:
Noun incorporation [. . . ] is the phenomenon in which a no-
minal that would otherwise bear a grammatical relation to the
verb (such as direct object) is expressed not as an independent
noun phrase, but rather as a morphological root that is integra-
ted into the inflected verb to form a kind of composite form.
(Baker u. a., 2004, S. 138)
Diese „Einverleibung“ eines Nomens aus einer Nominalphrase in ein Verb
geht nach Baker mit grammatischen Veränderungen einher. Die Inkorpo-
ration kann beispielsweise Veränderungen in der Konstituentenreihenfol-
ge und der Kasuszuweisung betreffen.
207
Veränderungen in morphologischen Teilsystemen
Nomen-Inkorporation gibt es auch im Deutschen. Gallmann (2006, S. 7)
führt u. a. die „Bildung eines komplexen Prädikats durch Inkorporation
des Akkusativobjekts“ an. Dies ist bei der Nomen-Verb-Verbindung Zei-
tung lesen der Fall. Hier hat die Inkorporation zu folgenden Einschrän-
kungen geführt:
• Keine Artikelfähigkeit beim inkorporierten Nomen (9b.);
• keine Pluralfähigkeit beim inkorporierten Nomen (9c.);
• keine Attribuierbarkeit beim inkorporierten Nomen (9d.);
• keine Referenzfähigkeit, kein pronominaler Bezug auf das inkorpo-
rierte Nomen möglich (9e.):
(9) a. Maria liest gern Zeitung.
b. * Maria liest gern eine Zeitung. = Bedeutungsveränderung
c. * Maria liest gern Zeitungen. = Bedeutungsveränderung
d. * Maria liest gern aktuelle Zeitungen. = Bedeutungsverände-
rung
e. * Maria liest gern Zeitungi. * Sieiist aktuell.
Baker befasst sich auch mit der Inkorporation von anderen Wortarten in
Verben. In Baker (1988) nimmt er neben ‚Noun incorporation‘ ‚Verb-‘, ‚Pre-
position-‘ und ‚Passive incorporation‘ an. Bei der Verbindung von Verben
mit Präpositionen nimmt er auch Inkorporation an, wenn sich die Kasus-
zuweisung ändert. Aufs Deutsche von Gallmann (2006) übertragen, wäre
die Bildung des Präfixverbs (wohnen >) bewohnen eine Inkorporation (ge-
nauer eine Applikationsstruktur4), da wohnen die präpositionale Kasus-
rektion verloren hat und nun ein Akkusativobjekt regiert:
(10) a. Sie wohnt in einem Reihenhaus.
b. Sie bewohnt ein Reihenhaus.
Eichinger (2000, S. 157) vertritt einen anderen Standpunkt als Baker und
Gallmann. Er bestimmt Inkorporationen vage und sehr weit als:
[. . . ] eine typische eigenständige Wortbildungstechnik [. . . ], die
es erlaubt, Relationalität, die in explizitester Weise syntaktisch
kodiert wird, mit Mitteln der Wortbildung zu verknüpfen. [. . . ]
Komposita sind dann wirklich nur die Bildungen, bei denen
4Von Applikationen spricht man dann, wenn eine Erhöhung der internen Argument-
stellen durch das Einschließen eines verbalen Affixes auftritt (vgl. Hendrick (1995)).
208
Inkorporation
die Relationalität nicht schon in der einen oder anderen Weise
in das Zweitelement eingebaut ist.
Er rechnet neben den Partikelverben die Rektionskomposita (varianten-
reich), die Zusammenbildungen (einsilbig) und die Affixoidbildungen (salz-
haltiges Wasser) dazu.
Ich habe Eichinger so verstanden, dass alle Wortbildungen Inkorporatio-
nen sind, bei denen eine Konstituente dependenziellen Charakter hat, d. h.
durch die andere Konstituente syntaktisch bedingt ist. Auf S. 83 führt er
folgende substantivischen Inkorporationsbeispiele an:
(11) a. Sommergewitterankündigung
b. Die Bergsteiger sind unplatonisch.
c. Der Blechbieger gestern abend.
In der Wortbildung sollte man m. E. in Bezug auf die deutsche Sprache
von Inkorporation nur dann sprechen, wenn zwischen den Konstituen-
ten komplexer Wörter eine lose/instabile Beziehung besteht und die ur-
sprüngliche syntaktische Struktur weitgehend beibehalten wird.
Eine Inkorporation liegt dann vor, wenn eine relativ selbstständige Kon-
stituente in das Lexem inkorporiert (eingeschlossen) wird. Die Inkor-
porationsrelation zeigt sich darin, dass die Resultate der Vereinigung
Abweichungen von den prototypischen Wortbildungen aufweisen.
So können sie unfest sein, d. h. bei der Flexion im Präsens und Präteritum
Aktiv auseinanderfallen, wie dies bei den Partikelverben der Fall ist.
(12) an das Tor fahren →das Tor anfahren →sie fuhr das Tor an
Ob der inkorporierte Bestandteil als syntaktisch selbstständig angesehen
werden kann oder nicht, ist umstritten.
Zum anderen zeigt sich Inkorporation auch dann, wenn die Teile ortho-
grafisch selbstständig bleiben, aber der inkorporierte Teil keinen Phrasen-
status mehr hat. Diese Erscheinung haben wir bei Nomen-Verb-Verbindun-
gen wie Zeitung lesen (siehe oben) oder Schritt halten.
(13) a. mit der Entwicklung der Technik Schritt halten →
Schritt halten5→Sie halten Schritt.
5Auf die orthografischen Probleme, die diese Inkorporationen im Deutschen hervorru-
fen, und die „Wechselfälle der vorgeschriebenen Schreibungen“, soll hier nicht einge-
gangen werden.
209
Veränderungen in morphologischen Teilsystemen
b. * Sie halten einen Schritt.
* Sie halten Schritte.
...
Dies tritt u. a. auch bei resultativen Adjektivprädikativen (14a.) und prä-
dikativen Nomen (14c.) auf. Wenn diese Lexeme wie in den Beispielen in
(14b., 14d.) zu Phrasen ausgebaut werden, ändert sich der Sinn der Prädi-
kation.
(14) a. Maria hat das Essen heiß gemacht.
b. Maria hat das Essen allzu heiß gemacht.
c. Josef ist Lehrer und nicht technischer Zeichner.
d. Josef ist ein guter Lehrer und kein schlechter technischer Zeich-
ner.
Von Inkorporation wird teilweise auch gesprochen, wenn die morpho-
syntaktische Einschließung morphologisch nicht angezeigt wird. Es wird
dann ein Nullmorphem (Ø), eine Nullpräfigierung angenommen, weil
sich das Verb analog zu einer Präfigierung verhält, vgl. füllen und bela-
den:
(15) a. Maria füllt den Wein in die Flasche. →
b. Maria Øfüllt die Flasche (mit Wein).
(16) a. Josef lädt die Koffer ins Auto.
b. Josef belädt das Auto (mit Koffern).
Im Sinne der hier vorgenommenen Inkorporationsdefinition sind solche
Beispiele keine Inkorporationen, weil füllen wie auch laden keine gramma-
tischen Einschränkungen haben. Dass es bei Präfigierungen zu gramma-
tischen Veränderungen gegenüber der Wortbildungsbasis kommen kann,
wurde im Rahmen der Verbwortbildung schon dargestellt. Dies ist auch
bei Suffigierungen so.
Um Sonderfälle der Inkorporation handelt es sich, wenn sowohl eine Inkor-
porations- als auch eine Univerbierungslesart auftritt, wie das bei einigen
wenigen komplexen Verben der Fall ist.
(17) a. Maria saugt Staub. vs. Maria staubsaugt.
Staub saugen (Inkorporation) vs. staubsaugen (Univerbierung)
b. Josef sagte zu Maria: „Danke für alles.“ →
Josef sagte Dank. (Inkorporation)
Josef danksagte. (Univerbierung)
210
Inkorporation
c. Erst Umwege gewährleisten gesunde Fischbestände
(www.umwelt-schweiz.ch/buwal; 7.6.2006) (Univerbierung)
Die Verkäufer müssen für zwei Jahre Gewähr dafür leisten
(www.swr.de/ratgeber-recht/archiv; 7.6.2006) (Inkorporation)
2.) Um welche Prozesse der morphosyntaktischen Erweiterung
von Pfeffer handelt es sich in den folgenden Beispielen?
– Und da liegt der Hase im Pfeffer: Computer verstehen kein Deutsch!
(www.edv-buchversand.de; 24.6.2006)
– Pfeffer und Salz sind die gebräuchlichsten Gewürze, die wohl in keinem
Haushalt fehlen werden.
(www.marions-kochbuch.de/index/0009.htm; 21.3.2006)
– Die Dreckwäsche einfach auf den Boden pfeffern!
(http://ideentower.blogs.com/ideentower; 21.3.2006)
– Erst kurz vor Garende salzen und pfeffern.
(www.spargelrunde.de/menues/2003/oktober3.htm)
Peter Gallmann: Wortbegriff und Nomen-Verb-Verbindung. In: Zeit-
schrift für Sprachwissenschaft 18.2, 1999, S. 269-304
211
7 Ikonizität in der Morphologie
Ikonizität ist ein von Morris geprägter Terminus zur Bezeichnung der
Ähnlichkeit zwischen dem Objekt, auf das ein Zeichen referiert, und dem
Zeichen (Bußmann, 2002, S. 292). Der Begriff des Ikons stammt von Peirce
(Nöth, 2000, S. 193).
Ein ikonisches Zeichen hat Merkmale oder Eigenschaften, die auch dem
bezeichneten Denotat des Zeichens eigen sind.
Sprachliche Zeichen bzw. Zeichenfolgen und kognitive Konzepte können
sich auf außersprachliche Objekte und Strukturen beziehen. Ob es zwi-
schen den sprachlichen Zeichen, den kognitiven Konzepten und den Refe-
renten in der Welt einen Zusammenhang gibt, ist eine grundlegende philo-
sophische und sprachtheoretische Fragestellung, die u. a. im Zusammen-
hang mit der Problematik der Motivierung von Zeichen und Zeichenket-
ten erörtert wird. Pusch (2001, S. 271) und andere sehen in der Ikonizität
die wichtigste Art der externen Motivierung von sprachlich-grammati-
schen Strukturen. Er weist darauf hin, dass Ikonizität auf zwei Ebenen
des nicht Sprachlichen bezogen wird: auf die Ebene der außersprachli-
chen Welt, auf die Referenzebene der Sprache, und/oder auf die mentale
Ebene, auf die Konzeptualisierung durch die Sprechenden. Croft (1995)
sieht in der Ähnlichkeit zwischen dem Zeichen und seinem Referenzob-
jekt die Ikonizität und Haiman (1992) in der Similarität zwischen Zeichen
und Konzepten.
Peirce hatte drei Hauptzeichenarten unterschieden: die ikonischen, die in-
dexikalischen und die symbolischen Zeichen. Bei den indexikalischen be-
steht nach Peirce zwischen dem Bezeichneten und dem Zeichen ein un-
mittelbarer, kausaler Zusammenhang.
The index is physically connected with its object; they make an
organic pair, but the interpreting mind has nothing to do with
this connection, except remarking it, after it is established.1
(Peirce, 1998, § 299)
1Der Index ist mit seinem Objekt physisch verbunden; beide bilden ein organisches
Paar, aber der interpretierende Geist hat mit dieser Verbindung nichts zu tun, außer
daß er sie bemerkt, nachdem sie hergestellt ist (Nöth, 2000, S. 185).
213
Ikonizität in der Morphologie
Beispiele für Indexe sind Fußspuren, die Anzeige eines Thermometers
oder ein Klopfen an der Tür.
Bei den symbolischen Zeichen besteht kein Zusammenhang zwischen dem
Zeichen und dem Bezeichneten. Konventionalität und die Regelmäßigkeit
der Bedeutungszuweisung zu einer spezifischen Form sind für Peirce die
entscheidenden Charakteristika. Dies trifft auf die Wörter zu.
Bei dem ikonischen Zeichen („a sign which refers to the Object that it de-
notes merely by virtue of characters of its own“2(Peirce, 1998, § 247)) hat
Peirce u.a. zwischen bildhafter, diagrammatischer und metaphorischer
Ikonizität unterschieden; dies wurde von Fischer und Nänny (1999) auf-
gegriffen, die ihrerseits die in der Übersicht 7.1 aufgeführten Typen der
Ikonizität unterscheiden.
bildhafte
semantische
(metaphorische)
ikonische
Isomorphie
ikonische
Motivierung
strukturelle
diagrammatische
Ikonizität
Abbildung 7.1: Typen der Ikonizität
Der auf den ersten Blick nicht ganz eingängige Unterschied zwischen
der bildhaften und der diagrammatisch-semantischen (metaphorischen
im Besonderen) Ikonizität liegt in der Komplexität der sprachlichen Zei-
chen.
Bildhafte, einfache Ikonizität liegt nach Fischer und Nänny (1999) dann
vor, wenn das Zeichen und das Konzept bzw. das Denotat direkt miteinan-
der verbunden sind und als Ähnlichkeiten wahrgenommen werden. Dies
ist bei den Onomatopoetika (Kuckuck, summen, quaken) und Synästhesien
(glitzern; warme oder weiche Stimme), wenn der Signifikant seine (lautliche,
visuelle, plastische) Form unmittelbar vom Signifikatum übernimmt, der
2Ein Zeichen, das sich lediglich kraft der ihm eigenen Merkmale auf das Objekt bezieht,
das es bezeichnet.
214
Ikonizität in der Morphologie
Fall. Diese Form der Ikonizität gilt heute als weitgehend unproduktiv .
Die diagrammatisch-semantische Ikonizität, also die metaphorische, tritt
u. a. am Anfang des Entstehens von metaphorischen Wendungen – wie
z. B. bei Aufbau Ost (= ‘finanzielle Förderung in ostdeutschen Ländern’)
– oder beim Ausweiten von Bedeutungsumfängen – z. B. bei Maus (=
‘Computerzeigegerät’) – auf und ist dadurch gekennzeichnet, dass auf
Grund von angenommenen Ähnlichkeiten zwischen Denotaten, diese mit
der gleichen Bezeichnung versehen werden. Semantisch-diagrammatische
Ikonizität zersetzt die Isomorphie-Ikonizität3. Im Verlauf der Sprachwan-
delprozesse verdunkeln sich dann oftmals die Motivierungen der Bilder
(wie bei das Hasenpanier ergreifen4) und manchmal wird sogar die seman-
tische Dekomponierbarkeit unmöglich, die metaphorische Ikonizität geht
dann verloren (z. B. bei Waffeln, diese Bezeichnung für das Gebäck geht
auf den Vergleich mit Honigwaben zurück). Ikonizität steht generell im
Gegensatz zur Arbitrarität (Beliebigkeit) von sprachlichen Zeichen. Wenn
Zeichen, wie bei Waffel ihre Motivierung verlieren, kann es zu Volksetymo-
logien und Remotivierungen kommen. Ein Lexem wird dann in eine zu-
fällig lautähnliche Wortfamilie aufgenommen und passt sich formal und
in der Bedeutung dieser Familie an. Beispielsweise bezieht man heute das
Verb mäkeln auf ‘einen Makel haben’. Sprachhistorisch gehört es ursprüng-
lich zu Makler (= ‘Maklergeschäfte betreiben’) (Olschansky, 1996, S. 94).
Die strukturell-diagrammatische Ikonizität als Oberbegriff für die ikoni-
sche Isomorphie und die ikonische Motivierung bezieht sich nicht auf
die Ähnlichkeit von Form und Inhalt des isolierten Zeichens, sondern auf
Ähnlichkeiten zwischen der Struktur syntaktischer Konstruktionen und
Konzeptualisierungen bei komplexen Zeichen.
Isomorphie im Sinne von Haiman besteht bei einer eindeutigen Bezie-
hung von Inhalt und Form, „a one-to-one correspondence between the
signans and the signatum“ (Haiman, 1980, S. 515). Speziell die eindeutige
Strukturentsprechung auf verschiedenen Ebenen der Sprache wird hier
eingeordnet. So besteht bei Zahlen eine eindeutige Beziehung zwischen
der Form und dem Inhalt. Für die meisten Wörter natürlicher Sprachen
trifft das nicht zu, weil sie mehrdeutig sind, einem Lautkörper werden
mehrere Bedeutungen zugeordnet. Andererseits gibt es für Sinneinheiten
häufig mehrere Lautkörper (z. B. ‘mit Ausdauer arbeitend’: fleißig, arbeit-
sam, schaffensfreudig). Auch bei den grammatischen Bedeutungen gibt es
3Von Isomorphie spricht man dann, wenn es eine 1-zu-1-Entsprechung von Formativ
und Bedeutung gibt, wenn also keine Mehrdeutigkeiten vorliegen.
4Das Hasenpanier ergreifen bedeutet ’fliehen’. „Mit »Hasenpanier« ist in dieser Wendung
der Schwanz des Hasen gemeint“ (Drosdowski und Scholze-Stubenrecht, 1998, S. 312).
215
Ikonizität in der Morphologie
das. So kann die Zeitkomponente ’gegenwärtig’ durch die Tempusform
Präsens aber auch durch lexikalische Elemente (z. B. heute) in die Äuße-
rung eingebracht werden.
Bei ikonischer Motivierung weisen die komplexen sprachlichen Zeichen
eine ikonische Abfolgemarkierung auf, es besteht eine Ähnlichkeitsbezie-
hung zwischen zeitlichen Ereignissen in unserer Erfahrung und der linea-
ren Abfolge von Wörtern in der sprachlichen Konstruktion. Beispiele fin-
den wir in u. a. in allen Phraseologismenklassen:
(1) von früh bis spät; wer zuerst kommt, mahlt zuerst; wer zu spät
kommt, den bestraft das Leben
Ikonische Motivierung liegt auch bei ikonischer Distanzmarkierung vor.
Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom ikonischen Abstands-
prinzip5, das den konzeptuellen Abstand abbildet. „Dinge, die konzeptu-
ell als zusammengehörig wahrgenommen werden, treten tendenziell auch
in der sprachlichen Form nah beieinander auf, während Dinge, die für
uns konzeptuell nicht zusammengehören, in der sprachlichen Äußerung
in einer gewissen Distanz zueinander stehen“ (Pörings und Schmitz, 2003,
S. 11). Beispielsweise trifft dies auf die Tempusbildung im Deutschen zu:
(2) a. Josef heiratet Maria.→Sprecherzeit und Handlungszeit iden-
tisch.
b. Josef wird Maria heiraten.→Sprecherzeit vor Handlungszeit.
Das Distanzprinzip können wir auch in der Wortbildung beobachten.
(3) a. Sie hat einen Blumengarten. vs.
Sie hat einen Garten mit Blumen.
b. Maria schrieb einen Brief. vs. Maria schrieb an einem Brief.
Blumengarten stellt im Gegensatz zu Garten mit Blumen eine konzeptuelle
Einheit dar; bei an einem Brief schreiben stellt an eine Distanz her.
Auch das Prinzip der ikonischen Quantität wurde postuliert: Ein mehr
an sprachlicher Form ist oft mit einem mehr an Bedeutung verbunden.
Die phraseologischen Grußformeln (Sehr geehrter Herr Professor vs. Lieber
Herr) sind auch diesem Prinzip verpflichtet. Andererseits wird ein Schrei-
ben an den Rektor einer Universität nur mit der Grußformel Magnifizenz!
eingeleitet. Je länger die Anredeformel um so größer meist der soziale Ab-
stand6.
5Haiman (1992, S. 191) schlägt dafür den Terminus Alienation vor.
6Haiman (1985, S.151): „The more polite the register, the longer the message.“
216
Ikonizität in der Morphologie
Ein anderes Beispiel für das Wirken des Prinzips der ikonischen Quanti-
tät: Wir können den ‘Rache-Vorgang’ einfach mit sich rächen bezeichnen,
wir können aber auch einen verbalen Phraseologismus wie an jemandem
Rache nehmen oder warte nur, wenn ich dich erwische verwenden. Mit diesen
Wendungen wird dem ‘Rache-Vorgang’ mehr inhaltliches Gewicht verlie-
hen, außerdem treten in der Regel konnotative Bedeutungen hinzu. Auch
paarige Phraseologismen mit Wiederholungen (klipp und klar oder eine er-
stunkene und erlogene Geschichte) realisieren dieses Prinzip.
Claus D. Pusch: Ikonizität. In: Martin Haspelmath/Ekkehard Kö-
nig/Wulf Oesterreicher/Wolfgang Raible (Hrsg.), Handbücher
zur Sprach– und Kommunikationswissenschaft, Nr. 20.1,
Walter de Gruyter: Berlin, New York 2001, S. 369–384
217
8 Grammatikalisierung
8.1 Charakterisierung
Der Terminus Grammatikalisierung wurde von Meillet 1912 zur Bezeich-
nung eines Sprachwandelprozesses geprägt, „in dessen Verlauf eine auto-
nome lexikalische Einheit allmählich die Funktion einer abhängigen gram-
matischen Kategorie erwirbt“ (Bußmann, 2002, S. 260).
Mit dem Phänomen der Grammatikalisierung beschäftigt sich die Linguis-
tik erst seit ca. 25 Jahren intensiver. Neben der primär sprachhistorischen
Orientierung gibt es auch eine synchron ausgerichtete Grammatikalisie-
rungsforschung (Diewald, 2004, S. 137) mit synchronen Gesichtspunkten,
die uns „auch ein Erklärungsmuster für synchrone sprachliche Varietät
liefert“ (Autenrieth, 2002, S. 38). D. h. ein Lexem kann in unterschiedlichen
Verwendungsweisen auftreten, die primär nicht Bedeutungsunterschiede,
sondern unterschiedliche grammatische Kategorien aufweisen und damit
als unterschiedlich grammatikalisiert angesehen werden. „Das gleichzei-
tige Auftreten eines sprachlichen Zeichens in verschiedenen Stufen zwi-
schen lexikalischer und grammatischer Funktion stellt den synchronen
Aspekt der Grammatikalisierung dar“ (Diewald, 1997, S. 5). Um den syn-
chronen Grammatikalisierungsaspekt geht es primär in meinen Darlegun-
gen.
Neben dem historischen Blickwinkel können Grammatikalisierungs-
prozesse auch aus synchroner Sicht betrachtet werden.
D. Wunderlich hat 2003 in seinem Vortrag auf der 25. Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft zur Linguistik der Zukunft
ausgeführt, dass die Grammatikalisierung in den Sprachen der Welt zu-
nehmen werde. Unter anderem würde die Vergrößerung des Vokabulars
einer Sprache durch eine Erweiterung des kategorialen Systems ausbalan-
ciert. Damit käme es zu einer Vergrößerung der Menge von kombinato-
rischen Mustern (Wunderlich (2003)). Bei den angesprochenen Prozessen
handelt es sich um Grammatikalisierungen im weiteren Sinne.
Dazu kommt m. E. auch die Zunahme an homonymen Formen, die den
gewachsenen Benennungsbedarf in den entwickelten Gesellschaften mit
219
Grammatikalisierung
abdecken. Die homonymen Lexeme stellen an die Kommunizierenden hö-
here kognitive Anforderungen, da sie die Gefahr der Verwechslung in sich
bergen. Dies wird jedoch durch Grammatikalisierungs- und Lexikalisie-
rungsprozesse eingeschränkt.
T. Stolz unterscheidet Grammatikalisierungsprozesse erster und zweiter
Ordnung. „First-order-grammaticalization“ repräsentiere „den Übergang
eines sprachlichen Elements x vom Lexem- zum Grammemstatus zwi-
schen den distinkten Zeitpunkten t1 und t2“ (Stolz, 1994, S.12). Unter ei-
nem Grammem werden neben grammatischen und wortbildenden Mor-
phemen auch freie Synsemantika (Funktionswörter) verstanden. Andere
bezeichnen den Wechsel vom Lexikon in die Grammatik auch als Gram-
matikalisierung im engeren Sinn.
Grammatikalisierung im engeren Sinn bezeichnet einen Sprachwandel-
prozess, bei dem aus einem freien Lexem ein abhängiges grammatisches
Element wird.
Beispielsweise wurde für Grammatikalisierungsprozesse im engeren Sinn
für Verben in verschiedenen Sprachen nachfolgender (8.1) gerichteter Pro-
zess („Grammatikalisierungspfad“) festgestellt (Lehmann (1985, S.37); Di
Meola (2000, S. 20)):
Vollverb →Hilfsverb →Klitikum →Affix
Abbildung 8.1: Grammatikalisierungspfad
Diesen Weg hat im Deutschen auch das Präteritumaffix -te (sie sag-te) durch-
laufen, das in den älteren Sprachstufen des Deutschen noch nicht vorhan-
den war und sich aus dem nachgestellten Hilfsverb tun (sie sagen tat) ent-
wickelt hat (vgl. Nübling u. a. (2006, Kap. 10.1.2)).
Grammatikalisierungsprozesse zweiter Ordnung sind für Stolz der „Über-
gang von Grammem a zu Grammem b“ (Stolz, 1994, S. 12), also beispiels-
weise der Wechsel innerhalb von Funktionswortklassen.
8.2 Grammatikalisierung im weiteren Sinn
Grammatikalisierung im weiteren Sinn meint Sprachwandelprozesse,
bei denen nicht der volle Grammatikalisierungspfad durchlaufen wird.
Diese Grammatikalisierung im weiteren Sinn liegt zum Beispiel vor, wenn
zu Autosemantika homonyme Synsemantika entstehen.
220
Grammatikalisierung im weiteren Sinn
Generell kann für die Grammatikalisierung bei der Homonymenbildung
von zwei Hauptdifferenzierungen ausgegangen werden: Von der Diffe-
renzierung (Divergenz) gegenüber der ursprünglichen Wortklasse und
der Annäherung an die prototypischen Merkmale der neuen Wortklas-
se.
In Anlehnung an Di Meola (2000) können in Bezug auf die Entstehung
homonymer Formen folgende Grammatikalisierungsprozesse bei der Dif-
ferenzierung gegenüber der Ursprungsstruktur angenommen werden:
1. Morphophonologische Differenzierung (formale Erosion):
Die morphophonologische Differenzierung ist dann erreicht, „wenn
durch Erosion die Ursprungsstruktur nicht oder kaum mehr erkenn-
bar ist“ (ebda. S. 133).
2. Semantische Differenzierung (Desemantisierung):
„Grammatikalisierung ist typischerweise mit einer Verblassung bzw.
Verallgemeinerung der lexikalischen Bedeutung verbunden“ (ebda.
S. 134). Dies kann beispielsweise der Übergang von einem Konkre-
tum zu einem Abstraktum sein oder von einem Inhaltswort zu ei-
nem Funktionswort.
3. Syntaktische Differenzierung:
„Die syntaktische Umgebung der betreffenden Form verändert sich
mit fortschreitender Grammatikalisierung“ (ebda. S. 136). Dies be-
trifft beispielsweise den Stellungs-/ Positionswechsel, den Rektions-
wechsel oder den Wechsel der syntaktischen Umgebung. Diese syn-
taktischen Veränderungen zeigen deutlich eine Entfernung vom Aus-
gangslexem an.
In jüngerer Zeit ist auch die Rolle des Kontextes für diese Grammatikali-
sierungsprozesse betont worden (Diewald (2002), Ferraresi (2004)). Dies-
bezüglich werden drei Phasen unterschieden:
1. In einer ersten Phase wird das Lexem in einem untypischen Kontext
benutzt, dadurch kann mittels einer konversationellen Implikatur ei-
ne neue Bedeutung entstehen.
2. Diese kritischen Kontexte, die durch semantische und strukturelle
Ambiguität gekennzeichnet sind, führen zu neuen Lexeminterpreta-
tionen.
3. In isolierenden Kontexten wird der Grammatikalisierungsprozess
konsolidiert und die neue Bedeutung trennt sich in der Weise, dass
die Kontexte in der Regel nur eine Lesart zulassen. Diese neue Be-
deutung wird dann Teil eines neuen semiotischen Zeichens.
221
Grammatikalisierung
Beispielhaft für Grammatikalisierungsprozesse im weiteren Sinn soll auf
die Homonymenbildung zu deutschen Verben eingegangen werden. Et-
wa ein Fünftel des deutschen Wortbestandes sind Verben (Flämig, 1991,
S. 362). Sie spielen eine besondere Rolle, weil sie im Zentrum der deut-
schen Sätze stehen und durch ihre Valenzeigenschaften maßgeblich die
Satzstruktur beeinflussen. Wenn sie in andere Wortklassen überwechseln,
verändern sie mehr (Präpositionen) oder weniger (Nomen) deutlich ihren
grammatischen Charakter. Diese Veränderungen bzw. Unterschiede sol-
len im Nachfolgenden an den deverbalen homonymen Präpositionen und
Partikeln aufgezeigt werden. Aus Platzgründen können die homonymen
deverbalen Nomen und Adjektive nicht berücksichtigt werden. Die wich-
tigsten grammatischen Eigenschaften der prototypischen Verben sind hier
zusammenfassend aufgeführt, um die Grammatikalisierungsprozesse ein-
schätzen zu können (genauer vgl. Kapitel 4.3)
Prototypische Verben:
• Sie verändern ihre Form im Satz in spezifischer Weise, sie werden
konjugiert.
• Sie verlangen Partner im Satz, weil sie Valenzträger sind.
• Sie regieren den Kasus und die Präpositionen ihrer Ergänzungen.
• Die konjugierten Verbformen fordern feste Plätze im Satz
(Zweit-, Erst- oder Endstellung).
Nachfolgend sollen deverbale Homonymengruppen dazu vergleichend
angeschaut werden.
8.2.1 Deverbale Präpositionen
Während in der Vergangenheit zu den Präpositionen oft gesagt wurde,
dass sie eine geschlossene Klasse darstellen, wird heute betont, dass in
jüngerer Zeit zahlreiche neue Präpositionen entstanden sind. Eine Quelle
für neue Präpositionen stellen auch die vorhandenen Verben dar. Die ty-
pischen deutschen Präpositionen (prototypischen Präpositionen) weisen
folgende grammatische Eigenschaften auf (ausführlicher Kapitel 4.10):
Prototypische Präpositionen
• Sie sind morphologisch unveränderlich bei der Verwendung im Satz.
• Sie haben konstante morphosyntaktische Charakteristika. Treten dies-
bezügliche Varianten auf, so sind sie semantisch relevant.
222
Grammatikalisierung im weiteren Sinn
• Sie sind kasuszuweisend. „Das Idealpräpositionale regiert im Dt.
entweder den Akk. oder den Dat. [. . . ]. Das Idealpräpositionale re-
giert nur eine Größe und steht vor dieser“ (Lindqvist, 1994, S. 15).
Akkusativ- und Dativrektion realisieren den höchsten Präpositiona-
lisierungsgrad, gefolgt von der Genitivrektion; am geringsten prä-
positionalisiert sind Präpositionen mit Kongruenzkasus.
• Sie sind satzgliedunfähig und drücken meist eine Relation zwischen
zwei Nominalphrasen aus.
• Sie treten in Prästellung auf.
• Sie sind polysem.
• Sie werden klein und als ein Wort geschrieben.
Verben, genauer die Vollverben, unterscheiden sich fast vollständig von
den prototypischen Präpositionen. Sie sind veränderlich und satzgliedfä-
hig und gehören zur Gruppe der Inhaltswörter. Gemeinsam ist ihnen mit
den Präpositionen, dass sie über Rektion verfügen, über ihre Valenz den
Komplementen also einen Kasus zuweisen.
Sekundäre Präpositionen sind morphologisch transparent und haben ei-
ne spezifische Semantik. Sie sind laut Diewald (1997, S. 65–73) weniger
grammatikalisiert als die primären. Diese Aussage muss in der Weise dif-
ferenziert werden, dass es bei den abgeleiteten Präpositionen Unterschie-
de in der Transparenz und Mehrdeutigkeit gibt. So wird beispielsweise
die deverbale Präposition während von den Sprachteilnehmer/innen weit
weniger auf das Basisverb (währen) bezogen als das bei eingeschlossen oder
entsprechend der Fall ist. Bei den deverbalen Präpositionen gibt es solche,
die im Formativ mit dem Verb bzw. seinen Flexionsformen übereinstim-
men, sowie solche, die mittels expliziter Wortbildung von Verben abge-
leitet wurden (z. B. einschließlich von einschließen). Uns interessiert hier die
erste Gruppe. Ihre Mitglieder stimmen in der Form mit dem Partizip Prä-
sens oder dem Partizip Perfekt überein. Di Meola (2000, S. 89–90) führt
folgende homonymen Verb-Präpositionen auf:
(1) a. Partizip-Präsens-Gruppe:
betreffend (←betreffen), entsprechend (←entsprechen),
während (←währen)
b. Partizip-Perfekt-Gruppe:
i. eingeschlossen (←einschließen),
ausgenommen (←ausnehmen)
ii. ungeachtet (←achten), unbeschadet (←schaden),
inbegriffen (←einbegreifen)
223
Grammatikalisierung
Aus dieser nicht vollständigen Gruppe sollen hier zwei näher betrachtet
werden. In den verschiedensten Korpora ist während am häufigsten und
inbegriffen am wenigsten belegt.
Entsprechend den oben genannten Grammatikalisierungsprozessen (S. 221)
können folgende grammatischen Unterschiede zwischen homonymen Ver-
ben und deverbalen Präpositionen bei den beiden Beispielen während und
inbegriffen aufgezeigt werden:
• Morphosyntaktische Differenzierung
–Stellungswechsel:
Bei Präpositionen zeigt sich der stärkere Grad der Grammati-
kalisierung – der Präpositionalisierung, wie Lindqvist (1994)
sagt – am Übergang zur Prästellung. Das lateinische praeposi-
tio ist als ‚das Vorangestellte’ diesbezüglich auch gut motiviert.
Syntaktisch geringfügig grammatikalisierte Präpositionen blei-
ben auf die Poststellung beschränkt. „Je höher der Anteil der
Prästellungsbelege, desto stärker [ist] der Grammatikalisierungs-
grad“ (Di Meola, 2000, S. 137).
Während tritt nur in Prästellung (hoher Grammatikalisierungs-
grad) auf (2a.), inbegriffen vorzugsweise in Poststellung (2b.).
In Prästellung kommt es vor allem bei Werbungen von Reise-
veranstaltern vor (2c.). Die Prästellungsbeispiele sind aber nur
wenige:
(2) a. Während der Reise darf nicht geraucht werden.
b. Krebsrisiko inbegriffen
(www.zeit.de/online/2006/14/gentherapie;
16.5.2006)
USB-Sticks: Datenverlust inbegriffen
(www.doppelklicker.de; 16.5.2006)
Im Preis inbegriffen
c. Inbegriffen auf Ecuador-Reisen
(intertreck.com/ecuador-info.html; 2.7.2006)
–Rektionswechsel:
Der Grammatikalisierungsgrad liegt beim Rektionswechsel am
höchsten, wenn der Übergang zur Dativrektion vollzogen wird.
Während regiert neben dem ursprünglichen Genitiv auch den
Dativ, Letzterer tritt allerdings relativ selten auf (mittlerer Gram-
matikalisierungsgrad). Inbegriffen tritt vorzugsweise mit dem
224
Grammatikalisierung im weiteren Sinn
Akkusativ auf und hat damit die Verbrektion weitgehend bei-
behalten. Nicht prototypisch für eine Präposition ist, dass inbe-
griffen sich mit Präpositionalphrasen verbindet (wie in im Preis
inbegriffen). Vgl. in (3) zwei aktuelle Verwendungsbeispiele des
veralteten Verbs einbegreifen:
(3) a. Und wenn wir unverdrossen und gegen alle Ver-
nunft die Ewigkeit im Begriff „Glück“ einbegreifen,
...
(http://home.snafu.de/klinger/glueck/glueck.htm;
16.5.2006)
b. Diese Behandlung kann Bedingungen, Sicherheiten
und Förmlichkeiten einbegreifen, . . .
(http://conventions.coe.int; 16.5.2006)
Bei der Festlegung des Grammatikalisierungsgrades ist auch
zu beobachten, ob der Kasus mit der ursprünglichen Struktur
konform ist. Wenn er diese Strukturkonformität verliert, ist der
Grammatikalisierungsgrad höher, denn „der Erhalt der verba-
len Rektion eines Dativs oder Akkusativs oder auch eine starke
Schwankung in Kasusrektion und Position [ist] noch ein Indiz
für den Status der Elemente zwischen den Wortklassen“ (Zifo-
nun u. a.,1997, S. 2075). Die Mechanismen, diezu Kasuswechsel
führen, sind vor allem Prozesse der Analogisierung zu anderen
Präpositionen (Angleichung an die prototypischen Präpositio-
nen). Dies nimmt Di Meola (2000) auch für während an (nach
dem Vorbild des temporalen bei). Bei Di Meola (2000) und Lind-
qvist (1994) spielt in Bezug auf die Grammatikalisierung über-
raschenderweise keine Rolle, ob die Präpositionen syntaktisch
regiert werden (z. B. in vom Verb subkategorisierten Präpositio-
nalobjekten) oder nicht. Syntaktisch regierte Präpositionen sind
stärker grammatikalisiert, weil sie stark desemantisiert sind (sie
„sind mehr oder weniger bedeutungsentleert“ (Flämig, 1991,
S. 539)), und „die syntaktische Funktion als Fügewort“ über-
wiegt (a.a.O., S. 541):
(4) a. Die Läuferin springt über die Hürden.
b. Sie ärgert sich über Undankbarkeit.
Diese (lexikalisierten) Präpositionen „haben schon sehr viel von
ihrer Autonomie als selbstständige Zeichen verloren und kon-
kurrieren formal mit den Kasusflexiven“ (Diewald, 1997, S. 67).
225
Grammatikalisierung
Dies zeigt sich auch darin, dass die Präpositionen nicht aus-
tauschbar und oftmals durch ein Verb ohne Präposition ersetz-
bar sind (wie im Beispiel (5)):
(5) a. * Er ärgerte sich mit/in/. . . Geschenk.
b. Ihn ärgerte das Geschenk.
Syntaktisch nicht regierte Präpositionen sind oft austauschbar
und verfügen über eine deutliche Semantik:
(6) Während/inmitten/. . . des Vortrags weinte er.
Die deverbalen Präpositionen sind syntaktisch nicht regiert.
–Wechsel der syntaktischen Umgebung:
„Die syntaktische Differenzierung ist maximal, wenn von der
betreffenden Präposition keine NP, sondern eine andere syn-
taktische Struktur abhängt“ (Di Meola, 2000, S. 139). Die Prä-
positionen sind dann auf dem Weg in eine neue syntaktische
Klasse, wie das bei „zu + Infinitiv“ der Fall ist. Diese syntakti-
sche Differenzierung wird auch angenommen, wenn an Stelle
der prototypischen Präpositionsstruktur „P + NP“ (wegen Josef)
die Struktur „P + AdvP“ (wegen gestern) tritt. Dies kommt bei
den betrachteten deverbalen Präpositionen nicht vor.
• Semantische Differenzierung (Bedeutungsverblassung):
Präpositionen werden häufig, wie schon erwähnt, zu den Synseman-
tika gerechnet, während Verben Autosemantika sind. Dies bedeutet,
dass die einen ohne selbstständige und die anderen mit selbstständi-
ger lexikalischer Bedeutung versehen sind. Wenn die Grammatikali-
sierung völlig vollzogen ist, muss der Wechsel von den Auto- zu den
Synsemantika erfolgt sein. Es ist schon darauf verwiesen worden,
dass diese strikte Gegenüberstellung für Präpositionen nicht ange-
messen ist. Lindqvist (1994, S. 196) macht diesen Wechsel an „Verän-
derungen der semantischen Vielwertigkeit“ fest. Dies bedeutet bei
ihm, dass Idealpräpositionale semantisch vieldeutig sind, für eine
Vielzahl von Größen stehen können und ihre Referenz über den Be-
zugsbereich ihrer ursprünglichen Basis hinaus erweitern.
Während drückt zwar immer eine temporale Relation aus, hat sich
aber in der Weise differenziert, dass zum einen Zeitgleichheit (7a.)
und zum anderen eine Zeitdauer (7b.) signalisiert wird.
226
Grammatikalisierung im weiteren Sinn
(7) a. Während der Semesterferien fuhr er nach Paris.
b. Während des Seminars darf nicht gegessen werden.
Inbegriffen dagegen hat eine sehr enge Bedeutung, es markiert eine
modale, partitive Relation.
„Präpositionen stellen nach den lokalistischen Theorien typischer-
weise einen räumlichen Bezug zwischen zwei Entitäten her“ (Di
Meola, 2000, S.40). Auch Verben können etwas zur räumlichen Kon-
figuration beitragen:
(8) a. Die Katze liegt auf/unter dem Sofa.
b. Effenberg trifft das Tor.
Präpositionen sind oft eingefrorene („tote“) Metaphern und haben
u. a. auch auf dem Weg der Metaphorisierung ihre semantische Brei-
te erhalten. „Bei vielen Präpositionen führt die semantische Verände-
rung von einer konkreten lokalen Bedeutung zur Entstehung tem-
poraler und modaler Nebenbedeutungen. Dies trifft vor allem auf
Präpositionen hohen P-Grades zu, die ihrem Ursprung nach Ortsad-
verbien sind, wie z. B. an“ (Lindqvist, 1994, S. 203).1
Bei den homonymen deverbalen Präpositionen hat beispielsweise
bei betreffend eine Metaphorisierung stattgefunden. Die Wurzel von
betreffend,treffen, hat eine lokale Bedeutung, sie bezeichnet eine ziel-
orientierte Handlung:
(9) Sie werden sich in Hamburg treffen. Das, was die Reise be-
trifft, haben sie schon vereinbart.
Das präfigierte betreffen, von dem die Präposition abgeleitet ist, hat
dagegen den konkreten lokalen Charakter verloren und bezeichnet
einen allgemeineren Bezug bzw. ein Ziel:
(10) a. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haf-
tung.
b. Briefe, die neueste Literatur betreffend.
Verwiesen werden soll noch darauf, dass die Entstehung von ab-
trennbaren Verbpräfixen bei den Partikelverben häufig auf der Le-
xikalisierung ehemaliger Präpositionen beruht, die dabei eine deut-
liche Bedeutungsspezialisierung erfahren (Beispiele (11) zitiert nach
Zifonun u. a. (1997, S. 2088)):
1P-Grad ist bei Lindqvist die Abkürzung für Präpositionalitätsgrad.
227
Grammatikalisierung
(11) a. dass die Decke über die Bettkante hängt.
b. dass die Decke überhängt.
8.2.2 Deverbale Partikeln und Satzwörter
Bei den Partikeln – hier im engeren Sinne (wie in 4.3.2) als eigene Wortklas-
se, die nicht die Adverbien und Fügewörter einschließt, verstanden – und
den „Satzwörtern“, die sich auf den ganzen Satz beziehen, sind homony-
me deverbale Bildungen relativ selten. Sie treten aber in allen Partikeln-
subklassen auf. Beispielhaft sollen einige wenige betrachtet werden. Da-
bei soll aufgezeigt werden, welche Verbeigenschaften verloren gegangen
sind bzw. in welchem Grade sich die Grammatikalisierung vollzogen hat.
Gefragt werden soll, ob die Feststellung von Diewald (1997, S. 73) zu den
Modalpartikeln generell auf die Partikeln und Satzadverbien zutrifft:
[. . . ] daß die Modalpartikeln im heutigen Deutsch zumindest
im Kernbereich in einem weitgehend grammatikalisierten Pa-
radigma zueinander stehen und daß die Auswahl der Lexe-
me, die im Laufe der Geschichte in dieses Paradigma integriert
wurden, von der Funktion der neuen grammatischen Katego-
rie gesteuert ist.
Interessant ist auch die Frage, ob die homonymen freien Partikeln auch in
Partikelverbkonstruktionen auftreten und wie es sich mit der Homonymie
bei den Partikeln untereinander verhält. Die beiden letzteren Punkte kön-
nen hier aber leider nicht besprochen werden. Gemeinsame Eigenschaften
von Partikeln und Satzwörtern sind:
• Sie sind morphologisch nicht flektierbar.
• Sie haben keinen Satzgliedwert.
• Sie üben spezifische Funktionen aus (Graduierung, Modifizierung
und Abtönung von Sätzen und Satzteilen).
Je nachdem, ob sie Sätze modifizieren (wie die Gesprächswörter („Reakti-
ve“) und Satzadverbien als Beispiele für Satzwörter) oder Satzteile gradu-
ieren bzw. modifizieren (wie die Grad- und Abtönungspartikeln), treten
syntaktische Besonderheiten wie die Erststellenfähigkeit oder Erfragbar-
keit auf (vgl. die Übersicht 8.2 auf der nächsten Seite).
228
Grammatikalisierung im weiteren Sinn
GESPR ÄCHSW. SATZADVERBIEN GRADPART IKEL ABTÖNUNGSP.
Satzäquivalente Sätze
modifizierend
oder bewertend
Satzteile
graduierend,
intensivierend
oder
identifizierend
Einstellungen
ausdrückend
erststellenfähig erststellenfähig nicht
erststellenfähig
nicht
erststellenfähig
auf Entschei-
dungsfragen
antwortend
auf Entschei-
dungsfragen
antwortend
nicht erfragbar nicht erfragbar
Abbildung 8.2: Syntaktische Besonderheiten der Partikelnklassen und
Satzwörter
Das Auftreten homonymer deverbaler Partikeln lässt sich wie folgt cha-
rakterisieren:
• Gesprächspartikeln
Bei den Gesprächswörtern finden wir mit bitte und danke schon län-
ger in der Sprache befindliche. Es kommen aber auch neue hinzu
(husch husch). Bitte und danke werden zum einen als sogenannte „re-
aktive Partikel“ (Engel, 1994, S.78), hier „Reaktive“, zum Ausdruck
von Dank bzw. einer Bitte benutzt. Sie sind dann satzwertig, d. h.
Satzäquivalente (danke = ‘Ich danke dir’; bitte = ‘Ich bitte dich’):
(12) a. Danke für deine schnelle Antwort.
b. Bitte verzeih mir.
Zum anderen werden sie aber auch als höfliche Antwortpartikel
(13) verwendet sowie als Abtönungspartikel (vgl. dazu die Beispiele
(16a.) und (16b.) weiter unten):
(13) Möchten Sie noch etwas Kaffee? Bitte (= ja) / danke (= nein).
• Gradpartikeln
Bei den Gradpartikeln treten annähernd (Partizip zu annähern) und
ausgerechnet (Partizip zu ausrechnen) homonym auf:
(14) a. Annähernd zwei Jahre war er in London. (annähernd als
einschränkende Gradpartikel)
b. [...], sich annähernd an das Land seiner erinnernden Sehn-
sucht, [...](www.hinstorff.de; 25.6.2006) (annähernd als
Verb)
229
Grammatikalisierung
c. Ausgerechnet Josef hatte ihr Vorhaltungen gemacht. (aus-
gerechnet als exklusivierende und restriktivierende Grad-
partikel)
d. Vorher hatte er sich die Reisekosten ausgerechnet. (ausge-
rechnet als Verb)
Ausgesprochen (Partizip zu aussprechen) ist eine homonyme deverbale
Steigerungspartikel:
(15) a. Dort war er ausgesprochen fleißig. (ausgesprochen als inten-
sivierende Partikel)
b. Ausgesprochen wurde das Lob aber nie. (ausgesprochen als
Verb)
• Abtönungspartikeln
Bitte kommt auch als deverbale Abtönungspartikel vor:
(16) a. Wo bitte geht’s zum Bahnhof? (Unterstreichung einer Auf-
forderung)
b. Wie bitte! (Erstaunen wird artikuliert)
Halt tritt ebenfalls sowohl als Imperativform des Verbs halten als
auch als Abtönungspartikel auf. Die schwierige Aufhellung der his-
torischen Geschichte der Partikel halt (siehe Autenrieth (2002) und
Hentschel (1986)) zeigt noch einmal, dass strikt zwischen dem syn-
chronen und dem diachronen Aspekt der Homonymie unterschie-
den werden muss. Wahrscheinlich ist bei halt der Partikelgebrauch
älter als die Verbverwendung. Deshalb kann es wahrscheinlich auch
nicht als deverbale Partikel bezeichnet werden.
(17) a. Der ist halt so. (halt als Unabänderlichkeitspartikel)
b. Halt mal die Tasche. (halt als Verbform)
• Satzadverbien
Bei den Satzadverbien soll das homonyme bestimmt angeführt wer-
den (homonym zum Partizip von bestimmen):
(18) a. Er war bestimmt nicht der Mörder. (bestimmt als Gewiss-
heitsindikator)
b. Der Zug hat bestimmt wieder Verspätung. (bestimmt als
Hypothesenindikator)
c. Sie wurde zur Klausuraufsicht bestimmt. (bestimmt als Verb)
230
Grammatikalisierung im weiteren Sinn
Zur syntaktischen und semantischen Integration in die Subklassen:
• Das Beispiel bitte als Gesprächswort:
Bitte hat sich syntaktisch in die Klasse der Reaktive integriert, wie
die Tests unter (19a.) bis (19b.) zeigen.
(19) a. Bitte verzeih mir. →erststellenfähig
b. Verzeihst du mir? Bitte.→bedeutet hier ‘ja’ →erfragbar
Semantisch hat bitte als Gesprächswort in (19a.) noch weitgehend die
Verbbedeutung beibehalten.
• Das Beispiel ausgerechnet als Gradpartikel:
Ausgerechnet hat sich weitgehend in die Gradpartikelklasse einge-
ordnet. Der Umstell- und Fragetest macht aber deutlich, dass eine
Formeinheit2noch nicht gegeben ist, weil sich dann die ursprüngli-
che, verbale Lesart einstellt.
(20) a. Ausgerechnet Josef hatte sie angelogen. →Josef exklusi-
vierend.
b. * Ausgerechnet hatte sie Josef angelogen. →nicht vorfeld-
fähig (Der Satz kann aber eine verbale Lesart von ausge-
rechnet bekommen.)
c. Wie hat sie Josef angelogen? * Ausgerechnet.→als Partikel
nicht erfragbar
• Das Beispiel bitte als Abtönungspartikel:
Bitte ist in die Abtönungspartikelklasse weitgehend integriert, kann
jedoch (wenn auch nicht alleine in der Partikelbedeutung) im Vor-
feld auftreten.
(21) a. Ich komme nicht mit. Wie bitte soll ich das verstehen! →
Erstaunen über das Nichtmitkommen wird ausgedrückt.
b. * Bitte soll ich das wie verstehen. →nicht allein erststel-
lenfähig.
c. Wie soll ich das verstehen? * Bitte.
2Nach Di Meola (2000, S. 146) ist für prototypische deutsche Präpositionen charakte-
ristisch, dass sie kurz und nicht mehr transparent (= Opazität) sind. „Der Form wird
ein Inhalt als ganzes zugeordnet: Die Präposition bildet eine Einheit, die nicht mehr in
einzelne Wörter bzw. Wortbildungssegmente segmentiert oder auf andere Wörter der
Sprache zurückgeführt werden kann.“
231
Grammatikalisierung
• Das Beispiel bestimmt als Satzadverb:
Bestimmt hat sich völlig in die Satzadverbklasse eingefügt.
(22) a. Bestimmt war er der Mörder. →erststellenfähig
b. War er der Mörder? Bestimmt.→erfragbar →Satzpropo-
sition modifizierend.
Die Beispiele zeigen, dass die Integration in die Subklassen der Par-
tikeln und Satzwörter unterschiedlich weit gediehen ist. Da, wo es
homonyme Verbformen gibt, die relativ häufig sind bzw. zentral im
Verbwortschatz, wie im Falle von bitte und danke, ist die Grammati-
kalisierung als Reaktive weniger stark.
Christian Lehmann: Theory and method in grammaticalization. In:
Zeitschrift für germanistische Linguistik 32.2, 2004, S. 152–187
232
A Anhang
A.1 Lösungen der Übungsaufgaben
Lösungen zu Kapitel 2
Aufgabe 1 auf Seite 29
Himbeere: ahd. hintberi 10. Jh., ‚Beere der Hinde’ (Hinde = ‚Hirschkuh’ (Pfei-
fer, 1989, S. 688))
Brombeere: adh. bramberi 10. Jh., = ‚Beere am bramo’ (bramo = ‚Dornstrauch’
(Pfeifer, 1989, S. 217))
Heidelbeere: adh. heid(i)beri 10. Jh., ‚die auf der Heide, im Kiefernwald
wachsende Beere’ (Pfeifer, 1989, S. 665)
Aufgabe 2 auf Seite 38
Es gibt keinen Anlass, Rolf Hochhut einen Holocaust-Leugner zu nennen
– Es: [BM Es]
– gibt: [BM/Flexionsstammg[modifikatorisches Flexivi]b][additivesFlexivt]
– keinen: [BM/Flexionsstammkein][additivesFlexiven]
– Anlass:[Flexionsstamm [ [W B M/Pr¨af An] [BM/Wortbildungsstammlass]]] [inhaltl.Fl Ø]
– Rolf: [Fle xionsstamm[BM Rolf]][inhaltliches Flexiv Ø]
– Hochhut: [Flexionsstamm[[BMHoch][BM/Wortbildungsstammhut]]][inhaltlichesFlexiv Ø]
– einen: [Flexionsstamm [selbstst¨andigesFlexivein]][additivesFlexiven]
– Holocaust-Leugner:[Fl exionsstamm[[BM Holocaust][BM/Wortbildungsstammleugn]
[WBM/Suff er]]]Ø]
– zu: [BM zu]
– nennen: [BM/Flexionsstammnenn][additivesFlexiven]
233
Anhang
Lösungen zu Kapitel 3
Aufgabe 1 auf Seite 52
Subklassen:
Anapher: z. B. er, sie, es <themafortführend>
Indefinitum: z. B. jemand, irgendwer <typisierender Person-/Objektbezug>
Persondeixis: z. B. ich, ihr, Sie <Zeigen auf Sprecher/Hörer>
Objektdeixis: z. B. diesen, den keiner kennt <Zeigen auf Objekte/Personen
im Raum>
Possessivum: z. B. meiner, deiner <Gegenstandsrelativierung>
Quantifikatum: z. B. nichts, keiner <Quantifizierung über Gegenstandsbe-
reich>
Relativum: z. B. das Haus, dessen Besitzer <Einbindung von Propositionen
in Charakteristik>, Relativpronomen
W-Objektdeixis: z. B. wer, wen <Umriss gesuchter Größe im Wissen> →
dienen der Bildung von W-Phrasen, von Fragen
Kriterien:
Morphologisch Unterschiedliches wird unter funktionalem Gesichtspunkt
zum Teil in einer Subklasse vereint, beispielsweise das nicht flektierbare
Lexem nichts mit dem flektierbaren keiner. Auch wechseln bei der Funk-
tionsbestimmung die Ebenen, beispielsweise wird bei der Anapher die
Textebene herangezogen, bei der W-Objektdeixis die Phrasenebene. Bei ei-
nigen Subklassen wird nach pragmatischen, bei anderen nach lexikalisch-
semantischen und wieder anderen nach logisch-strukturellen Funktionen
gefragt.
Aufgabe 2 auf Seite 52
Verb: [flektiert], [konjugiert]
Adverb: [nicht flektiert]
Subklassen des traditionellen Adverbs können mit syntaktischen und lo-
gisch-semantischen Kriterien gebildet werden:
Adverb: [allein satzgliedfähig] Heute gehe ich zum Sport.
Partikel: [nicht allein satzgliedfähig], [nur modifizierende Funktion]
Nur heute gehe ich in den Garten.
Satzadverb: [allein vorfeldfähig], [satzwertig (Gesamtsatz modifizierend)]
Möglicherweise gehe ich morgen ins Theater.
234
Lösungen der Übungsaufgaben
Aufgabe 3 auf Seite 54
abgebrochene Partie und spannende Partie:
attributive Verwendung, dekliniert
wurde analysiert,brach . . . ab und war geworden:
Prädikatsteil, Konjugationsform
Aufgabe 4 auf Seite 56
Numerale, Adverbien und Interjektionen werden nach semantischen Kri-
terien zusammengefasst, obwohl sie morphologisch bzw. syntaktisch ver-
schiedenen Subklassen angehören.
Aufgabe 5 auf Seite 57
Adverbien: [unflektierbar], [satzgliedfähig],
„Umstandswörter“
Partikeln: scheint „Abfalleimer“ zu sein. Die
Klasse Onomatopoetikum vereint
Vertreter der verschiedensten
grammatischen Wortklassen.
Präpositionen: „Bindeglied zwischen Verb und
Objekt und wird vom Verb
bestimmt“ (S. 607); regieren den
Kasus
Junktionen: Konjunktionen und Subjunktionen:
Füge- oder Bindewörter, regieren
keinen Kasus, sie verbinden Sätze,
Satzglieder und Gliedteile
Aufgabe 6 auf Seite 57
Nette Adjektiv Botschaften Substantiv
Im Präposition Maileingang Substantiv sind Verb wir Pronomen Reklamebot-
schaften Substantiv gewohnt Verb. Auch Partikel ungewollt Adjektiv aufpop-
pende Adjektiv Webseiten Substantiv regen Verb uns Pronomen längst Ad-
verb nicht Partikel mehr Partikel auf unfester Verbbestandteil. Doch Junkti-
on nun Adverb kommt Verb Werbung Substantiv ganz Partikel ohne Präpo-
sition Surfen Substantiv auf Präposition den Artikel Schirm Substantiv; die
Artikel Rechner Substantiv müssen Verb nur Partikel am Präposition Inter-
net Substantiv hängen Verb. Die Artikel Botschaften Substantiv sehen Verb
aus unfester Verbbestandteil wie Junktion Meldungen Substantiv des Arti-
kel Windows-Betriebssystems Substantiv. Für Präposition umgerechnet Ad-
jektiv 700 Adjektiv Euro Substantiv gab Verb es Pronomen auf Präposition
235
Anhang
(www.directadvertiser.com)eine Artikel Software Substantiv, die Pronomen ei-
ne Artikel Messaging-Funktion Substantiv ausnutzt Verb, mit Präposition
der Pronomen eigentlich Partikel nur Partikel Systemverwalter Substantiv die
Artikel Nutzer Substantiv vor Präposition aktuellen Adjektiv Gefahren Sub-
stantiv warnen Verb sollen Verb.
Aufgabe 7 auf Seite 65
das rote Auto: [+V+N+A−Adv]
[+V] Prädikatsausdruck mit referentieller Argumentstelle: →das Auto ist
rot.
[+A] attributiv, ?komparierbar
[+N]: dekliniert
das verschenkte Buch: [+V−N+A−Adv]
[+V] Prädikatsausdruck mit referentieller Argumentstelle
[+A] attributiv, →+Adj-Flexion
[−N] ? nach Zimmermann (2000) haben Partizipien nur +N, wenn sie im
Lexikon fest als Adjektive verzeichnet sind (S. 249)
Aufgabe 8 auf Seite 65
arbeitslos [+N+V+A−Adv]
im [−N−V]
Ausland [+N−V]
wohnend [+V−N+A−Adv]
Aufgabe 9 auf Seite 73
Syntaktischer Grundansatz: „Eine lexikalische Kategorie ist eine Menge
von Lexemen, die sich syntaktisch analog verhalten“.
• kopfbildende lexikalische Kategorien: V, N, A, P, Ä
• kaum kopfbildende lexikalische Kategorien: D, ADV, PTL, KON,
SUB, SZW
Verb: V: Konjugiert; lokal definiert durch Verbalmorpheme; eindeutig mar-
kiert durch -t-Infix und Ablaut bei Präteritumbildung; nehmen wenigs-
tens ein Nomen im Nominativ als Valenzpartner.
Charakterisierung der anderen Wortklassen: vergleiche Heringer (1966)
Seiten 58–61.
Fazit: Morphologische und syntaktische Kriterien werden angewendet.
236
Lösungen der Übungsaufgaben
Aufgabe 10 auf Seite 73
wer Ä
das D
Laub N
fürchtet V
bleibe V
aus P
dem D
Walde N
Lösungen zu Kapitel 4
Aufgabe 1 auf Seite 101
ziehen (in eine Wohnung): Tätigkeitsverb/Accomplishmentverb; finites Verb
(stark konjugiert) in phrasalem Verbkomplex (Phraseologismus)
gibt (Regeln): Zustandsverb (stark konjugiert); finites Verb
bereiten (Spaß): Vorgangsverb/Prozessverb; finites Verb (schwach konju-
giert) in phrasalem Verbkomplex (Phraseologismus)
müssen: Vorgangsverb/Prozessverb; finites Verb (unregelmäßig konjugiert)
bleiben: Zustandsverb; finites Verb (stark konjugiert)
nehmen (in Anspruch): Vorgangsverb / Prozessverb; finites Verb (stark kon-
jugiert) in phrasalem Verbkomplex (FVG)
ist (Schluss): Vorgangsverb/Achievementverb; finites Verb (unregelmäßig
konjugiert) in phrasalem Verbkomplex (Kopulativverbkonstruktion)
fangen . . . an: Vorgangsverb/Achievementverb; finites Verb (stark konju-
giertes unfestes Verb: Partikelverb)
(zu) räumen: Tätigkeitsverb/Accomplishmentverb; infinites Verb (schwach
konjugiert) in phrasalem Verbkomplex (zu+Infinitivkonstruktion)
Aufgabe 2 auf Seite 114
werden genutzt: [3.P. Pl.; Präsens: ’gegenwärtig’; Indikativ: ’wirklich’; Vor-
gangspassiv]
zu lesen: –
237
Anhang
braucht: [3.P. Sgl.; Präsens: ’allgemeingültig’; Indikativ: ’optativ’; Aktiv]
gefroren ist: [3.P. Sgl.; Präsens: ’gegenwärtig’; Indikativ: ’wirklich’; Zustands-
passiv]
austritt: [3.P. Sgl.; Präsens: ’gegenwärtig’; Indikativ: ’wirklich’; Aktiv]
Aufgabe 3 auf Seite 118
bröckeln: Suffigierung
abbröckeln: Partikelverbbildung
zerbröckeln: Präfigierung
Aufgabe 4 auf Seite 128
Krieg: [maskulin, nominativ, singular]; Abstraktum, Handlungs- bzw. Zu-
standsbezeichnung.
Angola: [–, dativ, singular]; Konkretum, Proprium.
Generationen: [feminin, dativ, plural]; Abstraktum, Beziehungsbezeichnung.
Kindern: [neutrum, dativ, plural]; Konkretum, Appellativum.
Chance: [feminin, akkusativ, singular]; Abstraktum, Vorgangsbezeichnung.
Bildung: [feminin, akkusativ, singular]; Abstraktum, Eigenschafts- bzw.
Handlungsbezeichnung.
Lesen und Schreiben: [neutrum, dativ, singular]; Abstrakta, Handlungsbe-
zeichnungen.
Umgang: [maskulin, akkusativ, singular]; Abstraktum; Handlungsbezeich-
nung.
Waffen: [feminin, dativ, plural]; Konkretum, Appellativum.
Aufgabe 5 auf Seite 135
Tschechoslowakei: Kopulativkompositum
Kartenhaus: Determinativkompositum i.e.S.
Schadenfreude: Rektionskompositum
Aufgabe 6 auf Seite 151
am helllichten Tage: schwach dekliniert; attributiv; ein Aktant nötig; Kopu-
lativkompositum (verdeutlichend).
geheimnisvoll: nicht flektiert; adverbial; ein Aktant nötig; Suffigierung.
hinter jedes neu entfaltete Blatt: beide schwach dekliniert; beide attribu-
tiv; je ein Aktant nötig (bei entfaltete ein zweiter angelegt (’Verursacher’);
entfaltete: kombinatorische Derivation.
238
Lösungen der Übungsaufgaben
eine grün-goldene Aura: schwach dekliniert; attributiv; ein Aktant nötig;
Kopulativkompositum.
der vielen Blätterschatten: schwach dekliniert; attributiv; ein Aktant nö-
tig.
am sonnigen Boden: schwach dekliniert; attributiv; ein Aktant nötig; Suffi-
gierung.
durch kleine Windstöße: stark dekliniert; ein Aktant nötig.
lebhaft gemacht: nicht flektiert; adverbial; ein Aktant nötig; Suffigierung.
Aufgabe 7 auf Seite 157
• Ich brauche das Geld möglichst bald. Wann bekomme ich es? = Prowort
für Substantiv im Akkusativ
• Meine Mutter ist Lehrerin. Ich werde es auch. = Prowort für Prädikativ
• Sie kamen schon mit dem Frühzug an. Es hat uns sehr gefreut. = Prowort
für einen ganzen Satz
• Es hat sich gestern ein schwerer Verkehrsunfall ereignet. = Platzhalter
um Verbzweitstellung zu sichern.
• Es freut mich besonders, dass ich sie getroffen habe. = als Korrelat weist
es auf den folgenden Subjektsatz hin.
• Ich finde es schade, dass wir den Berg nicht bestiegen haben. = Korrelat
für Objektsatz
• Mich hält es hier nicht länger. = formales erstarrtes Subjekt
Aufgabe 8 auf Seite 167
•Noch geht es nicht ohne die Spritze. →Satzadverb
• Alle Vögel sind schon da. →Adverb
• Werden Maschinen schon in hundert Jahren den Menschen ersetzen?
→Gradpartikel
Aufgabe 9 auf Seite 168
1. Wie teuer ist das? →Frageadverb
2. Er schnitt die Haare so, wie er es immer gemacht hatte. →Subjunktor
3. Wie dem auch sei, wenn es so wäre, wäre es gut. →Subjunktor
4. Es ist mir vorgekommen, wie ein reinigendes Gewitter. →Vergleichs-
partikel
5. Er genießt eine ebenso verdiente wie umfangreiche Wertschätzung.
239
Anhang
→Konjunktor
6. Als der Rektor den Saal verließ, gingen auch die anderen. →Sub-
junktor
7. Die Zusammensetzung war insofern ideal, als niemand einen Vorteil
hatte. →Subjunktor
8. Er war sowohl Dichter als auch Komponist. →Vergleichspartikel
9. Ich schätze ihn aber nicht als Dichter. →Vergleichspartikel
Aufgabe 10 auf Seite 169
ungemein: Satzadverb
kaum: Negationspartikel
erst: Adverb (temporal)
dann: Adverb (temporal)
nur: Gradpartikel
noch: Abtönungspartikel
doch: Adverb (adversativ)
wieder: Adverb (temporal)
treulich: Adverb (modal)
kaum: Negationspartikel
Aufgabe 11 auf Seite 172
•Natürliche Hausmittel, Haushaltstipps, Gartentipps, Tipps für Gesund-
heit und Kosmetik aus Omas Erfahrungsschatz. →Adjektiv
•Natürlich von hier. →Satzadverb
• Sie brauchen für das Anlegen eines Miniteichs spezielle nährstoffarme
Teicherde, einige große Steine, Kies, Pflanzkörbe, Pflanzvlies und natürlich
Pflanzen. →Abtönungspartikel
• Schönheits-OP – Alles ganz natürlich?→Adverb
Aufgabe 12 auf Seite 182
Mehrfach auftretende Lexeme werden nur einmal bestimmt.
und: Konjunktor
um: Subjunktor
von: Präposition
240
Lösungen der Übungsaufgaben
vom: Präposition
ins: Präposition
über: Präposition
in: Präposition
je . . . desto: Subjunktor
an: Präposition
Aufgabe 13 auf Seite 182
• der Computer auf dem Schreibtisch: Präposition (lokale Verbindung)
• der Computer und der Schreibtisch: Konjunktor (koordinierende Verbin-
dung)
•Trotz des schönen Wetters wurden wichtige Aufgaben erledigt.: Präpo-
sition (konzessive Verbindung)
• Es war schönes Wetter, trotzdem wurden wichtige Aufgaben erledigt.:
Konjunktionaladverb (koordinierend)
• . . .
Lösungen zu Kapitel 5
Aufgabe 1 auf Seite 195
Es war fünf Uhr früh. →Zustand
Es regnete. →Zustand
Erich von Lhomond, der vor Saragossa verwundet →Intergressiv
und dann auf einem italienischen Lazarettschiff behandelt worden war, →Wech-
sel
wartete am Bahnhofsbüfett von Pisa auf den Zug nach Deutschland. →Inter-
gressiv
Trotz seiner vierzig Jahre war er von einer entschiedenen, in ihrer harten Jugend-
lichkeit gleichsam versteinerten Schönheit. →Zustand
241
Anhang
Aufgabe 2 auf Seite 199
Zustand Prozess Intergressiv Wechsel
offen sein öffnen eine Woche geöffnet eröffnen
blühen eine Nacht geblüht aufblühen
hingefallen sein fallen auffallen im bunten Kleid fällen, zerfallen
schlafen beschlafen fünf Minuten schlafen einschlafen
reif sein reifen drei Wochen lang ausreifen reif werden
lachen auflachen sich lächerlich machen
Lösungen zu Kapitel 6
Aufgabe 1 auf Seite 203
1.1)
Hauptmahlzeit, Hauptmangel, Hauptmann, Hauptmieter, Hauptstadt, . . .
Spielzeug, Putzzeug, Schuhputzzeug, Waschzeug, . . .
1.2)
Haupt-
– ’größere ’: Hauptmahlzeit, Hauptstadt, . . .
– ’wichtig(ste)’: Hauptmangel, Hauptmann, Hauptmieter, .. .
-zeug: ’Gesamtheit’
Sie haben haben keine individuelle Benennungsfunktion; sie modifizieren
die Bedeutungen der Wortbildungsstämme, an die sie treten; sie sind rei-
henbildend.
Aufgabe 2 auf Seite 211
Und liegt der Hase im Pfeffer: [. . . ] = Phraseologisierung
Pfeffer und Salz sind die gebräuchlichsten Gewürze, die . . . = Inkorpora-
tion
Die Dreckwäsche einfach auf den Boden pfeffern! = Wortbildung
Erst kurz vor Garende salzen und pfeffern. = Wortbildung und Inkorpo-
ration
242
Glossar
A.2 Glossar
Ablaut ist ein regelhafter Wechsel eines Vokals in etymologisch zusam-
mengehörigen Wörtern und Flexionsformen.
Adjunkt (auch Circumstant oder freie Angabe genannt) ist eine morpho-
syntaktische Einheit, die nicht konstitutiv für die Bedeutungsstruktur ei-
ner lexikalischen Einheit und einen syntaktisch korrekten Satz ist.
Affix ist der Oberbegriff für alle gebundenen Morpheme (Flexions- und
Wortbildungsmorpheme).
Agglutination ist von lateinisch agglutinare (‚anleimen’) abgeleitet und
bedeutet in der morphologischen Sprachenklassifikation, dass gramma-
tische Relationen durch die Aneinanderreihung (Agglutination) eindeutig
bestimmter Affixe gekennzeichnet werden.
Aktant (auch Ergänzung, Mitspieler oder Komplement genannt) ist eine
morphosyntaktische Einheit, die eine Leerstelle einer Lexikoneinheit be-
setzt. Beispielsweise benötigt das Partikelverb ausladen zwei Aktanten, um
seine Bedeutung in einem grammatisch korrekten Satz zu entfalten (Die
Arbeiter luden den Waggon aus.).
Ambiguität meint die Mehrdeutigkeit, Doppelsinnigkeit von sprachlichen
Ausdrücken. Sie kann auf verschiedenen Ebenen auftreten. Beispielsweise
auf der semantischen: Er hat einen Vogel. oder syntaktischen: Josef liebt seine
Frau und Adam auch.
Boolesche Merkmale, nach dem englischen Mathematiker Georg Boole
(1815–1869); sie beziehen sich auf Funktionen, die nur zwei Werte (1 oder
wahr und 0 oder falsch) annehmen.
Deixis benennt die Hinweisfunktion von Pronomen oder Pronominalad-
verbien. So verweist ich auf die sprechende Person und heute auf den ak-
tuellen Tag.
Dekomposition ist eine Analysemethode, die Elemente/Einheiten in Kom-
ponenten zerlegt.
Denotate sind die Entitäten, die mit Lexemen bezeichnet werden; sie sind
das „Referenzpotential“. Mit dem Wort Schuhe beispielsweise kann man
sich auf alle existierenden und denkbaren Schuhe beziehen.
Graphematik ist eine linguistische Teildisziplin, die die Regularitäten des
Schreibens erforscht.
Homonyme sind gleichnamige Wörter mit identischen Formativen, un-
terschiedlichen Bedeutungen und damit verbundenem unterschiedlichem
grammatischen Verhalten.
243
Anhang
Illokutionen sind nach der Sprechakttheorie Teile von sprachlichen Hand-
lungen. Neben der Lokution (materielle Seite einer Äußerung) bestimmen
die Illokution (der Handlungszweck, die Absicht) und die Perlokution (die
Folgewirkung) eine sprachliche Handlung.
Klitika sind schwach oder nicht betonte Wörter, die sich an ein benachbar-
tes Wort „anlehnen“ohne ein Affix zu sein. Wenn sie sich an das folgende
Wort anlehnen (’s war für es war) werden sie Proklise genannt; eine Anleh-
nung an ein vorausgehendes Wort (denkste für denkst du) ist eine Enklise.
Kongruenz liegt vor, wenn zusammengehörige Elemente (z. B. Satzglieder-
oder Gliedteile) in morphosyntaktischen Eigenschaften übereinstimmen.
Beispielsweise besteht im Deutschen Kongruenz zwischen Subjekt und
Prädikat in Person, Numerus (Ich singe. vs. Sie singen.) und Genus (Sie ist
Tänzerin. vs. Er ist Tänzer.).
Konzepte (auch Begriffe genannt) sind die klassifizierenden Vorstellun-
gen, die es ermöglichen, die Welt zu strukturieren und mit Lexemen auf
die entsprechenden Referenten Bezug zu nehmen.
Korpus ist eine strukturierte Sammlung von Texten oder Sätzen, die als
primäre Quelle zur Beurteilung von linguistischen Aussagen dient.
Mentales Lexikon, es ist der Speicherplatz für das Wortwissen im Lang-
zeitgedächtnis der Sprachbenutzer/innen.
Modul ist im Rahmen der modularen Sicht auf den menschlichen Geist,
auf das menschliche Wissen ein relativ abgeschlossener Bereich mit ab-
grenzbaren Einheiten und Regeln. Neben dem Grammatikmodul sind das
Weltwissen- und das Handlungswissenmodul für die Sprachproduktion
und das Sprachverständnis relevant.
Morphologie ist die Bezeichnung für eine Teildisziplin der Grammatik,
die sich mit den für die Grammatik relevanten Worteigenschaften beschäf-
tigt. Sowohl die Grundformen (Lexikonwörter) als auch die Wortformen
(Satzwörter) sind Gegenstände der Morphologie.
Opazität meint in der Morphologie, dass die sprachlichen Einheiten syn-
chron gesehen nicht mehr transparent sind. Beispielsweise sind die pro-
totypischen Präpositionen morphologisch opake Bildungen. Ab, vor oder
zwischen können weder formal noch inhaltlich mit Inhaltswörtern in Ver-
bindung gebracht werden.
Phrase meint in der Syntaxtheorie eine syntaktisch zusammengehörige
Wortgruppe mit relativer Selbstständigkeit im Satz.
244
Glossar
Prinzipien- und Parametermodell ist die Bezeichnung für ein Modell
über die Universalgrammatik, das aus allgemeinen, abstrakten Prinzipien,
die für alle Sprachen gelten, und beschränkenden Parametern mit Wahl-
möglichkeiten innerhalb der Prinzipien besteht.
Proposition ist die deskriptive Bedeutungsrepräsentation eines Satzes, ein
Konzept für eine bestimmte Situationsart. Sie besteht aus einem oder meh-
reren Argumenten und einem Prädikat, das die Argumente miteinander
verbindet. Beispielsweise kann Maria liebt Blumen. wiedergegeben werden
durch die Proposition ‘lieben (Maria, Blumen)’.
Prototyp bezeichnet das charakteristischste Mitglied einer Kategorie, das
bei der Ermittlung der Mitgliedschaft anderen Vertretern als Vergleich die-
nen kann.
Rektion bezeichnet eine Subordinationsrelation, bei der das untergeord-
nete Wort durch das syntaktisch übergeordnete („regierende“) Wort be-
stimmt wird.
Rhema (auch Comment genannt) ist der Satzteil, der die dem Thema hin-
zugefügten Informationen beinhaltet. Beispielsweise: Maria fährt mit dem
Zug. Er verspätet sich. In dem zweiten Beispielsatz ist ‚Er’ das Thema und
‚verspätet sich’ Rhema.
selegieren bezeichnet die Eigenschaft von Lexemen, sich im Satz mit ganz
bestimmten Konstituenten verbinden zu müssen. So verbindet sich das
Verb denken mit dass-Nebensätzen (Sie dachte, dass es ehrlich gemeint wäre.);
es selegiert einen dass-Nebensatz.
Syntagma bezeichnet eine syntaktisch relevante Konstruktion, die aus
voneinander abhängigen Wörtern besteht.
Syntax ist der Bereich der Grammatiktheorie, der beschreibt, wie die sprach-
lichen Grundeinheiten zu wohlgeformten Sätzen verbunden werden.
Term meint in der formalen, logikbasierten Sprachbeschreibung ein Grund-
zeichen, einen atomaren Ausdruck in einem theoretischen System. Terme
werden z. T. von Propositionen und Argumenten abgegrenzt und bei Zi-
fonun u. a. (1997, S. 968) folgendermaßen definiert: „Ausdrücke, die eine
Charakteristik denotieren (also Nominalphrasen oder Eigennamen)“.
Thema (auch Topik genannt) ist der Satzteil, der angibt, worüber der Satz
handelt bzw. das, was bekannte Informationen sind.
Unterspezifikation wird bei sprachlichen Einheiten u. a. angenommen,
wenn Merkmale im mentalen Lexikon unspezifisch/abstrakt kodiert sind.
Dies ist beispielsweise bei dem Pronomen ich der Fall; wer konkret die Per-
son ist, wird erst durch den Kontext spezifiziert.
245
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260
Index
Personenverzeichnis
Abney, Steve P., 68
Aitchison, Jean, 21
Altmann, Hans und Kemmerling, Sil-
ke, 117, 118, 161, 162
Arens, Hans, 43, 44
Aristoteles, 4, 43
Autenrieth, Tanja, 219, 230
Baker, C. Mark, 208
Baker, C. Mark, Aranovich, Rober-
ta und Gulluscho, Lucia A.,
207
Ballweg, Joachim, 192, 193
Baudot, Daniel, 185
Behagel, Otto, 36
Bergenholtz, Henning, IX
Bergenholtz, Henning und Mugdan,
Joachim, 29, 30
Bhatt, Christa, IX, 28, 29
Bierwisch, Manfred, 67, 144
Booij, Geert, 8
Brandt, Patrik, Dettmer, Daniel, Diet-
rich, Rolf-Albert und Schön,
Georg, 67
Bründl, Monika Elisabeth, 27
Bußmann, Hadumod, 13, 38, 213, 219
Bütow, Wilfried, 55
Burkhardt, Armin, 7
Cardinaletti, Anna, 156
Chomsky, Noam, 62, 63, 65, 67
Clement, Daniele, 4, 5, 13
Comrie, Bernard, 104
Conrad, Rudi, 177, 185
Croft, William, 213
de Saussure, Ferdinand, 1, 52, 54, 76
Di Meola, Claudio, 178, 220, 221, 223,
224, 226, 227
Di Sciullo, Anna-Maria und Williams,
Edwin, 21
Diewald, Gabriele, 219, 221, 223, 225,
228
Dijkstra, Ton und Kempen, Gerard, 5
Dölling, Johannes, 193
Duden-Grammatik 2005, 57, 88, 91, 107,
180
Egg, Markus, 86, 190, 192, 195
Eichinger, Ludwig M., 208
Eichler, Wolfgang und Bünting, Karl-
Dieter, 114, 128
Eisenberg, Peter, 9, 10, 16, 17
Engel, Ulrich, 113, 165, 166, 171, 175,
229
Erben, Johannes, 32, 45, 146
Ernst, Peter, 7
Ewald, Petra, 16, 17
Fabricius-Hansen, Cathrine, 192
Fanselow Gisbert und Felix Sascha W.,
40
Fanselow, Gisbert, 2
Felix, Sascha, 22
Ferraresi, Gisella, 221
Fillmore, Charles, 126
Fischer, Olga und Nänny, Max, 214
Flämig, Walter, 47, 186, 188, 222, 225
Fleischer, Wolfgang, 2, 146
Fleischer, Wolfgang und Barz, Irmhild,
30, 31, 161
261
Index
Fleischer, Wolfgang, Helbig, Gerhard
und Lerchner, Gotthard, 4
Forsgren, Kjell-Ake, 53
Francois, Jacques, 186
Fuhrhop, Nanna, 30, 31
Féry, Caroline, 9
Gallmann, Peter, XI, 51, 53, 54, 56, 111,
112, 208, 211
Gallmann, Peter und Neef, Martin,
127
Gallmann, Peter und Sitta, Horst, 155,
158, 163, 177
Gautier, Laurent, 185
Genzmer, Herbert, 107, 108, 141, 150
Gottsched, Johann Christoph, 121
Grewendorf, Günther, 63
Hahnemann, Suzan, 169
Haider, Hubert, 23, 26
Haiman, John, 213, 215, 216
Hall, Alan Tracy, 9
Halle, Morris und Marantz, Alec, 71
Heidolph, Karl-Erich, Flaemig, Walter
und Motsch, Wolfgang, 152,
158
Helbig, Gerhard, 58, 59
Helbig, Gerhard und Buscha, Joachim,
1, 48, 50, 74, 75, 114, 165, 167,
170, 179, 199
Helbig, Gerhard und Helbig, Agnes,
171
Hendrick, Randall, 13
Hentschel, Elke, 230
Hentschel, Elke und Weydt, Harald,
166, 176
Heringer, Hans-Jürgen, 73, 198
Heuer, Walter und Gallmann, Peter, 1,
2
Heyng, Kathrin, XI
Hirschfeld, Ursula und Stock, Eber-
hardt, 12
Hoffmann, Ludger, 4, 58, 61
Hoppe, Gabriele, 204
Humboldt, Wilhelm von, 207
Ijbema, Aniek und Abraham, Werner,
94, 95
Ineichen, Gustav, 207
Jackendoff, Ray, X
Jacobs, Joachim, 167
Kaltz, Barbara, 54
Karnowski, Pawel und Pafel, Jürgen,
127
Kayne, Richard, 156
Keenan, Edward L. und Comrie, B.,
79
Klein, Wolfgang, X
Klosa, Annette, 138
Knobloch, Clemens und Schaeder,
Burkhard, 44, 52
Krifka, Manfred, 192
Krycki, Piotr, 110
Kunze, Konrad, 127
Kühnhold, Ingeborg und Wellmann,
Hans, 117
Lang, Ewald und Pasch, Renate, 109
Langenmayer, Arnold, 21
Lehmann, Christian, 220, 232
Leiss, Elisabeth, 88, 115, 186
Levine, Robert D. und Meurers, Walt
Detmar, 75, 81
Leys, Odo, 143
Lindqvist, Christer, 223–227
Linke, Angelika, Nussbaumer, Markus
und Portmann, Paul R., 63
Luschützky, Hans Christian, 27
Lyons, John, 14
Marschall, Gottfried R., 185
262
Personenverzeichnis
Mater, Erich, 149
Meibauer, Jörg, 117, 137
Meier, Georg F., 47
Mensching, Guido, 67
Mentrup, Wolfgang, 121
Motsch, Wolfgang, 33, 139, 151
Müller, Gerion, 153, 157, 160
Müller, Stefan, 39, 77, 80, 119
Munske, Horst Haider, 206
Narr, Gunter, XI
Neef, Martin, 8, 27, 39
Netter, Klaus, 78, 79
Nübling, Damaris, 57, 206, 220
Oehlschläger, Günther, 96
Olschansky, Heike, 215
Pasch, Renate, 177, 181–183
Paul, Hermann, 36, 54
Peirce, Charles Sanders, 213
Pfeifer, Wolfgang, 36, 233
Pinker, Steven, 21, 27, 38
Platon, 43
Poerings, Ralf und Schmitz, Ulrich,
216
Pollard, Carl, 75
Puempel-Mader, Maria, Gassner-Koch,
Elsbeth und Wellmann, Hans,
147
Pusch, Claus D., 213, 217
Radford, Andrew, 53
Ramers, Karl Heinz, 9–11
Reis, Marga, 95
Roelcke, Thorsten, 207
Römer, Christine und Matzke, Brigitte,
1, 14, 19, 41, 140
Römer, Christine, 44, 129, 133
Sag, Ivan A., 75
Sag, Ivan A., Wasow, Thomas und Ben-
der, Emily, 77–79, 81
Schippan, Thea, 28
Schleicher, August, 36
Schlobinski, Peter, 176
Schmid, Wolfgang P., 51
Schmidt, Wilhelm, 58–60
Sick, Bastian, 131
Siehr, Karl-Heinz, Ehrhardt, Horst und
Berner, Elisabeth, 58
Simmler, Franz, IX
Söhn, Jan-Philipp, XI
Sokrates, 44
Sommerfeld, Karl-Ernst, 89
Sommerfeld, Karl-Ernst und Schreiber,
Herbert, 130
Sommerfeld, Karl-Ernst, Starke, Gunter
und Nerius, Dieter, 180
Staudinger, Bernhard, 98, 100
Stechow von, Armin und Sternefeld,
Wolfgang, 63
Steinitz, Renate, 188
Stepanowa, Marija D. und Helbig, Ger-
hard, 45
Sternefeld, Wolfgang, 71
Stiebels, Barbara, 196
Stolz, Thomas, 220
Stratmann, Dirk, XI
Suchsland, Peter, 66
Tesnière, Lucien, 72, 73
Teubert, Oliver, 91
Teubert, Wolfgang, 128
Thieroff, Rolf, 86, 87
Trax, Dionysios, 43, 44
Trubetzkoy, Nikolaus S., 7, 12
Vater, Heinz, 103, 105
Vendler, Zeno, 86
263
Index
Vogel, Petra Maria, 140
von Polenz, Peter, 156
Wandruszka, Ulrich, 13, 16
Weiss, Helmut, 12
Wiese, Richard, 8, 12
Willems, Klaas, 35, 125, 126
Winhart, Heike, 101
Wunderlich, Dieter, 22, 116, 219
Wunderlich, Hermann und Reis, H.,
129
Wurzel, Wolfgang U., 4, 8, 19, 34
Xiaxue Zhu, 185
Zifonun, Gisela, Hoffmann, Ludger
und Strecker, Bruno, 51, 52, 60,
61, 152, 167, 178, 189, 192, 196,
225, 227
Zimmermann, Ilse, 65, 66, 236
264
Stichwortverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Ablaut, 243
Ablautreihen, 8
Abstraktum, 128
Abtönungspartikel, 166
Accomplishmentverben, 87
Achievementverben, 87
Adjektiv
Charakteristika
grammatische, 142–143
Klassen, 144–147
Partizip, 145
schwache Flexion, 142
starke Flexion, 142
Valenz, 145
Adjunkt, 243
Adverb
Charakteristika
grammatische, 158–161
Affix, 243
Fremd-, 204
Affixoid, 33, 202
Agglutination, 243
Agreement, 68
Aktant, 243
Aktionalität
Merkmale, 190
Aktionsart
-typen, 195
Dauer-, 186
enge Auffassung, 188
Intensitäts-, 188
Intergressive, 191
Phasen-, 187
syntaktische Fügungen, 198
Wechsel-, 195
weite Auffassung, 186
Wortbildung, 196
Allomorphe, 7, 27
Ambiguität, 243
Appelativium, 128
Arbitrarität, 215
Artikelgebrauch, 127
Artikelwörter, 75
Aspekt, 185
Aspektualität, 185
AVM, 76
Basismorpheme, 28
Bedeutung
grammatische, 15
Haupt-, 3
lexikalische, 14
Begriff, 244
Bindewörter, 177
Complementizer, 22, 24
Constraint, 38
Deixis, 243
Dekomposition, 243
Denotat, 14, 243
Dependenz, 72
Determinierer, 22, 24
Diminuierung, 12
Dingwort, 45
Distribuierte Morphologie, 71
Eigenname, 127
Ereignisperspektivierung, 189
Extension, 14
Flexiv, 34
265
Index
Arten, 34
Bedeutung, 35
Fremd-Affigierung, 203
Fugenelement, 30
Funktionale Kategorien, 22–26
Funktionsverbgefüge, 101, 198
Funktionswörter, 178
Gradpartikel, 167
Grammatik, 1
Grammatikalisierung
i.e.S., 220
i.w.S., 221–232
Grammatikalisierungspfad, 220
Grammatikalisierungsprozesse, 219–
232
Grammatikmodule, 4
Graphematik, 16, 243
Halbaffix, 202
Homonym, 243
Homonyme
deverbale, 222–232
Homonymenbildung, 221
Homonymie, 3
Hybridisierung, 203
Ikon, 214
Ikoniziät
bildhafte, 214
metaphorische, 215
strukturell-diagrammatische,
215
Illokution, 244
Index, 213
Infinitiv
mit zu, 94
Inflection, 22
Inflektiv, 176
Inkorporation, 209
Intension, 14
Interjektion
Charakteristika, 175–177
Isomorphie, 215
Kasusfunktionen, 125
Kasuszuweisung, 79
Kategorien
funktionale, 67
Klammerparadoxon, 119
Klitikon, 244
Kompositionsstammform, 30
Kompositum
determinatives, 134
Konfix-, 136
kopulatives, 133
Phrasen-, 137
possessives, 136
Rektions-, 134
Verdeutlichungs-, 203
Zusammenrückung, 133
Konfix, 136, 204
Kongruenz, 244
Konjunktor
Charakteristika, 181
Konkretum, 127
Konversion, 140
Konzept, 244
Kopfadjunkt, 94
Kopfmerkmal, 68
Korpus, 244
Lautbild, 3
Leerwort, 177
Lexikon
mentales, 5, 21, 244
Lexikonwort, 2
266
Stichwortverzeichnis
Listem, 21
Mehrdeutigkeit, 2
Merkmal
Boolesches, 243
Minimalismus, 22, 66
Modalwort, 171
Modul, 244
Morph, 27
Morphem, 27–36
diskontinuierliches, 33
unikales, 28
Morphemsplitter, 27
Morphologie, 1, 244
Teildisziplinen, 6
Wissenschaftsobjekt, 1–5
Morphologiemonographien, IX
Morphonologie, 6–12
Morphosemantik, 14–16
Morphosyntax, 13–14
Motivierung, 213
ikonische, 216
Negationspartikel, 170
Nennform, 2
Nomen-Verb-Verbindungen, 93
Nominalisierung
reine, 139
Nullmorphem, 29
Numeral, 55
Obliqueness-Hierarchie, 79
Onomatopoetika, 214
Opazität, 178, 244
Partikel
Charakteristika
grammatische, 164
Subklassen, 164–170
Partikeln, 62
Partikelpräfix, 32
Partikelverb, 197
Partikelverbbildung, 118–120
Partizipien, 88
Passiv
bekommen-, 115
Vorgangs-, 114
Zustands-, 115
Passivformen, 113
Phonologie
natürliche, 8
Phrase, 244
Phraseologisierung, 205
Phraseologismen, 204
Polysemie, 3
Präfigierung, 40, 117
Präfix, 32
Präposition
Charakteristika, 178
prototypische, 222
Semantik, 179
Subklassen, 179
Prinzipien-und-Parametermodell,
245
Pronomen
Charakteristika
grammatische, 152–153
Klassen, 153–158
schwaches, 156
starkes, 156
Pronominaladverb, 160
Proposition, 245
Proprium, 127
Proterme, 51
Prototyp, 245
Prozessverben, 87
267
Index
Pseudokompositum, 116
Reaktiv
Charakteristika, 174–175
Referenz, 14
Regel
morphologische, 38–40
Rektion, 223, 245
Responsiv, 175
Rheinische Verlaufsform, 204
Rhema, 245
Rückbildung, 140
Satzadverb
Charakteristika, 171–173
Satzwörter, 171–177
Selegierbarkeit, 32
selegieren, 245
Silbe, 9, 11
Silbenkopf, 10
Silbenstrukturmodelle, 9
Skopusambiguität, 96
Small Clauses, 98
Stamm, 36
Flexions-, 37
Wortbildungs-, 37
Subjunktor
Charakteristika, 182
Substantiv
absolutes, 129
Bedeutung, 45
Charakteristika
grammatische, 121–126
Derivationen, 138–140
Genera, 122–123
Genuszuweisung, 122
Großschreibung, 121
Kasus, 124–126
Klassen, 126–130
Komposita, 131–137
Numeri, 123–124
relationales, 130
relatives, 129
Satzhierarchie, 49
Valenz, 130
Suffix, 31
Symbol, 214
Synsemantikon, 177
Syntagma, 245
Syntax, 245
Synästhesie, 214
Telizität, 192
Tempus, 103–109
Term, 245
Thema, 245
Tiefenkasus, 126
Umkategorisierung
syntaktische, 140
Univerbierung, 206
Universalgrammatik, 63
Unterspezifikation, 245
Valenz, 72
Verb
Charakteristika
grammatische, 87–90
Formen, 88
analytische, 93
Funktionen, 103–116
Genera, 112–116
Hebungs-, 96
Konjugationsarten, 89
Kontroll-, 98
kopulatives, 102
268
Stichwortverzeichnis
Modal-, 95–98
Modalität, 109–112
Modi, 110–112
Periphrasen-, 90
prototypisches, 222
semantische Klassen, 86–87
stark, 8
Tempora, 104–109
unfest, 93–102
Zeitlichkeit, 103
Verbalkomplex, 90–103
Formen, 92–103
Subklassifizierung, 91
Vergleichspartikel, 168
Verlaufsform
Rheinische, 86
Volksetymologie, 215
Wohlgeformtheitsbedingung, 38
Wort
grammatisches, 2
morphologisches, 19
prototypisches, 19
Semiwort, 20
Wissen, 5–6
Wortart
Definition, 52
Wortarten
Distributionsrahmen, 74
Kriterien, 44–52
Wortartensystem, 84–86
Dependenzgrammatik, 71
deskriptive Grammatik, 55
funktionale Grammatik, 58
funktionelles, 50
Generative Grammatik, 62
HPSG, 75
kriterienreines, 44
Misch-, 44
morphologisches, 47
pragmatisches, 51
semantisches, 45
syntaktisches, 47
Wortbildung
der Adjektive, 147–152
der Adverbien, 161–163
der Satzadverbien, 174
der Substantive, 131–140
der Verben, 116–120
Wortbildungsmorphem, 31
Wortform, 2
Wortformenlehre, 4
Wortgrafie, 16
Wortschatzerweiterung, 201
Wortstellung, 13
Wurzel, 36
Zeit
relative, 104
Zirkumfix, 33, 150
Zitierform, 28
Zusammenbildung, 137, 151
Zustandsverben, 86
269