Kernstück der vorliegenden Arbeit bilden sieben Jugendfürsorgefälle aus dem Archivbestand der Amtsvormundschaft der Stadt Zürich, die sich über den Zugriff der "rationellen Jugendfürsorge" in die Geschichte eingeschrieben haben. Die fürsorgerischen Tätigkeiten haben sich in einer unüberschaubaren Masse von Dokumenten niedergeschlagen, die das Gedächtnis des gewöhnlichen Lebens bilden, für das im ausgehenden 19. Jahrhundert eine neue Regie entstand, die den Menschen das Gesicht der "Verwahrlosung" zuteilte. Von diesem Zeitpunkt an bezog sich soziale Ungleichheit nicht mehr auf den unterschiedlichen Gebrauch der Freiheit und Verantwortlichkeit, sondern markierte eine Differenz im Grad der Gesellschaftlichkeit, wobei der sozialen Arbeit die Aufgabe zukam, die Ursachen und Bedingungenn der Minderwertigkeit der Individuen erkennbar zu machen und die Rassenhygiene die Auswahl derjenigen treffen konnte, deren Förderung für das Gedeihen der Gesellschaft erwünscht war. Die Verwaltung und Frührung der "Verwahrlosung" bildete die Legitimationsbasis für umfassende Strategien und Technologien der Führung der Menschen und der Regierung des Sozialen. Über das Verwahrlosungsdispositiv konnte die Frage des individuellen Zustandes mit der Frage nach dem Leben der Bevölkerung verbunden werden und damit wurde das Wissen, das sich in der Mischzone des Sozialen um die "Verwahrlosung" gebildet hatte, zu einem Einsatz für politische Interventionen. In den neuen Fürsorgepraktiken zeigt sich nicht einfach das Verschwinden einer Machtform, wie Uwe Uhlendorff und Nadja Ramsauer unterstellen, sondern deren Transformation in eine andere. Was heute rückbildend als sozialpädagogische Praxis gefasst wird, ist in der Schweiz weniger aus der Pädagogik hervorgegangen, als aus einem Konglomerat disziplinärer und beruflicher Zusammenhänge, in denen der Pädagogik zunächst eine untergeordnete Rolle zukam. Die akademische Fundierung der sozialen Arbeit, ihre Konzeption als sekundäre Profession scheiterte und führte zur Verengung der sozialen Arbeit auf die soziale Hilfsarbeit und damit auch zu einer Überbewertung der Rolle der bürgerlichen Frau für die Herausbidlung der sozialen Arbeit.