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Clankriminalität ist Clankriminalität ist Clankriminalität ist Clankriminalität!? Eine linguistische und empirische Konzeptanalyse auf Basis medialer und politischer Darstellungsformen

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Abstract

Der Begriff ‚Clankriminalität‘ hat sich seit der zweiten Hälfte der 2010er Jahre in der medialen, sicherheitsbehördlichen, politischen und mittlerweile auch der wissenschaftlichen Kommunikation etabliert. Er ist Teil eines Diskurses zu unterschiedlichen Formen abweichenden Verhaltens migrantisierter bzw. ethnisierter Kollektive. Ziel dieser Arbeit ist es, mit dem Begriff assoziierte Konzeptualisierungen von ‚Clankriminalität‘ zu dekonstruieren und die Verwendung des Begriffs in medialen und politischen Kontexten zu analysieren.
Clankriminalität ist Clankriminalität ist Clankri-
minalität ist Clankriminalität!? Eine linguistische
und empirische Konzeptanalyse auf Basis medialer
und politischer Darstellungsformen
Jens Struck, Stella Nüschen, Tamara Dangelmaier, Daniel
Wagner und Thomas Görgen
Gliederung
1. Einleitung
2. Semantisch-linguistische Analyse
2.1 Der Begriff ‚Clan‘
2.2 Der Begriff ‚Kriminalität‘
2.3 Das Kompositum ‚Clankriminalität‘
und dessen Konzeptualisierung
3. Analyse des medialen Gebrauchs
3.1 Methode
3.2 Analyse
4. Analyse des politischen Gebrauchs
4.1 Methode
4.2 Analyse
5. Fazit
1. Einleitung
Der Begriff ‚Clankriminalität‘ hat sich seit der zweiten Hälfte der 2010er
Jahre in der medialen, sicherheitsbehördlichen, politischen und mittlerweile
auch der wissenschaftlichen Kommunikation etabliert. Er ist Teil eines Dis-
kurses zu unterschiedlichen Formen abweichenden Verhaltens migrantisierter
bzw. ethnisierter Kollektive. Ziel dieser Arbeit ist es, mit dem Begriff assozi-
ierte Konzeptualisierungen von ‚Clankriminalität‘ zu dekonstruieren und die
Verwendung des Begriffs in medialen und politischen Kontexten zu analysie-
ren.
Definitorisch handelt es sich bei Konzepten jeweils um einen abstrakten Rah-
men, der Eigenschaften spezifischer Entitäten benennt, diese epistemisch or-
ganisiert und darüber Wissen (re-)produziert. Konzepte sind darüber hinaus
als komplexe, kontingente, intersubjektiv geteilte soziale Konstrukte zu ver-
stehen (vgl. Berenskoetter 2017, S. 154 f.). Eine Analyse von Konzepten, wie
sie in dieser Arbeit vorgenommen wird, ist als Methode zu verstehen, die darin
328 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
besteht, bestimmte Konzepte und mit diesen verbundene Annahmen zu prüfen
sowie die Begriffsstrukturen zu untersuchen, in welche sie eingebettet sind.
Selbsterklärende Konzepte gibt es gemäß Tähtinen und Havila (vgl. 2018,
S. 546) nicht. In der kognitiven Linguistik versteht man unter einem Konzept
eine „mentale Informationseinheit […], in der bzw. über die Menschen ihr
Wissen über die Welt abspeichern, organisieren und kategorisieren“, die „da-
mit ein elementarer Baustein der Kognition“ ist (Schmöe 2016, S. 369). Ein
Konzept ist mehr als ein Wort. Während die Bedeutung eines Wortes in der
Regel auf eine spezifische (oftmals gegenständliche) Sache verweist, greift
ein Konzept mehrere Aspekte auf, bündelt und konfiguriert diese (vgl. Be-
renskoetter 2017, S. 158). Dies gilt auch für das komplexe Konzept ‚Clankri-
minalität‘.
Hinsichtlich des Konzepts von ‚Clankriminalität‘ ist zu konstatieren, dass es
„bislang keine einheitliche und konsensfähige Definition“ gibt, was von Gör-
gen et al. (2022, S. 78) im Rahmen einer systematischen Literatursynthese
104 deutsch- und englischsprachiger Publikationen der Jahre 2000 bis 2021
herausgearbeitet wurde. Im „Lagebild NRW 2021“ zu sogenannter Clankri-
minalität wurde „eine bundesweit abgestimmte Definition“ zu den Termini
‚Clan‘ und ‚Clankriminalität‘ „unter Beteiligung des LKA NRW entwickelt“
und veröffentlicht:
„Ein Clan ist eine informelle soziale Organisation, die durch ein gemein-
sames Abstammungsverständnis ihrer Angehörigen bestimmt ist. Sie zeich-
net sich insbesondere durch eine hierarchische Struktur, ein ausgeprägtes
Zugehörigkeitsgefühl und ein gemeinsames Normen- und Werteverständnis
aus. Clankriminalität umfasst das delinquente Verhalten von Clanangehö-
rigen. Die Clanzugehörigkeit stellt dabei eine verbindende, die Tatbege-
hung fördernde oder die Aufklärung der Tat hindernde Komponente dar,
wobei die eigenen Normen und Werte über die in Deutschland geltende
Rechtsordnung gestellt werden können. Die Taten müssen im Einzelnen
oder in ihrer Gesamtheit fr das Phänomen von Bedeutung sein.“ (Landes-
kriminalamt Nordrhein-Westfalen 2022, S. 7)
Das Konzept ‚Clankriminalität‘ ist laut Reinhardt (2020, S. 10) unter anderem
insofern problematisch, als es mit negativen und stereotypisierenden Konno-
tationen sowie „primordialen“ bzw. „essentialistischen Vorstellungen“ ein-
hergehe. Diese Vorstellungen und Annahmen (Vorurteile) besäßen Implikati-
onen für die professionelle (polizeiliche) Arbeit, weshalb „Clankriminalität“
als „Analysekategorie zu überdenken“ sei. Abed (2021) diskutiert im
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 329
Grundrechte-Report 2021, weshalb und inwiefern das „Konzept der ‚Clankri-
minalität‘“ zu Verstößen gegen Artikel 3 (3) des Grundgesetzes führe.
Innerhalb von Konzeptanalysen sind notwendige sowie hinreichende Bedin-
gungen für die Verwendung bestimmter Konzepte zu ermitteln (vgl. Hibbert
2016, S. 816). Analytisch können Semantik und Syntax fokussiert werden,
aber es gilt ebenfalls kontextuelle inhaltliche Aspekte einzubeziehen (vgl.
Hibbert 2016, S. 820). Berenskoetter (2017, S. 160) spricht etwa von verschie-
denen kontextuellen Schichten oder Dimensionen, in die ein Konzept einge-
bettet ist; als relevant nennt er politische, zeitliche, materielle und theoretische
Dimensionen. Im Zuge der Konzeptanalyse gilt es, einschlägige relevante
Quellen hinsichtlich der dort verwendeten Konzeptbeschreibungen und Defi-
nitionen zu analysieren. Dazu werden unter anderem synonyme und homo-
nyme Begriffsverwendungen (als Form der Äquivokation) in den Fokus ge-
nommen. Synonymie bezieht sich auf die Verwendung verschiedener Be-
griffe, die auf dasselbe Phänomen verweisen, ohne dass andere Beschreibun-
gen verwendet werden. Diese Verwendung ähnlicher Wörter führe zu einer
Ambiguisierung, welche allerdings auch durch Homonymie entstehen könne,
indem verschiedene Phänomene und Definitionen einem sprachlichen Aus-
druck zugeordnet werden (vgl. Sartori 2009, S. 112; Tähtinen/Havila 2018,
S. 537).
Gemäß Tähtinen und Havila (2018, S. 551) ist es nicht unüblich, dass Kon-
zepte nebeneinander bestehen, die verschiedene Perspektiven abdecken, ins-
besondere, wenn ein neues Forschungsfeld entsteht (oder wenn theoretische
und definitorische Grundlagen nicht hinreichend elaboriert sind; vgl. ebd.
2018, S. 534). Berenskoetter (2017, S. 156 f.) verweist darauf, dass Wissen-
schaft mitunter Teil eines politischen Diskurses werde, wenn spezifische Kon-
zepte sowohl Bestandteil der Analyse als auch der Praxis seien wie es beim
Sprechen von sogenannter Clankriminalität der Fall sein kann. Die vorlie-
gende Konzeptanalyse gliedert sich zum einen in eine semantisch-linguisti-
sche Analyse von ‚Clankriminalität‘, zum anderen in die Analyse des öffent-
lichen sowie veröffentlichten Gebrauchs des Begriffs und konzeptuell assozi-
ierter Attribute.
330 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
2. Semantisch-linguistische Analyse
2.1 Der Begriff ‚Clan‘
Hinsichtlich einer semantisch-linguistischen Analyse des Kompositums
‚Clankriminalität‘, lautschriftlich [klaːnkʁiminaliˈtɛːt], wird im Folgenden zu-
nächst ein Fokus auf dessen ersten Teil gelegt; es geht um die Frage, was
‚Clan‘ (manchmal auch Klan) bedeutet. Pfeifer et al. (1993) definieren ‚Clan‘
als „Familienverband, Sippe, Clique“. Der Begriff
„wird im 18. Jh. von gleichbed. [englisch] clan bernommen, das aus [alt-
irisch] cland, [irisch] clann‚ Kinder, Nachkommenschaft entlehnt ist. Den
kulturhistorischen Hintergrund bildet die gälische Sippenordnung. Zu-
grunde liegt [lateinisch] planta [fr] ‚Setzreis, Sproß‘, dessen Anfangskon-
sonant im [Altirischen], das kein p kennt, durch c ersetzt wird.“
Begriffsbestimmungen finden sich etwa bei Collins (2006), Eriksen (2001),
oder Dousset (2012). Gemeinsame Elemente lassen sich wie folgt zusammen-
fassen: Ein ‚Clan‘ beschreibt eine informelle Organisationsform bzw. ein so-
ziales Netzwerk. Eine Verbindung zwischen den Individuen ist in realen und
fiktiven verwandtschaftlichen Beziehungen begründet.1 Insbesondere sind af-
fektive Bezüge bedeutsam für die kollektive Identität und den Gruppenzusam-
menhalt. ‚Clan‘ wird oftmals in einem Zusammenhang mit großfamilialen Be-
ziehungen (“extended kin relations“; Collins 2006, S. 25), ethnischen Grup-
pen und Stammesgesellschaften (A society, tribe or ethnic group may be di-
vided into a number of groups that are called clans”; Dousset 2012, S. 211)
genannt. Der oft thematisierte mögliche fiktive Charakter verwandtschaftli-
cher Beziehungen meint nicht Illusion oder Täuschung, sondern eine in ande-
ren Bezügen als der genetischen Verwandtschaft (Blutsverwandtschaft) be-
gründete Beziehung (z. B. gemeinsame Herkunft oder Sozialisation). Eine
empfundene Gruppenidentität und gemeinschaftliche Normen (Reziprozität,
Loyalität) seien bedeutsamer als genetische Verwandtschaft. Ferner macht
sich die Unterscheidung zwischen lineage2 (Abstammungslinie) und Clan
1 “In both pre-modern and modern times in Central Asia, clans, tribes, and localist networks
have generally defined their groups according to kinship identity ties, even though actual
blood ties do not always exist; more important than the objective reality of kinship is the
subjective sense of identity and the use of the norms of kinship such as in-group reci-
procity and loyalty to bind the group and protect its members” (Collins 2006, S. 17).
2 “A society, tribe, or ethnic group may be divided into a number of groups that are called
‘clans’ if their apical ancestor is mythical, or ‘lineages’ if genealogical memory traces
ancestry back to one single human being” (Dousset 2012, S. 211 f.).
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 331
ebenfalls an der Konkretheit bzw. Belegbarkeit einer gemeinsamen (geneti-
schen) Herkunft fest.3 Im Lexikon zur Soziologie finden sich unter dem Be-
griff ‚Clan‘ folgende Erläuterungen:
„ethnologischer Begriff von stark wechselnder Bedeutung. [1] Ursprng-
lich unilineale Abstammungsgruppe mit mutterrechtlicher Verwandt-
schaftszurechnung, also Komplementärbegriff zu Gens. [2] Auch Bezeich-
nung für alle unilinealen Abstammungsgruppen in verschiedenen Famili-
ensystemen. [3] Im Verhältnis zum Familienbegriff bezeichnet C. bestimmte
übergreifende Funktionen des Familiensystems, also gemeinsamen Kult,
gegenseitige wirtschaftliche Unterstützung und Förderung, Solidarität in
der politischen Durchsetzung. In dieser Bedeutung ist C. auch Bestandteil
der Alltagssprache geworden.“ (Fuchs-Heinritz 2020, S. 119)
Harm und Stöwer (2020) erläutern in einem Eintrag auf der Website des Zent-
rums für digitale Lexikographie der deutschen Sprache die Begriffsge-
schichte. Demnach bezeichnete ‚Clan‘ im frühen 18. Jahrhundert „schottische
Lehens- und Stammesverbände“. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
wurden zudem andere Formen von Gemeinschaften mit dem Begriff bezeich-
net, welche untereinander enge, familienähnliche Verbindungen aufweisen.
Beispielsweise wurde „eine Gruppe von Berufsdieben als Clan bezeichnet
(1869)“ und somit in „einen negativen Kontext gestellt“. Anfang des 20. Jahr-
hunderts hat sich der Begriff „Clan als Ausdruck für ‚verschworene‘, fami-
lienartige Gemeinschaften soweit im Sprachgebrauch etabliert“, dass dieser
zum Gegenstand von Fremdwortkritik wird; in Eduard Engels Verdeut-
schungswörterbuch von 1918 werden Alternativen wie „Sippe, Stamm, Fami-
lie“ vorgeschlagen. Laut Harm und Stöwer (2020) ist der Begriff „in der zwei-
ten Hälfte des 20. Jahrhunderts (…) zunehmend Bestandteil der Alltagsspra-
che“ geworden. Beispielhaft nennen sie u. a. den französischen Gangsterfilm
„Der Clan der Sizilianer“ (Original: Le clan des Siciliens) aus dem Jahr 1969.
Seit Ende des 20. Jahrhunderts werden im Kontext von Computerspielen
Teams als ‚Clans‘ bezeichnet (beispielsweise in Der Spiegel; Dworschak
1997). Weiterhin werden die Begriffe ‚Clan‘ und ‚Clankriminalität‘ auch re-
gelmäßig von Polizei- und Ermittlungsbehörden verwendet, wenn Straftaten
3 “In much of the professional literature, they are used nearly as synonyms, although clans
tend to be regarded as larger, less tightly incorporated groups than lineages. As a general
rule, we may say that a lineage consists of persons who can indicate, by stating all the
intermediate links, common descent from a shared ancestor or ancestress. A clan encom-
passes people who assume shared descent from an ancestor/ancestress without being able
to enumerate all of these links” (Eriksen 2001, S. 104).
332 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
von mutmaßlichen Sinti:zze und Rom:nja thematisiert werden (vgl. End 2017;
Töpfer 2020). Harm und Stöwer (2020) verweisen schließlich darauf, dass der
Begriff ‚Clan‘ „[v]or allem in jüngerer Zeit […] mit dem Wort Großfamilie
zu konkurrieren“ scheint.
„Aus der Bedeutung ‚in enger Beziehung untereinander stehende, sich
stark von außen abgrenzende familienartige Gruppe‘ hat sich ein pejorati-
ver Gebrauch des Wortes entwickelt: Clan bedeutet in manchen Belegen
geradezu ‚Verbrecherbande‘ […]. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhun-
derts nimmt die Zahl der Belege, in denen Clan negativ konnotiert ist, zu.
In jüngerer Zeit wird das Wort vor allem auf arabischstämmige Familien-
verbände bezogen, die in Zusammenhang mit sogenannter Clan-Kriminali-
tät stehen“. (Harm/Stöwer 2020)
2.2 Der Begriff ‚Kriminalität‘
Laut Duden umfasst der Begriff ‚Kriminalität‘ zum einen „das Sich-strafbar-
Machen, Straffälligwerden; Straffälligkeit“, zum anderen die „Gesamtheit der
vorkommenden Straftaten“.4 Etymologisch lässt sich der Begriff gemäß Pfei-
fer et al. (1993) auf „lat. Crīmen (Genitiv crīminis) ‚Beschuldigung, Anklage,
Verbrechen‘“ zurückführen. Zur Etymologie finden sich weitere Erläuterun-
gen bei Ziegler:
„Die frhesten Belege dieser Wortsippe sind das Kompositum Criminal-
klag und das Adjektiv criminalisch […]. Die Wörter haben bereits im La-
teinischen eine rechtssprachliche Bedeutung erhalten, die sich bis heute
nicht verändert hat. Die Basis bildet lat. Crīmen, crīminis n. ‚Anklage, Be-
schuldigung; Verbrechen, Schuld […], eine Ableitung von lat. Cernere
‚sichten, wahrnehmen; unterscheiden, deutlich machen‘.“ (Ziegler, o.J.)
Singelnstein und Kunz (2021, S. 27) unterscheiden zwischen ‚Kriminalität‘ als
einem „ordnenden Sammelbegriff“ einerseits und einem „zu emotionaler Dis-
tanzierung animierenden Unterscheidungsbegriff“ andererseits. Der „Sam-
melbegriff“ fasst mit Blick auf Deutschland die im Strafgesetzbuch (als
dem zentralen Gesetz des Strafrechts) und im Nebenstrafrecht (dessen Be-
stimmungen sich über zahlreiche andere Gesetze wie z. B. das Betäubungs-
mittelgesetz, das Asylgesetz oder das Urheberrechtsgesetz erstrecken) mit
Strafe bedrohten Handlungen und Unterlassungen zusammen, deren
4 „Kriminalität“ auf Duden online, in: https://www.duden.de/rechtschreibung/Kriminalitaet
[letzter Aufruf: 14.12.2022].
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 333
gemeinsames Merkmal eben die Bedrohung mit Kriminalsanktionen ist. Als
„Unterscheidungsbegriff“, so Singelnstein und Kunz (2021, S. 28) sei „Krimi-
nalität negativ besetzt“ und markiere „eine Sinndifferenz zu positiv besetzten
Begriffen wie Ansehen, Erwünschtheit oder Privileg“. ‚Kriminalität‘ ist dem-
nach ein mit starken Wertungen verknüpftes und zudem in seinen konkreten
Inhalten von der jeweils geltenden Rechtsordnung abhängiges Konzept. Auch
Hoefnagels (1973) und Kramer (1985) widmen sich in ihren Analysen dem
“concept of crime“. Hoefnagels (1973, S. 90) definiert wie folgt: Crime is
behavior designated as a punishable act”. Kramer (1985, S. 474 ff.) unter-
scheidet, den Grundlinien einer interaktionistischen und einer verhaltensori-
entierten Kriminalwissenschaft folgend, einander ergänzende Definitionen
von Kriminalität auf zwei Ordnungsebenen. Auf der ersten Ebene ist Krimi-
nalität ein gesellschaftliches und rechtliches Konstrukt; bei dieser Betrachtung
stehen demnach die sozialen Prozesse im Vordergrund, durch die bestimmte
Verhaltensweisen als kriminell definiert werden. Auf der zweiten definitori-
schen Ebene umreißt Kramer Kriminalität als “willful social harm“ (S. 476);
letztlich handelt es sich um von den jeweiligen Rechtsordnungen als sozial-
schädlich und vorsätzlich (und damit vorwerfbar) markierte Verhaltenswei-
sen.
2.3 Das Kompositum ‚Clankriminalität‘ und dessen Konzeptualisie-
rung
Nachdem zuvor die semantisch-linguistischen Merkmale der Begriffe ‚Clan‘
und ‚Kriminalität‘ dargestellt wurden, wird im Folgenden das Kompositum
‚Clankriminalität‘ beleuchtet. Konzeptuell legt dieses zunächst nahe, dass
beide Komponenten in einer inhaltlichen Beziehung zueinander stehen. Dar-
über hinaus kann festgehalten werden, dass ‚Clankriminalität‘ tendenziell ne-
gative Assoziationen hervorruft, indem der (in der Regel ethnisierend ge-
brauchte) Begriff ‚Clan‘ mit dem sozial unerwünschten Phänomen ‚Krimina-
lität‘ gekoppelt wird.
Hinsichtlich seines semantischen Gehalts ist der Begriff ‚Clankriminalität‘
aus sich heraus nicht eindeutig. Die Verbindung der Begriffe ‚Clan‘ und ‚Kri-
minalität‘ lässt hinsichtlich der inhaltlichen Beschaffenheit dieser Verknüp-
fung eine Reihe von Deutungen zu. ‚Clankriminalität‘ könnte Kriminalität
sein,
die von als ‚Clans‘ bezeichneten Kollektiven gemeinsam begangen
wird (insofern würden sich Fragen der Abgrenzung zu anderen Formen
334 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
von Straftaten aus Kollektiven stellen, etwa zu Bandenkriminalität oder
zu Taten krimineller Vereinigungen).
die von (einzelnen, mehreren) Mitgliedern (in der Regel Angehörigen
des als ‚Clan‘ bezeichneten Kollektivs) im Interesse des Kollektivs be-
gangen wird.
die von Mitgliedern eines ‚Clans‘ vor dem Hintergrund von Bedingun-
gen begangen wird, die in Merkmalen des ‚Clans‘ begründet sind (ver-
gleichbar etwa mit ‚Armutskriminalität‘).
die von Menschen begangen wird, welche man zugleich einem als
‚Clan‘ bezeichneten Kollektiv zuschreibt (entsprechend etwa Jugend-
kriminalität). In dem Fall würde der Begriff ‚Clankriminalität‘ kaum
etwas über die Kriminalitätsbelastung des Kollektivs oder gar über die
individuelle Belastung eines beliebigen Mitglieds der sozialen Entität
aussagen.
Der Terminus ‚Clankriminalität‘ lässt zunächst auch offen, inwieweit er sämt-
liche ‚Clans‘ als (mögliche kriminelle) Akteur*innen anspricht oder diesbe-
züglich selektiv ist. Sofern bestimmte ‚Clans‘ gegenüber anderen (nicht) be-
rücksichtigt werden, stellt sich die Frage nach den Gründen und Kriterien ei-
ner derartigen Selektivität (etwa im Sinne einer Begrenzung von ‚Clankrimi-
nalität‘ auf bestimmte Herkunfts-, Transit- oder Residenzländer bzw. -regio-
nen). Weiterhin bleibt offen, inwieweit ‚Clankriminalität‘ ein historische Epo-
chen übergreifendes oder ein zeitgeschichtlich eingegrenztes Phänomen dar-
stellt, etwa eine Erscheinungsform des frühen 21. Jahrhunderts (s. o.; pejora-
tiver Gebrauch des Wortes ‚Clan‘ in jüngerer Zeit).5
Neben der Uneindeutigkeit hinsichtlich des Morphems ‚Clan‘ bestehen dar-
über hinaus weitere Ambiguitäten mit Blick auf die Form(en) von Kriminali-
tät, die mit dem Konzept potenziell einhergehen. ‚Kriminalität‘ legt zunächst
nahe, dass es sich um Verstöße gegen Normen des Kern- und Nebenstrafrechts
handelt. Ungeklärt bleibt, ob sämtliche Formen von Kriminalität, die von Per-
sonen aus sogenannten Clans begangen wird, zugleich ‚Clankriminalität‘ dar-
stellen. Eine weitere Lesart wäre, dass ‚Clankriminalität‘ nur bestimmte Er-
scheinungsformen von Kriminalität umfasst, welche für ‚Clans‘ (oder meh-
rere/einzelne Mitglieder) augenscheinlich besonders typisch sind oder gar nur
5 Bereits in den späten 1960er Jahren wurden in Der Spiegel (1968) jugendliche Banden
(etwa bezeichnet als „Rocker-Gang“) unter dem Begriff „Kriminellen-Clan“ problemati-
siert.
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 335
von ihnen begangen werden können, etwa, weil das Begehen an die Organi-
sationsform ‚Clan‘ gebunden ist. Fraglich bleibt zudem, ob ‚Clankriminalität‘
voraussetzt, dass die jeweilige Straftat nicht lediglich von einer dem ‚Clan‘
zugerechneten Person begangen wird, sondern dass es sich um eine wie auch
immer ausgestaltete Kollektivtat (s. o.) handelt, an welcher der ‚Clan‘ als so-
ziale Einheit (oder jedenfalls mehrere seiner Mitglieder) beteiligt ist. Schließ-
lich bleibt konzeptuell ungeklärt, inwieweit ‚Clankriminalität‘ notwendiger-
weise impliziert, dass eine Straftat im Interesse eines ‚Clans‘ begangen bzw.
durch diesen initiiert wird.6
Unter Berücksichtigung des isolierten semantischen Gehalts besitzen auch an-
dere Komposita eine konzeptuelle Ambiguität, etwa ‚Jugendkriminalität‘ oder
‚Bandenkriminalität‘. Gegenüber sogenannter Clankriminalität sind diese al-
lerdings einfacher zu definieren bzw. zu operationalisieren; im Hinblick auf
Jugendkriminalität durch eine bestimm- und messbare Altersspanne, im Hin-
blick auf Bandenkriminalität durch die beobachtbare Konstitution einer
Gruppe, welche sich zur Begehung von Straftaten verbunden hat. Durch De-
finitionen lassen sich einige Unbestimmtheiten ausräumen. Allerdings muss
und kann von einem öffentlich gebrauchten Terminus wie ‚Clankriminalität‘
ein besonderes Maß an terminologischer Bestimmtheit erwartet werden, ins-
besondere im Bereich der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Der Begriff
ist in seiner Bedeutung diffus und uneindeutig. Der Terminus ‚Clan‘ allein
als Morphem beschreibt eine familienartige Konstellation, die durch eine
assoziative Verbindung mit ‚Kriminalität‘ negativ konnotiert ist. Das Kompo-
situm ‚Clankriminalität‘ erscheint vieldeutig und insofern kaum operationali-
sierbar.
6 Im Hinblick auf die journalistische Berichterstattung über Straftaten durch Sinti:zze und
Rom:nja verweist die Koordinierungsstelle der Unabhängigen Kommission Antiziganis-
mus (2021, S. 128) beispielsweise darauf, dass durch die mit „Clan-Strukturen“ assoziier-
ten Zuschreibungen (etwa „Ehrenkodex, Schweigeverpflichtungen, Solidaritätszwang“)
„in unzulässiger Weise ‚Minderheitenzugehörigkeit‘ oder ‚Abstammung‘ mit Kriminalität
verknüpft werden“.
336 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
3. Analyse des medialen Gebrauchs
3.1 Methode
Im Hinblick auf eine Analyse des Gebrauchs und der jeweils zugeschriebenen
Bedeutung des Begriffs ‚Clankriminalität‘ wurde bereits eine systematische
(Fach-)Literatursynthese durchgeführt (vgl. dazu Görgen et al. 2022). Im Fol-
genden werden im Rahmen der Konzeptanalyse mediale Darstellungsformen7
näher betrachtet. Für die Analyse der medialen Darstellung sogenannter Clan-
kriminalität wurden verschiedene Zeitungen bzw. deren Online-Formate ein-
bezogen, insbesondere mit einem regionalen Fokus auf Räume, an denen
durch sicherheitsbehördliche und mediale Zuschreibungen Schwerpunkte so-
genannter Clankriminalität verortet werden. Insgesamt wurden 489 Artikel
berücksichtigt. Dem erwähnten geographischen Fokus entsprechend wurde
der Tagesspiegel (TS, 83 Artikel) als regionales (aber auch überregionales)
Format für Berlin herangezogen, der Weser Kurier (WK, 33) für Bremen so-
wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ, 141) für NRW. Schließlich
wurden die drei überregionalen Formate Die Tageszeitung (taz, 27), Süddeut-
sche Zeitung (SZ, 170) sowie Die ZEIT bzw. ZEIT ONLINE (ZEIT, 35) ein-
bezogen. Der Zeitraum für die Suche nach Publikationen zu sogenannter Clan-
kriminalität erstreckte sich vom 01. Januar 2021 bis zum 16. Mai 2022.8 Etwa
in die Mitte dieses Zeitraums fällt die Veröffentlichung einer bundesweit ab-
gestimmten polizeilichen Definition des Begriffs ‚Clankriminalität‘ im Herbst
2021. Über die Suchfelder der jeweiligen Online-Archive wurden auf Basis
des Suchbegriffs ‚Clankriminalität‘9 einschlägige Artikel identifiziert. Im
Zuge der Sichtung wurden einzelne falsch positive, inhaltlich nicht einschlä-
gige Beiträge aus der Stichprobe entfernt (z. B. solche, in denen die Erwäh-
nung des Begriffs ‚Clankriminalität‘ lediglich aus einem Verweis auf einen
anderen Artikel resultierte).
7 Die Zunahme journalistischer Auseinandersetzungen mit sogenannter Clankriminalität in-
nerhalb der letzten Jahre belegt unter anderem eine Auswertung des Mediendienstes In-
tegration auf Basis des Online-Pressearchivs GENIOS. Bei Jaraba (2021) zeigt sich, dass
Artikel, die den Begriff ‚Clankriminalität‘ enthalten, vor allem seit 2018 zugenommen
haben. Phasenweise erhöhte sich das Aufkommen an entsprechenden Artikeln bei großen
Polizeieinsätzen, bei aufsehenerregenden Strafprozessen sowie vor allem im Zusammen-
hang mit der Veröffentlichung polizeilicher Lagebilder zu sogenannter Clankriminalität.
8 Für diesen Zeitraum handelt es sich um eine Vollerhebung.
9 Entsprechende Suchen wurden sowohl für die Schreibweise ‚Clankriminalität‘ als auch
‚Clan-Kriminalität‘ vorgenommen. In der folgenden Darstellung wird ausschließlich die
Schreibweise ‚Clankriminalität‘ verwendet.
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 337
Alle identifizierten Dokumente wurden mittels MAXQDA kodiert und in-
haltsanalytisch ausgewertet. Hinsichtlich des Begriffs ‚Clankriminalität‘
wurde etwa eine lexikalische Suche vorgenommen. Entsprechende Textab-
schnitte wurden einer eingehenden Feinanalyse unterzogen.
3.2 Analyse
Innerhalb der identifizierten Dokumente der verschiedenen Medienformate
wurden Hyperlinks zu anderen Artikeln, Erwähnungen in URL oder Leser:in-
nen-Kommentare nicht berücksichtigt; wohl aber innertextliche Erwähnun-
gen, (Zwischen-)Überschriften sowie Bildunterschriften. Übergreifend wur-
den 653 Okkurrenzen von „Clankriminalität“ und darüber hinaus 197 Okkur-
renzen von „Clan-Kriminalität“ identifiziert.
Tabelle 1: Relative Häufigkeiten von Lexemen in medialen Veröffentlichungen zu ‚Clan-
kriminalität‘ nach Presseorgan (jeweils Prozent der Lexeme in Textabschnit-
ten, die den Begriff ‚Clankriminalität‘ beinhalten)
In Tabelle 1 werden die relativen Häufigkeiten (Prozentangaben) verschiede-
ner ausgewählter Lexeme in spezifischen Textabschnitten (Sätze, die ‚Clan-
kriminalität‘ beinhalten, sowie jeweils der vorhergehende und der nachfol-
gende Satz) dargestellt. Es handelt sich jeweils um (relativ) häufig vorkom-
mende Lexeme.10 „Clankriminalität“ kommt in den Textabschnitten am
10 Im Zuge dieser explorativen quantitativen Analyse wurden verschiedene Wörter nicht be-
rücksichtigt. Dies betrifft etwa Präpositionen, Pronomen, Artikel, diverse Konjunktionen,
SZ
TS
taz
WAZ
WK
ZEIT
„polizei“
1,89
0,64
0,33
1,97
1,97
0,47
kampf*/bekämpf*
1,49
1,43
1,07
1,67
1,25
0,78
(lka-)lagebild*
0,37
0,08
0,33
0,42
0,14
0,31
(groß-)razzi*
0,53
0,23
0,74
0,74
1,30
0,31
shisha*
0,22
0,34
0,33
0,20
0,14
0
organisiert*
0,35
0,64
0,49
0,28
0,36
0,16
(türkisch-)arabisch*
0,34
0,30
0,57
0,17
0,29
0
(groß-)famil*
0,50
0,94
0,41
0,59
0,77
0,94
rassistisch*
0,03
0,34
0,16
0
0
0
stigmatisier*
0,04
0,11
0,16
0,02
0,05
0
sogenannt*
0,18
0,23
0,57
0,18
0,24
0,94
„reul*“
0,54
0,04
0,25
0,88
0,14
0,78
„geisel*“
0,10
0,38
0,25
0
0,05
0
338 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
häufigsten vor, es folgen „polizei“ und „kampf*/bekämpf*“. Die Darstellung
veranschaulicht vergleichend die textlichen Okkurrenzen in den einbezogenen
Medienformaten. Im Rahmen der Konzeptanalyse dient dieses Verfahren der
Rekonstruktion medialer Relevanzen, welches zudem erlaubt, einen abstrak-
ten vergleichenden Überblick zu geben.
Deutlich wird, dass über ‚Clankriminalität‘ unabhängig von der Quelle in aller
Regel in Verbindung mit Polizei und deren Agieren berichtet wird. Das Agie-
ren beinhaltet etwa die Durchführung von medial häufig als ‚Razzia‘ oder
‚Großrazzia‘ bezeichneten Maßnahmen oder die Veröffentlichung von Lage-
bildern. Vorwiegend wird beim Berichten über ‚Clankriminalität‘ wiederge-
geben, dass diese polizeilich oder gesellschaftlich bekämpft werde oder
werden müsse.
Wiederkehrend finden sich deskriptive Merkmale von sogenannter Clankri-
minalität; etwa wird diese als Spielart Organisierter Kriminalität (Lexem „or-
ganisiert*“) diskutiert. Häufig wird ‚Clankriminalität‘ mit (Groß-)Familien in
Verbindung gebracht; inwieweit sich Groß- von Kernfamilien unterscheiden
und welche Bedeutung dies für das Phänomen hat, wird in aller Regel jedoch
nicht diskutiert. Zudem wird wiedergegeben bzw. reflektiert, dass ‚Clankri-
minalität‘ durch die Zuschreibung „(türkisch-)arabisch“ einen Fokus auf spe-
zifische Ethnien besitzt. Eine weitere relativ häufige Okkurrenz ist das Lexem
„shisha*“ (Wasserpfeife), welche etwa bei einer sozialräumlichen Themati-
sierung (häufig im Kontext sogenannter Shisha-Bars bzw. -Cafés) oder im
Kontext von Straftaten (geschmuggelter bzw. illegal hergestellter Tabak) auf-
tritt. Besonders häufig genannte Personen im Zusammenhang mit dem Begriff
‚Clankriminalität‘ sind Herbert Reul als seit 2017 amtierender Innenminister
von NRW sowie Andreas Geisel, der von Dezember 2016 bis Dezember 2021
Senator für Inneres und Sport in Berlin war.11 Reul wird vor allem in der WAZ
genannt, Geisel eher im Tagesspiegel und in der taz (wenn auch insgesamt
weniger häufig). In einigen (Online-)Zeitungen wird auf Basis der lexikali-
schen Betrachtung deutlich, dass die vorherrschenden Konzeptualisierungen
von ‚Clankriminalität‘ weniger affirmativ behandelt werden. Dies wird etwa
dadurch deutlich, dass der Begriff mit einem vorangehenden „sogenannt*“
gekennzeichnet wird (vor allem in der taz sowie der ZEIT). Zudem werden in
den (Online-)Zeitungen mitunter auch Positionen referiert, in denen das
Partikel, Flexionen, Lokaladverbien, Temporaladverbien, Zahlwörter, Farben, Vornamen
(etwa ‚Andreas‘, ‚Herbert‘) sowie eine Gruppe sonstiger Wörter (etwa der Name des Me-
diums oder Begriffe wie ‚Foto‘, ‚dpa‘, ‚Jahr‘, ‚Thema‘, ‚Lesezeit‘).
11 Den Innenministerien bzw. Innensenaten sind die jeweiligen Landespolizeien unterstellt.
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 339
stigmatisierende Potenzial sowie der rassistische Gehalt des Konzepts soge-
nannter Clankriminalität diskutiert werden (auffällig ist in diesem Zusammen-
hang, dass in der ZEIT keine Okkurrenzen dieser beiden Lexeme vorhanden
sind).
Neben der zuvor dargestellten (halb-)automatisierten Form des Kodierens
wurden die jeweils identifizierten Artikel offen kodiert. Relevant erschien in
diesem Zusammenhang vor allem das Hauptthema des Artikels. Im Rahmen
eines stetigen Vergleichs wurde eine Kategorisierung der Hauptthemen der
medialen Berichterstattung über sogenannte Clankriminalität induktiv heraus-
gearbeitet. Jedem Artikel wurde eine übergeordnete Kategorie zugewiesen,
die das zentrale Thema widerspiegelt, das meist zugleich mit dem Kommuni-
kationsanlass verknüpft ist. Diese ließ sich in der Regel über die Überschrift
der Artikel identifizieren (sowie gegebenenfalls über die sukzessive Einbezie-
hung weiterer Kontextinformationen); etwa durch den Verweis auf „Durchsu-
chungen“, „Kontrollen“ oder die Einlassungen bestimmter Politiker:innen.
Die Themen der Berichterstattung lassen sich anhand der Inhaltskategorien
‚Handeln von sogenannten Clans bzw. Clanmitgliedern‘, ‚Handeln der Sicher-
heitsbehörden‘, ‚Politisches Handeln‘ sowie ‚Allgemeines‘ gliedern und fin-
den sich samt den Angaben zu ihrem Vorkommen in Tabelle 2. Die Zuord-
nung einer übergeordneten Kategorie gibt die (institutionelle) Perspektive, aus
welcher die Berichterstattung erfolgt, wieder. Insofern kann deutlich gemacht
werden, aufgrund welcher Informationen (beispielsweise polizeiliche Ermitt-
lungen, politischer Wahlkampf etc.) in erster Linie berichtet wird. Es wurde
darauf verzichtet, Artikeln mehrere Kategorien zuzuweisen. Die Entwicklung
des Kategoriensystems erfolgte induktiv und in stetigem Austausch der Au-
tor:innen untereinander. Im Laufe des Kodierprozesses wurde eine theoreti-
sche Sättigung mit den aufgeführten Kategorien erreicht, sodass eine meist
eindeutige Zuordnung möglich wurde.
340 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
Tabelle 2: Inhaltliche Kategorisierung von 489 Beiträgen zu ‚Clankriminalität‘ in sechs
Presseorganen, 01.01.2021-16.05.2022 (eine zentrale Kategorie pro Beitrag;
angegeben sind prozentuale Anteile der Kategorien pro Presseorgan)
Ge-
samt
SZ
TS
taz
WAZ
WK
ZEIT
1) Handeln von sog. Clans bzw. Clanmitgliedern
a) Konkrete aufsehenerregende Straftaten
15
0,0
7,2
0,0
4,3
9,1
0,0
b) Mit sog. Clankriminalität assoziierte Aktivitä-
ten
26
5,9
7,2
0,0
5,7
3,0
2,9
2) Handeln der Sicherheitsbehörden
c) Polizeistatistiken und Lagebilder
33
10,0
6,0
3,7
7,1
0,0
0,0
d) (Verbund-)Kontrollen (verdachtsunabhängig)
56
10,6
2,4
0,0
19,1
24,2
2,9
e) Problematisierung des diskriminierenden/stig-
matisierenden Potenzials von Kontrollen
2
0,0
0,0
7,4
0,0
0,0
0,0
f) Ermittlungen, Durchsuchungen und Festnah-
men
82
26,5
21,7
0,0
9,2
18,2
0,0
g) Personenportrait (etwa Polizeipräsident:in und
dessen/deren Ziele/Meinungen)
10
1,2
0,0
0,0
5,0
3,0
0,0
h) Prozess/Urteil gegen vermeintliche Clanange-
hörige
46
10,0
25,3
3,7
3,5
6,1
0,0
i) Kooperationen von Sicherheitsbehörden und
Kommunen
15
3,5
3,6
0,0
2,1
9,1
0,0
j) Personal und Ausstattung
11
5,3
0,0
0,0
1,4
0,0
0,0
3) Politisches Handeln (Kom-
mune/Land/Bund/EU)
k) Gesetzgebung (etwa im Hinblick auf Sozialleis-
tungsbetrug oder Geldwäsche)
6
1,2
0,0
3,7
2,1
0,0
0,0
l) Clankriminalität als Thema politischer Ausei-
nandersetzung (insbesondere Wahlkampf)
84
15,3
9,6
37,0
19,9
3,0
31,4
4) Allgemeines (keine spezifischen Anlässe)
m) Reflexion über den Diskurs zum Phänomen
sog. Clankriminalität (wissenschaftliche, medi-
ale, polizeiliche und politische Darstellung)
8
0,0
2,4
3,7
0,0
6,1
8,6
n) Debatten zu Islamophobie/Vorurteilen/Rassis-
mus/Rechtsextremismus
20
0,0
0,0
22,2
0,0
0,0
40,0
o) Debatten zu öffentlicher und gefühlter Sicher-
heit
16
0,6
2,4
0,0
9,2
0,0
0,0
p) Debatten zu Organisierter Kriminalität (u. a.
Mafia, Rocker)
10
3,5
1,2
3,7
1,4
0,0
0,0
q) Kurze Erwähnungen von Clankriminalität als
nebensächliches Thema
44
4,7
10,8
14,8
8,5
18,2
14,3
r) Prävention
5
1,8
0,0
0,0
1,4
0,0
0,0
489
100
100
100
100
100
100
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 341
Zunächst ist zu konstatieren, dass zu einem jeweiligen Anlass (medienüber-
greifend) mehrfach und (beispielsweise nach einer dpa-Meldung) mit ähnli-
chem Wortlaut berichtet wird.12 Das (strafrechtlich relevante) Agieren von
mutmaßlichen Clanmitgliedern war lediglich bei einem kleinen Teil der un-
tersuchten Artikel zu ‚Clankriminalität‘ das hauptsächliche Thema. Deutlich
häufiger bildeten polizeiliche Ermittlungen und Maßnahmen einerseits und
politische Auseinandersetzungen um ‚Clans’ und ‚Clankriminalität‘ anderer-
seits den Ausgangspunkt und Anlass der Berichterstattung. Uneindeutig bleibt
dabei oft, woher das Wissen stammt, dass bestimmte Personen oder Tatver-
dächtige Mitglieder eines ‚Clans‘ sind. Häufig wird ‚Clankriminalität‘ im
Zuge des institutionellen Handelns anderer Akteur:innen, etwa Polizei, Justiz
oder Politik, diskutiert. Besonders häufig wurde über Ermittlungen, Durchsu-
chungen und Festnahmen durch Sicherheitsbehörden berichtet (82 Artikel). In
vielen der untersuchten Artikel wurde der umgangssprachliche Begriff „Raz-
zia“ verwendet. Oftmals wird erst beim weiteren Lesen deutlich, ob es sich
um (verdachtsunabhängige Verbund-)Kontrollen (56 Artikel) handelt oder um
Maßnahmen im Zuge polizeilicher Ermittlungen. Der Weser Kurier und die
WAZ berichten anteilig sehr häufig über Kontrollmaßnahmen (Tab. 2: 2b),
während die taz als einziges Medium deren selektives, diskriminierendes,
stigmatisierendes Potenzial problematisiert (Tab. 2: 2c).
Darüber hinaus wurde ‚Clankriminalität‘ sehr häufig (84 Artikel) im politi-
schen Bereich im Kontext von Wahlkämpfen thematisiert.13 Die Berichterstat-
tung über ‚Clankriminalität‘ fokussiert vornehmlich repressive Maßnahmen
(Kontrolle, Ermittlungen, Strafprozesse), während Inhalte wie Prävention,
Diskussionen zu Gesetzeslücken oder -änderungen sowie Aspekte wie Perso-
nal und Ausstattung weniger häufig Hauptthema der Berichterstattung waren.
Islamophobie, Vorurteile, Rassismus und Rechtsextremismus im Zusammen-
hang mit ‚Clankriminalität‘ werden als Hauptthema nur von der Zeit und der
taz eingeführt. Dass ähnliche Themen zum Teil auch in anderen Presseorganen
verhandelt werden, wird etwa in Tabelle 1 illustriert (durch die Verwendung
der Lexeme „rassistisch*“ oder „stigmatisier*“).
12 Beispielsweise sind folgende berschriften zu einem Verfahren zu nennen: „Prozess ge-
gen Clankriminalität: Kriegswaffen verkauft?“, „Kriegswaffen via Encrochat verkauft?
Prozess begonnen“, „Prozess um in Chat angebotene Waffen und Drogen hat begonnen“,
„Schwerpunktabteilung für Encrochat-Verfahren ab Januar“
13 Dies hängt unter anderem mit den im Erhebungszeitraum liegenden Wahlen zum Deut-
schen Bundestag (September 2021) sowie zum Landtag in NRW (Mai 2022) zusammen.
342 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
4. Analyse des politischen Gebrauchs
4.1 Methode
Bei der Analyse von Dokumenten aus dem politischen Prozess wurden zum
einen Pressemitteilungen der in den drei Untersuchungsräumen für Inneres
zuständigen obersten Landesbehörden, zum anderen parlamentarische Doku-
mente der Landesparlamente, insbesondere schriftliche parlamentarische An-
fragen14 und die zugehörigen Antworten, einbezogen. Der Untersuchungszeit-
raum umfasst wie bei den medialen Quellen die im Zeitraum 01.01.2021
16.05.2022 veröffentlichten Dokumente. Parlamentarische Anfragen/Antwor-
ten wurden immer als Paar erhoben, auch wenn nur die Frage oder die Antwort
die Kriterien erfüllte (Untersuchungszeitraum, relevante Begriffe).
Die Suche nach Pressemitteilungen (n=17) erfolgte auf den Webseiten der drei
für Inneres zuständigen Länderressorts mit der jeweiligen Suchfunktion. Ge-
sucht wurde (Volltextsuche) nach ‚Clan‘ und Komposita mit anschließender
Sichtprüfung auf Relevanz (sicherheitsbezogene Thematisierung von soge-
nannten Clans bzw. damit assoziierten Personen/Gruppen15). Die Erhebung
parlamentarischer Dokumente (n=3416) erfolgte anhand derselben Suchbe-
griffe und Relevanzkriterien auf den Webseiten der Landesparlamente mit den
jeweiligen Dokumentensuchfunktionen.17 Der Fokus lag auf schriftlichen par-
lamentarischen Anfragen und Antworten. Da dies für NRW und Bremen nur
eine geringe Trefferzahl lieferte, wurden dort auch mündliche Anfragen ein-
bezogen, was für den Landtag NRW drei mündliche Anfragen zusätzlich zu
den drei schriftlichen ergab, für die Bremische Bürgerschaft keine weiteren
Treffer im Untersuchungszeitraum.
14 Übliche Bezeichnungen und Formate je nach Parlament (Geschäftsordnung) leicht unter-
schiedlich.
15 Dabei ist festzustellen, dass Dokumente, die „Clan*“ als Wort oder Wortteil enthielten,
fast nie frei von Sicherheitsbezügen waren; Clans wurden also fast nur im Rahmen einer
Thematisierung von Gefahren, meist (in Folge von) Delinquenz, thematisiert. Siehe dazu
auch 2.3 Das Kompositum ‚Clankriminalität‘ und dessen Konzeptualisierung (pejora-
tive Verwendung).
16 Jeweils eine Kombination aus Frage (meist Oppositionsabgeordnete) und der in der Regel
zu einem späteren Datum erfolgenden Antwort (Regierung bzw. Regierungsvertretende),
also 68 Dokumente, die oft, aber nicht immer, vollständig in einer Drucksache kombiniert
sind.
17 Volltextsuche für Berlin und Bremen. Für NRW war eine Volltextsuche nicht verfügbar.
Neben Titeln und Schlagworten konnten hier Abstracts der jeweiligen Dokumente durch-
sucht werden.
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 343
Tabelle 3: Dokumente aus dem politischen Prozess zu ‚Clankriminalität‘ (Berlin, Bremen,
NRW, 01.01.2021-16.05.2022; Anzahl Dokumente)
NRW
n
Berlin
n
Bremen
n
10
5
2
6
27
1
4.2 Analyse
Pressemitteilungen der für Inneres zuständigen Ministerien/Senate
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Primäranlässe (in der Re-
gel der Überschrift zu entnehmen) der erhobenen Pressemitteilungen.
Tabelle 4: Primäranlässe fr Pressemitteilungen der Innenressorts zu ‚Clankriminalität‘
(Berlin, Bremen, NRW, 01.01.2021-16.05.2022: Anzahl Pressemitteilungen)
NRW
(I_NRW)*
Berlin
(I_BE)*
Bremen
(I_HB)*
Lagebilder, Statistiken u. ä.
3
3
1
Polizeiinterna/Personalien
4
0
0
Weiterentwicklung/Intensivierung von Ansät-
zen/Maßnahmen
2
0
1
Groß-/Verbundeinsätze, Razzien u. ä.
1
1
0
Person mit Clanbezug
0
1
0
SUMME
10
5
2
*Kürzel für Zitate aus den Pressemitteilungen
Den häufigsten Primäranlass für die hier analysierten Pressemitteilungen
stellte die Veröffentlichung bzw. Vorstellung von Statistiken, Lagebildern
und ähnlichem dar (mehrfach Lagebilder spezifisch zu ‚Clankriminalität‘, bei
anderen wird das Thema im Kontext Organisierter Kriminalität oder allgemei-
ner Statistiken mitabgedeckt). Die Meldungen zu derartigen Dokumenten, wie
auch die Dokumente selbst, lassen sich nicht zuletzt als mit Zahlen angerei-
cherte Tätigkeitsberichte bzw. -nachweise verstehen. So etwa das folgende
Beispiel:
„Insgesamt wurden 849 Straftaten von 295 Tatverdächtigen, die der Clan-
kriminalität zugerechnet werden, registriert. Die Schwerpunkte lagen dabei
im Bereich der Verkehrsstraftaten, der Betäubungsmittelkriminalität, der
344 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
Gewalt- und Eigentumskriminalität sowie bei Betrugsdelikten. Es wurden
245 Ordnungswidrigkeiten von 145 Personen mit dem Schwerpunkt auf
Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz, das Waffengesetz, im Bereich
von Verkehrsmitteln sowie falscher oder Verweigerung von Namensanga-
ben registriert.“ (I_BE 06.05.2022)
Aus der Darstellung ergibt sich, dass nicht bestimmte (etwa „typische“) Straf-
tatbestände, sondern Tatverdächtige als Personen „der Clankriminalität zuge-
rechnet“ werden; die ihnen zugeordneten, ein weites Feld abbildenden, De-
likte und Ordnungswidrigkeiten werden wiederum auf Basis dieses den Tat-
verdächtigen zugeschriebenen Merkmals der ‚Clankriminalität‘ zugerechnet.
Dieser Zuordnungsmodus basiert auf dem Lagebild für Berlin 2021 und
durchzieht dieses entsprechend (Landeskriminalamt Berlin 2022, S. 10, 13
und 14).
In einer Meldung zum Berliner Lagebild Organisierte Kriminalität für 2020
(I_BE 12.11.21) werden acht Spiegelstriche als „Schwerpunkte der Arbeit
[…] 2020“ dargestellt, von denen einer „‚Clankriminalität‘“ [Anführungszei-
chen im Original] ist. Als weitere beschriebene Gruppierungen bzw. Grup-
penaktivitäten werden „Russisch-Eurasische OK“ und „Outlaw Motorcycle
Gangs“ genannt, beide nicht in Anführungszeichen. Dies und die wiederholte
Formulierung „sogenannte Clankriminalität“ deutet an, dass die Autor:innen
sich der besonderen Schwierigkeit bei der Definition und/oder der Nutzung
des Begriffes ‚Clankriminalität‘ bewusst sind oder jedenfalls bewusster als bei
den anderen benutzten Kategorisierungen. Grundsätzlich gibt die Meldung die
Definition des Lagebildes wieder und äußert sich zu „kriminellen Angehöri-
gen aus ethnisch abgeschotteten Subkulturen18 (‚Clankriminalität‘)“. Wo und
mit welcher Begründung phänomenologisch die Grenze verläuft zu anderen
Phänomenbereichen wie insbesondere „Gruppierungen der russisch-eurasi-
schen OK“, von welchen „[i]nsbesondere tschetschenische Tätergruppierun-
gen“ an Relevanz gewönnen, ist anhand der Meldung allein nicht identifizier-
bar. In einer weiteren Meldung, die verschiedene aktuell im Bereich Organi-
sierter Kriminalität besonders relevante Gruppen thematisiert (I_BE
18.02.2021), werden „Tatverdächtige[.] aus der arabischstämmigen Clankri-
minalität“ und „Kriminelle mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit“ ge-
nannt. Auffällig ist, dass hier nicht von Staatsangehörigkeit oder Migrations-
hintergrund die Rede ist, sondern von Abstammung und Volkszugehörigkeit,
18 Die Frage, von wessen „Angehörigen“ hier die Rede ist, wird wohl leider unbeantwortet
bleiben müssen. (Solche der Subkulturen könnten der syntaktischen Struktur zufolge
kaum gemeint sein).
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 345
beides eher diffuse und in starkem Maße ethnisierende Begriffe. Zentrale Ge-
meinsamkeit der beschriebenen Kollektive ist, dass sie auf Basis einer nicht
näher spezifizierten Herkunft als fremd markiert werden. Die Definitions-
merkmale, die für die als „tschetschenisch“ bezeichneten Tatverdächtigen ge-
nannt werden, unterscheiden sich kaum von in anderen politischen und poli-
zeilichen Quellen als kennzeichnend für ‚arabische Clankriminalität‘ genann-
ten Attributen („ausgeprägter Ehrbegriff, eine hohe Affinität zu Gewalt und
Waffen und eine geringe Akzeptanz staatlicher Autorität“; I_BE 18.02.2021).
Explikationen zum Begriff und zur Definition von ‚Clankriminalität‘ sind in
den meisten Pressemitteilungen (sicher auch aufgrund deren Kürze) nicht oder
nur vage bzw. implizit vorhanden. Möglicherweise wird vorausgesetzt, dass
die Lesenden entsprechende Definitionen den Lagebildern entnehmen oder
aus anderen Quellen wissen, welche Thematik sich hinter dem Begriff verber-
gen soll. An verschiedenen Stellen wird zudem deutlich, dass es nicht (nur)
um (schwere oder Organisierte) Kriminalität geht, sondern auch um Verhal-
tensweisen, die etwa als „öffentlicher Regelbruch“ (I_BE 15.03.2021) be-
schrieben werden.
Mit Blick auf die Tatbegehung werden Bezüge zu Gruppen („Szenen“) er-
wähnt, die in den Dokumenten als unterstützende gesellschaftliche Milieus
oder Subkulturen markiert werden:
„Dabei werden auch Verbindungen zu speziellen Szenen wie Rockern, Tr-
stehern, Boxern oder ‚Rappern‘ genutzt; ebenso gewerbliche Aktivitäten,
wie das Betreiben von Shisha-Bars, An- und Verkaufsgeschäften, Juwelier-
geschäften oder Autovermietungen.“ (I_BE 15.03.2021)
Die Nutzung von Familiennamen zur Zuordnung potenzieller Straftäter:innen
zu potenziellen Clans wird darüber begründet, dass es darum gehe, „Ross
und Reiter klar [zu] benennen“, wobei in der gleichen Meldung erklärt wird,
dass die meisten von einer derartigen Zuordnung betroffenen „Menschen mit
den entsprechenden Familiennamen […] sich nicht das Geringste zu Schulden
kommen lassen“ (I_NRW 05.04.2022).
Der zweithäufigste Primäranlass kennzeichnet Pressemitteilungen, die Poli-
zeiinterna betreffen und nur bedingt einen Bezug zu ‚Clankriminalität‘ auf-
weisen. So behandeln etwa zwei Mitteilungen die Ernennung neuer Polizei-
präsident:innen, zu deren Kompetenzen und Verdiensten Erfahrungen in der
„Bekämpfung […] der Clan-Kriminalität“ (I_NRW 01.03.2022) gezählt wer-
den. Dies legt nahe, dass es sich bei ‚Clankriminalität‘ nicht nur um ein
346 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
besonders bedeutsames Phänomen handelt, das mit anderen gemeinhin als
schwer eingeordneten Straftaten auf eine Ebene zu stellen sei, sondern dass
auch Funktionstragende (in der Polizei) sich mit Erfahrungen in diesem Feld
profilieren könnten.
Parlamentarische Anfragen und Antworten
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick zu den Primäranlässen (in der Re-
gel der Überschrift bzw. dem Betreff der Anfrage zu entnehmen) der unter-
suchten parlamentarischen Dokumente.
Tabelle 5: Primäranlässe fr parlamentarische Dokumente zu ‚Clankriminalität‘ (Ber-
lin, Bremen, NRW, 01.01.2021-16.05.2022: Anzahl Dokumente; je Dokument
eine Kategorie)
NRW
(P_NRW)*
Berlin
(P_BE)*
Bremen
(P_HB)*
Mutmaßliche Straftäter:innen und Straftaten
2
10
0
Opfer/Leidtragende
1
10
0
Kriminalitätsbezogene Maßnahmen
3
4
1
Sonstiges
0
3
0
SUMME
6
27
1
* Kürzel für Zitate aus den Drucksachen
Zwölf Anfragen beziehen sich auf mutmaßliche Straftaten und Straftäter:in-
nen (teils konkret benannte Personen) und mit Kriminalität assoziierte As-
pekte. Sechs davon legen den Fokus auf ‚Clans‘ oder konkrete damit in Ver-
bindung gebrachte Personen, bei den anderen sind ‚Clans‘ Teil der Frage oder
Antwort, aber nicht deren (alleiniger) Fokus (so z. B. bei weiter gefassten An-
fragen zur Kriminalitätsentwicklung). Die Straftatbestände und weiteren Ver-
haltensweisen, die als für den Phänomenbereich relevant markiert werden,
sind vielfältig. Häufig wird der Bezug zu Organisierter Kriminalität herge-
stellt, ‚Clankriminalität‘ als eine Spielart derselben oder als artverwandt be-
schrieben. Es werden potenzielle Straftaten thematisiert, die damit assoziiert
werden können, etwa kriminelle oder jedenfalls unseriöse Geschäfte, Nutzung
illegitim erworbener Mittel und Geldwäsche (z. B. auf konkrete Immobilien
bezogen: P_NRW 08.09.2021 und P_BE 08.02.2021).
Den zweithäufigsten Primäranlass nach der vorgenommenen Kategorisierung
stellen auf Opfer und andere Leidtragende bezogene Anfragen dar. Allein vier
Anfragen aus den Reihen der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus fokussieren
Aspekte der „Kindeswohlgefährdung durch kriminelles familiäres Umfeld“
(P_BE 03.01.2022). Die Assoziation mit sogenannten Clans ist dabei nicht der
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 347
einzige Anknüpfungspunkt, aber wiederkehrend und offenbar schon länger
Gegenstand politischer Auseinandersetzung:
„Etliche einschlägig bekannte Kriminelle in Berlin begannen ihre krimi-
nelle Karriere im Kindesalter und setzten sie als Erwachsene fort. Viele
jugendliche Schwellen- und Intensivtäter kommen aus türkisch-arabischen
Familienclans. Berliner Politiker der SPD, FDP, CDU und auch der Grü-
nen forderten daher schon vor Jahren, zur Verbrechensbekämpfung auch
die Kinder aus kriminellen Clans in den Blick zu nehmen. Diskutiert wurde
der Ansatz, Kinder aus ‚kriminellen Milieus‘ wegen Kindeswohlgefährdung
unter staatliche Obhut zu stellen, um damit kriminelle Karrieren zu verhin-
dern.“ (P_BE 19.10.2021)
Zwei weitere Anfragen innerhalb der Kategorie der opferbezogenen Anfragen
konzentrieren sich allgemein auf Geschädigte/Opfer sogenannter Clankrimi-
nalität, eine auf Senior:innen als Opfer, zwei auf die Bedrohungslage für An-
gehörige von Strafverfolgungsbehörden, und eine auf Gewalt gegen medizi-
nisches Personal. Zusammengefasst kann man den Primäranlass von zehn An-
fragen als auf potenziell Leidtragende fokussiert einordnen; nicht nur als Op-
fer einschlägiger krimineller Aktivitäten, sondern auch als Leidtragende einer
(mutmaßlichen) Assoziation mit entsprechenden Familien.
Zudem wurde im Rahmen einer Anfrage zu rechtsextremistischen Gewaltta-
ten („Rechte Anschlagsserie in Neukölln“; P_BE 30.03.2021) unter anderem
(nicht Primäranlass) danach gefragt, inwiefern ein „Gewerbe, das zuvor im
Rahmen behördlicher Kontrollen zur Bekämpfung sogenannter ‚Clan-Krimi-
nalität‘ ggf. in öffentlicher Berichterstattung hervorgehoben“ wurde, von
„rechte[n] Delikten“ betroffen war (P_BE 15.03.202119).
Viele Anfragen nehmen Bezug auf offenbar als sozial geteilt bzw. sozial an-
schlussfähig angenommenes Wissen darüber, was ‚Clans‘ und ‚Clankrimina-
lität‘ seien. Die Gleichstellung mit Organisierter Kriminalität bzw. die Unter-
ordnung von ‚Clankriminalität‘ unter den Schirm Organisierter Kriminalität
ist regelmäßig als weitestgehend selbstverständlich vorzufinden:
„Welche Erkenntnisse gibt es dahingehend, dass es sich bei dem Mord um
eine Rivalität im Clanbereich oder einem anderen Phänomenbereich der
Organisierten Kriminalität handelt?“ (P_BE 15.03.2021)
19 Falls nicht anders vermerkt, jeweils Datum der Antwort in der jeweiligen Drucksache.
348 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
Auch bei den Antworten wird entsprechendes Wissen oft vorausgesetzt bzw.
ist ein tieferes Eindringen in die Definitionen meist nicht festzustellen. Auf
explizite Fragen dazu, wie ‚Clankriminalität‘ definiert werde, berufen sich die
Antwortenden regelmäßig auf die (veröffentlichten) Definitionen der Polizei-
behörden und seit Kurzem auf eine bundesweit abgestimmte Definition (s. o.).
Diese Definition (mit einer Abweichung in einem Wort) ist etwa in zwei An-
fragen/Antworten in NRW (P_NRW 06.04.2022 und P_NRW 19.05.2022)
enthalten. Eine der Anfragen richtet sich an das Justizministerium und geht
dahin, ob das Justizressort die primär zwischen den Innenressorts abge-
stimmte Definition ebenfalls nutze. In der Antwort wird dies bedingt bejaht:
„Das Ministerium der Justiz betrachtet diese Definition zum Begriff der
Clankriminalität als tragfähige Arbeitsgrundlage und wendet sie ohne Be-
grenzung auf einzelne ethnische Abstammungen bzw. geographische Be-
züge der Clanangehörigen umfassend an. Die Straftaten einer statistischen
Erfassung zugrunde zu legen, scheidet […] aus.“ (P_NRW 19.05.2022)
Die Aussage, sich bei der Anwendung nicht auf einzelne ethnische oder geo-
graphische Merkmale zu begrenzen, steht im Widerspruch zur polizeilichen
Erfassungspraxis in NRW, zu der im Lagebild direkt im Anschluss an die oben
zitierte bundeseinheitliche Definition angemerkt wird:
„Auswertungen im Rahmen dieser Lagebilderstellung fokussieren in NRW
weiterhin ausschließlich auf Familienstrukturen, deren Angehörige einen
türkisch-arabischstämmigen Migrationshintergrund aufweisen sowie über
Bezüge zum Libanon verfgen.“ (LKA NRW 2022)
Obwohl Innen- und Justizressort zu diesem Zeitpunkt CDU-geführt waren,
was gewöhnlich wenig Raum für offen ausgetragene Differenzen lässt, war es
dem Justizministerium offenbar wichtig, auf diesen Aspekt in der Erfassungs-
praxis hinzuweisen, den man sich nicht zu eigen machen mochte.
Bei der Betrachtung der Dokumente aus dem politischen Prozess ist natürlich
die jeweilige Autor:innenschaft prägend. Pressemitteilungen der Innenres-
sorts behandeln vorwiegend polizeiliche Aktionen, Erkenntnisse und Lagebil-
der, sind insgesamt polizeinah und stark daran interessiert, die Arbeit der
ihnen unterstellten Polizeibehörde(n) positiv darzustellen. Ähnliches gilt für
die Antworten der Landesregierungen auf parlamentarische Anfragen. Diese
werden, angesichts des Themas Kriminalität nicht überraschend, häufig von
den Innenressorts beantwortet, welche die Polizeibehörden und deren Er-
kenntnisse in ihren Antworten widerspiegeln. Die Verpflichtung der Regie-
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 349
rungen, parlamentarische Anfragen möglichst zeitnah und umfassend zu be-
antworten, kommt bisweilen in einem im Vergleich zu den Pressemitteilungen
eher reaktiven Modus der Textgestaltung und der darin enthaltenen Darstel-
lung der Regierungsarbeit zum Ausdruck. Die parlamentarische Anfragen
stellenden Abgeordneten gehören in der Regel Oppositionsparteien an und
versuchen über ihr Auskunftsrecht nicht nur Informationen über die Regie-
rungsarbeit zu erlangen, sondern gewöhnlich auch gezielt, bestimmte Themen
auf die politische Agenda zu bringen, politischen Druck auszuüben, mögliche
Schwachpunkte der Regierungen offenzulegen bzw. einer Kritik auszusetzen
oder zugänglich zu machen, und sich schließlich selbst politisch zu profilie-
ren.
Gerade Themen der Inneren Sicherheit sind aufgrund ihres Nachrichtenwerts
bzw. des diesbezüglich oft hohen öffentlichen Interesses geeignet, im parla-
mentarischen Diskurs entsprechenden Druck auszuüben. Entsprechend ist es
nicht überraschend, dass sich ein großer Teil der parlamentarischen Anfragen
mit potenziellen Opfern und Geschädigten auseinandersetzt; insbesondere mit
Betroffenen krimineller Aktivitäten aber auch mit Betroffenen einer Assozia-
tion mit kriminellen Personen oder kriminalisierten Gruppen. Darin spiegelt
sich in mehrfacher Hinsicht ein Blick auf die Thematik ‚Clankriminalität‘ als
soziales Problem; zum einen als Sicherheitsproblem, welches mit identifizier-
baren Geschädigten (der Straftaten selbst, aber auch etwa des Aufwachsens in
einem Umfeld, in dem solche Straftaten begangen werden) sichtbar gemacht
werden kann, zum anderen als kriminalisierende Zuschreibung zulasten von
Personen, die etwa aufgrund ihres Namens oder ihrer (mutmaßlichen) Ange-
hörigen mit Kriminalität assoziiert werden.
5. Fazit
Auf Basis der semantisch-linguistischen Analyse kann festgehalten werden,
dass ‚Clankriminalität‘ konzeptuell unscharf und unbestimmt ist. Insbeson-
dere ist der isolierte Gebrauch des Terminus uneindeutig und wirft verschie-
dene Fragen auf; sein semantischer Gehalt lässt sich allenfalls unter Einbezie-
hung weiterer Kontextinformationen erschließen. Zunächst ist bereits unklar,
was unter einem Clan verstanden werden soll. Vorhandene Definitionen las-
sen ‚Clan‘ als Sammelbegriff für soziale Netzwerke erscheinen, deren Ge-
meinsamkeit vor allem darin zu bestehen scheint, dass die Bindung zwischen
den Mitgliedern zum Teil, aber keineswegs ausschließlich auf biologischer
Verwandtschaft beruht. Insbesondere die im (historischen) Zeitverlauf
350 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
zunehmend pejorative Konnotation des Begriffs ‚Clan‘ macht ihn als analyti-
schen oder auch nur deskriptiven Begriff problematisch. Die funktionale Be-
ziehung zwischen ‚Clan‘ und ‚Kriminalität‘ bleibt in dem Begriff offen. Die
Komplexität dieser Verknüpfung bzw. die Heterogenität der Verknüpfungs-
varianten erzeugen eine konzeptuelle Ambiguität; etwaige Beschränkungen
oder Konzentrationen auf spezifische Varianten gehen aus dem Begriff nicht
hervor.
Die mediale Analyse zeigt, dass die Berichterstattung primär im Rahmen von
sicherheitsbehördlichem Handeln (Verbundkontrollen, Durchsuchungen,
Festnahmen oder im Zuge von Strafprozessberichterstattung) oder politischen
Auseinandersetzungen (im Untersuchungszeitraum insbesondere im Rahmen
von Wahlkämpfen) stattfindet. Die Berichterstattung zu ‚Clankriminalität‘ hat
ihren Ausgangspunkt hauptsächlich im Handeln und Wirken institutioneller
Akteur:innen (insbesondere der Polizei, Politik und Justiz). Vergleichsweise
selten ist das Handeln sogenannter Clans bzw. Clanmitglieder Hauptthema.
Dies zeigt nicht zuletzt die Deutungshoheit der institutionellen Akteur:innen.
Konzeptuelle Klarheit ist auch auf Basis der Dokumente aus dem politischen
Prozess nicht zu erlangen. In Pressemitteilungen und parlamentarischen Do-
kumenten werden die Begriffe ‚Clan‘ und ‚Clankriminalität‘ häufig mit gro-
ßer Selbstverständlichkeit verwendet. Oftmals wird eine Nähe von ‚Clankri-
minalität‘ zu Organisierter Kriminalität hergestellt; dies erfolgt insbesondere
durch explizite Nennung von Organisierter Kriminalität als Oberkategorie
oder als mit ‚Clankriminalität‘ verwandte Kategorie bzw. durch Thematisie-
rung von Straftatbeständen, die mit Organisierter Kriminalität assoziiert wer-
den. Zugleich steht eine derartige Zuordnung in einem Spannungsverhältnis
zu vielen Sachverhalten, die unter ‚Clankriminalität‘ subsumiert werden. Zum
einen werden hierunter vielfältige Straftatbestände gefasst, die keinerlei Nähe
zu Organisierter Kriminalität erkennen lassen; zum anderen meint ‚Clankri-
minalität‘ häufig auch Ordnungswidrigkeiten, weitere Normbrüche und All-
tagsirritationen, die sich nicht einmal als Kriminalität (geschweige denn als
deren organisierte Erscheinungsform) qualifizieren. Auch im politischen
Raum bestehen Unklarheiten, was unter einem ‚Clan‘ verstanden wird und
wann Handlungen von vermeintlichen ‚Clanmitgliedern‘ dem ‚Clan‘ als
‚Clankriminalität‘ zugeordnet werden können bzw. sollen. Dieses Problem
wird durch die im Herbst 2021 bundesweit abgestimmte polizeiliche Defini-
tion von ‚Clankriminalität‘ nicht gelöst, was sich anhand des untersuchten
Clankriminalität eine linguistische und empirische Konzeptanalyse 351
Materials bereits dadurch illustrieren lässt, dass diese Defini-tion20 (bisher)
offenbar nicht einmal im polizeilichen Kontext einheitlich angewendet wird.
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20 Die ihrerseits ein ‚hinreichendes‘ Maß an Unbestimmtheit enthält, was sich bereits an dem
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Einzelnen oder in ihrer Gesamtheit für das Phänomen von Bedeutung sein“ zeigt.
352 Struck, Nüschen, Dangelmaier, Wagner, Görgen
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Book
Full-text available
Criminal families have received increasing attention over the past decade, both in practice and in academic research. While concepts such as "undermining" or "organized crime" are often perceived as abstract, nearly every municipality in the Netherlands is home to one or more families that have caused significant concerns for decades—whether due to criminal or highly disruptive behavior, or otherwise because of a dubious reputation. Consequently, there is a strong demand for deeper insights and effective intervention strategies. Previous studies have examined the intergenerational transmission of criminal behavior within seven families in North Brabant, each of which has produced at least one "crime entrepreneur" across generations (Moors & Spapens, 2017). Another study explored possible interventions within criminal families through a combination of repression, prevention, and strengthening the resilience of professionals working with these families, as well as that of residents in affected neighborhoods or municipalities (Boer, Ceulen, Moors & Spapens, 2020). The present study constitutes the third book in this series. While previous studies focused on nuclear families, this research examines broader criminal family networks in the Netherlands and abroad, with particular attention to subcultural and clan-like characteristics.
Chapter
Die vielfach formulierte Kritik an der Begrifflichkeit ‚Clankriminalität‘ greift oft zu kurz. Diese Bezeichnung eines vermeintlich distinkten Kriminalitätsphänomens ließe sich aber nicht lediglich durch einen alternativen Begriff, ein mögliches Synonym, ersetzen. Das Wort ‚Clankriminalität‘ verweist zwar scheinbar auf ein spezifisches Phänomen, jedoch sind die in der Regel vorgenommenen Zuschreibungen äußerst heterogen und unspezifisch. Im vorliegenden Beitrag wird vor allem die Frage diskutiert, inwieweit es sich bei der Verwendung der Bezeichnung um semantische Mehrdeutigkeit, um Polysemie, handelt. Dies wird diskurstheoretisch unter Rückgriff auf verschiedene Forschungsbefunde erörtert. Es wird unter anderem argumentiert, dass der Annahme, es handle sich bei einer sozialen Erscheinungsform um ‚Clankriminalität‘, die Zuschreibung eines Wirksystems ‚Clan‘ zugrunde liegt. Ein derartiges, andere Erklärungsfaktoren abweichenden Verhaltens überlagerndes Wirksystem ist aus sozialwissenschaftlicher Sicht mindestens fragwürdig und birgt angesichts der Thematik zudem die Gefahr, folgenreiche Vorurteile zu (re-)produzieren.
Chapter
Im vorliegenden Beitrag wird die bundesweit abgestimmte Definition zu sogenannten Clans und Clankriminalität mit dem der Objektiven Hermeneutik entlehnten Verfahren der Sequenzanalyse analysiert. Eine darauf aufbauende Fallstrukturhypothese verweist auf latente Sinnstrukturen, welche die polizeiliche Praxis strukturieren. Es wird unter anderem deutlich, dass die polizeiliche Definition strukturell offen gestaltet ist, um einerseits nicht explizit zu etatisieren und andererseits viele Phänomene als „Clankriminalität“ etikettieren zu können sowie Formen der bestehenden polizeilichen Bearbeitung und Operationalisierung nicht zu verunmöglichen.
Chapter
In dieser Einführung wird dafür plädiert, die sogenannte ‚Clankriminalität‘ als soziales Problem zu begreifen. Dies eröffnet verschiedene Anknüpfungspunkte für weitere Auseinandersetzungen. Im Gegensatz zu anderen Erkenntnisdimensionen, z. B. ein Phänomen schlicht als „Kriminalität“ zu bezeichnen, wird hierbei ein Bezug zu bestehen den Wertvorstellungen, Normen und Moral der problematisierenden Gesellschaft hergestellt und hinterfragt. Auffällig beim Phänomenkomplex ‚Clankriminalität‘ ist zum Beispiel, dass nicht nur das Handeln (hier: Kriminalität), sondern auch die soziale Gruppe, der viele der handelnden Personen zugerechnet werden, öffentlich problematisiert werden. Zudem wird auf die definitorische Herausforderung von ,Clankriminalität‘ und damit verbundene Problematiken verwiesen. Es wird ein Überblick über die Konjunktur des öffentlichen Diskurses über ;Clankriminalität‘ gegeben und Kritik an frühen Auseinandersetzungen mit dem Phänomen (auch an solchen des Verfassers selbst) geübt. Weiterhin werden umstrittene Deutungen des Phänomenkonstrukts angesprochen, zu denen vor allem die Phänomenbezeichnung, seine Entstehungszusammenhänge und die soziostrukturellen und soziokulturellen Merkmale der Community mardinstämmiger Großfamilien gehören, die in der Literatur bis heute umstritten sind und im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und diskursiv verbreiteten Annahmen, weiter diskutiert werden. Abschließend werden drei Aspekte hervorgehoben, die wiederkehrend, d. h. über viele Beiträge des Sammelbands hinweg, auftauchen: 1. Sogenannte ‚Clankriminalität‘ weist offenbar kaum phänomenspezifische Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Kriminalitätsphänomenen auf. Verglichen mit organisierter oder mit verschiedenen Phänomenbereichen der Allgemeinkriminalität verbleiben lediglich die öffentliche Wahrnehmbarkeit (und Wahrnehmung) einzelner Erscheinungsformen von ‚Clankriminalität‘ sowie die geteilte Zuwanderungsgeschichte der betroffenen Community. 2. Die Angehörigen dieser Community sind, durch ihre Gruppenzugehörigkeit oder deren Zuschreibung, einer Vielzahl von Konflikten ausgesetzt. 3. Die, ohnehin sehr heterogene, Community mardinstämmiger Großfamilien ist im Wandel begriffen.
Article
This article develops and applies a conceptual analysis method (CAM). The CAM is a critical reflection on multiple definitions and descriptions of concepts and terms all used to refer to a phenomenon or the experiences of it. The method particularly helps researchers working in emerging research fields to discover any conceptual confusion and elucidate multiple terms and concepts. We demonstrate the utility of the CAM by discovering conceptual confusion on an example field: business relationship uncoupling, and elucidating its terms and concepts. This article adds to the discussion on the importance of conscious conceptual language for theory development, on the level of a research field.
Article
Does what is said make sense? " or " Is what is said nonsense? " This is the criterion employed by those influenced by Wittgenstein's post-Tractatus view that the rules or conventions for the use of expressions determine what it makes sense to say. It drives what most in theoretical psychology take conceptual analysis to be—the clarification of existing grammar, viz., rules for the use of concepts, and the provision of grammatical insights—for these apparently determine what does and what does not make sense. Yet this seems odd in ways which I highlight. Perhaps some of us continue to miss the Wittgensteinian point, but a more complex account of conceptual analysis unfolds from the anomalies in Hacker's approach.
Razzien in Shisha-Bars und der Anschlag von Hanau
  • A Abed
Abed, A. (2021): Das Konzept »Clankriminalität«. Institutioneller Rassismus, Razzien in Shisha-Bars und der Anschlag von Hanau. In: Derin, B. et al. (Hg.): Grundrechte-Report 2021. Zur Lage der Bürger-und Menschenrechte in Deutschland. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, S. 101-108.
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  • L Dousset
Dousset, L. (2012): Understanding human relations (kinship systems). In: Thieberger, N. (Hg.): The Oxford Handbook of Linguistic Fieldwork. Oxford, UK: Oxford University Press, S. 209-234.
Antiziganistische Ermittlungsansätze in Polizei-und Sicherheitsbehörden. Kurzexpertise im Auftrag des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma
  • M End
End, M. (2017): Antiziganistische Ermittlungsansätze in Polizei-und Sicherheitsbehörden. Kurzexpertise im Auftrag des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Heidelberg.
The other side of criminology: an inversion of the concept of crime
  • G P Hoefnagels
Hoefnagels, G. P. (1973): The other side of criminology: an inversion of the concept of crime. Dordrecht/NL: Springer.
Arabische Großfamilien und die "Clankriminalität
  • M Jaraba
Jaraba, M. (2021): Arabische Großfamilien und die "Clankriminalität", in: https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/MEDIENDIENST_Expertise_-_Arabi-sche_Grossfamilien_und_die_Debatte_um_Clankriminalita__t.pdf [letzter Aufruf: 14.12.2022].
Clan. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache
  • W Pfeifer
Pfeifer, W. et al. (1993): Clan. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, in: https://www.dwds.de/wb/etymwb/Clan [letzter Aufruf: 14.12.2022].