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NACHRICHTEN
Tierwohl-Kommission löst
sich wegen Finanzfragen auf
Die „Borchert-Kommission“, ein
Beratergremium zur Verbesserung
der Nutztierhaltung in Deutsch-
land, stellt ihre Arbeit ein. Die Ex-
pert:innen hatten Beträge von sie-
ben bis elf Milliarden Euro pro
Jahr für den Umbau der Tierhal-
tung angemahnt die aber aus-
bleiben. Agrarminister Cem Özde-
mir (Grüne) erklärte, die Ziele der
Kommission „Schritt für Schritt
erreichen“ und sich für zusätzli-
che Mittel einsetzen zu wollen. afp
Neue Ausbildungsverträge:
Zahl steigt leicht
Im Jahr 2022 sind insgesamt
469900 neue Ausbildungsvert-
ge abgeschlossen worden. Das
sind nach Angaben des Statisti-
schen Bundesamtes in Wiesba-
den 0,8 Prozent mehr als im Vor-
jahr, allerdings acht Prozent we-
niger als im Vor-Corona-Jahr
2019. Ende 2022 befanden sich
nach Angaben der Behörde ins-
gesamt 1216 300 Personen in ei-
ner dualen Berufsausbildung und
damit drei Prozent weniger als
im Jahr zuvor. Damit setze sich
der langfristige Trend sinkender
Ausbildungszahlen fort. epd
Nordexerhält Großauftrag
für kanadischen Windpark
Der Windanlagenbauer Nordex
hat den Zuschlag zur Lieferung
der Turbinen für den kanadi-
schen Windpark „Forty Mile“ in
der Provinz Alberta erhalten. Der
Auftrag umfasse 49 Turbinen mit
einer Leistung von je 5,7 Mega-
watt, wie das Unternehmen mit-
teilte. Mit einer Leistung von ins-
gesamt knapp 280 Megawatt
werde dies der größte Windpark
des zum spanischen Nordex-
Graktionär Acciona gehören-
den Unternehmens Acciona
Energia in Nordamerika sein,
hi es. Er soll im ersten Quartal
2025 fertig sein. dpa
LieferdienstGetir
streicht 2500 Stellen
Der Lebensmittel-Lieferdienst
Getir will sich von rund 2500 Be-
schäftigten trennen. Das teilte
das Unternehmen, das aktuell et-
wa 23000 Menschen in fünf
Ländern beschäftigt, am Diens-
tag mit. Wie sich die Stellenstrei-
chungen auf die Länder vertei-
len, wurde nicht mitgeteilt. Der
türkische Lieferdienst ist im
„Quick-Commerce“-Bereich -
tig, bei dem sich Kundinnen und
Kunden per App Supermarktpro-
dukte innerhalb kurzer Zeit an
die eigene Haustür liefern lassen
können. dpa
Kommentar Seite11
Mehr Mitspracherechte bei
Facebook und Instagram
Nutzerinnen und Nutzer in der
EU bekommen künftig mehr Mit-
spracherechte über die Inhalte
auf Facebook und Instagram. Sie
sollen besser selbst entscheiden
können, welche Beiträge ihnen
angezeigt werden, wie der Mut-
terkonzern Meta am Dienstag
mitteilte. Damit passt sich der
US-Konzern neuen EU-Vorschrif-
ten nach dem Gesetz für digitale
Dienste (Digital Services Act) an,
die am Freitag in Kraft treten.
Konzerne wie Meta, Amazon,
Google, Tiktok und X, ehemals
Twitter, müssen aerdem schär-
fer gegen Hassrede und Falschin-
formationen vorgehen. dpa
GASTWIRTSCHAFT
Vorboten der
Finanzkrise
Ein beunruhigender Trend
in den USA
Von Felix Fuders
Zum ersten Mal seit der Wirt-
schaftskrise der 1930er Jahren
sinkt die US-Geldmenge M3, was
zu meinem Erstaunen von natio-
nalen wie auch internationalen
Medien bisher weitgehend un-
kommentiert geblieben ist. Dabei
kann es jeder einsehen. Wenn
man auf die Webseite der US-
Zentralbank geht (fred.stlouis-
fed.org) und dort M3 in das Such-
feld eingibt, kommt man zu der
Grafik der Geldmenge. Diese
steigt normalerweise stetig. Das
liegt daran, dass Banken die Kun-
deneinlagen durch Kredite im
Umlauf halten, die dann wieder
als Einlagen auf anderen Bank-
konten landen und dort wieder
durch Kredite im Umlauf gehal-
ten werden. Da Bankeinlagen in
der Definition der Geldmenge
enthalten sind, führt die Kredit-
expansion zu einer Ausweitung
der Geldmenge (sogenannte Geld-
schöpfungsmultiplikator).
Dass die US-Geldmenge sinkt,
ist ebenso selten wie beunruhi-
gend. Dies deutet nämlich darauf
hin, dass Banken weniger Kredite
vergeben. Mit anderen Worten:
Die Banken haben mehr Kunden-
einlagen (Passiva aus Sicht der
Bank) als ausstehende Forderun-
gen gegenüber Kunden (Aktiva
aus Sicht der Bank). Viele Banken
stehen wahrscheinlich kurz vor
dem Bankrott. Die Pleite der Sili-
con-Valley Bank und der Credit
Suisse im Frühjahr war mögli-
cherweise nur ein Vorbote des
kommenden Finanzbebens.
Finanzkrisen sind ein Symp-
tom unseres Finanzsystems. Es
gibt sie in regelmäßigen Abstän-
den, und sie sind nicht (nur)
durch schlechtes Bankmanage-
ment bedingt. Kundeneinlagen
wachsen durch Zins-und Zinses-
zins exponentiell, erst ganz lang-
sam, aber dann immer schneller.
Da es keinen Zins ohne Schuld
gibt, müssen Banken, wollen sie
nicht bankrott gehen, entspre-
chend viele Kredite vergeben. Das
ist der Grund, warum die Gesamt-
schulden (Schulden der Haushal-
te, Unternehmen und öffentlicher
Sektor zusammengenommen) ei-
ner jeden Volkswirtschaft eben-
falls exponentiell wachsen. Das
muss früher oder später zur Krise
führen. Für Banken wird es zu-
nehmend schwerer, das Kreditvo-
lumen noch weiter auszuweiten je
höher der Verschuldungsgrad der
Bevölkerung schon ist.
Dass es zu regelmäßigen Fi-
nanzkrisen kommt, könnte man
übrigens, davon bin ich über-
zeugt, verhindern, indem man ein
Finanzsystem einführt, wie es Sil-
vio Gesell einst vorschlug. Mit
Geld, das auch bei Zinssätzen um
null Prozent in Fluss bleibt.
Der Autor ist Professor für
Volkswirtschaftslehre an der
Universidad Austral de Chile.
Weniger Geld fürs Gaming
Die Bundesregierung will bei der Förderung der Computerspiel-Branche kräftig sparen
Zum Start der Computerspiel-
Messe Gamescom muss die
heimische Branche weiter um
Fördergeld bangen. Denn nach
einem Vorschlag des Bundes-
wirtschaftsministeriums sollen
im kommenden Jahr nur
48,7 Millionen Euro an Games-
Firmen flien und damit weni-
ger als die 2023 vergebenen
70 Millionen. Die bisher für
2024 veranschlagten Mittel rei-
chen wohl nur aus, um Ansp-
che aus bereits genehmigten An-
trägen zu bedienen neue För-
deranträgewären kommendes
Jahr nicht möglich. Der Bran-
chenverband Game hält 125 Mil-
lionen Euro für nötig, um die
Nachfrage zu decken. Bundespo-
litiker:innen reagieren nun aber
zurückhaltend auf die Forderung
nach mehr Geld.
„Wir können nur mehr Geld
ausgeben, wenn in anderen Be-
reichen des Haushalts des Bun-
deswirtschaftsministeriums ge-
kürzt wird“, sagt der gamespoli-
tische Sprecher der FDP-Bundes-
tagsfraktion, Reinhard Houben.
Einfach nur zusätzliche Mittel
bereitzustellen, ohne anderswo
den Rotstift anzusetzen, sei ange-
sichts der angespannten Haus-
haltslage nicht richtig. Mögli-
cherweise würden aber noch Ex-
tra-Finanzmittel frei, sollte die
Steuerschätzung im November
positiv ausfallen.
Die Branche für Computer-
und Videospiele hat ein starkes
Wachstum hinter sich, weil die
Menschen in Corona-Zeiten viel
Zeit zu Hause verbrachten und in
virtuelle Gaming-Welten ein-
tauchten. Allerdings sind nur et-
wa vier Prozent des Umsatzes,
den die Branche mit Spielen und
Hardware erzielt, auf heimische
Entwicklungen zurückzuführen.
2022 bekam die Branche 50 Mil-
lionen Euro an Fördergeldern
des Bundes, 2023 sind es 70 Mil-
lionen und 2024 laut Vorschlag
des Bundeswirtschaftsministeri-
ums nur 48,7 Millionen Euro.
„Wir müssen daran arbeiten,
dass Deutschland nicht nur ein
grer Vertriebsmarkt für Com-
puterspiele ist, sondern auch als
Entwicklungs- und Produktions-
standort eine größere Rolle
spielt“, sagt der FDP-Politiker
Houben. Hierfür sei die Games-
förderung wichtig, allerdings sei-
en Subventionen hierfür kein
Allheilmittel in einer Kreativ-
branche. „Nur Geld löst keine
Ideen für eine gute Geschichte
aus, die in einem Computerspiel
erzählt wird“, sagt der Liberale.
Bei der Frage nach einer Er-
hung der bisher angedachten
Fördermittel für 2024 bleiben
sowohl der Grünen-Bundestags-
abgeordnete Maik Aendorf
als auch die SPD-Kollegin Anna
Kassautzki vage. Die Sozialde-
mokratin fordert „eine zuverläs-
sige Wirtschaftsförderung für
die Gamesbranche in Deutsch-
land, die aber gleichzeitig mit
der angespannten Haushaltslage
überein gebracht werden
muss“. Ein Evaluationsbericht
zum Förderprogramm werde
zeitnah folgen.
Der Grüne Aendorf sieht
es positiv, dass die Computer-
spielförderung des Bundes sich
„größter Beliebtheit“ erfreue.
Mittel flössen „schnell dorthin,
wo sie hin sollen zu den Unter-
nehmen, die den innovativen Ga-
mes-Standort Deutschland aus-
machen“.
Dass es 2022 und 2023 vorzei-
tige Antragsstopps gegeben hat,
weil die Budgets erschöpft waren
und dadurch einige Firmen leer
ausgingen, sehen Kassautzki und
Aendorf kritisch. „Ein breiter
Förderansatz nach dem Wind-
hundprinzip bei begrenzten fi-
nanziellen Mitteln führt zu einer
Unsicherheit der Projektförde-
rung insgesamt“, sagt der Grüne.
„Wir müssen hier für langfristige
Planungssicherheit sorgen.“ Au-
ßendorf will sich für „degressive
Fördersummen“ einsetzen klei-
ne Förderprojekte kämen auf je-
den Fall zum Zug, gre Projekte
bekämen hingegen verhältnis-
mäßig wenig.
Die Gameswirtschaft setzt
sich nicht nur für Fördergelder
ein, sondern auch für Steuerer-
leichterungen. Diesen Aspekt be-
wertet der Liberale Houben posi-
tiv: Entwicklungskosten steuer-
lich anzurechnen und dadurch
die Steuerlast einer Firma zu re-
duzieren, wäre„eine direkte und
schnelle Art der Förderung“. Der
Grüne Aendorf sieht das hin-
gegen kritisch, weil dann quali-
tative Förderkriterien fehlten.
Am Dienstagabend ist in
Köln die Gamescom mit einer
Bühnenshow eröffnet worden, es
ist die weltweit größte Messe für
Computerspiele und Videospiele.
Am Mittwoch sind Journalist:in-
nen, Fachpublikum und einige
Spielefans zugelassen, von Don-
nerstag bis Sonntag darf dann
das breite Publikum rein.
Im Vorjahr waren
265000 Besucher bei der Games-
com, dieses Jahr könnten es
mehr werden. Das Angebot ist so
gr wie noch nie, die Zahl der
Aussteller hat sich von 1135 auf
1227 aus 63 Staaten erhöht. dpa
Deutschland ist ein grer Markt, produziert werden Spiele aber vor allem im Ausland. OLIVE R BERG/DPA
Zuschlag nach
dem „Windhund-Prinzip“
14 Wirtschaft MITTWOCH, 23. AUGUST 2023** 79. JAHRGANG NR.195
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