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Prim Hosp Care | 2023;23(7):211–214 | 10.4414/phc-d.2023.10702 211
Einleitung
Die ersten Beschreibungen für gesundheitliche
Vorteile von Kaltwasserschwimmen stammen
aus den letzten Jahrhunderten. Laut Hippokra-
tes linderte die Wassertherapie die Mattigkeit.
omas Jeerson benutzte sechs Jahrzehnte
lang zur Erhaltung seiner Gesundheit jeden
Morgen ein kaltes Fussbad. Im Jahr 1538
schrieb Wynmann das erste Schwimmbuch,
um die Zahl der Ertrinkenden zu verringern.
Aus dem Jahr 1750 stammt die Empfehlung,
im Meer zu schwimmen und Meerwasser zu
trinken, um eine Reihe von Krankheiten zu
behandeln [1, 2], wobei der Winter als bester
Zeitpunkt angesehen wurde. Baden am Meer
erreichte im 18. Jahrhundert einen Höhe-
punkt, als Badeanzug und Bademaschine ent-
wickelt wurden. Gemeinden und Badeorte
basierten auf den gesundheitlichen Vorteilen
des Schwimmens im Meer. Die mit diesem ge-
sundheitlichen Nutzen verbundene Gefahr des
Schwimmens führte zur Einführung der Ret-
tungsschwimmer am Strand [3].
Anekdotische Angaben beschreiben Kalt-
wasserschwimmen als Mittel zur Verbesse-
rung von Wohlbenden und Gesundheit. Es
wird angenommen, dass diese gesundheit-
lichen Vorteile eine Folge der physiologischen
Reaktionen sind, die durch die Einwirkung
von kaltem Wasser aureten [4, 5]. Physiologi-
sche Veränderungen treten akut während dem
Kaltwasserschwimmen auf, wobei wiederhol-
tes Kaltwasserschwimmen Anpassungen ent-
wickelt, die sich auch auf die Gesundheit aus-
wirken können [4, 5].
Für das Kaltwasserschwimmen existiert
keine strenge Denition von «kaltem Wasser».
Beim Eintauchen in Wasser mit einer Tempe-
ratur von 0 bis 15 °C können verschiedene
Reaktionen wie plötzliches Lueinziehen,
Hyperventilation, Tachykardie, periphere Va-
sokonstriktion und Blutdruckanstieg aureten
[6], die im Muster und Ausmass bei 0 °C sehr
ähnlich sind wie bei 15 °C [7]. So kann kaltes
Wasser als Wasser mit einer Temperatur von
unter 15 °C deniert werden [8].
In nördlich gelegenen Ländern wird Kalt-
wasserschwimmen als Winterschwimmen re-
gelmässig praktiziert. In Osteuropa ist Winter-
schwimmen ein Teil der Feierlichkeiten zum
Dreikönigstag. Aus diesen Ländern stammen
Einflüsse auf Herz-Kreislauf-System, Hormone, Immunfunktion und Psyche
Der gesundheitliche Nutzen von
Schwimmen in kaltem Wasser
Schwimmen in kaltem Wasser (15 °C und kälter) wird schon seit Langem regelmässig praktiziert.
Anhänger dieses Prinzips sind der Meinung, es habe sehr viele gesundheitliche Vorteile. Wir müssen
uns aber bewusst sein, dass Schwimmen in kaltem Wasser für den Ungeübten potenziell tödlich ist. In
gewissen Situationen scheint das Schwimmen in kaltem Wasser einen positiven Eekt auf verschiedene
Systeme wie das Herz-Kreislauf-System, das endokrine System, das Immunsystem und die Psyche zu
haben. Einen Vorteil von Kaltwasserschwimmen auf die Gesundheit kann man nur erwarten, wenn
man sich langsam an die Kälte herantastet und regelmässig im kalten Wasser schwimmt. Am besten
geht ein Kaltwasserschwimmer mit den Jahreszeiten und schwimmt täglich in freien Gewässern.
Katja Weissa, Pantelis T. Nikolaidisb,c, Beat Knechtlea,d
a Institut für Hausarztmedizin Universität Zürich, Zürich, Schweiz; b Exercise Physiology Laboratory, Hellenic Air Force Academy, Acharnes, Griechenland;
c School of Health and Caring Sciences, University of West Attica, Athens, Griechenland; d Medbase St. Gallen Am Vadianplatz, St. Gallen, Schweiz
Abbildung 1: Der polnische Eisschwimmer Piotr Gronek beim Training (Bild mit Genehmigung des
Athleten).
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Feldstudien zum Verständnis des Einusses
von Kaltwasserschwimmen auf die Anpas-
sung des Körpers an die Kälte [9], Verände-
rungen im Lipidstowechsel [10, 11], Anpas-
sungen von hämatologischen Werten [12, 13],
Eekte auf das Immunsystem [14–17] und die
Hormone [18, 19] oder Aspekte der ermo-
regulation [20–23].
Nutzen von Kaltwasserschwimmen
Kaltwasserschwimmen löst einen Stresszu-
stand aus, bei dem der ganze Körper kaltem
Wasser ausgesetzt ist. Kaltwasserschwimmer
haben unterschiedliche Anpassungsgrade an
die Kälte erreicht (Abb. 1). Es stellt sich die
Frage, ob Kaltwasserschwimmen gesundheit-
liche Vorteile oder schädliche Auswirkungen
hat.
Bei einem erwachsenen, der Kälte ausge-
setzten Menschen verzögert sich die bedeutsa-
me oder potenziell tödliche Abnahme der
Körpertemperatur durch eine Reduktion der
rmeverlustrate, die mittels peripherer Va-
sokonstriktion und einer Steigerung der Wär-
meproduktionsrate durch Zittern als Form der
ermogenese erfolgt [24]. Das Zittern wird
durch langfristige Exposition gegenüber Kälte
ausgelöst und kann Intensitäten erreichen, die
~40% des maximalen Sauerstoverbrauchs
(oder dem 5-Fachen des Ruhestowechsels)
entsprechen [25]. Mehrere Studien haben ge-
zeigt, dass die Intensität des Zitterns mit der
Dauer und Schwere der Kälteexposition sowie
mit den morphologischen Merkmalen der In-
dividuen (d.h. Körperfettanteil, Oberäche-
Volumen-Verhältnis, Blutuss) assoziiert ist
[25–27]. Das für die Aufrechterhaltung der
unfreiwilligen Muskelkontraktionen während
des Zitterns erforderliche ATP wird durch die
Oxidation von Kohlenhydraten, Lipiden und
Proteinen bereitgestellt [28]. Im kalten Wasser
verringert sich die Körperkerntemperatur alle
10 Minuten um etwa 1 °C [29]. Durch das Zit-
tern erzeugte Wärme verzögert den Beginn
einer kritischen Unterkühlung [30].
Kaltwasserschwimmen kann die Stressto-
leranz erhöhen und eine gewisse Abhärtung
bewirken [31]. Wenn das Kaltwasserschwim-
men von gesunden Personen in einem regel-
mässigen, mit der Jahreszeit angepassten Mo-
dus praktiziert wird, kann es einen gewissen
gesundheitlichen Nutzen bringen [32, 33]. Bei
untrainierten Personen besteht das Risiko des
Todes, entweder aufgrund der neurogenen
Kälteschockreaktion, einer fortschreitenden
Abnahme der Schwimmezienz oder einer
progredienten Unterkühlung [33] (Abb. 2). Es
wird eine schrittweise Strategie sowohl zum
Start als auch zum Auf- und Ausbau des Auf-
enthalts in kaltem Wasser empfohlen, um die
Akklimatisierung zu fördern und aufrechtzu-
erhalten, einen Schutz vor möglichen Risiken
der Kaltwasserbelastung zu erzielen und die
vielversprechenden gesundheitlichen Vorteile
zu nutzen [32, 33].
Studien liefern Hinweise auf gesundheit-
liche Vorteile von Kaltwasserschwimmen [34,
35]. Dabei wurden verschiedene Aspekte be-
schrieben (Tab. 1).
Einuss auf Herz-Kreislauf- und endo-
krines System
Verschiedene Hormone wie Katecholamine,
Insulin, yreotropin (TSH), Adrenocortico-
tropin (ACTH) und Cortisol reagieren auf den
Kältestress [18, 19, 22, 36–39].
Als eine Form von Ausdauertraining kann
Kaltwasserschwimmen die Toleranz gegen
Stressfaktoren erhöhen und eine Abhärtung
des Körpers bewirken. In Kaltwasserschwim-
mern mittleren Alters wurden zu Beginn
(Oktober), in der Mitte (Januar) und nach der
Saison (April) Werte des Lipidstowechsels
bestimmt. Es kam zu einer Abnahme der
Triglyzeride zwischen Januar und April, einer
tieferen Konzentration des Homocysteins
zwischen Oktober und Januar sowie zwischen
Oktober und April, wobei die Abnahme des
Tabelle 1: Gesundheitlicher Nutzen
von Kaltwasserschwimmen.
Organsystem Effekt
Herz-Kreislauf-
System
Senkung des Blutdrucks bei
regelmässigem Training
Endokrines
System
Abnahme Triglyzeride
Erhöhung der Insulinsensitivi-
tät
Anstieg von Noradrenalin
Anstieg von Cortisol
Psyche Antidepressive Wirkung
Immunsystem Anstieg von Leukozyten
Anstieg von Monozyten
Weniger Infekte
Abbildung 2: Symptome beim Eintauchen in kaltes Wasser nach Absinken der Körperkerntemperatur [63].
Fortbildung
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Homocysteins bei den Frauen ausgeprägter
war als bei den Männern [11].
Kaltwasserschwimmen hat einen positi-
ven, geschlechtsspezischen Eekt auf das In-
sulin [36, 40]. Kaltwasserschwimmer wurden
während sechs Monaten auf Körperzusam-
mensetzung und Insulinsensitivität unter-
sucht. Die Schwimmer waren im Vergleich zu
einer Kontrollgruppe übergewichtig und hat-
ten einen höheren Prozentsatz an Körperfett,
wobei es Unterschiede zwischen den Ge-
schlechtern gab. Für weibliche und dünnere
Schwimmer zeigte sich eine erhöhte Insulin-
sensitivität sowie eine reduzierte Insulinsekre-
tion und -resistenz [40].
Schwimmen in kaltem Wasser beeinusst
auch Stresshormone wie ACTH und Kate-
cholamine [18, 41]. Regelmässiges Winter-
schwimmen mit drei wöchentlichen Einheiten
während 12 Wochen bei Wassertemperaturen
von 0–3 °C führte zu einem Anstieg von
ACTH und Cortisol sowie von Noradrenalin.
Es wird angenommen, dass der Anstieg von
Noradrenalin zu einer verminderten Schmerz-
wahrnehmung führt wie bei einer Ganz-
körperkältetherapie oder beim Eisschwimmen
[41].
Kaltwasserschwimmen hat einen positiven
Einuss auf kardiovaskuläre Risikofaktoren
wie das Lipidprol [10, 11, 36] und senkt den
Blutdruck, wenn man es regelmässig prakti-
ziert [42]. Für Menschen mit Herzerkrankun-
gen stellt Schwimmen in kaltem Wasser jedoch
ein potenzielles Risiko dar, da ein plötzlicher
Temperaturabfall zu einer Verengung der Blut-
gefässe führen und somit die Arbeitsbelastung
des Herzens erhöhen kann. Bei Personen, die
bereits an einer Herzerkrankung leiden, führt
dies möglicherweise zu einem Anstieg des
Blutdrucks und der Herzfrequenz, was gefähr-
lich sein kann [43]. Ältere Menschen sind
einem höheren Risiko ausgesetzt [44]. Um ge-
sundheitliche Probleme zu vermeiden, sollte
eine Person, die in kaltem Wasser schwimmen
möchte, regelmässig und mit zunehmender
Häugkeit sowie immer tieferen Temperatu-
ren den Körper an die Kälte anpassen [45].
Einuss auf die Psyche
Schwimmen in eiskaltem Wasser hat einen
positiven Eekt auf die Psyche des Menschen
[5, 46, 47] und wirkt antidepressiv [47, 48]. Re-
gelmässiges Winterschwimmen führte bei Pa-
tientinnen und Patienten mit Rheuma, Fibro-
myalgie oder Asthma zu einer Verbesserung
des Wohlbendens [5]. Aufgrund des Anstiegs
der Katecholamine könnte Kaltwasserschwim-
men eine Behandlungsform für Depressionen
sein, da es das sympathische Nervensystem
aktiviert und die Konzentration von Noradre-
nalin und β-Endorphin erhöht [49].
Immunologische Aspekte
Winterschwimmer erkranken weniger häug
an Infektionskrankheiten als die Allgemein-
bevölkerung. Die Inzidenz von Infektions-
krankheiten der oberen Atemwege ist bei
Winterschwimmern ~40% niedriger [16, 50].
Kaltwasserschwimmer geben an, durch regel-
mässiges Schwimmen im kalten Wasser weni-
ger und mildere Infekte zu erleiden [51]. Eine
Stärkung der Immunität gegen kaltes Wasser
ist biologisch plausibel, denn Kaltwasser-
schwimmen verursacht die Freisetzung von
Stresshormonen [19, 52], und ein kurzfristiger
Stress wie Kälte kann das Immunsystem auf
die Abwehr von Infekten vorbereiten [53].
Es gibt Hinweise, dass Schwimmen in kal-
tem Wasser einen Einuss auf die immunspe-
zischen Hämatologieparameter hat [16, 50].
Die Untersuchung der Auswirkungen von
Kaltwasserschwimmen auf Parameter des Im-
munsystems wie Leukozyten und Immunglo-
buline hat zu unterschiedlichen Ergebnissen
geführt, weil die Studienprotokolle von nicht-
gewohnten Personen, die ein kurzes Bad in eis-
kaltem Wasser nehmen [54], bis hin zu länge-
rem statischem (im kalten Wasser verharren,
ohne sich zu bewegen) [14] und dynamischem
Kaltwasserschwimmern (erfahrene Langstre-
ckenschwimmer, die 8 h lang trainieren) [55]
sehr unterschiedlich waren.
Wenn Kaltwasserschwimmen einen posi-
tiven Eekt auf die Immunfunktion hat res-
pektive haben sollte, so sollten sich im Verlauf
eines Akklimatisierungsprogramms sowohl
die Parameter des Immunsystems als auch die
Gesundheit verbessern, und geübte Kaltwas-
serschwimmer könnten die besten Laborwerte
aufweisen. Unterschiede in der Reaktion auf
statisches Kaltwasserschwimmen sind mög-
lich, da die kombinierte Wirkung der physio-
logischen Belastungen, die durch körperliche
Betätigung und Kälte verursacht werden, die
jeweilige individuelle Wirkung übersteigen
kann [56]. Ein mehrwöchiges statisches Kalt-
wasserschwimmen veränderte sowohl die Zahl
der Leukozyten als auch deren Reaktion. Diese
Veränderungen waren jedoch gering und von
ungewisser Bedeutung, und wiederholtes Kalt-
wasserschwimmen änderte die Reaktion der
Immunglobuline nicht [14]. Eine andere Stu-
die untersuchte schnelles und langsames Ab-
kühlen und die Dauer des Aufenthaltes im
kalten Wasser, wobei eine Leukozytose nur bei
Menschen mit langsamer Abkühlung nachge-
wiesen werden konnte [15]. Die Verwendung
von alternierendem Kaltwasserschwimmen
und Wiedererwärmung kann auch die physio-
logische Reaktion komplizieren. Es scheint,
dass das Ausmass der Leukozytose der Stärke
des Stresses entspricht. Ein Aufenthalt von 60
Minuten in 14 °C kaltem Wasser zeigte keinen
Anstieg der Neutrophilen [14], aber ein Auf-
enthalt von 120 Minuten in 14 °C kaltem Was-
ser mit periodischer Wiedererwärmung führt
zu einem Anstieg von 55% [15].
Ein sogenannter Eisschwimmer, der Wett-
kämpfe bei Wassertemperaturen von unter
5°C schwimmt, bleibt nur wenige Minuten im
kalten Wasser, sodass er danach die sich im
Körper ausbreitende Wärme gut nutzt. Unter-
suchungen unmittelbar vor und nach dem
Zurücklegen einer Strecke von 150 m in 6 °C
kaltem Wasser zeigten, dass die Leukozyten
(neutrophile Granulozyten, Lymphozyten und
Monozyten) im Blut durch die Kälte signi-
kant zunahmen, sodass ein Schutz vor Entzün-
dungen respektive Infekten gegeben sein kann
[50]. In einer anderen Studie zeigte sich ein
Anstieg von Leuko- und Monozyten, was als
Zeichen einer Verbesserung der Körperant-
wort auf Stress gewertet wurde [16].
Eine kurzfristige Leukozytose entsteht
durch Leukozyten, die als Reaktion auf den
Anstieg von Katecholaminen und Cortisol
Organe wie die Milz verlassen, um für die Ab-
wehr vorbereitet zu sein [53]; sie werden im
Blut an Orte übertragen, an denen ein Infekt
möglich ist. Der wohl wichtigste Teil dieser
kurzfristigen Reaktion ist eine nachfolgende
Abnahme der Leukozyten im Blut, wenn sie in
Gewebe wie die Haut gelangen [53]. Monozy-
ten und Neutrophile migrieren als Reaktion
auf eine Konzentration an Cortisol, die der bei
akutem Stress freigesetzten entspricht [57]. Bei
trainierten Kaltwasserschwimmern lag eine
höhere Konzentration gewisser Leukozyten
vor als bei nicht an Kälte gewöhnten Men-
schen [54]. Bei erfahrenen Langstrecken-
schwimmern führte eine schwere Trainings-
belastung zu einer leichten Reduktion der
Leukozyten sowie zu einer Abnahme der Kon-
zentration der Serumimmunglobuline und des
IgA im Speichel (sIgA) [55].
Es gibt einen Zusammenhang zwischen
dem Ausmass eines Stresses und der Konzen-
tration der Leukozyten [50, 53]. Langstrecken-
schwimmer zeigten nach einer Stunde
Schwimmen in kaltem Wasser keine signi-
kante Veränderung der Neutrophilen, aber
nach zwei Stunden waren die Zahlen um ~50%
angestiegen, mit einer Vervierfachung nach
acht Stunden [55]. Nicht-akklimatisierte
Schwimmer zeigten die schnellste Reaktion
mit einer um 38% erhöhten Zahl an Neutro-
philen nach einem Schwimmwettkampf über
150 m [50]. Diese Studien zeigen höhere Leu-
kozytenzahlen bei Kaltwasserschwimmern,
aber auch hier ist nicht bekannt, ob diese höhe-
ren Zahlen im Körper oder eine Umver teilung
zwischen verschiedenen Geweben widerspie-
geln. Der Grad der Gewöhnung an das kalte
Wasser düre auch entscheidend sein [50, 55].
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Infekte der oberen Luwege
Die Infekte der oberen Atemwege sind ein
nützliches Mass für die in-vivo-Immunfunkti-
on, da es sich um einen sehr häugen Infekt
handelt [58]. Bei regelmässigen Eisschwim-
mern gaben 40% an, weniger, leichtere und
kürzere Infekte der oberen Luwege zu erlei-
den als vor dem Beginn mit dem Eisschwim-
men [51], und Kaltwasserschwimmer hatten
weniger Erkältungen als ihre Partner [59].
Trotz der wiederholten Behauptungen zu
den Vorteilen des Schwimmens in kaltem
Wasser ist es auch möglich, dass es schädlich
sein kann. Collier et al. [59] stellten Trends für
positive Korrelationen zwischen Kaltwasser-
exposition und Prävalenz wie Schwere der
Infekte der oberen Luwege zusammen.
Während eine kurzfristige Exposition (Stress)
im kalten Wasser durchaus die Aktivität des
Immunsystems verbessern konnte, führe eine
wiederholte Exposition zu einer Einschrän-
kung des Immunsystems. Kurzfristiger Stress
wird über eine Dauer von Minuten bis Stun-
den deniert, chronischer Stress als stunden-
lang, täglich, wochen- oder monatelang [53].
Häuges Schwimmen in kaltem Wasser und
anhaltendes Zittern während und nach dem
Schwimmen kann in die letztere Kategorie
fallen.
Regelmässige Winterschwimmer weisen
abnorme Schwankungen der Cortisol-Kon-
zentration auf [60]. Ein längerer Stress kann zu
einer Fehlregulation des täglichen Cortisol-
Zyklus und zu einer unterdrückten Immun-
antwort führen [53]. Sowohl das Einatmen
von kalter Lu als auch das Abkühlen der Kör-
peroberäche erhöhen die Wahrscheinlichkeit
eines Infektes der oberen Luwege, was teil-
weise auf eine Vasokonstriktion in der Nase
zurückzuführen ist [61]. Die Trainingsintensi-
tät kann ebenfalls relevant sein. Training bei
80% des Maximums hat möglicherweise eine
Apoptose der Lymphozyten zur Folge [62].
Der gestörte tägliche Cortisol-Rhythmus legt
nahe, dass ein übermässiger Kontakt mit Kälte
zu einem anhaltenden physiologischen Stress
und dies wiederum zu einer Immunsuppressi-
on führen könnte [60].
Zusammenfassung
Für den geübten Kaltwasserschwimmer zeigt
sich ein gewisser gesundheitlicher Vorteil. Re-
gelmässiges Schwimmtraining in kaltem Was-
ser scheint einen positiven Eekt auf verschie-
dene Systeme wie das kardiovaskuläre und das
endokrine System, das Immunsystem und die
Psyche zu haben. Einen Vorteil von Kaltwas-
serschwimmen für die Gesundheit kann man
nur erwarten, wenn man sich langsam an die
Kälte herantastet; am besten geht man mit den
Jahreszeiten und schwimmt täglich in freien
Gewässern. Der nicht-geübte Kaltwasser-
schwimmer kann bei dieser Angewöhnung
mit einer Verbesserung des Immunsystems
rechnen.
Korrespondenz
Prof. Dr. med. Beat Knechtle
Facharzt FMH für Allgemeinmedizin
Medbase St. Gallen Am Vadianplatz
Vadianstrasse 26
CH-9001 St. Gallen
beat.knechtle[at]hispeed.ch
Literatur
Die vollständige Literaturliste finden Sie
in der Online-Version des Artikels unter
https://doi.org/10.4414/phc-d.2023.10702
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