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Aufbruch oder verspielte Zukunft der Krankenhausdigitalisierung in Deutschland - Bestandsaufnahme und kritische Reflexion. (The dawn or a gambled future of hospital digitization in Germany - Inventory and critical reflection.)

Authors:

Abstract

ABSTRACT (German): Digitalisierungsstrategien spielen schon seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen. Dabei hat Deutschland über Jahrzehnte den Anschluss an die aktuellen Entwicklungen verpasst und versucht nun aufzuholen. Im nun herannahenden Zeitalter der Künstlichen Intelligenz können praktisch alle Bereiche des Gesundheitswesens von der Digitalisierung profitieren – unter Beachtung ethischer Standards, zu denen auch der Datenschutz zu zählen ist. Die vorliegende narrative Übersicht fasst Entwicklungen im Bereich der Krankenhausdigitalisierung der letzten Jahre bis zur aktuellen EPA-Initiative zusammen und gibt einen Ausblick auf die Zukunft unter Berücksichtigung aktueller Strategien. - KEYWORDS: Digitalisierung – Gesundheitswesen – Gesundheitssystem – Krankenhaus – Künstliche Intelligenz - Digital-Radar-Score (DR-Score) - Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) elektronische Gesundheitskarte (eGK) - e-Rezept - Elektronische Patientenakte (EPA) Deutschland - ABSTRACT (English): Strategies of digitalization play an important role for the health system since decades. Germany has missed the boat on current developments for decades and is now trying to catch up. In the upcoming time era of artificial intelligence almost every sector of the health system may benefit from digitalization -if ethical standards and data security are taken into account. This narrative review summarizes the evolution of digitalization in the hospital sector of the past years up to the current EPA initiative and offers an outlook into the future under particular consideration of current digitalization strategies. - KEYWORDS: Digitalization – health care – healthcare system – hospital – artificial intelligence - DigitalRadar-Score (DR-Score) - Hospital Future Act (KHZG) - electronic health card (eGK) - eprescription - Electronic Patient Record (EPR) – Germany - CITATION: Goldschmidt AJW, Marquardt K, Groneberg D, Eiff Wv: Aufbruch oder verspielte Zukunft der Krankenhausdigitalisierung in Deutschland - Bestandsaufnahme und kritische Reflexion. (The dawn or a gambled future of hospital digitization in Germany - Inventory and critical reflection.) Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie (31. Mai 2023). https://doi.org/10.1007/s40664-023-00506-z
Zentralblatt für
Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz
und Ergonomie
Zur Diskussion gestellt
Zbl Arbeitsmed 2023 · 73:170–181
https://doi.org/10.1007/s40664-023-00506-z
Eingegangen: 14. März 2023
Überarbeitet: 21. April 2023
Angenommen: 24. April 2023
Online publiziert: 31. Mai 2023
© Der/die Autor(en) 2023
Andreas J. W. Goldschmidt1· Kurt Marquardt2· David Groneberg1·
Wilfried von Eiff3,4
1Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Goethe-Universität Frankfurt/M., Frankfurt/M.,
Deutschland
2Geschäftsbereich IT (AKAD), Universitä tsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Gießen, Deutschland
3Centrum für Krankenhaus-Management, Universität Münster, Münster, Deutschland
4Center for Health Care Management and Regulation, HHL Lei pzig Graduate School of Management,
Leipzig, Deutschland
Aufbruch oder verspielte Zukunft
der Krankenhausdigitalisierung
in Deutschland
Bestandsaufnahme und kritische Reflexion
Aktuell liegt unser Land der Dich-
ter bei innovativen Patenten qualitativ
und quantitativ pro Kopf an der Welt-
spitze. Gleichzeitig geht bei uns seit
Jahrzehnten die German angst“ vor
der elektronischen Erfassung, Verarbei-
tung und Analyse von Informationen
um. Künstliche Intelligenz (KI) steht hier
o eher für künstliche Angst und damit
auch für den konsekutiven Verlust des
Anschlusses an den Fortschritt anderer
wirtschalich starker Länder. Je nach Be-
trachtungsweise sind wir sogar bereits im
Nachteil gegenüber einigen industriellen
Schwellenländern (.Abb. 1).
Ist die multimediale Präsenz von
Politikern neben scheinbar innovati-
ven Lastenfahrrädern und Ähnlichem
für die Erreichung der selbstgesetz-
ten Ziele möglicherweise vorteilhaer
als die Darstellung neben einer durch
KI und Robotik assistierten Operation
oder neben einer durch Pflege-Roboter
ermöglichten Entlastung des Gesund-
heitspersonals? Damit überhaupt eine
Vision von digitaler Zukun entsteht,
sind unendlich viel Geduld und Fleiß
von Wissenscha und Wirtscha zur
Stärkung politischer Entscheidungs-
prozesse erforderlich. Vorzeigbare Er-
gebnisse sind die Medizininformatik-
Initiative (MII) des Bundesforschungs-
ministeriums (BMBF) seit 2015 [25]und
das Krankenhauszukunsgesetz (KHZG
von 2020) unter Jens Spahn als Bun-
desgesundheitsminister) [9]. Ist das jetzt
endlich der dringend notwendige große
Wur f? Oder ist das erst die elektronische
Patientenakte (ePA), die unter Karl Lau-
terbach als Bundesgesundheitsminister
vielleicht bis 2024 endlich Wirklichkeit
werden soll?
Historische Fehlentwicklungen
zum Nachteil der Gesundheits-
versorgung in Deutschland
Um den Stand sowie die Chancen und
Risiken für die Zukun der Digitalisie-
rung und der Forschung dazu im Bereich
der Krankenhausversorgung als Kernbe-
reich der Gesundheitswirtscha verste-
hen zu können, muss man einen Blick auf
einige bisherige Entwicklungen der wirt-
schalichen und politischen Rahmen-
und Randbedingungen in Deutschland
werfen. Vor allem deshalb, um jahrzehn-
telange Fehler nicht zu wiederholen.
Pharmafortschritt trifft auf
Forschungsfolgen, Ideologie vs.
Logik und Managementversagen
(Hybris)
„Bashing“ ist der neudeutsche Begriff,
der heute meist für Übergriffe durch
verbale Anfeindungen steht, die bevor-
zugt über neue und alte Medien von
Facebook, Twitter & Co. bis hin zu
den verbliebenen gedruckten Zeitun-
gen und Journalen verbreitet werden.
Die Pharmabranche, einer der wenigen
Pioniere und zumindest in Teilen noch
verbliebenen innovativen Pfeiler der
deutschen Wirtscha, kennt das „Phar-
mabashing“ seit Jahrzehnten. Einer der
Gründe, warum mit der ehemaligen
Hoechst AG einer der namhaesten
Produzenten Deutschland verließ bzw.
von einem Konkurrenten aus Frankreich
gekau und nach der Fusion mit Rhone-
Poulenc zu Aventis im Wesentlichen
dorthin verlagert wurde [30]. Neben
den politisch herausfordernden Rah-
menbedingungen auf nationaler und
schließlich auch auf EU-Ebene kamen
in der Pharmabrache allerdings auch
unangenehm ausgeprägte Management-
Hybris und -Fehler, ethisch grenzwertige
Preisgestaltung, Korruption im Vertrieb
sowie extrem umweltfeindliche, gesund-
heitsgefährdende Produktionsmethoden
hinzu. Über Forschungsfolgenabschät-
zungen hatte man sich bis zu diesem
Zeitpunkt noch viel zu wenig Gedanken
gemacht. Als Supergau und eine der
größten Umweltkatastrophen in Europa
mit Giwolke und Fischsterben durch
die Rhein-Verschmutzung bis hin zur
Loreley erlangte schließlich der Sandoz-
Chemieunfall nach dem Großbrand der
Schweizerhalle in Basel am 1. Nov. 1986
170 Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023
„99% wollen diesen Zettel!“
Der Hausarzt druckt also nun statt
des Rezepts die QR-Codes aus, mit
denen seine Patienten dann zur
Apotheke gehen. Fortschritt? Ein
Weg, den jeder Arzt beschreiben
müsse, der mit dem E-Rezept arbeite.
Abb. 1 8Aus dem Bericht einerTestpraxis mit dem seitFebruar 2022 dort eingeführtenE-Rezept. Je
nachBetrachtungsweisesindwir sogarbereitsim NachteilgegenübereinigenindustriellenSchwellen-
ländern.– Als QR-Code-Beispieldazu rechts jener,der zum Aufrufvon Wikipedia mit der Abbildungdes
eigenen QR-Codes führt. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/QR-Code#/media/Datei:QR_deWP.svg
Abruf: 5. Jan. 2023, 10:35 Uhr CC0 1.0 Universal (CC0 1.0) PublicDomain Dedication. URL:https://
creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en Abruf: 5. Jan. 2023, 10:48 Uhr Univ.-Prof.
Dr. Andreas J. W. Goldschmidt
unrühmliche Berühmtheit. Das Unter-
nehmen Novartis, in dem Sandoz und
dessen Konkurrent Ciba-Geigy schließ-
lich aufgingen, beschrieb 20 Jahre später
bzw. 2006 die Situation wie folgt: „Im
Rhein wurde der Fischbestand fast völlig
zerstört. Der öffentliche Druck führte
letztlich zu weiteren Auflagen für die
Chemie- und Pharmaproduzenten und
zu einer heilsamen Rheinsanierung [11].
Markenausverkauf sowie
wirtschaftliches und politisches
Missmanagement in der
Elektroindustrie und IT
Ähnliche, anfangs aber o weniger auf-
fällige Managemententscheidungen und
politische Ursachen wie im Falle der
Hoechst AG, führten auch zur Erosion
großer deutscher Marken in der Elektro-
industrie wie Telefunken, Grundig und
vielen anderen mehr mit einigen nam-
haen Ablegern in der Medizintechnik.
Siemens gilt als einer der letzten Grund-
pfeiler dieser Branche, der aber bereits
2005 seine Mobilfunksparte an den tai-
wanesischen Konzern BenQ verkaue
und 2013 auch sein Telekom-Geschä
an den finnischen Konzern Nokia ver-
äußerte [10,29]. r den Fortschritt des
Standorts Deutschland in dieser aufstre-
benden Schlüsseltechnologie eine Kata-
strophe. Aufgrund der Entscheidung des
damaligen Postministers Schwarz-Schil-
ling für die flächendeckende Verlegung
von Kupferkabel wurde der Glasfaser-
ausbau in Deutschland für Jahrzehnte
ausgebremst [3]. Mit Stand Ende 2021
nur 19,9% Glasfaserleitungen bis zu
einem Netzabschluss-/Übergabepunkt
im Keller eines Gebäudes („fiber to
the building“, FTTB) liegt Deutschland
im Bereich der Versorgung mit digita-
len Netzwerk- und Telefondiensten um
mehr als 25 % unter dem Durchschnitt
der EU-Mitgliedstaaten; und wiederum
nur ein Drittel der in Deutschland mit
einem Glasfaseranschluss versorgten
Haushalte haben einen Nutzungsver-
trag ihres Gigabitanschlusses mit einem
Netzbetreiber [21].
Lange, viel zu lang wurde nach dem
Beginn des Netzausbaus über rechtliche
Fragen und technische Details debattiert
wie Datensicherheitserwägungen, Zu-
griffsberechtigungen zur Verhinderung
von Datenmissbrauch, Dokumentati-
onsinhalte (Versichertendaten, E-Re-
zept,EU-KV-Karte,Notfallinformatio-
nen u.v.a.m.), zentrale vs. dezentrale
Speicherung sowie Trustcenter für die
Sicherheitszertifikate. Es war also früh
erkennbar, dass die vorgenannten Kon-
zepte und Überlegungen an verschie-
denen Stellen noch vielerlei Unschärfen
aufwiesen und Unwägbarkeiten zu Pro-
blemen führen könnten. Der Aufbau
einer Informations- , Kommunikations-
und Sicherheitsinfrastruktur für den
Einsatz von Telematik im Gesundheits-
wesen erstickte schließlich mehr oder
weniger an den rechtlich-politischen und
bürokratischen Hürden, den Widerstän-
den in der Ärztescha und den stets
von den Anbietern auf ihre Proprietät
bedachten, technisch daher o nicht
interoperablen Entwicklungen. Hinzu
kam wie bereits beschrieben das De-
saster, veraltete Kupferdrahtkabel statt
Glasfaser zu verlegen.
Ausgangssituation im
Gesundheitswesen
Erste Modellversuche (Projektname
„bIT4health“, bessere IT für bessere
Gesundheit) mit der elektronischen
Gesundheitskarte (eGK) sollten laut Pla-
nungen des Bundesministeriums für Ge-
sundheit und Soziale Sicherung (BMGS)
noch 2005, spätestens aber zum 1. Januar
2006 beginnen und bereits im gleichen
Jahr abgeschlossen werden. Mit der
eGK sollte als entscheidendem Baustein
eine dazu gehörige allgemeine Telema-
tikinfrastruktur innerhalb kürzester Zeit
aufgebaut werden, maximal aber im
Zeitraum weniger Jahre. Alle damals
72 Mio. gesetzlich Krankenversicher-
ten sollten die eGK erhalten. Insgesamt
sah die Telematik-Infrastruktur aber die
Vernetzung von 80 Mio. Versicherten
bei 300 gesetzlichen Krankenkassen ein-
schließlich 8 Mio. Privatversicherten
mit 130.000 Arztpraxen, 2200 Kran-
kenhäusern, 20.000 Apotheken, 54.000
Zahnärzten und anderen Heilberufen
vor, die pro Jahr 560 Mio. Behand-
lungsfälle bzw. Patientenkontakte hatten
und 740 Mio. Verordnungen ausstellten
(jeweils Stand 2005 gerundete Zahlen-
angaben; .Abb. 2;[23]).
Die Corona-Krise hat in aller Deut-
lichkeit die Digitalisierungslücke im
Gesundheitssystem aufgedeckt und ge-
zeigt, dass digitalisierte Medizinprozesse
eine Versorgung unter Pandemiebedin-
gungen sicherer und effektiver machen
könnten. Andererseits ist absehbar, dass
in einer pandemiefreien Situation durch
Digitalisierung die medizinische Versor-
gung kostengünstiger und qualifizierter
erbracht, knappe Ressourcen (Ärzte,
Pflege) effektiver genutzt und die Ver-
sorgungs sektoren enger ve rzahnt werden
könnten.
Versorgungsengpässe bei Medizin-
produkten, insbesondere Produkten der
persönlichen Schutzausrüstung, sind
weniger durch objektive Fehlmengen
zustande gekommen, sondern waren
eher die Konsequenz mangelhaer In-
formationen über den objektiven Bedarf
Zentralblatt für Arbeitsme dizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023 171
Zur Diskussion gestellt
80 Mio.
Versicherte
(GKV+PKV)
Sonstige
Leistungs-
erbringer
2200
Krankenhäuser
54.000
Zahnärzte
20.000
Apotheken
130.000
Arztpraxen
Rettungs-
dienste
Andere europäische
Gesundheitssysteme
Paenten-
abrechnung
Vermeidung
von Doppelunter-
suchungen
Verringerung
von Arzneimiel-
unverträglichkeiten
Opm. Noallversorgung
(Blutgruppe, Allergien etc.)
Transparenz und
Kommunikation
Steigerung der
Behandlungseffizienz/
und -qualität
Verringerung des
administrativen
Aufwands
elektronische
Paentenakte
300 Kran-
kenkassen
D
Abb. 2 9Positive Effekte
der geplanten elektroni-
schen Patientenakte und
Telematikinfrastrukt ur in
Deutschland aus Sicht des
Jahres 2004. (Eigene Ori-
ginalabbildung aus dem
Vortr ag: Goldsc hmidt A JW:
eGK und Rahmenarchitek-
tur als IT- und QM-Schlüs-
seltechnologie integrier-
ter Versorgung. GMDS-
Symposium Gesundheits-
management. 49. GMDS-
Jahrestagung, Innsbruck,
30.09.2004) Univ.-Prof. Dr.
Andreas J. W. Goldschmidt
in den Krankenhäusern und der zeit-
punktbezogenen Lieferfähigkeit von
Handel und Herstellern. Eine digitale
Plattformlösung fehlte.
Auch die Patientenversorgung im nie-
dergelassenen Bereich und in der Not-
fallversorgung war während der Pande-
mie aufgrund fehlender digital basierter
medizinischer Leistungsangebote mit
Qualitätseinschränkungen verbunden.
Auch Patientenportale mit Symptom-
Checker-Funktionalität, gesundheitss-
pezifische Messenger-Dienste, Video-
Kommunikationsinfrastruktur zwecks
virtueller Hausarztvisite und Home-
Health-Versorgungsoptionen standen
nicht zur Verfügung.
Dass die Arbeitsbelastung von Ärzten
und Pflegekräen durch Dokumentati-
ons- und Verwaltungsaufgaben bereits
vor Ausbruch der Pandemie bis zu 4h der
täglichen Arbeitszeit ausmachte und eine
Arbeitsentlastung durch digitale IT-An-
wendungssysteme seit Jahren versäumt
wurde, beeinträchtigte die Arbeit am Pa-
tienten während der Pandemie zusätzlich
[22].
Die Pandemiesituation hat schließlich
vor Augen geführt, welche bedrohlichen
Effekte von einer Überbetonung des Da-
tenschutzes ausgehen. Wenn exzessiver
Datenschutz höhere Priorität genießt als
die gezielte zeitnahe Nachverfolgung von
Infektionsketten, wenn Datenschutz den
Aufbaueines Impf-undTestregistersver-
hindert und wenn die Kernfunktiona-
lität einer Corona-Warn-App auf dem
Altar des Datenschutzes geopfert wird,
dann hat sich eine Diskussion über die
Digitalisierung von Gesundheitsämtern
und die Qualitätseffekte von Impfregis-
tern, elektronischen Patientenakten und
Warn-Apps erledigt mit allen negativen
Konsequenzen für eine bedarfsgerechte
und wirtschaliche Gesundheitsversor-
gung [15].
Die Digitalisierungslücke, d. h. der im
internationalen Vergleich extrem niedri-
ge digitale Reifegrad deutscher medizi-
nischer Leistungsanbieter (Details dazu
später im Absatz „Zwischenbericht des
,DigitalradarKrankenhaus‘Stand2021“),
erwies sich als Hindernis auf dem Weg
zur Etablierung einer pandemiegerech-
ten Organisation für ein effektives In-
fektionsmanagement (Corona-App-De-
saster) ebenso wie für eine plattform-
gesteuerte Versorgungslogistik für sys-
temkritische Produkte zum Abgleich von
Produktverfügbarkeit und Bedarf.
Das Fehlen telemedizinischer Diens-
te, von Plattformen für virtuelle Arztbe-
suche, von Tele-Monitoring-Optionen
zur Betreuung von Patienten im häus-
lichen Bereich und von Diagnose- und
erapie-unterstützenden Smartphone-
Apps [17] führte (aus Angst vor einer
Corona-Infektion) zu einem teilweise
bedenklichen Rückgang von Patienten-
zahlen in Praxen, Krankenhäusern und
Notaufnahmen [26]. Die medizinischen
Spätfolgen und volkswirtschalichen
Kosten unterlassener Vorsorgeunter-
suchungen bei Brustkrebs-Screening
(–83%), Hautkrebs-Screening (–70%)
und diagnostischen Koloskopien sowie
die Konsequenzen des Rückgangs ambu-
lanter Behandlungsfälle (–23%) lassen
sich nur erahnen.
Aufbruch in die digitale Zukunft
ab 2020
Treffend beschreibt daher die Ärztege-
werkscha Marburger Bund Ende 2022
in einem Perspektivpapier zum „Kran-
kenhaus der Zukun“, dass die Rah-
menbedingungen für eine sektorenüber-
greifende Nutzung von Patientendaten
endlich geschaffen werden müssen. „Ein
Wechsel einesPatientenvom ambulanten
in den stationären Versorgungsbereich
führt immer noch zu Doppeluntersu-
chungen,weildie Schnittstellenzwischen
den Bereichen nicht funktionieren. Mit
der sinnvollen Durchlässigkeit der Daten
würden Zeitkapazitäten eingespart bzw.
freigesetzt, die für die Versorgung drin-
gend benötigt werden.“ Ärztinnen und
172 Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023
Ärzte würden im Durchschnitt immer
noch 3 h pro Tag mit bürokratischen
Tätigkeiten verbringen. Daher sei mehr
Zeit für ärztliche Tätigkeit am Patienten
seit Jahren der Wunsch von Ärztinnen
und Ärzte und angesichts der anste-
henden Versorgungsprobleme auchdas
Gebot der Stunde. Als weitere Wünsche
werden telemedizinische Anwendungen
oder Telekonsile genannt. „Der Über-
gang von der Praxis in die Klinik und
zurück muss optimiert werden. Die elek-
tronische Patientenaktekann hierbe ie ine
wichtige Rolle spielen, um redundante
Untersuchungen zu vermeiden und den
jeweils behandelnden Ärztinnen und
Ärzten alle zur Verfügbarkeit stehenden
Gesundheitsdaten bereitzustellen.“ [27].
Chancen und Förderprogramme
Welch eine Chance nun für die Digi-
talisierung der Krankenhäuser. Auf der
Homepage des Bundesgesundheitsmi-
nisteriums heißt es zum KHZG: Mit
einem Investitionsprogramm verscha
[Anm.: der ehemalige] Bundesgesund-
heitsminister Jens Spahn den Kranken-
häusern ein digitales Update. Der Bund
wird ab dem 1. Januar 2021 3Mrd.
bereitstellen, damit Krankenhäuser in
moderne Notfallkapazitäten, die Digi-
talisierung und ihre IT-Sicherheit in-
vestieren können. Die Länder sollen
weitere Investitionsmittel von 1,3Mrd.
aufbringen. Mit dem Gesetz wird das
durch die Koalition am 3. Juni 2020
beschlossene ,Zukunsprogramm Kran-
kenhäuser‘ umgesetzt. Am 29. Oktober
2020 ist das KHZG in Kra getreten.“
[6]. Diese summa summarum 4,3-Mrd.-
Euro-Spritze des Krankenhauszukuns-
fonds (KHZF) soll also die Ausstattung
der Kliniken verbessern und vor al-
lem deren Digitalisierung beschleunigen
oder überhaupt erst ermöglichen. Viele
Krankenhäuser konnten über die zu-
gehörigen Bundesländer bis Ende des
Jahres 2021 Förderanträge einreichen.
In zwei Podiumsdiskussionen namhaf-
ter Gesundheitswirtschasveranstaltun-
gen stellten maßgebliche Entscheider
und deren IT-Partner u.a. einige der
eingereichten Förderanträge vor und
diskutierten Chancen, Risiken sowie
Fallstricke.
Status quo 2021/2022
Der digitale Reifegrad
Parallel zur Förderung wurde der Stand
und soll in Zukun dann auch der
Fortschritt der Krankenhausdigitalisie-
rung durch ein Experten-Konsortium
evaluiert werden, um den Nutzen im
Rahmen der Förderung im Vergleich
zur gegenwärtigen Situation bewerten
zu können, konkret den Unterschied
innerhalb von 2 Jahren bzw. zwischen
den beiden Beobachtungszeitpunkten
30. Juni 2021 und 30. Juni 2023. Das
zugehörige Messinstrument zur Feststel-
lung der digitalen Reife der deutschen
Krankenhäuser entwickelte das Konsor-
tium selbst. Es beinhaltet einen eigenen
Digital-Radar-Score (DR-Score) mit
Merkmalsausprägungen zwischen 0 für
„nicht digitalisiert“ und 100 für „voll di-
gitalisiert“. Zur initialen B estimmungdes
digitalen Reifegrades im Rahmen einer
bundesweiten Analyse durch das Kon-
sortium gehörte bei der individuellen
Antragstellung auch eine entsprechende
Selbsteinschätzung durch die betreffende
Einrichtung. Die Selbsteinschätzung un-
tergliederte sich in die 7 Dimensionen
(a) Strukturen und Systeme, (b) Re-
silienz-Management und Performanz,
(c) organisatorische Steuerung und Da-
tenmanagement, (d) klinische Prozesse,
(e) Telehealth, (f ) Informationsaustausch
sowie (g) Patientenpartizipation. Nach
Angaben des Konsortiums beteiligten
sich 1624 Häuser bzw. 91 % aller Plan-
krankenhäuser an der 234 Fragen um-
fassenden Selbsteinschätzung.
Anträge für förderfähige Vorhaben
Die meisten Anträge betrafendie Förder-
vorhaben Behandlungsdokumentation
(1532 bzw. 95% der Krankenhäuser),
Patientenportale (1274 bzw. 79%) und
digitales Medikationsmanagement (1097
bzw. 68%; [12]). Insgesamt sind 11 vor-
gegebene Vorhaben förderfähig [8].
In Diskussionen mit Antragstellern in
verschiedenen Kongressveranstaltun-
gen zeigte sich, dass die betroffenen
Bundesländer die notwendige Frist in
den meisten Fällen eingehalten hätten.
Beispiel Rheinland-Pfalz: Hier stehen
200Mio. aus dem Krankenhauszu-
kunsfonds (KHZF) zur Verfügung, da-
von 140 Mio. vom Bund und 60 Mio.
vom Land. Eine exemplarische Anfra-
ge beim Ministerium für Wissenscha
und Gesundheit Rheinland-Pfalz ergab,
dass fast alle Krankenhäuser des Lan-
des Mittel aus dem KHZF beantragten
und „dass zum 02.09.2021 bereits 85 %
aller Anträge aus Rheinland-Pfalz beim
Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS)
eingereicht wurden und der erste Be-
willigungsbescheid des BAS bereits am
13.09.2021 erfolgte. Von insgesamt 268
Projektanträgen standen zum 19.09.2022
nur noch 27 Entscheidungen des BAS
aus (voraussichtlich 2 Bewilligungen,
eine Teilbewilligung und 24 Ableh-
nungen), alle anderen Anträge wurden
bereits seitens des BAS bewilligt und
auf dieser Basis auch von Seiten des
Landes. Das Mittelabrufverfahren läu
in RP seit 04.05.2022. Der Abruf ist
in 3 Raten pro Maßnahme möglich
und zwar bei 35%, 85 % und 100 %
Kostenfälligkeit. Aufgrund der straf-
fen Verfahrensdurchführung des Landes
Rheinland-Pfalz wurden nach den Infor-
mationen aus dem Nachweisverfahren
(Stand 01.04.2022) bereits zahlreiche
KHZF-Projekte (schätzungsweise rund
100) von KH in RP gestartet. Vor dem
Hintergrund eines SWR-Aktuell-Be-
richts kurz zuvor bzw. am 14.09.2022
um 9:00 Uhr, dass RLP bei der Digita-
lisierung im Gesundheitswesen schlecht
abschneide, war die Notwendigkeit die-
ser schnellen Vorgehensweise besonders
gut nachvollziehbar [31].
Zwischenbericht des „Digitalradar
Krankenhaus“ Stand 2021
Aus dem Zwischenbericht des „Digital-
radar Krankenhaus“ [1]durchdasKon-
sortium im Aurag des Bundesgesund-
heitsministeriums (BMG) geht schließ-
lich hervor, dass der Grad der Digitalisie-
rung deutscher Krankenhäuser zum ers-
ten Messzeitpunktam 30. Juni 2021 inter-
national im Mittelfeld liege. Der durch-
schnittliche DR-Score aller teilnehmen-
den Häuser liege bei 33,3 bzw. bei ei-
nem Median von 30,0. Die durchschnitt-
lichen anteiligen Bruttolohnkosten für
eine Vollzeit-IT-Fachkra hätten Stand
Zentralblatt für Arbeitsme dizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023 173
Zur Diskussion gestellt
Mielwert = 33,3 von 100
Median = 30 von 100
Dabei betrug der Anteil der durchschnilich
erreichten Punkte je Dimension [%]:
Strukturen und Systeme = 55 %
Resilienz-Management und Performance = 45 %
Organisatorische Steuerung und Datenmanagement = 41 %
Klinische Prozesse = 39 %
Informaonsaustausch = 25 %
Telehealth = 18 %
Paentenparzipaon = 5 %
Krankenhäuser n = 1624, Teilnehmerquote = 91 %
(33,7% in öffentlich, 37,4% in freigemeinnütziger und 28,9% in
privater Trägerscha)
Abb. 3 8GemäßZwischenberichtdes„DigitalradarKrankenhaus“durch das Konsortiumim AuftragdesBundesgesundheits-
ministeriums(BMG)lag der GradderDigitalisierungdeutscherKrankenhäuserzum ersten Messzeitpunkt am 30. Juni2021bei
einem durchschnittlichen DR-Score aller teilnehmenden Häuser von33,3 bzw. bei einem Median von30,0 Punkten. Bei 70 %
der Teilnehmer lag der Wert zwischen 23 und 44. (EigeneAbbildung gemäß Presseberichtzu [1])
0 10203040506070
eher zufrieden / sehr zufrieden
unzufrieden / eher unzufrieden 42 %
3%
24 %
31 %
66 %
34 %
Abb. 4 8Zwei Drittel allerBefragten des Marburger Bundes warenin seiner Mitgliederumfrage zumaktuellen „MB-Report“
fürdas Jahr 2022 „unzufrieden“bzw.„eherunzufrieden“mit der IT-AusstattunganihremärztlichenArbeitsplatz(24 % + 42 %).
„Eher zufrieden“ bzw. „sehr zufrieden“ war nur ein Drittel allerBefragten (31 % +3 %). (Eigene Grafik gemäß Daten aus [28])
2020 bei ca. 1385 pro Planbett gelegen.
Die Bettenzahl korreliere dabei mit ei-
nem höheren DR-Score, d.h. sogenannte
Grundversorger hätten nur einen mittle-
ren DR-Score von 30,2 und Maximalver-
sorger einenvon 41,1. Als Schlüsselfaktor
wurde ein „ausbaufähiger“ Internetan-
schluss oder gar fehlender Breitbandan-
schluss genannt (.Abb. 3).
Mangelhafte Digitalisierung laut
MB-Monitor Stand 2022
Der Marburger Bund untermauert in
seiner Mitgliederumfrage zum aktuellen
„MB-Report“ für das Jahr 2022 eine
mangelhae Digitalisierung zur Unter-
stützung der ärztlichen Gesundheitsver-
sorgung anhand folgender Ergebnisse:
Zwei Drittel aller Befragten seien „eher
unzufrieden bzw. „unzufrieden mit
der IT-Ausstattung an ihrem Arbeits-
platz (66%). „Sehr zufrieden“ bzw. „eher
zufrieden wären nur ein Drittel aller Be-
fragten (34 %). Ärztliche Anforderungen
würden bei der Anschaffung neuer So-
ware ufig nicht berücksichtigt (45%
nein vs. 20 % ja). Schulungen für IT-
gestützte Abläufe kämen so gut wie nicht
vor (74% nein vs. 18 % ja). Datenschutz
sei84%wichtig(vs.15%).DieHäleder
Befragten gäbe an, dass Mehrfachein-
gaben identischer Daten gelegentlich“
vorkämen, bei rund einem Drittel (32%)
sei das sogar „häufig“ der Fall, bei 18%
„selten (.Abb. 4;[28]).
Nachholbedarf beim digitalen
Medikationsmanagement und
E-Rezept
In Krankenhäusern sind zwischen 19
und 35% aller Fehlerereignisse mit ei-
ner patientenschädigenden Wirkung auf
Arzneimittelirrtümer zurückzuführen.
Etwa15.000Patientenversterbenjährlich
in deutschen Krankenhäusern als Fol-
ge eines Arzneimittelfehlers. Etwa 14 %
der durchschnittlichen Verweildauer ist
durch ungeplante Arzneimittelwirkun-
gen (UAW) begründet. Unabhängig von
gesundheitlichen Beeinträchtigungen
und spürbaren Einschränkungen des
Wohlbefindens für betroffene Patien-
ten bewirkt jeder nichtfatale Medikati-
onsirrtum im Durchschnitt ca. 3000
zusätzliche Kosten [13].
174 Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023
Der Prozess der Medikamentenver-
sorgung von der Medikamentenanamne-
se bei Aufnahme bis zur Medikations-
empfehlung bei Entlassung ist ein kom-
plexer, stark arbeitsteiliger Prozess mit
einer Vielzahl von Fehlermöglichkeiten.
Zwischen 26% und 44 % der Fehler im
Medikationsprozess treten bei Tätigkei-
ten auf, an denen die Pflege in erhebli-
chem Maß beteiligt ist (Richten, Ausge-
ben, Stellen der Medikation; [5]).
Allein angesichts der Tatsache, dass
pro Jahr Tausende von Patienten an
teilweise vermeidbaren Neben- oder
Wechselwirkungen sterben, wird klar,
warum gut zwei Drittel aller Anträge
die Verbesserung des digitalen Medika-
tionsmanagements beinhalten. In vielen
Krankenhäusern könnte die Arzneimit-
telgabe durch elektronische Unterstüt-
zung optimiert werden („closed-loop
medication“), wie nicht zuletzt auch ein
Praxisprojekt zur Arzneimitteltherapie-
sicherheit (AMTS) an der Universität
Trier im Jahr 2017 zeigte [24], welches
sichu. a. anden ErfahrungenderApothe-
ke im Universitätsklinikum Hamburg-
Eppendorf (UKE) orientierte [2]. Dabei
sind aus heutiger Sicht der Status quo
zur AMTS im stationären Bereich, die
daraus abgeleitet notwendige digitale
Anbindung der Krankenhäuser zur Pa-
tientenüberleitung mit den ambulant
tätigen Arztpraxen und deren prakti-
sche Erfahrungen mit dem E-Rezept
besonders erschreckend.
In dem Bericht einer Testpraxis mit
dem seit Februar 2022 dort eingeführten
E-Rezept heißt es u. a., dass fast alle Pa-
tienten keine E-Rezept-App wollten. Die
App sei für fast niemanden eine Option.
„Sie ist ein Rohrkrepierer“, auch weil die
notwendige PIN zur Freischaltung durch
die Krankenkassen nur nach Identifizie-
rung über das umständliche und aufwän-
dige Postident-Verfahren zu erhalten sei.
Der Hausarzt druckt also nun statt des
Rezepts die QR-Codes aus, mit denen
seine Patienten dann zur Apotheke ge-
hen. Fortschritt? Ein Weg, den jeder Arzt
beschreiben müsse, der mit dem E-Re-
zept arbeite. „99 % wollen diesen Zettel!“
[4].
Nutzenpotenziale eines
elektronischen Medikations-
managements
Vor diesem Hintergrund ist es nach-
vollziehbar, dass gut zwei Drittel der
KHZG-Anträge die Verbesserung des
digitalen Medikationsmanagements be-
treffen. Bis 2025 sind die Krankenhäuser
verpflichtet, die Medikationsversorgung
nach dem Closed-Loop-Prinzip zu orga-
nisieren und eine robotikbasierte Unit-
Dose-Versorgung zu realisieren. Bei
nicht zeitgerechter Realisierung stehen
Strafzahlungen zur Diskussion.
Unabhängig von dem engen Zeitrah-
men, der für diese aufwändige Reor-
ganisation noch verfügbar ist, sind die
Anschaffungs- und Folgekosten einer
Unit-Dose-Versorgung in Kombination
mit robotikbasierten Ausgabesystemen
für viele kleine und mittlere Kranken-
häuser im Verhältnis zu alternativen und
ebenso sicherheitswirksamen Organisa-
tionsformen der Arzneimittelversorgung
sehr hoch. Außerdem werden über Unit
Dose nur orale Arzneimittel erfasst,
nicht dagegen Injektabilia (deren Be-
deutung im klinischen Alltag zunimmt),
Ampullen, Fertigspritzen und Salben
sowie vom Patienten selbst mitgebrach-
te Medikamente zur Behandlung einer
(chronischen) Krankheit, die unabhän-
gig vom akuten Krankenhausaufenthalt
behandlungspflichtig ist. Auch diese
Arzneimittel (z.B. erapie bei mul-
tipler Sklerose) müssen (gekühlt und
sicher) verwahrt werden, und ihre Gabe
ist in den erapieplan zu integrieren.
Insbesondere in amerikanischen, eng-
lischen und niederländischen Kranken-
häusern werden „elektronische Versor-
gungsschranksysteme“ (EVS; „Smart Ca-
binets, Automated Dispensing Machi-
nes“) eingesetzt, um Medikationsirrtü-
mer zu vermeiden, und damit insbeson-
dere die Pflegekräe auf Station zu ent-
lasten. Krankenhäuser, die dieses System
eingeführt haben, berichten von deutlich
weniger Medikationsfehlern in Verbin-
dung mit einer hohen Akzeptanz durch
das Pflegepersonal sowie einem Rück-
gang der Rate anungeplanten Arzneimit-
telwirkungen von 3,5 auf 0,5 pro1000 Pa-
tienten [15].
FürKrankenhäuserder Schwerpunkt-
und Maximalversorgung, die eine eige-
ne Apotheke betreiben, ist daher eine
Kombination von robotikunterstütz-
ter Unit-Dose-Versorgung und Smart
Cabinets zur Herrichtung einer pati-
entenindividuellen therapeutischen Unit
Dose, bestehend aus oralen und nichto-
ralen Arzneimitteln, zu empfehlen. Die
Sicherheit des Medikationsprozesses
wird zusätzlich erhöht, wenn das Mat-
ching zwischen Patient und Medikation
durch Einsatz von Barcode- oder RFID-
Komponenten digital abgesichert wird.
Für kleinere Krankenhäuser der
Grund- und Regelversorgung, die über
eine Lieferapotheke versorgt werden und
für die eine Kombinationslösung aus Ro-
botiksystemen zur Herstellung von Unit
Doses in der Apotheke und EVS auf Stati-
on zu kostenintensiv wäre, lässt sich mit
Smart Cabinets eine Prozessorganisation
nach dem Prinzip Closed-Loop-Admi-
nistration zu überschaubaren Kosten
sicherstellen. In .Abb. 5ist eine Versor-
gungsorganisation dargestellt, die eine
Kombination aus zentralem Unit Dose-
Konzept und dezentralen Smart Cabinets
repräsentiert. Damit wird deutlich, dass
die Smart Cabinets das Rückgrat einer di-
gital gestützten Medikationsversorgung
in einem Closed-Loop-System der Kom-
plettversorgung (Tabletten, Injektabilia,
Ampullen etc.) darstellen.
Quo vadis Krankenhaus-
digitalisierung ab 2023?
Kaum ein anderer Bereich im Gesund-
heitswesen besitzt so viel Potenzial zur
Steigerung der Prozesseffizienz, zur Ver-
besserung von medizinischer Qualität
sowie Patientensicherheit und letzt-
lich zur Erreichung eines nachhaltigen
wirtschalichen Erfolgs wie der Be-
reich der Digitalisierung. Insbesondere
AnwendungenindenBereichenQua-
litätssicherung, Arzneimittelsicherheit,
Wissensmanagement, Operationsma-
nagement, Supply-Chain-Management
und Precision Medicine tragen zur Pro-
zesseffizienz bei.
Die Ziele der Digitalisierung sind
herausfordernd: Verbesserung von Pati-
enten-Outcome, Patientensicherheit und
medizinischer Qualität bei gleichzeitig
Zentralblatt für Arbeitsme dizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023 175
Zur Diskussion gestellt
Medizin-
Plattform
Digitaler
Patienten-
Empfang
Telefon Internet Video Chat
Digitaler
Wartebereich
Digitaler
Arzt-Patient-
Kontakt
Internet of Things (IoT)
Kranken-
kasse
Blockchain
Hyperledger
Permissioned
Patient
EHR
Patienten-
daten
Smart
Contract
Patientendaten
Home Health
Care - Daten
Patienten-
individuelle
Gesundheitsdaten
Check
-liste >Arztauswahl
>Terminvergabe
Administrative
Aufnahme
Befunde
Therapieempfehlungen
AM-
Unverträglichkeiten
Allergien
Leistungserfassung
Abb. 5 8ElektronischerVerteilungsschrank (Medikamente) Smart Cabinetssind ein wichtiges Element in einemdigital
unterstützten Medikationsmanagement, dasnach den Closed-Loop- und Unit-Dose-Prinzip ien organisiert ist. (Nach [14])
sinkenden Kosten durch Bürokratieab-
bau und Prozessoptimierung. Weiterhin
wird ein spürbarer Beitrag zur Behebung
desFachkräemangelserwartet.Erfolg-
reiche Digitalisierung setzt voraus, dass
die Arbeits-, Informations- und Ent-
scheidungsprozesse im Medizinbetrieb
grundlegend reorganisiert werden. Neue
Versorgungsformen von der telemedizi-
nischen Diagnose via Smartphone über
die digitale Visite, das Patienten-Monito-
rings zuhause, die patientenindividuelle
Anfertigung von Hüimplantaten im
3D-Drucker bis hin zwecks Gensequen-
zierung zur Frühdiagnostik schwerwie-
gender Erkrankungen werden im Zuge
der Digitalisierung möglich.
Digitale Behandlungsplattformen mit
virtueller Arztkonsultation (.Abb. 6)
bewirken Kontaktreduktionen in ei-
ner Pandemiesituation, vereinfachen die
Dokumentations- und Abrechnungs-
prozesse, ermöglichen zeitlich parallele
Zweitmeinungsabrufe, nutzen knappe
Arztressourcen effizienter aus und er-
höhen die Verfügbarkeit medizinischer
Leistungen in der Fläche [16].
Dies alles geht einher mit massi-
ven Veränderungen der Organisation
klinischer Prozesse, von Zusammenar-
beitsformen und Kommunikationsan-
forderungen. Auch das Arzt-Patienten-
Verhältnis wird sich grundlegend wan-
deln: Die Medizin kommt zum Patienten
und Behandlungsentscheidungen wer-
den nach dem Prinzip des „informierten
Einverständnisses“ getroffen.
Digitalisierung ist vor diesem Hin-
tergrund nicht nur eine strategische
und operative Management-Aufgabe,
sondern insbesondere auch eine Her-
ausforderung für die Mitarbeitenden.
Hier ist Führung gefordert, den Prozess
der Digitalisierung durch ein professio-
nelles Change Management zu steuern.
Künstliche Intelligenz (KI) mit den
Datenverarbeitungskonzepten Deep
Learning und Machine Lear ningerlangen
zunehmend Bedeutung in der Medizin.
Erfolgreiche Anwendungsbeispiele sind
bereitsjetztdieVorhersageoptimaler
erapiezeitpunkte bei altersbedingter
Makuladegeneration, die Auswahl geeig-
neter Antibiotika bei MRGN-Keimen,
die Befundungspräzision bei bildge-
benden Verfahren und die Vorhersa-
ge von Toxizität und Bioverfügbarkeit
neu entwickelter Arzneimittel sowie die
Anwendung von „augmented reality
technology“ bei Operationen [16].
In Pandemiezeiten sind insbesonde-
re KI-Anwendungen gefragt, die Fern-
diagnosen ohne direkten Arzt-Patient-
Kontakt ermöglichen oder Körperkon-
takte und direkte Begegnungen vermei-
den oder zumindest reduzieren.
Hautkrebsdiagnosen lassen sich per
Smart-Phone-Foto durch eine KI-So-
ware wesentlich präziser durchführen
(Detektionsrate 95%) als durch einen
Dermatologen (Detektionsrate 86%;
[18]). Das vom Patienten selbst oder von
einem Hausarzt aufgenommene Foto
wird via Teleinfrastruktur zum Facharzt
übertragen und KI-gestützt befundet.
Eine spezielle App sichert eine korrekte
Ausrichtung der Smartphone-Kamera,
so dass die richtige Bildauflösung, der
richtige Bildausschnitt und die richti-
ge Entfernung getroffen werden. Mittels
KI-Soware wird die Wahrscheinlichkeit
des Vorliegens eines malignen Melanoms
ermittelt. Priorisierte Risikofälle werden
unverzüglich dem Spezialisten vorge-
stellt. Dieses Verfahren erspart den Pati-
enten lange Wartezeiten auf Termine bei
überlasteten Spezialisten und lange An-
176 Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023
Patienten-Tablett mit
Barcode/RFID
(Therapeutische-Unit
Dose)
Pflege
Patienten-
Aufnahme
(Ident-Code:
RFID/Barcode)
Medikat.
Anamnese
Medikations-
entscheidung
(Arzt)
Eingabe
in EDV
Visite
KIS
AIS
EPA
Visite
Elek-
tronische
Therapie-
Information
Automatische
Bestandskontrolle
und Bestellauslösung
Station
Unit Dose (Orale AM)
Direktlieferung
Ampullen, Injektabilia
Klinischer
Pharmazeut
Apotheke
Stellen der
Medikamente und
RFID/Barcode-
(Wristband)
Abgleich
Abb. 6 8Die digitale Visitebzw. der digitale Arztbesuch ermöglichen eine qualifizierteGesundheitsversorgungauch in Pan-
demiezeiten mit strengen Kontaktrestriktionen.Das Arzt-Patienten-Verhältnis und Zusammenarbeitsformenzw ischen den
Berufsgruppendernsichgrundlegend.(Nach[15])
fahrzeiten. InPandemiezeiten bleibt dem
Patienten der Kontakt in der Arztpraxis
erspart. Andererseits wird die begrenz-
te Kapazität von Fachspezialisten nicht
durch Bagatellfälle beansprucht: In etwa
80% der Fälle erweisen sich verdächtige
Hautveränderungen als harmlos [19].
KI-basierte ermographie ermög-
licht die Erkennung von Brustkrebs
im frühestmöglichen Stadium ohne
Körperkontakt zum Gerät und ohne
Direktkontakt zwischen Arzt und Pa-
tientin [14]. Dieses Verfahren eignet
sich in Pandemiezeiten zur Sicherstel-
lung der regelhaen Durchführung von
Screening-Programmen.
Telemedizin-Roboter/Visiten-Robo-
ter ermöglichen Arztkonsultationen oh-
ne physische Präsenz des Arztes im Pati-
entenzimmer. Diese Organisationsform
der ärztlichen Versorgung ermöglicht in
Nicht-Pandemiezeitenein bestmögliches
Ausnutzen begrenzter Facharztkapazi-
tät und macht diese Kapazität auch in
der Fläche über telemedizinische Netze
verfügbar. In Pandemiezeiten ist der
Tele ro b o t er e i n I n s tr u m ent d e s Infe k -
tionsschutzes auf Isolierstationen. Der
Visitenroboter erlaubt eine multiprofes-
sionelle telemedizinische Konsultation,
an der auch Hausärzte, Physiothera-
peuten und Reha-Mediziner beteiligt
werden. Nachweise für die Effizienz und
Effektivität dieser Technologie erbrachte
das Innovationsfondsprojekt ERIC (En-
hanced Recovery aer Intensive Care)
unter Federführung der Charité. Ziel
ist es, evidenzbasiertes Wissen über die
optimale Behandlung von Beatmungs-
patienten in unterschiedlichen Kliniken
zu etablieren, um die Langzeitfolgen
beatmeter Intensivpatienten (Post-In-
tensive-Care-Syndrom) zu verhindern
[20].
Das Krankenhauszukunfts-
gesetz (KHZG)
Unabhängigvonallenindenvoran-
gegangenen Ausführungen dargelegten
Nebengeräuschen zum KHZG kann
man festhalten, dass diese Initiative,
auch durch die finanziellen Anreize
der Förderung bedingt, dem deutschen
Gesundheitswesen Schubkra auf dem
Weg zur wettbewerbsfähigen Digitalisie-
rung gegeben hat. Schubkra bedeutet
aber nur eine Vorwärtsbewegung und
beschreibt nicht, ob diese zielgenau aus-
gerichtet ist. Im Folgenden wird genau
dieser Frage nachgegangen, wie der
Wirkungsgrad des KHZG in Bezug auf
dessen definierte Ziele zu sehen ist.
ImmerwiederwirdimKontextdes
KHZG auf verbesserte medizinische
Qualität und optimierbare Wirtscha-
lichkeit hingewiesen. Mit Verweis auf
die verschiedenen Fördertatbestände
und deren Auflagen (Muss-Kriterien)
verweistmandannauferreichbare me-
dizinische und ökonomische Potenziale.
Zumindest an der Formulierung der
einzelnen Fördertatbestände kann man
zunächst keine Kritik üben, solange man
nicht auf folgende Aspekte fokussiert:
Kritische Aspekte der Fördertatbe-
stände (FTB) im KHZG:
4keine Gesamtsicht auf Prozessarchi-
tektur und Workflow-Management,
Zentralblatt für Arbeitsme dizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023 177
Zur Diskussion gestellt
4undifferenzierte Abbildung der
Fördertatbestände auf verschiedene
Krankenhaustypen,
4globale FTB-Sollauflagen für alle
Krankenhaustypen,
4Entscheidungsunterstützung ohne
Organisationsrahmen,
4Reifegradmessung als rein zeitpunkt-
bezogene Sichtweise,
4KHZG-Kontextkosten.
Prozessarchitektur und Workflow-
Management
Wenn man die Fördertatbestände be-
trachtet, dann betreffen diese definierte
Aufgabengebiete, die eine sicherlich
notwendige und zukunsorientierte
Digitalisierung erhalten sollen. Inner-
halb dieser Aufgabengebiete soll durch
definierte Digitalisierungsmaßnahmen
erreicht werden, dass die medizini-
sche Versorgung und die ökonomischen
Rahmenbedingungen verbessert wer-
den. Zunächst einmal ist dies sinnvoll
und auch zielführend, dass man über
einen FTB ein solches Maßnahmenbün-
del der Digitalisierung definiert, damit
die Häuser klare Vorgaben und Regeln
für die Umsetzung bestimmter FTB an
die Hand bekommen. Doch die Proble-
matik liegt nicht in den einzelnen r-
dertatbeständen, sondern sie liegt in der
jeweils hausspezifisch notwendigen Pro-
zessarchitektur, welche als Ganzes vom
kooperativen Zusammenspiel jener (und
nur jener) Fördertatbestände abhängig
ist, die im erforderlichen Workflow für
die Prozessarchitektur notwendig sind.
Speziell aber in Bezug auf die von der
Geschäsführung definierte Prozessar-
chitektur geht das KHZG eigentlich
nicht ein. Vielmehr wird versucht, das
ema mit simplifizierten Aussagen zu
notwendigen standardisierten Schnitt-
stellen und Daten auszublenden. Mit den
Muss-Vorgaben zu Datenstandards und
Schnittstellen in fast allen relevanten
Fördertatbeständen glaubt man, dem
ema der Prozessarchitektur auszuwei-
chen. Die Digitalisierungsstrategie ver-
liert mit dieser Vorgehensweise deutlich
an Schlagkra, da die gesamtunterneh-
merischen Sichten des Krankenhauses
ausgeblendet werden. Zwar helfen die
Fördertatbestände der partiellen Op-
timierung in einzelnen emen- und
Aufgabengebieten, doch das Ganze im
Sinne einer 4.0-Strategie geht verloren.
Digitale Bruchstellen im Workflow und
damit im Prozessgeschehen beseitigt
man nicht durch Insellösungen. Digita-
lisierung ist leider keine Geschäsidee,
sondern vielmehr ein Instrument zur
Unterstützung der Prozessarchitektur
eines Hauses.
Undifferenzierte Abbildung
der Fördertatbestände auf
verschiedene Krankenhaustypen
Nachfolgend ergibt sich ein weiterer
wichtiger Aspekt. Es gibt nämlich nicht
die Prozessarchitektur aller Kranken-
häuser, sondern es gibt immer nur
die spezifische Prozessarchitektur, die
vom Krankenhaustyp am Standort, der
medizinischen Vielfalt der Fächerbrei-
te und letztlich der verfügbaren und
finanzierten Ressourcen abhängig ist.
Selbstverständlich kann sich die Pro-
zessarchitektur durch neue Werkzeugop-
tionen ändern, aber auch in der optional
innovativen Prozessumgebung bleibt die
Digitalisierung immer nur Werkzeug.
Ausgehend von diesen Überlegungen
hätte man die Fördertatbestände katego-
risieren ssen. Lässt man die rder-
tatbestände 1 (Gerätemodernisierung)
und 11 (bauliche Maßnahmen mit Aus-
stattung für spezielle Patientenzimmer)
außen vor, dann wäre es klug gewe-
sen, das Angebot an Fördertatbeständen
zunächst nach Versorgungsklassen zu
differenzieren. Man hätte r kleine
und mittlere Krankenhäuser die För-
dertatbestände 3 (Dokumentation des
Behandlungsgeschehens) und 5 (Medi-
kationsgeschehen) verbindlich machen
müssen, um zunächst alle Lücken der
Dokumentation am Point of Care zu
schließen. Damit würde die Vollstän-
digkeit der Versorgungsdaten garantiert,
was für die Sichtweise auf den Patienten
und seine Behandlung elementar ist.
Auch die Nutzung neuer Technologien
wie Tablets (iPad oder ähnliche Geräte)
wären hier wünschenswert. Daneben
wäre die verbindliche Vorgabe des För-
dertatbestandes 5 (Medikation) wichtig,
um die bereits ausgeführten Probleme
mit der Medikation zu lösen.
Globale FTB-Sollauflagen in allen
Fördertatbeständen
WassichjedochfürdieGeschwindigkeit
oder generelle Durchführung von Pro-
jekten gemäß Fördertatbestand 3 (Pri-
märsysteme wie KIS/KAS/etc.) bzw. 5
(Medikation) als schwierig darstellt, ist
die Muss-Auflage der infrastrukturellen
bzw. semantischen Datenstandardisie-
rung eben auch in diesen Fördertatbe-
ständen. Warum muss man denn auch
dort unbedingt den Weg zur digitalen Er-
schließung der Versorgungsdokumenta-
tion mit solch hochkomplexen Auflagen
zur Standardisierung erschweren? Da
in allen Fördertatbeständen dieses e-
ma der Standardisierung mitschwingt,
wäre es doch sinnvoll, unabhängig von
den Anbietern der Primärsysteme wie
KIS/KAS (Krankenhausinformations-
system/klinisches Arbeitsplatzsystem),
dieses ema als eigenständige Projekt-
förderung zu definieren. Damit wäre die
Umsetzung der FTB 3 und 5 wesentlich
effizienter, da auch die Lösungsanbieter
nicht auf Release-Anpassungen warten
müssten. Der Aufbau einer hausweiten
Datenstandardisierungsstrategie, her-
ausgelöst aus den einzelnen Fördertat-
beständen, wäre der weit bessere Weg,
der sich prozesslogisch an die Finali-
sierung der FTB 3 und 5 anschließen
könnte. Ferner wäre dann mit einer un-
ternehmensweiten Datenkonsolidierung
und Datenstandardisierung auch der
Weg für ein effizientes Portal frei. Dieses
Portal verlangt nämlich hausintern einen
Datenankerplatz, mit dem bidirektional
Daten ausgetauscht werden können, was
ja für den intersektoralen Datenverkehr
jeder Art unabdingbar ist. Das betri
auch Optionen auf den Fördertatbe-
stand 4, dessen Antragsförderung aber
auf vielen Rahmenbedingungen beru-
hen, die im KHZG nicht einmal erwähnt
sind.
Entscheidungsunterstützung ohne
Organisationsrahmen
Natürlich verlangt das ema Entschei-
dungsunterstützung, dass man mit Da-
tenstandards des eigenen Hauses an
der Daten-Verbundwelt teilhaben kann.
Aber diese Voraussetzung ist bei Wei-
178 Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023
tem nicht ausreichend. Will man an
Verbundlösungen zur Entscheidungs-
unterstützung teilnehmen, dann bedingt
dies, dass der Patient mit der Verwen-
dung seiner Daten im Verbundvorhaben
einverstanden ist. Somit sind wir bei den
organisatorischen Voraussetzungen im
Sinne von „broad consent“, Datenschutz,
Ethik-Kommission und Treuhandstelle.
Diese emen sind komplex, aufwendig
und nur schwer in die Kommunikati-
onsstruktur der Häuser einzubinden. In
Universitätskliniken wird dieses e-
ma im Rahmen der Medizininformatik-
Initiative gerade umgesetzt. Für kleine
und mittlere Krankenhäuser ist dieses
emawederfachlichnochressourcen-
technisch zu stemmen. Im KHZG fehlt
zu dieser Problematik jeder Verweis oder
jegliche Fördermöglichkeit.
Reifegradmessung als rein
zeitpunktbezogene Sichtweise
Es ist eine weitgehende Ironie, wenn
bei der Messung des digitalen Reife-
grades alle Krankenhäuser ungleicher
Versorgungsstufen, ungleicher Ressour-
cenausstattung und letztlich ungleicher
Geschäsziele zu einem Zeitpunkt nicht
differenziert behandelt werden. Hier
gewinnt man den Eindruck einer in-
direkten Marktbereinigung.Wennnicht
bereits initial der Digitalisierungserfolg
zwischen Startpunkt und Messpunkt
ermittelt wird, was erst nach der rder-
phase erfolgen kann, dann ist das kleinere
oder mittlere Krankenhaus immer in der
Position des Verlierers. Die Ausrichtung
des Reifegrades an den Muss-Vorgaben
der Fördertatbestände schreibt eine feh-
lende Balance zwischen Krankenhaustyp
und digitaler Erwartungshaltung fort.
Hier muss man die Politik auffordern,
ihrer ordnungspolitischen Verpflichtung
im Gesundheitswesen nachzukommen
und die Gesamtproblematik KHZ nach
zu justieren.
KHZG-Kontextkosten
Das KHZG und seine Fördergelder sind
sicherlichein richtigerWeg,um die Kran-
kenhäuser auf dem Weg zur Digitalisie-
rung zu entlasten. Wenn allerdings die
o versprochenen und erwarteten Er-
sparnisse der Digitalisierung im Raum
stehen, dann fragt man sich, ob die Ver-
fasser solcher Erwartungen noch Reali-
tätsnähe besitzen. Die Vorteile des umge-
setzten KHZG sind bei aller Kritik noch
deutlich. Man sollte aber stets bedenken,
dass der digitale Betrieb neuer Strukturen
und Verfahren auf Dauer erhebliche In-
frastruktur- und Personalkosten mit sich
bringen. Natürlich lassen sich Ersparnis-
se in unglaublicher he fiktiv berech-
nen,wenn man dieKontextkostender Di-
gitalisierung vernachlässigt. Auch hierzu
muss daher das KHZG mit Augenmaß
beurteilt werden.
Kommt 2024 wirklich die ePA?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauter-
bach hat Anfang März 2023 noch Vor-
schläge für ein weiteres Gesetzespaket
unterbreitet, dass der elektronischen Pa-
tientenakte (ePA) nach nun etwa 20 Jah-
ren den Weg bahnen soll [7]. Sie soll
demnach bis Ende 2024 für alle gesetz-
lich Versicherten eingerichtet werden
es sei denn, jemand lehnt das aktiv ab
(Widerspruchsregelung, bzw. wer nicht
ausdrücklich widerspricht, ist nach dem
„opt-out principle“ automatisch dabei).
Dadurch sollen für alle behandelnden
Ärztinnen und Ärzte sowie die Patientin-
nen und Patienten möglichst sämtliche
Befunde, Röntgenbilder und Medikatio-
nen einsehbar sein. In diesem Zusam-
menhang soll auch das E-Rezept ab 2024
zumverbindlichenStandardwerden.Ge-
setzlich geregelt werden soll zudem die
Nutzung von anonymisierten Patienten-
daten für die Forschung. Ziel des BMG ist
es, dass bis 2025 etwa 80 % der gesetzlich
Versicherten eine ePA haben.
Spagat Datenschutz und
Datensicherheit
Medizinische Laborbefunde und Bilder
sind, wie alle sonstigen biometrischen
Daten und Gesundheitsinformationen,
hochsensibleDaten, die ausgutem Grund
besonders geschützt werden müssen. Da
reicht es nicht, dass die europäische Da-
tenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)
fürdie meisten persönlichenDatenInfor-
mation und Einwilligung vorschreiben.
NebendenHauptrisikenfürden weiteren
Fortschrittbeider Digitalisierung des Ge-
sundheitswesens wie Fachkräemangel,
unzureichende Finanzierung und Infra-
strukturdefiziten (Netzausbau etc.) be-
steht die größte Gefahr durch Cybe rcri-
me, z. B. durch unberechtigte oder miss-
bräuchliche Zugriffe oder die nichtau-
torisierte Weitergabe von personenbe-
zogenen medizinischen Informationen,
durch Schadcode manipulierte Befun-
de und sonstige fehlerhae oder ver-
fälschte Daten und Informationen bis
hin zu Erpressungen ganzer Einrichtun-
gen durch Hacker. Datenschutzbeden-
ken sind daher grundsätzlich sehr ernst
zu nehmen. Es ist eine ebenso ernsthaf-
te Forschungsfolgenforschung sowie ei-
ne weiter intensivierte Begleitforschung
und Entwicklung von Methoden, Instru-
menten sowie konsekutiven Hard- und
Sowarelösungen für Datenschutz und
-sicherheit und gegen Cybercrime er-
forderlich: Aufbau einer Informations-,
Kommunikations- und Sicherheits-Infra-
strukturfürden Einsatz von Telematik im
Gesundheitswesen. Einerseits möglichst
ohne dass durch Kriminalitätwichtige di-
gitale Fortschritte im Gesundheitswesen
und die Nutzung von Daten für die me-
dizinische Forschung behindert und z. T.
sogar zerstört werden. Und andererseits
auch unabdingbar so, dass wir an den
Gesetzen und Schutzmaßnahmen nicht
ersticken bzw. die hochgesteckten Ziele
und Erwartungen dadurch nicht konter-
karieret werden.
Fazit und Ausblick
Der Nachholbedarf für die Digitalisie-
rungdes Gesundheitswesens ist alsonach
wie vor se hr groß. Es blei bt zu hoffen, das s
sich diese Situation durch die Umsetzung
der Fördertatbestände des Krankenhaus-
zukunsgesetzes (KHZG) nachhaltig än-
dert. Die Herausforderung liegt auch in
der jeweils hausspezifisch notwendigen
Prozessarchitektur, die vom Zusammen-
wirken der Fördertatbestände unterein-
ander abhängig ist. Eine funktionieren-
de, leistungsfähige und gut gesicherte Te-
lematikinfrastruktur würde darüber hi-
naus im Zusammenspiel mit der elektro-
nischen Patientenakte (ePA) eine qua-
litativ sehr viel bessere Behandlung er-
möglichen. Solch eine IT ist aber nicht
Zentralblatt für Arbeitsme dizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 4 · 2023 179
Zur Diskussion gestellt
umsonstzuhaben.AmEndewirdes
schließlich auch darauf ankommen, dass
die zusätzlichen Investitions- und Vor-
haltekosten für die Krankenhäuser, Apo-
theken und niedergelassenen Ärztinnen
und Ärzte übernommen werden. Unsere
Nachbarn in den Niederlanden und Dä-
nemark hatten dafür eine klare Gesund-
heitsversorgungsstrategie: Sie investier-
ten sehr umfangreich nicht nur in große
neue zentrale Krankenhäuser und neue
Mobilitätskonzepte mit massiv verstärk-
ten Rettungsdiensten, sondern auch in
die gesamte Digitalisierung nebst einer
funktionierenden Telematik-Infrastruk-
tur sowie in ausgefeilte Personalentwick-
lungskonzepte r die vorhandenen so-
wie für die neuen Fachkräe.
Korrespondenzadresse
Univ.-Prof. Dr. habil.
Andreas J. W. Goldschmidt
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedi-
zin, Goethe-Universität Frankfurt/M.
Frankfurt/M., Deutschland
goldschmidt@med.uni-frankfurt.de
Funding . Open Access funding enabled and organi-
zed by Projekt DEAL.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. A.J. W.Goldschmidt, K. Mar-
quardt,D.GronebergundW.vonEiffgebenan,dass
kein Interessenkonfliktbesteht.
Für diesen Beitrag wurdenvon den Autor/-innen
keine Studien an Menschen oderTieren durchgeführt.
Für die aufgeführten Studiengelten die jeweils dort
angegebenen ethischen Richtlinien.
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terials die Einwilligung des jeweiligenRechteinhabers
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licenses/by/4.0/deed.de.
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Zusammenfassung Das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz führt ab dem 1. Dezember 2021 mit § 72 Telekommunikationsgesetz ein „Glasfaserbereitstellungsentgelt“ für gebäudeinterne Netze befristet ein. Die neue Vorschrift wird erläutert. Sie sollte in eine Richtung weiterentwickelt werden, die Interessen von Mieter:innen, Immobilienunternehmen, Vermieter:innen und Festnetzbetreibenden ausgewogener berücksichtigt. Außerdem sollten stärkere Beschleunigungsimpulse beim Bau von Glasfaseranschlüssen gesetzt werden.
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Pro Jahr sterben Tausende an teilweise vermeidbaren Neben- oder Wechselwirkungen ■ Patienten haben Anspruch auf bundeseinheitlichen Medikationsplan seit 1. Oktober 2016 bei vier oder mehr Medikamenten ■ In vielen Krankenhäusern könnte die Arzneimittelgabe durch elektronische Unterstützung optimiert werden (Closed Loop Medication) ■ Ein Praxisprojekt an der Universität Trier zeigt, wie dies mit einfachen Mitteln umgesetzt werden könnte. - Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage vom Juli 2015 nimmt jeder vierte Deutsche regelmäßig mindestens drei Tabletten gleichzeitig, jeder Zehnte auch fünf oder mehr [1]. Dabei sind die Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente noch relativ einfach zu überblicken, da hierfür meist hinreichend Daten aus Arzneimittelstudien existieren. Schwierig wird es bei den Wechselwirkungen der Medikamente untereinander. Hierbei ist eine Wechselwirkung eine Änderung der Pharmakokinetik oder der Pharmakodynamik eines Arzneimittels, wenn dieses gleichzeitig mit anderen Arzneistoffen eingenommen wird. Die Anzahl möglicher Interaktionen steigt demgemäß. Bei nur drei verabreichten Medikamenten ergibt sich bereits eine Anzahl möglicher Interaktionen von sechs. Dass dies bei einer Anzahl von 100.498 (Stand 2016 [2]) zugelassenen Medikamenten alleine in Deutschland kaum zu überblicken ist, sollte schnell deutlich werden. Bei zwei Medikamenten untereinander ist dies ebenfalls noch relativ einfach. Aber es existiert weltweit aktuell keine Datenbank, die Daten zu allen möglichen Wechselwirkungen beinhaltet. Dies dürfte auch aufgrund der immens hohen Anzahl möglicher Kombinationen noch eine Weile so bleiben. Dass auch Ärzte ihre Probleme haben, diese große Zahl an Medikamenten zu überblicken, erscheint logisch. Hier gibt es allerdings bereits sogenannte Computerized Physician Order Entry (CPOE) Systeme, die die Arzneimittelverordnung durch den Arzt mithilfe von Informationstechnologie (IT) unterstützen. Diese Systeme dienen einerseits der elektronischen Erfassung, andererseits – mithilfe von Clinical Decission Support Systemen (CDSS) – zur Steigerung der Medikationssicherheit insofern, dass der Arzt bei seiner Entscheidungsfindung unterstützt wird und auf mögliche Fehler, Nebenwirkungen und Wechselwir-kungen (sofern bekannt) hingewiesen wird. Nach verschiedenen Schätzungen wird davon ausgegangen, dass pro Jahr etwa 16.000 bis 58.000 Bundesbürger an den Nebenwirkungen oder Wechselwir-kungen von Medikamenten sterben [3]. Dabei könnten viele Todesfälle vermieden werden, wenn einerseits Informationen über die Medikation eines Patienten im Notfall verfügbar wären. Andererseits wäre eine bessere Dokumentation im Rahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) wünschenswert. Gerade im Krankenhaus sind diese Informationen oft nicht verfügbar, sodass unter Umständen Medikamente gegeben werden, bei denen eine Unverträglichkeit beim Patienten oder eine Neben- bzw. Wechselwirkung bereits bekannt war. Hinzu kommt, dass Patienten oft nicht wissen, welche Medikamente und warum sie diese nehmen. - Bundeseinheitlicher Medikationsplan: Die Bundesregierung hat die Relevanz der AMTS erkannt und darauf mit einem Gesetz reagiert, welches seit dem 01. Oktober 2016 gültig ist. Einem Patienten, der mindestens drei Arzneimittel verordnet bekommt und diese mindestens über vier Wochen einnehmen sollte, besitzt somit seit Oktober 2016 einen Anspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan (siehe Abb. 1) Dieser wird in der Regel vom Hausarzt erstellt und enthält alle für den Patienten relevanten Informationen über seine Medikation. Angefangen beim verwendeten Wirkstoff, über den Handelsnahmen, die Stärke (in unterschiedlichen Einheiten: mg, E/ml etc.), die Darreichungsform (Tablette, Lösung, Suspension etc.), die Zeiten, wann und wie viel des Medikaments genom-men werden soll, mögliche Hinweise zur Einnahme und schließlich den Grund (z.B. Blutdruck, Diabetes etc.). Zusätzlich enthält der Plan einen zweidimensionalen Barcode, der die gesamten Informationen noch einmal in codierter Form beinhaltet, um diesen maschinenlesbar und portabel zu machen. Dieser Plan kann bei Bedarf durch Fachärzte oder Apotheker geändert werden. Mithilfe dieses Medikationsplans kann besser auf Medikationsfehler geachtet werden.
Article
Medication management is both an economic challenge and a patient safety issue. In German hospitals between 19 per cent and 35 per cent of all failures causing harm to patients are attributable to medication errors. As a consequence, an estimated 15,000 patients die each year. In addition, about 14 per cent of the average length of stay is assignable to unplanned drug interactions. Independent of patient risks, health impairments and outcome deficits, every non-fatal medication error leads to additional costs totalling €3,000 on average. Nurses, in particular, who typically suffer from work overload, are affected by error-prone medication logistics. Between 26 per cent and 44 per cent of all failures occurring in the medication administration process result from activities in which nurses are substantially involved. International best-in-class hospitals like the Mayo Clinic (Phoenix), Scripps (San Diego), OLVG (Amsterdam) and Guy’s and St. Thomas’ (London) have been using automated dispensing systems (smart cabinets) for medication safety reasons for many years. Moreover, in the USA, automated medication dispensing cabinets are ubiquitous in various types of hospitals and have an implementation rate of 89 per cent. But in German hospitals, this technology is still nowhere to be seen. In 2020, the German government, via legal act, decided that all hospitals must implement a closed-loop medication administration system in combination with a unit dose drug delivery by January 2025 in order to minimise medication errors. Otherwise, a penalty of 2 per cent of the total hospital revenue would have to be paid. Derived from best-practice reports in the literature, this paper explores the benefits of smart cabinets in terms of economic efficiency, patient safety, reduced work burden and employee acceptance. Furthermore, the reasons why many German hospital decision makers refuse to implement smart cabinets are presented and analysed. Finally, based on all this information, a generic medication administration process has been developed to provide a blueprint for a successful implementation of smart cabinets as an electronically based backbone in a closed-loop medication administration system.
Book
Die Autoren zeigen anhand von ausgewählten Porträts, wie es gelingen kann, die ausgeprägten Widerstände gegen die Digitalisierung in Städten, Vereinen, Unternehmen und in selbstverwalteten Organisationen zu knacken und den notwendigen Wandel einzuleiten. Die Digitalisierung transformiert unaufhaltsam in allen Staaten der Welt das gesellschaftliche Miteinander, die Arbeitswelt und auch die politischen Meinungsbildungsprozesse. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland bei der Digitalisierung jetzt schon hinterher. Auch wenn die Zeit drängt, lässt sich hierzulande an wichtigen Schaltstellen, die die digitale Transformation befördern sollten, ein hartnäckiger Bewahrungswille ausmachen. Statt die Chancen der Digitalisierung zu ergreifen, herrschen vielfach in Politik, Verwaltung, in Unternehmen, selbstverwalteten Organisationen und Vereinen weiter Strukturen vor, die eine erfolgreiche digitale Transformation ausbremsen. Das Buch macht die wichtigsten Erfolgsfaktoren auf dem Weg der digitalen Transformation sichtbar. Es zeigt zudem, wie die digitalen Macher die Widerstände in ihren Organisationen überwinden konnten. Mit Erfahrungen u.a. von dem • Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch, • Immobilienunternehmer Alexander Otto, • Vorsitzender der TSG Bergedorf Boris Schmidt, • CEO des Stahlhändlers Klöckner & Co. Gisbert Rühl, • Start-up Gründer Manouchehr Shamsrizi. Die Autoren Mirko Bass ist seit über 25 Jahren in der Hightech-Branche tätig. Er gilt als "Technology Entrepreneur" (TEDx), "combining German entrepreneurial Talent & technical know-how" (Financial Times). Herbert Stoffels blickt auf über 20 Jahre Berufserfahrung im Medienbereich und in der Beratung zurück. Er startete seine Karriere als Wirtschaftsjournalist bei Forbes und Focus und ist heute selbstständiger Managementberater mit Schwerpunkt auf strategische Kommunikationsprojekte.
Article
Skin cancer, the most common human malignancy, is primarily diagnosed visually, beginning with an initial clinical screening and followed potentially by dermoscopic analysis, a biopsy and histopathological examination. Automated classification of skin lesions using images is a challenging task owing to the fine-grained variability in the appearance of skin lesions. Deep convolutional neural networks (CNNs) show potential for general and highly variable tasks across many fine-grained object categories. Here we demonstrate classification of skin lesions using a single CNN, trained end-to-end from images directly, using only pixels and disease labels as inputs. We train a CNN using a dataset of 129,450 clinical images-two orders of magnitude larger than previous datasets-consisting of 2,032 different diseases. We test its performance against 21 board-certified dermatologists on biopsy-proven clinical images with two critical binary classification use cases: keratinocyte carcinomas versus benign seborrheic keratoses; and malignant melanomas versus benign nevi. The first case represents the identification of the most common cancers, the second represents the identification of the deadliest skin cancer. The CNN achieves performance on par with all tested experts across both tasks, demonstrating an artificial intelligence capable of classifying skin cancer with a level of competence comparable to dermatologists. Outfitted with deep neural networks, mobile devices can potentially extend the reach of dermatologists outside of the clinic. It is projected that 6.3 billion smartphone subscriptions will exist by the year 2021 (ref. 13) and can therefore potentially provide low-cost universal access to vital diagnostic care.
Article
Avoidance of medication errors is a relevant factor in improving patient safety. Since such errors are most often due to risky behaviour, we undertook an analysis of the reports in the Critical Incident Reporting System (CIRS-AINS). 235 reports of medication-associated incidents or errors were examined for type of error and the situation presenting. In particular, the attendant circumstances reported, were noted. With respect to work areas, an almost equal distribution of errors was found for induction of anaesthesia (23%), anaesthesia during surgery (29%), the intensive care unit (21%) and other work areas (22%). 45% of the errors occurred during preparation of the medication and 37% during its application. 5% of the errors were associated with delivery & storage. All 235 CIRS-reports were evaluated for known risk factors of medication errors. "Look-alikes" (similar medication packaging, ampoules or labels) were involved in almost one-quarter of the errors (53 reported). In this context it is of interest to know whether the introduction by the DIVI in 2010 of labelling standards according to ISO met its postulated aim of increasing medication safety. Critical incident reporting systems do not enable evaluation of error frequencies. However, the analysis of incident reports using non-ISO-compliant labels identified in particular confusion between drugs of different groups. In contrast, with standardised labels most mistakes occurred between medications within the same group of substances. The latter errors presumably have less serious consequences than confusing drugs with completely different actions. It is worth noting that, in most reports analysed, the mis-application of medication had already taken place (68%). This is in contrast with the intention of CIRS, viz avoiding errors by analysing reports of critical incidents.
  • M Baehr
Baehr M (2017) Krankenhausapotheke. Team ist Trumpf. Führen Wirtsch 2:126-128
Krankenhauszukunftsgesetz für die Digitalisierung von Krankenhäusern
  • Bundesgesundheitsministerium
Bundesgesundheitsministerium (2022) Krankenhauszukunftsgesetz für die Digitalisierung von Krankenhäusern. https:// www.bundesgesundheitsministerium.de/ krankenhauszukunftsgesetz.html.Zugegriffen: 9. Dez. 2022
Gesetz für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz -KHZG)
  • Bundestag
Bundestag (2020): Gesetz für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz -KHZG). Berlin, 23. Okt. 2020. Bundesgesetzblatt 2020, Teil I Nr. 48, Bonn, 28. Okt. 2020.
Wie der Sandoz-Chemieunfall den Rhein zur Kloake machte. Rheinische Post
  • Deutsche Pressagentur
Deutsche Pressagentur (2022) Wie der Sandoz-Chemieunfall den Rhein zur Kloake machte. Rheinische Post, 18. Aug. 2022. https://rp-online. de/panorama/deutschland/fischesterben-wieder-sandoz-chemieunfall-den-rhein-zur-kloake-machte_aid-75362933. Zugegriffen: 10. Dez. 2022