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20 Prädiktive Funktionsadaption elektrischen Ladens mittels
digitaler Zwillinge – Prototypische Fahrzeugintegration
Kevin Renatus, Bernard Bäker, Tim Häberlein, TU Dresden
Till Fuchs, Matthias Zinser, Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Weissach
Andreas Unger, IAM GmbH, Dresden
Abstract
Electric vehicles are seen as the key to climate-friendly mobility. In addition to an
extensive availability of charging infrastructure, ensuring fast and error-free charging
processes plays a decisive role in broad acceptance among the population. Due to
higher complexity of the underlying processes compared to refueling a conventional
vehicle, this poses a challenge. Various charging technologies, infrastructures and
standards are being continuously developed worldwide. Not all can be taken into
account, deviations from standards and implementation errors can also lead to
incompatibility between an electric vehicle and charging infrastructure. However, over-
the-air updates enable software adaptation of connected cars after customer delivery.
Within the scope of this contribution, geo-based, predictive charging function updates
are proposed for the flexible adaptation of vehicle charging behaviour. This functional
concept can be seen as a backend service of the higher-level concept of digital twins
of individual vehicles. A prototype integration using a test vehicle serves as a proof of
concept, which is presented in terms of technology and implementation.
Kurzfassung
Elektrofahrzeuge werden als Schlüssel für eine klimafreundliche Mobilität gesehen.
Neben umfänglicher Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur spielt die Sicherstellung
schneller, fehlerfreier Ladevorgänge eine entscheidende Rolle für breite Akzeptanz in
der Bevölkerung. Aufgrund höherer Komplexität zugrundeliegender Prozesse
gegenüber dem Betanken konventioneller Autos, stellt dies eine Herausforderung dar.
Weltweit werden Ladetechnologien, -infrastrukturen und -standards kontinuierlich
weiterentwickelt. Nicht alle können berücksichtigt werden, Abweichungen von
Standards sowie Implementierungsfehler können zudem zu einer Inkompatibilität von
E-Fahrzeug und Ladeinfrastruktur führen. Over-the-Air-Updates ermöglichen jedoch
die softwareseitige Anpassung vernetzter Fahrzeuge nach Kundenauslieferung.
Im Rahmen dieses Beitrags werden geobasierte, prädiktive Ladefunktionsupdates zur
flexiblen Anpassung des Ladeverhaltens seitens Fahrzeug vorgeschlagen. Dieses
Funktionskonzept kann als ein Backend-Service des übergeordneten Konzepts
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digitaler Zwillinge individueller Fahrzeuge gesehen werden. Als Proof of Concept dient
die prototypische Integration in ein Versuchsfahrzeug, welche aus technologischer
sowie technischer Sicht vorgestellt wird.
1 Einleitung
Die Mehrheit der Befragten verschiedener Umfragen in 2022 gab den Mangel an
Ladestationen als relevanten Hinderungsgrund zum Kauf eines Elektrofahrzeuges
(EV, engl. electric vehicle) an [1] [2]. Um perspektivisch die steigende Zahl von
Elektrofahrzeugen bedienen zu können, hat sich die Bundesregierung vorgenommen
bis 2030 eine Million Ladestationen zu schaffen [3]. Der Ausbau von Ladeinfrastruktur
(EVSE, engl. electric vehicle supply equipment) ist ohne Frage essentiell, gleichzeitig
muss jedoch auch die Zuverlässigkeit der Ladevorgänge gewährleistet werden. An den
laut Bundesnetzagentur zum 1. Januar 2023 öffentlich betriebenen 67.288 Normal-
und 13.253 Schnellladepunkten [4] treten immer wieder, laut einer Umfrage bei 60
Prozent der Befragten [5], Probleme unterschiedlicher Natur auf. Dies können
beispielsweise Probleme beim Ladestart, eine (zu) niedrige Ladeleistung,
Ladeabbrüche oder Probleme beim Beenden sein [5]. Ein vom Bundesministerium für
Digitales und Verkehr (BMDV) gefördertes, von Akteuren aus Wirtschaft und
Wissenschaft durchgeführtes Verbundprojekt „Wirkkette Laden“ mit Feld- und
Reallaborversuchen hat ergeben, dass in 44 Prozent der Fälle das technische Problem
an der Ladestation verortet war [6]. Das elektrische Laden besitzt komplexe
Funktionsabhängigkeiten innerhalb eines verteilten, vernetzten Systems. Dieses
besteht hauptsächlich aus Fahrzeug, Ladestation bzw. -netzwerk, Energie- und
Netzinfrastruktur sowie diversen, jeweiligen Backends. Die Fehlerursachen können
folglich vielfältig, insbesondere auch seitens Fahrzeug, verortet sein. Eine
grundlegende Übersicht zu technischen Herausforderungen und konkreter Verortung
von Fehlerursachen ist in [7] zu finden.
Damit EVs aus Kundensicht zur Erfolgsgeschichte werden, muss das Laden einfach,
komfortabel, schnell sowie sicher und vor allem fehlerfrei sein. Ein aufgrund fehlender
Lademöglichkeiten liegengebliebenes Elektroauto kann als Worst-Case-Szenario
auch für Fahrzeughersteller gesehen werden. Die Konnektivität moderner Fahrzeuge
eröffnet die Möglichkeit softwareseitige Abhilfe zu schaffen, via Over-the-Air-Updates.
Zusätzlich bietet Konnektivität die Möglichkeit der Datenübertragung aus dem
Fahrzeug heraus, siehe auch [8], zum Beispiel hinsichtlich des im Feld auftretenden
Ladeverhaltens. EVs weltweit können folglich, einer Art „Schwarmintelligenz“
entsprechend, ihr gutes sowie schlechtes Ladeverhalten an bestimmten Ladestationen
mit anderen EVs teilen. Ist der genaue Ort und Status einer Ladestation bekannt, kann
sich ein Fahrzeug prinzipiell bei Navigation zu dieser, auf Basis historischer Daten,
vorbereiten. Datengetriebene, digitale Zwillinge im Backend stellen ein flexibel
umsetzbares Werkzeug zur Realisierung geobasierter, prädiktiver Ladefunktions-
updates dar. Die Einordung dieses Konzepts als Backend-Service des
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Gesamtkonzepts „digitaler Zwillinge“, wobei die Interpretation aus [9] als Basis
verwendet wird, erfolgt in Kapitel 2. Virtuelle Abbilder von EVs und EVSE können für
Simulationen im Rahmen von Ferndiagnose und -reparatur, aber auch zur
Funktionsoptimierung genutzt werden. Resultierende Software-over-the-air (SOTA)-
Updates zur situativen Anpassung des Ladeverhaltens können dem Kundenfahrzeug,
bestenfalls automatisiert, bereitgestellt werden. Dies wird in Kapitel 3 näher erläutert.
Eine prototypische Fahrzeugintegration des Gesamtkonzepts wird in Kapitel 4
grundlegend vorgestellt und veranschaulicht.
2 Einordnung in das Gesamtkonzept digitaler Zwillinge
Eine grundlegende Voraussetzung für das Konzept geobasierter, prädiktiver
Ladefunktionsupdates ist die Datensammlung von Kunden- oder auch Entwicklungs-
fahrzeugen im Feld. Von Beginn bis Ende eines Ladevorgangs, getriggert durch An-
und Abstecken eines Ladekabels, können dedizierte Daten lokal im Fahrzeug
aufgezeichnet und zwischengespeichert werden. Dies betrifft beispielsweise die
Kommunikation zwischen und innerhalb von Steuergeräten (ECUs, engl. electronic
control units), sowie zwischen EV und EVSE. Zusammen mit relevanten Metadaten
(z. B. Fahrzeug-Identifiikationsnr., Softwareversionsnummern) und Zustandsdaten
(z. B. GPS-Position, Ladezustand) können diese dann via Mobilfunk oder WLAN in
eine Datenbank (DB) im Backend des Erstausrüsters (OEM, engl. original equipment
manufacturer) übertragen werden. Dort können diverse Backend-Services auf die
Daten zugreifen, im ersten Schritt z. B. für eine Datenanalyse. Zur Vervollständigung
eines digitalen Zwillings nach [9], dienen virtuelle Modelle innerhalb einer Co-
Simulationsumgebung. Das Gesamtkonzept virtueller Abbilder individueller,
physischer Fahrzeuge wird in folgender Abbildung 1 veranschaulicht.
Abbildung 1: Gesamtkonzept digitaler Zwillinge individueller Fahrzeuge im Backend
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Gesteuert durch Backend-Services können die Modelle, insbesondere in Form
virtueller Steuergeräte (vECUs, engl. virtual electronic control units) wiederum auf die
Daten zugreifen. So kann beispielsweise ein real stattgefundener Ladevorgang mithilfe
einer Restbussimulation wiederholbar simuliert werden. Denkbar ist zudem die
Einbindung von Functional Mock-up Units (FMUs) von EV und/oder EVSE. So kann
das elektrische und kommunikative Verhalten während eines Ladevorgangs zur
Funktionsabsicherung anhand realer Hardware getestet werden. Die Backend-
Services können einander gegenseitig in bestimmten Kombinationen aufrufen. Der
Service prädiktiver Ladefunktionsupdates, in Abb. 1 als „Connected Charging“
aufgeführt, nutzt beispielsweise den Service „SWC updater“. Dieser generiert die
Softwarekomponenten (SWC, engl. software components) für ein SOTA-Update, z. B.
des EVCC (engl. electric vehicle communication controller) zu generieren.
Einen wesentlichen Vorteil der Verlagerung von Funktionsanteilen ins Backend (off-
board), stellen die höhere und kostengünstigere Verfügbarkeit von Speicherplatz
sowie Rechenleistung gegenüber Steuergeräten und Hochleistungsrechnern im
Fahrzeug (on-board) dar. Mit dem Hintergrund steigender Komplexität von
Fahrzeugfunktionen sowie dem wachsenden Einsatz rechenintensiver Algorithmen,
z. B. des maschinellen Lernens, ist dies sinnvoll und perspektivisch notwendig.
3 Konzept prädiktiver Funktionsadaption elektrischen Ladens
Im Folgenden wird als Begriffsdefinition von Ladeinfrastruktur (EVSE) die technische
Regel DIN SPEC 91412:2020-08 zugrunde gelegt. Demnach bezeichnet ein Ladepark
einen Standort mit mehreren Ladeplätzen, wo sich eine oder mehrere Ladestationen
(ugs. „Ladesäule“) befinden. Eine Ladestation besitzt jeweils einen oder mehrere
Ladepunkte, welcher zur gleichen Zeit nur ein E-Fahrzeug aufladen kann [10].
Wie in Kapitel 2 angedeutet, können die Daten fehlerhafter Ladevorgänge anderer EVs
z. B. dazu genutzt werden, Ladevorgänge wiederholbar zu reproduzieren. Die
Simulationsumgebung wird mittels Service entsprechend der betroffenen,
abzubildenden EV-EVSE Kombination hinsichtlich Hardware- und Softwarestand
konfiguriert. Davon ausgehend kann ein Service zur Ferndiagnose und -reparatur
(„Vehicle Diagnostics“ siehe Abb. 1) durch simulative Tests versuchen, Ladefehler aus
dem Feld durch Anpassung der SWCs des Fahrzeugs zu beheben. Dies kann
prinzipiell auf zwei Wegen erfolgen, entweder durch Anpassung des Funktionscodes
(Programmierung) und/oder durch Anpassung der Applikationsparameter
(Konfiguration). Der zweite Weg wird in [11] bezüglich Automatisierung mittels
intelligenter Algorithmik genauer betrachtet. Dieser kann auch als Backend-Service
gesehen werden („Automated Parameterisation“ siehe Abb. 1). Der Vollständigkeit
halber erwähnt sei außerdem die Möglichkeit der Anpassung von Firmware, welche
zwischen Hardware und Anwendungssoftware (siehe oben) verankert ist. Eine für
einen bestimmten Fehlerfall und EV-EVSE Kombination identifizierte und abgesicherte
Lösung, z. B. in Form angepasster SWCs, kann anschließend seitens Backend
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bereitgestellt werden. Aus visionärer Sicht könnte dies in akzeptabel kurzer Zeit
realisiert werden, sodass nicht die Daten eines historischen Fehlerfalls genutzt
werden, sondern die „Live“-Daten des aktuell betroffenen Kundenfahrzeugs.
Nach ähnlichem Prinzip können die Daten erfolgreicher Ladevorgänge im Backend
dazu genutzt werden, funktionsoptimierende Algorithmen einzusetzen, z. B. zur
Ladezeitminimierung. Die Daten könnten außerdem dazu genutzt werden, den
statistisch gesehen performantesten Ladepunkt zu identifizieren.
Hinsichtlich eines fahrenden EVs mit Absicht des Fahrers zu Laden, gibt es zunächst
zwei mögliche Ausgangsfälle. Entweder die Ladeplanung bzw. Navigation zu einer
oder aufeinanderfolgenden Ladestation(en) ist aktiv, oder der Fahrer navigiert selbst.
Die folgende Abbildung 2 zeigt den schematischen Ablauf des Konzepts prädiktiver
Ladefunktionsupdates in reduzierter Detaillierung mittels Flussdiagramm.
Abbildung 2: Konzept prädiktiver Ladefunktionsupdates als Backend-Service
Im ersten Fall ist die Zielposition der als nächstes anzufahrenden Ladestation,
respektive Ladeparks, aus Sicht des Fahrzeugs im Voraus bekannt. Die Information
der Zielposition kann ins Backend übertragen werden, um dort zu überprüfen, ob für
die Kombination aus EV und Ladepunkt historische Daten zu erfolgreichen und/oder
fehlerhaften Ladevorgängen vorliegen. Außerdem kann überprüft werden, ob
Echtzeitdaten der Ladestation bezüglich Verfügbarkeit und Fehlerstatus vorliegen.
Liegt für die zugehörige Ladestation ein aktueller Fehlerstatus oder ein historischer
Fehlerfall, z. B. mit Ladeabbruch vor, aber kein kompatibles Software-Update (SWU),
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kann diese Ladestation in der Ladeplanung prädiktiv ausgeschlossen (ugs. umfahren)
werden. Liegt ein SWU vor, kann dieses prädiktiv „over-the-air“ bereitgestellt werden.
Ein SWU kann dabei sowohl ein Upgrade (z. B. optimierte SWCs), Update (z. B.
reparierte SWCs), Downgrade (z. B. SWCs angepasst an veraltete EVSE) als auch
Firmware-Update (z. B. der Basissoftware, Laufzeitumgebung) darstellen. Der
sinnvollste Ort und Zeitpunkt zur Installation ist Auslegungssache des OEMs und hängt
von den sicherheitsrelevanten (z. B. Stillstand) und strategischen (z. B.
Zielpositionswechsel der Ladeplanung) Anforderungen ab. Der späteste und sicherste
Zeitpunkt ist bei Erreichen der Zielposition. Um Zeit zu sparen, kann der Download
potenzieller SWUs kann jedoch schon vorher erfolgen.
Im zweiten Fall, ohne vorheriger Kenntnis der Zielposition, kann eine
Funktionsadaption erst bei, respektive frühestens kurz vor, dem Erreichen dieser
durchgeführt werden. Sobald die angefahrene Ladestation geobasiert eindeutig
identifiziert wurde, kann noch während der Anfahrt die Datenbankabfrage hinsichtlich
des Vorhandenseins historischer Fehler und SWUs durchgeführt werden. Ist ein
übereinstimmender Fehlerfall ohne SWU bekannt, macht es vor Ort trotzdem Sinn,
einen Ladevorgang zu initialisieren. Im erneuten Fehlerfall kann dem Fahrer entweder
zunächst der Versuch einer Ferndiagnose und -reparatur („Live“), oder direkt eine
Alternative (Ladepunkt/-station) vorgeschlagen werden. Gleiches gilt für die Situation
eines Fehlerfalls, obwohl bisher weder ein historischer Fehlerfall bekannt war noch ein
SWU vorliegt. Ist ein übereinstimmender Fehlerfall inkl. SWU bekannt, kann dieses
direkt mit Erreichen des Ladeplatzes bereitgestellt werden. Am komfortabelsten ist
dies mit Plug-and-Charge möglich, wobei der Fahrer in jedem Fall rechtzeitig und
zweckorientiert über die Update-Aktivitäten benachrichtigt werden muss. Das Worst-
Case-Szenario stellt ein „Liegenbleiber“ aufgrund mangelnder Reichweite zum
Erreichen einer alternativen Ladestation dar. Dem Fahrer kann entsprechender
Support, z. B. eine mobile Ladestation oder ein Abschleppdienst, angeboten werden.
4 Vorstellung der prototypischen Fahrzeugintegration
Das in Kapitel 3 vorgestellte Konzept wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts
prototypisch umgesetzt. Das zugehörige Versuchsfahrzeug ist mit Ladebuchsen
sowohl von Typ 2 als auch mit Combo 2 ausgestattet, siehe [10]. Für reproduzierbare
Tests und zur Vorführung des Prototyps dienen beispielhafte Fehlerfälle beim Laden
mittels Combined Charging System (CCS), wovon zwei in [11] genauer vorgestellt
werden. Um das Fahrzeug flexibel konfigurierbar zum bidirektionalen Datenaustausch
mit dem Backend zu befähigen, wurde eine zusätzliche On-board Unit verbaut, siehe
Abbildung 3. Diese besteht aus folgenden Modulen:
Breakout Box: Stromversorgung Messtechnik & Anbindung Buskommunikation
Echtzeit-Controller: Filterung/Routing Buskomm. & On-board Funktionsanteile
CarPC: Konnektivität (Mobilfunk, WLAN) & On-board Funktionsanteile & lok. DB
Messtechnik: Interface/Logging Lade-/Buskomm. & Diagnose-Funktionsanteile
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Die fahrzeugseitigen Funktionsanteile zur prädiktiven Funktionsadaption verteilen sich
auf Echtzeit-Controller, CarPC und Messtechnik. Zur Benachrichtigung des Fahrers,
z. B. bei Notwendigkeit des erneuten Steckens des Ladekabels, wurde zusätzlich ein
Tablet im Cockpit des Versuchsfahrzeugs integriert, siehe Abbildung 3 unten.
Abbildung 3: On-board Unit (links) und Tablet für Fahrerbenachrichtigung (rechts)
Die backend-seitigen Funktionsanteile liegen auf einem Server der TU Dresden und
sind hauptsächlich in Python umgesetzt. Die bidirektionale Datenübertragung erfolgt
innerhalb eines virtuellen privaten Kommunikationsnetzes (VPN, engl. virtual private
network) mittels MQTT-Nachrichtenprotokoll (MQTT, engl. message queuing
telemetry transport). Eine Webapp dient der Steuerung und Visualisierung der
fahrzeug- und backend-seitigen Funktionsanteile beziehungsweise Services. Sie wird
beispielsweise über das integrierte Tablet, siehe Abb. 3, aufgerufen und ist in
Abbildung 4 anhand eines Screenshots zu sehen.
Abbildung 4: Webapp mit grafischer Benutzeroberfläche
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Die geobasierte Prädiktion ist mittels Geofencing umgesetzt. Bei jedem Ladevorgang
ohne bisher für einen Ladeplatz mit bestimmter GPS-Position registrierten Geofence,
wird ein neuer Geofence erstellt. Auf diesen werden alle zugehörigen Felddaten von
Ladevorgängen referenziert. Genauso können Meta- und Zustandsdaten einer
Ladestation, welche von Plattformen wie z. B. [12] über Programmierschnittstellen
abrufbar sind, darauf referenziert werden. Eine Herausforderung besteht darin, die
Geofences hinsichtlich Form, Größe und richtiger Ausrichtung funktional auszulegen,
sodass eine eindeutige Differenzierbarkeit der Ladeplätze möglich ist.
Verbesserungspotenziale bestehen u. a. in der Eigenschaftsaktualisierung auf Basis
neuer Felddaten (z. B. genauere GPS-Position) sowie der Einführung einer Geofence-
Kategorie für Ladeparks. Zweiteres ermöglicht, wie in Kapitel 3 angedeutet, trotz
unbekannter Zielposition einen prädiktiven Download potenziell zeitnah benötigter
SWUs durchzuführen, um die Installation ohne Verzögerung initialisieren zu können.
5 Zusammenfassung und Ausblick
In diesem Beitrag wird das Konzept geobasierter, prädiktiver Funktionsadaption
elektrischen Ladens mittels backend-basierter, digitaler Zwillinge vorgestellt.
Elektrische Kunden- und Entwicklungsfahrzeuge sammeln Felddaten zu fehlerfreien
und fehlerbehafteten Ladevorgängen und übertragen in eine Datenbank im Cloud-
Backend. Dort können diese im Rahmen von Simulationen mittels virtuellem, modell-
basiertem Fahrzeugabbild genutzt werden. Reproduziertes Ladeverhalten zwischen
E-Fahrzeug und Ladesäule kann zur Fehlerbehebung sowie Funktionsoptimierung
mittels intelligenter Algorithmik genutzt werden. Resultierende Software-Updates
können dem Fahrzeug situativ bereitgestellt werden. Bestenfalls eröffnet dies die neue
Möglichkeit „Liegenbleiber“ zu vermeiden, z. B. durch Adaption des Fahrzeugs an eine
veraltete Ladesäule an einem abgelegenen Ort. Zum Proof-of-Concept dient die
prototypische Integration in ein Versuchsfahrzeug, welche kurz bezüglich Fahrzeug
und Backend vorgestellt wird. Zukünftiger Fokus liegt auf der Verbesserung und
Generalisierung der backend-basierten Fahrzeugfunktion sowie Definition von
Randbedingungen für einen perspektivischen Serieneinsatz. Für die Implementierung
vor Kunde müssen umfangreiche Anforderungen hinsichtlich funktionaler Sicherheit,
Datensicherheit und Datenschutz sowie regulatorischen Vorschriften bei Updates
berücksichtigt werden.
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