“Muß Strafe sein?” verstehe ich als Frage danach, ob staatliches Strafen sein müsse, um ideologische Formen von Vergesellschaftung zu ermöglichen. Direkte instrumentelle Funktionen von staatlichen Strafen zur Reproduktion von Herrschaftverhältnissen werden nicht behandelt und nicht unterstellt. Im Zusammenhang der Diskussion um die symbolischen Funktionen von Strafrecht und Strafdrohungen
... [Show full abstract] interessieren besonders die Konzepte und Legitimationsfiguren, die über die Institutionen in öffentliche Diskurse eingeführt werden und ein spezifisches Vokabular formen. Thema dieses Beitrages wird so nicht nur “Strafe” sein, sondern vor allem das “punitive Vokabular”, das die Institution Strafrecht anbietet: das Konzept der “Kriminalität”, die Vorstellung, Konformität sei durch Sanktionen, Strafdrohungen und Strafe herstellbar, das Angebot von Begriffen und Zeremonien, die Menschen moralisch degradieren und sozialen Ausschluß ausdrücklich legitimieren. Die Untersuchung bezieht sich nur auf die Diskursebene, auf “institutionalisierte Redeweisen”. In diesen werden verschiedene “Vokabulare” (hedonistische, moralische, instrumentelle, pathologisierende) angeboten, die es ermöglichen, über gesellschaftliche Konflikte und Probleme zu reden (vgl. Mills 1940). Ich werde der Frage nachgehen, wie relevant und verzichtbar das “punitive Vokabular” ist. Vorausgesetzt ist auch, daß Diskurse nicht “von unten” entstehen, sondern von Institutionen, vermittelt über Massenmedien, einem Publikum angeboten werden. Gesellschaftsmitglieder können sich bei ihren Be- und Verurteilungen von Handlungen, Situationen und Menschen auf solche Angebote beziehen. Wie verbreitet ist eine Handlungsform, die das “Sanktionieren” als eine Ressource des “Moralisierens” vorführt?