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lars laUreNz
Der baUplaNUNGsprozess Des klassIzIstIscheN DIeNstWohNGebäUDes
Des soester lehrerseMINars DUrch DIe oberbaUDepUtatIoN
UND Das schUlMINIsterIUM
1. Einleitung und Forschungsstand
„Wohnen Sie in der wunderschönen historischen Schinkelvilla innerhalb
der Soester Wälle.“ Werbesprüche wie dieser lassen sich sowohl in den
Anzeigen der Soester Zeitungen als auch im Netz nden und beziehen sich
auf das Dienstwohngebäude des Soester Lehrerseminars am Grandweg
59. Ähnliche Aussagen sind im Internet jedoch keine Seltenheit und solch
blumige Beschreibungen werden von der Immobilienindustrie bei jedem
Gebäude getätigt, das auch nur halbwegs dem Baustil des Klassizismus
zuzuordnen ist. In diesem Fall sehen jedoch auch Teile der wissenschaft-
lichen Forschung die Zuordnung ähnlich. Der ehemalige Soester Bürger-
meister und Heimatforscher Hubertus Schwartz nennt den Bau in drei Pu-
blikationen eine Planung der Oberbaudeputation (OBD) unter der Leitung
Karl Friedrich Schinkels. Bereits in einem Zeitungsartikel vom 31. März
1945 im Soester Anzeiger macht er darauf aufmerksam, dass „[w]enig
bekannt sei, daß nach Schinkelschem Entwurf auch in Soest ein Haus ent-
standen ist, das Haus Grandweg 59, damals zum Lehrerseminar gehörig,
dessen Pläne unter seiner Leitung in der Oberbaudeputation in Berlin aus-
gearbeitet worden sind“1. In seinem mehrbändigen Werk „Soest in seinen
Denkmälern“ aus dem Jahr 1955 schreibt Schwartz zum Grandweg 59 im
ersten Teil, es sei als „einziges Haus, dessen Plan in der Oberbaudeputa-
tion unter Carl Friedrich Schinkel in Berlin ausgearbeitet worden ist“2,
in Soest errichtet worden.3 Als Bildunterschrift wählt er im vierten Band
1 Hubertus Schwartz: Karl Friedrich Schinkel und Soest. Tagebuchaufzeichnungen nach ei-
ner Reise durch Westfalen. In: Soester Anzeiger vom 31. März 1945.
2 Hubertus Schwartz: Soest in seinen Denkmälern. Erster Band. Profane Denkmäler. Soest
1955, S. 202.
3 Zu Schwartz siehe: Paul Leidinger: Hubertus Schwartz, Soest und die moderne Stadtge-
schichtsforschung. In: Soester Zeitschrift 95 (1983), S. 7-24. Zu seinem Werk „Soest in
seinen Denkmälern“ siehe: Thomas Spohn: Hubertus Schwartz (1883-1966) – „Soest in
seinen Denkmälern“. In: Soester Zeitschrift 120 (2008), S. 111-134.
Das Pfarrhaus in Ostönnen von 1747. Foto: Privatbesitz.
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Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
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noch prägnanter: „Einziges von Schinkel erbautes Haus (1832 bis 1833)
in der Stadt.“4 Schwartz relativiert die Behauptung in Teilen schon 1956,
also ein Jahr später, mit dem Nachsatz: „Der ausführende Baumeister in
Soest selbst war der Kreisbauinspektor Buchholtz.“5 Schwartz scheint
jedoch weiterhin davon überzeugt zu sein, dass das Gebäude durch die
OBD, inklusive der Involvierung Schinkels, geplant worden sei. Der Klas-
sizismusforscher und oldenburgische Museumskustos Ludwig Schreiner
schreibt das Gebäude 1969 jedoch dem in Soest tätigen Baurat Friedrich
Wilhelm Buchholtz zu6.
Im Rahmen dieses Artikels soll erläutert werden, ob eine der beiden Be-
hauptungen zutrifft und wenn ja, welche. Zu diesem Zweck soll zunächst
eine Beschreibung des Baues erfolgen und seine Wirkung auf das nach-
folgende Soester Bauwesen besprochen werden, bevor genauer auf Schin-
kels und Buchholtz’ Wirken in Soest eingegangen wird. Während die Ak-
tenlage zu Beginn der Untersuchungen noch dünn zu sein schien, da in der
Literatur weder Baupläne noch entsprechendes Schriftgut bekannt waren,
können hier nunmehr wiederentdeckte Akten (Korrespondenzen und Bau-
pläne) ausgewertet werden. Auf ihrer Grundlage wird eine Planungs- und
Baugeschichte rekonstruiert sowie abschließend eine Zuschreibung des
Baus vorgenommen.
2. Das Dienstwohngebäude des Soester Lehrerseminars
am Grandweg 59
Beschreibung
Zuerst soll die Lage des Baues, der sich auf dem Grundstück des 1814
säkularisierten Minoritenklosters in Soest – auch graues Kloster genannt
– bendet, genauer erläutert werden. Der Architekturhistoriker Wilhelm
Tappe weist 1822 darauf hin, dass „[d]ie noch stehenden Klostergebäude
[…] dem Schullehrer-Seminar gegeben“7 worden seien. Davor hatten die
4 Hubertus Schwartz: Soest in seinen Denkmälern. Vierter Band. Der Abbildungen Erster
Teil. Stadtbild – Profanes. Soest 1958, S. 53. Schwartz war Jurist und Politiker und hat eine
außerordentlich große Bibliograe vorzuweisen, die bis 1953 bereits über 330 Beiträge in
Zeitungen, Zeitschriften und Monograen zählte, siehe: Wolfgang-Herbert Deus: Biblio-
grae Hubertus Schwartz. Soest 1953.
5 Hubertus Schwartz: Die Häuser des Lehrer-Seminars (1956). In: Ders., Gesammelte Auf-
sätze. Soest 1963, S. 94-97, hier S. 96.
6 Ludwig Schreiner: Westfalen (Karl Friedrich Schinkel. Lebenswerk, Bd. 13), Berlin 1969,
S. 38-39.
7 Wilhelm Tappe: Die Altertümer der deutschen Baukunst in der Stadt Soest. Zweite Hälfte,
Soest 1824, S. 13.
Franziskaner(-Minoriten) hier seit dem 14. Jh. gelebt und die auf dem
Grundstück bendliche Kirche Neu-St. Thomae errichtet8. Die Lage der
einzelnen Bauten lässt sich anhand eines kolorierten Situationsplanes aus
der Mitte des 19. Jh. (Abb. 1) nachvollziehen9. Der Grandweg 59 ist mit
‚Neueres Haus beim alten Seminar‘ betitelt, anbei liegt ein kleineres Ne-
benhaus in derselben Flucht. Das im Süden der Klosteranlage gelegene
Gebäude erhebt sich demnach gegenüber einem französisch inspirierten
Lehrergarten, neben dem sich das alte Seminar und die ehemalige Klos-
terkirche benden. Der queroblonge zweigeschossige Baukörper ist par-
allel zur Minoritenkirche gestellt mit der Längs- bzw. Traufseite zum Hof
und mit der Stirn- bzw. Giebelseite zum Grandweg. Im Osten erstrecken
8 Siehe zur Kirche und zum Kloster: Markus Hunecke OFM: Die Neu-St.-Thomäkirche in
Soest und ihre franziskanische Vergangenheit. Werl 2003, für die Zeit als Lehrerseminar
besonders: S. 345-346. Zur Säkularisation des Klosters siehe: Ulrich Löer: „Eher für Schu-
len- und Kirchenfonds als für die Bezahlung von Sing- und Lesemessen“ – Zur Säkularisa-
tion des Dominikaner- und des Minoritenklosters zu Soest 1814. In: Soester Zeitschrift 113
(2001), S. 65-81, zu den Gebäuden besonders S. 73.
9 Der Situationsplan wurde vor dem Verkauf eines Gartens angefertigt, der wohl um 1877
erfolgte. Stadtarchiv Soest, P23.40.
Abb. 1: Unbekannter Zeichner, Situationsplan des Minoritenklosters (Ausschnitt), um 1877.
Stadtarchiv Soest, P23 40 / Foto: F. Baumhauer
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Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
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sich weitere Gärten im englischen Stil: ein Seminaristen-Garten und ein
Lehrer-Garten. Hinter dem hier behandelten Haupthaus bendet sich dann
noch ein kleiner Garten, zu dem die Erdgeschosswohnungen Zugang ha-
ben.
Der Bau ist in mehreren Lithograen der Stadt Soest abgebildet wor-
den: in einem Sammelbild nach C. de Rossi von 1845 (Abb. 2), in einem
Sammelbild, das zwischen 1861 und 1877 von J. Heller gezeichnet wurde
(Abb. 3) sowie in einem Sammelbild von Jos. Winterhoff aus dem Jahr
1895 (Abb. 4). Viele dieser Abbildungen bleiben besonders in Hinblick
auf den Grandweg 59 jedoch ungenau. So sind im Sammelbild von Heller
z. B. nur sieben anstatt neun Fensterachsen dargestellt, in der Lithogra-
e de Rossis aufgrund des spitzen Darstellungswinkels lediglich vier und
Jos. Winterhoff zeigt gar nur zwei Fensterachsen. Am präzisesten scheint
die Wiedergabe des Gebäudes noch beim Sammelbild de Rossis zu sein,
während die Darstellung Winterhoffs zum Zweck einer Baubeschreibung
gänzlich ungeeignet ist.
Deutlich detaillierter ist das Gebäude auf einem Blatt des „Albums von
Soest. Erinnerungsblätter nach der Natur gezeichnet und lithographiert
von R. Geissler“ von etwa 1880 abgebildet (Abb. 5)10. Hier wurde das
Gebäude (rechts) von Westen, also aus entgegengesetzter Richtung zu
den Sammelbildern dargestellt. Die Beschreibung soll hauptsächlich auf
Grundlage dieser Lithograe erfolgen, da sich bisher keine fotograschen
Aufnahmen des Gebäudes im Vorkriegszustand, also dem Originalzu-
stand, nden ließen. Ergänzt wird die Beschreibung durch Archivquellen,
Bauzeichnungen und den heutigen Baubestand.
Beim Dienstwohngebäude des Soester Lehrerseminars am Grandweg
59 handelt es sich um ein zweigeschossiges Gebäude mit Satteldach. Die
Hauptfassade ist nach Norden ausgerichtet und besteht aus einem zentral
positionierten Eingang sowie insgesamt neun Fensterachsen. Sie ist ein-
fach und schlicht gegliedert, wobei sich jeweils vier Fensterachsen beid-
seits des Eingangsportals benden. Der Eingang führt über einige Stufen
zu einem Vorraum im Hochparterre, von wo aus der Flur und das Trep-
penhaus erreicht werden können. Der Eingang ist somit in den Baukörper
hineinverlagert und lediglich die auf Konsolen liegende Türverdachung
ragt aus dem Baukörper heraus und bewirkt zugleich eine Auskragung
des Gurtgesimses. Das Gebäude ist mit einem umlaufenden Gurt- und
Kranzgesims versehen. Die Sprossenfenster sind von farbig abgesetzten
Rahmen umgeben, die oben über eine Ohrung und unten mit einer leicht
10 Zum Lithografen Robert Geissler siehe: Eckhard Jäger: Robert Geissler (1819-1893) –
Biographie und Oeuvrekatalog. Bad Langensalza 2021.
Abb. 2: C. de Rossi, Sammelbild von Soest (Ausschnitt), Lithograe, um 1840. LWL-Museum
für Kunst und Kultur, Inv.-Nr. K 62-134 LM / Foto: H. Neander
Abb. 3: J. Heller, Sammelbild der Stadt Soest (Ausschnitt), Lithograe, 1861-77. Stadtarchiv
Soest, Bildarchiv A 4350-29 / Foto: F. Baumhauer
Abb. 4: Jos. Winterhoff, Sammelbild der Stadt Soest (Ausschnitt), Lithograe, 1895. Stadtar-
chiv Soest, Bildarchiv A 1569-6 / Foto: F. Baumhauer
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Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
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hervorstehenden abgeschrägten Sohlbank enden. Die Giebel benden sich
auf der Querseite, wo das Kranz- bzw. hier das Giebelfußgesims und das
Giebelgesims zusätzlich mit einem Zahnschnittfries versehen wurden.
Wie die Lithograe – auf der der Zahnschnitt des Kranzgesimses schwer
zu erkennen ist – zeigt, war der Zahnschnitt am Giebelgesims ursprüng-
lich nicht vorhanden. Auch der heute aufgebrachte Glattputz ist nicht bau-
zeitlich, sondern ersetzt eine Rustizierung. Diese wurde im EG und im OG
durch einen Bossenputz und in den Giebelzonen durch eine Bänderung
bewirkt, die sich auf der Lithograe deutlich erkennen lässt.
Die Giebelseite zum Grandweg ist dreiachsig aufgebaut. Je drei Fenster
benden sich im EG sowie im OG und ein Fenster ist in der Giebelzone
angebracht. Auf der gegenüberliegenden Giebelseite ist jeweils nur ein
Fenster bzw. im EG eine Tür in der Mitte eines jeden Stockwerks vorhan-
den. Ein Blick auf die Sammelbilder lässt schließen, dass es sich dabei um
den Ursprungszustand handelt. Der Zugang zum Haus und zum Innenhof
der ehemaligen Klosteranlage gestaltet sich aufgrund der topograschen
Gegebenheiten als schwierig, sodass er vom Grandweg, wie im Situati-
onsplan (Abb. 1) zu sehen, um die Frontseite des Hauses herumgeführt
werden musste. Das von Nord nach Süd abfallende Gelände bedingt, dass
der Sockel des Gebäudes zum Grandweg hin deutlicher in Erscheinung
tritt. Der aus Werksteinen errichtete Sockel, der das Untergeschoss des
Baues markiert, war nach der Lithograe ursprünglich vollständig ver-
putzt und diente dem Gebäude als zweifach abgestufter Sockel. Im heuti-
gen Bauzustand sind hier ein Eingang zum Keller sowie zwei kleine Fens-
ter angebracht, die sich an den Achsen der übrigen Geschosse orientieren.
Darüber hinaus lassen sich in der Lithograe noch zwei wandgebundene
Laternen an den äußersten Ecken der Hauptfassade erkennen. Es sei je-
doch darauf hingewiesen, dass die Lithograe möglicherweise nicht alle
Architekturglieder detailgetreu wiedergibt. Das Satteldach – heute mit ro-
ten Pfannen gedeckt – ist in der Lithograe Geisslers nicht zu sehen, die
Darstellungen auf den Sammelbildern von Heller und de Rossi zeigen,
dass darauf ursprünglich drei Schornsteine und laut Heller zwei Dach-
gauben angebracht waren. Anhand von Bauzeichnungen aus den 1890er-
Jahren lässt sich bestimmen, dass das Gebäude 27,1 m lang und 12,3 m
breit war11. Oberhalb des Sockels war das Gebäude 13,5 m hoch, wobei es
von dort bis zur Traufe 7,77 m maß12.
Nutzung, Kosten und Einweihung
Laut Schwartz befanden sich im Gebäude ein Lehrsaal sowie Lehrerwoh-
nungen und angeblich wurde darin auch der Unterricht für Taubstumme
abgehalten13. Die Grundrisszeichnungen aus dem Jahr 1897 (Abb. 6) von
Westpfahl geben Aufschluss über die Raumaufteilung und widersprechen
der von Schwartz geäußerten Vermutung, das Gebäude könnte Lehrzwe-
cken gedient haben14. Auf den angesprochenen Lehrsaal gibt es keine
Hinweise, lediglich die Dienstwohnungen sind eingezeichnet. Die vier
Dienstwohnungen bestanden wohl je aus einem Wohn-, einem Studier-,
einem Schlaf- und zwei Kinderzimmern, einer Küche und dem Korridor15.
Laut Akten war das Gebäude nicht vollständig unterkellert, weswegen ei-
nige notwendige Gemeinschaftsräume und Gerätschaften in das Neben-
haus (Abb. 7) verlagert werden mussten. In dessen Erdgeschoss befanden
sich eine Waschküche, ein Vorratsraum und eine Rollkammer, in der die
Mangel stand, die von allen Mietern genutzt werden durfte16. Im Ober-
geschoss waren zwei weitere, deutlich kleinere Dienstwohnungen mit je
zwei Zimmern untergebracht17. Das Hauptgebäude konnte seine Funktion
11 Stadtarchiv Soest, P22.1047a.
12 Ebd.
13 Schwartz (wie Anm. 4), S. 96.
14 Stadtarchiv Soest, P23.19.
15 Ebd.
16 Ebd.
17 Ebd.
Abb. 5: Robert Geissler, Grandweg 59 (Seminar Soest), Lithograe, um 1880, 12,9 × 16,9 cm.
LWL-Museum für Kunst und Kultur, Bibl. Sign. E 8628 sa LM (Bl. 09) / Foto: H. Neander
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Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
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ohne das Nebengebäude nicht erfüllen, weswegen davon auszugehen ist,
dass dieses von Anfang an in den Bauplanungen vorgesehen war.
Die Kosten für den Bau beliefen sich laut Schwartz auf 8.975 Taler, wo-
bei dieser dafür keine Quelle angibt18. Die genaue Bezifferung der Kosten
durch diesen lässt jedoch auf eine bisher unidentizierte Quelle schließen.
Schwartz schreibt weiter, dass die Einweihung des Gebäudes vom Ober-
präsidenten Freiherr Ludwig von Vincke selbst vorgenommen worden
sei19. In einem Aktenvermerk von Regierungsbaurat August Dambleff ist
18 Schwartz (wie Anm. 4), S. 96.
19 Ebd.
zudem zu lesen, dass „[d]er Oberpräsident von Vincke […] am 4. Oktober
1833 an der Einweihungsfeier teil[nahm]“20. Vinckes Tagebücher weisen
zu besagter Zeit eine Lücke auf, weswegen sich die Behauptung weder
verizieren noch falsizieren lässt21. Laut der Literatur hatte Vincke je-
doch eine außergewöhnlich enge Beziehung zum Lehrerseminar in Soest,
sodass ein Besuch zur Einweihung des Gebäudes nicht ungewöhnlich ge-
wesen wäre22. Er schenkte dem Seminar Bücher aus seinem Privatbesitz,
beschaffte aus eigener Initiative Gelder für die Erweiterung oder Renovie-
rung der Seminargebäude und engagierte sich auch darüber hinaus für die
Belange des Lehrerseminars23. Der Pädagoge und Seminarleiter Carl Gott-
hilf Ehrlich äußerte sich 1845 in seinem Jahresbericht lobend über Vincke,
der „alle Jahre Ein oder zweimal der Anstalt [einen Besuch] schenkte“24.
Schicksal des Gebäudes
Im Mai 1852 wurde das Gebäude zusammen mit denen des Minoriten-
klosters an das Lehrerseminar verkauft25. Dieses wurde 1928 aufgelöst
und das Gebäude dem Archigymnasium übertragen26. Karl Mummenhoff
gibt an, dass das Gebäude durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrie-
ges, genauer durch einen verheerenden Fliegerangriff auf Soest am 5. De-
zember 194427, bis auf die Umfassungsmauern ausgebrannt sei28. Nach
Aktenvermerk eines Herrn Quehls war das Gebäude „durch Brand nach
einem Bombenangriff weitgehend zerstört“ und nur die „Keller- und Um-
fassungsmauern von Erd- und Obergeschoss“29 waren erhalten geblieben.
20 Stadtarchiv Soest, P22.1049, S. 346: Schreiben des Regierungsbaurats Dambleff an den
Direktor des Staatlichen Archigymnasiums vom 4. Januar 1950.
21 Heide Barmeyer-Hartlieb (Bearb.): Die Tagebücher des Ludwig Freiherrn Vincke 1789-
1844. Band 10: 1830-1839. Münster 2018, S. 380-381.
22 Klaus Heinemann: Zur Geschichte des Lehrerseminars zu Soest. Dortmund 1982, S. 150-
151.
23 Ebd.; Axel Koppetsch: „Den ganzen Morgen dem Studium der Schulacten gewidmet und
darauf Entwürfe nützlicher Verbesserungen gebaut“. Zu einigen Aspekten der Tätigkeit
Vinckes in der Schulverwaltung. In: Hans-Joachim Behr/Jürgen Kloosterhuis (Hrsg.):
Ludwig Freiherr Vincke. Ein westfälisches Prol zwischen Reform und Restauration in
Preußen. Münster 1994, S. 437-453, hier S. 447.
24 Zitat nach Heinemann (wie Anm. 22), S. 150-151.
25 Stadtarchiv Soest, P23.40.
26 Stadtarchiv Soest, P22.1128.
27 Schreiner (wie Anm. 6), S. 38.
28 Karl E. Mummenhoff: Die Baudenkmäler in Westfalen. Kriegsschäden und Wiederaufbau.
Dortmund 1968, S. 31; Franz Mühlen: Einzelberichte zur Denkmalpege für die Jahre
1941-1952. In: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 32 (1953), S. 110-
273, hier S. 186.
29 Stadtarchiv Soest, P22.1049, S. 348: Schreiben von Quehl an die Frau Kulturministerin des
Landes NRW vom 21.11.1949.
Abb. 6: Westphal, Grundriss Wohnung 1. OG, Feder auf Papier, 1888. Stadtarchiv Soest,
P23.19 / Foto: F. Baumhauer
Abb. 7: Westphal, Grundriss Nebengebäude EG und 1. OG, Feder auf Papier, 1888. Stadtar-
chiv Soest, P23.19/ Foto: F. Baumhauer
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Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
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Das Gebäude wurde wieder aufgebaut, wobei jedoch das Nebengebäude
nicht berücksichtigt wurde. Dabei kam es zu den in der Baubeschreibung
erwähnten Veränderungen gegenüber dem Ursprungszustand. Die Pläne
zum Um- bzw. Wiederaufbau vom Dezember 1948 und Mai 1949 lassen
sich im Soester Stadtarchiv nden30. Die Wohnungen waren im Februar
1951 bezugsfähig31. Die Bauaufnahmen des Stabshochbauamtes aus dem
April 1954 (Abb. 8) zeigen das Gebäude bereits mit drei Dachgauben zur
Hofseite, die sich auf die Fensterachsen beziehen, welche im Bauplan von
1949 bereits eingezeichnet waren32. Ab 1950 wurde auch eine als Neubau
deklarierte Dachgeschosswohnung vermietet, der Boden also zur Wohn-
30 Stadtarchiv Soest, P22.1046a, P22.1046b-1, P22.1047a, P22.1047b, P22.1048. Im Jahre
1949 wurde noch mit sechs Wohnungen geplant – zwei pro Geschoss –, 1949 dann mit
fünf Wohnungen – also nur einer im Dachgeschoss. So wurde letztlich auch gebaut. Es
lassen sich fünf Mieter in den Unterlagen nden (P22.1049). Anscheinend wurde im Dach-
geschoss nur eine Wohnung eingebaut, damit ein Geistlicher dort auch seine Haushälterin
beherbergen konnte (P22.1049, S. 344).
31 Stadtarchiv Soest, P22.1049, S. 341: Schreiben des Oberstudiendirektors an das Schulkol-
legium in Münster vom 27.02.1951.
32 Die Bauaufnahmen aus dem Stabshochbauamt vom April 1954, die sich im Landesarchiv
NRW Abt. Westfalen be nden, stehen in der Deutschen Digitalen Bibliothek in guter Auf-
lösung zur Verfügung. Insgesamt handelt es sich um sechs Zeichnungen, die jedoch unter
falschem Ort (Hamm) einsortiert worden sind: W 051, Nr. 28738, Nr. 28739, Nr. 28740,
Nr. 28741, Nr. 28742, Nr. 28743.
äche ausgebaut, weswegen weitere Gauben notwendig wurden33. Heu-
te sind ebenfalls Dachgauben auf der anderen Dachseite angebracht und
links und rechts neben den Vorhandenen wurde jeweils noch eine Dach-
gaube ergänzt.
Nachfolgebauten
Zu den Nachfolgebauten des hier besprochenen Gebäudes schreibt
Schwartz: „Das Haus hat alsbald in einer Reihe von Privathäusern in Soest
Nachfolge gefunden, sodaß man auch in Soest von einer Schinkelaera in
der Baukunst sprechen kann.“34 Neben dem Grandweg 59 entstanden laut
Schwartz und Schreiner unter der Leitung von Buchholtz noch weitere
Gebäude wie die Walburgerstraße 14, der Grandweg 32, die Jakobistraße
9 und 18, die Nöttenstraße 30 sowie die Paulistraße 635. Daneben lassen
sich noch weitere Gebäude dem Klassizismus zuordnen. Aufgrund der
hohen Kosten wurden viele Häuser jedoch lediglich zur Straßenseite hin
im Stile des Klassizismus verputzt36. Ein Beispiel hierfür ist das Gebäude
Osthofenstraße 55, bei dem an den Hausseiten keine Anstalten gemacht
wurden, die Fachwerkkonstruktion des Gebäudes zu verdecken. Des Wei-
teren wurde zwischen 1818 und 1820 auch ein neues Schulgebäude für
das Archigymnasium errichtet37. Das Gebäude der Gesellschaft Ressource
am Marktplatz stammt ebenfalls aus dieser Zeit und wurde vom Archi-
tekturtheoretiker Wilhelm Tappe geplant38. Die Pläne für das Gutshaus
und die Papiermühle auf Gut Ardey stammen von Carl Lentze und sind
auf das Jahr 1827 datiert39. Schreiner nennt als Bauten, die unter schin-
kelschem Ein uss entstanden sind, das Pfarrhaus an der Wiesenkirche,
für das Carl Ferdinand Busse im Jahre 1846 einen Entwurf ausarbeitete,
und die Petri-Elementar-Schule (Thomasstraße 1), bei der Friedrich Wil-
helm IV. im Jahr 1853 den Grundstein gelegt hat40. Beide Gebäude sind
bereits mit neogotischen Elementen versehen worden und zeugen schon
33 Stadtarchiv Soest, P22.1051.
34 Schwartz (wie Anm. 1).
35 Schreiner (wie Anm. 6), S. 285; Schwartz (wie Anm. 1).
36 Helmut Schinkel: Die Architektur in der Stadt. In: Gabriele Isenberg/Walter Melzer
(Hrsg.): Die Stadt Soest – Archäologie und Baukunst. Stuttgart 2000, S. 58-59.
37 Roland Götz: Das Archigymnasium in Soest 1789-1820 (Wissenschaftliche Schriften der
WWU Münster, Reihe X, Band 1). Diss. Münster 2008, S. 313-317.
38 Ludwig Schreiner: Wilhelm Tappe (1769-1823). Ein Architekturtheoretiker des 19. Jahr-
hunderts. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 9 (1970), S. 195-234; Schreiner
(wie Anm. 6), S. 284.
39 Schreiner (wie Anm. 6), S. 283-284.
40 Ebd., S. 288. Die Beschreibungen und Zeichnungen zum Gemeindehaus wurden in „Ent-
würfe zu Kirchen, Pfarr- und Schulhäusern“ von 1862 publiziert.
Abb. 8: Staatshochbauamt, Zusammenstellung von Bauaufnahmen des Dienstwohngebäudes
Grandweg 59, April 1954. Landesarchiv NRW, W 051, Nr. 28741 und Nr. 28742
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Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
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vom Baustil des Historismus. Auch einige Bauten aus der Mitte des 19.
Jh. und der Gründerzeit weisen noch erhebliche Ähnlichkeiten mit den
klassizistischen Anfängen auf41. Es lässt sich festhalten, dass in Soest im
zweiten Viertel des 19. Jh. nachweislich eine rege Bautätigkeit herrschte.
3. Architekten
In Bezug auf das Gebäude Grandweg 59 sind in der bisherigen Literatur
zwei Architekten als mögliche Schöpfer genannt worden: Karl Friedrich
Schinkel und der lokale Bauinspektor Friedrich Wilhelm Buchholtz. Wie
anfangs erwähnt, plädiert Schwartz für den Ersten und Schreiner für den
Zweiten der genannten Baumeister. Auf beide Architekten soll im Folgen-
den kurz eingegangen werden, wobei sich die Ausführungen zu Schinkel
auf die Neubauten in Soest beschränken, während der relativ unbekannte
Buchholtz etwas genauer dargestellt werden soll.
Karl Friedrich Schinkel
Karl Friedrich Schinkel gilt als bekanntester und bedeutendster Architekt
der deutschsprachigen Gebiete im 19. Jh. Es stellt sich die Frage, wie oft
Schinkel in Soest war und was er dort geleistet hat. In Schreiners Band der
Reihe „Schinkel Lebenswerk“ zur Provinz Westfalen wird zusätzlich zum
hier behandelten Wohnhaus für die Lehrkräfte des Seminars am Grand-
weg 59 von 1832/33 ein weiteres Projekt mit Schinkel in Verbindung ge-
bracht: der Umbau eines Gebäudes des säkularisierten Minoritenklosters
zum Wohngebäude für den Gymnasialdirektor des Archigymnasiums und
für den Seminarinspektor aus dem Jahre 1818, direkt gegenüber dem hier
besprochenen Gebäude42.
In den Auftrag für das Gebäude des Direktors war Schinkel nur insofern
involviert, als er den Umbauplan in der OBD genehmigt bzw. die Gutach-
ten dazu mitunterzeichnet hat43. In einem Vermerk vom 29. Juli 1818 heißt
es: „Die Revision sei erfolgt und nichts dabei zu erinnern gefunden“44.
Vermutlich handelt es sich hier auch eher um einen Umbau des Inneren
als um einen Neubau. Zum zweiten Bauwerk vermerkt Schinkel in sei-
nem Dienstreisebericht von 1833, dass die Bauausführung des Gebäudes
41 Beispiele hierfür sind Wiesenkirchhof 11, Steingraben 21, Grandweg 35 und Ulricherstra-
ße 54.
42 Schreiner (wie Anm. 6), S. 38-39.
43 Reinhart Strecke: Schinkels Akten. Ein Inventar (Veröffentlichungen aus den Archiven
Preußischer Kulturbesitz Arbeitsberichte 11). Berlin 2010, S. 107 Nr. 248.
44 Schreiner (wie Anm. 6), S. 38.
Grandweg 59 dem Bauinspektor Buchholtz unterlegen habe. Weiter steht
im Bericht:
„Nr. 49 Neubau des Seminariums in Soest. Dieser Bau ist noch im Gange,
wird vom B. I. Buchholz mit Umsicht geführt und entspricht dem Ent-
wurfe, welcher bei der Ob Bau Deputation festgestellt wurde. Das Bau-
steinmaterial ist in dieser Provinz nicht vom Besten, wird in Feldöfen ge-
brannt und giebt bei großer Unregelmäßigkeit der Form ein mittelmäßiges
Mauerwerk. Andere Theile der Bautechnik sind gleichfalls hier zurück,
weshalb der Verdienst der Baubeamten höher anzuschlagen ist, wenn die
Ausführungen der Bauwerke dennoch den Forderungen entsprechend
ausfallen.“45
Friedrich Wilhelm Buchholtz
Buchholtz wurde am 12. Juli 1795 in Obermassen bei Unna geboren
und studierte an der Berliner Bauakademie Architektur46. Dort hatte sich
Schinkels Baustil zuerst durchgesetzt und Vorbildcharakter entwickelt47.
Buchholtz legte sein Bauexamen 1818 bei der Oberbaudeputation ab48.
Die Prüfungsaufgaben wurden jüngst (2021) von Christiane Salge ver-
öffentlicht49. Sie umfassten drei Aufgaben, die u. a. auch von Schinkel
unterzeichnet wurden50. Im Geheimen Staatsarchiv (GStA PK) in Berlin
lässt sich die Bewerbung des Baukondukteurs Buchholtz aus Arnsberg als
Bauinspektor in Köln aus dem Jahr 1821 nden51. Darin schreibt Buch-
holtz über sich:
„Die zweimalige Equipirung, als freiwilliger Jäger in den Feldzügen
1814/15, und mein 4½ jähriger Aufenthalt in Berlin, zur Vollendung
meiner Studien, erforderten mehr, als mein Vermögen, verbunden mit
den großen Opfern, die mein Oheim, der Kreisbaumeister Buchholtz in
Schwelm, mir brachte, leisten konnten; ein Freund half mir mit bedeuten-
45 Wilhelm Rave: Die große Dienstreise Schinkels 1833 durch Westfalen. In: Westfalen 18
(1933), S. 253-261.
46 Ulrich Barth: Die Profanbaukunst im märkischen Sauerland 1815-1880. Altena 1983, S.
854.
47 Schreiner (wie Anm. 6), S. 267.
48 Christiane Salge: Baukunst und Wissenschaft. Architektenausbildung an der Berliner Bau-
akademie um 1800. Berlin 2021, S. 67, 166, 467. Heute in der Staatsbibliothek PK Berlin,
Handschriftenabteilung, Autograph I/2961.
49 Salge (wie Anm. 48), S. 67, 166, 467.
50 Ebd., S. 467.
51 GStA PK, I. HA Rep. 83 B Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Nr. 557.
142 143
Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
Lars Laurenz
dem Vorschusse. Meine jetzige Beschäftigung in Arnsberg, seit Februar
dieses Jahres, gegen 1 r. 16 Gg. tägliche Dieten, wofür ich die bedeu-
tenden Reisen mit bestreiten muß, läßt mich an keine Wiedererstattung
denken, kaum daß ich ohne eignen Zuschuß fertig werde. Sie ist dazu
noch, des sich vermindernden Fonds wegen, der mir schon eine früher er-
bethene Reisezulage nicht bewilligen ließ, sehr unsicher in ihrer Dauer. So
sehe ich mich für jetzt nicht allein unfähig, meine Schulden abzutragen,
sondern auch für die Zukunft, ohne baldige, feste Anstellung, der Unthä-
tigkeit Preis gegeben!“52
Aus dem Antwortschreiben geht jedoch hervor, dass eine solche Stelle im
Regierungsbezirk Köln, um die sich Buchholtz beworben hatte, in Ber-
lin gar nicht bekannt war und es diese vermutlich gar nicht gab. Ulrich
Barth gibt Buchholtz schon ab 1820 als Baukondukteur an, wobei sich
das Eintrittsdatum angesichts der erwähnten Bewerbung auf Februar 1821
korrigieren lässt. Dorothea Kluge gibt an, dass Buchholtz letztlich erst
1828 Bauinspektor bei der Regierung in Arnsberg geworden sei53. Im Mit-
arbeiterverzeichnis, das nicht immer die aktuellen Zustände wiedergab,
wird er ab 1853 als Baurat und ab 1858 als Oberbauinspektor geführt54.
Neben Privatbauten werden ihm auch viele Entwürfe für Kirchenbauten
zugeschrieben55, u. a. für die Kirchen in Ergste, Lütgendortmund, Kamen
(ev. und kath.), Bönen und Schwelm56. Eine Auistung aller bekannten
Werke und Beteiligungen ndet sich bei Barth.57 Schwartz ist der Ansicht,
dass Schinkels Gedanken in Buchholtz „einen eifrigen Anhänger und
Fortsetzer“58 fanden.
Buchholtz war in Soest zwischen 1831 und 1833 auch für den Einbau
neuer Fenster in der Kirche des Minoritenklosters zuständig, wie Akten
im Stadtarchiv belegen59. Tappe hatte schon zehn Jahre zuvor geschrieben,
dass die Kirche trotz ihrer Bedeutung „an der Südseite (wo die Kloster-
gebäude gestanden haben und zum Teil noch stehen) keine Fenster hat“60.
Diese Erhaltungsmaßnahmen wurden laut einem Schreiben des Ministeri-
52 GStA PK, I. HA Rep. 93 B, Nr. 557, Bl. 168 und 169.
53 Barth (wie Anm. 46), S. 314; Dorothea Kluge: Kurzinventarisation der Kirchen und Ka-
pellen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Westfalen-Lippe 1974-1976. In: Westfalen.
Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 56 (1978), S. 260-300, hier S. 260-262.
54 Barth (wie Anm. 46), S. 314.
55 Kluge (wie Anm. 53), S. 262.
56 Schreiner (wie Anm. 6), S. 285-288.
57 Barth (wie Anm. 46), S. 854-855.
58 Schwartz (wie Anm. 1).
59 Stadtarchiv Soest, P23.12.
60 Tappe (wie Anm. 7), S. 11.
ums der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten von der
OBD sogar unterstützt61. Als Bauinspektor el die Ausführung und Beauf-
sichtigung des hier besprochenen Baues in Buchholtz’ Aufgabenbereich.
Vincke erwähnt in seinem Tagebuch ein Treffen mit Buchholtz am Grand-
weg 59. Am 8. Juni 1832 schreibt er, dass er „in Soest mit Rocholl, Buch-
holz, Ehrlich den Seminarbau“62 besichtigen war. Wie Martin D. Sagebiel
konstatiert, zeigt auch diese Notiz, dass „die nüchternen, chronikalischen
Tagebucheintragungen Vinckes […] bei architektonischen Bewertungen
zumeist in allgemeinen Wendungen“63 verbleiben. Sagebiel beschäftigt
sich in einem Artikel aus dem Jahr 1994 ausführlich mit Vinckes Ein-
uss und seiner Steuerung des öffentlichen Bauwesens in Westfalen64.
Buchholtz war auch denkmalpegerisch tätig und ihm ist laut Schreiner
„die entscheidende Rettung so manchen Bauwerks in und um Soest zu
verdanken“65. Schinkel und Buchholtz haben sich auch 1833 nochmals in
Soest getroffen66, wobei Ersterer daraufhin zu den Bauschäden am Patrok-
lusmünster Folgendes notierte: „[D]er Bauinspektor Buchholtz in Soest,
ein umsichtiger, tätiger und für die Altertümer seines Kreises höchst be-
sorgter Mann, hat den Gegenstand mit mir in Überlegung genommen und
wird zu seiner Zeit darüber berichten.“67
4. Neue Akten
Im 2010 publizierten Schinkel-Inventar Reinhart Streckes ist eine Akte
über Bauten in Soest angegeben, in der der Verfasser auch Schreiben be-
züglich des hier zu besprechenden Bauwerkes nden konnte68. Dadurch
sind nun die Schreiben der OBD an das Schulministerium bekannt, jedoch
nicht die damit korrespondierenden Akten bzw. die Antwortschreiben des
Schulministeriums. Einem Aktenvermerk lässt sich entnehmen, dass das
Königliche Hohe Ministerium für Geistliche, Unterrichts- und Medizinal-
Angelegenheiten (im Weiteren zu Schulministerium verkürzt) in einem
Schreiben vom 15. Juli 1831 bereits über die Möglichkeit, die Kirche
61 Stadtarchiv Soest, P23.12, Schreiben Georg Heinrich Ludwig Nicolovius vom 15.10.1831.
62 Heide Barmeyer-Hartlieb (Bearb.): Die Tagebücher des Ludwig Freiherrn Vincke 1789-
1844. Band 10: 1830-1839, Münster 2018, S. 278. Ehrlich war der Leiter des Lehrersemi-
nars und Lehrer am Archigymnasium und Seminardirektor.
63 Martin D. Sagebiel: Das öffentliche Bauwesen in Westfalen zu Vinckes Zeit. In: Behr/
Kloosterhuis (wie Anm. 23), S. 365-388, hier S. 368.
64 Ebd., S. 365-388.
65 Schreiner (wie Anm. 6), S. 285.
66 Ebd., S. 271.
67 Ebd., S. 251.
68 Strecke (wie Anm. 43), S. 107 Nr. 248.
144 145
Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
Lars Laurenz
für den Neubau des Wohngebäudes abzureißen, informierte. Dort heißt
es: „Einer K. O. B. D. zur gefälligen gutachtlichen Aeusserung über die
Baupläne, namentlich auch, ob die nach dem dritten Plane vorausgesetzte
Abbrechung der Klosterkirche in architektonischer Hinsicht unbedenklich
ist?“69. Anbei lagen drei Zeichnungen und eine Angabe über die Bestim-
mung der Zimmer. Der Anschlag der Kosten belief sich hier auf 7.654
Taler, 23 Silbergroschen und 4 Pfennig. Der erste bekannte Plan stammt
also aus dem Schulministerium, worin geplant war, die Minoritenkirche
abzureißen und auf Teilen des Grundstücks das neue Gebäude zu errich-
ten. Die OBD antwortete darauf mit folgendem Schreiben:
„Mit dem von der Konig. Regierung zu Münster als den zweckmäßigsten
bezeichneten Vorschlag durch Erbauung eines neuen Gebäudes auf der
Stelle welche die Klosterkirche jetzt einnim[m]t sind wir nicht einverstan-
den, weil dabei der Abbruch, der nach der eigenen Angabe der Regierung,
in ihren Mauern, Gewölben und Pfeilern gut erhaltenen und schönen Kir-
che vorausgesetzt wird; und können der Ansicht, daß dem Abbruche der
Kirche nichts im Wege steht, weil für den Augenblick keine Wiederbenut-
zung abzusehen ist, um so weniger beitreten, da es nach dem Berichte der
König. Regierung nicht ganz unwahrscheinlich ist, daß das Gebäude künf-
tig einmal seiner kirchlichen Bestim[m]ung wieder gegeben werden kann.
Bei dieser Gelegenheit können wir nicht unbemerkt lassen, daß bei der
<gegenwärtig statt ndenden> Benutzung des Gebäudes, als Wollmaga-
zin, darauf zuhalten sein wird, daß keine weiteren Beschädigungen daran
vorkom[m]en. Eben so wenig jenen, können wir den <andern> Vorschlag,
<wonach> das Seminarlocal durch Einbauten in die Kirche zu erweitern
<ist>, zweckmäßig nden, weil dadurch die Kirche, selbst wen[n] eine
dem neuen Bedürfniß entsprechende Einrichtung möglich wäre, in ihren
Haupt-Theilen zu sehr beschädigt würde. Sonach verdient der in dem Re-
gierungs Berichte ſub zwei gemachte Vorschlag wonach auf dem Platze
der Baumschule ein massives Gebäude von zwei Geschossen zu errich-
ten ist den Vorzug, und wir haben in dieser Rücksicht den eingereichten
Bauplan geprüft, und zu erinnern gefunden mit Fortlassung des Com[m]
unications Ganges - und der Abtritte, welche Letztere getrennt von dem
neuen Gebäude zu errichten sein werden <können>, eine andere Zeich-
nung entworfen, welche der neuen Veranschlagung zum Grunde zu legen
sein wird. Die Eintheilung des Grundrisses ist mit geringen Abänderungen
beibehalten und ist dabei nur zu bemerken, daß <in der Lehrerwohnung>
auf die Anlage eines Feuerherdes mit einem 15 Zoll weiten Schornstein-
69 GStA PK, I. HA Rep 96 D, Nr. 443, Bl. 24.
rohre wie es in unserer Zeichnung angedeutet ist, Rücksicht genom[m]en
werden muß; die sonstigen Aenderungen des Grundrisses beziehen sich
auf Abmessungen der einzelnen Räume und <auf> solche Gegenstände
die aus der Zeichnung ohne weitere Erläuterungen zu entnehmen sind. Die
Facade haben wir durch Fortlassung des Rÿsalits und der halben Wallme
des Daches vereinfacht und statt dessen sämtliche Fenster mit Gewän-
den angeordnet. Was den Umstand betrifft, daß mit der Errichtung des
Gebäudes auf dem Platze der Baumschule, eine sehr gedrängte Stellung
entsteht, so ist dies allerdings nicht zu läugnen; der Prospect wird aber bei
weitem nicht so widrig sein, als wenn die Kirche abgebrochen würde, in
welchem Falle, an der stehen bleibenden südlichen Mauer, welche von
dem neuen Gebäude nicht verdeckt würde, der Mangel eines früher da-
gewesenen schönen Gebäudes stets zu erkennen wäre. Wir senden Einem
/ tit. / die uns mittelst verehrl. Marg. Decr. v. 15. Juli zugekom[m]enen
Anlagen, nebst der von uns entworfenen Zeichnung, mit der gehorsamsten
Bitte um Rückgabe der Letzteren nachdem für die Veranschlagung Copie
genom[m]en sein wird, zurück. Berlin d. 24. August 1831, Konig. O. B.
D.“70
Unterzeichnet wurde das Schreiben von August Adolph Günther – der
nach Schinkels Tod im Jahre 1841 zum Oberbaudirektor ernannt wur-
de – und dem Schinkelschüler Carl Ferdinand Busse. Der Vorschlag, die
Kirche zu erhalten und das Gebäude an anderer Stelle zu errichten, war
laut dem Schreiben somit schon in einem vorausgegangenen, unbekann-
ten Regierungsbericht enthalten gewesen. Anscheinend hatte es auch vom
Gemeinderat Beschwerden gegen den Abriss gegeben, denn ein Beschluss
des Gemeinderates wurde an das Schulministerium weitergeleitet und von
der OBD wie folgt kommentiert:
„Unter Rücksendung des uns mittelst verehrlichen Marg. Decr. v. 2. d. M.
zugekom[m]enen Antrages des Gemeinderaths zu Soest wegen Erhaltung
der Kirche am ehegefälligen maligen Minoritenkloster daselbst, bemer-
ken wir ergebenst daß wir unterm 24t[en] August ac. [= anni currentis] in
70 GStA PK, I. HA Rep 96 D, Nr. 443, Bl. 24 und 25. In Soest hatte es seit 1824 einen großen
Wollmarkt gegeben, bei dem im ersten Jahr etwa 50.000 Pfund Wolle gehandelt wurden,
wofür der Markt ab etwa 1828 Geschäftsräume in der Klosterkirche bezog. Siehe dazu:
Johannes Josef Joest: Wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Soester Raumes im 19.
Jahrhundert und ihre Berücksichtigung in den Lokalzeitungen der Stadt (Soester Beiträge
40). Soest 1978, S. 44-46, besonders S. 45. Weitere Akten zur Nutzung des Gebäudes als
Wollmagazin und eine spätere Verpachtung publizierte Dirk Elbert. Siehe: Dirk Elbert:
Fundsache: Die Minoritenkirche wird zur Scheune. In: Soester Zeitschrift 96 (1984), S.
59-60.
146 147
Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
Lars Laurenz
unserm Gutachten, die Erweiterung des Seminarlocals betreffend, für die
Erhaltung der Kirche gestim[m]t, und den von dem Provinzialschulcol-
legium in Münster eingereichten Bauplan, demgemäß abgeändert haben.
Wir stellen Einem / tit. / ganz ergebenst anheim, den Gemeinderath auf
seine Bitte : nach unserm Gutachten zu bescheiden, und bemerken, daß
uns die Theilnahme mit welcher der Gemeinderath für die Erhaltung der
Kirche, als ein Denkmal vaterländischer Kunst, thätig ist, um so schätzba-
rer erscheint, als wir dieselbe in dem Antrage des Provinzialschulcollegi-
ums gänzlich vermißt haben.
Berlin d. 22. Septembr. 1831, König. O. B. D.“71
Das Schreiben wiederum ist von Karl Friedrich Schinkel und Carl Ferdi-
nand Busse unterzeichnet. Dem Text kann entnommen werden, dass, ob-
wohl die Veränderungen der Bauplanungen zwar mit dem Schulministeri-
um in Berlin abgestimmt wurden, der Bauplan des Gebäudes jedoch vom
Provinzialschulkollegium in Münster eingereicht wurde. Da das Provinzi-
alschulkollegium jedoch aus dem Oberpräsidenten, Oberregierungsräten
sowie Oberschul- und Oberstudienräten bestand, ist davon auszugehen,
dass die Bauangelegenheiten zentral aus Berlin gesteuert und der Plan
dort gezeichnet wurden. Jedoch musste die Eingabe formaljuristisch vom
jeweiligen Provinzialschulkollegium erfolgen.
Die Erhaltung des Kirchengebäudes war also von mehreren Seiten ge-
wünscht. Im Soester Stadtarchiv ndet sich eine Abschrift eines Schrei-
bens an den Gemeinderat in Soest vom 15. Oktober 1831, in dem Georg
Heinrich Ludwig Nicolovius, der Ressortleiter für Kultus und Unterricht
im Schulministerium, meldet:
„Da die Erhaltung der dortigen Minoriten-Kloster-Kirche als Denkmal va-
terländischer Bau-Kunst allerdings wünschenswerth ist, so wird der Ab-
bruch derselben zur Erweiterung des dortigen Seminar-Lokals nicht statt
nden, und es ist deshalb auch bereits in Folge eines […] Gutachtens der
Königlichen Ober-Bau-Deputation das erforderliche an das Königliche
Schul-Kollegium in Münster verfügt worden. Zudem das unterzeichnete
Ministerium dies dem Gemeinderath auf die Vorstellung vom 19ten Au-
gust d. J. eröffnet, […] es demselben zugleich, auf seiner Seits darauf zu
sehen, daß bei der […] gegenwärtigen Benutzung des gedachten Gebäu-
des als Woll-Magazin, keine Beschädigungen daran vorkommen.“72
71 GStA PK, I. HA Rep 96 D, Nr. 443, Bl. 26.
72 Stadtarchiv Soest, P22 1049.
Neben dem Erhalt der Kirche forderte die OBD jedoch noch weitere Än-
derungen. In der Folge wurden die Abtritte (Toiletten), ein Risalit und ein
Kommunikationsgang aus den Planungen entfernt und weitere kleine Än-
derungen vorgenommen. Die drei hier erwähnten größeren Änderungen
Abb. 9: Unbekannter Zeichner, Erste Entwurfszeichnung des Schulministeriums für das Semi-
nardienstwohngebäude in Soest, Feder auf Karton, 1831, 41,4 × 32,3 cm. Stadtarchiv Soest,
P22 1049 / Foto: F. Baumhauer
148 149
Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
Lars Laurenz
ermöglichen es, die Kopie eines bisher unbekannten Entwurfs mit dem
Titel „Seminardienstwohngebäude in Soest“ (Abb. 9), der im Stadtarchiv
Soest erhalten ist und bisher nicht näher erläutert wurde, mit dem Plan
des Schulministeriums gleichzusetzen. Die Toiletten sowie der Risalit be-
nden sich in dem Entwurf am Mittelportal und der erwähnte Kommu-
nikationsgang liegt dahinter, sodass der Garten direkt über den Hausur
zugänglich ist. Die von der OBD gewünschten Änderungen beziehen sich
nicht auf evidente Planungsfehler, sondern sollten wohl helfen, Baukosten
und -raum einzusparen, die die beiden aufwendig gestalteten Eingänge
verbraucht hätten. Die gewünschten Veränderungen an der Fassade des
Gebäudes lassen sich weniger einfach nachvollziehen, weil keine Fassa-
denansicht überliefert ist. Aus dem Schreiben geht lediglich hervor, dass
„sämtliche Fenster mit Gewänden angeordnet“73 wurden. Somit wird
deutlich, dass die OBD auch ästhetische Vorbehalte geltend machte.
Die neu angefertigte Zeichnung der OBD aus dem Schreiben vom 24.
August 1831 wird entgegen der Anweisung nicht zurückgeschickt, wes-
wegen Schinkel und der Oberbaurat Gotthilf Hagen die Schulbehörde in
einem Schreiben vom 7. Januar 1832 erneut darum bitten74. Das Schulmi-
nisterium erstellt und übersendet daraufhin drei neue Zeichnungen des Se-
minargebäudes mit veranschlagten Kosten von 8.600 Talern75. Die OBD
antwortet auf den überarbeiteten Entwurf vom 18. Mai 1832 bereits neun
Tage später mit folgenden Worten:
„Den mittelst Hoher Verfügung vom 18ten d. M. uns zur Prüfung vorge-
legten Kosten-Anschlag über die Erbauung eines zweistöckigen Gebäudes
zur Erweiterung des Seminariums zu Soest haben wir zwar der Revision
unterworfen, da jedoch dieser Anschlag in Calculo noch nicht festgestellt
war, so konnte unsere Revision sich nur auf die Anschlags-Sätze, aber
nicht auf Kosten-Beträge beziehen. Mit dem Projecte nden wir uns ganz
einverstanden, und beziehen sich die wenigen von uns vorgenom[m]enen
Abänderungen auf folgende Gegenstände:
1) schien uns ein Theil der Fundamentmauern, der von der einen Seite
eine Kellerwand bildet, während er von der andern mit Erde hinterfüllt
wird, bei der gewählten Construction in Bruchsteinen gar zu schwach, und
haben wir seine Stärke von 1′ 6″ auf 2′ vermehrt.
2) Wird die Dach-Construction viel einfacher, und die Dachbalken wer-
den dem Verstocken und Faulen weit weniger ausgesetzt, wenn sie frei auf
die Mauern gelegt werden, wie wir es in der abgeänderten Zeichnung des
73 GStA PK, I. HA Rep 96 D, Nr. 443, Bl. 25.
74 Ebd., Bl. 27.
75 Ebd., Bl. 28.
Querproles angegeben haben. […]
3. Muß die vordere Hausthüre noch ein Oberlicht erhalten, indem sonst
die Treppe gar zu dunkel wäre. […]
Die Veränderungen, welche die unter Nr. 1 – 3 aufgestellten <erwähn-
ten> Gegenstände im Anschlage veranlaßten, haben wir in einer besonde-
ren Nachweisung zusam[m]engestellt, und ergiebt es sich daraus, daß der
ganze Kostenbetrag beinahe unverändert bleibt, indem er sich nur um 1
Thr. 8 Sg. 1 ₰ vermindert.
Den Kosten-Anschlag, u. zugleich die von uns demselben beigefügte
Nachweisung der Abänderungen, so wie die drei zugehörigen Zeichnun-
gen u. Angabe der Räume, nebst dem Berichte des Kngl. Regierung zu
Schul-Collegiums zu Münster, senden wir beikom[m]end gehorsamst zu-
rück, und haben wir unsre Probezeichnung zu den Acten genom[m]en.
Berlin d. 27 Maÿ 1832 K. O. B. D.“76
Dieses Schreiben ist von Schinkel, Wilhelm Bauer und Gotthilf Hagen
unterschrieben. Die Pläne der OBD sind nicht erhalten, es wird jedoch
deutlich, dass vonseiten der OBD in dieser Phase lediglich konstruktive
Änderungen am Entwurf vorgenommen, die ästhetischen Probleme und
Kosteneinsparungen hingegen bereits in der vorausgegangenen Überar-
beitung behoben wurden. Der Entwurfsprozess scheint damit abgeschlos-
sen gewesen zu sein.
Die eingesehenen Dokumente benden sich im Geheimen Staatsarchiv
im Bestand der ‚Technischen Oberbaudeputation‘ in einer Akte zu den
‚Bauten und Reparaturen in der Stadt Soest‘ zwischen 1818 und 1859.
Zwar gibt es im Geheimen Staatsarchiv auch Akten zu den Bauten des
Schulministeriums, in denen für den Regierungsbezirk Arnsberg aber nur
Bauten für die Städte Herdecke, Herzkamp und Schwelm angeführt sind77.
Eine Akte zu den ‚Kirchen- und Schulbauten im Regierungsbezirk Arns-
berg‘ von 1818 bis 1849 bendet sich dafür im Bestand des Ministeri-
ums für öffentliche Aufgaben78. Weitere Akten zum hier behandelten Bau
könnten auch noch in den ‚Generalia‘-Bauakten des Kultusministeriums
enthalten sein79. Eine andere noch bestehende Möglichkeit ist die Sich-
76 Ebd., Bl. 28 und 29.
77 Zu Herdecke: I. HA Rep. 76, IX Sekt. 22 Lit. H Nr. 11; zu Herzkamp: I. HA Rep. 76, IX
Sekt. 22 Lit. H Nr. 11; zu Schwelm: I. HA Rep. 76, IX Sekt. 22 Lit. S Nr. 4.
78 GStA PK, I. HA Rep. 93 B, Nr. 2689, Kirchen- und Schulbauten im Regierungsbezirk
Arnsberg, 1818-1849.
79 GStA PK, I. HA Rep. 76 – 18.01 Generalia. Darin scheinen drei Akten besonders passend
zu sein: I. HA Rep. 76, IX Sekt. 1 Nr. 12 Bd. 2. Allgemeine Bestimmungen über die Bauten
und Reparaturen an den Kirchen-, Pfarr- und Schulgebäuden und über die Verpichtung
dazu, Bd. 2, 1827-1833; I. HA Rep. 76, IX Sekt. 1 Nr. 10 Bd. 1. Allgemeine Bestimmun-
150 151
Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
Lars Laurenz
tung von Akten des Bestandes ‚Lehrerseminar Soest‘ selbst, wo zwar kei-
ne Bauakten angegeben, jedoch vier Akten zur Geschichte des Seminars
vorhanden sind80. Die gesuchten Pläne der OBD werden sich dort jedoch
nicht nden lassen.
5. Zuschreibung
Schwartz bringt die Überzeugung, dass der Bau Schinkel zuzuschreiben
sei, im März 1945 erstmals in die Diskussion ein und wiederholt sei-
ne Vermutung auf ähnliche Weise in Publikationen der Jahre 1955 und
195681. Weder die beiden Zeitungsartikel noch das Buch zu den Denk-
mälern Soests enthalten Fußnoten und Quellenverweise, weswegen die
Aussagen Schwartz‘ bisher nicht überprüft werden konnten. Möglicher-
weise bezieht sich Schwartz bei seiner Zuschreibung auf die bekannte
Stelle, in der es heißt, dass der Plan „bei der Ob Bau Deputation festge-
stellt wurde“82. Schwartz scheinen aber auch bislang unbekannte Akten
vorgelegen zu haben, wie anhand der genannten Baukosten in Höhe von
8.975 Talern zu ersehen ist, die der nun aus den Berliner Akten bekannten
Kostenkalkulation von 8.600 Talern zwar nahekommt, jedoch nicht genau
mit ihr übereinstimmt. Die von Schwartz angegebene Summe kommt in
den neu aufgefundenen Akten aus dem Geheimen Staatsarchiv nicht vor,
weswegen sich Schwartz nicht auf diese bezogen haben kann.
Schreiner ordnet das Gebäude 1969 aufgrund des Eintrages im Reise-
tagebuch Schinkels dem Bauinspektor Buchholtz zu. Zudem vermutet
Schreiner aufgrund dieses Eintrages, dass Buchholtz „auch den Plan des
Gebäudes entworfen hat“83. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Bau
laut Schinkel „vom B. I. Buchholz mit Umsicht geführt“84 worden sei.
Gegen die Zuschreibung an Schinkel führt Schreiner an, dass festgestellt
gen und Verordnungen über die Veranschlagung, Ausführung und Revision der Baue und
Reparaturen der Kirch-, Pfarr- und Schulgebäude, Bd. 1, 1815-1834; I. HA Rep. 76, IX
Sekt. 1 Nr. 4 Bd. 2 Bestimmungen über den Bau der Landschulhäuser und die zu diesem
Behuf angefertigten Normalzeichnungen, Bd. 2, 1827-1861; vielleicht aber auch in den
„Seminar- und Präparandiesachen“ des Regierungsbezirks Arnsberg in der Akte I. HA Rep.
76, VII neu Sekt. 22 C Teil I Nr. 3 Bd. 3, Evangelisches Schullehrerseminar in Soest, Bd.
3, 1829-1835.
80 GStA PK, I. HA Rep. 76 Seminare, 250.02 Ev. Seminar Soest. Hierin vielleicht in den Ak-
ten zur Geschichte des Seminars: I. HA Rep. 76 Seminare, Nr. 14851 Geschichte des Semi-
nars; I. HA Rep. 76 Seminare, Nr. 14852 Jubiläum des Seminars; I. HA Rep. 76 Seminare,
Nr. 14853 Vermischtes und Geschichtliches über das Seminar; I. HA Rep. 76 Seminare, Nr.
14854 Geschichtliches über das Seminar.
81 Schwartz (wie Anm. 1); Schwartz (wie Anm. 2), S. 202; Schwartz (wie Anm. 4), S. 96.
82 Rave (wie Anm. 45), S. 253-261.
83 Schreiner (wie Anm. 6), S. 38.
84 Rave (wie Anm. 45), S. 253-261.
lediglich abgesegnet bedeute und gerade nicht auf eine Involvierung bzw.
Planänderung hinweise85. Wie die neu entdeckten Akten jedoch zeigen,
stammt der erste Entwurf aus dem Schulministerium, wurde vom Schul-
kollegium eingereicht und an die OBD versandt. Dort wurde gleich eine
neue Zeichnung angefertigt, diese an das Schulministerium geschickt, die
dort noch einmal angepasst wird, nur um dann erneut nach den von der
OBD festgelegten Korrekturen abgeändert werden zu müssen. Die Invol-
vierung der OBD war bei dieser Bauplanung relativ groß, da – anders
als bei den meisten vorlagepichtigen Gebäuden – sogar ein neuer Plan
gezeichnet und das Objekt mehrmals vorgelegt werden musste. Deswegen
verwundert es, dass Schinkel sich in seinem Dienstreisebericht auf eine so
kurze Erwähnung des Gebäudes beschränkt und lediglich von einer Fest-
stellung des Planes spricht. Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass
sich Schreiner von dieser Aussage hat irreleiten lassen.
Letztlich handelt es sich bei dem Bau – wie zu dieser Zeit nicht unüb-
lich – um eine Gemeinschaftsarbeit verschiedener Baubeamter aus un-
terschiedlichen Behörden. Wer den Plan des Schulministeriums erstellt
hat, ist nicht bekannt. Die erste Änderung der OBD und vermutlich auch
die dazugehörige, nicht erhaltene Zeichnung sind von Günther und Busse
unterschrieben, wobei hier nicht deutlich wird, wer welche Änderungen
angedacht hat. Die zweite Änderung, bei der rein konstruktive Eingrif-
fe verlangt werden, ist von Schinkel, Bauer und Hagen unterschrieben.
Letztendlich haben also insgesamt fünf Mitarbeiter der OBD und eine un-
bekannte Anzahl von Mitarbeitern der Schulbehörde am Entwurf gearbei-
tet. Die Zeichnungen der OBD sind zwar nicht erhalten, die Änderungs-
wünsche wurden aber im ausgeführten Gebäude übernommen, weswegen
dieses Rückschlüsse auf diese Pläne zulässt. Die Ausführung lag – wie
bereits bekannt und hier lediglich mit weiteren Quellen untermauert – in
den Händen des Bauinspektors Buchholtz.
6. Fazit
Die vom Stadtgeschichtsforscher Schwartz im März 1945 erstmals ge-
äußerte These kann in Teilen validiert werden, jedoch mit der Einschrän-
kung, auf die Schwartz in Zusammenhang mit seinen ersten Texten später
selbst aufmerksam gemacht hat, nämlich dass Buchholtz den Bau ausführ-
te. Des Weiteren muss auf die Involvierung des Schulministeriums in Ber-
lin und in geringerem Umfang des Provinzialschulkollegiums in Münster
hingewiesen werden, die an den Planungen maßgeblich beteiligt waren
85 Schreiner (wie Anm. 6), S. 38.
152 153
Der Bauplanungsprozess des klassizistischen Dienstwohngebäudes
Lars Laurenz
und die dem Bau zugrundeliegenden Entwürfe erstellten. Es lässt sich
festhalten, dass es sich um eine nicht über die Maßen ungewöhnliche, aber
auch nicht sonderlich zügige und reibungslose Bauplanung handelte, son-
dern vonseiten der OBD erheblich in die Entwürfe des Schulministeriums
eingegriffen wurde. Eine klare Zuordnung des Baus zu einem Architekten
ist daher nicht möglich. Das Dienstwohngebäude des Lehrerseminars fand
in Soest als eines der frühsten klassizistischen Gebäude besonders in pri-
vaten Wohnbauten eine gewisse Nachahmung. Es steht jedoch im starken
Kontrast zur damals vorhandenen Baustruktur und nimmt keine Rücksicht
auf die lokalen Bautraditionen Soests und Westfalens. So wies bereits Ul-
rich Großmann im Generellen daraufhin, dass die „Verbreitung des zwei-
geschossigen klassizistischen Mittelurhauses […] in Niederdeutschland
einen radikalen Bruch mit der Bürgerhaustradition bedeutete.“86
Der Ablauf des Bauprozesses zeigt neben den oben beschriebenen Ver-
waltungsvorgängen und behördlichen Abstimmungsprozessen aber auch
ein Gespür für denkmalpegerische Belange seitens der OBD, besonders
von Schinkel und Busse. Ihnen ist der Erhalt der ehemaligen Klosterkir-
che Neu-St. Thomae zu verdanken. Bereits 1823, in der ersten von Schin-
kel initiierten westfälischen Denkmäler-Inventarisation, nahm Soest einen
Großteil der in Westfalen vorhandenen „Denkmale der Vorzeit“ ein und
auch „das graue Kloster mit seiner noch vorzüglich guten Kirche“87 wurde
darin aufgenommen. Die Stadt Soest war Schinkel daher für seine erhal-
tenswerten Bauten bekannt. Ein Jahrzehnt nach der Inventarisation und
zur Zeit der Bauausführung des Seminarwohngebäudes sollte Schinkel
bei einem Besuch der Stadt im Juli 1833 die Bauschäden an der Vorhalle
des sog. St. Patrokli Domes aufnehmen88. Dabei fertigte er eine Zeich-
nung des Domes und der Nebengebäude an (Abb. 10)89 und hielt in seinem
Reisetagebuch fest: „Die altertümlichen Bauwerke Soests u. nahmentlich
der Dom gehören zu den wichtigsten Denkmalen der schönsten deutschen
Baukunst, weil in ihnen mehr ganz ursprüngliches ihrer Anlage als irgend-
wo erhalten ist.“90
86 Georg Ulrich Goßmann: Einführung in die historische und kunsthistorische Bauforschung.
Darmstadt 2010, S. 47.
87 Ludwig Schreiner: Karl Friedrich Schinkel und die erste westfälische Denkmäler-Inventa-
risation. Recklinghausen 1968, S. 18.
88 Schreiner (wie Anm. 6), S. 250.
89 Michael Schmitt: Soest – Kein Bildthema für Druckgraphik und Malerei? Die Überliefe-
rung 1581-1900. In: Zwischen Bürgerstolz und Fürstenstaat. Soest in der frühen Neuzeit.
Soest 1995, S. 445, 456, Abb. 21; Jochen Luckhardt: Westfalia Picta. Band IV. Kreis Soest.
Bielefeld 1989, Nr. 384/S. 240-241. Die Wiedergabe erscheint hier spiegelverkehrt, weil
die Zeichnung seitenverkehrt auf Karton aufgezogen wurde, um diese zu schützen. Schrei-
ner (wie Anm. 6), S. 250.
90 Rave (wie Anm. 45), S. 253-261.
In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges schrieb Schwartz das
Dienstwohngebäude des Seminars der OBD unter Leitung von Schinkel
zu, was zu einer erneuten Beschäftigung mit dem Bau führte. Diese Um-
stände ermöglichten den Wiederaufbau des Gebäudes, der ansonsten wohl
nicht stattgefunden hätte. So leitete der Regierungsbaurat Dambleff aus
der getätigten Zuschreibung im Jahr 1950 die Picht ab, „den Bau zu-
mindest in seiner äußeren Gestaltung im Sinne der Zeit Schinkels wieder
herzurichten, zumal die Umfassungsmauern noch erhalten waren“91. Das
91 Stadtarchiv Soest, P22.1049, S. 346: Schreiben des Regierungsbaurates Dambleff an
den Direktor des Staatlichen Archigymnasiums vom 04.01.1950. Zum Wirken August
Dambleffs, der Bevollmächtigter für den Wiederaufbau des Kreises Soest, Leiter des
Staatshochbauamts, Vorsitzender des Vereins für Heimatpege und Vorstandsmitglied der
Gemeinschaft „Soest baut auf“ war, siehe: Jakob Hofmann: Heimatschutz im Soester Wie-
Abb. 10: Karl Friedrich Schinkel, Patroklus-Dom und Nebengebäude, Gratstift auf Papier,
1833, 24,2 × 24,2 cm. Kupferstichkabinett Berlin, Inv.-Nr. SM 42a.40 / Foto: W. Büttner
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Dienstwohngebäude des Lehrerseminars ist kein Prachtbau, sondern als
preisgünstiger und relativ schmuckloser Zweckbau anzusehen, was auch
den von der OBD eingeleiteten Vereinfachungen geschuldet ist. Wer aber
Freund einer idealisierenden bzw. romantisch verklärten Kunstgeschichte
ist, mag hier Carl von Lorcks Aussage folgen, dass Schinkel „Größe hat
zeigen können, die in der Einfachheit geheimnisvoll beschlossen liegt.
[Zur] Grundform der Kunst ist […] [diese Einfachheit] innerhalb der neu-
eren Kultur nur in einem einzigen Lande geworden, […] in Preußen.“92
deraufbau. Die Historisierung und „Enthässlichung“ der Altstadt. In: Soester Zeitschrift
125 (2013), S. 223-253; Eberhard Linnhoff: Staatliche Denkmalpege in Stadt und Kreis
Soest. In: Soester Zeitschrift 89 (1977), S. 97-98; Spohn (wie Anm. 3).
92 Carl von Lorck: Deutschland in Schinkels Briefen und Zeichnungen. Dresden 1937, S. 16.
GüNter kükeNshöNer
prof. alfreD DIppe – eINe bIoGrafIsche aNNäherUNG1
Wer war Alfred Dippe?
Biograsch ist recht wenig über diesen Oberlehrer des Archigymnasiums
von 1875 bis 1915 bekannt. Die Archive seiner Heimatstadt Nordhausen
(Thüringen) und Erfurt, seinem Wohnort nach der Soester Lehrer-Zeit,
haben fast nichts aufzuweisen. Es ist lediglich eine einzige fotograsche
Abbildung von ihm bekannt, die jedoch von so schlechter Qualität ist,
dass man sie an dieser Stelle nicht reproduzieren kann2.
Über das Leben ließ sich Folgendes eruieren: Geboren wurde er am 28.
September 1853 in Nordhausen (Thüringen). Seine schulische Ausbil-
dung absolvierte er bis 1872 in seiner Heimatstadt. Von 1872 bis 1876
studierte er klassische und germanische Philologie in Leipzig und Göttin-
gen. Direkt anschließend verschlug es ihn nach Soest, wo er zunächst als
Hilfslehrer und ab 1877 als Lehrer am Archigymnasium angestellt wurde.
Im Jahr 1892 promovierte er in Jena mit einer Dissertation mit dem Titel
„Untersuchungen über die Bedeutung der Denkform Idee in der Philoso-
phie und Geschichte“. Zwei Jahre später erhielt er die „Charakterisierung
als Professor“, was einem heutigen Studiendirektor entspräche. Nach fast
vierzig Jahren Tätigkeit am Archigymnasium, am 31. März 1915, ging er
in den Ruhestand. Für seine jahrzehntelangen Verdienste wurde ihm der
Rote Adlerorden vierter Klasse verliehen, ein preußischer Verdienstorden
untersten Ranges. Als einziger der Lehrerkollegen seiner Generation blieb
er nicht in Soest, sondern zog nach Erfurt, wo er bis zu seinem Tod am 15.
Mai 1945 lebte.
Seiner Personalakte kann man entnehmen, dass sein Jahresgehalt zum
Schluss 5.100 Mark zzgl. 480 Mark Wohngeldzuschuss betrug, wobei
1 Grundlage für diesen Aufsatz bildet der am 27. April 2022 gehaltene Vortrag beim „Herren-
essen mit Damen“.
2 Festschrift der Vereinigung ehemaliger Schüler des Archigymnasiums Soest zum 425jähri-
gen Jubiläum der Schule (Bericht der Vereinigung ehemaliger Schüler des Archigymnasi-
ums, Nr. 85). Soest 1959, S. 10.